Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil, 11. März 2016 - 9 K 1572/13

bei uns veröffentlicht am11.03.2016

Tenor

1. Der Umsatzsteuerbescheid 2007 vom 2. Juli 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. April 2013 wird aufgehoben.

2.Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

3. Das Urteil ist wegen der der Klägerin zu erstattenden Kosten vorläufig vollstreckbar. Betragen diese nicht mehr als 1.500 EUR, ist das Urteil hinsichtlich der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann in diesem Fall die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des mit Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Kostenerstattungsbetrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Übersteigt der Kostenerstattungsanspruch den Betrag von 1.500 EUR, ist das Urteil wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Erstattungsbetrages vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Tatbestand

 
Der Rechtsstreit betrifft die Lieferung von Ferkeln, die im Streitjahr 2007 im Betrieb der Klägerin produziert worden sind und anschließend zur Schweinemast in einem Mastbetrieb verwendet wurden, der von einer Schwestergesellschaft der Klägerin geführt wird. Dabei ist streitig, ob die Klägerin die Verfügungsmacht an den von ihr erzeugten Ferkeln zunächst – wie sie meint – einem Zwischenhändler verschafft hat, der aus derartigen Lieferungen einen Vorsteuerabzug von 10,7 % geltend machen kann und für die Weiterlieferung an seine Abnehmer – und damit auch an die Schwestergesellschaft der Klägerin – nur 7 % Umsatzsteuer in Rechnung stellen muss. Anders als die Klägerin ist der Beklagte der Auffassung, dass die Ferkel zur anschließenden Schweinemast unmittelbar in die Verfügungsmacht der von den Gesellschaftern der Klägerin betriebenen Schwestergesellschaft übergegangen sind und eine zum Ausweis von Umsatzsteuer berechtigende Lieferung der Klägerin an den Zwischenhändler nicht vorliegt.
Die Klägerin ist ein landwirtschaftlicher Betrieb in der Rechtsform einer GbR, der seine Umsätze nach Durchschnittssätzen besteuert und zum 1. Juli 2006 zwischen den in Gütergemeinschaft lebenden Eheleuten Y und Z X (gemeinsam zu 60 %) und ihrem gemeinsamen Sohn T X (zu 40 %) gegründet wurde. Die Klägerin führte die zuvor – seit 1983 – von den Eheleuten allein betriebene Ferkelproduktion fort. Die Ferkelaufzucht erfolgte auf einer Althofstelle innerhalb der Ortschaft A. Zur Zeit der Gründung der Klägerin verfügte der Betrieb über etwa 100 Zuchtsauen.
Zum 1. Januar 2007 gründeten die Gesellschafter der Klägerin zudem als Komplementäre (mit einem Anteil des Y X von 31,66 % und der Z X und des T X von je 31,67 %) gemeinsam mit Herrn C (der als Kommanditist einen Anteil von 5 % übernahm) als Schwestergesellschaft der Klägerin die X B.. KG (X KG). Der Unternehmensgegenstand der X KG bestand in der Planung und Durchführung einer Schweinemast einschließlich des Ankaufs von Futtermitteln und Ferkeln und in dem Verkauf von Mastschweinen. Die X KG versteuerte ihre Umsätze gleichfalls nach Durchschnittssätzen und erzielte – wie die Klägerin – Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Dazu hatte der Minderheitsgesellschafter C der X KG Landwirtschaftsflächen übertragen, damit die X KG die für diese Einkunftsart erforderliche Flächendeckung erreichen konnte. Auch die X KG setzte einen zuvor von Herrn Y X allein geführten Schweinemastbetrieb fort, der seit 1995 bestanden hatte. Dazu verfügte der Mastbetrieb über einen Stall, der in einer Teilaussiedlung außerhalb der Ortschaft A lag. Die Gründung der X KG erfolgte vor dem Hintergrund, dass die Schweinemast deutlich erweitert werden sollte, weil der Sohn T X in den elterlichen Betrieb aufgenommen werden sollte.
Die Klägerin ist Mitglied des wirtschaftlichen Vereins „....“ (W..) mit Sitz in Q. Die Tätigkeit der W.. basiert nach ihrer Satzung auf einer bäuerlichen Selbsthilfe und ist zum Wohl ihrer Mitglieder auf wirtschaftlichen Gewinn ausgerichtet. Zweck des Vereins ist es, die Erzeugung von Qualitätsferkeln zu fördern und den Verkauf durch Konzentration des Angebots den Erfordernissen des Marktes anzupassen sowie für einen geeigneten Marktabsatz zu sorgen. Der Verein kann Marktorganisationen beitreten, um dort die Interessen seiner Mitglieder wirksam zu vertreten. Mitglied der W.. kann jeder Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes mit Ferkelerzeugung werden. Der Antragsteller hat dabei zu erklären, welche Anzahl von Ferkeln er der Erzeugergemeinschaft anzudienen bereit ist. Nach § 4 Abs. 2 der Satzung sind die Mitglieder unter anderem verpflichtet, die vom Vorstand beschlossenen Erzeugungs-, Qualitäts- und Verkaufsregeln einzuhalten, die Einhaltung dieser Regeln überwachen zu lassen und die hierfür notwendigen Auskünfte zu erteilen und ihre gesamten zur Veräußerung bestimmten Erzeugnisse, die Gegenstand der Tätigkeit des Vereins sind, durch diesen zum Verkauf anbieten zu lassen, soweit keine abweichende Vereinbarung getroffen wurde. Der Gesellschafter der Klägerin Y X ist seit den neunziger Jahren Mitglied des Vorstands der W... Ihr Geschäftsführer ist der Zeuge P.
Streitig sind (vermeintliche oder tatsächliche) Ferkellieferungen der Klägerin unter Zwischenschaltung der W.. mit anschließendem Verbleib der Ferkel bei der X KG. Dabei wurden die Ferkel jeweils von Y X mit einem umgebauten LKW von der Althofstelle zur Teilaussiedlung gebracht. Über diese Lieferungen wurden auf Vordrucken der W.. Lieferscheine, Gutschriften und Rechnungen erstellt. Die W.. hatte der Klägerin die Lieferscheine, die im Kopf den Namen und die Anschrift der W.. enthielten, blanko in unausgefülltem Zustand überlassen. Sie wurden von den Gesellschaftern der Klägerin Y X und Z X ausgefüllt und anschließend von Y X für die Klägerin und von Z X für die X KG unterschrieben und sodann der W.. zugeleitet. Die W.. erstellte später über die (vermeintlichen oder tatsächlichen) Lieferungen Einkaufs-Abrechnungen gegenüber der Klägerin und Rechnungen gegenüber der X KG. Dabei waren in beiden Abrechnungen als Berechnungsgrundlagen der Preis pro Kilogramm, die Vergütung für das Mehrgewicht, der Mengenzuschlag und der Zuschlag für die Mykoplasmen-Impfung jeweils identisch. Die Abrechnungen unterschieden sich nur dadurch, dass die W.. gegenüber der Klägerin vom so ermittelten Bruttopreis einen Mitgliedsbeitrag von 0,25 EUR pro Ferkel abzog und den als Gutschrift ausgewiesenen und der Klägerin geschuldeten Abrechnungsbetrag entsprechend verminderte, während sie gegenüber der X KG einen Zuschlag in Form einer Abrechnungsgebühr von 0,25 EUR je Ferkel erhob und den Nettopreis entsprechend erhöhte. Außerdem wendete die W.. in den Abrechnungen gegenüber der Klägerin einen Umsatzsteuersatz von 10,7 % an, in dessen Höhe sie gegenüber dem Fiskus den Vorsteuerabzug geltend machte, während sie der X KG für die (vermeintliche oder tatsächliche) Weiterlieferung der Ferkel 7 % Umsatzsteuer in Rechnung stellte und an den Fiskus abführte.
Die formularmäßige Abwicklung der (vermeintlichen oder tatsächlichen) Lieferungen und Abrechnungen zwischen der Klägerin, der W.. und der X KG gestaltete sich – am Beispiel einer Lieferung vom 5. Mai 2007 – im Einzelnen wie folgt:
Lieferschein (handschriftliche Eintragungen von Y und Z X in fett kursiv):
„W..    ....
                 
G 1 - Q - Tel. ... Fax ...
                 
                          
Lieferschein
        
Datum: 5.5.07
                          
Erzeuger:
X GbR          
        
        
A 11        
        
        
... J          
        
Mäster:
X B.. KG           
        
        
A 55        
        
        
... J          
        
                          
Basispreis bei 25 kg
        
Mehrgewicht 1,00 EUR/kg
Impfmaßnahmen:
                 
Mykoplasmen EUR/Ferkel 1,50 EUR
                 
Sonstige Vereinbarungen: MZ 5,00 EUR
                 
Lieferdatum
Stück 
kg    
Basispreis / EUR
5.5.07           
96       
3326        
        
10 
Mit meiner Unterschrift bestätige ich oben angegebene Lieferung und die Anerkennung der umseitigen Geschäftsbedingungen
11 
K. X X         
G. X X           
Unterschrift Erzeuger  
Unterschrift Käufer“
12 
Abrechnung (Gutschrift) der W.. gegenüber der Klägerin:
13 
„W..                           …

Firma X Gbr /M/S
A 11
… J
14 
USt-IdNr:
Lieferanten-Nr.: …
Steuernummer: …
Betr.-Nr.: …
Datum-Abrechnung: 06.06.2007
Abrechnungs-Nr.: …
15 
EINKAUFS-ABRECHNUNG
16 
Lieferung vom: 05.05.2007          Seite: 1
17 
Artikel
Stück 
Gew. B.
Gewicht
Preis 
Summe
S
Ferkel
96
  3326.0
 2400.00 N
 41.00
 3936.00
 8
Gewicht über 25 kg
        
        
 926.00
 1.00
 926.00
        
96
        
3326.00
        
4862.00
18 
Zu/Abschlag
Menge ME
Wert   
Gesamt
St
        
Mengenzuschlag
96.00 Stk N
5.000 EUR
480.00
8
        
Mykoplasmen-Impfung
96.00 Stk N
  1.500 EUR
   144.00
8
        
Mitgliedsbeitrag
96.00 Stk N
-0.250 EUR
-24.00
4
 600.00
        
        
        
        
5462.00
19 
Betrag-Netto
Steuer %
 Betr.-Steuer
 Betrag-Brutto
5486.00
8 10.70
587.00
6073.00
-24.00
4  0.00
0.00
-24.00
5462.00
Abrechnungsbetrag :
EUR
6049.00
20 
Beachten Sie bitte unsere allgemeinen Verkaufs- und Lieferbedingungen auf der Rückseite.“
21 
Rechnung der W.. gegenüber der X KG:
22 
„W..                          …

Firma X B.. KG
A 11
... J
23 
Kunden-Nr.: …
Steuernummer: …
Datum-Rechnung: 06.06.2007
Rechnungs-Nr.: …
24 
RECHNUNG
25 
Lieferung vom: 05.05.2007          Seite: 1
26 
Artikel
Stück
Gew. B.
Gewicht
Preis
G-Preis
 St
Ferkel
96
3326.0
 2400.00 N
 41.00
 3936.00
 2
Gewicht über 25 kg
        
        
 926.00
1.00
926.00
        
        
96
        
3326.00
4862.00
        
27 
Zu/Abschlag
Menge ME
Wert
Gesamt
 St
        
Mengenzuschlag
96.00 Stk N
5.000 EUR
480.00
2
        
Mykoplasmen-Impfung
96.00 Stk N
1.500 EUR
144.00
 2
        
Abrechnungsgeb. LA
 96.00 Stk N
0.250 EUR
-4.00
 4
648.00
        
        
        
        
5512.00
        
        
        
        
        
        
Betrag-Netto
Steuer %
Betr.-Steuer
Betrag-Brutto
        
5510.00
2     7.00
385.70
5895.70
        
        
Rechnungsbetrag:
EUR
5895.70
28 
Der Rechnungsbetrag wird abgebucht.
29 
Beachten Sie bitte unsere allgemeinen Verkaufs- und Lieferbedingungen auf der Rückseite.“
30 
In den Jahren 2008 bis 2010 fand bei der Klägerin eine Außenprüfung statt. Der eingesetzte Prüfer sprach den Gesellschafter der Klägerin Y X auf den Grund für die Zwischenschaltung der W.. an. Dieser verwies darauf, dass die Klägerin neben einem Vorteil bei der Umsatzsteuer auch hinsichtlich der Beratungsleistungen der W.. und der höheren Sicherheit des Geldeingangs bei einem Verkauf an die W.. von dieser profitiere. Der Prüfer folgte diesem Einwand nicht. Er vertrat in seinem Bericht vom 18. Mai 2010 die Auffassung, dass die Ferkellieferungen direkt zwischen der Klägerin und der X KG erfolgt seien und dass die W.. zu keinem Zeitpunkt über die bereits gelieferten Ferkel die Verfügungsmacht innegehabt habe. Den Gutschriften und Rechnungen der W.. hätten keine Leistungen zugrunde gelegen. Die Umsatzsteuer sei in 2007 zu Unrecht ausgewiesen worden. Die Klägerin habe diese in Höhe von 8.995,06 EUR gemäß § 14c des Umsatzsteuergesetzes (UStG) zu entrichten.
31 
Der Beklagte folgte der Auffassung des Prüfers und setzte für 2007 mit erstmaligem Bescheid vom 2. Juli 2010 Umsatzsteuer in der vom Prüfer angeführten Höhe fest. Den dagegen eingelegten Einspruch vom 22. Juli 2010, mit dem die Klägerin geltend machte, es handele sich bei den Lieferungen um typische Reihengeschäfte i. S. des § 3 Abs. 6 Satz 5 UStG, wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 11. April 2013 als unbegründet zurück. Dazu führte der Beklagte im Einzelnen aus:
32 
Das Tatbestandsmerkmal der Lieferung in § 3 Abs. 1 UStG beschreibe keine zivilrechtliche Gestaltung, sondern den tatsächlichen Vorgang der Verschaffung der Verfügungsmacht an einem Liefergegenstand. Mit dem Verbringen der Ferkel in die Mastställe habe die Klägerin der X KG die Verfügungsmacht an den in den Lieferscheinen bezeichneten Ferkeln verschafft. Damit sei der gesetzliche Tatbestand erfüllt. Die von der Klägerin an die X KG ausgeführten Lieferungen könnten nicht durch vertragliche Regelungen aufgehoben werden, die erst nach der Ausführung der Lieferung an die X KG getroffen würden. Selbst wenn sie zivilrechtlich wirksam wären, könne durch sie die nach dem Gesetz erforderliche Verfügungsmacht nicht mehr verschafft werden. Vorherige vertragliche Lieferungen der Klägerin an die W.. seien durch mündliche Vereinbarungen und hierzu ausgestellte Lieferscheine und Gutschriften nicht nachgewiesen. Dass die angeblichen vertraglichen Lieferungen als Reihengeschäft zwischen Klägerin, W.. und X KG dargestellt würden, führe nicht zur Anerkennung als Lieferung. Voraussetzung für ein solches Reihen- oder Streckengeschäft sei die eindeutige Vereinbarung mit konkreten Mengen- und Preisangaben vor Ausführung der Lieferung. Ohne eine solche Vereinbarung führe die tatsächliche Warenbewegung beim zwischengeschalteten Unternehmer nicht zu einer Verschaffung der Verfügungsmacht im Zeitpunkt der jeweiligen Warenbewegung. Da vor Ausführung der Lieferung keine konkreten Mengen und Preise vereinbart worden seien, habe die W.. die Verfügungsmacht an den Ferkeln nicht erlangt. Die bloße Notiz auf einem Lieferschein und die nachfolgende Erstellung von Abrechnungsgutschriften und Rechnungen reichten nicht aus.
33 
Außerdem seien die geschlossenen Vereinbarungen sowohl zivilrechtlich als auch steuerrechtlich nach § 41 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) unbeachtlich, wenn sie nur zum Schein abgeschlossen worden seien, weil die Vertragsparteien einverständlich und stillschweigend davon ausgingen, dass die Rechtswirkungen des Geschäfts gerade nicht zwischen den zivilrechtlichen Vertragspartnern eintreten sollen. Dementsprechend komme umsatzsteuerlich eine von den getroffenen zivilrechtlichen Vereinbarungen abweichende Bestimmung der Person des Leistenden und des Leistungsempfängers in Betracht, wenn das Rechtsgeschäft nur zum Schein abgeschlossen worden sei und alle daran Beteiligten darum gewusst hätten. Das sei hier der Fall gewesen, denn die W.. habe keine eigenen Verpflichtungen aus den Abreden eingehen wollen, was sich schon daran zeige, dass die Tiere unmittelbar von der Klägerin in die Stallungen der X KG verbracht worden seien und dass die W.. keine eigene Preisbestimmung vorgenommen habe. Die in den Gutschriften ausgewiesene Umsatzsteuer sei, da die Klägerin den Gutschriften nicht widersprochen, zugleich aber auch keine Lieferungen an die W.. ausgeführt habe, gemäß § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG von der Klägerin zu entrichten.
34 
Schließlich sei die Einschaltung der W.. auch als Gestaltungsmissbrauch i. S. des § 42 AO anzusehen. Zwar erfordere die Spezialisierung der Betriebe im Rahmen der arbeitsteiligen Schweinehaltung eine laufende Auswahl der Lieferanten und Abnehmer und zur Auslastung der Produktionsstufen die Koordination der Lieferbeziehungen mit anderen Tierhaltungsbetrieben. Das könne als außersteuerlicher Grund die Einschaltung Dritter begründen. Allerdings erfordere das nicht zwingend die Zwischenschaltung von Erzeugergemeinschaften als Kommissionär oder als Eigenhändler, da die genannten Leistungen auch im Rahmen einer reinen Geschäftsführungs- oder Vermittlungstätigkeit für die beteiligten Tierhaltungsbetriebe erbracht werden könnten. Für die Einschaltung der W.. gebe es keine zwingenden betrieblichen Gründe. Durch die Einschaltung der W.. solle bloß die Vereinnahmung der vollen Vorsteuerpauschale erreicht und gleichzeitig bei der X KG die Vorsteuerbelastung von 10,7 % auf 7 % abgesenkt werden, weil die X KG insoweit nach § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sei. Bei Unternehmen mit aufeinander abgestimmter Erzeugertätigkeit, die die Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG anwendeten, stelle die Zwischenschaltung eines Händlers oder Kommissionärs einen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten dar. Dies gelte uneingeschränkt für die Ferkellieferungen der Klägerin.
35 
Dagegen wendet sich die am 8. Mai 2013 beim Finanzgericht (FG) eingegangene Klage. Mit ihr macht die Klägerin geltend, dass sie als Mitglied der W.. dazu verpflichtet sei, ihre gesamten erzeugten Ferkel grundsätzlich durch die W.. zum Verkauf anbieten zu lassen und zu vermarkten. Verstoße sie gegen die Satzung, könne ihr eine Vertragsstrafe auferlegt werden. Kein vernünftiger Kaufmann würde unter solchen Umständen gegen die Satzung verstoßen und sich der Gefahr von finanziellen Repressionen aussetzen. Sie könne daher bei der Vermarktung der von ihr erzeugten Ferkel nicht wählen, an wen diese Ferkel verkauft werden, sondern müsse sie zwingend der W.. zum Verkauf anbieten.
36 
Die W.. leiste umfassende Beratung bei der Produktion. So sei die Eberauswahl nicht einem einzelnen Erzeuger überlassen, sondern werde durch den Verein bestimmt. Der Verein koordiniere die einzelnen Produktionsstufen bis hin zur abschließenden Vermarktung an den Lebensmittelhandel und die Schlachtkonzerne. Dies sei für jeden Ferkelerzeuger Grund genug, sich der W.. anzuschließen, um die Vorteile aus der Optimierung seines Kerngeschäfts – der Ferkelproduktion – und aus der optimalen Vermarktung zu bekommen. Deshalb würden auch landwirtschaftliche Betriebe, die sich zu einer derartigen Erzeugergemeinschaft zusammenschließen, aufgrund des Marktstrukturgesetzes genehmigt und gefördert.
37 
Es sei nicht nachvollziehbar, wie das Finanzamt zu dem Ergebnis komme, die vertraglich bestimmte Praxis stelle ein Scheingeschäft dar und sei ein Gestaltungsmissbrauch. Bereits der Außenprüfer habe mit allen Mitteln versucht, die gewählte Gestaltung in Frage zu stellen. So sei 2009 gegen die Gesellschafter der Klägerin und der X KG sogar ein Strafverfahren eingeleitet worden, das allerdings 2011 wieder eingestellt worden sei. Offensichtlich sei daher die Straf- und Bußgeldsachenstelle von einem Reihengeschäft ausgegangen und damit der Einschätzung der Betriebsprüfung nicht gefolgt.
38 
Auch nach Auffassung der Klägerin liege ein Reihengeschäft vor. Es sei in der Wirtschaft ein ganz normaler Vorgang, dass Waren über viele Stationen bewegt würden, ohne dass der Verkäufer sie jemals zu Gesicht bekomme. Maßgeblich sei letztlich nicht der Warenweg, sondern die Lieferbeziehungen. Es gebe keinen Grund, dies in der Landwirtschaft anders zu sehen. Das Finanzamt wolle schlicht den Landwirten einen Steuervorteil, den ein Verkauf an einen Kommissionär mit sich bringe und der vom Gesetzgeber gewollt sei, nicht zubilligen. Durch die Gestaltung würden auch keine unverhältnismäßigen Steuervorteile geschaffen. Es sei nun einmal in der Landwirtschaft üblich, dass entstehende Vorsteuerbeträge durch das Umsatzsteuersystem ausgeglichen würden, indem die Landwirte einen Umsatzsteuerbetrag entsprechend der massenstatistisch ermittelten Vorsteuer ausweisen dürften. Würden im Streitfall die Ferkel an einen Viehkommissionär im Ä...kreis verkauft und komme der Abnehmer aus O, könne die Vorstellung, ein Verkauf über einen Kommissionär sei nicht zulässig, auch nicht aufkommen. Denn es handele sich klar erkennbar um ein Reihengeschäft. Dann aber mache es keinen Unterschied, ob die Lieferentfernung mehrere hundert Kilometer oder nur einige hundert Meter betrage. Denn die maßgeblichen vertraglichen Beziehungen seien gleich.
39 
Der Sachverhalt sei zudem mit jenem vergleichbar, der dem Senatsurteil vom 13. Februar 2012 – 9 K 1886/10 (juris) zugrunde gelegen habe. Dort habe das FG Baden-Württemberg eine ähnliche Gestaltung anerkannt, wobei die bei jeder Lieferung getroffene und notwendige Vereinbarung nie schriftlich gewesen sei. Es sei unverständlich, weshalb der Beklagte die mithin bereits geklärte Rechtsfrage nochmals zur Überprüfung stelle und damit eine Gestaltung bekämpfe, die für das Überleben der Ferkelproduktion im Ä...kreis zwingend notwendig sei. Gebe man dem Beklagten Recht und verweigere beim Vorsteuerabzug die Differenz zwischen 7 % und 10,7 %, so wäre die Wirtschaftlichkeit bei Margen von unter 4 % nicht mehr gegeben. Es liege weder ein Karussell- noch ein Scheingeschäft und damit auch kein Gestaltungsmissbrauch vor, sondern ein ganz normales im Geschäftsleben übliches Reihengeschäft.
40 
Ergänzend trägt die Klägerin vor, dass der mit der Steuersatzspreizung verbundene Subventionseffekt auch dann eintrete, wenn die Klägerin ihre Ferkel über die W.. an andere Schweinemastbetriebe als an die X KG liefere. In gleicher Weise seien die unterschiedlichen Steuersätze auch anzuwenden, wenn die X KG die zur Mast benötigten Ferkel von anderen Produzenten als der Klägerin beziehe. Es sei daher nicht verständlich, warum die Gestaltung ausschließlich in solchen Fällen nicht anerkannt werde, in denen die Ferkel von der Klägerin über die W.. an die X KG geliefert würden.
41 
Die Klägerin beantragt,
42 
den Umsatzsteuerbescheid für 2007 vom 2. Juli 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. April 2013 aufzuheben
43 
und
44 
die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären,
45 
hilfsweise,
46 
die Revision zuzulassen.
47 
Der Beklagte beantragt,
48 
die Klage abzuweisen,
49 
hilfsweise,
50 
die Revision zuzulassen.
51 
Er verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung.
52 
Der Berichterstatter des Senats hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten am 2. Februar 2016 erörtert. Auf die Niederschrift über den Termin wird ergänzend Bezug genommen. Im Termin hat der Gesellschafter Y X geltend gemacht, dass die Klägerin, wie zuvor schon der von ihm und seiner Ehefrau geführte Betrieb, fast immer mehr Ferkel produziert habe, als anschließend von ihnen bzw. später von der X KG als Schweine hätten gemästet werden können. Deshalb habe man die Ferkel immer schon weit überwiegend über die W.. zum Verkauf an andere Schweinemäster angeboten. Im Jahre 2007 sei geschätzt etwa ein Drittel der Ferkel an die X KG abgegeben worden, während der Rest an fremde Schweinemastbetriebe gegangen sei. Sämtliche Verkäufe seien über die W.. abgewickelt worden. Die anderen Ferkel, die nicht an die X KG abgegeben würden, würden von der W.. mit deren eigenen LKW abgeholt. Die Lieferscheine der W.. fülle er in diesen Fällen nur teilweise aus, indem er das Feld zur Angabe des Käufers leerlasse. Bevor er einen Lieferschein ausgefüllt habe, habe er jeweils zunächst bei der W.. angerufen und ihr mitgeteilt, dass bei der X KG eine bestimmte Anzahl an Ferkeln zur Mast benötigt werde und dass die Klägerin beabsichtige, diese Ferkel an die X KG zu liefern. Er habe dann gefragt, ob seitens der W.. Einwände dagegen bestünden. Der Disponent bei der W.. habe sich dann wenige Tage später bei ihm gemeldet und ihm entweder mitgeteilt, dass der Lieferung an die X KG zugestimmt werde, oder aber verfügt, dass die Ferkellieferung an einen anderen Kunden der W.. gehen müsse. Erst wenn die W.. zugestimmt habe, habe er den Lieferschein ausgefüllt und als Käufer dort die X KG eingetragen. Der Grundpreis und die Stückzahl seien zu diesem Zeitpunkt schon vereinbart gewesen. Das Gewicht habe man zunächst offengelassen, weil dieses jeweils erst zu dem Zeitpunkt habe ermittelt werden können, zu dem die Ferkel an die X KG gelangt und dort gewogen worden seien. In den Jahren 2007 und 2008 habe die X KG im Übrigen in einzelnen Fällen über die W.. auch Ferkel zur Schweinemast zugekauft, die nicht bei der Klägerin produziert worden seien. Denn damals habe die X KG über höhere Schweinemastkapazitäten verfügt, als bei der Klägerin an Ferkelproduktionskapazitäten zur Verfügung gestanden habe. Seinerzeit seien zunächst die Mastställe erweitert worden, bevor man die Zuchtkapazitäten bei der Klägerin ausgebaut habe.
53 
Der Senat hat am 23. Februar 2016 beschlossen, zu den zwischen der Klägerin und der W.. im Streitjahr getroffenen Abreden zur Lieferung von Ferkeln und zur Abrechnung über diese Ferkellieferungen den Geschäftsführer der W.. P als Zeugen zu vernehmen. Der Senat hat am 11. März 2016 den Beweis erhoben und in der Streitsache mündlich verhandelt.

Entscheidungsgründe

 
54 
Die Klage ist begründet.
55 
Der angefochtene, am 2. Juli 2010 ergangene Bescheid zur Umsatzsteuer 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. April 2013 ist aufzuheben, denn er ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Entgegen der Auffassung des Beklagten schuldet die Klägerin die Umsatzsteuer, die in den ihr von der W.. erteilten Gutschriften ausgewiesen ist, nicht nach § 14c Abs. 2 Satz 3 UStG (nachfolgend 1.). Der Beklagte war auch nicht berechtigt, wegen eines möglicherweise gegebenen Missbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 Abs. 1 AO) den streitigen Umsatzsteuerbetrag gegenüber der Klägerin festzusetzen (nachfolgend 2.).
56 
1. Die streitige Umsatzsteuerfestsetzung lässt sich auf § 14c Abs. 2 Satz 3 UStG nicht stützen.
57 
a) Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG wird die Umsatzsteuer für die im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebs, wie ihn die Klägerin innehat, ausgeführten Umsätze i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG – und damit auch für die Ferkellieferungen der Klägerin – auf 10,7 % der Bemessungsgrundlage festgesetzt. Zugleich werden gemäß § 24 Abs. 1 Satz 3 UStG aber auch die gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 UStG von der Steuer abziehbaren Vorsteuerbeträge auf 10,7 % der Bemessungsgrundlage für diese Umsätze festgesetzt. Diese Regelung bewirkt, dass, weil sowohl die Steuer als auch die abziehbare Vorsteuer in der gleichen Höhe anfallen und sich damit ausgleichen, bei einem landwirtschaftlichen Betrieb wie dem der Klägerin im wirtschaftlichen Ergebnis keine Umsatzsteuer-Zahllast anfällt.
58 
Etwas anderes gilt zwar dann, wenn die Klägerin über ihre Ferkellieferungen wie ein leistender Unternehmer abrechnet und einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl sie eine solche Lieferung nicht ausführt (§ 14c Abs. 2 Satz 3 UStG). Denn in diesem Falle schuldet die Klägerin den zu Unrecht ausgewiesenen Steuerbetrag (§ 14c Abs. 2 Satz 1 UStG). Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschriften liegen jedoch nicht vor.
59 
b) Dies gilt zwar noch nicht deshalb, weil die hier streitigen Einkaufs-Abrechnungen nicht von der Klägerin selbst, sondern von der W.. erstellt worden sind und die Klägerin daher über ihre Ferkellieferungen nicht selbst wie ein leistender Unternehmer abgerechnet hat. Denn gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 kann die Rechnung auch (in Gestalt einer Gutschrift) von dem Empfänger der Lieferung ausgestellt werden, sofern dies – wie im Streitfall – zwischen dem Unternehmer und dem Lieferungsempfänger vorher vereinbart wurde. Eine solche Gutschrift verliert die Wirkung einer Rechnung erst dann, wenn – was hier nicht geschehen ist – die Klägerin als Empfänger der Gutschrift dem Dokument widerspricht (§ 14 Abs. 2 Satz 3 UStG). In den der Klägerin erteilten Gutschriften der W.. ist der Umsatzsteuerbetrag in Höhe von 8.995,06 EUR auch offen ausgewiesen. Darüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.
60 
c) Anders als der Beklagte annimmt, hat die Klägerin die im Wege der Gutschriften mit offenem Steuerausweis abgerechneten Lieferungen an die W.. auch tatsächlich ausgeführt.
61 
aa) Lieferungen eines Unternehmers sind gemäß § 3 Abs. 1 UStG Leistungen, durch die er selbst (oder in seinem Auftrag ein Dritter) den Abnehmer (oder in dessen Auftrag einen Dritten) befähigt, im eigenen Namen über den gelieferten Gegenstand zu verfügen, indem er ihm daran die Verfügungsmacht verschafft. Die Vorschrift findet ihre unionsrechtliche Grundlage in Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie – MWStSystRL –); danach gilt als „Lieferung von Gegenständen“ die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen. Entscheidend für das Vorliegen einer Lieferung ist, dass die andere Partei durch sie ermächtigt wird, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer, ohne dass es dabei auf eine Eigentumsübertragung in den durch das anwendbare nationale Recht vorgesehenen Formen ankommt (Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union – EuGH – vom 8. Februar 1990 – C-320/88, Shipping and Forwarding Enterprise Safe, Slg. 1990, I-285, vom 6. Februar 2003 – C-185/01, Auto Lease Holland, Slg. 2003, I-1317, und vom 15. Dezember 2005 – C-63/04, Centralan Property, Slg. 2005, I-11087 Rdnr. 62).
62 
bb) Abnehmer und Leistungsempfänger bei Lieferungen i. S. von § 3 Abs. 1 UStG ist zwar die konkrete Person, der der liefernde Unternehmer die Verfügungsmacht über den Gegenstand verschafft. Die Verschaffung der Verfügungsmacht im Rahmen einer Lieferung i. S. von § 3 Abs. 1 UStG setzt jedoch nicht notwendigerweise voraus, dass der Erwerber auch eine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit auf den gelieferten Gegenstand erlangt (Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 9. September 2015 – XI R 21/13, BFH/NV 2016, 597). Denn gemäß § 3 Abs. 1 UStG liegt eine Lieferung auch dann zwischen dem Unternehmer und dem Abnehmer vor, wenn der Unternehmer nicht den Abnehmer selbst, sondern im Auftrag des Abnehmers einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über den Gegenstand verfügen zu können. Daraus folgt, dass durch die Einschaltung eines Dritten in den formalen Leistungsvollzug die umsatzsteuerrechtlichen Leistungsbeziehungen zwischen dem leistenden Unternehmer und dem Abnehmer nicht berührt werden. Eine solche Einschaltung des Dritten dient in aller Regel nur der Abkürzung des Warenweges. Das ergibt sich im Übrigen bereits aus dem allgemein gültigen Grundsatz, dass die Verfügungsmacht nicht höchstpersönlich verschafft werden muss (Nieskens in Rau/Dürrwächter, UStG, 166. Lieferung – 2/2016 –, § 3 UStG Rn. 931).
63 
Für die Frage, wem die Verfügungsmacht verschafft wird, ist es daher maßgeblich, wer nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis als Auftraggeber berechtigt und verpflichtet ist (BFH-Urteile vom 23. September 2009 – XI R 14/08, BFHE 227, 218, BStBl II 2010, 243, vom 18. Februar 2009 – V R 82/07, BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, und vom 24. August 2006 – V R 16/05, BFHE 215, 311, BStBl II 2007, 340). Abnehmer der Ware ist derjenige, der nach dem der Lieferung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis die Verfügungsmacht erhalten soll (BFH-Urteile in BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, und vom 17. Februar 2011 – V R 30/10, BFHE 233, 341, BStBl II 2011, 769).Ob die Verfügungsmacht in diesem Sinne übertragen wird, richtet sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse des Einzelfalls und damit nach den konkreten vertraglichen Vereinbarungen und deren tatsächlicher Durchführung unter Berücksichtigung der Interessenlage der Beteiligten (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 9. Februar 2006 – V R 22/03, BFHE 213, 83, BStBl II 2006, 727, und vom 16. April 2008 – XI R 56/06, BFHE 221, 475, BStBl II 2008, 909).
64 
cc) Nach diesen Maßstäben hat die Klägerin mit den streitbefangenen Lieferungen nicht der X KG, sondern der W.. die Verfügungsmacht über die von ihr produzierten Ferkel verschafft. Davon ist der Senat nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme überzeugt.
65 
aaa) Die als Vermarkter und Zwischenhändler auftretende W.. war nach dem der Leistung zugrunde liegenden zivilrechtlichen Rechtsverhältnis in sämtlichen Fällen als Abnehmer der Ferkel gegenüber der Klägerin berechtigt und verpflichtet. Daran ändert es nichts, dass ein erheblicher Anteil der gelieferten Ferkel anschließend von der W.. an den von der X KG unterhaltenen Schweinemastbetrieb weiterveräußert worden ist.
66 
Das Zustandekommen der jeweiligen vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Klägerin, der W.. und der X KG über die einzelnen Ferkellieferungen gestaltete sich nach den Angaben des Gesellschafters der Klägerin Y X und nach der sie bestätigenden, glaubhaften Aussage des Zeugen P wie folgt:
67 
- Etwa eine Woche, bevor im Betrieb der Klägerin eine größere Menge an Ferkeln mit dem entsprechenden Gewicht zum Ausstallen und zur Weitergabe an einen Schweinemastbetrieb anstanden, rief Herr X bei dem zuständigen Disponenten der W.. an. Er teilte dem Disponenten dabei zugleich mit, ob er diese Menge an Ferkeln in seinem eigenen Schweinemastbetrieb (d. h. im Betrieb der X KG) zur anschließenden Weitermast selber einstallen könnte. Wenn dies der Fall war, stimmte der Disponent der Weiterlieferung an die X KG im Regelfall zu (nach Aussage des Zeugen P war es „die erste Prämisse, dass wir sagen, die Ferkel gehen zu ihm hin“). Es kam aber auch vor, dass die W.. die von der Klägerin angelieferten Ferkel für einen anderen Mastbetrieb benötigte (der Zeuge sprach von vertraglichen Bindungen zu diesen Mastbetrieben und sagte hierzu aus, „ich muss ja auch dem anderen gegenüber meinen Lieferverpflichtungen nachkommen“), obwohl auch bei der X KG Mastkapazitäten vorhanden waren. In einer erheblichen Anzahl von Fällen benötigte die X KG zum Zeitpunkt des Ausstallens bei der Klägerin keine Ferkel, weil sie über erheblich weniger Mastplätze verfügte, als die Klägerin im gleichen Zeitraum an Ferkeln produzierte; dann wies Herr X darauf hin, dass die Ferkel von der X KG nicht übernommen werden könnten.
68 
- Wenn eine Weiterlieferung der Ferkel an die X KG vereinbart worden war, füllten die Gesellschafter der Klägerin Y X und Z X den ihnen zuvor von der W.. überlassenen Blanko-Lieferschein aus. Dabei unterschrieb Y X an der für den „Erzeuger“ vorgesehenen Stelle, während Z X im Feld „Unterschrift Käufer“ unterzeichnete. Das Gewicht der zu liefernden Ferkel wurde zunächst nicht angegeben. Herr X verlud die Ferkel sodann auf der Althofstelle auf seinen LKW und brachte sie zur Teilaussiedlung auf den Hof der X KG. Dort wurden sie abgeladen und gewogen. Anschließend wurde das Gewicht im Lieferschein vermerkt und der Lieferschein an die W.. zur Abrechnung weitergereicht.
69 
- War hingegen keine Weiterlieferung an die X KG vereinbart, holte die W.. die erzeugten Ferkel bei der Klägerin mit einem ihrer LKW ab. Dazu unterhielt die W.. einen Fuhrpark von xx LKW. Dabei füllten Herr Y X und der LKW-Fahrer vor dem Abtransport einen sog. „Verkaufs-Lieferschein“ nach dem vom Zeugen P in der mündlichen Verhandlung am 11. März 2013 übergebenen Muster (Bl. 70 der Gerichtsakte) aus. Darauf unterschrieben Herr X als „Erzeuger“ und der Fahrer als „Empfänger/Abnehmer“.
70 
- Innerhalb der nächsten Tage erstellte die W.. eine Abrechnung. Darin schrieb sie der Klägerin den Kaufpreis für die gelieferten Ferkel zuzüglich der darauf entfallenden Umsatzsteuer mit einem Steuersatz von 10,7 % des Kaufpreises gut, wobei sie vom Bruttokaufpreis noch einen „Mitgliedsbeitrag“ von 0,25 EUR pro gekauftem Ferkel in Abzug brachte. War die Weiterlieferung an die X KG erfolgt, stellte die W.. sie der X KG mit dem gleichen – zusätzlich noch um eine Abrechnungsgebühr von 0,25 EUR erhöhten – Nettopreis zuzüglich der darauf entfallenden Umsatzsteuer mit einem Steuersatz von 7 % des um die Abrechnungsgebühr erhöhten Kaufpreises in Rechnung. Waren die Ferkel zum Weiterverkauf an andere Mastbetriebe bestimmt, wurde dem Erwerber von Seiten der W.. zudem noch ein von der Entfernung und der Menge der transportierten Ferkel abhängiger Transportkostenzuschlag berechnet.
71 
Unter diesen Voraussetzungen bestanden zur Überzeugung des Senats hinsichtlich sämtlicher Ferkellieferungen vertragliche Vereinbarungen nur zwischen der Klägerin und der W... Das ergibt sich aus den im Vorfeld einer jeden Lieferung getroffenen fernmündlichen Abreden zwischen der durch Herrn X vertretenen Klägerin und der durch ihren Disponenten vertretenen W.. sowie aus den vor jeder Lieferung erstellten Lieferscheinen. Auf diesen Lieferscheinen unterschrieb stets auf der linken Seite unten Herr X als „Erzeuger“, während für die W.. als Vertragspartner der Klägerin und Abnehmer der Ferkel entweder – bei beabsichtigter Weitermast im Betrieb der X KG – auf der rechten Seite unten des „Lieferscheins“ Frau Z X als „Käufer“ oder – bei beabsichtigter Weiterlieferung an andere Mastbetriebe – in der Mitte unten des „Verkaufs-Lieferscheins“ der abholende LKW-Fahrer als „Empfänger/Abnehmer“ unterzeichnete.
72 
Mit der Unterschrift der Frau X an der für den „Käufer“ vorgesehenen Stelle sollte nach Aussage des Zeugen zugleich die W.. beim Ankauf der Ferkel vertreten werden („Von der pragmatischen Seite ist es klar, er verpflichtet sich, der muss die Ferkel uns liefern und in diesem Fall ist es nicht gegengezeichnet, dass W.. gekauft hat, aber das ist mündlich vereinbart, dass W.. gekauft hat. Ist auch mündlich vereinbart, dass W.. kauft. Dies nur aufgrund des Dokuments, ist im Grunde genommen die mündliche Absprache auch dokumentmäßig festhält, dann haben wir es so abgerechnet, ja.“). Grund für diese Handhabung war, wie der Zeuge bekundet hat, dass die Abwicklung des Ankaufs von der Klägerin und des anschließenden Weiterverkaufs an die X KG für die W.. dadurch erleichtert wurde („weil für uns von der Abwicklung her so es einfacher war, das abzuwickeln“; „weil es eine Verwaltungsvereinfachung war. Sonst musste man ja 2 Lieferscheine schicken, so konnte man einen Lieferschein schicken“). Das ist für den Senat nachvollziehbar. Das gilt auch für die Bevollmächtigung der Frau X zur Abzeichnung des Ankaufs der Lieferung namens der W... Denn die W.. hatte der Klägerin die Lieferscheine zuvor blanko zur Verfügung gestellt und Frau X dadurch konkludent eine Vollmacht erteilt, im Namen der W.. den vorab jeweils fernmündlich vereinbarten Ankauf der Ferkel zu bestätigen.
73 
bbb) Die auf diesem Wege getroffenen Vereinbarungen sind auch tatsächlich durchgeführt worden. Die durch ihren Gesellschafter X handelnde Klägerin hat die zu liefernden Ferkel je nachdem, ob sie nach den Absprachen mit dem Disponenten zur Weiterlieferung an die X KG oder an einen anderen Mastbetrieb bestimmt waren, diesen Vereinbarungen entsprechend entweder mit dem eigenen Viehtransporter zur Teilaussiedlung der X KG verbracht oder dem von der W.. mit der Abholung beauftragten LKW-Fahrer übergeben.
74 
ccc) Die Handhabung dieser Vereinbarungen entsprach schließlich auch der Interessenlage der Beteiligten.
75 
Denn die Klägerin hatte – wie der Zeuge P bestätigt hat – im Grundsatz sämtliche Ferkel der W.. anzudienen. Die W.. hatte nach der Aussage des Zeugen ein Interesse daran, grundsätzlich Zugriff auf sämtliche von der Klägerin produzierten Ferkel zu erlangen und Ausnahmen im Rahmen einer Direktvermarktung des Produzenten nicht zu dulden („wenn da jeder macht, was er will, dann kann ich morgen meinen Laden dicht machen“). Dabei legte die W.. großen Wert darauf, die ihr angedienten Ferkel „auf kurzem Wege“ einheitlich an einen nahe gelegenen Schweinemastbetrieb weiterzuverkaufen, um damit „die höchste Wertschöpfung für die Betriebe zu holen“ und das Gefahrenpotential einer Übertragung von Krankheiten zwischen den einzelnen Betrieben zu minimieren („unser Ziel ist immer auf gleichem Wege die Tiere an Abnehmer zu geben“; „in der Regel ist unser Bestreben, immer eins zu eins Beziehungen zu machen, aus hygienischen Gründen, aus Tierschutzgründen“). Die Klägerin ihrerseits hatte ein Interesse daran, dass sie sich, wie der Zeuge ausgeführt hat, „nicht um die Vermarktung kümmern“ musste, weil die W.. auch die anderen, nicht bei der X KG benötigten Ferkel annehmen und weitervermarkten würde.
76 
Die W.. war zur Abnahme sämtlicher Ferkel der Klägerin auch in der Lage, denn sie verfügte über einen Fuhrpark von xx LKW. Dass in den Fällen des anschließenden Weiterverkaufs an die X KG die Ferkel nicht durch einen LKW und einen Fahrer der W.., sondern durch Herrn X zur Teilaussiedlung transportiert wurden, lag sowohl im Interesse der W.. („wenn er dann natürlich seine Ferkel in seinem Stall unterbringen kann, sagen wir, wenn du die Transportmöglichkeit selber hast, ist es uns lieber, du fährst sie selber hin, dann haben wir keine Probleme, dass Krankheiten verschleppt werden können“) als auch im Interesse der X KG, da auch sie dadurch das Risiko der Einschleppung von Krankheiten minimieren konnte und zudem für den Transport durch die W.. nicht bezahlen musste („Das kommt ihm dann selber zugute. Hat ja einen Aufwand damit.“).
77 
ccc) Der Senat hegt nach dem gewonnenen Eindruck aus der Beweisaufnahme keine durchgreifenden Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen. Zwar hat der Zeuge als Geschäftsführer der W.. ein gewisses Eigeninteresse am Ausgang des Verfahrens, weil die Finanzverwaltung den von der W.. geltend gemachten Vorsteuerabzug aus den der Klägerin erteilten Gutschriften nicht anerkannt hat und die W.. gegen diese Entscheidung ein Rechtsbehelfsverfahren angestrengt hat, über dessen Ausgang noch nicht entschieden ist. Für den Zeugen spricht aber, dass er diesen Umstand auf Befragen freimütig eingeräumt hat („Ich hoffe, dass Sie heute in unserem Sinn entscheiden und dass das Finanzamt das einsieht.“). Widersprüche in der Aussage des Zeugen hat der Senat zudem nicht feststellen können.
78 
d) Bei den streitigen Ferkellieferungen der Klägerin an die W.. handelte es sich nicht um bloße Scheingeschäfte i. S. des § 41 Abs. 2 Satz 1 AO, die für die Bestimmung des Leistungsempfängers ohne Bedeutung wären.
79 
aa) Ein solches Scheingeschäft liegt insbesondere dann vor, wenn die Parteien eines Rechtsgeschäfts einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäftes nicht zwischen ihnen, sondern zwischen nur einer Vertragspartei und einem Dritten eintreten sollen (BFH-Entscheidungen vom 7. Juli 2005 – V R 60/03, BFH/NV 2006, 139, und vom 31. Januar 2002 – V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622). Verdeckt das Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft, ist nach § 41 Abs. 2 Satz 2 AO das verdeckte Rechtsgeschäft für die Besteuerung maßgeblich (BFH-Urteil vom 17. Februar 2011 – V R 30/10, BFHE 233, 341, BStBl II 2011, 769).
80 
bb) Der Eindruck des Beklagten, das sei hier der Fall gewesen, weil die W.. keine eigenen Verpflichtungen aus den Abreden mit der Klägerin habe eingehen wollen, wenn die Ferkel anschließend bei der X KG weitergemästet werden sollten, hat sich in der Beweisaufnahme nicht bestätigt. Der Zeuge P hat vielmehr, wie bereits dargelegt, glaubhaft ausgesagt, dass die W.. ein Interesse daran hatte, grundsätzlich Zugriff auf sämtliche von der Klägerin produzierten Ferkel zu erlangen und Ausnahmen im Rahmen einer Direktvermarktung des Produzenten nicht zu dulden. Dabei unterschied die W.. nicht danach, ob die Ferkel anschließend in einem mit dem Erzeugerbetrieb familiär eng verbundenen Mastbetrieb oder in einem anderen Betrieb weitergemästet werden sollten („Ob er X heißt oder anders heißt. Er hat sich mit uns verbunden, er verpflichtet sich, die Ferkel abzunehmen oder die Mastschweine zu liefern je nachdem und so muss jeder seinen Verpflichtungen nachkommen.“). Es kam nach Aussage des Zeugen auch nicht nur in Einzelfällen vor, dass die W.. von der Klägerin angediente Ferkel an andere Mastbetriebe als die X KG weiterverkaufte, obwohl die X KG sie in ihrem Betrieb benötigt hätte („wenn ich keinen direkten Abnehmer habe dafür, wo sie immer kontinuierlich bekommt, dann sage ich natürlich, der Stall ist frei aus tierschützerischen Gründen. Das ist der beste Weg auf kurzem Weg die Ferkel dorthin zu bringen. (...) Es kann aber auch mal sein, dass er Stall frei hat, aber ich brauche für die Mäster, der immer von ihm Ferkel bekommt, die Ferkel. Dann sage ich, nein, ich bin dem Bauern auch verpflichtet, die Ferkel zu bringen, ich hol sie diese Woche ab und bringe sie dem Mäster, dann musst Du nächste Woche die Ferkel einstallen.“).
81 
2. Die streitige Umsatzsteuerfestsetzung lässt sich auch nicht auf die Erwägung des Beklagten stützen, es habe sich bei der Zwischenschaltung der W.. in die Lieferbeziehungen zwischen der Klägerin und der X KG um einen Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 AO) gehandelt.
82 
a) Im Streitfall ist die Vorschrift des § 42 AO nicht in ihrer Fassung durch Artikel 14 des Jahressteuergesetzes 2008 (JStG 2008) vom 20. Dezember 2007 (BGBl I 2007, 3150), sondern in der vorangegangenen, am 28. Dezember 2007 geltenden Fassung (a. F.) anzuwenden (Art. 97 § 7 Satz 2 des Einführungsgesetzes zur AbgabenordnungEGAO –). Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 AO a. F. kann durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Liegt ein Missbrauch vor, so entsteht der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht (§ 42 Abs. 1 Satz 2 AO a. F.).
83 
b) Für den Streitfall kann damit dahingestellt bleiben, ob tatsächlich, wie der Beklagte meint, in der Zwischenschaltung der W.. ein Gestaltungsmissbrauch liegt.
84 
Denn selbst wenn der Senat mit dem Beklagten von dieser Annahme ausginge, würde sich daraus kein Umsatzsteueranspruch gegenüber der Klägerin ergeben. Maßgebend wären vielmehr die steuerlichen Folgen einer angemessenen rechtlichen Gestaltung. Diese sieht der Beklagte in einer direkten Ferkellieferung von der Klägerin an die X KG. Hätte die Klägerin indessen unmittelbar der X KG die Verfügungsmacht über die Ferkel verschafft, hätte sich die Umsatzsteuer auf eine solche Lieferung gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG gleichfalls – wie auch bei den Lieferungen an die W.. – auf 10,7 % der Bemessungsgrundlage belaufen. Da auch in diesem Fall die abziehbaren Vorsteuerbeträge nach § 24 Abs. 1 Satz 3 UStG auf 10,7 % der Bemessungsgrundlage für diese Umsätze festzusetzen gewesen wären, würde sich am steuerlichen Ergebnis nichts ändern. Weil geschuldete Steuer und abziehbare Vorsteuer sich ausgeglichen hätten, wäre weiterhin keine Umsatzsteuer gegenüber der Klägerin festzusetzen gewesen. Ein von der – unterstellten – missbräuchlichen Gestaltung abweichender Steueranspruch des Fiskus wäre nur auf der Ebene der zwischengeschalteten W.. und des Endabnehmers, der X KG, entstanden.
85 
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 151 Abs. 1, Abs. 3 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO). Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war für notwendig zu erklären, weil die unübersichtliche Rechtslage dies erforderte (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO).
86 
4. Die Revision war nicht zuzulassen. Die grundlegenden Rechtsfragen des Streitfalls sind durch die bereits ergangene Rechtsprechung des EuGH und des BFH zu den Anforderungen an eine Lieferung und an eine Verschaffung der Verfügungsmacht an der Ware unter Einbeziehung eines Dritten hinreichend geklärt. Dieser Rechtsprechung folgt der Senat. Der Frage, wie sie unter Gesamtwürdigung aller Umstände auf den zur Entscheidung stehenden Einzelfall anzuwenden ist, kommt keine grundsätzliche Bedeutung i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu.

Gründe

 
54 
Die Klage ist begründet.
55 
Der angefochtene, am 2. Juli 2010 ergangene Bescheid zur Umsatzsteuer 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. April 2013 ist aufzuheben, denn er ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Entgegen der Auffassung des Beklagten schuldet die Klägerin die Umsatzsteuer, die in den ihr von der W.. erteilten Gutschriften ausgewiesen ist, nicht nach § 14c Abs. 2 Satz 3 UStG (nachfolgend 1.). Der Beklagte war auch nicht berechtigt, wegen eines möglicherweise gegebenen Missbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 Abs. 1 AO) den streitigen Umsatzsteuerbetrag gegenüber der Klägerin festzusetzen (nachfolgend 2.).
56 
1. Die streitige Umsatzsteuerfestsetzung lässt sich auf § 14c Abs. 2 Satz 3 UStG nicht stützen.
57 
a) Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG wird die Umsatzsteuer für die im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebs, wie ihn die Klägerin innehat, ausgeführten Umsätze i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG – und damit auch für die Ferkellieferungen der Klägerin – auf 10,7 % der Bemessungsgrundlage festgesetzt. Zugleich werden gemäß § 24 Abs. 1 Satz 3 UStG aber auch die gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 UStG von der Steuer abziehbaren Vorsteuerbeträge auf 10,7 % der Bemessungsgrundlage für diese Umsätze festgesetzt. Diese Regelung bewirkt, dass, weil sowohl die Steuer als auch die abziehbare Vorsteuer in der gleichen Höhe anfallen und sich damit ausgleichen, bei einem landwirtschaftlichen Betrieb wie dem der Klägerin im wirtschaftlichen Ergebnis keine Umsatzsteuer-Zahllast anfällt.
58 
Etwas anderes gilt zwar dann, wenn die Klägerin über ihre Ferkellieferungen wie ein leistender Unternehmer abrechnet und einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl sie eine solche Lieferung nicht ausführt (§ 14c Abs. 2 Satz 3 UStG). Denn in diesem Falle schuldet die Klägerin den zu Unrecht ausgewiesenen Steuerbetrag (§ 14c Abs. 2 Satz 1 UStG). Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschriften liegen jedoch nicht vor.
59 
b) Dies gilt zwar noch nicht deshalb, weil die hier streitigen Einkaufs-Abrechnungen nicht von der Klägerin selbst, sondern von der W.. erstellt worden sind und die Klägerin daher über ihre Ferkellieferungen nicht selbst wie ein leistender Unternehmer abgerechnet hat. Denn gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 kann die Rechnung auch (in Gestalt einer Gutschrift) von dem Empfänger der Lieferung ausgestellt werden, sofern dies – wie im Streitfall – zwischen dem Unternehmer und dem Lieferungsempfänger vorher vereinbart wurde. Eine solche Gutschrift verliert die Wirkung einer Rechnung erst dann, wenn – was hier nicht geschehen ist – die Klägerin als Empfänger der Gutschrift dem Dokument widerspricht (§ 14 Abs. 2 Satz 3 UStG). In den der Klägerin erteilten Gutschriften der W.. ist der Umsatzsteuerbetrag in Höhe von 8.995,06 EUR auch offen ausgewiesen. Darüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.
60 
c) Anders als der Beklagte annimmt, hat die Klägerin die im Wege der Gutschriften mit offenem Steuerausweis abgerechneten Lieferungen an die W.. auch tatsächlich ausgeführt.
61 
aa) Lieferungen eines Unternehmers sind gemäß § 3 Abs. 1 UStG Leistungen, durch die er selbst (oder in seinem Auftrag ein Dritter) den Abnehmer (oder in dessen Auftrag einen Dritten) befähigt, im eigenen Namen über den gelieferten Gegenstand zu verfügen, indem er ihm daran die Verfügungsmacht verschafft. Die Vorschrift findet ihre unionsrechtliche Grundlage in Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie – MWStSystRL –); danach gilt als „Lieferung von Gegenständen“ die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen. Entscheidend für das Vorliegen einer Lieferung ist, dass die andere Partei durch sie ermächtigt wird, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer, ohne dass es dabei auf eine Eigentumsübertragung in den durch das anwendbare nationale Recht vorgesehenen Formen ankommt (Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union – EuGH – vom 8. Februar 1990 – C-320/88, Shipping and Forwarding Enterprise Safe, Slg. 1990, I-285, vom 6. Februar 2003 – C-185/01, Auto Lease Holland, Slg. 2003, I-1317, und vom 15. Dezember 2005 – C-63/04, Centralan Property, Slg. 2005, I-11087 Rdnr. 62).
62 
bb) Abnehmer und Leistungsempfänger bei Lieferungen i. S. von § 3 Abs. 1 UStG ist zwar die konkrete Person, der der liefernde Unternehmer die Verfügungsmacht über den Gegenstand verschafft. Die Verschaffung der Verfügungsmacht im Rahmen einer Lieferung i. S. von § 3 Abs. 1 UStG setzt jedoch nicht notwendigerweise voraus, dass der Erwerber auch eine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit auf den gelieferten Gegenstand erlangt (Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 9. September 2015 – XI R 21/13, BFH/NV 2016, 597). Denn gemäß § 3 Abs. 1 UStG liegt eine Lieferung auch dann zwischen dem Unternehmer und dem Abnehmer vor, wenn der Unternehmer nicht den Abnehmer selbst, sondern im Auftrag des Abnehmers einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über den Gegenstand verfügen zu können. Daraus folgt, dass durch die Einschaltung eines Dritten in den formalen Leistungsvollzug die umsatzsteuerrechtlichen Leistungsbeziehungen zwischen dem leistenden Unternehmer und dem Abnehmer nicht berührt werden. Eine solche Einschaltung des Dritten dient in aller Regel nur der Abkürzung des Warenweges. Das ergibt sich im Übrigen bereits aus dem allgemein gültigen Grundsatz, dass die Verfügungsmacht nicht höchstpersönlich verschafft werden muss (Nieskens in Rau/Dürrwächter, UStG, 166. Lieferung – 2/2016 –, § 3 UStG Rn. 931).
63 
Für die Frage, wem die Verfügungsmacht verschafft wird, ist es daher maßgeblich, wer nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis als Auftraggeber berechtigt und verpflichtet ist (BFH-Urteile vom 23. September 2009 – XI R 14/08, BFHE 227, 218, BStBl II 2010, 243, vom 18. Februar 2009 – V R 82/07, BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, und vom 24. August 2006 – V R 16/05, BFHE 215, 311, BStBl II 2007, 340). Abnehmer der Ware ist derjenige, der nach dem der Lieferung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis die Verfügungsmacht erhalten soll (BFH-Urteile in BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, und vom 17. Februar 2011 – V R 30/10, BFHE 233, 341, BStBl II 2011, 769).Ob die Verfügungsmacht in diesem Sinne übertragen wird, richtet sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse des Einzelfalls und damit nach den konkreten vertraglichen Vereinbarungen und deren tatsächlicher Durchführung unter Berücksichtigung der Interessenlage der Beteiligten (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 9. Februar 2006 – V R 22/03, BFHE 213, 83, BStBl II 2006, 727, und vom 16. April 2008 – XI R 56/06, BFHE 221, 475, BStBl II 2008, 909).
64 
cc) Nach diesen Maßstäben hat die Klägerin mit den streitbefangenen Lieferungen nicht der X KG, sondern der W.. die Verfügungsmacht über die von ihr produzierten Ferkel verschafft. Davon ist der Senat nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme überzeugt.
65 
aaa) Die als Vermarkter und Zwischenhändler auftretende W.. war nach dem der Leistung zugrunde liegenden zivilrechtlichen Rechtsverhältnis in sämtlichen Fällen als Abnehmer der Ferkel gegenüber der Klägerin berechtigt und verpflichtet. Daran ändert es nichts, dass ein erheblicher Anteil der gelieferten Ferkel anschließend von der W.. an den von der X KG unterhaltenen Schweinemastbetrieb weiterveräußert worden ist.
66 
Das Zustandekommen der jeweiligen vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Klägerin, der W.. und der X KG über die einzelnen Ferkellieferungen gestaltete sich nach den Angaben des Gesellschafters der Klägerin Y X und nach der sie bestätigenden, glaubhaften Aussage des Zeugen P wie folgt:
67 
- Etwa eine Woche, bevor im Betrieb der Klägerin eine größere Menge an Ferkeln mit dem entsprechenden Gewicht zum Ausstallen und zur Weitergabe an einen Schweinemastbetrieb anstanden, rief Herr X bei dem zuständigen Disponenten der W.. an. Er teilte dem Disponenten dabei zugleich mit, ob er diese Menge an Ferkeln in seinem eigenen Schweinemastbetrieb (d. h. im Betrieb der X KG) zur anschließenden Weitermast selber einstallen könnte. Wenn dies der Fall war, stimmte der Disponent der Weiterlieferung an die X KG im Regelfall zu (nach Aussage des Zeugen P war es „die erste Prämisse, dass wir sagen, die Ferkel gehen zu ihm hin“). Es kam aber auch vor, dass die W.. die von der Klägerin angelieferten Ferkel für einen anderen Mastbetrieb benötigte (der Zeuge sprach von vertraglichen Bindungen zu diesen Mastbetrieben und sagte hierzu aus, „ich muss ja auch dem anderen gegenüber meinen Lieferverpflichtungen nachkommen“), obwohl auch bei der X KG Mastkapazitäten vorhanden waren. In einer erheblichen Anzahl von Fällen benötigte die X KG zum Zeitpunkt des Ausstallens bei der Klägerin keine Ferkel, weil sie über erheblich weniger Mastplätze verfügte, als die Klägerin im gleichen Zeitraum an Ferkeln produzierte; dann wies Herr X darauf hin, dass die Ferkel von der X KG nicht übernommen werden könnten.
68 
- Wenn eine Weiterlieferung der Ferkel an die X KG vereinbart worden war, füllten die Gesellschafter der Klägerin Y X und Z X den ihnen zuvor von der W.. überlassenen Blanko-Lieferschein aus. Dabei unterschrieb Y X an der für den „Erzeuger“ vorgesehenen Stelle, während Z X im Feld „Unterschrift Käufer“ unterzeichnete. Das Gewicht der zu liefernden Ferkel wurde zunächst nicht angegeben. Herr X verlud die Ferkel sodann auf der Althofstelle auf seinen LKW und brachte sie zur Teilaussiedlung auf den Hof der X KG. Dort wurden sie abgeladen und gewogen. Anschließend wurde das Gewicht im Lieferschein vermerkt und der Lieferschein an die W.. zur Abrechnung weitergereicht.
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- War hingegen keine Weiterlieferung an die X KG vereinbart, holte die W.. die erzeugten Ferkel bei der Klägerin mit einem ihrer LKW ab. Dazu unterhielt die W.. einen Fuhrpark von xx LKW. Dabei füllten Herr Y X und der LKW-Fahrer vor dem Abtransport einen sog. „Verkaufs-Lieferschein“ nach dem vom Zeugen P in der mündlichen Verhandlung am 11. März 2013 übergebenen Muster (Bl. 70 der Gerichtsakte) aus. Darauf unterschrieben Herr X als „Erzeuger“ und der Fahrer als „Empfänger/Abnehmer“.
70 
- Innerhalb der nächsten Tage erstellte die W.. eine Abrechnung. Darin schrieb sie der Klägerin den Kaufpreis für die gelieferten Ferkel zuzüglich der darauf entfallenden Umsatzsteuer mit einem Steuersatz von 10,7 % des Kaufpreises gut, wobei sie vom Bruttokaufpreis noch einen „Mitgliedsbeitrag“ von 0,25 EUR pro gekauftem Ferkel in Abzug brachte. War die Weiterlieferung an die X KG erfolgt, stellte die W.. sie der X KG mit dem gleichen – zusätzlich noch um eine Abrechnungsgebühr von 0,25 EUR erhöhten – Nettopreis zuzüglich der darauf entfallenden Umsatzsteuer mit einem Steuersatz von 7 % des um die Abrechnungsgebühr erhöhten Kaufpreises in Rechnung. Waren die Ferkel zum Weiterverkauf an andere Mastbetriebe bestimmt, wurde dem Erwerber von Seiten der W.. zudem noch ein von der Entfernung und der Menge der transportierten Ferkel abhängiger Transportkostenzuschlag berechnet.
71 
Unter diesen Voraussetzungen bestanden zur Überzeugung des Senats hinsichtlich sämtlicher Ferkellieferungen vertragliche Vereinbarungen nur zwischen der Klägerin und der W... Das ergibt sich aus den im Vorfeld einer jeden Lieferung getroffenen fernmündlichen Abreden zwischen der durch Herrn X vertretenen Klägerin und der durch ihren Disponenten vertretenen W.. sowie aus den vor jeder Lieferung erstellten Lieferscheinen. Auf diesen Lieferscheinen unterschrieb stets auf der linken Seite unten Herr X als „Erzeuger“, während für die W.. als Vertragspartner der Klägerin und Abnehmer der Ferkel entweder – bei beabsichtigter Weitermast im Betrieb der X KG – auf der rechten Seite unten des „Lieferscheins“ Frau Z X als „Käufer“ oder – bei beabsichtigter Weiterlieferung an andere Mastbetriebe – in der Mitte unten des „Verkaufs-Lieferscheins“ der abholende LKW-Fahrer als „Empfänger/Abnehmer“ unterzeichnete.
72 
Mit der Unterschrift der Frau X an der für den „Käufer“ vorgesehenen Stelle sollte nach Aussage des Zeugen zugleich die W.. beim Ankauf der Ferkel vertreten werden („Von der pragmatischen Seite ist es klar, er verpflichtet sich, der muss die Ferkel uns liefern und in diesem Fall ist es nicht gegengezeichnet, dass W.. gekauft hat, aber das ist mündlich vereinbart, dass W.. gekauft hat. Ist auch mündlich vereinbart, dass W.. kauft. Dies nur aufgrund des Dokuments, ist im Grunde genommen die mündliche Absprache auch dokumentmäßig festhält, dann haben wir es so abgerechnet, ja.“). Grund für diese Handhabung war, wie der Zeuge bekundet hat, dass die Abwicklung des Ankaufs von der Klägerin und des anschließenden Weiterverkaufs an die X KG für die W.. dadurch erleichtert wurde („weil für uns von der Abwicklung her so es einfacher war, das abzuwickeln“; „weil es eine Verwaltungsvereinfachung war. Sonst musste man ja 2 Lieferscheine schicken, so konnte man einen Lieferschein schicken“). Das ist für den Senat nachvollziehbar. Das gilt auch für die Bevollmächtigung der Frau X zur Abzeichnung des Ankaufs der Lieferung namens der W... Denn die W.. hatte der Klägerin die Lieferscheine zuvor blanko zur Verfügung gestellt und Frau X dadurch konkludent eine Vollmacht erteilt, im Namen der W.. den vorab jeweils fernmündlich vereinbarten Ankauf der Ferkel zu bestätigen.
73 
bbb) Die auf diesem Wege getroffenen Vereinbarungen sind auch tatsächlich durchgeführt worden. Die durch ihren Gesellschafter X handelnde Klägerin hat die zu liefernden Ferkel je nachdem, ob sie nach den Absprachen mit dem Disponenten zur Weiterlieferung an die X KG oder an einen anderen Mastbetrieb bestimmt waren, diesen Vereinbarungen entsprechend entweder mit dem eigenen Viehtransporter zur Teilaussiedlung der X KG verbracht oder dem von der W.. mit der Abholung beauftragten LKW-Fahrer übergeben.
74 
ccc) Die Handhabung dieser Vereinbarungen entsprach schließlich auch der Interessenlage der Beteiligten.
75 
Denn die Klägerin hatte – wie der Zeuge P bestätigt hat – im Grundsatz sämtliche Ferkel der W.. anzudienen. Die W.. hatte nach der Aussage des Zeugen ein Interesse daran, grundsätzlich Zugriff auf sämtliche von der Klägerin produzierten Ferkel zu erlangen und Ausnahmen im Rahmen einer Direktvermarktung des Produzenten nicht zu dulden („wenn da jeder macht, was er will, dann kann ich morgen meinen Laden dicht machen“). Dabei legte die W.. großen Wert darauf, die ihr angedienten Ferkel „auf kurzem Wege“ einheitlich an einen nahe gelegenen Schweinemastbetrieb weiterzuverkaufen, um damit „die höchste Wertschöpfung für die Betriebe zu holen“ und das Gefahrenpotential einer Übertragung von Krankheiten zwischen den einzelnen Betrieben zu minimieren („unser Ziel ist immer auf gleichem Wege die Tiere an Abnehmer zu geben“; „in der Regel ist unser Bestreben, immer eins zu eins Beziehungen zu machen, aus hygienischen Gründen, aus Tierschutzgründen“). Die Klägerin ihrerseits hatte ein Interesse daran, dass sie sich, wie der Zeuge ausgeführt hat, „nicht um die Vermarktung kümmern“ musste, weil die W.. auch die anderen, nicht bei der X KG benötigten Ferkel annehmen und weitervermarkten würde.
76 
Die W.. war zur Abnahme sämtlicher Ferkel der Klägerin auch in der Lage, denn sie verfügte über einen Fuhrpark von xx LKW. Dass in den Fällen des anschließenden Weiterverkaufs an die X KG die Ferkel nicht durch einen LKW und einen Fahrer der W.., sondern durch Herrn X zur Teilaussiedlung transportiert wurden, lag sowohl im Interesse der W.. („wenn er dann natürlich seine Ferkel in seinem Stall unterbringen kann, sagen wir, wenn du die Transportmöglichkeit selber hast, ist es uns lieber, du fährst sie selber hin, dann haben wir keine Probleme, dass Krankheiten verschleppt werden können“) als auch im Interesse der X KG, da auch sie dadurch das Risiko der Einschleppung von Krankheiten minimieren konnte und zudem für den Transport durch die W.. nicht bezahlen musste („Das kommt ihm dann selber zugute. Hat ja einen Aufwand damit.“).
77 
ccc) Der Senat hegt nach dem gewonnenen Eindruck aus der Beweisaufnahme keine durchgreifenden Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen. Zwar hat der Zeuge als Geschäftsführer der W.. ein gewisses Eigeninteresse am Ausgang des Verfahrens, weil die Finanzverwaltung den von der W.. geltend gemachten Vorsteuerabzug aus den der Klägerin erteilten Gutschriften nicht anerkannt hat und die W.. gegen diese Entscheidung ein Rechtsbehelfsverfahren angestrengt hat, über dessen Ausgang noch nicht entschieden ist. Für den Zeugen spricht aber, dass er diesen Umstand auf Befragen freimütig eingeräumt hat („Ich hoffe, dass Sie heute in unserem Sinn entscheiden und dass das Finanzamt das einsieht.“). Widersprüche in der Aussage des Zeugen hat der Senat zudem nicht feststellen können.
78 
d) Bei den streitigen Ferkellieferungen der Klägerin an die W.. handelte es sich nicht um bloße Scheingeschäfte i. S. des § 41 Abs. 2 Satz 1 AO, die für die Bestimmung des Leistungsempfängers ohne Bedeutung wären.
79 
aa) Ein solches Scheingeschäft liegt insbesondere dann vor, wenn die Parteien eines Rechtsgeschäfts einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäftes nicht zwischen ihnen, sondern zwischen nur einer Vertragspartei und einem Dritten eintreten sollen (BFH-Entscheidungen vom 7. Juli 2005 – V R 60/03, BFH/NV 2006, 139, und vom 31. Januar 2002 – V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622). Verdeckt das Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft, ist nach § 41 Abs. 2 Satz 2 AO das verdeckte Rechtsgeschäft für die Besteuerung maßgeblich (BFH-Urteil vom 17. Februar 2011 – V R 30/10, BFHE 233, 341, BStBl II 2011, 769).
80 
bb) Der Eindruck des Beklagten, das sei hier der Fall gewesen, weil die W.. keine eigenen Verpflichtungen aus den Abreden mit der Klägerin habe eingehen wollen, wenn die Ferkel anschließend bei der X KG weitergemästet werden sollten, hat sich in der Beweisaufnahme nicht bestätigt. Der Zeuge P hat vielmehr, wie bereits dargelegt, glaubhaft ausgesagt, dass die W.. ein Interesse daran hatte, grundsätzlich Zugriff auf sämtliche von der Klägerin produzierten Ferkel zu erlangen und Ausnahmen im Rahmen einer Direktvermarktung des Produzenten nicht zu dulden. Dabei unterschied die W.. nicht danach, ob die Ferkel anschließend in einem mit dem Erzeugerbetrieb familiär eng verbundenen Mastbetrieb oder in einem anderen Betrieb weitergemästet werden sollten („Ob er X heißt oder anders heißt. Er hat sich mit uns verbunden, er verpflichtet sich, die Ferkel abzunehmen oder die Mastschweine zu liefern je nachdem und so muss jeder seinen Verpflichtungen nachkommen.“). Es kam nach Aussage des Zeugen auch nicht nur in Einzelfällen vor, dass die W.. von der Klägerin angediente Ferkel an andere Mastbetriebe als die X KG weiterverkaufte, obwohl die X KG sie in ihrem Betrieb benötigt hätte („wenn ich keinen direkten Abnehmer habe dafür, wo sie immer kontinuierlich bekommt, dann sage ich natürlich, der Stall ist frei aus tierschützerischen Gründen. Das ist der beste Weg auf kurzem Weg die Ferkel dorthin zu bringen. (...) Es kann aber auch mal sein, dass er Stall frei hat, aber ich brauche für die Mäster, der immer von ihm Ferkel bekommt, die Ferkel. Dann sage ich, nein, ich bin dem Bauern auch verpflichtet, die Ferkel zu bringen, ich hol sie diese Woche ab und bringe sie dem Mäster, dann musst Du nächste Woche die Ferkel einstallen.“).
81 
2. Die streitige Umsatzsteuerfestsetzung lässt sich auch nicht auf die Erwägung des Beklagten stützen, es habe sich bei der Zwischenschaltung der W.. in die Lieferbeziehungen zwischen der Klägerin und der X KG um einen Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 AO) gehandelt.
82 
a) Im Streitfall ist die Vorschrift des § 42 AO nicht in ihrer Fassung durch Artikel 14 des Jahressteuergesetzes 2008 (JStG 2008) vom 20. Dezember 2007 (BGBl I 2007, 3150), sondern in der vorangegangenen, am 28. Dezember 2007 geltenden Fassung (a. F.) anzuwenden (Art. 97 § 7 Satz 2 des Einführungsgesetzes zur AbgabenordnungEGAO –). Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 AO a. F. kann durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Liegt ein Missbrauch vor, so entsteht der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht (§ 42 Abs. 1 Satz 2 AO a. F.).
83 
b) Für den Streitfall kann damit dahingestellt bleiben, ob tatsächlich, wie der Beklagte meint, in der Zwischenschaltung der W.. ein Gestaltungsmissbrauch liegt.
84 
Denn selbst wenn der Senat mit dem Beklagten von dieser Annahme ausginge, würde sich daraus kein Umsatzsteueranspruch gegenüber der Klägerin ergeben. Maßgebend wären vielmehr die steuerlichen Folgen einer angemessenen rechtlichen Gestaltung. Diese sieht der Beklagte in einer direkten Ferkellieferung von der Klägerin an die X KG. Hätte die Klägerin indessen unmittelbar der X KG die Verfügungsmacht über die Ferkel verschafft, hätte sich die Umsatzsteuer auf eine solche Lieferung gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG gleichfalls – wie auch bei den Lieferungen an die W.. – auf 10,7 % der Bemessungsgrundlage belaufen. Da auch in diesem Fall die abziehbaren Vorsteuerbeträge nach § 24 Abs. 1 Satz 3 UStG auf 10,7 % der Bemessungsgrundlage für diese Umsätze festzusetzen gewesen wären, würde sich am steuerlichen Ergebnis nichts ändern. Weil geschuldete Steuer und abziehbare Vorsteuer sich ausgeglichen hätten, wäre weiterhin keine Umsatzsteuer gegenüber der Klägerin festzusetzen gewesen. Ein von der – unterstellten – missbräuchlichen Gestaltung abweichender Steueranspruch des Fiskus wäre nur auf der Ebene der zwischengeschalteten W.. und des Endabnehmers, der X KG, entstanden.
85 
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 151 Abs. 1, Abs. 3 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO). Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war für notwendig zu erklären, weil die unübersichtliche Rechtslage dies erforderte (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO).
86 
4. Die Revision war nicht zuzulassen. Die grundlegenden Rechtsfragen des Streitfalls sind durch die bereits ergangene Rechtsprechung des EuGH und des BFH zu den Anforderungen an eine Lieferung und an eine Verschaffung der Verfügungsmacht an der Ware unter Einbeziehung eines Dritten hinreichend geklärt. Dieser Rechtsprechung folgt der Senat. Der Frage, wie sie unter Gesamtwürdigung aller Umstände auf den zur Entscheidung stehenden Einzelfall anzuwenden ist, kommt keine grundsätzliche Bedeutung i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu.

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Referenzen - Gesetze

Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil, 11. März 2016 - 9 K 1572/13 zitiert 22 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 100


(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an di

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 15 Vorsteuerabzug


(1) Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen: 1. die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Die Ausübung des Vorsteuera

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 151


(1) Soll gegen den Bund, ein Land, einen Gemeindeverband, eine Gemeinde, eine Körperschaft, eine Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts vollstreckt werden, so gilt für die Zwangsvollstreckung das Achte Buch der Zivilprozessordnung sinngemäß; §

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 14 Ausstellung von Rechnungen


(1) Rechnung ist jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Die Echtheit der Herkunft der Rechnung, die Unversehrtheit ihres Inhalts und

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 1 Steuerbare Umsätze


(1) Der Umsatzsteuer unterliegen die folgenden Umsätze: 1. die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Die Steuerbarkeit entfällt nicht, wenn der Umsatz auf Grund geset

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 3 Lieferung, sonstige Leistung


(1) Lieferungen eines Unternehmers sind Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht).

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 139


(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. (2) Die Aufwendungen der Fin

Abgabenordnung - AO 1977 | § 42 Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten


(1) Durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts kann das Steuergesetz nicht umgangen werden. Ist der Tatbestand einer Regelung in einem Einzelsteuergesetz erfüllt, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dient, so bestimmen sich die Re

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 14c Unrichtiger oder unberechtigter Steuerausweis


(1) Hat der Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag, als er nach diesem Gesetz für den Umsatz schuldet, gesondert ausgewiesen (unrichtiger Steuerausweis), schuldet er auch den Mehrbetrag. Ber

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 24 Durchschnittssätze für land- und forstwirtschaftliche Betriebe


(1) Hat der Gesamtumsatz des Unternehmers (§ 19 Absatz 3) im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 600 000 Euro betragen, wird die Steuer für die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ausgeführten Umsätze vorbehaltlich der Sä

Abgabenordnung - AO 1977 | § 41 Unwirksame Rechtsgeschäfte


(1) Ist ein Rechtsgeschäft unwirksam oder wird es unwirksam, so ist dies für die Besteuerung unerheblich, soweit und solange die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis dieses Rechtsgeschäfts gleichwohl eintreten und bestehen lassen. Dies gilt nicht

Einführungsgesetz zur Abgabenordnung - AOEG 1977 | Art 7Hauptfeststellung der Einheitswerte der Mineralgewinnungsrechte


(1) Für Mineralgewinnungsrechte findet die nächste Hauptfeststellung der Einheitswerte auf den 1. Januar 1977 statt (Hauptfeststellung 1977). (2) Die Einheitswerte für Mineralgewinnungsrechte, denen die Wertverhältnisse vom 1. Januar 1977 zugrunde l

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Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil, 11. März 2016 - 9 K 1572/13 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil, 11. März 2016 - 9 K 1572/13 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesfinanzhof Urteil, 09. Sept. 2015 - XI R 21/13

bei uns veröffentlicht am 09.09.2015

Tenor Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Finanzgerichts München vom 26. Januar 2012  14 K 2222/11 aufgehoben.

Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil, 13. Feb. 2012 - 9 K 1886/10

bei uns veröffentlicht am 13.02.2012

Tenor 1. Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 15. April 2010 werden die geänderten Umsatzsteuerbescheide 2002 bis 2005 - jeweils vom 01. Februar 2008 sowie vom 22. Juli 2010 - aufgehoben.2. Die Revision wird nicht zugelassen.3. Die Kosten

Bundesfinanzhof Urteil, 17. Feb. 2011 - V R 30/10

bei uns veröffentlicht am 17.02.2011

Tatbestand 1 I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Aktiengesellschaft, bezog in den Streitjahren 1999 und 2000 Lieferungen von der BA-GmbH und der P-Gmb

Referenzen

(1) Hat der Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag, als er nach diesem Gesetz für den Umsatz schuldet, gesondert ausgewiesen (unrichtiger Steuerausweis), schuldet er auch den Mehrbetrag. Berichtigt er den Steuerbetrag gegenüber dem Leistungsempfänger, ist § 17 Abs. 1 entsprechend anzuwenden. In den Fällen des § 1 Abs. 1a und in den Fällen der Rückgängigmachung des Verzichts auf die Steuerbefreiung nach § 9 gilt Absatz 2 Satz 3 bis 5 entsprechend.

(2) Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist (unberechtigter Steuerausweis), schuldet den ausgewiesenen Betrag. Das Gleiche gilt, wenn jemand wie ein leistender Unternehmer abrechnet und einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er nicht Unternehmer ist oder eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt. Der nach den Sätzen 1 und 2 geschuldete Steuerbetrag kann berichtigt werden, soweit die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt worden ist. Die Gefährdung des Steueraufkommens ist beseitigt, wenn ein Vorsteuerabzug beim Empfänger der Rechnung nicht durchgeführt oder die geltend gemachte Vorsteuer an die Finanzbehörde zurückgezahlt worden ist. Die Berichtigung des geschuldeten Steuerbetrags ist beim Finanzamt gesondert schriftlich zu beantragen und nach dessen Zustimmung in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 1 für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Voraussetzungen des Satzes 4 eingetreten sind.

(1) Lieferungen eines Unternehmers sind Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht).

(1a) Als Lieferung gegen Entgelt gilt das Verbringen eines Gegenstands des Unternehmens aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Unternehmer zu seiner Verfügung, ausgenommen zu einer nur vorübergehenden Verwendung, auch wenn der Unternehmer den Gegenstand in das Inland eingeführt hat. Der Unternehmer gilt als Lieferer. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in den Fällen des § 6b.

(1b) Einer Lieferung gegen Entgelt werden gleichgestellt

1.
die Entnahme eines Gegenstands durch einen Unternehmer aus seinem Unternehmen für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen;
2.
die unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands durch einen Unternehmer an sein Personal für dessen privaten Bedarf, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen;
3.
jede andere unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands, ausgenommen Geschenke von geringem Wert und Warenmuster für Zwecke des Unternehmens.
Voraussetzung ist, dass der Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben.

(2) (weggefallen)

(3) Beim Kommissionsgeschäft (§ 383 des Handelsgesetzbuchs) liegt zwischen dem Kommittenten und dem Kommissionär eine Lieferung vor. Bei der Verkaufskommission gilt der Kommissionär, bei der Einkaufskommission der Kommittent als Abnehmer.

(3a) Ein Unternehmer, der mittels seiner elektronischen Schnittstelle die Lieferung eines Gegenstands, dessen Beförderung oder Versendung im Gemeinschaftsgebiet beginnt und endet, durch einen nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer an einen Empfänger nach § 3a Absatz 5 Satz 1 unterstützt, wird behandelt, als ob er diesen Gegenstand für sein Unternehmen selbst erhalten und geliefert hätte. Dies gilt auch in den Fällen, in denen der Unternehmer mittels seiner elektronischen Schnittstelle den Fernverkauf von aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 Euro unterstützt. Eine elektronische Schnittstelle im Sinne der Sätze 1 und 2 ist ein elektronischer Marktplatz, eine elektronische Plattform, ein elektronisches Portal oder Ähnliches. Ein Fernverkauf im Sinne des Satzes 2 ist die Lieferung eines Gegenstands, der durch den Lieferer oder für dessen Rechnung aus dem Drittlandsgebiet an einen Erwerber in einem Mitgliedstaat befördert oder versendet wird, einschließlich jener Lieferung, an deren Beförderung oder Versendung der Lieferer indirekt beteiligt ist. Erwerber im Sinne des Satzes 4 ist ein in § 3a Absatz 5 Satz 1 bezeichneter Empfänger oder eine in § 1a Absatz 3 Nummer 1 genannte Person, die weder die maßgebende Erwerbsschwelle überschreitet noch auf ihre Anwendung verzichtet; im Fall der Beendigung der Beförderung oder Versendung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates ist die von diesem Mitgliedstaat festgesetzte Erwerbsschwelle maßgebend. Satz 2 gilt nicht für die Lieferung neuer Fahrzeuge und eines Gegenstandes, der mit oder ohne probeweise Inbetriebnahme durch den Lieferer oder für dessen Rechnung montiert oder installiert geliefert wird.

(4) Hat der Unternehmer die Bearbeitung oder Verarbeitung eines Gegenstands übernommen und verwendet er hierbei Stoffe, die er selbst beschafft, so ist die Leistung als Lieferung anzusehen (Werklieferung), wenn es sich bei den Stoffen nicht nur um Zutaten oder sonstige Nebensachen handelt. Das gilt auch dann, wenn die Gegenstände mit dem Grund und Boden fest verbunden werden.

(5) Hat ein Abnehmer dem Lieferer die Nebenerzeugnisse oder Abfälle, die bei der Bearbeitung oder Verarbeitung des ihm übergebenen Gegenstands entstehen, zurückzugeben, so beschränkt sich die Lieferung auf den Gehalt des Gegenstands an den Bestandteilen, die dem Abnehmer verbleiben. Das gilt auch dann, wenn der Abnehmer an Stelle der bei der Bearbeitung oder Verarbeitung entstehenden Nebenerzeugnisse oder Abfälle Gegenstände gleicher Art zurückgibt, wie sie in seinem Unternehmen regelmäßig anfallen.

(5a) Der Ort der Lieferung richtet sich vorbehaltlich der §§ 3c, 3e und 3g nach den Absätzen 6 bis 8.

(6) Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder vom Abnehmer beauftragten Dritten befördert oder versendet, gilt die Lieferung dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt. Befördern ist jede Fortbewegung eines Gegenstands. Versenden liegt vor, wenn jemand die Beförderung durch einen selbständigen Beauftragten ausführen oder besorgen lässt. Die Versendung beginnt mit der Übergabe des Gegenstands an den Beauftragten.

(6a) Schließen mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Liefergeschäfte ab und gelangt dieser Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer (Reihengeschäft), so ist die Beförderung oder Versendung des Gegenstands nur einer der Lieferungen zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung dabei durch den ersten Unternehmer in der Reihe befördert oder versendet, ist die Beförderung oder Versendung seiner Lieferung zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung durch den letzten Abnehmer befördert oder versendet, ist die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung durch einen Abnehmer befördert oder versendet, der zugleich Lieferer ist (Zwischenhändler), ist die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen, es sei denn, er weist nach, dass er den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat. Gelangt der Gegenstand der Lieferung aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates und verwendet der Zwischenhändler gegenüber dem leistenden Unternehmer bis zum Beginn der Beförderung oder Versendung eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, die ihm vom Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung oder Versendung erteilt wurde, ist die Beförderung oder Versendung seiner Lieferung zuzuordnen. Gelangt der Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet, ist von einem ausreichenden Nachweis nach Satz 4 auszugehen, wenn der Zwischenhändler gegenüber dem leistenden Unternehmer bis zum Beginn der Beförderung oder Versendung eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer oder Steuernummer verwendet, die ihm vom Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung oder Versendung erteilt wurde. Gelangt der Gegenstand der Lieferung vom Drittlandsgebiet in das Gemeinschaftsgebiet, ist von einem ausreichenden Nachweis nach Satz 4 auszugehen, wenn der Gegenstand der Lieferung im Namen des Zwischenhändlers oder im Rahmen der indirekten Stellvertretung (Artikel 18 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union, ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1) für seine Rechnung zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr angemeldet wird.

(6b) Wird ein Unternehmer gemäß Absatz 3a behandelt, als ob er einen Gegenstand selbst erhalten und geliefert hätte, wird die Beförderung oder Versendung des Gegenstands der Lieferung durch diesen Unternehmer zugeschrieben.

(7) Wird der Gegenstand der Lieferung nicht befördert oder versendet, wird die Lieferung dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet. In den Fällen der Absätze 6a und 6b gilt Folgendes:

1.
Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung vorangehen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstands beginnt.
2.
Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung folgen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstands endet.

(8) Gelangt der Gegenstand der Lieferung bei der Beförderung oder Versendung aus dem Drittlandsgebiet in das Inland, gilt der Ort der Lieferung dieses Gegenstands als im Inland gelegen, wenn der Lieferer oder sein Beauftragter Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist.

(8a) (weggefallen)

(9) Sonstige Leistungen sind Leistungen, die keine Lieferungen sind. Sie können auch in einem Unterlassen oder im Dulden einer Handlung oder eines Zustands bestehen.

(9a) Einer sonstigen Leistung gegen Entgelt werden gleichgestellt

1.
die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands, der zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, durch einen Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen; dies gilt nicht, wenn der Vorsteuerabzug nach § 15 Absatz 1b ausgeschlossen oder wenn eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Absatz 6a durchzuführen ist;
2.
die unentgeltliche Erbringung einer anderen sonstigen Leistung durch den Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen.

(10) Überlässt ein Unternehmer einem Auftraggeber, der ihm einen Stoff zur Herstellung eines Gegenstands übergeben hat, an Stelle des herzustellenden Gegenstands einen gleichartigen Gegenstand, wie er ihn in seinem Unternehmen aus solchem Stoff herzustellen pflegt, so gilt die Leistung des Unternehmers als Werkleistung, wenn das Entgelt für die Leistung nach Art eines Werklohns unabhängig vom Unterschied zwischen dem Marktpreis des empfangenen Stoffs und dem des überlassenen Gegenstandes berechnet wird.

(11) Wird ein Unternehmer in die Erbringung einer sonstigen Leistung eingeschaltet und handelt er dabei im eigenen Namen, jedoch für fremde Rechnung, gilt diese Leistung als an ihn und von ihm erbracht.

(11a) Wird ein Unternehmer in die Erbringung einer sonstigen Leistung, die über ein Telekommunikationsnetz, eine Schnittstelle oder ein Portal erbracht wird, eingeschaltet, gilt er im Sinne von Absatz 11 als im eigenen Namen und für fremde Rechnung handelnd. Dies gilt nicht, wenn der Anbieter dieser sonstigen Leistung von dem Unternehmer als Leistungserbringer ausdrücklich benannt wird und dies in den vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien zum Ausdruck kommt. Diese Bedingung ist erfüllt, wenn

1.
in den von jedem an der Erbringung beteiligten Unternehmer ausgestellten oder verfügbar gemachten Rechnungen die sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 und der Erbringer dieser Leistung angegeben sind;
2.
in den dem Leistungsempfänger ausgestellten oder verfügbar gemachten Rechnungen die sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 und der Erbringer dieser Leistung angegeben sind.
Die Sätze 2 und 3 finden keine Anwendung, wenn der Unternehmer hinsichtlich der Erbringung der sonstigen Leistung im Sinne des Satzes 2
1.
die Abrechnung gegenüber dem Leistungsempfänger autorisiert,
2.
die Erbringung der sonstigen Leistung genehmigt oder
3.
die allgemeinen Bedingungen der Leistungserbringung festlegt.
Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht, wenn der Unternehmer lediglich Zahlungen in Bezug auf die erbrachte sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 abwickelt und nicht an der Erbringung dieser sonstigen Leistung beteiligt ist.

(12) Ein Tausch liegt vor, wenn das Entgelt für eine Lieferung in einer Lieferung besteht. Ein tauschähnlicher Umsatz liegt vor, wenn das Entgelt für eine sonstige Leistung in einer Lieferung oder sonstigen Leistung besteht.

(13) Ein Gutschein (Einzweck- oder Mehrzweck-Gutschein) ist ein Instrument, bei dem

1.
die Verpflichtung besteht, es als vollständige oder teilweise Gegenleistung für eine Lieferung oder sonstige Leistung anzunehmen und
2.
der Liefergegenstand oder die sonstige Leistung oder die Identität des leistenden Unternehmers entweder auf dem Instrument selbst oder in damit zusammenhängenden Unterlagen, einschließlich der Bedingungen für die Nutzung dieses Instruments, angegeben sind.
Instrumente, die lediglich zu einem Preisnachlass berechtigen, sind keine Gutscheine im Sinne des Satzes 1.

(14) Ein Gutschein im Sinne des Absatzes 13, bei dem der Ort der Lieferung oder der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, und die für diese Umsätze geschuldete Steuer zum Zeitpunkt der Ausstellung des Gutscheins feststehen, ist ein Einzweck-Gutschein. Überträgt ein Unternehmer einen Einzweck-Gutschein im eigenen Namen, gilt die Übertragung des Gutscheins als die Lieferung des Gegenstands oder die Erbringung der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht. Überträgt ein Unternehmer einen Einzweck-Gutschein im Namen eines anderen Unternehmers, gilt diese Übertragung als Lieferung des Gegenstands oder Erbringung der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, durch den Unternehmer, in dessen Namen die Übertragung des Gutscheins erfolgt. Wird die im Einzweck-Gutschein bezeichnete Leistung von einem anderen Unternehmer erbracht als dem, der den Gutschein im eigenen Namen ausgestellt hat, wird der leistende Unternehmer so behandelt, als habe er die im Gutschein bezeichnete Leistung an den Aussteller erbracht. Die tatsächliche Lieferung oder die tatsächliche Erbringung der sonstigen Leistung, für die ein Einzweck-Gutschein als Gegenleistung angenommen wird, gilt in den Fällen der Sätze 2 bis 4 nicht als unabhängiger Umsatz.

(15) Ein Gutschein im Sinne des Absatzes 13, bei dem es sich nicht um einen Einzweck-Gutschein handelt, ist ein Mehrzweck-Gutschein. Die tatsächliche Lieferung oder die tatsächliche Erbringung der sonstigen Leistung, für die der leistende Unternehmer einen Mehrzweck-Gutschein als vollständige oder teilweise Gegenleistung annimmt, unterliegt der Umsatzsteuer nach § 1 Absatz 1, wohingegen jede vorangegangene Übertragung dieses Mehrzweck-Gutscheins nicht der Umsatzsteuer unterliegt.

(1) Ist ein Rechtsgeschäft unwirksam oder wird es unwirksam, so ist dies für die Besteuerung unerheblich, soweit und solange die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis dieses Rechtsgeschäfts gleichwohl eintreten und bestehen lassen. Dies gilt nicht, soweit sich aus den Steuergesetzen etwas anderes ergibt.

(2) Scheingeschäfte und Scheinhandlungen sind für die Besteuerung unerheblich. Wird durch ein Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt, so ist das verdeckte Rechtsgeschäft für die Besteuerung maßgebend.

(1) Hat der Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag, als er nach diesem Gesetz für den Umsatz schuldet, gesondert ausgewiesen (unrichtiger Steuerausweis), schuldet er auch den Mehrbetrag. Berichtigt er den Steuerbetrag gegenüber dem Leistungsempfänger, ist § 17 Abs. 1 entsprechend anzuwenden. In den Fällen des § 1 Abs. 1a und in den Fällen der Rückgängigmachung des Verzichts auf die Steuerbefreiung nach § 9 gilt Absatz 2 Satz 3 bis 5 entsprechend.

(2) Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist (unberechtigter Steuerausweis), schuldet den ausgewiesenen Betrag. Das Gleiche gilt, wenn jemand wie ein leistender Unternehmer abrechnet und einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er nicht Unternehmer ist oder eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt. Der nach den Sätzen 1 und 2 geschuldete Steuerbetrag kann berichtigt werden, soweit die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt worden ist. Die Gefährdung des Steueraufkommens ist beseitigt, wenn ein Vorsteuerabzug beim Empfänger der Rechnung nicht durchgeführt oder die geltend gemachte Vorsteuer an die Finanzbehörde zurückgezahlt worden ist. Die Berichtigung des geschuldeten Steuerbetrags ist beim Finanzamt gesondert schriftlich zu beantragen und nach dessen Zustimmung in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 1 für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Voraussetzungen des Satzes 4 eingetreten sind.

(1) Durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts kann das Steuergesetz nicht umgangen werden. Ist der Tatbestand einer Regelung in einem Einzelsteuergesetz erfüllt, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dient, so bestimmen sich die Rechtsfolgen nach jener Vorschrift. Anderenfalls entsteht der Steueranspruch beim Vorliegen eines Missbrauchs im Sinne des Absatzes 2 so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.

(2) Ein Missbrauch liegt vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Dies gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind.

(1) Hat der Gesamtumsatz des Unternehmers (§ 19 Absatz 3) im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 600 000 Euro betragen, wird die Steuer für die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ausgeführten Umsätze vorbehaltlich der Sätze 2 bis 4 wie folgt festgesetzt:

1.
für die Lieferungen von forstwirtschaftlichen Erzeugnissen, ausgenommen Sägewerkserzeugnisse, auf 5,5 Prozent,
2.
für die Lieferungen der in der Anlage 2 nicht aufgeführten Sägewerkserzeugnisse und Getränke sowie von alkoholischen Flüssigkeiten, ausgenommen die Lieferungen in das Ausland und die im Ausland bewirkten Umsätze, und für sonstige Leistungen, soweit in der Anlage 2 nicht aufgeführte Getränke abgegeben werden, auf 19 Prozent,
3.
für die übrigen Umsätze im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 1 auf 9,0 Prozent der Bemessungsgrundlage.
Die Befreiungen nach § 4 mit Ausnahme der Nummern 1 bis 7 bleiben unberührt; § 9 findet keine Anwendung. Die Vorsteuerbeträge werden, soweit sie den in Satz 1 Nr. 1 bezeichneten Umsätzen zuzurechnen sind, auf 5,5 Prozent, in den übrigen Fällen des Satzes 1 auf 9,0 Prozent der Bemessungsgrundlage für diese Umsätze festgesetzt. Ein weiterer Vorsteuerabzug entfällt. § 14 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass der für den Umsatz maßgebliche Durchschnittssatz in der Rechnung zusätzlich anzugeben ist.

(2) Als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb gelten

1.
die Landwirtschaft, die Forstwirtschaft, der Wein-, Garten-, Obst- und Gemüsebau, die Baumschulen, alle Betriebe, die Pflanzen und Pflanzenteile mit Hilfe der Naturkräfte gewinnen, die Binnenfischerei, die Teichwirtschaft, die Fischzucht für die Binnenfischerei und Teichwirtschaft, die Imkerei, die Wanderschäferei sowie die Saatzucht;
2.
Tierzucht- und Tierhaltungsbetriebe, soweit ihre Tierbestände nach den §§ 51 und 51a des Bewertungsgesetzes zur landwirtschaftlichen Nutzung gehören.
Zum land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehören auch die Nebenbetriebe, die dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zu dienen bestimmt sind.

(3) Führt der Unternehmer neben den in Absatz 1 bezeichneten Umsätzen auch andere Umsätze aus, so ist der land- und forstwirtschaftliche Betrieb als ein in der Gliederung des Unternehmens gesondert geführter Betrieb zu behandeln.

(4) Der Unternehmer kann spätestens bis zum 10. Tag eines Kalenderjahres gegenüber dem Finanzamt erklären, dass seine Umsätze vom Beginn des vorangegangenen Kalenderjahres an nicht nach den Absätzen 1 bis 3, sondern nach den allgemeinen Vorschriften dieses Gesetzes besteuert werden sollen. Die Erklärung bindet den Unternehmer mindestens für fünf Kalenderjahre; im Falle der Geschäftsveräußerung ist der Erwerber an diese Frist gebunden. Sie kann mit Wirkung vom Beginn eines Kalenderjahres an widerrufen werden. Der Widerruf ist spätestens bis zum 10. Tag nach Beginn dieses Kalenderjahres zu erklären. Die Frist nach Satz 4 kann verlängert werden. Ist die Frist bereits abgelaufen, so kann sie rückwirkend verlängert werden, wenn es unbillig wäre, die durch den Fristablauf eingetretenen Rechtsfolgen bestehen zu lassen.

(5) Das Bundesministerium der Finanzen überprüft jährlich die Höhe des Durchschnittssatzes im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 und Satz 3 und berichtet dem Deutschen Bundestag über das Ergebnis der Überprüfung. Der Durchschnittssatz wird ermittelt aus dem Verhältnis der Summe der Vorsteuern zu der Summe der Umsätze aller Unternehmer, die ihre Umsätze nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3 versteuern, in einem Zeitraum von drei Jahren. Der ermittelte Durchschnittssatz wird auf eine Nachkommastelle kaufmännisch gerundet. Soweit nach der Überprüfung eine Anpassung des Durchschnittssatzes in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und Satz 3 erforderlich ist, legt die Bundesregierung kurzfristig einen entsprechenden Gesetzentwurf vor.

Tenor

1. Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 15. April 2010 werden die geänderten Umsatzsteuerbescheide 2002 bis 2005 - jeweils vom 01. Februar 2008 sowie vom 22. Juli 2010 - aufgehoben.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

3. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des mit Kostenfestsetzungsbeschluss festzusetzenden Erstattungsbetrags abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

5. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Tatbestand

 
Die Klägerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, erzielte Einnahmen aus der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken an die ... GmbH (GmbH). Zwischen der Klägerin und der GmbH bestand eine umsatzsteuerliche Organschaft (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG). Gegenstand der GmbH war der Handel mit Schweinen und Vieh.
Streitig ist, ob die Klägerin einen Vorsteuervergütungsanspruch (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz - UStG -) aus in Rechnungen nach § 14 UStG ausgewiesener Umsatzsteuer für Lieferungen verschiedener Einzelunternehmen an die Organtochter der Klägerin hat.
Der Beklagte bestreitet, dass die GmbH im Rahmen eines Reihengeschäfts nach § 3 Abs. 6 S. 5 Umsatzsteuergesetz - UStG - in eine Lieferkette eines arbeitsteiligen Systems zur Schweinezucht, das von drei unabhängigen Einzelunternehmen betrieben wurde, einbezogen war.
Seit 1999 bzw. 2001 stand die GmbH in Geschäftsbeziehungen zu den jeweils als Einzelunternehmen geführten Schweinemastbetrieben X, dessen Ehefrau Y und deren Sohn Z. Die GmbH veräußerte Schweine der XYZ-Betriebe an Dritte und war zudem in alle Lieferungen zwischen den XYZ-Betrieben einbezogen.
Die Einzelunternehmen der Familie XYZ betreiben bis heute ein aufeinander abgestimmtes arbeitsteiliges System zur Schweinezucht, von der Ferkelerzeugung bis zur Mastreife. Das bedeutet, dass Sauen zunächst im ersten Betrieb besamt und zum Abferkeln in den zweiten Betrieb transportiert werden. Von dort werden sie, nach einer kurzen Stillzeit, in den dritten Betrieb befördert und bis zur Mastreife aufgezogen. Die Betriebe XYZ liegen zwischen 3 km und 15 km voneinander entfernt. X transportierte in den streitgegenständlichen Besteuerungszeiträumen die Tiere auf eigenem Hänger zwischen den Familienbetrieben. Alle XYZ-Betriebe führen ihre Besteuerung gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 3 UStG nach Durchschnittsätzen für Land- und Forstwirte durch.
Jedes Mal, nachdem die XYZ-Betriebe untereinander Ferkellieferungen vorgenommen hatten, teilten Y oder X der GmbH den jeweils leistenden Unternehmer, den Leistungsempfänger, den Tag, die Menge und den Preis für die Lieferungen per Fax oder telefonisch mit.
Die GmbH rechnete daraufhin als jeweilige Leistungsempfängerin im Wege einer Gutschrift mit dem liefernden XYZ-Betrieb ab (§ 14 Abs. 2 S. 2 UStG). Die Gutschrift wies Umsatzsteuer in Höhe des jeweilig gültigen Durchschnittssatzes gemäß § 24 UStG (9% - 10,7 %) aus.
Als leistendes Unternehmen stellte die GmbH eine Rechnung an den belieferten XYZ-Betrieb mit offen ausgewiesener Umsatzsteuer in Höhe des ermäßigten Steuersatzes gemäß § 12 Abs. 2 UStG (7%) aus.
Die Gutschriften / bzw. die Rechnungen enthielten die folgenden Positionen:
10 
Gutschrift
Rechnung
Tierart (z.B. Zuchtschweine)
Tierart (z.B. Zuchtschweine)
+ Transportkosten
+ Transportkosten
./. Vermarktungskosten (25 Cent pro Stück)
+ Vermarktungskosten (25 Cent pro Stück)
= Betrag (ohne Umsatzsteuer)
= Betrag (ohne Umsatzsteuer)
+ Umsatzsteuer (9%-10,7%)
+ Umsatzsteuer (7%)
= Rechnungsbetrag (mit Umsatzsteuer)
= Rechnungsbetrag (mit Umsatzsteuer)
11 
Die GmbH erhöhte weder den Preis ohne Umsatzsteuer für das einzelne Tier noch die Transportkosten. Der Ertrag der GmbH entstand aus den jeweils in Rechnung gestellten Vermarktungskosten in Höhe von 25 Cent gegenüber dem Lieferer und dem Leistungsempfänger.
12 
Durch die Zwischenschaltung der GmbH, die dem allgemeinen Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 UStG unterlag, verbilligte sich für die XYZ-Betriebe die jeweilige Lieferung beispielsweise wie folgt:
13 
Gutschrift vom 23.12. 2005 an X
        
Rechnung vom 23.12.2005 an Y
        
Tierart (29 Zuchtschweine)
6.223,80 Euro
Tierart (29 Zuchtschweine)
6.223,80 Euro
+ Transportkosten
+ 145,00 Euro
+ Transportkosten
+ 145,00 Euro
./. Vermarktungskosten (25 Cent pro Stück)
./. 7,25 Euro
+ Vermarktungskosten (25 Cent pro Stück)
+ 7,25 Euro
= Betrag (ohne Umsatzsteuer)
6.361,55 Euro
= Betrag (ohne Umsatzsteuer)
6.376,05 Euro
+ Umsatzsteuer (9%-10,7%)
572,54 Euro
+ Umsatzsteuer (7%)
446,32 Euro
= Rechnungsbetrag (mit Umsatzsteuer)
6934,09 Euro
= Rechnungsbetrag (mit Umsatzsteuer)
6.822,37 Euro
Unterschiedsbetrag zu Gunsten der Endabnehmerin Y
 6.934,09 – 6.822,37 = 111,72 Euro
Vermarktungskosten GmbH = Marge der GmbH
 7,25 Euro + 7,25 Euro = 14,50 Euro
(also bei 29 Tieren 50 Cent pro Tier)
14 
Die GmbH rechnete in den Besteuerungszeiträumen 2002 – 671.310 Euro (56 Lieferungen), 2003 - 600.640 Euro (55 Lieferungen), 2004 – 702.021 Euro (55 Lieferungen) und 2005 – 635.591 Euro (55 Lieferungen) gegenüber den XYZ-Betrieben ab. Sie erzielte hieraus aufgrund der in Rechnung gestellten Vermarktungskosten eine Marge von maximal 1.000 Euro pro Besteuerungszeitraum (ca. 20 Euro pro Abrechnung). Die Zahlungsvorgänge wickelte die GmbH tatsächlich ab, indem sie aufgrund einer Lastschrifteinzugsermächtigung den geschuldeten Betrag vom Endabnehmer auf ihr Konto einzog und den geschuldeten Betrag an ihren Lieferer auszahlte.
15 
Die Klägerin reichte für die streitgegenständlichen Besteuerungszeiträume Umsatzsteuerjahreserklärungen wie folgt ein:
16 
        
Eingang Beklagte
Umsätze 16 v.H. in Euro
Umsatzsteuer in Euro
Umsätze 7 v.H.in Euro
Umsatzsteuer in Euro
Vorsteuer in Euro
Zahllast in Euro
2002   
24. Nov. 2005
10.751
1691,36
17.202.635
1.204.184,45
1.426.697,06
-220.821,25
2003   
07. Jan. 2005
29.413
4.706,08
17.270.320
1.208.922,40
1.439.269,97
-225.641,49
2004   
14. Okt. 2005
20.078
3.212,48
18.138.780
1.269.714,60
1.481.988,62
-209.061,54
2005   
10. Nov. 2006
6.969 
1.115,04
20.368.990
1.425.829,30
1.653.794,12
-226.849,78
17 
Der Beklagte wich von der Erklärung nicht ab.
18 
Im Zeitraum vom 08. Januar 2007 bis zum 06. August 2007 fanden bei der Klägerin und der GmbH Betriebsprüfungen statt. Der Betriebsprüfer vertrat die Auffassung, dass die Lieferungen ausschließlich zwischen den XYZ -Betrieben unmittelbar stattgefunden hätten. Der Vorsteuerabzug aus diesen Lieferungen sei daher zu versagen und die Klägerin schulde die offen ausgewiesene Umsatzsteuer gemäß § 14c UStG. Der Beklagte schloss sich (zunächst) dieser Auffassung an und setzte die Umsatzsteuer mit Bescheiden vom 01. Februar 2008 wie folgt fest:
19 
        
Umsätze 16 v.H. in Euro
Umsatzsteuer in Euro
Umsätze 7 v.H. (inkl. 14c Steuer) in Euro
Umsatzsteuer in Euro
Vorsteuer in Euro
Zahllast in Euro
2002   
10.751
1.691,36
17.202.635
1.204.184,45
1.283.148,82
-77.273,01
2003   
29.413
4.706,08
17.270.320
1.208.922,40
1.314.818,51
-101.190,03
2004   
20.078
3.212,48
18.138.780
1.269.714,60
1.338.614,46
-65.687,38
2005   
6.969 
1.115,04
20.368.990
1.425.829,30
1.516.677,84
-89.733,50
20 
Den hiergegen am 06. Februar 2008 eingelegten gemeinsamen Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 15. April 2010 als unbegründet zurück.
21 
Ein am 30. Juni 2008 gegen die Geschäftsführer der Klägerin - A und B C - eingeleitetes Strafverfahren wegen Umsatzsteuerhinterziehung 2002 bis 2005 wurde am 28. Mai 2009 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
22 
Die Klägerin hat am 17. Mai 2010 Klage erhoben. Gleichzeitig berichtigte die GmbH die Ausgangsrechnungen gemäß § 14c UStG an die XYZ-Betriebe zur Vermeidung eines zu hohen Streitwertes. Mit Bescheiden vom 22. Juli 2010 erkannte der Beklagte die Korrektur der Rechnungen an und änderte die Umsatzsteuerfestsetzungen wie folgt:
23 
        
Umsätze 16 v.H. in Euro
Umsatzsteuer in Euro
Umsätze 7 v.H. (inkl. 14c Steuer) in Euro
Umsatzsteuer in Euro
Vorsteuer in Euro
Zahllast in Euro
2002   
10.751
1.691,36
15.599.257
1.091.947,99
1.283.148,82
-189.509,47
2003   
29.413
4.706,08
15.879.418
1.111.559,26
1.314.818,51
-198.553,17
2004   
20.078
3.212,48
16.539.920
1.157.794,40
1.338.614,46
-177.607,58
2005   
6.969 
1.115,04
18.828.299
1.317.980,93
1.516.677,84
-197.581,87
24 
Die Klägerin ist der Auffassung, dass zwischen der GmbH und den XYZ-Betrieben Reihengeschäfte gemäß § 3 Abs. 6 Satz 5 UStG stattgefunden hätten. Es liege in der Natur des Reihengeschäfts, dass der Gegenstand der Lieferung vom ersten Lieferanten zum letzten Abnehmer gelange.
25 
Sie behauptet, die GmbH habe in 1999 mit X und Y und in 2001 mit Z vereinbart, dass alle Lieferungen über die GmbH abgewickelt würden. Die GmbH habe das Transportrisiko getragen. Sie sei für den reibungslosen Ablauf des Systems verantwortlich gewesen. Bei Lieferengpässen und Überproduktionen habe die GmbH entweder weitere Tiere von außerhalb des Systems erwerben oder Ferkel abverkaufen müssen. Zudem habe die GmbH die Lieferpreise anhand der baden - württembergischen Notierungen bestimmt. Ihre Geschäftsführer seien jeden Montag bei den XYZ-Betrieben gewesen. Dort seien zum einen die gemästeten 30 kg-Schweine zur Weiterlieferung abgeholt worden, zum anderen habe man vorab Absprachen in Bezug auf die streitgegenständlichen Lieferungen der belegten und leeren Sauen und der Ferkel getroffen. Daher sei der Umfang der Lieferungen jeweils mit den XYZ-Betrieben abgesprochen gewesen.
26 
Hilfsweise beruft sie sich darauf, dass die GmbH als Kommissionärin aufgetreten sei und die Umsatzgeschäfte daher gemäß § 3 Abs. 3 UStG als Lieferung zu behandeln seien.
27 
Zudem sei sie gutgläubig in Bezug auf diese Vorgehensweise gewesen. Die Durchschnittssatzbesteuerung und die damit in der gesamten Berufssparte einhergehende Zwischenschaltung von Unternehmen, die dem allgemeinen Steuersatz unterlägen, sei eine vom Gesetzgeber angestrebte versteckte Subvention. Diese würde von den Berufsverbänden der Land- und Forstwirte und auch staatlichen Stellen beworben. Es sei, unter entsprechender Anwendung der Rechtsprechung zu Umsatzsteuerbetrugsfällen, daher nicht zulässig, diese Vorgehensweise nunmehr nachträglich unter Strafe zu stellen.
28 
Sie beruft sich des weiteren auf das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 27. September 2007 (Az. 16 K 437/03). Es sei unmaßgeblich, dass die GmbH – anders als im zitierten Urteil - die Transportleistungen nicht selbst durchgeführt habe. Schließlich hätte ein Transport durch die GmbH höhere Kosten und ein Krankheitsrisiko für die Tiere verursacht. Aufgrund des geschlossenen Systems zwischen den XYZ-Betrieben sei ein Krankheitsrisiko so gut wie ausgeschlossen gewesen. Die Einschaltung eines Dritten in die Transporte hätte ein erhöhtes Risiko für die Betriebe bedeutet.
29 
Sie ist schließlich der Auffassung, es lägen keine Scheingeschäfte (§ 41 Abs. 2 Abgabenordnung - AO -) vor. Die GmbH habe mit Rechtsbindungswillen gehandelt, das Forderungsausfallrisiko getragen und hätte evtl. Gewährleistungsansprüche übernehmen müssen.
30 
Es habe auch kein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 AO) vorgelegen, da auch außersteuerliche Gründe für die Vertragsgestaltung vorgelegen hätten. Die XYZ-Betriebe hätten mit der GmbH nur unter der Bedingung einen Vertrag über die Vermarktung ihrer gesamten Schweine geschlossen, dass diese nicht nur die Veräußerung an Dritte übernommen habe, sondern auch als Händler zwischen den XYZ-Betrieben aufgetreten sei. Daher sei es wirtschaftlich sinnvoll gewesen, die Zwischenlieferungen durchzuführen. Schließlich hätte sie andernfalls einen Großkunden wie die XYZ-Betriebe nicht an sich binden können.
31 
Es sei auch nicht zu verstehen, dass die Betriebsprüfung bei den XYZ - Betrieben keinerlei Beanstandungen in Bezug auf die Behandlung der Zwischenschaltung der GmbH gehabt habe. Es folge aus dem Rechtsgedanken des § 174 AO, dass sie dann ebenfalls nicht anders behandelt werden dürfe.
32 
Die Klägerin beantragt,
33 
unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 15. April 2010 die geänderten Umsatzsteuerbescheide 2002 bis 2005 - jeweils vom 01. Februar 2008 sowie vom 22. Juli 2010 - aufzuheben.
34 
Der Beklagte beantragt,
35 
die Klage abzuweisen.
36 
Die GmbH habe keine Lieferungen gemäß § 3 Abs. 1 UStG durchgeführt. Vielmehr hätten die XYZ-Betriebe jeweils unmittelbar dem Endabnehmer die Verfügungsmacht verschafft. Die von den XYZ-Betrieben jeweils gezahlten 25 Cent pro abgerechnetem Ferkel seien ausschließlich für die Abrechnungsleistung, die als sonstige Leistung zu qualifizieren sei, erbracht worden. Die GmbH sei daher auch nicht über ein Reihengeschäft gemäß § 3 Abs. 6 S. 5 UStG in eine Umsatzkette zwischen den XYZ-Betrieben eingebunden gewesen. Sie habe erst nach Vollzug der Lieferung die Rolle der Vertragspartner (Verkäufer/Lieferant-Käufer/Abnehmer), den Preis und den Umfang der Lieferung erfahren. Die GmbH sei „lediglich der Form halber buch- und belegmäßig zwischengeschaltet worden“. Die Umsatzgeschäfte seien jeweils direkt zwischen dem liefernden und abnehmenden XYZ-Betrieb geschlossen worden.
37 
Es liege auch kein Kommissionsvertrag gemäß § 383 Handelsgesetzbuch und damit auch keine Lieferung gemäß § 3 Abs. 3 Umsatzsteuergesetz vor. Die GmbH habe nicht das Recht gehabt, den Erwerber und den Endverkaufspreis festzulegen, sie habe nicht auf Rechnung des Auftraggebers gehandelt, kein eigenes wirtschaftliches Risiko getragen und die Tiere seien ihr nicht übergeben worden. Da die XYZ-Betriebe die Lieferungen untereinander abgewickelt hätten, spreche der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die GmbH keinen Einfluss auf die Kaufverträge gehabt habe.
38 
Überdies seien die von der GmbH durchgeführten Lieferungen von Schweinen der C-Betriebe an Dritte insgesamt anerkannt worden. In diesen Fällen sei die GmbH sowohl über die Kaufpreisverhandlungen als auch den Transport tatsächlich in die Lieferkette eingebunden gewesen.
39 
Die Rechtsprechung zur Gutgläubigkeit des Erwerbers und Vorsteueranspruchsberechtigten in Umsatzsteuerbetrugsfällen sei schon deshalb nicht anwendbar, weil die GmbH nicht Abnehmer einer Lieferung gewesen sei.
40 
Das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts sei mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar, da der dortige Zwischenhändler (also hier die GmbH) mit den jeweiligen Endabnehmern Vertragsverhandlungen durchgeführt und den Transport der Tiere übernommen habe. Im genannten Fall habe es außersteuerliche Gründe für die Zwischenschaltung gegeben, z.B. die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, Spezialisierung der Landwirte, Verbesserung des Gesundheitsstatus der Tiere, bessere Vermarktung. Diese Motive könnten im Zusammenhang mit den XYZ-Betrieben nicht angeführt werden, da die Betriebe ein aufeinander eingespieltes System der Ferkelerzeugung betreiben würden.
41 
Am 02. August 2011 hat in der Sache ein Erörterungstermin stattgefunden. Auf das Protokoll wird Bezug genommen.
42 
Der Sachverhalt ergibt sich aus den vom Beklagten vorgelegten Steuerakten (1 Band - Bd. - Rechtsbehelfsakten Klägerin, 1. Bd. Umsatzsteuerakten der Klägerin 2002 - 2005, 1 Bd. Einheitliche - Gesonderte Feststellungsakten Klägerin, 1 Bd. Betriebsprüfungsakte Klägerin Band I 2000, 1 Bd. Bilanzakten Band I 2000 Klägerin, 1 Bd. Allgemeine Akten Klägerin, 2 Bd. Betriebsprüfungsakten GmbH, 1 Bd. Allgemeine Akten GmbH, 1 Bd. Bilanzakten GmbH, 1 Bd. Steuerstrafakten A C, 1 Bd. Steuerstrafakten B C, 1 Bd. Steuerstrafakten X, 1 Bd. Steuerstrafakten Y, 1 Bd. Steuerstrafakten Z) und den im Verfahren ausgetauschten Schriftsätzen (§ 71 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung).
43 
Auf die Audiodateien über die Zeugenvernehmungen von X, Y, Z und dem Zeugen F (Betriebsprüfer) in der mündlichen Verhandlung vom 13. Februar 2012 wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
44 
1. Die Klage ist begründet.
45 
Die Umsatzsteuerbescheide 2002 - 2005 - jeweils vom 22. Juli 2010 -, die nach § 68 Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Verfahrens wurden, sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Bescheide vom 22. Juli 2010 sowie die Bescheide vom 01. Februar 2008 waren daher unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 15. April 2010 aufzuheben, so dass die Umsatzsteuerfestsetzungen nach Maßgabe der Umsatzsteuererklärungen wieder in Kraft treten. Die Klägerin (Organträgerin) hat aus den Gutschriften der GmbH (Organgesellschaft), die diese für Lieferungen der XYZ-Betriebe in Form von Gutschriften ausgestellt hat (§ 14 Abs. 2 Satz 2 UStG), einen Vorsteuervergütungsanspruch nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG.
46 
a) Die Organschaft zwischen der Klägerin und der GmbH hat zur Folge, dass alle Handlungen der Organgesellschaft der Organträgerin zugerechnet werden (§ 2 Abs. 2 UStG), so dass ihr der Vorsteuervergütungsanspruch aus den Gutschriften und Rechnungen an die GmbH zusteht, soweit die Voraussetzungen vorliegen.
47 
Nach § 15 Abs.1 Nr.1 UStG kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen ( § 3 Abs. 1 UStG), die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Eine Rechnung kann nach § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG auch vom Leistungsempfänger (GmbH) für eine Lieferung oder sonstige Leistung ausgestellt werden, sofern dies - wie im Streitfall geschehen - vorher vereinbart wurde (Gutschrift).
48 
Lieferungen eines Unternehmers sind gemäß § 3 Abs.1 UStG Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Der Abnehmer oder der Dritte müssen nach dem Willen der Beteiligten die wirtschaftliche Substanz, den Wert und den Ertrag des Gegenstandes erhalten. Der Gesetzgeber hat bewusst nicht auf die zivilrechtlichen Begriffe zurückgegriffen. Artikel 5 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ( 77/388/EWG ) ist dahin auszulegen, dass als "Lieferung eines Gegenstands" auch die Übertragung der Befähigung gilt, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen, wenn das rechtliche Eigentum am Gegenstand nicht übertragen worden ist (vgl. Urteil Europäischer Gerichtshof - EuGH - vom 08. Februar 1990 Rs. C-320/88 - Shipping and Forwarding Enterpise Safe; Sammlung der Rechtsprechung des EuGH 1990 Seite I-00285).
49 
Lieferungen können - wie im Streitfall - auch in Form eines Reihengeschäfts durchgeführt werden (§ 3 Abs. 6 S. 5 UStG). Ein Reihengeschäft ist gegeben, wenn mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte abschließen und der Gegenstand der Lieferung bei nur einer Warenbewegung vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer gelangt. In diesen Fällen ist die Beförderung oder Versendung nur einer Lieferung zuzuordnen. Der Ort der „ruhenden“ Lieferung bestimmt sich nach § 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 oder Nr. 2 UStG
50 
An einem Reihengeschäft müssen mindestens drei Personen beteiligt sein --der erste Unternehmer, der letzte Abnehmer und mindestens ein Abnehmer in der Reihe (Bundesfinanzhof - BFH - Beschluss vom 17. Dezember 1981 V S 20/80, Bundessteuerblatt Teil II - BStBl II - 1982, 279). Der erste Unternehmer verschafft dem letzten Abnehmer tatsächlich die Verfügungsmacht, indem er ihm wirtschaftlich Wert, Substanz und Ertrag des Gegenstands zuwendet. Die Folge, dass durch diese eine Warenbewegung gleichzeitig Lieferungen zwischen dem ersten Unternehmer und dessen Abnehmer --möglicherweise weiteren Abnehmern in der Reihe-- und dem letzten Abnehmer als ausgeführt gelten, setzt auf diesen Erfolg gerichtete Umsatzgeschäfte über den Gegenstand voraus. Das Umsatzgeschäft umfasst den Sachverhalt, der dem als Lieferung geltenden Vorgang zugrunde liegt, einschließlich des Verpflichtungsgeschäfts. Der Abnehmer in der Reihe muss zur Annahme einer Lieferung an ihn aus dem Umsatzgeschäft berechtigt und verpflichtet sein (BFH-Urteil vom 31. Juli 1996 XI R 74/95, BStBl II 1997, 157).
51 
Das Rechtsinstitut des Reihengeschäfts folgt systematisch bereits aus der allgemeinen Regelung im § 3 Abs. 1 UStG, wonach eine Lieferung nicht nur dann vorliegt, wenn der leistende Unternehmer den Leistungsempfänger direkt und unmittelbar befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand verfügen zu können. Eine Lieferung nach § 3 Abs. 1 UStG ist dem Unternehmer auch dann zuzurechnen, wenn entweder ein Dritter dem Abnehmer im Auftrag des Unternehmers Verfügungsmacht verschafft, oder der Unternehmer im Auftrag des Abnehmers einem Dritten die Verfügungsmacht verschafft, oder ein Dritter im Auftrag des Unternehmers einem Dritten im Auftrag des Abnehmers die Verfügungsmacht verschafft (vgl. Nieskens in Rau/Dürrwächter Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, 8. Auflage 1997, 148 Liegerung 10/2011, § 3 Rz. 1693).
52 
Der Senat ist davon überzeugt, dass die GmbH mit den landwirtschaftlichen Betrieben von X und Y in 1999, bzw. mit Z in 2001 vereinbart hatte, dass die Lieferungen in Form eines Reihengeschäfts jeweils über die GmbH an einen der XYZ-Betriebe durchgeführt werden sollten. Nach ihrem subjektiven Willen kam es ihnen darauf an, dass die liefernden XYZ-Betriebe jeweils von der GmbH im Sinne von § 3 Abs. 1 UStG den Auftrag hatten, dem belieferten XYZ-Betrieb die Verfügungsmacht zu verschaffen, ihn also zu befähigen über die Substanz den Wert und den Ertrag aus den Sauen und Ferkeln zu verfügen.
53 
Die Behauptung des Beklagten, die Ferkellieferungen seien nachträglich abgerechnet worden, ohne dass die GmbH Umsatzgeschäfte in Bezug auf die Zwischenlieferung durchgeführt hat, ist zum einen durch die tatsächlichen Umstände und zum anderen durch die Zeugenaussagen glaubhaft und überzeugend widerlegt worden.
54 
aa) Zunächst ist es, anders als vom Beklagten vorgetragen, unmaßgeblich, dass die GmbH die Tiere für die Firmen XYZ nicht selbst transportiert hat; denn es liegt in der Natur des Reihengeschäfts, dass der Transport der Tiere vom ersten an den letzten Abnehmer durchgeführt wird. Zwar verkennt der Senat nicht, dass es ungewöhnlich ist, dass während einer acht jährigen Geschäftsbeziehung keinerlei Schadensfälle aufgetreten sind; daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass keinerlei Verträge abgeschlossen oder durchgeführt wurden.
55 
bb) Dem Vortrag des Beklagten, dass bereits aus dem Abrechnungsvorgang ersichtlich sei, den Rechnungen lägen keine Lieferungen zu Grunde, folgt der Senat ebenfalls nicht. Der Beklagte sieht sich durch die Aussage des Zeugen F (Betriebsprüfer) bestätigt. Es sei „augenscheinlich“ gewesen, dass hier nur abgerechnet worden sei. Dies schloss er daraus, dass die Rechnungen und die Gutschriften das gleiche Datum trugen, hintereinander geheftet waren und jeweils auf den von Frau Y übermittelten Faxnachrichten beruhten.
56 
Der Senat schließt sich dieser Auffassung bereits deswegen nicht an, weil der Rechnungs- und Zahlungsweg den umsatzsteuerrechtlichen Vorgaben entsprach. So kann gemäß § 14 Abs. 2 S. 2 UStG eine Rechnung vom Leistungsempfänger ausgestellt werden, sofern dies vorher vereinbart wurde (Gutschrift).
57 
Aus einem steuerlich (Gutschriften) und zivilrechtlich (Lastschrifteinzugsverfahren) zulässigen Abrechnungsweg kann nicht geschlossen werden, dass den Abrechnungen keine Lieferungen zu Grunde lagen, zumal die Abrechnungsform für alle Beteiligten eine Vereinfachung darstellte. Es hätten vielmehr Umstände hinzutreten müssen, die die tatsächliche Durchführung des Reihengeschäfts widerlegen. Wenn - wie im vorliegenden Fall - eine auf Dauer angelegte Geschäftsbeziehung durch Vereinfachungsmaßnahmen beschleunigt wird, kann dies nicht zum Nachteil der Beteiligten bzw. der Klägerin ausgelegt werden.
58 
Die Zeugen haben zudem zur Überzeugung des Gerichts vorgetragen, dass sie diese Form des Rechnungswegs in 1999 bzw. Z in 2001 mit der GmbH vereinbart hatten. Die Zahlungen wurden per Lastschrifteinzug durchgeführt.
59 
cc) Anders als vom Beklagten vorgetragen, spricht auch nicht gegen eine Lieferung, dass die GmbH üblicherweise die Tiere selbst transportierte und lediglich im Fall der XYZ-Betriebe der Transport nicht durch die GmbH sondern durch den Zeugen X vorgenommen wurde. Die Zeugen haben glaubhaft vorgetragen, dass es ihnen bei den Vertragsverhandlungen gerade darauf angekommen sei, das System der Ferkelerzeugung hygienisch einwandfrei zu gestalten. Es hätte zu einem Qualitätsverlust geführt, wenn das Transportfahrzeug der GmbH - das für den Transport verschiedener landwirtschaftlicher Betriebe genutzt worden sei - auch bei den XYZ-Betrieben eingesetzt worden wäre.
60 
Darüber hinaus spricht es nicht gegen die Lieferung in Form eines Reihengeschäfts, dass die GmbH ausschließlich im Fall der XYZ-Betriebe den Transport nicht selbst durchgeführt hat. Vielmehr beweist diese Ausnahme gegenüber den anderen Geschäftsbeziehungen, dass die Vereinbarung zwischen der GmbH und den XYZ-Betrieb individuell auf das System abgestimmt war. Die GmbH hat nicht pauschal, ohne Betrachtung der Besonderheiten des Geschäfts nachträglich abgerechnet. Die Produktion und der Transport waren für die GmbH transparent. Das Risiko der GmbH war überschaubar, so dass der geringe Preisaufschlag für die GmbH in Kauf genommen werden konnte. Pauschale Vereinbarungen und Abrechnungen mit einem nicht mehr überschaubaren Kreis von Lieferanten und Abnehmern lagen gerade nicht vor.
61 
dd) Eine allgemeine Lebenserfahrung dahingehend, dass in einem Reihengeschäft der erste Lieferant mit dem letzten Abnehmer üblicherweise keinen Kontakt habe und die Liefervorgänge abspreche, existiert nach Auffassung des Senats - anders als vom Beklagten vorgetragen - nicht. Der Beklagte ist der Auffassung, diese Kontakte seien ausschließlich dem Umstand geschuldet, dass die Lieferungen unmittelbar zwischen den Familienbetrieben durchgeführt worden seien. Die familiäre und örtliche Nähe spreche gegen eine Lieferung über die GmbH.
62 
Zwar könnte die familiäre Nähe der XYZ-Betriebe als Indiz für eine unmittelbare Lieferung zwischen Familienbetrieben herangezogen werden; andererseits hat jedoch der Zeuge Z dagegen glaubhaft vorgetragen, dass es üblich sei, mit den Endabnehmern (z.B. Mästern) unmittelbar auch dann Kontakt zu haben, wenn sie nicht die direkten Vertragspartner seien. Es komme häufig vor, dass ihn Mäster kontaktieren würden. Schließlich hätten sie ja feste Beziehungen zu den Mästern. Sie hätten feste Abnehmer. Der Verkauf würde jedoch immer über den Vermarkter durchgeführt.
63 
Desweiteren hat der Zeuge Z dargelegt, dass es ihm in 2001 vorteilhaft erschienen sei, nicht unmittelbar mit seinem Vater Verträge zu schließen, um die Geschäftsbeziehungen professionell („ohne Händel“) durchführen zu können. Auch der Zeuge X bestätigte, dass er den Betrieb seines Sohnes nicht als „seine Familie“ ansehe. Schließlich sei auch seine Frau selbständig und habe einen eigenen Betrieb. Man müsse sehen, wo man bleibe. Die Zeugin Y hat dies bestätigt. Sie würde ihre Sauen genau zählen und wiegen. Sie „schenke ihrem Mann keine Sau“. Aufgrund dieses Vortrags kann zur Überzeugung des Senats gerade nicht geschlossen werden, dass die Familie unmittelbar geliefert hat, sondern vielmehr, dass es den Familienmitgliedern darauf angekommen ist, die Betriebe voneinander zu trennen und wirtschaftlich unabhängig zu bewirtschaften. Die Zeugin Y schilderte zudem, dass es durchaus Interessenkonflikte gegeben habe. Teilweise habe sie auch „draufgezahlt“, wenn sie die 8 kg-Ferkel in einem Preishoch erworben, dann gefüttert und die 30 kg-Ferkel schließlich in einem Preistief habe verkaufen müssen.
64 
ee) Es spricht auch nicht gegen ein Reihengeschäft, dass die GmbH erst nachträglich über die Lieferungen zwischen den XYZ - Betrieben abgerechnet und diesbezüglich die Daten (Liefermenge, Gewicht der Tiere usw.) von der Zeugin Y erhalten hat.
65 
Die Zeugen haben zur Überzeugung des Senats glaubhaft dargelegt, dass sie sich in 1999 hinsichtlich der Zwischenschaltung der GmbH geeinigt hätten, so dass die vertraglichen Grundlagen für das Reihengeschäft vorlagen. Die GmbH hatte nach Überzeugung des Senats die Möglichkeit der Kontrolle jedes Liefervorgangs. Sie kannte den grundsätzlichen Rahmen der Lieferungen und die Lieferwege und hätte nach glaubhafter Aussage der Zeugen X und Y jederzeit eingreifen können. Zudem sind die Preise von der GmbH anhand der wöchentlich veröffentlichen Marktpreise festgelegt worden.
66 
ff) Es ist auch unerheblich, dass die Parteien keine schriftlichen Verträge miteinander abgeschlossen hatten. Sowohl die Familie XYZ als auch der vernommene Betriebsprüfer F haben glaubhaft vorgetragen, dass im landwirtschaftlichen Bereich kaum schriftliche Verträge abgeschlossen würden. Der Zeuge F konnte aus seiner Berufserfahrung keinen einzigen Fall nennen, indem er schriftliche Vereinbarungen zwischen landwirtschaftlichen Betrieben gefunden hätte.
67 
gg) Der Senat verkennt nicht, dass das von den XYZ-Betrieben genutzte Computer-Programm („Sauenplan“) für eine unmittelbare Lieferbeziehung zwischen den jeweiligen XYZ-Betrieben sprechen könnte. Andererseits kam es den XYZ auf das Gesamtergebnis an, nämlich darauf, dass ein qualitativ hochwertiges Produkt zu einem guten Preis angeboten werden konnte. Nach Aussage der Zeugin Y habe der Sauenplan jederzeit die Möglichkeit geboten, die Gesundheit, den Abferkeltermin, das Gewicht usw. der Tiere zu überprüfen. Die Kosten für das Programm sind nach glaubhafter Aussage der Zeugin Y unter den Familienbetrieben aufgeteilt worden. Aus dem Programm seien die Liefervorgänge nicht ersichtlich gewesen. „Das habe das Programm nicht gekonnt“.
68 
hh) Auch im Übrigen haben die Zeugenaussagen bewiesen, dass ein Reihengeschäft vorlag. Die Zeugen X und Y schilderten glaubhaft und übereinstimmend, dass sie mit der GmbH in 1999 in Vertragsverhandlungen getreten seien. Es sei ihnen darauf angekommen, einen verlässlichen Partner zu finden, um ein abgestimmtes System der Ferkelerzeugung zu betreiben. Für die Erwerber des Endprodukts - die 30-kg Ferkel - sollte erkennbar sein, dass es sich um ein geschlossenes System handelte und die GmbH jederzeit die Möglichkeit gehabt habe, dieses System zu kontrollieren bzw. darin einzugreifen.
69 
Hinsichtlich der Eingriffsmöglichkeiten schilderten beide Zeugen, dass die GmbH die Zuchteber festgelegt habe. Zudem habe die GmbH jederzeit den Überblick über die Produktion der Ferkel gehabt, entweder weil die Geschäftsführer der GmbH einmal wöchentlich das Endprodukt - also die 30-kg Ferkel - abholten oder den sogenannten Sauenplan einsehen konnten.
70 
Die Zeugin Y bestätigte diese Aussage, indem sie ihr besonders gutes Verhältnis zur Frau G C darlegte. Mit Frau G C habe sie harmoniert. Man habe im Laufe der Geschäftsbeziehungen immer wieder Absprachen über die Abholungen und Lieferungen getroffen. Überzeugend stellte die Zeugin dar, dass sie kein Geld zu verschenken habe und sie daher jederzeit mögliche Transportschäden bei der GmbH geltend gemacht hätte.
71 
Die Zeugen bestätigten ferner übereinstimmend, dass die GmbH nicht nur für den Transport, sondern auch für die Qualitätssicherung des Produkts (insbesondere durch die Eberauswahl) verantwortlich gewesen sei.
72 
b) Der Vorsteuerabzug ist auch nicht wegen eines Missbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten ausgeschlossen (§ 42 Abgabenordnung - AO -).
73 
aa) Nach § 42 AO kann durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Liegt ein Missbrauch vor, so entsteht der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht. Diese Vorschrift gilt auch dann, wenn eine unangemessene Gestaltung für die Verwirklichung des Tatbestands einer begünstigenden Gesetzesvorschrift gewählt wird (BFH-Urteile vom 16. Januar 1992 V R 1/91, BStBl III 1992, 541; vom 10. September 1992 V R 104/91, BStBl II 1993, 253, und vom 22. Oktober 1992 V R 33/90, BStBl II 1993, 210).
74 
Ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne dieser Vorschrift ist gegeben, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die zur Erreichung des erstrebten Ziels unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist. Das wirtschaftliche Verhalten der Beteiligten darf nicht auf seine Angemessenheit überprüft werden.
75 
Bei der rechtlichen Gestaltung wirtschaftlicher Vorgänge ist der Steuerpflichtige im Rahmen der Gesetze frei. Auch aus steuerrechtlicher Sicht ist grundsätzlich von der gewählten (bürgerlich-)rechtlichen Gestaltung auszugehen. Das Motiv, Steuern zu sparen, macht eine rechtliche Gestaltung noch nicht unangemessen.
76 
Eine Rechtsgestaltung ist unangemessen, wenn verständige Parteien in Anbetracht des wirtschaftlichen Sachverhalts und der wirtschaftlichen Zielsetzung nicht in der gewählten Weise verfahren wären. Entscheidend ist, ob der Steuerpflichtige, dessen Steuerschuld zu beurteilen ist, die vom Gesetzgeber bei seiner Regelung vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen bestimmter wirtschaftlicher Ziele nicht gebraucht und hierfür keine beachtlichen außersteuerlichen Gründe vorliegen, oder ob er vielmehr auf einem ungewöhnlichen Weg einen Erfolg zu erreichen versucht, der nach den Wertungen des Gesetzgebers auf diesem Weg nicht erreicht werden soll. Maßgebend sind die gesamten Umstände des Einzelfalls (BFH-Urteil vom 09. Juli 1998 V R 68/96, BStBl II 1998, 637).
77 
Der Beklagte hat sich zum Vortrag der Klägerin über den wirtschaftlichen Nutzen der Gestaltung nicht eingelassen, obwohl er die Feststellungslast für das Vorliegen einer missbräuchlichen Gestaltung trägt. Er hat sich vielmehr aus den o.g. genannten Gründen ausschließlich darauf berufen, dass keine Lieferungen durchgeführt worden seien. Der Senat hat den Sachverhalt jedoch nach § 76 Abs. 1 FGO von Amts wegen zu erforschen.
78 
bb) Der Senat ist davon überzeugt, dass die GmbH mit den XYZ - Betrieben eine Haftungsvereinbarung in Bezug auf die Lieferung und den reibungslosen Ablauf des arbeitsteiligen Systems zur Ferkelerzeugung abgeschlossen hat. Damit hat die Klägerin einen wirtschaftlich vernünftigen Zweck für die gewählte Gestaltung vorgetragen.
79 
Der Vortrag der Klägerin wurde durch die Zeugen bestätigt, die übereinstimmend die Motivation für die Zwischenschaltung der GmbH schilderten. Die Zeugen sagten glaubhaft aus, dass es ihnen darauf angekommen sei, dass ein möglicher Kunde (z.B. Mastbetriebe) die Systematik des arbeitsteiligen Systems von außen habe erkennen können. Dadurch habe sich der Wert ihres Produkts erhöht. Der Zeuge X schilderte eindrücklich, dass es ihnen damals auf die Gesamtsicherheit angekommen sei. Ende der 90iger Jahre habe es viele Probleme mit Seuchen gegeben, so dass eine hohe Kontrolldichte für die Qualität (und damit den erzielbaren Preis) des Produktes maßgeblich gewesen sei. Die GmbH sei für sie als „nicht so großer“ Händler damals der richtige Partner gewesen. Mit dem vorherigen Vermarkter hätten sie zwar ein ähnliches System betrieben; dieses sei aber zu „lasch“ gewesen. Der Zeuge X schilderte plausibel, dass man die 25 Cent für das Risiko der GmbH, die Zuchtinfos und hauptsächlich für die Gesamtarbeit bezahlt habe. Dies stimmt sowohl mit den Aussagen der Zeugen Y und Z also auch mit den Auskünften der Geschäftsführer der GmbH überein.
80 
Der Senat ist davon überzeugt, dass es den XYZ-Betrieben ein Anliegen war, mit der GmbH zusammenzuarbeiten und zwar im gesamten Produktionsablauf von der Besamung bis zum Verkauf der 30 kg-Ferkel. X schilderte seine Enttäuschung über das Ende der Geschäftsbeziehungen mit der GmbH. Möglicherweise sei es ein Fehler gewesen, die Geschäftsbeziehungen aufzugeben. Das Risiko, die Geschäftsbeziehung während des laufenden steuerlichen Verfahrens weiterzuführen - das im Übrigen nur bestehen konnte, wenn tatsächlich Rechtsgeschäfte zu Grunde lagen -, sei für sie nicht kalkulierbar gewesen. Aufgrund dessen habe man einen neuen Vermarkter gesucht. Die GmbH sollte die Familienbetriebe dementsprechend finanziell voneinander abschirmen, das Transportrisiko übernehmen und die Produktion überwachen.
81 
2. Die Revision war mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht zuzulassen.
82 
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO.
83 
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 Zivilprozessordnung i.V.m. § 151 Abs. 1 FGO (BFH-Beschluss vom 15. April 1981, VI S 3/81, BStBl II 1981, 402).
84 
5. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt. Es hat ein Vorverfahren geschwebt, die Gebühren und Auslagen sind daher erstattungsfähig (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO).

Gründe

 
44 
1. Die Klage ist begründet.
45 
Die Umsatzsteuerbescheide 2002 - 2005 - jeweils vom 22. Juli 2010 -, die nach § 68 Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Verfahrens wurden, sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Bescheide vom 22. Juli 2010 sowie die Bescheide vom 01. Februar 2008 waren daher unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 15. April 2010 aufzuheben, so dass die Umsatzsteuerfestsetzungen nach Maßgabe der Umsatzsteuererklärungen wieder in Kraft treten. Die Klägerin (Organträgerin) hat aus den Gutschriften der GmbH (Organgesellschaft), die diese für Lieferungen der XYZ-Betriebe in Form von Gutschriften ausgestellt hat (§ 14 Abs. 2 Satz 2 UStG), einen Vorsteuervergütungsanspruch nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG.
46 
a) Die Organschaft zwischen der Klägerin und der GmbH hat zur Folge, dass alle Handlungen der Organgesellschaft der Organträgerin zugerechnet werden (§ 2 Abs. 2 UStG), so dass ihr der Vorsteuervergütungsanspruch aus den Gutschriften und Rechnungen an die GmbH zusteht, soweit die Voraussetzungen vorliegen.
47 
Nach § 15 Abs.1 Nr.1 UStG kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen ( § 3 Abs. 1 UStG), die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Eine Rechnung kann nach § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG auch vom Leistungsempfänger (GmbH) für eine Lieferung oder sonstige Leistung ausgestellt werden, sofern dies - wie im Streitfall geschehen - vorher vereinbart wurde (Gutschrift).
48 
Lieferungen eines Unternehmers sind gemäß § 3 Abs.1 UStG Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Der Abnehmer oder der Dritte müssen nach dem Willen der Beteiligten die wirtschaftliche Substanz, den Wert und den Ertrag des Gegenstandes erhalten. Der Gesetzgeber hat bewusst nicht auf die zivilrechtlichen Begriffe zurückgegriffen. Artikel 5 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ( 77/388/EWG ) ist dahin auszulegen, dass als "Lieferung eines Gegenstands" auch die Übertragung der Befähigung gilt, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen, wenn das rechtliche Eigentum am Gegenstand nicht übertragen worden ist (vgl. Urteil Europäischer Gerichtshof - EuGH - vom 08. Februar 1990 Rs. C-320/88 - Shipping and Forwarding Enterpise Safe; Sammlung der Rechtsprechung des EuGH 1990 Seite I-00285).
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Lieferungen können - wie im Streitfall - auch in Form eines Reihengeschäfts durchgeführt werden (§ 3 Abs. 6 S. 5 UStG). Ein Reihengeschäft ist gegeben, wenn mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte abschließen und der Gegenstand der Lieferung bei nur einer Warenbewegung vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer gelangt. In diesen Fällen ist die Beförderung oder Versendung nur einer Lieferung zuzuordnen. Der Ort der „ruhenden“ Lieferung bestimmt sich nach § 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 oder Nr. 2 UStG
50 
An einem Reihengeschäft müssen mindestens drei Personen beteiligt sein --der erste Unternehmer, der letzte Abnehmer und mindestens ein Abnehmer in der Reihe (Bundesfinanzhof - BFH - Beschluss vom 17. Dezember 1981 V S 20/80, Bundessteuerblatt Teil II - BStBl II - 1982, 279). Der erste Unternehmer verschafft dem letzten Abnehmer tatsächlich die Verfügungsmacht, indem er ihm wirtschaftlich Wert, Substanz und Ertrag des Gegenstands zuwendet. Die Folge, dass durch diese eine Warenbewegung gleichzeitig Lieferungen zwischen dem ersten Unternehmer und dessen Abnehmer --möglicherweise weiteren Abnehmern in der Reihe-- und dem letzten Abnehmer als ausgeführt gelten, setzt auf diesen Erfolg gerichtete Umsatzgeschäfte über den Gegenstand voraus. Das Umsatzgeschäft umfasst den Sachverhalt, der dem als Lieferung geltenden Vorgang zugrunde liegt, einschließlich des Verpflichtungsgeschäfts. Der Abnehmer in der Reihe muss zur Annahme einer Lieferung an ihn aus dem Umsatzgeschäft berechtigt und verpflichtet sein (BFH-Urteil vom 31. Juli 1996 XI R 74/95, BStBl II 1997, 157).
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Das Rechtsinstitut des Reihengeschäfts folgt systematisch bereits aus der allgemeinen Regelung im § 3 Abs. 1 UStG, wonach eine Lieferung nicht nur dann vorliegt, wenn der leistende Unternehmer den Leistungsempfänger direkt und unmittelbar befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand verfügen zu können. Eine Lieferung nach § 3 Abs. 1 UStG ist dem Unternehmer auch dann zuzurechnen, wenn entweder ein Dritter dem Abnehmer im Auftrag des Unternehmers Verfügungsmacht verschafft, oder der Unternehmer im Auftrag des Abnehmers einem Dritten die Verfügungsmacht verschafft, oder ein Dritter im Auftrag des Unternehmers einem Dritten im Auftrag des Abnehmers die Verfügungsmacht verschafft (vgl. Nieskens in Rau/Dürrwächter Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, 8. Auflage 1997, 148 Liegerung 10/2011, § 3 Rz. 1693).
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Der Senat ist davon überzeugt, dass die GmbH mit den landwirtschaftlichen Betrieben von X und Y in 1999, bzw. mit Z in 2001 vereinbart hatte, dass die Lieferungen in Form eines Reihengeschäfts jeweils über die GmbH an einen der XYZ-Betriebe durchgeführt werden sollten. Nach ihrem subjektiven Willen kam es ihnen darauf an, dass die liefernden XYZ-Betriebe jeweils von der GmbH im Sinne von § 3 Abs. 1 UStG den Auftrag hatten, dem belieferten XYZ-Betrieb die Verfügungsmacht zu verschaffen, ihn also zu befähigen über die Substanz den Wert und den Ertrag aus den Sauen und Ferkeln zu verfügen.
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Die Behauptung des Beklagten, die Ferkellieferungen seien nachträglich abgerechnet worden, ohne dass die GmbH Umsatzgeschäfte in Bezug auf die Zwischenlieferung durchgeführt hat, ist zum einen durch die tatsächlichen Umstände und zum anderen durch die Zeugenaussagen glaubhaft und überzeugend widerlegt worden.
54 
aa) Zunächst ist es, anders als vom Beklagten vorgetragen, unmaßgeblich, dass die GmbH die Tiere für die Firmen XYZ nicht selbst transportiert hat; denn es liegt in der Natur des Reihengeschäfts, dass der Transport der Tiere vom ersten an den letzten Abnehmer durchgeführt wird. Zwar verkennt der Senat nicht, dass es ungewöhnlich ist, dass während einer acht jährigen Geschäftsbeziehung keinerlei Schadensfälle aufgetreten sind; daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass keinerlei Verträge abgeschlossen oder durchgeführt wurden.
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bb) Dem Vortrag des Beklagten, dass bereits aus dem Abrechnungsvorgang ersichtlich sei, den Rechnungen lägen keine Lieferungen zu Grunde, folgt der Senat ebenfalls nicht. Der Beklagte sieht sich durch die Aussage des Zeugen F (Betriebsprüfer) bestätigt. Es sei „augenscheinlich“ gewesen, dass hier nur abgerechnet worden sei. Dies schloss er daraus, dass die Rechnungen und die Gutschriften das gleiche Datum trugen, hintereinander geheftet waren und jeweils auf den von Frau Y übermittelten Faxnachrichten beruhten.
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Der Senat schließt sich dieser Auffassung bereits deswegen nicht an, weil der Rechnungs- und Zahlungsweg den umsatzsteuerrechtlichen Vorgaben entsprach. So kann gemäß § 14 Abs. 2 S. 2 UStG eine Rechnung vom Leistungsempfänger ausgestellt werden, sofern dies vorher vereinbart wurde (Gutschrift).
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Aus einem steuerlich (Gutschriften) und zivilrechtlich (Lastschrifteinzugsverfahren) zulässigen Abrechnungsweg kann nicht geschlossen werden, dass den Abrechnungen keine Lieferungen zu Grunde lagen, zumal die Abrechnungsform für alle Beteiligten eine Vereinfachung darstellte. Es hätten vielmehr Umstände hinzutreten müssen, die die tatsächliche Durchführung des Reihengeschäfts widerlegen. Wenn - wie im vorliegenden Fall - eine auf Dauer angelegte Geschäftsbeziehung durch Vereinfachungsmaßnahmen beschleunigt wird, kann dies nicht zum Nachteil der Beteiligten bzw. der Klägerin ausgelegt werden.
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Die Zeugen haben zudem zur Überzeugung des Gerichts vorgetragen, dass sie diese Form des Rechnungswegs in 1999 bzw. Z in 2001 mit der GmbH vereinbart hatten. Die Zahlungen wurden per Lastschrifteinzug durchgeführt.
59 
cc) Anders als vom Beklagten vorgetragen, spricht auch nicht gegen eine Lieferung, dass die GmbH üblicherweise die Tiere selbst transportierte und lediglich im Fall der XYZ-Betriebe der Transport nicht durch die GmbH sondern durch den Zeugen X vorgenommen wurde. Die Zeugen haben glaubhaft vorgetragen, dass es ihnen bei den Vertragsverhandlungen gerade darauf angekommen sei, das System der Ferkelerzeugung hygienisch einwandfrei zu gestalten. Es hätte zu einem Qualitätsverlust geführt, wenn das Transportfahrzeug der GmbH - das für den Transport verschiedener landwirtschaftlicher Betriebe genutzt worden sei - auch bei den XYZ-Betrieben eingesetzt worden wäre.
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Darüber hinaus spricht es nicht gegen die Lieferung in Form eines Reihengeschäfts, dass die GmbH ausschließlich im Fall der XYZ-Betriebe den Transport nicht selbst durchgeführt hat. Vielmehr beweist diese Ausnahme gegenüber den anderen Geschäftsbeziehungen, dass die Vereinbarung zwischen der GmbH und den XYZ-Betrieb individuell auf das System abgestimmt war. Die GmbH hat nicht pauschal, ohne Betrachtung der Besonderheiten des Geschäfts nachträglich abgerechnet. Die Produktion und der Transport waren für die GmbH transparent. Das Risiko der GmbH war überschaubar, so dass der geringe Preisaufschlag für die GmbH in Kauf genommen werden konnte. Pauschale Vereinbarungen und Abrechnungen mit einem nicht mehr überschaubaren Kreis von Lieferanten und Abnehmern lagen gerade nicht vor.
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dd) Eine allgemeine Lebenserfahrung dahingehend, dass in einem Reihengeschäft der erste Lieferant mit dem letzten Abnehmer üblicherweise keinen Kontakt habe und die Liefervorgänge abspreche, existiert nach Auffassung des Senats - anders als vom Beklagten vorgetragen - nicht. Der Beklagte ist der Auffassung, diese Kontakte seien ausschließlich dem Umstand geschuldet, dass die Lieferungen unmittelbar zwischen den Familienbetrieben durchgeführt worden seien. Die familiäre und örtliche Nähe spreche gegen eine Lieferung über die GmbH.
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Zwar könnte die familiäre Nähe der XYZ-Betriebe als Indiz für eine unmittelbare Lieferung zwischen Familienbetrieben herangezogen werden; andererseits hat jedoch der Zeuge Z dagegen glaubhaft vorgetragen, dass es üblich sei, mit den Endabnehmern (z.B. Mästern) unmittelbar auch dann Kontakt zu haben, wenn sie nicht die direkten Vertragspartner seien. Es komme häufig vor, dass ihn Mäster kontaktieren würden. Schließlich hätten sie ja feste Beziehungen zu den Mästern. Sie hätten feste Abnehmer. Der Verkauf würde jedoch immer über den Vermarkter durchgeführt.
63 
Desweiteren hat der Zeuge Z dargelegt, dass es ihm in 2001 vorteilhaft erschienen sei, nicht unmittelbar mit seinem Vater Verträge zu schließen, um die Geschäftsbeziehungen professionell („ohne Händel“) durchführen zu können. Auch der Zeuge X bestätigte, dass er den Betrieb seines Sohnes nicht als „seine Familie“ ansehe. Schließlich sei auch seine Frau selbständig und habe einen eigenen Betrieb. Man müsse sehen, wo man bleibe. Die Zeugin Y hat dies bestätigt. Sie würde ihre Sauen genau zählen und wiegen. Sie „schenke ihrem Mann keine Sau“. Aufgrund dieses Vortrags kann zur Überzeugung des Senats gerade nicht geschlossen werden, dass die Familie unmittelbar geliefert hat, sondern vielmehr, dass es den Familienmitgliedern darauf angekommen ist, die Betriebe voneinander zu trennen und wirtschaftlich unabhängig zu bewirtschaften. Die Zeugin Y schilderte zudem, dass es durchaus Interessenkonflikte gegeben habe. Teilweise habe sie auch „draufgezahlt“, wenn sie die 8 kg-Ferkel in einem Preishoch erworben, dann gefüttert und die 30 kg-Ferkel schließlich in einem Preistief habe verkaufen müssen.
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ee) Es spricht auch nicht gegen ein Reihengeschäft, dass die GmbH erst nachträglich über die Lieferungen zwischen den XYZ - Betrieben abgerechnet und diesbezüglich die Daten (Liefermenge, Gewicht der Tiere usw.) von der Zeugin Y erhalten hat.
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Die Zeugen haben zur Überzeugung des Senats glaubhaft dargelegt, dass sie sich in 1999 hinsichtlich der Zwischenschaltung der GmbH geeinigt hätten, so dass die vertraglichen Grundlagen für das Reihengeschäft vorlagen. Die GmbH hatte nach Überzeugung des Senats die Möglichkeit der Kontrolle jedes Liefervorgangs. Sie kannte den grundsätzlichen Rahmen der Lieferungen und die Lieferwege und hätte nach glaubhafter Aussage der Zeugen X und Y jederzeit eingreifen können. Zudem sind die Preise von der GmbH anhand der wöchentlich veröffentlichen Marktpreise festgelegt worden.
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ff) Es ist auch unerheblich, dass die Parteien keine schriftlichen Verträge miteinander abgeschlossen hatten. Sowohl die Familie XYZ als auch der vernommene Betriebsprüfer F haben glaubhaft vorgetragen, dass im landwirtschaftlichen Bereich kaum schriftliche Verträge abgeschlossen würden. Der Zeuge F konnte aus seiner Berufserfahrung keinen einzigen Fall nennen, indem er schriftliche Vereinbarungen zwischen landwirtschaftlichen Betrieben gefunden hätte.
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gg) Der Senat verkennt nicht, dass das von den XYZ-Betrieben genutzte Computer-Programm („Sauenplan“) für eine unmittelbare Lieferbeziehung zwischen den jeweiligen XYZ-Betrieben sprechen könnte. Andererseits kam es den XYZ auf das Gesamtergebnis an, nämlich darauf, dass ein qualitativ hochwertiges Produkt zu einem guten Preis angeboten werden konnte. Nach Aussage der Zeugin Y habe der Sauenplan jederzeit die Möglichkeit geboten, die Gesundheit, den Abferkeltermin, das Gewicht usw. der Tiere zu überprüfen. Die Kosten für das Programm sind nach glaubhafter Aussage der Zeugin Y unter den Familienbetrieben aufgeteilt worden. Aus dem Programm seien die Liefervorgänge nicht ersichtlich gewesen. „Das habe das Programm nicht gekonnt“.
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hh) Auch im Übrigen haben die Zeugenaussagen bewiesen, dass ein Reihengeschäft vorlag. Die Zeugen X und Y schilderten glaubhaft und übereinstimmend, dass sie mit der GmbH in 1999 in Vertragsverhandlungen getreten seien. Es sei ihnen darauf angekommen, einen verlässlichen Partner zu finden, um ein abgestimmtes System der Ferkelerzeugung zu betreiben. Für die Erwerber des Endprodukts - die 30-kg Ferkel - sollte erkennbar sein, dass es sich um ein geschlossenes System handelte und die GmbH jederzeit die Möglichkeit gehabt habe, dieses System zu kontrollieren bzw. darin einzugreifen.
69 
Hinsichtlich der Eingriffsmöglichkeiten schilderten beide Zeugen, dass die GmbH die Zuchteber festgelegt habe. Zudem habe die GmbH jederzeit den Überblick über die Produktion der Ferkel gehabt, entweder weil die Geschäftsführer der GmbH einmal wöchentlich das Endprodukt - also die 30-kg Ferkel - abholten oder den sogenannten Sauenplan einsehen konnten.
70 
Die Zeugin Y bestätigte diese Aussage, indem sie ihr besonders gutes Verhältnis zur Frau G C darlegte. Mit Frau G C habe sie harmoniert. Man habe im Laufe der Geschäftsbeziehungen immer wieder Absprachen über die Abholungen und Lieferungen getroffen. Überzeugend stellte die Zeugin dar, dass sie kein Geld zu verschenken habe und sie daher jederzeit mögliche Transportschäden bei der GmbH geltend gemacht hätte.
71 
Die Zeugen bestätigten ferner übereinstimmend, dass die GmbH nicht nur für den Transport, sondern auch für die Qualitätssicherung des Produkts (insbesondere durch die Eberauswahl) verantwortlich gewesen sei.
72 
b) Der Vorsteuerabzug ist auch nicht wegen eines Missbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten ausgeschlossen (§ 42 Abgabenordnung - AO -).
73 
aa) Nach § 42 AO kann durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Liegt ein Missbrauch vor, so entsteht der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht. Diese Vorschrift gilt auch dann, wenn eine unangemessene Gestaltung für die Verwirklichung des Tatbestands einer begünstigenden Gesetzesvorschrift gewählt wird (BFH-Urteile vom 16. Januar 1992 V R 1/91, BStBl III 1992, 541; vom 10. September 1992 V R 104/91, BStBl II 1993, 253, und vom 22. Oktober 1992 V R 33/90, BStBl II 1993, 210).
74 
Ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne dieser Vorschrift ist gegeben, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die zur Erreichung des erstrebten Ziels unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist. Das wirtschaftliche Verhalten der Beteiligten darf nicht auf seine Angemessenheit überprüft werden.
75 
Bei der rechtlichen Gestaltung wirtschaftlicher Vorgänge ist der Steuerpflichtige im Rahmen der Gesetze frei. Auch aus steuerrechtlicher Sicht ist grundsätzlich von der gewählten (bürgerlich-)rechtlichen Gestaltung auszugehen. Das Motiv, Steuern zu sparen, macht eine rechtliche Gestaltung noch nicht unangemessen.
76 
Eine Rechtsgestaltung ist unangemessen, wenn verständige Parteien in Anbetracht des wirtschaftlichen Sachverhalts und der wirtschaftlichen Zielsetzung nicht in der gewählten Weise verfahren wären. Entscheidend ist, ob der Steuerpflichtige, dessen Steuerschuld zu beurteilen ist, die vom Gesetzgeber bei seiner Regelung vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen bestimmter wirtschaftlicher Ziele nicht gebraucht und hierfür keine beachtlichen außersteuerlichen Gründe vorliegen, oder ob er vielmehr auf einem ungewöhnlichen Weg einen Erfolg zu erreichen versucht, der nach den Wertungen des Gesetzgebers auf diesem Weg nicht erreicht werden soll. Maßgebend sind die gesamten Umstände des Einzelfalls (BFH-Urteil vom 09. Juli 1998 V R 68/96, BStBl II 1998, 637).
77 
Der Beklagte hat sich zum Vortrag der Klägerin über den wirtschaftlichen Nutzen der Gestaltung nicht eingelassen, obwohl er die Feststellungslast für das Vorliegen einer missbräuchlichen Gestaltung trägt. Er hat sich vielmehr aus den o.g. genannten Gründen ausschließlich darauf berufen, dass keine Lieferungen durchgeführt worden seien. Der Senat hat den Sachverhalt jedoch nach § 76 Abs. 1 FGO von Amts wegen zu erforschen.
78 
bb) Der Senat ist davon überzeugt, dass die GmbH mit den XYZ - Betrieben eine Haftungsvereinbarung in Bezug auf die Lieferung und den reibungslosen Ablauf des arbeitsteiligen Systems zur Ferkelerzeugung abgeschlossen hat. Damit hat die Klägerin einen wirtschaftlich vernünftigen Zweck für die gewählte Gestaltung vorgetragen.
79 
Der Vortrag der Klägerin wurde durch die Zeugen bestätigt, die übereinstimmend die Motivation für die Zwischenschaltung der GmbH schilderten. Die Zeugen sagten glaubhaft aus, dass es ihnen darauf angekommen sei, dass ein möglicher Kunde (z.B. Mastbetriebe) die Systematik des arbeitsteiligen Systems von außen habe erkennen können. Dadurch habe sich der Wert ihres Produkts erhöht. Der Zeuge X schilderte eindrücklich, dass es ihnen damals auf die Gesamtsicherheit angekommen sei. Ende der 90iger Jahre habe es viele Probleme mit Seuchen gegeben, so dass eine hohe Kontrolldichte für die Qualität (und damit den erzielbaren Preis) des Produktes maßgeblich gewesen sei. Die GmbH sei für sie als „nicht so großer“ Händler damals der richtige Partner gewesen. Mit dem vorherigen Vermarkter hätten sie zwar ein ähnliches System betrieben; dieses sei aber zu „lasch“ gewesen. Der Zeuge X schilderte plausibel, dass man die 25 Cent für das Risiko der GmbH, die Zuchtinfos und hauptsächlich für die Gesamtarbeit bezahlt habe. Dies stimmt sowohl mit den Aussagen der Zeugen Y und Z also auch mit den Auskünften der Geschäftsführer der GmbH überein.
80 
Der Senat ist davon überzeugt, dass es den XYZ-Betrieben ein Anliegen war, mit der GmbH zusammenzuarbeiten und zwar im gesamten Produktionsablauf von der Besamung bis zum Verkauf der 30 kg-Ferkel. X schilderte seine Enttäuschung über das Ende der Geschäftsbeziehungen mit der GmbH. Möglicherweise sei es ein Fehler gewesen, die Geschäftsbeziehungen aufzugeben. Das Risiko, die Geschäftsbeziehung während des laufenden steuerlichen Verfahrens weiterzuführen - das im Übrigen nur bestehen konnte, wenn tatsächlich Rechtsgeschäfte zu Grunde lagen -, sei für sie nicht kalkulierbar gewesen. Aufgrund dessen habe man einen neuen Vermarkter gesucht. Die GmbH sollte die Familienbetriebe dementsprechend finanziell voneinander abschirmen, das Transportrisiko übernehmen und die Produktion überwachen.
81 
2. Die Revision war mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht zuzulassen.
82 
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO.
83 
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 Zivilprozessordnung i.V.m. § 151 Abs. 1 FGO (BFH-Beschluss vom 15. April 1981, VI S 3/81, BStBl II 1981, 402).
84 
5. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt. Es hat ein Vorverfahren geschwebt, die Gebühren und Auslagen sind daher erstattungsfähig (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO).

(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an die rechtliche Beurteilung gebunden, die der Aufhebung zugrunde liegt, an die tatsächliche so weit, als nicht neu bekannt werdende Tatsachen und Beweismittel eine andere Beurteilung rechtfertigen. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Finanzbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, dass die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt nicht, soweit der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht nachgekommen ist und deshalb die Besteuerungsgrundlagen geschätzt worden sind. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(1) Hat der Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag, als er nach diesem Gesetz für den Umsatz schuldet, gesondert ausgewiesen (unrichtiger Steuerausweis), schuldet er auch den Mehrbetrag. Berichtigt er den Steuerbetrag gegenüber dem Leistungsempfänger, ist § 17 Abs. 1 entsprechend anzuwenden. In den Fällen des § 1 Abs. 1a und in den Fällen der Rückgängigmachung des Verzichts auf die Steuerbefreiung nach § 9 gilt Absatz 2 Satz 3 bis 5 entsprechend.

(2) Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist (unberechtigter Steuerausweis), schuldet den ausgewiesenen Betrag. Das Gleiche gilt, wenn jemand wie ein leistender Unternehmer abrechnet und einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er nicht Unternehmer ist oder eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt. Der nach den Sätzen 1 und 2 geschuldete Steuerbetrag kann berichtigt werden, soweit die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt worden ist. Die Gefährdung des Steueraufkommens ist beseitigt, wenn ein Vorsteuerabzug beim Empfänger der Rechnung nicht durchgeführt oder die geltend gemachte Vorsteuer an die Finanzbehörde zurückgezahlt worden ist. Die Berichtigung des geschuldeten Steuerbetrags ist beim Finanzamt gesondert schriftlich zu beantragen und nach dessen Zustimmung in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 1 für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Voraussetzungen des Satzes 4 eingetreten sind.

(1) Durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts kann das Steuergesetz nicht umgangen werden. Ist der Tatbestand einer Regelung in einem Einzelsteuergesetz erfüllt, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dient, so bestimmen sich die Rechtsfolgen nach jener Vorschrift. Anderenfalls entsteht der Steueranspruch beim Vorliegen eines Missbrauchs im Sinne des Absatzes 2 so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.

(2) Ein Missbrauch liegt vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Dies gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind.

(1) Hat der Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag, als er nach diesem Gesetz für den Umsatz schuldet, gesondert ausgewiesen (unrichtiger Steuerausweis), schuldet er auch den Mehrbetrag. Berichtigt er den Steuerbetrag gegenüber dem Leistungsempfänger, ist § 17 Abs. 1 entsprechend anzuwenden. In den Fällen des § 1 Abs. 1a und in den Fällen der Rückgängigmachung des Verzichts auf die Steuerbefreiung nach § 9 gilt Absatz 2 Satz 3 bis 5 entsprechend.

(2) Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist (unberechtigter Steuerausweis), schuldet den ausgewiesenen Betrag. Das Gleiche gilt, wenn jemand wie ein leistender Unternehmer abrechnet und einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er nicht Unternehmer ist oder eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt. Der nach den Sätzen 1 und 2 geschuldete Steuerbetrag kann berichtigt werden, soweit die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt worden ist. Die Gefährdung des Steueraufkommens ist beseitigt, wenn ein Vorsteuerabzug beim Empfänger der Rechnung nicht durchgeführt oder die geltend gemachte Vorsteuer an die Finanzbehörde zurückgezahlt worden ist. Die Berichtigung des geschuldeten Steuerbetrags ist beim Finanzamt gesondert schriftlich zu beantragen und nach dessen Zustimmung in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 1 für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Voraussetzungen des Satzes 4 eingetreten sind.

(1) Hat der Gesamtumsatz des Unternehmers (§ 19 Absatz 3) im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 600 000 Euro betragen, wird die Steuer für die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ausgeführten Umsätze vorbehaltlich der Sätze 2 bis 4 wie folgt festgesetzt:

1.
für die Lieferungen von forstwirtschaftlichen Erzeugnissen, ausgenommen Sägewerkserzeugnisse, auf 5,5 Prozent,
2.
für die Lieferungen der in der Anlage 2 nicht aufgeführten Sägewerkserzeugnisse und Getränke sowie von alkoholischen Flüssigkeiten, ausgenommen die Lieferungen in das Ausland und die im Ausland bewirkten Umsätze, und für sonstige Leistungen, soweit in der Anlage 2 nicht aufgeführte Getränke abgegeben werden, auf 19 Prozent,
3.
für die übrigen Umsätze im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 1 auf 9,0 Prozent der Bemessungsgrundlage.
Die Befreiungen nach § 4 mit Ausnahme der Nummern 1 bis 7 bleiben unberührt; § 9 findet keine Anwendung. Die Vorsteuerbeträge werden, soweit sie den in Satz 1 Nr. 1 bezeichneten Umsätzen zuzurechnen sind, auf 5,5 Prozent, in den übrigen Fällen des Satzes 1 auf 9,0 Prozent der Bemessungsgrundlage für diese Umsätze festgesetzt. Ein weiterer Vorsteuerabzug entfällt. § 14 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass der für den Umsatz maßgebliche Durchschnittssatz in der Rechnung zusätzlich anzugeben ist.

(2) Als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb gelten

1.
die Landwirtschaft, die Forstwirtschaft, der Wein-, Garten-, Obst- und Gemüsebau, die Baumschulen, alle Betriebe, die Pflanzen und Pflanzenteile mit Hilfe der Naturkräfte gewinnen, die Binnenfischerei, die Teichwirtschaft, die Fischzucht für die Binnenfischerei und Teichwirtschaft, die Imkerei, die Wanderschäferei sowie die Saatzucht;
2.
Tierzucht- und Tierhaltungsbetriebe, soweit ihre Tierbestände nach den §§ 51 und 51a des Bewertungsgesetzes zur landwirtschaftlichen Nutzung gehören.
Zum land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehören auch die Nebenbetriebe, die dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zu dienen bestimmt sind.

(3) Führt der Unternehmer neben den in Absatz 1 bezeichneten Umsätzen auch andere Umsätze aus, so ist der land- und forstwirtschaftliche Betrieb als ein in der Gliederung des Unternehmens gesondert geführter Betrieb zu behandeln.

(4) Der Unternehmer kann spätestens bis zum 10. Tag eines Kalenderjahres gegenüber dem Finanzamt erklären, dass seine Umsätze vom Beginn des vorangegangenen Kalenderjahres an nicht nach den Absätzen 1 bis 3, sondern nach den allgemeinen Vorschriften dieses Gesetzes besteuert werden sollen. Die Erklärung bindet den Unternehmer mindestens für fünf Kalenderjahre; im Falle der Geschäftsveräußerung ist der Erwerber an diese Frist gebunden. Sie kann mit Wirkung vom Beginn eines Kalenderjahres an widerrufen werden. Der Widerruf ist spätestens bis zum 10. Tag nach Beginn dieses Kalenderjahres zu erklären. Die Frist nach Satz 4 kann verlängert werden. Ist die Frist bereits abgelaufen, so kann sie rückwirkend verlängert werden, wenn es unbillig wäre, die durch den Fristablauf eingetretenen Rechtsfolgen bestehen zu lassen.

(5) Das Bundesministerium der Finanzen überprüft jährlich die Höhe des Durchschnittssatzes im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 und Satz 3 und berichtet dem Deutschen Bundestag über das Ergebnis der Überprüfung. Der Durchschnittssatz wird ermittelt aus dem Verhältnis der Summe der Vorsteuern zu der Summe der Umsätze aller Unternehmer, die ihre Umsätze nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3 versteuern, in einem Zeitraum von drei Jahren. Der ermittelte Durchschnittssatz wird auf eine Nachkommastelle kaufmännisch gerundet. Soweit nach der Überprüfung eine Anpassung des Durchschnittssatzes in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und Satz 3 erforderlich ist, legt die Bundesregierung kurzfristig einen entsprechenden Gesetzentwurf vor.

(1) Der Umsatzsteuer unterliegen die folgenden Umsätze:

1.
die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Die Steuerbarkeit entfällt nicht, wenn der Umsatz auf Grund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung ausgeführt wird oder nach gesetzlicher Vorschrift als ausgeführt gilt;
2.
(weggefallen)
3.
(weggefallen)
4.
die Einfuhr von Gegenständen im Inland oder in den österreichischen Gebieten Jungholz und Mittelberg (Einfuhrumsatzsteuer);
5.
der innergemeinschaftliche Erwerb im Inland gegen Entgelt.

(1a) Die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen unterliegen nicht der Umsatzsteuer. Eine Geschäftsveräußerung liegt vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. Der erwerbende Unternehmer tritt an die Stelle des Veräußerers.

(2) Inland im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme des Gebiets von Büsingen, der Insel Helgoland, der Freizonen im Sinne des Artikels 243 des Zollkodex der Union (Freihäfen), der Gewässer und Watten zwischen der Hoheitsgrenze und der jeweiligen Strandlinie sowie der deutschen Schiffe und der deutschen Luftfahrzeuge in Gebieten, die zu keinem Zollgebiet gehören. Ausland im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet, das danach nicht Inland ist. Wird ein Umsatz im Inland ausgeführt, so kommt es für die Besteuerung nicht darauf an, ob der Unternehmer deutscher Staatsangehöriger ist, seinen Wohnsitz oder Sitz im Inland hat, im Inland eine Betriebsstätte unterhält, die Rechnung erteilt oder die Zahlung empfängt. Zollkodex der Union bezeichnet die Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1; L 287 vom 20.10.2013, S. 90) in der jeweils geltenden Fassung.

(2a) Das Gemeinschaftsgebiet im Sinne dieses Gesetzes umfasst das Inland im Sinne des Absatzes 2 Satz 1 und die Gebiete der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die nach dem Gemeinschaftsrecht als Inland dieser Mitgliedstaaten gelten (übriges Gemeinschaftsgebiet). Das Fürstentum Monaco gilt als Gebiet der Französischen Republik; die Insel Man gilt als Gebiet des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland. Drittlandsgebiet im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet, das nicht Gemeinschaftsgebiet ist.

(3) Folgende Umsätze, die in den Freihäfen und in den Gewässern und Watten zwischen der Hoheitsgrenze und der jeweiligen Strandlinie bewirkt werden, sind wie Umsätze im Inland zu behandeln:

1.
die Lieferungen und die innergemeinschaftlichen Erwerbe von Gegenständen, die zum Gebrauch oder Verbrauch in den bezeichneten Gebieten oder zur Ausrüstung oder Versorgung eines Beförderungsmittels bestimmt sind, wenn die Gegenstände
a)
nicht für das Unternehmen des Abnehmers erworben werden, oder
b)
vom Abnehmer ausschließlich oder zum Teil für eine nach § 4 Nummer 8 bis 27 und 29 steuerfreie Tätigkeit verwendet werden;
2.
die sonstigen Leistungen, die
a)
nicht für das Unternehmen des Leistungsempfängers ausgeführt werden, oder
b)
vom Leistungsempfänger ausschließlich oder zum Teil für eine nach § 4 Nummer 8 bis 27 und 29 steuerfreie Tätigkeit verwendet werden;
3.
die Lieferungen im Sinne des § 3 Abs. 1b und die sonstigen Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a;
4.
die Lieferungen von Gegenständen, die sich im Zeitpunkt der Lieferung
a)
in einem zollamtlich bewilligten Freihafen-Veredelungsverkehr oder in einer zollamtlich besonders zugelassenen Freihafenlagerung oder
b)
einfuhrumsatzsteuerrechtlich im freien Verkehr befinden;
5.
die sonstigen Leistungen, die im Rahmen eines Veredelungsverkehrs oder einer Lagerung im Sinne der Nummer 4 Buchstabe a ausgeführt werden;
6.
(weggefallen)
7.
der innergemeinschaftliche Erwerb eines neuen Fahrzeugs durch die in § 1a Abs. 3 und § 1b Abs. 1 genannten Erwerber.
Lieferungen und sonstige Leistungen an juristische Personen des öffentlichen Rechts sowie deren innergemeinschaftlicher Erwerb in den bezeichneten Gebieten sind als Umsätze im Sinne der Nummern 1 und 2 anzusehen, soweit der Unternehmer nicht anhand von Aufzeichnungen und Belegen das Gegenteil glaubhaft macht.

(1) Hat der Gesamtumsatz des Unternehmers (§ 19 Absatz 3) im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 600 000 Euro betragen, wird die Steuer für die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ausgeführten Umsätze vorbehaltlich der Sätze 2 bis 4 wie folgt festgesetzt:

1.
für die Lieferungen von forstwirtschaftlichen Erzeugnissen, ausgenommen Sägewerkserzeugnisse, auf 5,5 Prozent,
2.
für die Lieferungen der in der Anlage 2 nicht aufgeführten Sägewerkserzeugnisse und Getränke sowie von alkoholischen Flüssigkeiten, ausgenommen die Lieferungen in das Ausland und die im Ausland bewirkten Umsätze, und für sonstige Leistungen, soweit in der Anlage 2 nicht aufgeführte Getränke abgegeben werden, auf 19 Prozent,
3.
für die übrigen Umsätze im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 1 auf 9,0 Prozent der Bemessungsgrundlage.
Die Befreiungen nach § 4 mit Ausnahme der Nummern 1 bis 7 bleiben unberührt; § 9 findet keine Anwendung. Die Vorsteuerbeträge werden, soweit sie den in Satz 1 Nr. 1 bezeichneten Umsätzen zuzurechnen sind, auf 5,5 Prozent, in den übrigen Fällen des Satzes 1 auf 9,0 Prozent der Bemessungsgrundlage für diese Umsätze festgesetzt. Ein weiterer Vorsteuerabzug entfällt. § 14 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass der für den Umsatz maßgebliche Durchschnittssatz in der Rechnung zusätzlich anzugeben ist.

(2) Als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb gelten

1.
die Landwirtschaft, die Forstwirtschaft, der Wein-, Garten-, Obst- und Gemüsebau, die Baumschulen, alle Betriebe, die Pflanzen und Pflanzenteile mit Hilfe der Naturkräfte gewinnen, die Binnenfischerei, die Teichwirtschaft, die Fischzucht für die Binnenfischerei und Teichwirtschaft, die Imkerei, die Wanderschäferei sowie die Saatzucht;
2.
Tierzucht- und Tierhaltungsbetriebe, soweit ihre Tierbestände nach den §§ 51 und 51a des Bewertungsgesetzes zur landwirtschaftlichen Nutzung gehören.
Zum land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehören auch die Nebenbetriebe, die dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zu dienen bestimmt sind.

(3) Führt der Unternehmer neben den in Absatz 1 bezeichneten Umsätzen auch andere Umsätze aus, so ist der land- und forstwirtschaftliche Betrieb als ein in der Gliederung des Unternehmens gesondert geführter Betrieb zu behandeln.

(4) Der Unternehmer kann spätestens bis zum 10. Tag eines Kalenderjahres gegenüber dem Finanzamt erklären, dass seine Umsätze vom Beginn des vorangegangenen Kalenderjahres an nicht nach den Absätzen 1 bis 3, sondern nach den allgemeinen Vorschriften dieses Gesetzes besteuert werden sollen. Die Erklärung bindet den Unternehmer mindestens für fünf Kalenderjahre; im Falle der Geschäftsveräußerung ist der Erwerber an diese Frist gebunden. Sie kann mit Wirkung vom Beginn eines Kalenderjahres an widerrufen werden. Der Widerruf ist spätestens bis zum 10. Tag nach Beginn dieses Kalenderjahres zu erklären. Die Frist nach Satz 4 kann verlängert werden. Ist die Frist bereits abgelaufen, so kann sie rückwirkend verlängert werden, wenn es unbillig wäre, die durch den Fristablauf eingetretenen Rechtsfolgen bestehen zu lassen.

(5) Das Bundesministerium der Finanzen überprüft jährlich die Höhe des Durchschnittssatzes im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 und Satz 3 und berichtet dem Deutschen Bundestag über das Ergebnis der Überprüfung. Der Durchschnittssatz wird ermittelt aus dem Verhältnis der Summe der Vorsteuern zu der Summe der Umsätze aller Unternehmer, die ihre Umsätze nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3 versteuern, in einem Zeitraum von drei Jahren. Der ermittelte Durchschnittssatz wird auf eine Nachkommastelle kaufmännisch gerundet. Soweit nach der Überprüfung eine Anpassung des Durchschnittssatzes in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und Satz 3 erforderlich ist, legt die Bundesregierung kurzfristig einen entsprechenden Gesetzentwurf vor.

(1) Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:

1.
die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a ausgestellte Rechnung besitzt. Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist;
2.
die entstandene Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände, die für sein Unternehmen nach § 1 Absatz 1 Nummer 4 eingeführt worden sind;
3.
die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen für sein Unternehmen, wenn der innergemeinschaftliche Erwerb nach § 3d Satz 1 im Inland bewirkt wird;
4.
die Steuer für Leistungen im Sinne des § 13b Absatz 1 und 2, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Soweit die Steuer auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Leistungen entfällt, ist sie abziehbar, wenn die Zahlung geleistet worden ist;
5.
die nach § 13a Abs. 1 Nr. 6 geschuldete Steuer für Umsätze, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.
Nicht als für das Unternehmen ausgeführt gilt die Lieferung, die Einfuhr oder der innergemeinschaftliche Erwerb eines Gegenstands, den der Unternehmer zu weniger als 10 Prozent für sein Unternehmen nutzt.

(1a) Nicht abziehbar sind Vorsteuerbeträge, die auf Aufwendungen, für die das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 4, 7 oder des § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes gilt, entfallen. Dies gilt nicht für Bewirtungsaufwendungen, soweit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes einen Abzug angemessener und nachgewiesener Aufwendungen ausschließt.

(1b) Verwendet der Unternehmer ein Grundstück sowohl für Zwecke seines Unternehmens als auch für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb sowie für die sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit diesem Grundstück vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, soweit sie nicht auf die Verwendung des Grundstücks für Zwecke des Unternehmens entfällt. Bei Berechtigungen, für die die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke gelten, und bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden ist Satz 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen sowie für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung folgender Umsätze verwendet:

1.
steuerfreie Umsätze;
2.
Umsätze im Ausland, die steuerfrei wären, wenn sie im Inland ausgeführt würden.
Gegenstände oder sonstige Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung einer Einfuhr oder eines innergemeinschaftlichen Erwerbs verwendet, sind den Umsätzen zuzurechnen, für die der eingeführte oder innergemeinschaftlich erworbene Gegenstand verwendet wird.

(3) Der Ausschluss vom Vorsteuerabzug nach Absatz 2 tritt nicht ein, wenn die Umsätze

1.
in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1
a)
nach § 4 Nr. 1 bis 7, § 25 Abs. 2 oder nach den in § 26 Abs. 5 bezeichneten Vorschriften steuerfrei sind oder
b)
nach § 4 Nummer 8 Buchstabe a bis g, Nummer 10 oder Nummer 11 steuerfrei sind und sich unmittelbar auf Gegenstände beziehen, die in das Drittlandsgebiet ausgeführt werden;
2.
in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 2
a)
nach § 4 Nr. 1 bis 7, § 25 Abs. 2 oder nach den in § 26 Abs. 5 bezeichneten Vorschriften steuerfrei wären oder
b)
nach § 4 Nummer 8 Buchstabe a bis g, Nummer 10 oder Nummer 11 steuerfrei wären und der Leistungsempfänger im Drittlandsgebiet ansässig ist oder diese Umsätze sich unmittelbar auf Gegenstände beziehen, die in das Drittlandsgebiet ausgeführt werden.

(4) Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten, eingeführten oder innergemeinschaftlich erworbenen Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Der Unternehmer kann die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln. Eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, ist nur zulässig, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist. In den Fällen des Absatzes 1b gelten die Sätze 1 bis 3 entsprechend.

(4a) Für Fahrzeuglieferer (§ 2a) gelten folgende Einschränkungen des Vorsteuerabzugs:

1.
Abziehbar ist nur die auf die Lieferung, die Einfuhr oder den innergemeinschaftlichen Erwerb des neuen Fahrzeugs entfallende Steuer.
2.
Die Steuer kann nur bis zu dem Betrag abgezogen werden, der für die Lieferung des neuen Fahrzeugs geschuldet würde, wenn die Lieferung nicht steuerfrei wäre.
3.
Die Steuer kann erst in dem Zeitpunkt abgezogen werden, in dem der Fahrzeuglieferer die innergemeinschaftliche Lieferung des neuen Fahrzeugs ausführt.

(4b) Für Unternehmer, die nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig sind und die nur Steuer nach § 13b Absatz 5, nur Steuer nach § 13b Absatz 5 und § 13a Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit § 14c Absatz 1 oder nur Steuer nach § 13b Absatz 5 und § 13a Absatz 1 Nummer 4 schulden, gelten die Einschränkungen des § 18 Absatz 9 Satz 5 und 6 entsprechend.

(5) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen darüber treffen,

1.
in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens für den Vorsteuerabzug auf eine Rechnung im Sinne des § 14 oder auf einzelne Angaben in der Rechnung verzichtet werden kann,
2.
unter welchen Voraussetzungen, für welchen Besteuerungszeitraum und in welchem Umfang zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Härten in den Fällen, in denen ein anderer als der Leistungsempfänger ein Entgelt gewährt (§ 10 Abs. 1 Satz 3), der andere den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen kann, und
3.
wann in Fällen von geringer steuerlicher Bedeutung zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Härten bei der Aufteilung der Vorsteuerbeträge (Absatz 4) Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, unberücksichtigt bleiben können oder von der Zurechnung von Vorsteuerbeträgen zu diesen Umsätzen abgesehen werden kann.

(1) Hat der Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag, als er nach diesem Gesetz für den Umsatz schuldet, gesondert ausgewiesen (unrichtiger Steuerausweis), schuldet er auch den Mehrbetrag. Berichtigt er den Steuerbetrag gegenüber dem Leistungsempfänger, ist § 17 Abs. 1 entsprechend anzuwenden. In den Fällen des § 1 Abs. 1a und in den Fällen der Rückgängigmachung des Verzichts auf die Steuerbefreiung nach § 9 gilt Absatz 2 Satz 3 bis 5 entsprechend.

(2) Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist (unberechtigter Steuerausweis), schuldet den ausgewiesenen Betrag. Das Gleiche gilt, wenn jemand wie ein leistender Unternehmer abrechnet und einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er nicht Unternehmer ist oder eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt. Der nach den Sätzen 1 und 2 geschuldete Steuerbetrag kann berichtigt werden, soweit die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt worden ist. Die Gefährdung des Steueraufkommens ist beseitigt, wenn ein Vorsteuerabzug beim Empfänger der Rechnung nicht durchgeführt oder die geltend gemachte Vorsteuer an die Finanzbehörde zurückgezahlt worden ist. Die Berichtigung des geschuldeten Steuerbetrags ist beim Finanzamt gesondert schriftlich zu beantragen und nach dessen Zustimmung in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 1 für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Voraussetzungen des Satzes 4 eingetreten sind.

(1) Rechnung ist jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Die Echtheit der Herkunft der Rechnung, die Unversehrtheit ihres Inhalts und ihre Lesbarkeit müssen gewährleistet werden. Echtheit der Herkunft bedeutet die Sicherheit der Identität des Rechnungsausstellers. Unversehrtheit des Inhalts bedeutet, dass die nach diesem Gesetz erforderlichen Angaben nicht geändert wurden. Jeder Unternehmer legt fest, in welcher Weise die Echtheit der Herkunft, die Unversehrtheit des Inhalts und die Lesbarkeit der Rechnung gewährleistet werden. Dies kann durch jegliche innerbetriebliche Kontrollverfahren erreicht werden, die einen verlässlichen Prüfpfad zwischen Rechnung und Leistung schaffen können. Rechnungen sind auf Papier oder vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers elektronisch zu übermitteln. Eine elektronische Rechnung ist eine Rechnung, die in einem elektronischen Format ausgestellt und empfangen wird.

(2) Führt der Unternehmer eine Lieferung oder eine sonstige Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 aus, gilt Folgendes:

1.
führt der Unternehmer eine steuerpflichtige Werklieferung (§ 3 Abs. 4 Satz 1) oder sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück aus, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen;
2.
führt der Unternehmer eine andere als die in Nummer 1 genannte Leistung aus, ist er berechtigt, eine Rechnung auszustellen. Soweit er einen Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist, ausführt, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen. Eine Verpflichtung zur Ausstellung einer Rechnung besteht nicht, wenn der Umsatz nach § 4 Nummer 8 bis 29 steuerfrei ist. § 14a bleibt unberührt.
Unbeschadet der Verpflichtungen nach Satz 1 Nr. 1 und 2 Satz 2 kann eine Rechnung von einem in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfänger für eine Lieferung oder sonstige Leistung des Unternehmers ausgestellt werden, sofern dies vorher vereinbart wurde (Gutschrift). Die Gutschrift verliert die Wirkung einer Rechnung, sobald der Empfänger der Gutschrift dem ihm übermittelten Dokument widerspricht. Eine Rechnung kann im Namen und für Rechnung des Unternehmers oder eines in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfängers von einem Dritten ausgestellt werden.

(3) Unbeschadet anderer nach Absatz 1 zulässiger Verfahren gelten bei einer elektronischen Rechnung die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit des Inhalts als gewährleistet durch

1.
eine qualifizierte elektronische Signatur oder
2.
elektronischen Datenaustausch (EDI) nach Artikel 2 der Empfehlung 94/820/EG der Kommission vom 19. Oktober 1994 über die rechtlichen Aspekte des elektronischen Datenaustausches (ABl. L 338 vom 28.12.1994, S. 98), wenn in der Vereinbarung über diesen Datenaustausch der Einsatz von Verfahren vorgesehen ist, die die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit der Daten gewährleisten.

(4) Eine Rechnung muss folgende Angaben enthalten:

1.
den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers,
2.
die dem leistenden Unternehmer vom Finanzamt erteilte Steuernummer oder die ihm vom Bundeszentralamt für Steuern erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer,
3.
das Ausstellungsdatum,
4.
eine fortlaufende Nummer mit einer oder mehreren Zahlenreihen, die zur Identifizierung der Rechnung vom Rechnungsaussteller einmalig vergeben wird (Rechnungsnummer),
5.
die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung,
6.
den Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung; in den Fällen des Absatzes 5 Satz 1 den Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgelts oder eines Teils des Entgelts, sofern der Zeitpunkt der Vereinnahmung feststeht und nicht mit dem Ausstellungsdatum der Rechnung übereinstimmt,
7.
das nach Steuersätzen und einzelnen Steuerbefreiungen aufgeschlüsselte Entgelt für die Lieferung oder sonstige Leistung (§ 10) sowie jede im Voraus vereinbarte Minderung des Entgelts, sofern sie nicht bereits im Entgelt berücksichtigt ist,
8.
den anzuwendenden Steuersatz sowie den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag oder im Fall einer Steuerbefreiung einen Hinweis darauf, dass für die Lieferung oder sonstige Leistung eine Steuerbefreiung gilt,
9.
in den Fällen des § 14b Abs. 1 Satz 5 einen Hinweis auf die Aufbewahrungspflicht des Leistungsempfängers und
10.
in den Fällen der Ausstellung der Rechnung durch den Leistungsempfänger oder durch einen von ihm beauftragten Dritten gemäß Absatz 2 Satz 2 die Angabe „Gutschrift”.
In den Fällen des § 10 Abs. 5 sind die Nummern 7 und 8 mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Bemessungsgrundlage für die Leistung (§ 10 Abs. 4) und der darauf entfallende Steuerbetrag anzugeben sind. Unternehmer, die § 24 Abs. 1 bis 3 anwenden, sind jedoch auch in diesen Fällen nur zur Angabe des Entgelts und des darauf entfallenden Steuerbetrags berechtigt. Die Berichtigung einer Rechnung um fehlende oder unzutreffende Angaben ist kein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und § 233a Absatz 2a der Abgabenordnung.

(5) Vereinnahmt der Unternehmer das Entgelt oder einen Teil des Entgelts für eine noch nicht ausgeführte Lieferung oder sonstige Leistung, gelten die Absätze 1 bis 4 sinngemäß. Wird eine Endrechnung erteilt, sind in ihr die vor Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung vereinnahmten Teilentgelte und die auf sie entfallenden Steuerbeträge abzusetzen, wenn über die Teilentgelte Rechnungen im Sinne der Absätze 1 bis 4 ausgestellt worden sind.

(6) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens durch Rechtsverordnung bestimmen, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen

1.
Dokumente als Rechnungen anerkannt werden können,
2.
die nach Absatz 4 erforderlichen Angaben in mehreren Dokumenten enthalten sein können,
3.
Rechnungen bestimmte Angaben nach Absatz 4 nicht enthalten müssen,
4.
eine Verpflichtung des Unternehmers zur Ausstellung von Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis (Absatz 4) entfällt oder
5.
Rechnungen berichtigt werden können.

(7) Führt der Unternehmer einen Umsatz im Inland aus, für den der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b schuldet, und hat der Unternehmer im Inland weder seinen Sitz noch seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird oder die an der Erbringung dieses Umsatzes beteiligt ist, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, so gelten abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaats, in dem der Unternehmer seinen Sitz, seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Satz 1 gilt nicht, wenn eine Gutschrift gemäß Absatz 2 Satz 2 vereinbart worden ist. Nimmt der Unternehmer in einem anderen Mitgliedstaat an einem der besonderen Besteuerungsverfahren entsprechend Titel XII Kapitel 6 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1) in der jeweils gültigen Fassung teil, so gelten für die in den besonderen Besteuerungsverfahren zu erklärenden Umsätze abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaates, in dem der Unternehmer seine Teilnahme anzeigt.

(1) Lieferungen eines Unternehmers sind Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht).

(1a) Als Lieferung gegen Entgelt gilt das Verbringen eines Gegenstands des Unternehmens aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Unternehmer zu seiner Verfügung, ausgenommen zu einer nur vorübergehenden Verwendung, auch wenn der Unternehmer den Gegenstand in das Inland eingeführt hat. Der Unternehmer gilt als Lieferer. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in den Fällen des § 6b.

(1b) Einer Lieferung gegen Entgelt werden gleichgestellt

1.
die Entnahme eines Gegenstands durch einen Unternehmer aus seinem Unternehmen für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen;
2.
die unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands durch einen Unternehmer an sein Personal für dessen privaten Bedarf, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen;
3.
jede andere unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands, ausgenommen Geschenke von geringem Wert und Warenmuster für Zwecke des Unternehmens.
Voraussetzung ist, dass der Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben.

(2) (weggefallen)

(3) Beim Kommissionsgeschäft (§ 383 des Handelsgesetzbuchs) liegt zwischen dem Kommittenten und dem Kommissionär eine Lieferung vor. Bei der Verkaufskommission gilt der Kommissionär, bei der Einkaufskommission der Kommittent als Abnehmer.

(3a) Ein Unternehmer, der mittels seiner elektronischen Schnittstelle die Lieferung eines Gegenstands, dessen Beförderung oder Versendung im Gemeinschaftsgebiet beginnt und endet, durch einen nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer an einen Empfänger nach § 3a Absatz 5 Satz 1 unterstützt, wird behandelt, als ob er diesen Gegenstand für sein Unternehmen selbst erhalten und geliefert hätte. Dies gilt auch in den Fällen, in denen der Unternehmer mittels seiner elektronischen Schnittstelle den Fernverkauf von aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 Euro unterstützt. Eine elektronische Schnittstelle im Sinne der Sätze 1 und 2 ist ein elektronischer Marktplatz, eine elektronische Plattform, ein elektronisches Portal oder Ähnliches. Ein Fernverkauf im Sinne des Satzes 2 ist die Lieferung eines Gegenstands, der durch den Lieferer oder für dessen Rechnung aus dem Drittlandsgebiet an einen Erwerber in einem Mitgliedstaat befördert oder versendet wird, einschließlich jener Lieferung, an deren Beförderung oder Versendung der Lieferer indirekt beteiligt ist. Erwerber im Sinne des Satzes 4 ist ein in § 3a Absatz 5 Satz 1 bezeichneter Empfänger oder eine in § 1a Absatz 3 Nummer 1 genannte Person, die weder die maßgebende Erwerbsschwelle überschreitet noch auf ihre Anwendung verzichtet; im Fall der Beendigung der Beförderung oder Versendung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates ist die von diesem Mitgliedstaat festgesetzte Erwerbsschwelle maßgebend. Satz 2 gilt nicht für die Lieferung neuer Fahrzeuge und eines Gegenstandes, der mit oder ohne probeweise Inbetriebnahme durch den Lieferer oder für dessen Rechnung montiert oder installiert geliefert wird.

(4) Hat der Unternehmer die Bearbeitung oder Verarbeitung eines Gegenstands übernommen und verwendet er hierbei Stoffe, die er selbst beschafft, so ist die Leistung als Lieferung anzusehen (Werklieferung), wenn es sich bei den Stoffen nicht nur um Zutaten oder sonstige Nebensachen handelt. Das gilt auch dann, wenn die Gegenstände mit dem Grund und Boden fest verbunden werden.

(5) Hat ein Abnehmer dem Lieferer die Nebenerzeugnisse oder Abfälle, die bei der Bearbeitung oder Verarbeitung des ihm übergebenen Gegenstands entstehen, zurückzugeben, so beschränkt sich die Lieferung auf den Gehalt des Gegenstands an den Bestandteilen, die dem Abnehmer verbleiben. Das gilt auch dann, wenn der Abnehmer an Stelle der bei der Bearbeitung oder Verarbeitung entstehenden Nebenerzeugnisse oder Abfälle Gegenstände gleicher Art zurückgibt, wie sie in seinem Unternehmen regelmäßig anfallen.

(5a) Der Ort der Lieferung richtet sich vorbehaltlich der §§ 3c, 3e und 3g nach den Absätzen 6 bis 8.

(6) Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder vom Abnehmer beauftragten Dritten befördert oder versendet, gilt die Lieferung dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt. Befördern ist jede Fortbewegung eines Gegenstands. Versenden liegt vor, wenn jemand die Beförderung durch einen selbständigen Beauftragten ausführen oder besorgen lässt. Die Versendung beginnt mit der Übergabe des Gegenstands an den Beauftragten.

(6a) Schließen mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Liefergeschäfte ab und gelangt dieser Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer (Reihengeschäft), so ist die Beförderung oder Versendung des Gegenstands nur einer der Lieferungen zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung dabei durch den ersten Unternehmer in der Reihe befördert oder versendet, ist die Beförderung oder Versendung seiner Lieferung zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung durch den letzten Abnehmer befördert oder versendet, ist die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung durch einen Abnehmer befördert oder versendet, der zugleich Lieferer ist (Zwischenhändler), ist die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen, es sei denn, er weist nach, dass er den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat. Gelangt der Gegenstand der Lieferung aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates und verwendet der Zwischenhändler gegenüber dem leistenden Unternehmer bis zum Beginn der Beförderung oder Versendung eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, die ihm vom Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung oder Versendung erteilt wurde, ist die Beförderung oder Versendung seiner Lieferung zuzuordnen. Gelangt der Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet, ist von einem ausreichenden Nachweis nach Satz 4 auszugehen, wenn der Zwischenhändler gegenüber dem leistenden Unternehmer bis zum Beginn der Beförderung oder Versendung eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer oder Steuernummer verwendet, die ihm vom Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung oder Versendung erteilt wurde. Gelangt der Gegenstand der Lieferung vom Drittlandsgebiet in das Gemeinschaftsgebiet, ist von einem ausreichenden Nachweis nach Satz 4 auszugehen, wenn der Gegenstand der Lieferung im Namen des Zwischenhändlers oder im Rahmen der indirekten Stellvertretung (Artikel 18 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union, ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1) für seine Rechnung zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr angemeldet wird.

(6b) Wird ein Unternehmer gemäß Absatz 3a behandelt, als ob er einen Gegenstand selbst erhalten und geliefert hätte, wird die Beförderung oder Versendung des Gegenstands der Lieferung durch diesen Unternehmer zugeschrieben.

(7) Wird der Gegenstand der Lieferung nicht befördert oder versendet, wird die Lieferung dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet. In den Fällen der Absätze 6a und 6b gilt Folgendes:

1.
Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung vorangehen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstands beginnt.
2.
Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung folgen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstands endet.

(8) Gelangt der Gegenstand der Lieferung bei der Beförderung oder Versendung aus dem Drittlandsgebiet in das Inland, gilt der Ort der Lieferung dieses Gegenstands als im Inland gelegen, wenn der Lieferer oder sein Beauftragter Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist.

(8a) (weggefallen)

(9) Sonstige Leistungen sind Leistungen, die keine Lieferungen sind. Sie können auch in einem Unterlassen oder im Dulden einer Handlung oder eines Zustands bestehen.

(9a) Einer sonstigen Leistung gegen Entgelt werden gleichgestellt

1.
die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands, der zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, durch einen Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen; dies gilt nicht, wenn der Vorsteuerabzug nach § 15 Absatz 1b ausgeschlossen oder wenn eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Absatz 6a durchzuführen ist;
2.
die unentgeltliche Erbringung einer anderen sonstigen Leistung durch den Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen.

(10) Überlässt ein Unternehmer einem Auftraggeber, der ihm einen Stoff zur Herstellung eines Gegenstands übergeben hat, an Stelle des herzustellenden Gegenstands einen gleichartigen Gegenstand, wie er ihn in seinem Unternehmen aus solchem Stoff herzustellen pflegt, so gilt die Leistung des Unternehmers als Werkleistung, wenn das Entgelt für die Leistung nach Art eines Werklohns unabhängig vom Unterschied zwischen dem Marktpreis des empfangenen Stoffs und dem des überlassenen Gegenstandes berechnet wird.

(11) Wird ein Unternehmer in die Erbringung einer sonstigen Leistung eingeschaltet und handelt er dabei im eigenen Namen, jedoch für fremde Rechnung, gilt diese Leistung als an ihn und von ihm erbracht.

(11a) Wird ein Unternehmer in die Erbringung einer sonstigen Leistung, die über ein Telekommunikationsnetz, eine Schnittstelle oder ein Portal erbracht wird, eingeschaltet, gilt er im Sinne von Absatz 11 als im eigenen Namen und für fremde Rechnung handelnd. Dies gilt nicht, wenn der Anbieter dieser sonstigen Leistung von dem Unternehmer als Leistungserbringer ausdrücklich benannt wird und dies in den vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien zum Ausdruck kommt. Diese Bedingung ist erfüllt, wenn

1.
in den von jedem an der Erbringung beteiligten Unternehmer ausgestellten oder verfügbar gemachten Rechnungen die sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 und der Erbringer dieser Leistung angegeben sind;
2.
in den dem Leistungsempfänger ausgestellten oder verfügbar gemachten Rechnungen die sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 und der Erbringer dieser Leistung angegeben sind.
Die Sätze 2 und 3 finden keine Anwendung, wenn der Unternehmer hinsichtlich der Erbringung der sonstigen Leistung im Sinne des Satzes 2
1.
die Abrechnung gegenüber dem Leistungsempfänger autorisiert,
2.
die Erbringung der sonstigen Leistung genehmigt oder
3.
die allgemeinen Bedingungen der Leistungserbringung festlegt.
Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht, wenn der Unternehmer lediglich Zahlungen in Bezug auf die erbrachte sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 abwickelt und nicht an der Erbringung dieser sonstigen Leistung beteiligt ist.

(12) Ein Tausch liegt vor, wenn das Entgelt für eine Lieferung in einer Lieferung besteht. Ein tauschähnlicher Umsatz liegt vor, wenn das Entgelt für eine sonstige Leistung in einer Lieferung oder sonstigen Leistung besteht.

(13) Ein Gutschein (Einzweck- oder Mehrzweck-Gutschein) ist ein Instrument, bei dem

1.
die Verpflichtung besteht, es als vollständige oder teilweise Gegenleistung für eine Lieferung oder sonstige Leistung anzunehmen und
2.
der Liefergegenstand oder die sonstige Leistung oder die Identität des leistenden Unternehmers entweder auf dem Instrument selbst oder in damit zusammenhängenden Unterlagen, einschließlich der Bedingungen für die Nutzung dieses Instruments, angegeben sind.
Instrumente, die lediglich zu einem Preisnachlass berechtigen, sind keine Gutscheine im Sinne des Satzes 1.

(14) Ein Gutschein im Sinne des Absatzes 13, bei dem der Ort der Lieferung oder der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, und die für diese Umsätze geschuldete Steuer zum Zeitpunkt der Ausstellung des Gutscheins feststehen, ist ein Einzweck-Gutschein. Überträgt ein Unternehmer einen Einzweck-Gutschein im eigenen Namen, gilt die Übertragung des Gutscheins als die Lieferung des Gegenstands oder die Erbringung der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht. Überträgt ein Unternehmer einen Einzweck-Gutschein im Namen eines anderen Unternehmers, gilt diese Übertragung als Lieferung des Gegenstands oder Erbringung der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, durch den Unternehmer, in dessen Namen die Übertragung des Gutscheins erfolgt. Wird die im Einzweck-Gutschein bezeichnete Leistung von einem anderen Unternehmer erbracht als dem, der den Gutschein im eigenen Namen ausgestellt hat, wird der leistende Unternehmer so behandelt, als habe er die im Gutschein bezeichnete Leistung an den Aussteller erbracht. Die tatsächliche Lieferung oder die tatsächliche Erbringung der sonstigen Leistung, für die ein Einzweck-Gutschein als Gegenleistung angenommen wird, gilt in den Fällen der Sätze 2 bis 4 nicht als unabhängiger Umsatz.

(15) Ein Gutschein im Sinne des Absatzes 13, bei dem es sich nicht um einen Einzweck-Gutschein handelt, ist ein Mehrzweck-Gutschein. Die tatsächliche Lieferung oder die tatsächliche Erbringung der sonstigen Leistung, für die der leistende Unternehmer einen Mehrzweck-Gutschein als vollständige oder teilweise Gegenleistung annimmt, unterliegt der Umsatzsteuer nach § 1 Absatz 1, wohingegen jede vorangegangene Übertragung dieses Mehrzweck-Gutscheins nicht der Umsatzsteuer unterliegt.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Finanzgerichts München vom 26. Januar 2012  14 K 2222/11 aufgehoben.

Die Sache wird an das Finanzgericht München zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) begehrt den Vorsteuerabzug aus dem Erwerb einer Photovoltaikanlage.

2

Sie war im Besteuerungszeitraum 2010 (Streitjahr) selbständig im Bereich Partyservice, Organisation und Dekoration von Festen tätig.

3

Am 8. November 2010 bestellte die Klägerin bei der … GmbH & Co. KG (G) eine Photovoltaikanlage --bestehend aus Modulen, Wechselrichter, Unterkonstruktion und erforderlichem Systemzubehör-- zum Preis von 50.000 € (netto). Die G hatte die Anlage zuvor in Bauteilen von der … AG mit Sitz in … (C) erworben. Nach Nr. 1.4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von G war dieser bekannt, dass die Klägerin die Photovoltaikanlage an die C zu verpachten beabsichtigte. Außerdem wies die Klägerin die G an, die Anlage direkt an die C zu übergeben (Nr. 2.2 der AGB).

4

Ebenfalls am 8. November 2010 bot die Klägerin der C den Abschluss eines Pachtvertrags an, der durch Annahme seitens der C am 20. Dezember 2010 zu Stande kam. Als Gegenstand des Pachtvertrags wurde dabei nicht die Überlassung der Photovoltaikanlage in betriebsbereitem Zustand, sondern die Überlassung der Einzelteile vereinbart. Die C schuldete --beginnend ab Januar 2011-- für die Dauer von 215 Monaten einen monatlichen Pachtzins in Höhe von jeweils 541,67 € (netto). Zudem war sie, die C, verpflichtet, die Anlage an einem geeigneten Standort in Deutschland, insbesondere auf einem Dach oder in einem Solarpark, zu errichten und während der gesamten Dauer des Pachtverhältnisses die Funktionsfähigkeit der Photovoltaikanlage zu gewährleisten, wozu insbesondere die Wartung, Reparatur und ggf. Erneuerung der Anlage zählten. Die C war auch befugt, den Aufstellungsort der Anlage zu wechseln. Die Klägerin musste die Photovoltaikanlage nach Ablauf der vereinbarten Pachtdauer der C oder einem von dieser benannten Dritten zu einem Kaufpreis von 10.833,40 € (netto) anbieten.

5

Bis zur Installation lagerten die von der G an die Klägerin verkauften Teile in einer von der C angemieteten Lagerhalle. Die Photovoltaikanlage wurde im Dezember 2010 von C auf einem Gebäude in … installiert, aber bis Januar 2012 nicht zur Stromerzeugung genutzt.

6

Am 20. Dezember 2010 reichte die Klägerin beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) eine Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 2010 ein, in der sie Vorsteuern in Höhe von 9.500 € im Zusammenhang mit dem Erwerb der Photovoltaikanlage geltend machte. Da die Klägerin zwar zwei Rechnungen der G vorlegte, nicht jedoch die vom FA angeforderten Nachweise über die Lieferung, insbesondere das Lieferdatum und den Standort, sowie zur Existenz bzw. Funktionstüchtigkeit der Photovoltaikanlage, lehnte das FA den Vorsteuerabzug mit Bescheid vom 3. Mai 2011 mit der Begründung ab, dass bezüglich der Verpachtung der Photovoltaikanlage keine selbständige unternehmerische Tätigkeit i.S. von § 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) der Klägerin vorliege.

7

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, es sei keine Lieferung an die Klägerin erfolgt. Selbst wenn man --trotz vorhandener Zweifel-- davon ausgehe, dass die G die Verfügungsmacht über die Photovoltaikanlage gehabt habe, sei der Klägerin selbst jedenfalls keine Verfügungsmacht an dieser Anlage eingeräumt worden. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1702 veröffentlicht.

8

Das FA schätzte mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehendem Bescheid vom 11. Dezember 2012 die Besteuerungsgrundlagen für das Streitjahr 2010 und setzte die Umsatzsteuer ohne Berücksichtigung des von der Klägerin begehrten Vorsteuerabzugs auf 0 € fest. Mit Bescheid vom 28. Oktober 2013 hob es den Vorbehalt der Nachprüfung auf.

9

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts (§ 3 Abs. 1, § 15 Abs. 1 UStG).

10

Die G habe die Photovoltaikanlage an sie geliefert. Sie, die Klägerin, habe sowohl das zivilrechtliche Eigentum als auch das wirtschaftliche Eigentum an der tatsächlich existenten Photovoltaikanlage erlangt. Ihrem Herausgabeanspruch komme auch wirtschaftliche Bedeutung zu, denn entweder werde ihr Eigentum über den Kaufpreis angemessen vergütet oder sie erhalte die Photovoltaikanlage zur freien Verfügung, falls die C das ihr zustehende Andienungsrecht nicht ausübe. Sie sei in ihrer Verfügungsbefugnis nur aufgrund des von ihr freiwillig abgeschlossenen Pachtvertrags beschränkt.

11

Soweit das FG darauf abstelle, eine Lieferung setze voraus, dass sie, die Klägerin, in die Lage versetzt werden müsse, unmittelbar auf die Anlage zuzugreifen, führe dies dazu, dass es in vielen Fällen keine Reihengeschäfte mehr gebe. Bei Reihengeschäften sei es häufig so, dass die physische Lieferung erst erfolge, nachdem die Ware weiterverkauft oder "verleast" sei. Die Auffassung des FG führe dazu, dass in diesen Fällen keine Lieferung vorliege. Im Gegensatz dazu ergebe sich insbesondere aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zu Reihengeschäften, dass ein unmittelbarer Zugriff auf den Gegenstand der Lieferung nicht erforderlich sei.

12

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des FG aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid vom 28. Oktober 2013 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer 2010 auf einen "Negativbetrag" von 9.500 € festgesetzt wird.

13

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

14

Das FA verweist auf die aus seiner Sicht zutreffenden Gründe des FG-Urteils. Trotz Eigentumsübertragung im zivilrechtlichen Sinne fehle es an der Verschaffung der Verfügungsmacht, wenn die Herrschaftsmacht an der Sache nicht mit dem Willen übertragen werde, die Sachsubstanz als solche endgültig dem Abnehmer zuzuwenden. Die zeitliche und sachliche Verknüpfung zwischen Kaufvertrag und Pachtvertrag lasse darauf schließen, dass die Verschaffung der Verfügungsmacht an die Klägerin nicht ernsthaft gewollt gewesen sei. Die Anlagekomponenten hätten den tatsächlichen Herrschaftsbereich der Pächterin (C) nie verlassen. Einziger Zweck der zivilrechtlichen Eigentumsübertragung sei es gewesen, der Klägerin eine Sicherheit für ihre Pachtansprüche einzuräumen.

Entscheidungsgründe

15

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

16

Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass eine Lieferung im umsatzsteuerrechtlichen Sinne eine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit des Erwerbers auf den Liefergegenstand voraussetzt. Die tatsächlichen Feststellungen tragen nicht die vom FG vorgenommene Würdigung, der wirtschaftliche Gehalt der Vereinbarungen in Kauf- und Pachtvertrag habe in der Finanzierung des Erwerbs der Photovoltaikanlage und in der Sicherung der Klägerin durch die Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums bestanden.

17

1. Die Vorentscheidung ist aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, weil ihr ein nicht mehr wirksamer Verwaltungsakt zugrunde liegt.

18

Der während des Revisionsverfahrens ergangene Bescheid über die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung vom 28. Oktober 2013, der einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht (§ 164 Abs. 3 Satz 2 der Abgabenordnung --AO--), ist zum Gegenstand des Verfahrens geworden, denn er ersetzt nach § 121 Satz 1 i.V.m. § 68 Satz 1 FGO den zuvor ergangenen Umsatzsteuer-Jahresbescheid für 2010 vom 11. Dezember 2012, der seinerseits an die Stelle des angefochtenen Vorauszahlungsbescheides für Dezember 2010 vom 3. Mai 2011 getreten ist und über den das FG entschieden hat (vgl. dazu z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 3. November 2005 V R 63/02, BFHE 212, 161, BStBl II 2006, 337, unter II.1., Rz 17; vom 5. Juni 2014 XI R 25/12, BFHE 245, 465, BFH/NV 2014, 1692, Rz 27). Damit liegt dem FG-Urteil ein in seiner Wirkung suspendierter Bescheid zugrunde mit der Folge, dass auch das FG-Urteil insoweit keinen Bestand haben kann (vgl. dazu z.B. BFH-Urteil vom 1. Oktober 2014 XI R 13/14, BFHE 248, 367, BFH/NV 2015, 451, Rz 15, m.w.N.).

19

2. Lieferungen sind nach § 3 Abs. 1 UStG Leistungen, durch die ein Unternehmer oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Diese Bestimmung setzt Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (vormals Art. 5 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern) in nationales Recht um.

20

a) Der unionsrechtliche Begriff "Lieferung von Gegenständen" bezieht sich nicht auf die Eigentumsübertragung in den durch das anwendbare nationale Recht vorgesehenen Formen. Er umfasst vielmehr jede Übertragung eines körperlichen Gegenstands durch eine Partei, die die andere Partei ermächtigt, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer (ständige Rechtsprechung des EuGH, vgl. z.B. EuGH-Urteile Shipping and Forwarding Enterprise Safe vom 8. Februar 1990 C-320/88, EU:C:1990:61, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 1991, 289, Rz 7 f.; Auto Lease Holland vom 6. Februar 2003 C-185/01, EU:C:2003:73, UR 2003, 137, Rz 32; Eon Aset Menidjmunt vom 16. Februar 2012 C-118/11, EU:C:2012:97, UR 2012, 230, Rz 39; NLB Leasing vom 2. Juli 2015 C-209/14, EU:C:2015:440, Mehrwertsteuerrecht --MwStR-- 2015, 636, Rz 29, m.w.N.). Der BFH umschreibt diesen Vorgang seit jeher und ebenfalls in ständiger Rechtsprechung als Übertragung von Substanz, Wert und Ertrag, ohne damit inhaltlich von der Rechtsprechung des EuGH abzuweichen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 25. Februar 2015 XI R 15/14, BFHE 249, 343, BFH/NV 2015, 772, Rz 66, m.w.N.).

21

b) Eine Übertragung der Befugnis, wie ein Eigentümer über einen Gegenstand zu verfügen, kann z.B. dann vorliegen, wenn der dem zivilrechtlichen Eigentümer zustehende Herausgabeanspruch wertlos ist oder der Eigentümer den wirtschaftlichen Gehalt des Gegenstands dem Abnehmer auf sonstige Weise zuwendet. Dem Herausgabeanspruch des Eigentümers kommt dabei z.B. dann keine wirtschaftliche Bedeutung mehr zu, wenn der Nutzungsberechtigte nach dem Nutzungsvertrag verlangen kann, dass ihm das zur Nutzung überlassene Wirtschaftsgut unentgeltlich oder zu einem geringen Entgelt übertragen wird (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 16. April 2008 XI R 56/06, BFHE 221, 475, BStBl II 2008, 909, unter II.2.a, Rz 26, m.w.N.; vom 24. Oktober 2013 V R 17/13, BFHE 243, 456, BStBl II 2015, 513, Rz 24).

22

c) Ob die Verfügungsmacht in diesem Sinne übertragen wird, richtet sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse des Einzelfalls, d.h. den konkreten vertraglichen Vereinbarungen und deren tatsächlicher Durchführung unter Berücksichtigung der Interessenlage der Beteiligten (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 9. Februar 2006 V R 22/03, BFHE 213, 83, BStBl II 2006, 727, unter II.1.b aa, Rz 20; in BFHE 221, 475, BStBl II 2008, 909, unter II.2.a, Rz 27). Dies ist vom nationalen Gericht festzustellen (vgl. z.B. EuGH-Urteile Shipping and Forwarding Enterprise Safe, EU:C:1990:61, UR 1991, 289, Rz 13; Centralan Property vom 15. Dezember 2005 C-63/04, EU:C:2005:773, UR 2006, 418, Rz 63; Evita-K vom 18. Juli 2013 C-78/12, EU:C:2013:486, UR 2014, 475, Rz 34).

23

3. Entgegen der Rechtsansicht des FG ergibt sich aus diesen Grundsätzen nicht, dass eine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit notwendige Voraussetzung für das Vorliegen einer Lieferung ist.

24

a) Bereits der Gesetzeswortlaut von § 3 Abs. 1 UStG sieht vor, das der liefernde Unternehmer "den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen". Diese Bestimmung sieht damit vor, dass eine Lieferung durch eine direkte Auslieferung an einen Dritten (z.B. Zweiterwerber) bewirkt werden kann (vgl. Martin in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 3 UStG Rz 158). In diesem Fall hat der Abnehmer selbst keine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit auf den Liefergegenstand. Aus der Aussage, dass es für eine umsatzsteuerrechtliche Verfügung "genügt", tatsächlich auf den Liefergegenstand einzuwirken (vgl. Nieskens in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 3 Rz 653), ergibt sich --entgegen der Auffassung des FG-- nicht, dass ein "tatsächliches Einwirken auf den Gegenstand" notwendige Voraussetzung für eine Lieferung wäre.

25

b) Dass eine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit des Erwerbers bestehen müsste, ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung von EuGH oder BFH.

26

Im Gegenteil geht der EuGH z.B. im Urteil VSTR vom 27. September 2012 C-587/10 (EU:C:2012:592, UR 2012, 832) zur Zuordnung der steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung davon aus, dass es Vorgänge gibt, bei denen in Bezug auf denselben Liefergegenstand zwei aufeinanderfolgende Lieferungen, aber nur eine innergemeinschaftliche Beförderung durchgeführt wurden (Rz 31, sog. Reihengeschäft). Gelangt der Liefergegenstand bei einem Reihengeschäft unmittelbar vom ersten Lieferer an den letzten Abnehmer und holt der letzte Abnehmer die Ware beim ersten Lieferer ab, so erlangt der erste Abnehmer grundsätzlich zu keinem Zeitpunkt eine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit auf den Liefergegenstand, obwohl zwei Lieferungen vorliegen (vgl. zu einem solchen Sachverhalt z.B. BFH-Urteil vom 25. Februar 2015 XI R 30/13, BFHE 249, 336, BFH/NV 2015, 769).

27

Eine Lieferung kann auch dadurch bewirkt werden, dass der Liefergegenstand in Vollzug einer auf Eigentumsübertragung gerichteten Vereinbarung durch Einräumung mittelbaren Besitzes übergeben wird (vgl. BFH-Urteil vom 8. September 2011 V R 43/10, BFHE 235, 501, BStBl II 2014, 203, Rz 18). Auch in diesem Fall hat der Erwerber keine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit auf den gelieferten Gegenstand.

28

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem EuGH-Urteil Fast Bunkering Klaipèda vom 3. September 2015 C-526/13 (EU:C:2015:536, UR 2015, 785).

29

4. Die Sache ist nicht spruchreif. Die vom FG bislang getroffenen Feststellungen tragen dessen Würdigung nicht, dass der wirtschaftliche Gehalt der getroffenen Vereinbarungen in Kauf- und Pachtvertrag in der Finanzierung des Erwerbs der Photovoltaikanlage und darüber hinaus in der Sicherung der Klägerin durch das zivilrechtliche Eigentum an dieser Anlage bestand.

30

a) Um die Leistung der Klägerin als reine Finanzierungsleistung mit Sicherung durch das zivilrechtliche Eigentum anzusehen, hätte das FG feststellen müssen, ob die C ihre Verfügungsmacht über die Photovoltaikanlage --trotz der zwischenzeitlichen Veräußerung nacheinander an die G und die Klägerin sowie die anschließende (Rück-)Verpachtung an die C-- zu keinem Zeitpunkt verloren hat. Dies hat das FG jedoch (ausdrücklich) offengelassen.

31

b) Sofern die G die Verfügungsmacht über die Photovoltaikanlage erlangt hat, so ist die vom FG vorgenommene umsatzsteuerrechtliche Würdigung der Leistung der Klägerin als Finanzierungsleistung mit Sicherung durch das zivilrechtliche Eigentum nur möglich, wenn --was das FG nicht (positiv) festgestellt hat-- die G entgegen der vertraglichen Vereinbarungen die Verfügungsmacht wieder an die C (zurück) übertragen hat.

32

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ergibt sich regelmäßig aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen, wer bei einem Umsatz als Leistender bzw. als Leistungsempfänger anzusehen ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 24. April 2013 XI R 7/11, BFHE 241, 459, BStBl II 2013, 648, Rz 22, m.w.N.). Dem entspricht die Rechtsprechung des EuGH, wonach die einschlägigen Vertragsbedingungen bei der Feststellung der Leistungsbeziehungen zu berücksichtigen sind, da die vertragliche Situation normalerweise die wirtschaftliche und geschäftliche Realität der Transaktionen widerspiegelt (EuGH-Urteil Newey vom 20. Juni 2013 C-653/11, EU:C:2013:409, MwStR 2013, 373, Rz 43).

33

bb) Eine von den "vertraglichen Vereinbarungen" abweichende Bestimmung des Leistenden kommt lediglich bei Vorliegen besonderer Umstände in Betracht (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 30. März 2006 V R 9/03, BFHE 213, 144, BStBl II 2006, 933, unter II.2.a, Rz 16). Der EuGH hat hierzu entschieden, dass sich herausstellen kann, "dass einige Vertragsbestimmungen gelegentlich die wirtschaftliche und geschäftliche Realität der Transaktionen nicht vollständig widerspiegeln", was insbesondere der Fall sein kann, wenn die betreffenden Vertragsbestimmungen eine missbräuchliche Gestaltung darstellen (EuGH-Urteil Newey, EU:C:2013:409, MwStR 2013, 373, Rz 44 f.).

34

Wann eine missbräuchliche Gestaltung vorliegt, regelt im nationalen Recht § 42 AO. Diese Bestimmung ist im Umsatzsteuerrecht anwendbar. Unionsrechtlich sind nach dem Grundsatz des Verbots des Rechtsmissbrauchs rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Gestaltungen, die allein zu dem Zweck erfolgen, einen Steuervorteil zu erlangen, verboten. Davon kann ausgegangen werden, wenn zum einen die fraglichen Umsätze trotz formaler Anwendung der Voraussetzungen der einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts und des zu ihrer Umsetzung ergangenen nationalen Rechts zur Erlangung eines Steuervorteils führen, dessen Gewährung dem mit diesen Bestimmungen verfolgten Ziel zuwiderliefe, und zum anderen aufgrund einer Reihe objektiver Anhaltspunkte ersichtlich ist, dass mit den fraglichen Umsätzen im Wesentlichen ein Steuervorteil bezweckt wird (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 11. April 2013 V R 28/12, BFH/NV 2013, 1638, Rz 28; vom 16. Juni 2015 XI R 17/13, BFHE 250, 470, BFH/NV 2015, 1655, Rz 36, m.w.N. aus der Rechtsprechung des EuGH).

35

Liegt eine solche missbräuchliche Praxis vor, so sind die Vertragsbestimmungen in der Weise neu zu definieren, dass auf die Lage abgestellt wird, die ohne die diese missbräuchliche Praxis darstellenden Transaktionen bestanden hätte (EuGH-Urteil Newey, EU:C:2013:409, MwStR 2013, 373, Rz 50, m.w.N.).

36

cc) Das FG hat, ausgehend von seiner Rechtauffassung, hierzu bislang keine Feststellungen getroffen. Es wird diese im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben.

37

c) Das FG wird auch zu prüfen haben, ob die Leistung der Klägerin ein sog. Finanzierungsleasing darstellt (vgl. EuGH-Urteile NLB Leasing, EU:C:2015:440, MwStR 2015, 636, Rz 28, 30; Eon Aset Menidjmunt, EU:C:2012:97, UR 2012, 230, Rz 40).

38

5. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

(1) Lieferungen eines Unternehmers sind Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht).

(1a) Als Lieferung gegen Entgelt gilt das Verbringen eines Gegenstands des Unternehmens aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Unternehmer zu seiner Verfügung, ausgenommen zu einer nur vorübergehenden Verwendung, auch wenn der Unternehmer den Gegenstand in das Inland eingeführt hat. Der Unternehmer gilt als Lieferer. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in den Fällen des § 6b.

(1b) Einer Lieferung gegen Entgelt werden gleichgestellt

1.
die Entnahme eines Gegenstands durch einen Unternehmer aus seinem Unternehmen für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen;
2.
die unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands durch einen Unternehmer an sein Personal für dessen privaten Bedarf, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen;
3.
jede andere unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands, ausgenommen Geschenke von geringem Wert und Warenmuster für Zwecke des Unternehmens.
Voraussetzung ist, dass der Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben.

(2) (weggefallen)

(3) Beim Kommissionsgeschäft (§ 383 des Handelsgesetzbuchs) liegt zwischen dem Kommittenten und dem Kommissionär eine Lieferung vor. Bei der Verkaufskommission gilt der Kommissionär, bei der Einkaufskommission der Kommittent als Abnehmer.

(3a) Ein Unternehmer, der mittels seiner elektronischen Schnittstelle die Lieferung eines Gegenstands, dessen Beförderung oder Versendung im Gemeinschaftsgebiet beginnt und endet, durch einen nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer an einen Empfänger nach § 3a Absatz 5 Satz 1 unterstützt, wird behandelt, als ob er diesen Gegenstand für sein Unternehmen selbst erhalten und geliefert hätte. Dies gilt auch in den Fällen, in denen der Unternehmer mittels seiner elektronischen Schnittstelle den Fernverkauf von aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 Euro unterstützt. Eine elektronische Schnittstelle im Sinne der Sätze 1 und 2 ist ein elektronischer Marktplatz, eine elektronische Plattform, ein elektronisches Portal oder Ähnliches. Ein Fernverkauf im Sinne des Satzes 2 ist die Lieferung eines Gegenstands, der durch den Lieferer oder für dessen Rechnung aus dem Drittlandsgebiet an einen Erwerber in einem Mitgliedstaat befördert oder versendet wird, einschließlich jener Lieferung, an deren Beförderung oder Versendung der Lieferer indirekt beteiligt ist. Erwerber im Sinne des Satzes 4 ist ein in § 3a Absatz 5 Satz 1 bezeichneter Empfänger oder eine in § 1a Absatz 3 Nummer 1 genannte Person, die weder die maßgebende Erwerbsschwelle überschreitet noch auf ihre Anwendung verzichtet; im Fall der Beendigung der Beförderung oder Versendung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates ist die von diesem Mitgliedstaat festgesetzte Erwerbsschwelle maßgebend. Satz 2 gilt nicht für die Lieferung neuer Fahrzeuge und eines Gegenstandes, der mit oder ohne probeweise Inbetriebnahme durch den Lieferer oder für dessen Rechnung montiert oder installiert geliefert wird.

(4) Hat der Unternehmer die Bearbeitung oder Verarbeitung eines Gegenstands übernommen und verwendet er hierbei Stoffe, die er selbst beschafft, so ist die Leistung als Lieferung anzusehen (Werklieferung), wenn es sich bei den Stoffen nicht nur um Zutaten oder sonstige Nebensachen handelt. Das gilt auch dann, wenn die Gegenstände mit dem Grund und Boden fest verbunden werden.

(5) Hat ein Abnehmer dem Lieferer die Nebenerzeugnisse oder Abfälle, die bei der Bearbeitung oder Verarbeitung des ihm übergebenen Gegenstands entstehen, zurückzugeben, so beschränkt sich die Lieferung auf den Gehalt des Gegenstands an den Bestandteilen, die dem Abnehmer verbleiben. Das gilt auch dann, wenn der Abnehmer an Stelle der bei der Bearbeitung oder Verarbeitung entstehenden Nebenerzeugnisse oder Abfälle Gegenstände gleicher Art zurückgibt, wie sie in seinem Unternehmen regelmäßig anfallen.

(5a) Der Ort der Lieferung richtet sich vorbehaltlich der §§ 3c, 3e und 3g nach den Absätzen 6 bis 8.

(6) Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder vom Abnehmer beauftragten Dritten befördert oder versendet, gilt die Lieferung dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt. Befördern ist jede Fortbewegung eines Gegenstands. Versenden liegt vor, wenn jemand die Beförderung durch einen selbständigen Beauftragten ausführen oder besorgen lässt. Die Versendung beginnt mit der Übergabe des Gegenstands an den Beauftragten.

(6a) Schließen mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Liefergeschäfte ab und gelangt dieser Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer (Reihengeschäft), so ist die Beförderung oder Versendung des Gegenstands nur einer der Lieferungen zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung dabei durch den ersten Unternehmer in der Reihe befördert oder versendet, ist die Beförderung oder Versendung seiner Lieferung zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung durch den letzten Abnehmer befördert oder versendet, ist die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung durch einen Abnehmer befördert oder versendet, der zugleich Lieferer ist (Zwischenhändler), ist die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen, es sei denn, er weist nach, dass er den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat. Gelangt der Gegenstand der Lieferung aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates und verwendet der Zwischenhändler gegenüber dem leistenden Unternehmer bis zum Beginn der Beförderung oder Versendung eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, die ihm vom Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung oder Versendung erteilt wurde, ist die Beförderung oder Versendung seiner Lieferung zuzuordnen. Gelangt der Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet, ist von einem ausreichenden Nachweis nach Satz 4 auszugehen, wenn der Zwischenhändler gegenüber dem leistenden Unternehmer bis zum Beginn der Beförderung oder Versendung eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer oder Steuernummer verwendet, die ihm vom Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung oder Versendung erteilt wurde. Gelangt der Gegenstand der Lieferung vom Drittlandsgebiet in das Gemeinschaftsgebiet, ist von einem ausreichenden Nachweis nach Satz 4 auszugehen, wenn der Gegenstand der Lieferung im Namen des Zwischenhändlers oder im Rahmen der indirekten Stellvertretung (Artikel 18 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union, ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1) für seine Rechnung zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr angemeldet wird.

(6b) Wird ein Unternehmer gemäß Absatz 3a behandelt, als ob er einen Gegenstand selbst erhalten und geliefert hätte, wird die Beförderung oder Versendung des Gegenstands der Lieferung durch diesen Unternehmer zugeschrieben.

(7) Wird der Gegenstand der Lieferung nicht befördert oder versendet, wird die Lieferung dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet. In den Fällen der Absätze 6a und 6b gilt Folgendes:

1.
Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung vorangehen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstands beginnt.
2.
Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung folgen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstands endet.

(8) Gelangt der Gegenstand der Lieferung bei der Beförderung oder Versendung aus dem Drittlandsgebiet in das Inland, gilt der Ort der Lieferung dieses Gegenstands als im Inland gelegen, wenn der Lieferer oder sein Beauftragter Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist.

(8a) (weggefallen)

(9) Sonstige Leistungen sind Leistungen, die keine Lieferungen sind. Sie können auch in einem Unterlassen oder im Dulden einer Handlung oder eines Zustands bestehen.

(9a) Einer sonstigen Leistung gegen Entgelt werden gleichgestellt

1.
die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands, der zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, durch einen Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen; dies gilt nicht, wenn der Vorsteuerabzug nach § 15 Absatz 1b ausgeschlossen oder wenn eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Absatz 6a durchzuführen ist;
2.
die unentgeltliche Erbringung einer anderen sonstigen Leistung durch den Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen.

(10) Überlässt ein Unternehmer einem Auftraggeber, der ihm einen Stoff zur Herstellung eines Gegenstands übergeben hat, an Stelle des herzustellenden Gegenstands einen gleichartigen Gegenstand, wie er ihn in seinem Unternehmen aus solchem Stoff herzustellen pflegt, so gilt die Leistung des Unternehmers als Werkleistung, wenn das Entgelt für die Leistung nach Art eines Werklohns unabhängig vom Unterschied zwischen dem Marktpreis des empfangenen Stoffs und dem des überlassenen Gegenstandes berechnet wird.

(11) Wird ein Unternehmer in die Erbringung einer sonstigen Leistung eingeschaltet und handelt er dabei im eigenen Namen, jedoch für fremde Rechnung, gilt diese Leistung als an ihn und von ihm erbracht.

(11a) Wird ein Unternehmer in die Erbringung einer sonstigen Leistung, die über ein Telekommunikationsnetz, eine Schnittstelle oder ein Portal erbracht wird, eingeschaltet, gilt er im Sinne von Absatz 11 als im eigenen Namen und für fremde Rechnung handelnd. Dies gilt nicht, wenn der Anbieter dieser sonstigen Leistung von dem Unternehmer als Leistungserbringer ausdrücklich benannt wird und dies in den vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien zum Ausdruck kommt. Diese Bedingung ist erfüllt, wenn

1.
in den von jedem an der Erbringung beteiligten Unternehmer ausgestellten oder verfügbar gemachten Rechnungen die sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 und der Erbringer dieser Leistung angegeben sind;
2.
in den dem Leistungsempfänger ausgestellten oder verfügbar gemachten Rechnungen die sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 und der Erbringer dieser Leistung angegeben sind.
Die Sätze 2 und 3 finden keine Anwendung, wenn der Unternehmer hinsichtlich der Erbringung der sonstigen Leistung im Sinne des Satzes 2
1.
die Abrechnung gegenüber dem Leistungsempfänger autorisiert,
2.
die Erbringung der sonstigen Leistung genehmigt oder
3.
die allgemeinen Bedingungen der Leistungserbringung festlegt.
Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht, wenn der Unternehmer lediglich Zahlungen in Bezug auf die erbrachte sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 abwickelt und nicht an der Erbringung dieser sonstigen Leistung beteiligt ist.

(12) Ein Tausch liegt vor, wenn das Entgelt für eine Lieferung in einer Lieferung besteht. Ein tauschähnlicher Umsatz liegt vor, wenn das Entgelt für eine sonstige Leistung in einer Lieferung oder sonstigen Leistung besteht.

(13) Ein Gutschein (Einzweck- oder Mehrzweck-Gutschein) ist ein Instrument, bei dem

1.
die Verpflichtung besteht, es als vollständige oder teilweise Gegenleistung für eine Lieferung oder sonstige Leistung anzunehmen und
2.
der Liefergegenstand oder die sonstige Leistung oder die Identität des leistenden Unternehmers entweder auf dem Instrument selbst oder in damit zusammenhängenden Unterlagen, einschließlich der Bedingungen für die Nutzung dieses Instruments, angegeben sind.
Instrumente, die lediglich zu einem Preisnachlass berechtigen, sind keine Gutscheine im Sinne des Satzes 1.

(14) Ein Gutschein im Sinne des Absatzes 13, bei dem der Ort der Lieferung oder der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, und die für diese Umsätze geschuldete Steuer zum Zeitpunkt der Ausstellung des Gutscheins feststehen, ist ein Einzweck-Gutschein. Überträgt ein Unternehmer einen Einzweck-Gutschein im eigenen Namen, gilt die Übertragung des Gutscheins als die Lieferung des Gegenstands oder die Erbringung der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht. Überträgt ein Unternehmer einen Einzweck-Gutschein im Namen eines anderen Unternehmers, gilt diese Übertragung als Lieferung des Gegenstands oder Erbringung der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, durch den Unternehmer, in dessen Namen die Übertragung des Gutscheins erfolgt. Wird die im Einzweck-Gutschein bezeichnete Leistung von einem anderen Unternehmer erbracht als dem, der den Gutschein im eigenen Namen ausgestellt hat, wird der leistende Unternehmer so behandelt, als habe er die im Gutschein bezeichnete Leistung an den Aussteller erbracht. Die tatsächliche Lieferung oder die tatsächliche Erbringung der sonstigen Leistung, für die ein Einzweck-Gutschein als Gegenleistung angenommen wird, gilt in den Fällen der Sätze 2 bis 4 nicht als unabhängiger Umsatz.

(15) Ein Gutschein im Sinne des Absatzes 13, bei dem es sich nicht um einen Einzweck-Gutschein handelt, ist ein Mehrzweck-Gutschein. Die tatsächliche Lieferung oder die tatsächliche Erbringung der sonstigen Leistung, für die der leistende Unternehmer einen Mehrzweck-Gutschein als vollständige oder teilweise Gegenleistung annimmt, unterliegt der Umsatzsteuer nach § 1 Absatz 1, wohingegen jede vorangegangene Übertragung dieses Mehrzweck-Gutscheins nicht der Umsatzsteuer unterliegt.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Aktiengesellschaft, bezog in den Streitjahren 1999 und 2000 Lieferungen von der BA-GmbH und der P-GmbH. Sie führte innergemeinschaftliche Lieferungen nach Italien und Österreich an die Firmen EE, FD und BB-GmbH aus. Das Landgericht (LG) verurteilte L.F., den Geschäftsführer der Abnehmerfirmen, mit Urteil vom 9. August 2001 wegen Steuerhinterziehung zu einer Haftstrafe von drei Jahren und vier Monaten, da er die Firmen BA-GmbH, P-GmbH, EE, FD und BB-GmbH als Strohmannfirmen ausschließlich zum Zweck der Umsatzsteuerhinterziehung gegründet habe. Die Geschäftsführung dieser Gesellschaften habe in seiner Hand gelegen. Die Klägerin habe die von der P-GmbH erworbenen Handys absprachegemäß unmittelbar an EE, FD und BB-GmbH weiterveräußert, von wo aus sie wieder in ein "Umsatzsteuer-Karussell" eingeschleust worden seien.

2

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) schloss sich den Feststellungen der Steuerfahndungsstelle an und erließ am 10. November 2005 für 1999 und 2000 unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung geänderte Umsatzsteuerbescheide. Mit Einspruchsentscheidung vom 23. Mai 2007 setzte das FA die Umsatzsteuer 1999 auf 420.370 DM und die Umsatzsteuer 2000 auf 1.281.253 DM fest. Im Übrigen wies es die Einsprüche als unbegründet zurück. Die Klage hatte keinen Erfolg.

3

Das Finanzgericht (FG) stützte die Klageabweisung darauf, dass der Klägerin aufgrund der ihrem Vorstandsmitglied bekannten Einbindung in ein "Umsatzsteuer-Karussell" der Vorsteuerabzug zu versagen sei. Aus diesem Grund seien auch ihre innergemeinschaftlichen Lieferungen nicht steuerfrei.

4

Nach Klageerhebung erging am 6. August 2007 ein geänderter Umsatzsteuerbescheid 2000, der gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Verfahrens wurde.

5

Das Urteil des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2010, 1740 veröffentlicht.

6

Mit ihrer Revision macht die Klägerin Verletzung materiellen Rechts geltend. Sie sei nicht in ein "doloses Umsatzsteuer-Karussell" eingebunden gewesen. Das FG habe sich Feststellungen aus dem Strafverfahren gegen eine für sie fremde Person nicht zu eigen machen dürfen, da sie an diesem Verfahren nicht beteiligt gewesen sei und daher dort keine Einwendungen habe geltend machen können. Im Übrigen stehe die Einbindung in ein Umsatzsteuer-Karussell der Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung nicht entgegen. Das Strafurteil sei nur gegen L.F. als Geschäftsführer der Abnehmerfirmen ergangen. Das FG habe Zeugenaussagen gewürdigt, ohne Zeugen in der mündlichen Verhandlung zu vernehmen und dadurch gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme verstoßen.

7

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und unter Änderung der Bescheide 1999 und 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Mai 2007 und des Änderungsbescheides vom 6. August 2007 die Umsatzsteuer 1999 auf 374.955 DM (anstatt 420.370 DM) und die Umsatzsteuer 2000 auf 639.969 DM (anstatt 1.194.163 DM) herabzusetzen.

8

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

9

Die innergemeinschaftlichen Lieferungen seien aufgrund der unzutreffenden Empfängerbezeichnung steuerpflichtig. Die Klägerin habe auch keine substantiierten Einwendungen gegen die Feststellungen im Strafverfahren erhoben.

Entscheidungsgründe

10

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Das FG hat zu Unrecht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferungen und den Vorsteuerabzug im Hinblick auf ihre bloße Einbindung in ein Umsatzsteuer-Karussell verneint.

11

1. Innergemeinschaftliche Lieferungen sind gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) unter den Voraussetzungen des § 6a UStG steuerfrei. Die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung setzt gemäß § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG voraus, dass der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet.

12

Darüber hinaus bestehen bei Lieferungen an Unternehmer oder juristische Personen weitere, in der Person des Erwerbers zu erfüllende Voraussetzungen. Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b, Nr. 3 UStG muss es sich beim Abnehmer entweder um einen Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat, oder um eine juristische Person handeln, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat; der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung muss in allen Fällen beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegen.

13

Die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung beruht auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Danach "befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Mißbrauch festlegen: a) die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

14

2. Aufgrund der personenbezogenen Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b, Nr. 3 UStG setzt die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung voraus, dass der Unternehmer nachweist, wer Abnehmer seiner Lieferung ist.

15

a) Der Person des Abnehmers und seiner Identität kommt für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung entscheidende Bedeutung zu, da innergemeinschaftliche Lieferung und innergemeinschaftlicher Erwerb "ein und derselbe wirtschaftliche Vorgang" (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 27. September 2007 C-409/04, Teleos, Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 23 f.) und dabei Teil eines "innergemeinschaftlichen Umsatzes" sind (EuGH-Urteil Teleos in Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 37 und 41), der bezweckt, die "Steuereinnahmen auf den Mitgliedstaat zu verlagern, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt" (EuGH-Urteile Teleos in Slg. 2007, I-7797 Rdnr. 36; vom 27. September 2009 C-146/05, Collée, Slg. 2007, I-7861 Rdnr. 22, und vom 27. September 2009 C-184/05, Twoh International, Slg. 2007, I-7897 Rdnr. 22; vom 22. April 2010 C-536/08, C-539/08, X und Facet Trading, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2010, 418 Rdnr. 30, und vom 7. Dezember 2010 C-285/09, R, UR 2011, 15 Rdnr. 37). Diese Verlagerung erfolgt auf denjenigen, der den innergemeinschaftlichen Erwerb bewirkt, und damit auf den Abnehmer der Lieferung als sog. Erwerber (Art. 21 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 77/388/EWG i.d.F. der Richtlinie 2000/65/EG des Rates vom 17. Oktober 2000 zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG bezüglich der Bestimmung des Mehrwertsteuerschuldners; § 13a Abs. 1 Nr. 2 UStG). Somit setzt die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung voraus, dass aufgrund der zutreffenden Angaben des leistenden Unternehmers die Person des Abnehmers ("Erwerbers") dieser Lieferung bekannt ist, da sonst das Ziel, Steuereinnahmen dadurch auf den Bestimmungsmitgliedstaat zu verlagern, dass der Erwerber der innergemeinschaftlichen Lieferung in diesem Mitgliedstaat Steuerschuldner ist, nicht erreicht werden kann (Treiber, in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 6a UStG Rz 82; Wäger, in Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, § 110 UStG Rz 7 und 18).

16

b) Abnehmer (Leistungsempfänger) bei Lieferungen i.S. von § 3 Abs. 1 UStG und damit Erwerber bei innergemeinschaftlichen Lieferungen ist derjenige, dem der liefernde Unternehmer die Verfügungsmacht über den Gegenstand verschafft. Maßgeblich ist, wer nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis als Auftraggeber berechtigt und verpflichtet ist (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. September 2009 XI R 14/08, BFHE 227, 218, BStBl II 2010, 243, unter II.2.a; vom 18. Februar 2009 V R 82/07, BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, unter II.2.a aa, und vom 24. August 2006 V R 16/05, BFHE 215, 311, BStBl II 2007, 340, unter II.2.b). Abnehmer (Erwerber) ist somit derjenige, der nach dem der Lieferung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis die Verfügungsmacht erhalten soll. Ob diese Person auch auf eigene Rechnung tätig ist, spielt keine Rolle. Handelt z.B. ein Strohmann oder Treuhänder im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung, ist daher er, nicht aber sein Auftraggeber Abnehmer (BFH-Urteil in BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, unter II.2.a cc und dd).

17

Ohne Bedeutung für die Bestimmung des Leistungsempfängers sind sog. Scheingeschäfte (§ 41 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung --AO--). Ein Scheingeschäft liegt insbesondere vor, wenn die Parteien eines Rechtsgeschäfts einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäftes nicht zwischen ihnen, sondern zwischen nur einer Vertragspartei und einem Dritten eintreten sollen (BFH-Urteil vom 7. Juli 2005 V R 60/03, BFH/NV 2006, 139, unter II.1.b bb; BFH-Beschluss vom 31. Januar 2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622, unter II.4.c). Verdeckt das Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft, ist nach § 41 Abs. 2 Satz 2 AO das verdeckte Rechtsgeschäft für die Besteuerung maßgeblich.

18

c) Der Unternehmer (Steuerpflichtige) hat die Voraussetzungen der innergemeinschaftlichen Lieferung unter Berücksichtigung der von den Mitgliedstaaten nach dem Einleitungssatz in Art. 28c Teil A der Richtlinie 77/388/EWG festgelegten Bedingungen nachzuweisen (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15 Rdnrn. 43 und 46). Diese Bedingungen ergeben sich im nationalen Recht aus § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1999 --UStDV-- (BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.1.b). Hierzu gehören auch Angaben zur Person des Erwerbers (Abnehmers) wie Name, Anschrift und Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (§ 17c Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 UStDV).

19

Der Unternehmer kann die innergemeinschaftliche Lieferung als steuerfrei erfassen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b). Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b), es sei denn, der Verstoß gegen die Nachweispflichten (die formellen Anforderungen) verhinderte den sicheren Nachweis, dass die materiellen Anforderungen der Steuerfreiheit erfüllt werden (EuGH-Urteil Collée in Slg. 2007, I-7861, zweiter Leitsatz). In der Rechtssache Collée hatte der Unternehmer nicht aufgrund unzutreffender Angaben die Steuerfreiheit der Lieferung beansprucht, sondern um eine Gebietsbeschränkung des Herstellers des verkauften Gegenstandes zu umgehen, eine steuerpflichtige Inlandslieferung erklärt und erst nach Aufdeckung des wahren Sachverhalts die Steuerfreiheit der objektiv vorliegenden innergemeinschaftlichen Lieferung beansprucht. Dient der Verstoß gegen die Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV aber dazu, die Identität des Erwerbers zu verschleiern, um diesem im Bestimmungsmitgliedstaat eine Mehrwertsteuerhinterziehung zu ermöglichen, kann der Unternehmer die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung auch nicht aufgrund des objektiven Nachweises ihrer Voraussetzungen in Anspruch nehmen (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15, Leitsatz).

20

3. Das FG hat die Klageabweisung darauf gestützt, dass bereits die "dolose Einbindung" in ein "Umsatzsteuer-Karussell" zur Steuerpflicht der innergemeinschaftlichen Lieferungen führe, da der Abnehmer nicht zutreffend bezeichnet worden sei, und es sich um Vorgänge gehandelt habe, die zur Umsatzsteuerhinterziehung stattgefunden hätten. Ähnlich wie beim Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 UStG setze die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung voraus, dass der tatsächliche Abnehmer und nicht ein zu Betrugszwecken vorgeschobener Leistungsempfänger (Scheingesellschaft) bezeichnet werde.

21

Dies hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Urteil des FG ist daher aufzuheben.

22

a) Der Bundesgerichtshof hat mit seinem Vorlagebeschluss vom 7. Juli 2009  1 StR 41/09 (Deutsches Steuerrecht 2009, 1688) den EuGH um Vorabentscheidung ersucht, ob einer tatsächlich ausgeführten innergemeinschaftlichen Lieferung die Steuerfreiheit zu versagen ist, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der steuerpflichtige Verkäufer entweder "wusste, dass er sich mit der Lieferung an einem Warenumsatz beteiligt, der darauf angelegt ist, Mehrwertsteuer zu hinterziehen" oder "Handlungen vorgenommen hat, die darauf abzielten, die Person des wahren Erwerbers zu verschleiern, um diesem oder einem Dritten zu ermöglichen, Mehrwertsteuer zu hinterziehen".

23

Hierauf hat der EuGH entschieden, dass innergemeinschaftliche Lieferungen steuerpflichtig sind, wenn die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung zwar objektiv vorliegen, jedoch "bewusst sachlich falsche" Rechnungen ausgestellt werden, um "die Identität der wahren Erwerber" zu "verschleiern" (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15 Rdnrn. 47, 49 und Leitsatz). Der EuGH stützt die Steuerpflicht derartiger Lieferungen dabei maßgeblich auf die Verletzung der für den Unternehmer bestehenden Nachweispflichten, zu denen auch Angaben zur Person des Abnehmers gehören.

24

Wie ein Vergleich von Vorabentscheidungsersuchen und EuGH-Urteil zeigt, hat der EuGH in seinem Urteil R in UR 2011, 15 nicht entschieden, ob eine Steuerpflicht der innergemeinschaftlichen Lieferung trotz Vorliegens der objektiven Voraussetzungen der hierfür zu erfüllenden Voraussetzungen in Betracht kommt, wenn dem Unternehmer --ohne über die Identität des Abnehmers zu täuschen-- nur bekannt ist, dass der Abnehmer, den er nach seinen Belegen und buchmäßigen Aufzeichnungen als Abnehmer führt, seine steuerlichen Verpflichtungen im Bestimmungsmitgliedstaat nicht erfüllt (vgl. auch Bülte, Der Betrieb 2011, 442, sowie Bürger/Paul, Betriebs-Berater 2011, 540, 542).

25

b) Ob die Versagung der innergemeinschaftlichen Lieferungen der Klägerin deswegen nicht in Betracht kommen könnte, weil sie --wie das FG annimmt-- an einem "Karussellgeschäft" beteiligt gewesen sein soll, kann aufgrund der vorliegenden Feststellungen des FG nicht entschieden werden, denn allein der Hinweis auf ein Karussellgeschäft ersetzt keine tatsächlichen Feststellungen. So ist dem Urteil nicht zu entnehmen, welche Abnehmer im Bestimmungsmitgliedstaat ihre steuerlichen Pflichten in Hinterziehungsabsicht nicht erfüllt haben und ob dies der Klägerin bekannt war.

26

4. Dem Urteil des FG ist weiter nicht zu entnehmen, ob unzutreffende Abnehmerbezeichnungen vorliegen, wer in einem derartigen Fall als tatsächlicher Abnehmer der von der Klägerin ausgeführten Lieferungen anzusehen ist und ob die Klägerin die Person des Abnehmers verschleiert hat. Bei der Bestimmung des Abnehmers der von der Klägerin ausgeführten innergemeinschaftlichen Lieferung sind im zweiten Rechtsgang die zuvor unter II.2.a und b genannten Grundsätze zu beachten.

27

Liegt keine Verschleierung hinsichtlich der Identität des jeweiligen Abnehmers vor, sind weitere Feststellungen zu den Abnehmerfirmen in den Bestimmungsmitgliedstaaten, insbesondere zur Erfüllung der dortigen umsatzsteuerrechtlichen Pflichten zu treffen. Weiter kommt es darauf an, aufgrund welcher Umstände die Klägerin von einer möglichen Hinterziehungsabsicht der Abnehmer Kenntnis hatte oder Kenntnis hätte haben müssen. Es kommt dann ggf. auch eine Vorlage an den EuGH zur Klärung möglicherweise bestehender Zweifel hinsichtlich der Auslegung des Unionsrechts in Betracht.

28

Hinsichtlich der vom FG angenommenen Versagung des Vorsteuerabzugs sind weitere Feststellungen zum Zeitpunkt zu treffen, zu dem das Vorstandsmitglied der Klägerin und damit die Klägerin Kenntnis von ihrer Einbindung in das Steuerbetrugsmodell ihrer Lieferanten erlangt hat. Hat sie hiervon erst nach dem Leistungsbezug erfahren, würde dies eine rückwirkende Versagung des Vorsteuerabzugs nicht rechtfertigen.

29

5. Auf die Verfahrensrügen kam es nicht mehr an.

(1) Ist ein Rechtsgeschäft unwirksam oder wird es unwirksam, so ist dies für die Besteuerung unerheblich, soweit und solange die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis dieses Rechtsgeschäfts gleichwohl eintreten und bestehen lassen. Dies gilt nicht, soweit sich aus den Steuergesetzen etwas anderes ergibt.

(2) Scheingeschäfte und Scheinhandlungen sind für die Besteuerung unerheblich. Wird durch ein Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt, so ist das verdeckte Rechtsgeschäft für die Besteuerung maßgebend.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Aktiengesellschaft, bezog in den Streitjahren 1999 und 2000 Lieferungen von der BA-GmbH und der P-GmbH. Sie führte innergemeinschaftliche Lieferungen nach Italien und Österreich an die Firmen EE, FD und BB-GmbH aus. Das Landgericht (LG) verurteilte L.F., den Geschäftsführer der Abnehmerfirmen, mit Urteil vom 9. August 2001 wegen Steuerhinterziehung zu einer Haftstrafe von drei Jahren und vier Monaten, da er die Firmen BA-GmbH, P-GmbH, EE, FD und BB-GmbH als Strohmannfirmen ausschließlich zum Zweck der Umsatzsteuerhinterziehung gegründet habe. Die Geschäftsführung dieser Gesellschaften habe in seiner Hand gelegen. Die Klägerin habe die von der P-GmbH erworbenen Handys absprachegemäß unmittelbar an EE, FD und BB-GmbH weiterveräußert, von wo aus sie wieder in ein "Umsatzsteuer-Karussell" eingeschleust worden seien.

2

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) schloss sich den Feststellungen der Steuerfahndungsstelle an und erließ am 10. November 2005 für 1999 und 2000 unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung geänderte Umsatzsteuerbescheide. Mit Einspruchsentscheidung vom 23. Mai 2007 setzte das FA die Umsatzsteuer 1999 auf 420.370 DM und die Umsatzsteuer 2000 auf 1.281.253 DM fest. Im Übrigen wies es die Einsprüche als unbegründet zurück. Die Klage hatte keinen Erfolg.

3

Das Finanzgericht (FG) stützte die Klageabweisung darauf, dass der Klägerin aufgrund der ihrem Vorstandsmitglied bekannten Einbindung in ein "Umsatzsteuer-Karussell" der Vorsteuerabzug zu versagen sei. Aus diesem Grund seien auch ihre innergemeinschaftlichen Lieferungen nicht steuerfrei.

4

Nach Klageerhebung erging am 6. August 2007 ein geänderter Umsatzsteuerbescheid 2000, der gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Verfahrens wurde.

5

Das Urteil des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2010, 1740 veröffentlicht.

6

Mit ihrer Revision macht die Klägerin Verletzung materiellen Rechts geltend. Sie sei nicht in ein "doloses Umsatzsteuer-Karussell" eingebunden gewesen. Das FG habe sich Feststellungen aus dem Strafverfahren gegen eine für sie fremde Person nicht zu eigen machen dürfen, da sie an diesem Verfahren nicht beteiligt gewesen sei und daher dort keine Einwendungen habe geltend machen können. Im Übrigen stehe die Einbindung in ein Umsatzsteuer-Karussell der Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung nicht entgegen. Das Strafurteil sei nur gegen L.F. als Geschäftsführer der Abnehmerfirmen ergangen. Das FG habe Zeugenaussagen gewürdigt, ohne Zeugen in der mündlichen Verhandlung zu vernehmen und dadurch gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme verstoßen.

7

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und unter Änderung der Bescheide 1999 und 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Mai 2007 und des Änderungsbescheides vom 6. August 2007 die Umsatzsteuer 1999 auf 374.955 DM (anstatt 420.370 DM) und die Umsatzsteuer 2000 auf 639.969 DM (anstatt 1.194.163 DM) herabzusetzen.

8

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

9

Die innergemeinschaftlichen Lieferungen seien aufgrund der unzutreffenden Empfängerbezeichnung steuerpflichtig. Die Klägerin habe auch keine substantiierten Einwendungen gegen die Feststellungen im Strafverfahren erhoben.

Entscheidungsgründe

10

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Das FG hat zu Unrecht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferungen und den Vorsteuerabzug im Hinblick auf ihre bloße Einbindung in ein Umsatzsteuer-Karussell verneint.

11

1. Innergemeinschaftliche Lieferungen sind gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) unter den Voraussetzungen des § 6a UStG steuerfrei. Die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung setzt gemäß § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG voraus, dass der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet.

12

Darüber hinaus bestehen bei Lieferungen an Unternehmer oder juristische Personen weitere, in der Person des Erwerbers zu erfüllende Voraussetzungen. Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b, Nr. 3 UStG muss es sich beim Abnehmer entweder um einen Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat, oder um eine juristische Person handeln, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat; der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung muss in allen Fällen beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegen.

13

Die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung beruht auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Danach "befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Mißbrauch festlegen: a) die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

14

2. Aufgrund der personenbezogenen Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b, Nr. 3 UStG setzt die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung voraus, dass der Unternehmer nachweist, wer Abnehmer seiner Lieferung ist.

15

a) Der Person des Abnehmers und seiner Identität kommt für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung entscheidende Bedeutung zu, da innergemeinschaftliche Lieferung und innergemeinschaftlicher Erwerb "ein und derselbe wirtschaftliche Vorgang" (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 27. September 2007 C-409/04, Teleos, Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 23 f.) und dabei Teil eines "innergemeinschaftlichen Umsatzes" sind (EuGH-Urteil Teleos in Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 37 und 41), der bezweckt, die "Steuereinnahmen auf den Mitgliedstaat zu verlagern, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt" (EuGH-Urteile Teleos in Slg. 2007, I-7797 Rdnr. 36; vom 27. September 2009 C-146/05, Collée, Slg. 2007, I-7861 Rdnr. 22, und vom 27. September 2009 C-184/05, Twoh International, Slg. 2007, I-7897 Rdnr. 22; vom 22. April 2010 C-536/08, C-539/08, X und Facet Trading, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2010, 418 Rdnr. 30, und vom 7. Dezember 2010 C-285/09, R, UR 2011, 15 Rdnr. 37). Diese Verlagerung erfolgt auf denjenigen, der den innergemeinschaftlichen Erwerb bewirkt, und damit auf den Abnehmer der Lieferung als sog. Erwerber (Art. 21 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 77/388/EWG i.d.F. der Richtlinie 2000/65/EG des Rates vom 17. Oktober 2000 zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG bezüglich der Bestimmung des Mehrwertsteuerschuldners; § 13a Abs. 1 Nr. 2 UStG). Somit setzt die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung voraus, dass aufgrund der zutreffenden Angaben des leistenden Unternehmers die Person des Abnehmers ("Erwerbers") dieser Lieferung bekannt ist, da sonst das Ziel, Steuereinnahmen dadurch auf den Bestimmungsmitgliedstaat zu verlagern, dass der Erwerber der innergemeinschaftlichen Lieferung in diesem Mitgliedstaat Steuerschuldner ist, nicht erreicht werden kann (Treiber, in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 6a UStG Rz 82; Wäger, in Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, § 110 UStG Rz 7 und 18).

16

b) Abnehmer (Leistungsempfänger) bei Lieferungen i.S. von § 3 Abs. 1 UStG und damit Erwerber bei innergemeinschaftlichen Lieferungen ist derjenige, dem der liefernde Unternehmer die Verfügungsmacht über den Gegenstand verschafft. Maßgeblich ist, wer nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis als Auftraggeber berechtigt und verpflichtet ist (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. September 2009 XI R 14/08, BFHE 227, 218, BStBl II 2010, 243, unter II.2.a; vom 18. Februar 2009 V R 82/07, BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, unter II.2.a aa, und vom 24. August 2006 V R 16/05, BFHE 215, 311, BStBl II 2007, 340, unter II.2.b). Abnehmer (Erwerber) ist somit derjenige, der nach dem der Lieferung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis die Verfügungsmacht erhalten soll. Ob diese Person auch auf eigene Rechnung tätig ist, spielt keine Rolle. Handelt z.B. ein Strohmann oder Treuhänder im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung, ist daher er, nicht aber sein Auftraggeber Abnehmer (BFH-Urteil in BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, unter II.2.a cc und dd).

17

Ohne Bedeutung für die Bestimmung des Leistungsempfängers sind sog. Scheingeschäfte (§ 41 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung --AO--). Ein Scheingeschäft liegt insbesondere vor, wenn die Parteien eines Rechtsgeschäfts einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäftes nicht zwischen ihnen, sondern zwischen nur einer Vertragspartei und einem Dritten eintreten sollen (BFH-Urteil vom 7. Juli 2005 V R 60/03, BFH/NV 2006, 139, unter II.1.b bb; BFH-Beschluss vom 31. Januar 2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622, unter II.4.c). Verdeckt das Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft, ist nach § 41 Abs. 2 Satz 2 AO das verdeckte Rechtsgeschäft für die Besteuerung maßgeblich.

18

c) Der Unternehmer (Steuerpflichtige) hat die Voraussetzungen der innergemeinschaftlichen Lieferung unter Berücksichtigung der von den Mitgliedstaaten nach dem Einleitungssatz in Art. 28c Teil A der Richtlinie 77/388/EWG festgelegten Bedingungen nachzuweisen (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15 Rdnrn. 43 und 46). Diese Bedingungen ergeben sich im nationalen Recht aus § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1999 --UStDV-- (BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.1.b). Hierzu gehören auch Angaben zur Person des Erwerbers (Abnehmers) wie Name, Anschrift und Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (§ 17c Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 UStDV).

19

Der Unternehmer kann die innergemeinschaftliche Lieferung als steuerfrei erfassen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b). Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b), es sei denn, der Verstoß gegen die Nachweispflichten (die formellen Anforderungen) verhinderte den sicheren Nachweis, dass die materiellen Anforderungen der Steuerfreiheit erfüllt werden (EuGH-Urteil Collée in Slg. 2007, I-7861, zweiter Leitsatz). In der Rechtssache Collée hatte der Unternehmer nicht aufgrund unzutreffender Angaben die Steuerfreiheit der Lieferung beansprucht, sondern um eine Gebietsbeschränkung des Herstellers des verkauften Gegenstandes zu umgehen, eine steuerpflichtige Inlandslieferung erklärt und erst nach Aufdeckung des wahren Sachverhalts die Steuerfreiheit der objektiv vorliegenden innergemeinschaftlichen Lieferung beansprucht. Dient der Verstoß gegen die Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV aber dazu, die Identität des Erwerbers zu verschleiern, um diesem im Bestimmungsmitgliedstaat eine Mehrwertsteuerhinterziehung zu ermöglichen, kann der Unternehmer die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung auch nicht aufgrund des objektiven Nachweises ihrer Voraussetzungen in Anspruch nehmen (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15, Leitsatz).

20

3. Das FG hat die Klageabweisung darauf gestützt, dass bereits die "dolose Einbindung" in ein "Umsatzsteuer-Karussell" zur Steuerpflicht der innergemeinschaftlichen Lieferungen führe, da der Abnehmer nicht zutreffend bezeichnet worden sei, und es sich um Vorgänge gehandelt habe, die zur Umsatzsteuerhinterziehung stattgefunden hätten. Ähnlich wie beim Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 UStG setze die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung voraus, dass der tatsächliche Abnehmer und nicht ein zu Betrugszwecken vorgeschobener Leistungsempfänger (Scheingesellschaft) bezeichnet werde.

21

Dies hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Urteil des FG ist daher aufzuheben.

22

a) Der Bundesgerichtshof hat mit seinem Vorlagebeschluss vom 7. Juli 2009  1 StR 41/09 (Deutsches Steuerrecht 2009, 1688) den EuGH um Vorabentscheidung ersucht, ob einer tatsächlich ausgeführten innergemeinschaftlichen Lieferung die Steuerfreiheit zu versagen ist, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der steuerpflichtige Verkäufer entweder "wusste, dass er sich mit der Lieferung an einem Warenumsatz beteiligt, der darauf angelegt ist, Mehrwertsteuer zu hinterziehen" oder "Handlungen vorgenommen hat, die darauf abzielten, die Person des wahren Erwerbers zu verschleiern, um diesem oder einem Dritten zu ermöglichen, Mehrwertsteuer zu hinterziehen".

23

Hierauf hat der EuGH entschieden, dass innergemeinschaftliche Lieferungen steuerpflichtig sind, wenn die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung zwar objektiv vorliegen, jedoch "bewusst sachlich falsche" Rechnungen ausgestellt werden, um "die Identität der wahren Erwerber" zu "verschleiern" (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15 Rdnrn. 47, 49 und Leitsatz). Der EuGH stützt die Steuerpflicht derartiger Lieferungen dabei maßgeblich auf die Verletzung der für den Unternehmer bestehenden Nachweispflichten, zu denen auch Angaben zur Person des Abnehmers gehören.

24

Wie ein Vergleich von Vorabentscheidungsersuchen und EuGH-Urteil zeigt, hat der EuGH in seinem Urteil R in UR 2011, 15 nicht entschieden, ob eine Steuerpflicht der innergemeinschaftlichen Lieferung trotz Vorliegens der objektiven Voraussetzungen der hierfür zu erfüllenden Voraussetzungen in Betracht kommt, wenn dem Unternehmer --ohne über die Identität des Abnehmers zu täuschen-- nur bekannt ist, dass der Abnehmer, den er nach seinen Belegen und buchmäßigen Aufzeichnungen als Abnehmer führt, seine steuerlichen Verpflichtungen im Bestimmungsmitgliedstaat nicht erfüllt (vgl. auch Bülte, Der Betrieb 2011, 442, sowie Bürger/Paul, Betriebs-Berater 2011, 540, 542).

25

b) Ob die Versagung der innergemeinschaftlichen Lieferungen der Klägerin deswegen nicht in Betracht kommen könnte, weil sie --wie das FG annimmt-- an einem "Karussellgeschäft" beteiligt gewesen sein soll, kann aufgrund der vorliegenden Feststellungen des FG nicht entschieden werden, denn allein der Hinweis auf ein Karussellgeschäft ersetzt keine tatsächlichen Feststellungen. So ist dem Urteil nicht zu entnehmen, welche Abnehmer im Bestimmungsmitgliedstaat ihre steuerlichen Pflichten in Hinterziehungsabsicht nicht erfüllt haben und ob dies der Klägerin bekannt war.

26

4. Dem Urteil des FG ist weiter nicht zu entnehmen, ob unzutreffende Abnehmerbezeichnungen vorliegen, wer in einem derartigen Fall als tatsächlicher Abnehmer der von der Klägerin ausgeführten Lieferungen anzusehen ist und ob die Klägerin die Person des Abnehmers verschleiert hat. Bei der Bestimmung des Abnehmers der von der Klägerin ausgeführten innergemeinschaftlichen Lieferung sind im zweiten Rechtsgang die zuvor unter II.2.a und b genannten Grundsätze zu beachten.

27

Liegt keine Verschleierung hinsichtlich der Identität des jeweiligen Abnehmers vor, sind weitere Feststellungen zu den Abnehmerfirmen in den Bestimmungsmitgliedstaaten, insbesondere zur Erfüllung der dortigen umsatzsteuerrechtlichen Pflichten zu treffen. Weiter kommt es darauf an, aufgrund welcher Umstände die Klägerin von einer möglichen Hinterziehungsabsicht der Abnehmer Kenntnis hatte oder Kenntnis hätte haben müssen. Es kommt dann ggf. auch eine Vorlage an den EuGH zur Klärung möglicherweise bestehender Zweifel hinsichtlich der Auslegung des Unionsrechts in Betracht.

28

Hinsichtlich der vom FG angenommenen Versagung des Vorsteuerabzugs sind weitere Feststellungen zum Zeitpunkt zu treffen, zu dem das Vorstandsmitglied der Klägerin und damit die Klägerin Kenntnis von ihrer Einbindung in das Steuerbetrugsmodell ihrer Lieferanten erlangt hat. Hat sie hiervon erst nach dem Leistungsbezug erfahren, würde dies eine rückwirkende Versagung des Vorsteuerabzugs nicht rechtfertigen.

29

5. Auf die Verfahrensrügen kam es nicht mehr an.

(1) Durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts kann das Steuergesetz nicht umgangen werden. Ist der Tatbestand einer Regelung in einem Einzelsteuergesetz erfüllt, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dient, so bestimmen sich die Rechtsfolgen nach jener Vorschrift. Anderenfalls entsteht der Steueranspruch beim Vorliegen eines Missbrauchs im Sinne des Absatzes 2 so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.

(2) Ein Missbrauch liegt vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Dies gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind.

(1) Für Mineralgewinnungsrechte findet die nächste Hauptfeststellung der Einheitswerte auf den 1. Januar 1977 statt (Hauptfeststellung 1977).

(2) Die Einheitswerte für Mineralgewinnungsrechte, denen die Wertverhältnisse vom 1. Januar 1977 zugrunde liegen, sind erstmals anzuwenden bei der Feststellung von Einheitswerten der gewerblichen Betriebe auf den 1. Januar 1977 und bei der Festsetzung von Steuern, bei denen die Steuer nach dem 31. Dezember 1976 entsteht.

(1) Durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts kann das Steuergesetz nicht umgangen werden. Ist der Tatbestand einer Regelung in einem Einzelsteuergesetz erfüllt, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dient, so bestimmen sich die Rechtsfolgen nach jener Vorschrift. Anderenfalls entsteht der Steueranspruch beim Vorliegen eines Missbrauchs im Sinne des Absatzes 2 so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.

(2) Ein Missbrauch liegt vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Dies gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind.

(1) Hat der Gesamtumsatz des Unternehmers (§ 19 Absatz 3) im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 600 000 Euro betragen, wird die Steuer für die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ausgeführten Umsätze vorbehaltlich der Sätze 2 bis 4 wie folgt festgesetzt:

1.
für die Lieferungen von forstwirtschaftlichen Erzeugnissen, ausgenommen Sägewerkserzeugnisse, auf 5,5 Prozent,
2.
für die Lieferungen der in der Anlage 2 nicht aufgeführten Sägewerkserzeugnisse und Getränke sowie von alkoholischen Flüssigkeiten, ausgenommen die Lieferungen in das Ausland und die im Ausland bewirkten Umsätze, und für sonstige Leistungen, soweit in der Anlage 2 nicht aufgeführte Getränke abgegeben werden, auf 19 Prozent,
3.
für die übrigen Umsätze im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 1 auf 9,0 Prozent der Bemessungsgrundlage.
Die Befreiungen nach § 4 mit Ausnahme der Nummern 1 bis 7 bleiben unberührt; § 9 findet keine Anwendung. Die Vorsteuerbeträge werden, soweit sie den in Satz 1 Nr. 1 bezeichneten Umsätzen zuzurechnen sind, auf 5,5 Prozent, in den übrigen Fällen des Satzes 1 auf 9,0 Prozent der Bemessungsgrundlage für diese Umsätze festgesetzt. Ein weiterer Vorsteuerabzug entfällt. § 14 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass der für den Umsatz maßgebliche Durchschnittssatz in der Rechnung zusätzlich anzugeben ist.

(2) Als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb gelten

1.
die Landwirtschaft, die Forstwirtschaft, der Wein-, Garten-, Obst- und Gemüsebau, die Baumschulen, alle Betriebe, die Pflanzen und Pflanzenteile mit Hilfe der Naturkräfte gewinnen, die Binnenfischerei, die Teichwirtschaft, die Fischzucht für die Binnenfischerei und Teichwirtschaft, die Imkerei, die Wanderschäferei sowie die Saatzucht;
2.
Tierzucht- und Tierhaltungsbetriebe, soweit ihre Tierbestände nach den §§ 51 und 51a des Bewertungsgesetzes zur landwirtschaftlichen Nutzung gehören.
Zum land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehören auch die Nebenbetriebe, die dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zu dienen bestimmt sind.

(3) Führt der Unternehmer neben den in Absatz 1 bezeichneten Umsätzen auch andere Umsätze aus, so ist der land- und forstwirtschaftliche Betrieb als ein in der Gliederung des Unternehmens gesondert geführter Betrieb zu behandeln.

(4) Der Unternehmer kann spätestens bis zum 10. Tag eines Kalenderjahres gegenüber dem Finanzamt erklären, dass seine Umsätze vom Beginn des vorangegangenen Kalenderjahres an nicht nach den Absätzen 1 bis 3, sondern nach den allgemeinen Vorschriften dieses Gesetzes besteuert werden sollen. Die Erklärung bindet den Unternehmer mindestens für fünf Kalenderjahre; im Falle der Geschäftsveräußerung ist der Erwerber an diese Frist gebunden. Sie kann mit Wirkung vom Beginn eines Kalenderjahres an widerrufen werden. Der Widerruf ist spätestens bis zum 10. Tag nach Beginn dieses Kalenderjahres zu erklären. Die Frist nach Satz 4 kann verlängert werden. Ist die Frist bereits abgelaufen, so kann sie rückwirkend verlängert werden, wenn es unbillig wäre, die durch den Fristablauf eingetretenen Rechtsfolgen bestehen zu lassen.

(5) Das Bundesministerium der Finanzen überprüft jährlich die Höhe des Durchschnittssatzes im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 und Satz 3 und berichtet dem Deutschen Bundestag über das Ergebnis der Überprüfung. Der Durchschnittssatz wird ermittelt aus dem Verhältnis der Summe der Vorsteuern zu der Summe der Umsätze aller Unternehmer, die ihre Umsätze nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3 versteuern, in einem Zeitraum von drei Jahren. Der ermittelte Durchschnittssatz wird auf eine Nachkommastelle kaufmännisch gerundet. Soweit nach der Überprüfung eine Anpassung des Durchschnittssatzes in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und Satz 3 erforderlich ist, legt die Bundesregierung kurzfristig einen entsprechenden Gesetzentwurf vor.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Soll gegen den Bund, ein Land, einen Gemeindeverband, eine Gemeinde, eine Körperschaft, eine Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts vollstreckt werden, so gilt für die Zwangsvollstreckung das Achte Buch der Zivilprozessordnung sinngemäß; § 150 bleibt unberührt. Vollstreckungsgericht ist das Finanzgericht.

(2) Vollstreckt wird

1.
aus rechtskräftigen und aus vorläufig vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidungen,
2.
aus einstweiligen Anordnungen,
3.
aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen.

(3) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(4) Für die Vollstreckung können den Beteiligten auf ihren Antrag Ausfertigungen des Urteils ohne Tatbestand und ohne Entscheidungsgründe erteilt werden, deren Zustellung in den Wirkungen der Zustellung eines vollständigen Urteils gleichsteht.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Aufwendungen der Finanzbehörden sind nicht zu erstatten.

(3) Gesetzlich vorgesehene Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten oder Beistands, der nach den Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist, sind stets erstattungsfähig. Aufwendungen für einen Bevollmächtigten oder Beistand, für den Gebühren und Auslagen gesetzlich nicht vorgesehen sind, können bis zur Höhe der gesetzlichen Gebühren und Auslagen der Rechtsanwälte erstattet werden. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind die Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten oder Beistands für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Steht der Bevollmächtigte oder Beistand in einem Angestelltenverhältnis zu einem Beteiligten, so werden die durch seine Zuziehung entstandenen Gebühren nicht erstattet.

(4) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn das Gericht sie aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.

(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an die rechtliche Beurteilung gebunden, die der Aufhebung zugrunde liegt, an die tatsächliche so weit, als nicht neu bekannt werdende Tatsachen und Beweismittel eine andere Beurteilung rechtfertigen. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Finanzbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, dass die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt nicht, soweit der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht nachgekommen ist und deshalb die Besteuerungsgrundlagen geschätzt worden sind. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(1) Hat der Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag, als er nach diesem Gesetz für den Umsatz schuldet, gesondert ausgewiesen (unrichtiger Steuerausweis), schuldet er auch den Mehrbetrag. Berichtigt er den Steuerbetrag gegenüber dem Leistungsempfänger, ist § 17 Abs. 1 entsprechend anzuwenden. In den Fällen des § 1 Abs. 1a und in den Fällen der Rückgängigmachung des Verzichts auf die Steuerbefreiung nach § 9 gilt Absatz 2 Satz 3 bis 5 entsprechend.

(2) Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist (unberechtigter Steuerausweis), schuldet den ausgewiesenen Betrag. Das Gleiche gilt, wenn jemand wie ein leistender Unternehmer abrechnet und einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er nicht Unternehmer ist oder eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt. Der nach den Sätzen 1 und 2 geschuldete Steuerbetrag kann berichtigt werden, soweit die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt worden ist. Die Gefährdung des Steueraufkommens ist beseitigt, wenn ein Vorsteuerabzug beim Empfänger der Rechnung nicht durchgeführt oder die geltend gemachte Vorsteuer an die Finanzbehörde zurückgezahlt worden ist. Die Berichtigung des geschuldeten Steuerbetrags ist beim Finanzamt gesondert schriftlich zu beantragen und nach dessen Zustimmung in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 1 für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Voraussetzungen des Satzes 4 eingetreten sind.

(1) Durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts kann das Steuergesetz nicht umgangen werden. Ist der Tatbestand einer Regelung in einem Einzelsteuergesetz erfüllt, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dient, so bestimmen sich die Rechtsfolgen nach jener Vorschrift. Anderenfalls entsteht der Steueranspruch beim Vorliegen eines Missbrauchs im Sinne des Absatzes 2 so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.

(2) Ein Missbrauch liegt vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Dies gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind.

(1) Hat der Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag, als er nach diesem Gesetz für den Umsatz schuldet, gesondert ausgewiesen (unrichtiger Steuerausweis), schuldet er auch den Mehrbetrag. Berichtigt er den Steuerbetrag gegenüber dem Leistungsempfänger, ist § 17 Abs. 1 entsprechend anzuwenden. In den Fällen des § 1 Abs. 1a und in den Fällen der Rückgängigmachung des Verzichts auf die Steuerbefreiung nach § 9 gilt Absatz 2 Satz 3 bis 5 entsprechend.

(2) Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist (unberechtigter Steuerausweis), schuldet den ausgewiesenen Betrag. Das Gleiche gilt, wenn jemand wie ein leistender Unternehmer abrechnet und einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er nicht Unternehmer ist oder eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt. Der nach den Sätzen 1 und 2 geschuldete Steuerbetrag kann berichtigt werden, soweit die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt worden ist. Die Gefährdung des Steueraufkommens ist beseitigt, wenn ein Vorsteuerabzug beim Empfänger der Rechnung nicht durchgeführt oder die geltend gemachte Vorsteuer an die Finanzbehörde zurückgezahlt worden ist. Die Berichtigung des geschuldeten Steuerbetrags ist beim Finanzamt gesondert schriftlich zu beantragen und nach dessen Zustimmung in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 1 für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Voraussetzungen des Satzes 4 eingetreten sind.

(1) Hat der Gesamtumsatz des Unternehmers (§ 19 Absatz 3) im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 600 000 Euro betragen, wird die Steuer für die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ausgeführten Umsätze vorbehaltlich der Sätze 2 bis 4 wie folgt festgesetzt:

1.
für die Lieferungen von forstwirtschaftlichen Erzeugnissen, ausgenommen Sägewerkserzeugnisse, auf 5,5 Prozent,
2.
für die Lieferungen der in der Anlage 2 nicht aufgeführten Sägewerkserzeugnisse und Getränke sowie von alkoholischen Flüssigkeiten, ausgenommen die Lieferungen in das Ausland und die im Ausland bewirkten Umsätze, und für sonstige Leistungen, soweit in der Anlage 2 nicht aufgeführte Getränke abgegeben werden, auf 19 Prozent,
3.
für die übrigen Umsätze im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 1 auf 9,0 Prozent der Bemessungsgrundlage.
Die Befreiungen nach § 4 mit Ausnahme der Nummern 1 bis 7 bleiben unberührt; § 9 findet keine Anwendung. Die Vorsteuerbeträge werden, soweit sie den in Satz 1 Nr. 1 bezeichneten Umsätzen zuzurechnen sind, auf 5,5 Prozent, in den übrigen Fällen des Satzes 1 auf 9,0 Prozent der Bemessungsgrundlage für diese Umsätze festgesetzt. Ein weiterer Vorsteuerabzug entfällt. § 14 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass der für den Umsatz maßgebliche Durchschnittssatz in der Rechnung zusätzlich anzugeben ist.

(2) Als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb gelten

1.
die Landwirtschaft, die Forstwirtschaft, der Wein-, Garten-, Obst- und Gemüsebau, die Baumschulen, alle Betriebe, die Pflanzen und Pflanzenteile mit Hilfe der Naturkräfte gewinnen, die Binnenfischerei, die Teichwirtschaft, die Fischzucht für die Binnenfischerei und Teichwirtschaft, die Imkerei, die Wanderschäferei sowie die Saatzucht;
2.
Tierzucht- und Tierhaltungsbetriebe, soweit ihre Tierbestände nach den §§ 51 und 51a des Bewertungsgesetzes zur landwirtschaftlichen Nutzung gehören.
Zum land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehören auch die Nebenbetriebe, die dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zu dienen bestimmt sind.

(3) Führt der Unternehmer neben den in Absatz 1 bezeichneten Umsätzen auch andere Umsätze aus, so ist der land- und forstwirtschaftliche Betrieb als ein in der Gliederung des Unternehmens gesondert geführter Betrieb zu behandeln.

(4) Der Unternehmer kann spätestens bis zum 10. Tag eines Kalenderjahres gegenüber dem Finanzamt erklären, dass seine Umsätze vom Beginn des vorangegangenen Kalenderjahres an nicht nach den Absätzen 1 bis 3, sondern nach den allgemeinen Vorschriften dieses Gesetzes besteuert werden sollen. Die Erklärung bindet den Unternehmer mindestens für fünf Kalenderjahre; im Falle der Geschäftsveräußerung ist der Erwerber an diese Frist gebunden. Sie kann mit Wirkung vom Beginn eines Kalenderjahres an widerrufen werden. Der Widerruf ist spätestens bis zum 10. Tag nach Beginn dieses Kalenderjahres zu erklären. Die Frist nach Satz 4 kann verlängert werden. Ist die Frist bereits abgelaufen, so kann sie rückwirkend verlängert werden, wenn es unbillig wäre, die durch den Fristablauf eingetretenen Rechtsfolgen bestehen zu lassen.

(5) Das Bundesministerium der Finanzen überprüft jährlich die Höhe des Durchschnittssatzes im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 und Satz 3 und berichtet dem Deutschen Bundestag über das Ergebnis der Überprüfung. Der Durchschnittssatz wird ermittelt aus dem Verhältnis der Summe der Vorsteuern zu der Summe der Umsätze aller Unternehmer, die ihre Umsätze nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3 versteuern, in einem Zeitraum von drei Jahren. Der ermittelte Durchschnittssatz wird auf eine Nachkommastelle kaufmännisch gerundet. Soweit nach der Überprüfung eine Anpassung des Durchschnittssatzes in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und Satz 3 erforderlich ist, legt die Bundesregierung kurzfristig einen entsprechenden Gesetzentwurf vor.

(1) Der Umsatzsteuer unterliegen die folgenden Umsätze:

1.
die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Die Steuerbarkeit entfällt nicht, wenn der Umsatz auf Grund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung ausgeführt wird oder nach gesetzlicher Vorschrift als ausgeführt gilt;
2.
(weggefallen)
3.
(weggefallen)
4.
die Einfuhr von Gegenständen im Inland oder in den österreichischen Gebieten Jungholz und Mittelberg (Einfuhrumsatzsteuer);
5.
der innergemeinschaftliche Erwerb im Inland gegen Entgelt.

(1a) Die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen unterliegen nicht der Umsatzsteuer. Eine Geschäftsveräußerung liegt vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. Der erwerbende Unternehmer tritt an die Stelle des Veräußerers.

(2) Inland im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme des Gebiets von Büsingen, der Insel Helgoland, der Freizonen im Sinne des Artikels 243 des Zollkodex der Union (Freihäfen), der Gewässer und Watten zwischen der Hoheitsgrenze und der jeweiligen Strandlinie sowie der deutschen Schiffe und der deutschen Luftfahrzeuge in Gebieten, die zu keinem Zollgebiet gehören. Ausland im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet, das danach nicht Inland ist. Wird ein Umsatz im Inland ausgeführt, so kommt es für die Besteuerung nicht darauf an, ob der Unternehmer deutscher Staatsangehöriger ist, seinen Wohnsitz oder Sitz im Inland hat, im Inland eine Betriebsstätte unterhält, die Rechnung erteilt oder die Zahlung empfängt. Zollkodex der Union bezeichnet die Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1; L 287 vom 20.10.2013, S. 90) in der jeweils geltenden Fassung.

(2a) Das Gemeinschaftsgebiet im Sinne dieses Gesetzes umfasst das Inland im Sinne des Absatzes 2 Satz 1 und die Gebiete der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die nach dem Gemeinschaftsrecht als Inland dieser Mitgliedstaaten gelten (übriges Gemeinschaftsgebiet). Das Fürstentum Monaco gilt als Gebiet der Französischen Republik; die Insel Man gilt als Gebiet des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland. Drittlandsgebiet im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet, das nicht Gemeinschaftsgebiet ist.

(3) Folgende Umsätze, die in den Freihäfen und in den Gewässern und Watten zwischen der Hoheitsgrenze und der jeweiligen Strandlinie bewirkt werden, sind wie Umsätze im Inland zu behandeln:

1.
die Lieferungen und die innergemeinschaftlichen Erwerbe von Gegenständen, die zum Gebrauch oder Verbrauch in den bezeichneten Gebieten oder zur Ausrüstung oder Versorgung eines Beförderungsmittels bestimmt sind, wenn die Gegenstände
a)
nicht für das Unternehmen des Abnehmers erworben werden, oder
b)
vom Abnehmer ausschließlich oder zum Teil für eine nach § 4 Nummer 8 bis 27 und 29 steuerfreie Tätigkeit verwendet werden;
2.
die sonstigen Leistungen, die
a)
nicht für das Unternehmen des Leistungsempfängers ausgeführt werden, oder
b)
vom Leistungsempfänger ausschließlich oder zum Teil für eine nach § 4 Nummer 8 bis 27 und 29 steuerfreie Tätigkeit verwendet werden;
3.
die Lieferungen im Sinne des § 3 Abs. 1b und die sonstigen Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a;
4.
die Lieferungen von Gegenständen, die sich im Zeitpunkt der Lieferung
a)
in einem zollamtlich bewilligten Freihafen-Veredelungsverkehr oder in einer zollamtlich besonders zugelassenen Freihafenlagerung oder
b)
einfuhrumsatzsteuerrechtlich im freien Verkehr befinden;
5.
die sonstigen Leistungen, die im Rahmen eines Veredelungsverkehrs oder einer Lagerung im Sinne der Nummer 4 Buchstabe a ausgeführt werden;
6.
(weggefallen)
7.
der innergemeinschaftliche Erwerb eines neuen Fahrzeugs durch die in § 1a Abs. 3 und § 1b Abs. 1 genannten Erwerber.
Lieferungen und sonstige Leistungen an juristische Personen des öffentlichen Rechts sowie deren innergemeinschaftlicher Erwerb in den bezeichneten Gebieten sind als Umsätze im Sinne der Nummern 1 und 2 anzusehen, soweit der Unternehmer nicht anhand von Aufzeichnungen und Belegen das Gegenteil glaubhaft macht.

(1) Hat der Gesamtumsatz des Unternehmers (§ 19 Absatz 3) im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 600 000 Euro betragen, wird die Steuer für die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ausgeführten Umsätze vorbehaltlich der Sätze 2 bis 4 wie folgt festgesetzt:

1.
für die Lieferungen von forstwirtschaftlichen Erzeugnissen, ausgenommen Sägewerkserzeugnisse, auf 5,5 Prozent,
2.
für die Lieferungen der in der Anlage 2 nicht aufgeführten Sägewerkserzeugnisse und Getränke sowie von alkoholischen Flüssigkeiten, ausgenommen die Lieferungen in das Ausland und die im Ausland bewirkten Umsätze, und für sonstige Leistungen, soweit in der Anlage 2 nicht aufgeführte Getränke abgegeben werden, auf 19 Prozent,
3.
für die übrigen Umsätze im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 1 auf 9,0 Prozent der Bemessungsgrundlage.
Die Befreiungen nach § 4 mit Ausnahme der Nummern 1 bis 7 bleiben unberührt; § 9 findet keine Anwendung. Die Vorsteuerbeträge werden, soweit sie den in Satz 1 Nr. 1 bezeichneten Umsätzen zuzurechnen sind, auf 5,5 Prozent, in den übrigen Fällen des Satzes 1 auf 9,0 Prozent der Bemessungsgrundlage für diese Umsätze festgesetzt. Ein weiterer Vorsteuerabzug entfällt. § 14 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass der für den Umsatz maßgebliche Durchschnittssatz in der Rechnung zusätzlich anzugeben ist.

(2) Als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb gelten

1.
die Landwirtschaft, die Forstwirtschaft, der Wein-, Garten-, Obst- und Gemüsebau, die Baumschulen, alle Betriebe, die Pflanzen und Pflanzenteile mit Hilfe der Naturkräfte gewinnen, die Binnenfischerei, die Teichwirtschaft, die Fischzucht für die Binnenfischerei und Teichwirtschaft, die Imkerei, die Wanderschäferei sowie die Saatzucht;
2.
Tierzucht- und Tierhaltungsbetriebe, soweit ihre Tierbestände nach den §§ 51 und 51a des Bewertungsgesetzes zur landwirtschaftlichen Nutzung gehören.
Zum land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehören auch die Nebenbetriebe, die dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zu dienen bestimmt sind.

(3) Führt der Unternehmer neben den in Absatz 1 bezeichneten Umsätzen auch andere Umsätze aus, so ist der land- und forstwirtschaftliche Betrieb als ein in der Gliederung des Unternehmens gesondert geführter Betrieb zu behandeln.

(4) Der Unternehmer kann spätestens bis zum 10. Tag eines Kalenderjahres gegenüber dem Finanzamt erklären, dass seine Umsätze vom Beginn des vorangegangenen Kalenderjahres an nicht nach den Absätzen 1 bis 3, sondern nach den allgemeinen Vorschriften dieses Gesetzes besteuert werden sollen. Die Erklärung bindet den Unternehmer mindestens für fünf Kalenderjahre; im Falle der Geschäftsveräußerung ist der Erwerber an diese Frist gebunden. Sie kann mit Wirkung vom Beginn eines Kalenderjahres an widerrufen werden. Der Widerruf ist spätestens bis zum 10. Tag nach Beginn dieses Kalenderjahres zu erklären. Die Frist nach Satz 4 kann verlängert werden. Ist die Frist bereits abgelaufen, so kann sie rückwirkend verlängert werden, wenn es unbillig wäre, die durch den Fristablauf eingetretenen Rechtsfolgen bestehen zu lassen.

(5) Das Bundesministerium der Finanzen überprüft jährlich die Höhe des Durchschnittssatzes im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 und Satz 3 und berichtet dem Deutschen Bundestag über das Ergebnis der Überprüfung. Der Durchschnittssatz wird ermittelt aus dem Verhältnis der Summe der Vorsteuern zu der Summe der Umsätze aller Unternehmer, die ihre Umsätze nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3 versteuern, in einem Zeitraum von drei Jahren. Der ermittelte Durchschnittssatz wird auf eine Nachkommastelle kaufmännisch gerundet. Soweit nach der Überprüfung eine Anpassung des Durchschnittssatzes in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und Satz 3 erforderlich ist, legt die Bundesregierung kurzfristig einen entsprechenden Gesetzentwurf vor.

(1) Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:

1.
die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a ausgestellte Rechnung besitzt. Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist;
2.
die entstandene Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände, die für sein Unternehmen nach § 1 Absatz 1 Nummer 4 eingeführt worden sind;
3.
die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen für sein Unternehmen, wenn der innergemeinschaftliche Erwerb nach § 3d Satz 1 im Inland bewirkt wird;
4.
die Steuer für Leistungen im Sinne des § 13b Absatz 1 und 2, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Soweit die Steuer auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Leistungen entfällt, ist sie abziehbar, wenn die Zahlung geleistet worden ist;
5.
die nach § 13a Abs. 1 Nr. 6 geschuldete Steuer für Umsätze, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.
Nicht als für das Unternehmen ausgeführt gilt die Lieferung, die Einfuhr oder der innergemeinschaftliche Erwerb eines Gegenstands, den der Unternehmer zu weniger als 10 Prozent für sein Unternehmen nutzt.

(1a) Nicht abziehbar sind Vorsteuerbeträge, die auf Aufwendungen, für die das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 4, 7 oder des § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes gilt, entfallen. Dies gilt nicht für Bewirtungsaufwendungen, soweit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes einen Abzug angemessener und nachgewiesener Aufwendungen ausschließt.

(1b) Verwendet der Unternehmer ein Grundstück sowohl für Zwecke seines Unternehmens als auch für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb sowie für die sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit diesem Grundstück vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, soweit sie nicht auf die Verwendung des Grundstücks für Zwecke des Unternehmens entfällt. Bei Berechtigungen, für die die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke gelten, und bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden ist Satz 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen sowie für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung folgender Umsätze verwendet:

1.
steuerfreie Umsätze;
2.
Umsätze im Ausland, die steuerfrei wären, wenn sie im Inland ausgeführt würden.
Gegenstände oder sonstige Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung einer Einfuhr oder eines innergemeinschaftlichen Erwerbs verwendet, sind den Umsätzen zuzurechnen, für die der eingeführte oder innergemeinschaftlich erworbene Gegenstand verwendet wird.

(3) Der Ausschluss vom Vorsteuerabzug nach Absatz 2 tritt nicht ein, wenn die Umsätze

1.
in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1
a)
nach § 4 Nr. 1 bis 7, § 25 Abs. 2 oder nach den in § 26 Abs. 5 bezeichneten Vorschriften steuerfrei sind oder
b)
nach § 4 Nummer 8 Buchstabe a bis g, Nummer 10 oder Nummer 11 steuerfrei sind und sich unmittelbar auf Gegenstände beziehen, die in das Drittlandsgebiet ausgeführt werden;
2.
in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 2
a)
nach § 4 Nr. 1 bis 7, § 25 Abs. 2 oder nach den in § 26 Abs. 5 bezeichneten Vorschriften steuerfrei wären oder
b)
nach § 4 Nummer 8 Buchstabe a bis g, Nummer 10 oder Nummer 11 steuerfrei wären und der Leistungsempfänger im Drittlandsgebiet ansässig ist oder diese Umsätze sich unmittelbar auf Gegenstände beziehen, die in das Drittlandsgebiet ausgeführt werden.

(4) Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten, eingeführten oder innergemeinschaftlich erworbenen Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Der Unternehmer kann die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln. Eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, ist nur zulässig, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist. In den Fällen des Absatzes 1b gelten die Sätze 1 bis 3 entsprechend.

(4a) Für Fahrzeuglieferer (§ 2a) gelten folgende Einschränkungen des Vorsteuerabzugs:

1.
Abziehbar ist nur die auf die Lieferung, die Einfuhr oder den innergemeinschaftlichen Erwerb des neuen Fahrzeugs entfallende Steuer.
2.
Die Steuer kann nur bis zu dem Betrag abgezogen werden, der für die Lieferung des neuen Fahrzeugs geschuldet würde, wenn die Lieferung nicht steuerfrei wäre.
3.
Die Steuer kann erst in dem Zeitpunkt abgezogen werden, in dem der Fahrzeuglieferer die innergemeinschaftliche Lieferung des neuen Fahrzeugs ausführt.

(4b) Für Unternehmer, die nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig sind und die nur Steuer nach § 13b Absatz 5, nur Steuer nach § 13b Absatz 5 und § 13a Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit § 14c Absatz 1 oder nur Steuer nach § 13b Absatz 5 und § 13a Absatz 1 Nummer 4 schulden, gelten die Einschränkungen des § 18 Absatz 9 Satz 5 und 6 entsprechend.

(5) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen darüber treffen,

1.
in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens für den Vorsteuerabzug auf eine Rechnung im Sinne des § 14 oder auf einzelne Angaben in der Rechnung verzichtet werden kann,
2.
unter welchen Voraussetzungen, für welchen Besteuerungszeitraum und in welchem Umfang zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Härten in den Fällen, in denen ein anderer als der Leistungsempfänger ein Entgelt gewährt (§ 10 Abs. 1 Satz 3), der andere den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen kann, und
3.
wann in Fällen von geringer steuerlicher Bedeutung zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Härten bei der Aufteilung der Vorsteuerbeträge (Absatz 4) Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, unberücksichtigt bleiben können oder von der Zurechnung von Vorsteuerbeträgen zu diesen Umsätzen abgesehen werden kann.

(1) Hat der Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag, als er nach diesem Gesetz für den Umsatz schuldet, gesondert ausgewiesen (unrichtiger Steuerausweis), schuldet er auch den Mehrbetrag. Berichtigt er den Steuerbetrag gegenüber dem Leistungsempfänger, ist § 17 Abs. 1 entsprechend anzuwenden. In den Fällen des § 1 Abs. 1a und in den Fällen der Rückgängigmachung des Verzichts auf die Steuerbefreiung nach § 9 gilt Absatz 2 Satz 3 bis 5 entsprechend.

(2) Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist (unberechtigter Steuerausweis), schuldet den ausgewiesenen Betrag. Das Gleiche gilt, wenn jemand wie ein leistender Unternehmer abrechnet und einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er nicht Unternehmer ist oder eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt. Der nach den Sätzen 1 und 2 geschuldete Steuerbetrag kann berichtigt werden, soweit die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt worden ist. Die Gefährdung des Steueraufkommens ist beseitigt, wenn ein Vorsteuerabzug beim Empfänger der Rechnung nicht durchgeführt oder die geltend gemachte Vorsteuer an die Finanzbehörde zurückgezahlt worden ist. Die Berichtigung des geschuldeten Steuerbetrags ist beim Finanzamt gesondert schriftlich zu beantragen und nach dessen Zustimmung in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 1 für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Voraussetzungen des Satzes 4 eingetreten sind.

(1) Rechnung ist jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Die Echtheit der Herkunft der Rechnung, die Unversehrtheit ihres Inhalts und ihre Lesbarkeit müssen gewährleistet werden. Echtheit der Herkunft bedeutet die Sicherheit der Identität des Rechnungsausstellers. Unversehrtheit des Inhalts bedeutet, dass die nach diesem Gesetz erforderlichen Angaben nicht geändert wurden. Jeder Unternehmer legt fest, in welcher Weise die Echtheit der Herkunft, die Unversehrtheit des Inhalts und die Lesbarkeit der Rechnung gewährleistet werden. Dies kann durch jegliche innerbetriebliche Kontrollverfahren erreicht werden, die einen verlässlichen Prüfpfad zwischen Rechnung und Leistung schaffen können. Rechnungen sind auf Papier oder vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers elektronisch zu übermitteln. Eine elektronische Rechnung ist eine Rechnung, die in einem elektronischen Format ausgestellt und empfangen wird.

(2) Führt der Unternehmer eine Lieferung oder eine sonstige Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 aus, gilt Folgendes:

1.
führt der Unternehmer eine steuerpflichtige Werklieferung (§ 3 Abs. 4 Satz 1) oder sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück aus, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen;
2.
führt der Unternehmer eine andere als die in Nummer 1 genannte Leistung aus, ist er berechtigt, eine Rechnung auszustellen. Soweit er einen Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist, ausführt, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen. Eine Verpflichtung zur Ausstellung einer Rechnung besteht nicht, wenn der Umsatz nach § 4 Nummer 8 bis 29 steuerfrei ist. § 14a bleibt unberührt.
Unbeschadet der Verpflichtungen nach Satz 1 Nr. 1 und 2 Satz 2 kann eine Rechnung von einem in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfänger für eine Lieferung oder sonstige Leistung des Unternehmers ausgestellt werden, sofern dies vorher vereinbart wurde (Gutschrift). Die Gutschrift verliert die Wirkung einer Rechnung, sobald der Empfänger der Gutschrift dem ihm übermittelten Dokument widerspricht. Eine Rechnung kann im Namen und für Rechnung des Unternehmers oder eines in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfängers von einem Dritten ausgestellt werden.

(3) Unbeschadet anderer nach Absatz 1 zulässiger Verfahren gelten bei einer elektronischen Rechnung die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit des Inhalts als gewährleistet durch

1.
eine qualifizierte elektronische Signatur oder
2.
elektronischen Datenaustausch (EDI) nach Artikel 2 der Empfehlung 94/820/EG der Kommission vom 19. Oktober 1994 über die rechtlichen Aspekte des elektronischen Datenaustausches (ABl. L 338 vom 28.12.1994, S. 98), wenn in der Vereinbarung über diesen Datenaustausch der Einsatz von Verfahren vorgesehen ist, die die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit der Daten gewährleisten.

(4) Eine Rechnung muss folgende Angaben enthalten:

1.
den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers,
2.
die dem leistenden Unternehmer vom Finanzamt erteilte Steuernummer oder die ihm vom Bundeszentralamt für Steuern erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer,
3.
das Ausstellungsdatum,
4.
eine fortlaufende Nummer mit einer oder mehreren Zahlenreihen, die zur Identifizierung der Rechnung vom Rechnungsaussteller einmalig vergeben wird (Rechnungsnummer),
5.
die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung,
6.
den Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung; in den Fällen des Absatzes 5 Satz 1 den Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgelts oder eines Teils des Entgelts, sofern der Zeitpunkt der Vereinnahmung feststeht und nicht mit dem Ausstellungsdatum der Rechnung übereinstimmt,
7.
das nach Steuersätzen und einzelnen Steuerbefreiungen aufgeschlüsselte Entgelt für die Lieferung oder sonstige Leistung (§ 10) sowie jede im Voraus vereinbarte Minderung des Entgelts, sofern sie nicht bereits im Entgelt berücksichtigt ist,
8.
den anzuwendenden Steuersatz sowie den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag oder im Fall einer Steuerbefreiung einen Hinweis darauf, dass für die Lieferung oder sonstige Leistung eine Steuerbefreiung gilt,
9.
in den Fällen des § 14b Abs. 1 Satz 5 einen Hinweis auf die Aufbewahrungspflicht des Leistungsempfängers und
10.
in den Fällen der Ausstellung der Rechnung durch den Leistungsempfänger oder durch einen von ihm beauftragten Dritten gemäß Absatz 2 Satz 2 die Angabe „Gutschrift”.
In den Fällen des § 10 Abs. 5 sind die Nummern 7 und 8 mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Bemessungsgrundlage für die Leistung (§ 10 Abs. 4) und der darauf entfallende Steuerbetrag anzugeben sind. Unternehmer, die § 24 Abs. 1 bis 3 anwenden, sind jedoch auch in diesen Fällen nur zur Angabe des Entgelts und des darauf entfallenden Steuerbetrags berechtigt. Die Berichtigung einer Rechnung um fehlende oder unzutreffende Angaben ist kein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und § 233a Absatz 2a der Abgabenordnung.

(5) Vereinnahmt der Unternehmer das Entgelt oder einen Teil des Entgelts für eine noch nicht ausgeführte Lieferung oder sonstige Leistung, gelten die Absätze 1 bis 4 sinngemäß. Wird eine Endrechnung erteilt, sind in ihr die vor Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung vereinnahmten Teilentgelte und die auf sie entfallenden Steuerbeträge abzusetzen, wenn über die Teilentgelte Rechnungen im Sinne der Absätze 1 bis 4 ausgestellt worden sind.

(6) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens durch Rechtsverordnung bestimmen, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen

1.
Dokumente als Rechnungen anerkannt werden können,
2.
die nach Absatz 4 erforderlichen Angaben in mehreren Dokumenten enthalten sein können,
3.
Rechnungen bestimmte Angaben nach Absatz 4 nicht enthalten müssen,
4.
eine Verpflichtung des Unternehmers zur Ausstellung von Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis (Absatz 4) entfällt oder
5.
Rechnungen berichtigt werden können.

(7) Führt der Unternehmer einen Umsatz im Inland aus, für den der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b schuldet, und hat der Unternehmer im Inland weder seinen Sitz noch seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird oder die an der Erbringung dieses Umsatzes beteiligt ist, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, so gelten abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaats, in dem der Unternehmer seinen Sitz, seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Satz 1 gilt nicht, wenn eine Gutschrift gemäß Absatz 2 Satz 2 vereinbart worden ist. Nimmt der Unternehmer in einem anderen Mitgliedstaat an einem der besonderen Besteuerungsverfahren entsprechend Titel XII Kapitel 6 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1) in der jeweils gültigen Fassung teil, so gelten für die in den besonderen Besteuerungsverfahren zu erklärenden Umsätze abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaates, in dem der Unternehmer seine Teilnahme anzeigt.

(1) Lieferungen eines Unternehmers sind Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht).

(1a) Als Lieferung gegen Entgelt gilt das Verbringen eines Gegenstands des Unternehmens aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Unternehmer zu seiner Verfügung, ausgenommen zu einer nur vorübergehenden Verwendung, auch wenn der Unternehmer den Gegenstand in das Inland eingeführt hat. Der Unternehmer gilt als Lieferer. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in den Fällen des § 6b.

(1b) Einer Lieferung gegen Entgelt werden gleichgestellt

1.
die Entnahme eines Gegenstands durch einen Unternehmer aus seinem Unternehmen für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen;
2.
die unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands durch einen Unternehmer an sein Personal für dessen privaten Bedarf, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen;
3.
jede andere unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands, ausgenommen Geschenke von geringem Wert und Warenmuster für Zwecke des Unternehmens.
Voraussetzung ist, dass der Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben.

(2) (weggefallen)

(3) Beim Kommissionsgeschäft (§ 383 des Handelsgesetzbuchs) liegt zwischen dem Kommittenten und dem Kommissionär eine Lieferung vor. Bei der Verkaufskommission gilt der Kommissionär, bei der Einkaufskommission der Kommittent als Abnehmer.

(3a) Ein Unternehmer, der mittels seiner elektronischen Schnittstelle die Lieferung eines Gegenstands, dessen Beförderung oder Versendung im Gemeinschaftsgebiet beginnt und endet, durch einen nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer an einen Empfänger nach § 3a Absatz 5 Satz 1 unterstützt, wird behandelt, als ob er diesen Gegenstand für sein Unternehmen selbst erhalten und geliefert hätte. Dies gilt auch in den Fällen, in denen der Unternehmer mittels seiner elektronischen Schnittstelle den Fernverkauf von aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 Euro unterstützt. Eine elektronische Schnittstelle im Sinne der Sätze 1 und 2 ist ein elektronischer Marktplatz, eine elektronische Plattform, ein elektronisches Portal oder Ähnliches. Ein Fernverkauf im Sinne des Satzes 2 ist die Lieferung eines Gegenstands, der durch den Lieferer oder für dessen Rechnung aus dem Drittlandsgebiet an einen Erwerber in einem Mitgliedstaat befördert oder versendet wird, einschließlich jener Lieferung, an deren Beförderung oder Versendung der Lieferer indirekt beteiligt ist. Erwerber im Sinne des Satzes 4 ist ein in § 3a Absatz 5 Satz 1 bezeichneter Empfänger oder eine in § 1a Absatz 3 Nummer 1 genannte Person, die weder die maßgebende Erwerbsschwelle überschreitet noch auf ihre Anwendung verzichtet; im Fall der Beendigung der Beförderung oder Versendung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates ist die von diesem Mitgliedstaat festgesetzte Erwerbsschwelle maßgebend. Satz 2 gilt nicht für die Lieferung neuer Fahrzeuge und eines Gegenstandes, der mit oder ohne probeweise Inbetriebnahme durch den Lieferer oder für dessen Rechnung montiert oder installiert geliefert wird.

(4) Hat der Unternehmer die Bearbeitung oder Verarbeitung eines Gegenstands übernommen und verwendet er hierbei Stoffe, die er selbst beschafft, so ist die Leistung als Lieferung anzusehen (Werklieferung), wenn es sich bei den Stoffen nicht nur um Zutaten oder sonstige Nebensachen handelt. Das gilt auch dann, wenn die Gegenstände mit dem Grund und Boden fest verbunden werden.

(5) Hat ein Abnehmer dem Lieferer die Nebenerzeugnisse oder Abfälle, die bei der Bearbeitung oder Verarbeitung des ihm übergebenen Gegenstands entstehen, zurückzugeben, so beschränkt sich die Lieferung auf den Gehalt des Gegenstands an den Bestandteilen, die dem Abnehmer verbleiben. Das gilt auch dann, wenn der Abnehmer an Stelle der bei der Bearbeitung oder Verarbeitung entstehenden Nebenerzeugnisse oder Abfälle Gegenstände gleicher Art zurückgibt, wie sie in seinem Unternehmen regelmäßig anfallen.

(5a) Der Ort der Lieferung richtet sich vorbehaltlich der §§ 3c, 3e und 3g nach den Absätzen 6 bis 8.

(6) Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder vom Abnehmer beauftragten Dritten befördert oder versendet, gilt die Lieferung dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt. Befördern ist jede Fortbewegung eines Gegenstands. Versenden liegt vor, wenn jemand die Beförderung durch einen selbständigen Beauftragten ausführen oder besorgen lässt. Die Versendung beginnt mit der Übergabe des Gegenstands an den Beauftragten.

(6a) Schließen mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Liefergeschäfte ab und gelangt dieser Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer (Reihengeschäft), so ist die Beförderung oder Versendung des Gegenstands nur einer der Lieferungen zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung dabei durch den ersten Unternehmer in der Reihe befördert oder versendet, ist die Beförderung oder Versendung seiner Lieferung zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung durch den letzten Abnehmer befördert oder versendet, ist die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung durch einen Abnehmer befördert oder versendet, der zugleich Lieferer ist (Zwischenhändler), ist die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen, es sei denn, er weist nach, dass er den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat. Gelangt der Gegenstand der Lieferung aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates und verwendet der Zwischenhändler gegenüber dem leistenden Unternehmer bis zum Beginn der Beförderung oder Versendung eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, die ihm vom Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung oder Versendung erteilt wurde, ist die Beförderung oder Versendung seiner Lieferung zuzuordnen. Gelangt der Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet, ist von einem ausreichenden Nachweis nach Satz 4 auszugehen, wenn der Zwischenhändler gegenüber dem leistenden Unternehmer bis zum Beginn der Beförderung oder Versendung eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer oder Steuernummer verwendet, die ihm vom Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung oder Versendung erteilt wurde. Gelangt der Gegenstand der Lieferung vom Drittlandsgebiet in das Gemeinschaftsgebiet, ist von einem ausreichenden Nachweis nach Satz 4 auszugehen, wenn der Gegenstand der Lieferung im Namen des Zwischenhändlers oder im Rahmen der indirekten Stellvertretung (Artikel 18 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union, ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1) für seine Rechnung zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr angemeldet wird.

(6b) Wird ein Unternehmer gemäß Absatz 3a behandelt, als ob er einen Gegenstand selbst erhalten und geliefert hätte, wird die Beförderung oder Versendung des Gegenstands der Lieferung durch diesen Unternehmer zugeschrieben.

(7) Wird der Gegenstand der Lieferung nicht befördert oder versendet, wird die Lieferung dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet. In den Fällen der Absätze 6a und 6b gilt Folgendes:

1.
Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung vorangehen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstands beginnt.
2.
Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung folgen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstands endet.

(8) Gelangt der Gegenstand der Lieferung bei der Beförderung oder Versendung aus dem Drittlandsgebiet in das Inland, gilt der Ort der Lieferung dieses Gegenstands als im Inland gelegen, wenn der Lieferer oder sein Beauftragter Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist.

(8a) (weggefallen)

(9) Sonstige Leistungen sind Leistungen, die keine Lieferungen sind. Sie können auch in einem Unterlassen oder im Dulden einer Handlung oder eines Zustands bestehen.

(9a) Einer sonstigen Leistung gegen Entgelt werden gleichgestellt

1.
die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands, der zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, durch einen Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen; dies gilt nicht, wenn der Vorsteuerabzug nach § 15 Absatz 1b ausgeschlossen oder wenn eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Absatz 6a durchzuführen ist;
2.
die unentgeltliche Erbringung einer anderen sonstigen Leistung durch den Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen.

(10) Überlässt ein Unternehmer einem Auftraggeber, der ihm einen Stoff zur Herstellung eines Gegenstands übergeben hat, an Stelle des herzustellenden Gegenstands einen gleichartigen Gegenstand, wie er ihn in seinem Unternehmen aus solchem Stoff herzustellen pflegt, so gilt die Leistung des Unternehmers als Werkleistung, wenn das Entgelt für die Leistung nach Art eines Werklohns unabhängig vom Unterschied zwischen dem Marktpreis des empfangenen Stoffs und dem des überlassenen Gegenstandes berechnet wird.

(11) Wird ein Unternehmer in die Erbringung einer sonstigen Leistung eingeschaltet und handelt er dabei im eigenen Namen, jedoch für fremde Rechnung, gilt diese Leistung als an ihn und von ihm erbracht.

(11a) Wird ein Unternehmer in die Erbringung einer sonstigen Leistung, die über ein Telekommunikationsnetz, eine Schnittstelle oder ein Portal erbracht wird, eingeschaltet, gilt er im Sinne von Absatz 11 als im eigenen Namen und für fremde Rechnung handelnd. Dies gilt nicht, wenn der Anbieter dieser sonstigen Leistung von dem Unternehmer als Leistungserbringer ausdrücklich benannt wird und dies in den vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien zum Ausdruck kommt. Diese Bedingung ist erfüllt, wenn

1.
in den von jedem an der Erbringung beteiligten Unternehmer ausgestellten oder verfügbar gemachten Rechnungen die sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 und der Erbringer dieser Leistung angegeben sind;
2.
in den dem Leistungsempfänger ausgestellten oder verfügbar gemachten Rechnungen die sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 und der Erbringer dieser Leistung angegeben sind.
Die Sätze 2 und 3 finden keine Anwendung, wenn der Unternehmer hinsichtlich der Erbringung der sonstigen Leistung im Sinne des Satzes 2
1.
die Abrechnung gegenüber dem Leistungsempfänger autorisiert,
2.
die Erbringung der sonstigen Leistung genehmigt oder
3.
die allgemeinen Bedingungen der Leistungserbringung festlegt.
Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht, wenn der Unternehmer lediglich Zahlungen in Bezug auf die erbrachte sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 abwickelt und nicht an der Erbringung dieser sonstigen Leistung beteiligt ist.

(12) Ein Tausch liegt vor, wenn das Entgelt für eine Lieferung in einer Lieferung besteht. Ein tauschähnlicher Umsatz liegt vor, wenn das Entgelt für eine sonstige Leistung in einer Lieferung oder sonstigen Leistung besteht.

(13) Ein Gutschein (Einzweck- oder Mehrzweck-Gutschein) ist ein Instrument, bei dem

1.
die Verpflichtung besteht, es als vollständige oder teilweise Gegenleistung für eine Lieferung oder sonstige Leistung anzunehmen und
2.
der Liefergegenstand oder die sonstige Leistung oder die Identität des leistenden Unternehmers entweder auf dem Instrument selbst oder in damit zusammenhängenden Unterlagen, einschließlich der Bedingungen für die Nutzung dieses Instruments, angegeben sind.
Instrumente, die lediglich zu einem Preisnachlass berechtigen, sind keine Gutscheine im Sinne des Satzes 1.

(14) Ein Gutschein im Sinne des Absatzes 13, bei dem der Ort der Lieferung oder der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, und die für diese Umsätze geschuldete Steuer zum Zeitpunkt der Ausstellung des Gutscheins feststehen, ist ein Einzweck-Gutschein. Überträgt ein Unternehmer einen Einzweck-Gutschein im eigenen Namen, gilt die Übertragung des Gutscheins als die Lieferung des Gegenstands oder die Erbringung der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht. Überträgt ein Unternehmer einen Einzweck-Gutschein im Namen eines anderen Unternehmers, gilt diese Übertragung als Lieferung des Gegenstands oder Erbringung der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, durch den Unternehmer, in dessen Namen die Übertragung des Gutscheins erfolgt. Wird die im Einzweck-Gutschein bezeichnete Leistung von einem anderen Unternehmer erbracht als dem, der den Gutschein im eigenen Namen ausgestellt hat, wird der leistende Unternehmer so behandelt, als habe er die im Gutschein bezeichnete Leistung an den Aussteller erbracht. Die tatsächliche Lieferung oder die tatsächliche Erbringung der sonstigen Leistung, für die ein Einzweck-Gutschein als Gegenleistung angenommen wird, gilt in den Fällen der Sätze 2 bis 4 nicht als unabhängiger Umsatz.

(15) Ein Gutschein im Sinne des Absatzes 13, bei dem es sich nicht um einen Einzweck-Gutschein handelt, ist ein Mehrzweck-Gutschein. Die tatsächliche Lieferung oder die tatsächliche Erbringung der sonstigen Leistung, für die der leistende Unternehmer einen Mehrzweck-Gutschein als vollständige oder teilweise Gegenleistung annimmt, unterliegt der Umsatzsteuer nach § 1 Absatz 1, wohingegen jede vorangegangene Übertragung dieses Mehrzweck-Gutscheins nicht der Umsatzsteuer unterliegt.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Finanzgerichts München vom 26. Januar 2012  14 K 2222/11 aufgehoben.

Die Sache wird an das Finanzgericht München zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) begehrt den Vorsteuerabzug aus dem Erwerb einer Photovoltaikanlage.

2

Sie war im Besteuerungszeitraum 2010 (Streitjahr) selbständig im Bereich Partyservice, Organisation und Dekoration von Festen tätig.

3

Am 8. November 2010 bestellte die Klägerin bei der … GmbH & Co. KG (G) eine Photovoltaikanlage --bestehend aus Modulen, Wechselrichter, Unterkonstruktion und erforderlichem Systemzubehör-- zum Preis von 50.000 € (netto). Die G hatte die Anlage zuvor in Bauteilen von der … AG mit Sitz in … (C) erworben. Nach Nr. 1.4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von G war dieser bekannt, dass die Klägerin die Photovoltaikanlage an die C zu verpachten beabsichtigte. Außerdem wies die Klägerin die G an, die Anlage direkt an die C zu übergeben (Nr. 2.2 der AGB).

4

Ebenfalls am 8. November 2010 bot die Klägerin der C den Abschluss eines Pachtvertrags an, der durch Annahme seitens der C am 20. Dezember 2010 zu Stande kam. Als Gegenstand des Pachtvertrags wurde dabei nicht die Überlassung der Photovoltaikanlage in betriebsbereitem Zustand, sondern die Überlassung der Einzelteile vereinbart. Die C schuldete --beginnend ab Januar 2011-- für die Dauer von 215 Monaten einen monatlichen Pachtzins in Höhe von jeweils 541,67 € (netto). Zudem war sie, die C, verpflichtet, die Anlage an einem geeigneten Standort in Deutschland, insbesondere auf einem Dach oder in einem Solarpark, zu errichten und während der gesamten Dauer des Pachtverhältnisses die Funktionsfähigkeit der Photovoltaikanlage zu gewährleisten, wozu insbesondere die Wartung, Reparatur und ggf. Erneuerung der Anlage zählten. Die C war auch befugt, den Aufstellungsort der Anlage zu wechseln. Die Klägerin musste die Photovoltaikanlage nach Ablauf der vereinbarten Pachtdauer der C oder einem von dieser benannten Dritten zu einem Kaufpreis von 10.833,40 € (netto) anbieten.

5

Bis zur Installation lagerten die von der G an die Klägerin verkauften Teile in einer von der C angemieteten Lagerhalle. Die Photovoltaikanlage wurde im Dezember 2010 von C auf einem Gebäude in … installiert, aber bis Januar 2012 nicht zur Stromerzeugung genutzt.

6

Am 20. Dezember 2010 reichte die Klägerin beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) eine Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 2010 ein, in der sie Vorsteuern in Höhe von 9.500 € im Zusammenhang mit dem Erwerb der Photovoltaikanlage geltend machte. Da die Klägerin zwar zwei Rechnungen der G vorlegte, nicht jedoch die vom FA angeforderten Nachweise über die Lieferung, insbesondere das Lieferdatum und den Standort, sowie zur Existenz bzw. Funktionstüchtigkeit der Photovoltaikanlage, lehnte das FA den Vorsteuerabzug mit Bescheid vom 3. Mai 2011 mit der Begründung ab, dass bezüglich der Verpachtung der Photovoltaikanlage keine selbständige unternehmerische Tätigkeit i.S. von § 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) der Klägerin vorliege.

7

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, es sei keine Lieferung an die Klägerin erfolgt. Selbst wenn man --trotz vorhandener Zweifel-- davon ausgehe, dass die G die Verfügungsmacht über die Photovoltaikanlage gehabt habe, sei der Klägerin selbst jedenfalls keine Verfügungsmacht an dieser Anlage eingeräumt worden. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1702 veröffentlicht.

8

Das FA schätzte mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehendem Bescheid vom 11. Dezember 2012 die Besteuerungsgrundlagen für das Streitjahr 2010 und setzte die Umsatzsteuer ohne Berücksichtigung des von der Klägerin begehrten Vorsteuerabzugs auf 0 € fest. Mit Bescheid vom 28. Oktober 2013 hob es den Vorbehalt der Nachprüfung auf.

9

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts (§ 3 Abs. 1, § 15 Abs. 1 UStG).

10

Die G habe die Photovoltaikanlage an sie geliefert. Sie, die Klägerin, habe sowohl das zivilrechtliche Eigentum als auch das wirtschaftliche Eigentum an der tatsächlich existenten Photovoltaikanlage erlangt. Ihrem Herausgabeanspruch komme auch wirtschaftliche Bedeutung zu, denn entweder werde ihr Eigentum über den Kaufpreis angemessen vergütet oder sie erhalte die Photovoltaikanlage zur freien Verfügung, falls die C das ihr zustehende Andienungsrecht nicht ausübe. Sie sei in ihrer Verfügungsbefugnis nur aufgrund des von ihr freiwillig abgeschlossenen Pachtvertrags beschränkt.

11

Soweit das FG darauf abstelle, eine Lieferung setze voraus, dass sie, die Klägerin, in die Lage versetzt werden müsse, unmittelbar auf die Anlage zuzugreifen, führe dies dazu, dass es in vielen Fällen keine Reihengeschäfte mehr gebe. Bei Reihengeschäften sei es häufig so, dass die physische Lieferung erst erfolge, nachdem die Ware weiterverkauft oder "verleast" sei. Die Auffassung des FG führe dazu, dass in diesen Fällen keine Lieferung vorliege. Im Gegensatz dazu ergebe sich insbesondere aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zu Reihengeschäften, dass ein unmittelbarer Zugriff auf den Gegenstand der Lieferung nicht erforderlich sei.

12

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des FG aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid vom 28. Oktober 2013 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer 2010 auf einen "Negativbetrag" von 9.500 € festgesetzt wird.

13

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

14

Das FA verweist auf die aus seiner Sicht zutreffenden Gründe des FG-Urteils. Trotz Eigentumsübertragung im zivilrechtlichen Sinne fehle es an der Verschaffung der Verfügungsmacht, wenn die Herrschaftsmacht an der Sache nicht mit dem Willen übertragen werde, die Sachsubstanz als solche endgültig dem Abnehmer zuzuwenden. Die zeitliche und sachliche Verknüpfung zwischen Kaufvertrag und Pachtvertrag lasse darauf schließen, dass die Verschaffung der Verfügungsmacht an die Klägerin nicht ernsthaft gewollt gewesen sei. Die Anlagekomponenten hätten den tatsächlichen Herrschaftsbereich der Pächterin (C) nie verlassen. Einziger Zweck der zivilrechtlichen Eigentumsübertragung sei es gewesen, der Klägerin eine Sicherheit für ihre Pachtansprüche einzuräumen.

Entscheidungsgründe

15

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

16

Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass eine Lieferung im umsatzsteuerrechtlichen Sinne eine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit des Erwerbers auf den Liefergegenstand voraussetzt. Die tatsächlichen Feststellungen tragen nicht die vom FG vorgenommene Würdigung, der wirtschaftliche Gehalt der Vereinbarungen in Kauf- und Pachtvertrag habe in der Finanzierung des Erwerbs der Photovoltaikanlage und in der Sicherung der Klägerin durch die Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums bestanden.

17

1. Die Vorentscheidung ist aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, weil ihr ein nicht mehr wirksamer Verwaltungsakt zugrunde liegt.

18

Der während des Revisionsverfahrens ergangene Bescheid über die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung vom 28. Oktober 2013, der einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht (§ 164 Abs. 3 Satz 2 der Abgabenordnung --AO--), ist zum Gegenstand des Verfahrens geworden, denn er ersetzt nach § 121 Satz 1 i.V.m. § 68 Satz 1 FGO den zuvor ergangenen Umsatzsteuer-Jahresbescheid für 2010 vom 11. Dezember 2012, der seinerseits an die Stelle des angefochtenen Vorauszahlungsbescheides für Dezember 2010 vom 3. Mai 2011 getreten ist und über den das FG entschieden hat (vgl. dazu z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 3. November 2005 V R 63/02, BFHE 212, 161, BStBl II 2006, 337, unter II.1., Rz 17; vom 5. Juni 2014 XI R 25/12, BFHE 245, 465, BFH/NV 2014, 1692, Rz 27). Damit liegt dem FG-Urteil ein in seiner Wirkung suspendierter Bescheid zugrunde mit der Folge, dass auch das FG-Urteil insoweit keinen Bestand haben kann (vgl. dazu z.B. BFH-Urteil vom 1. Oktober 2014 XI R 13/14, BFHE 248, 367, BFH/NV 2015, 451, Rz 15, m.w.N.).

19

2. Lieferungen sind nach § 3 Abs. 1 UStG Leistungen, durch die ein Unternehmer oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Diese Bestimmung setzt Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (vormals Art. 5 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern) in nationales Recht um.

20

a) Der unionsrechtliche Begriff "Lieferung von Gegenständen" bezieht sich nicht auf die Eigentumsübertragung in den durch das anwendbare nationale Recht vorgesehenen Formen. Er umfasst vielmehr jede Übertragung eines körperlichen Gegenstands durch eine Partei, die die andere Partei ermächtigt, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer (ständige Rechtsprechung des EuGH, vgl. z.B. EuGH-Urteile Shipping and Forwarding Enterprise Safe vom 8. Februar 1990 C-320/88, EU:C:1990:61, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 1991, 289, Rz 7 f.; Auto Lease Holland vom 6. Februar 2003 C-185/01, EU:C:2003:73, UR 2003, 137, Rz 32; Eon Aset Menidjmunt vom 16. Februar 2012 C-118/11, EU:C:2012:97, UR 2012, 230, Rz 39; NLB Leasing vom 2. Juli 2015 C-209/14, EU:C:2015:440, Mehrwertsteuerrecht --MwStR-- 2015, 636, Rz 29, m.w.N.). Der BFH umschreibt diesen Vorgang seit jeher und ebenfalls in ständiger Rechtsprechung als Übertragung von Substanz, Wert und Ertrag, ohne damit inhaltlich von der Rechtsprechung des EuGH abzuweichen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 25. Februar 2015 XI R 15/14, BFHE 249, 343, BFH/NV 2015, 772, Rz 66, m.w.N.).

21

b) Eine Übertragung der Befugnis, wie ein Eigentümer über einen Gegenstand zu verfügen, kann z.B. dann vorliegen, wenn der dem zivilrechtlichen Eigentümer zustehende Herausgabeanspruch wertlos ist oder der Eigentümer den wirtschaftlichen Gehalt des Gegenstands dem Abnehmer auf sonstige Weise zuwendet. Dem Herausgabeanspruch des Eigentümers kommt dabei z.B. dann keine wirtschaftliche Bedeutung mehr zu, wenn der Nutzungsberechtigte nach dem Nutzungsvertrag verlangen kann, dass ihm das zur Nutzung überlassene Wirtschaftsgut unentgeltlich oder zu einem geringen Entgelt übertragen wird (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 16. April 2008 XI R 56/06, BFHE 221, 475, BStBl II 2008, 909, unter II.2.a, Rz 26, m.w.N.; vom 24. Oktober 2013 V R 17/13, BFHE 243, 456, BStBl II 2015, 513, Rz 24).

22

c) Ob die Verfügungsmacht in diesem Sinne übertragen wird, richtet sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse des Einzelfalls, d.h. den konkreten vertraglichen Vereinbarungen und deren tatsächlicher Durchführung unter Berücksichtigung der Interessenlage der Beteiligten (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 9. Februar 2006 V R 22/03, BFHE 213, 83, BStBl II 2006, 727, unter II.1.b aa, Rz 20; in BFHE 221, 475, BStBl II 2008, 909, unter II.2.a, Rz 27). Dies ist vom nationalen Gericht festzustellen (vgl. z.B. EuGH-Urteile Shipping and Forwarding Enterprise Safe, EU:C:1990:61, UR 1991, 289, Rz 13; Centralan Property vom 15. Dezember 2005 C-63/04, EU:C:2005:773, UR 2006, 418, Rz 63; Evita-K vom 18. Juli 2013 C-78/12, EU:C:2013:486, UR 2014, 475, Rz 34).

23

3. Entgegen der Rechtsansicht des FG ergibt sich aus diesen Grundsätzen nicht, dass eine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit notwendige Voraussetzung für das Vorliegen einer Lieferung ist.

24

a) Bereits der Gesetzeswortlaut von § 3 Abs. 1 UStG sieht vor, das der liefernde Unternehmer "den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen". Diese Bestimmung sieht damit vor, dass eine Lieferung durch eine direkte Auslieferung an einen Dritten (z.B. Zweiterwerber) bewirkt werden kann (vgl. Martin in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 3 UStG Rz 158). In diesem Fall hat der Abnehmer selbst keine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit auf den Liefergegenstand. Aus der Aussage, dass es für eine umsatzsteuerrechtliche Verfügung "genügt", tatsächlich auf den Liefergegenstand einzuwirken (vgl. Nieskens in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 3 Rz 653), ergibt sich --entgegen der Auffassung des FG-- nicht, dass ein "tatsächliches Einwirken auf den Gegenstand" notwendige Voraussetzung für eine Lieferung wäre.

25

b) Dass eine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit des Erwerbers bestehen müsste, ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung von EuGH oder BFH.

26

Im Gegenteil geht der EuGH z.B. im Urteil VSTR vom 27. September 2012 C-587/10 (EU:C:2012:592, UR 2012, 832) zur Zuordnung der steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung davon aus, dass es Vorgänge gibt, bei denen in Bezug auf denselben Liefergegenstand zwei aufeinanderfolgende Lieferungen, aber nur eine innergemeinschaftliche Beförderung durchgeführt wurden (Rz 31, sog. Reihengeschäft). Gelangt der Liefergegenstand bei einem Reihengeschäft unmittelbar vom ersten Lieferer an den letzten Abnehmer und holt der letzte Abnehmer die Ware beim ersten Lieferer ab, so erlangt der erste Abnehmer grundsätzlich zu keinem Zeitpunkt eine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit auf den Liefergegenstand, obwohl zwei Lieferungen vorliegen (vgl. zu einem solchen Sachverhalt z.B. BFH-Urteil vom 25. Februar 2015 XI R 30/13, BFHE 249, 336, BFH/NV 2015, 769).

27

Eine Lieferung kann auch dadurch bewirkt werden, dass der Liefergegenstand in Vollzug einer auf Eigentumsübertragung gerichteten Vereinbarung durch Einräumung mittelbaren Besitzes übergeben wird (vgl. BFH-Urteil vom 8. September 2011 V R 43/10, BFHE 235, 501, BStBl II 2014, 203, Rz 18). Auch in diesem Fall hat der Erwerber keine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit auf den gelieferten Gegenstand.

28

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem EuGH-Urteil Fast Bunkering Klaipèda vom 3. September 2015 C-526/13 (EU:C:2015:536, UR 2015, 785).

29

4. Die Sache ist nicht spruchreif. Die vom FG bislang getroffenen Feststellungen tragen dessen Würdigung nicht, dass der wirtschaftliche Gehalt der getroffenen Vereinbarungen in Kauf- und Pachtvertrag in der Finanzierung des Erwerbs der Photovoltaikanlage und darüber hinaus in der Sicherung der Klägerin durch das zivilrechtliche Eigentum an dieser Anlage bestand.

30

a) Um die Leistung der Klägerin als reine Finanzierungsleistung mit Sicherung durch das zivilrechtliche Eigentum anzusehen, hätte das FG feststellen müssen, ob die C ihre Verfügungsmacht über die Photovoltaikanlage --trotz der zwischenzeitlichen Veräußerung nacheinander an die G und die Klägerin sowie die anschließende (Rück-)Verpachtung an die C-- zu keinem Zeitpunkt verloren hat. Dies hat das FG jedoch (ausdrücklich) offengelassen.

31

b) Sofern die G die Verfügungsmacht über die Photovoltaikanlage erlangt hat, so ist die vom FG vorgenommene umsatzsteuerrechtliche Würdigung der Leistung der Klägerin als Finanzierungsleistung mit Sicherung durch das zivilrechtliche Eigentum nur möglich, wenn --was das FG nicht (positiv) festgestellt hat-- die G entgegen der vertraglichen Vereinbarungen die Verfügungsmacht wieder an die C (zurück) übertragen hat.

32

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ergibt sich regelmäßig aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen, wer bei einem Umsatz als Leistender bzw. als Leistungsempfänger anzusehen ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 24. April 2013 XI R 7/11, BFHE 241, 459, BStBl II 2013, 648, Rz 22, m.w.N.). Dem entspricht die Rechtsprechung des EuGH, wonach die einschlägigen Vertragsbedingungen bei der Feststellung der Leistungsbeziehungen zu berücksichtigen sind, da die vertragliche Situation normalerweise die wirtschaftliche und geschäftliche Realität der Transaktionen widerspiegelt (EuGH-Urteil Newey vom 20. Juni 2013 C-653/11, EU:C:2013:409, MwStR 2013, 373, Rz 43).

33

bb) Eine von den "vertraglichen Vereinbarungen" abweichende Bestimmung des Leistenden kommt lediglich bei Vorliegen besonderer Umstände in Betracht (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 30. März 2006 V R 9/03, BFHE 213, 144, BStBl II 2006, 933, unter II.2.a, Rz 16). Der EuGH hat hierzu entschieden, dass sich herausstellen kann, "dass einige Vertragsbestimmungen gelegentlich die wirtschaftliche und geschäftliche Realität der Transaktionen nicht vollständig widerspiegeln", was insbesondere der Fall sein kann, wenn die betreffenden Vertragsbestimmungen eine missbräuchliche Gestaltung darstellen (EuGH-Urteil Newey, EU:C:2013:409, MwStR 2013, 373, Rz 44 f.).

34

Wann eine missbräuchliche Gestaltung vorliegt, regelt im nationalen Recht § 42 AO. Diese Bestimmung ist im Umsatzsteuerrecht anwendbar. Unionsrechtlich sind nach dem Grundsatz des Verbots des Rechtsmissbrauchs rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Gestaltungen, die allein zu dem Zweck erfolgen, einen Steuervorteil zu erlangen, verboten. Davon kann ausgegangen werden, wenn zum einen die fraglichen Umsätze trotz formaler Anwendung der Voraussetzungen der einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts und des zu ihrer Umsetzung ergangenen nationalen Rechts zur Erlangung eines Steuervorteils führen, dessen Gewährung dem mit diesen Bestimmungen verfolgten Ziel zuwiderliefe, und zum anderen aufgrund einer Reihe objektiver Anhaltspunkte ersichtlich ist, dass mit den fraglichen Umsätzen im Wesentlichen ein Steuervorteil bezweckt wird (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 11. April 2013 V R 28/12, BFH/NV 2013, 1638, Rz 28; vom 16. Juni 2015 XI R 17/13, BFHE 250, 470, BFH/NV 2015, 1655, Rz 36, m.w.N. aus der Rechtsprechung des EuGH).

35

Liegt eine solche missbräuchliche Praxis vor, so sind die Vertragsbestimmungen in der Weise neu zu definieren, dass auf die Lage abgestellt wird, die ohne die diese missbräuchliche Praxis darstellenden Transaktionen bestanden hätte (EuGH-Urteil Newey, EU:C:2013:409, MwStR 2013, 373, Rz 50, m.w.N.).

36

cc) Das FG hat, ausgehend von seiner Rechtauffassung, hierzu bislang keine Feststellungen getroffen. Es wird diese im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben.

37

c) Das FG wird auch zu prüfen haben, ob die Leistung der Klägerin ein sog. Finanzierungsleasing darstellt (vgl. EuGH-Urteile NLB Leasing, EU:C:2015:440, MwStR 2015, 636, Rz 28, 30; Eon Aset Menidjmunt, EU:C:2012:97, UR 2012, 230, Rz 40).

38

5. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

(1) Lieferungen eines Unternehmers sind Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht).

(1a) Als Lieferung gegen Entgelt gilt das Verbringen eines Gegenstands des Unternehmens aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Unternehmer zu seiner Verfügung, ausgenommen zu einer nur vorübergehenden Verwendung, auch wenn der Unternehmer den Gegenstand in das Inland eingeführt hat. Der Unternehmer gilt als Lieferer. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in den Fällen des § 6b.

(1b) Einer Lieferung gegen Entgelt werden gleichgestellt

1.
die Entnahme eines Gegenstands durch einen Unternehmer aus seinem Unternehmen für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen;
2.
die unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands durch einen Unternehmer an sein Personal für dessen privaten Bedarf, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen;
3.
jede andere unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands, ausgenommen Geschenke von geringem Wert und Warenmuster für Zwecke des Unternehmens.
Voraussetzung ist, dass der Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben.

(2) (weggefallen)

(3) Beim Kommissionsgeschäft (§ 383 des Handelsgesetzbuchs) liegt zwischen dem Kommittenten und dem Kommissionär eine Lieferung vor. Bei der Verkaufskommission gilt der Kommissionär, bei der Einkaufskommission der Kommittent als Abnehmer.

(3a) Ein Unternehmer, der mittels seiner elektronischen Schnittstelle die Lieferung eines Gegenstands, dessen Beförderung oder Versendung im Gemeinschaftsgebiet beginnt und endet, durch einen nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer an einen Empfänger nach § 3a Absatz 5 Satz 1 unterstützt, wird behandelt, als ob er diesen Gegenstand für sein Unternehmen selbst erhalten und geliefert hätte. Dies gilt auch in den Fällen, in denen der Unternehmer mittels seiner elektronischen Schnittstelle den Fernverkauf von aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 Euro unterstützt. Eine elektronische Schnittstelle im Sinne der Sätze 1 und 2 ist ein elektronischer Marktplatz, eine elektronische Plattform, ein elektronisches Portal oder Ähnliches. Ein Fernverkauf im Sinne des Satzes 2 ist die Lieferung eines Gegenstands, der durch den Lieferer oder für dessen Rechnung aus dem Drittlandsgebiet an einen Erwerber in einem Mitgliedstaat befördert oder versendet wird, einschließlich jener Lieferung, an deren Beförderung oder Versendung der Lieferer indirekt beteiligt ist. Erwerber im Sinne des Satzes 4 ist ein in § 3a Absatz 5 Satz 1 bezeichneter Empfänger oder eine in § 1a Absatz 3 Nummer 1 genannte Person, die weder die maßgebende Erwerbsschwelle überschreitet noch auf ihre Anwendung verzichtet; im Fall der Beendigung der Beförderung oder Versendung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates ist die von diesem Mitgliedstaat festgesetzte Erwerbsschwelle maßgebend. Satz 2 gilt nicht für die Lieferung neuer Fahrzeuge und eines Gegenstandes, der mit oder ohne probeweise Inbetriebnahme durch den Lieferer oder für dessen Rechnung montiert oder installiert geliefert wird.

(4) Hat der Unternehmer die Bearbeitung oder Verarbeitung eines Gegenstands übernommen und verwendet er hierbei Stoffe, die er selbst beschafft, so ist die Leistung als Lieferung anzusehen (Werklieferung), wenn es sich bei den Stoffen nicht nur um Zutaten oder sonstige Nebensachen handelt. Das gilt auch dann, wenn die Gegenstände mit dem Grund und Boden fest verbunden werden.

(5) Hat ein Abnehmer dem Lieferer die Nebenerzeugnisse oder Abfälle, die bei der Bearbeitung oder Verarbeitung des ihm übergebenen Gegenstands entstehen, zurückzugeben, so beschränkt sich die Lieferung auf den Gehalt des Gegenstands an den Bestandteilen, die dem Abnehmer verbleiben. Das gilt auch dann, wenn der Abnehmer an Stelle der bei der Bearbeitung oder Verarbeitung entstehenden Nebenerzeugnisse oder Abfälle Gegenstände gleicher Art zurückgibt, wie sie in seinem Unternehmen regelmäßig anfallen.

(5a) Der Ort der Lieferung richtet sich vorbehaltlich der §§ 3c, 3e und 3g nach den Absätzen 6 bis 8.

(6) Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder vom Abnehmer beauftragten Dritten befördert oder versendet, gilt die Lieferung dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt. Befördern ist jede Fortbewegung eines Gegenstands. Versenden liegt vor, wenn jemand die Beförderung durch einen selbständigen Beauftragten ausführen oder besorgen lässt. Die Versendung beginnt mit der Übergabe des Gegenstands an den Beauftragten.

(6a) Schließen mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Liefergeschäfte ab und gelangt dieser Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer (Reihengeschäft), so ist die Beförderung oder Versendung des Gegenstands nur einer der Lieferungen zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung dabei durch den ersten Unternehmer in der Reihe befördert oder versendet, ist die Beförderung oder Versendung seiner Lieferung zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung durch den letzten Abnehmer befördert oder versendet, ist die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung durch einen Abnehmer befördert oder versendet, der zugleich Lieferer ist (Zwischenhändler), ist die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen, es sei denn, er weist nach, dass er den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat. Gelangt der Gegenstand der Lieferung aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates und verwendet der Zwischenhändler gegenüber dem leistenden Unternehmer bis zum Beginn der Beförderung oder Versendung eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, die ihm vom Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung oder Versendung erteilt wurde, ist die Beförderung oder Versendung seiner Lieferung zuzuordnen. Gelangt der Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet, ist von einem ausreichenden Nachweis nach Satz 4 auszugehen, wenn der Zwischenhändler gegenüber dem leistenden Unternehmer bis zum Beginn der Beförderung oder Versendung eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer oder Steuernummer verwendet, die ihm vom Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung oder Versendung erteilt wurde. Gelangt der Gegenstand der Lieferung vom Drittlandsgebiet in das Gemeinschaftsgebiet, ist von einem ausreichenden Nachweis nach Satz 4 auszugehen, wenn der Gegenstand der Lieferung im Namen des Zwischenhändlers oder im Rahmen der indirekten Stellvertretung (Artikel 18 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union, ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1) für seine Rechnung zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr angemeldet wird.

(6b) Wird ein Unternehmer gemäß Absatz 3a behandelt, als ob er einen Gegenstand selbst erhalten und geliefert hätte, wird die Beförderung oder Versendung des Gegenstands der Lieferung durch diesen Unternehmer zugeschrieben.

(7) Wird der Gegenstand der Lieferung nicht befördert oder versendet, wird die Lieferung dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet. In den Fällen der Absätze 6a und 6b gilt Folgendes:

1.
Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung vorangehen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstands beginnt.
2.
Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung folgen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstands endet.

(8) Gelangt der Gegenstand der Lieferung bei der Beförderung oder Versendung aus dem Drittlandsgebiet in das Inland, gilt der Ort der Lieferung dieses Gegenstands als im Inland gelegen, wenn der Lieferer oder sein Beauftragter Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist.

(8a) (weggefallen)

(9) Sonstige Leistungen sind Leistungen, die keine Lieferungen sind. Sie können auch in einem Unterlassen oder im Dulden einer Handlung oder eines Zustands bestehen.

(9a) Einer sonstigen Leistung gegen Entgelt werden gleichgestellt

1.
die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands, der zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, durch einen Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen; dies gilt nicht, wenn der Vorsteuerabzug nach § 15 Absatz 1b ausgeschlossen oder wenn eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Absatz 6a durchzuführen ist;
2.
die unentgeltliche Erbringung einer anderen sonstigen Leistung durch den Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen.

(10) Überlässt ein Unternehmer einem Auftraggeber, der ihm einen Stoff zur Herstellung eines Gegenstands übergeben hat, an Stelle des herzustellenden Gegenstands einen gleichartigen Gegenstand, wie er ihn in seinem Unternehmen aus solchem Stoff herzustellen pflegt, so gilt die Leistung des Unternehmers als Werkleistung, wenn das Entgelt für die Leistung nach Art eines Werklohns unabhängig vom Unterschied zwischen dem Marktpreis des empfangenen Stoffs und dem des überlassenen Gegenstandes berechnet wird.

(11) Wird ein Unternehmer in die Erbringung einer sonstigen Leistung eingeschaltet und handelt er dabei im eigenen Namen, jedoch für fremde Rechnung, gilt diese Leistung als an ihn und von ihm erbracht.

(11a) Wird ein Unternehmer in die Erbringung einer sonstigen Leistung, die über ein Telekommunikationsnetz, eine Schnittstelle oder ein Portal erbracht wird, eingeschaltet, gilt er im Sinne von Absatz 11 als im eigenen Namen und für fremde Rechnung handelnd. Dies gilt nicht, wenn der Anbieter dieser sonstigen Leistung von dem Unternehmer als Leistungserbringer ausdrücklich benannt wird und dies in den vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien zum Ausdruck kommt. Diese Bedingung ist erfüllt, wenn

1.
in den von jedem an der Erbringung beteiligten Unternehmer ausgestellten oder verfügbar gemachten Rechnungen die sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 und der Erbringer dieser Leistung angegeben sind;
2.
in den dem Leistungsempfänger ausgestellten oder verfügbar gemachten Rechnungen die sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 und der Erbringer dieser Leistung angegeben sind.
Die Sätze 2 und 3 finden keine Anwendung, wenn der Unternehmer hinsichtlich der Erbringung der sonstigen Leistung im Sinne des Satzes 2
1.
die Abrechnung gegenüber dem Leistungsempfänger autorisiert,
2.
die Erbringung der sonstigen Leistung genehmigt oder
3.
die allgemeinen Bedingungen der Leistungserbringung festlegt.
Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht, wenn der Unternehmer lediglich Zahlungen in Bezug auf die erbrachte sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 abwickelt und nicht an der Erbringung dieser sonstigen Leistung beteiligt ist.

(12) Ein Tausch liegt vor, wenn das Entgelt für eine Lieferung in einer Lieferung besteht. Ein tauschähnlicher Umsatz liegt vor, wenn das Entgelt für eine sonstige Leistung in einer Lieferung oder sonstigen Leistung besteht.

(13) Ein Gutschein (Einzweck- oder Mehrzweck-Gutschein) ist ein Instrument, bei dem

1.
die Verpflichtung besteht, es als vollständige oder teilweise Gegenleistung für eine Lieferung oder sonstige Leistung anzunehmen und
2.
der Liefergegenstand oder die sonstige Leistung oder die Identität des leistenden Unternehmers entweder auf dem Instrument selbst oder in damit zusammenhängenden Unterlagen, einschließlich der Bedingungen für die Nutzung dieses Instruments, angegeben sind.
Instrumente, die lediglich zu einem Preisnachlass berechtigen, sind keine Gutscheine im Sinne des Satzes 1.

(14) Ein Gutschein im Sinne des Absatzes 13, bei dem der Ort der Lieferung oder der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, und die für diese Umsätze geschuldete Steuer zum Zeitpunkt der Ausstellung des Gutscheins feststehen, ist ein Einzweck-Gutschein. Überträgt ein Unternehmer einen Einzweck-Gutschein im eigenen Namen, gilt die Übertragung des Gutscheins als die Lieferung des Gegenstands oder die Erbringung der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht. Überträgt ein Unternehmer einen Einzweck-Gutschein im Namen eines anderen Unternehmers, gilt diese Übertragung als Lieferung des Gegenstands oder Erbringung der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, durch den Unternehmer, in dessen Namen die Übertragung des Gutscheins erfolgt. Wird die im Einzweck-Gutschein bezeichnete Leistung von einem anderen Unternehmer erbracht als dem, der den Gutschein im eigenen Namen ausgestellt hat, wird der leistende Unternehmer so behandelt, als habe er die im Gutschein bezeichnete Leistung an den Aussteller erbracht. Die tatsächliche Lieferung oder die tatsächliche Erbringung der sonstigen Leistung, für die ein Einzweck-Gutschein als Gegenleistung angenommen wird, gilt in den Fällen der Sätze 2 bis 4 nicht als unabhängiger Umsatz.

(15) Ein Gutschein im Sinne des Absatzes 13, bei dem es sich nicht um einen Einzweck-Gutschein handelt, ist ein Mehrzweck-Gutschein. Die tatsächliche Lieferung oder die tatsächliche Erbringung der sonstigen Leistung, für die der leistende Unternehmer einen Mehrzweck-Gutschein als vollständige oder teilweise Gegenleistung annimmt, unterliegt der Umsatzsteuer nach § 1 Absatz 1, wohingegen jede vorangegangene Übertragung dieses Mehrzweck-Gutscheins nicht der Umsatzsteuer unterliegt.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Aktiengesellschaft, bezog in den Streitjahren 1999 und 2000 Lieferungen von der BA-GmbH und der P-GmbH. Sie führte innergemeinschaftliche Lieferungen nach Italien und Österreich an die Firmen EE, FD und BB-GmbH aus. Das Landgericht (LG) verurteilte L.F., den Geschäftsführer der Abnehmerfirmen, mit Urteil vom 9. August 2001 wegen Steuerhinterziehung zu einer Haftstrafe von drei Jahren und vier Monaten, da er die Firmen BA-GmbH, P-GmbH, EE, FD und BB-GmbH als Strohmannfirmen ausschließlich zum Zweck der Umsatzsteuerhinterziehung gegründet habe. Die Geschäftsführung dieser Gesellschaften habe in seiner Hand gelegen. Die Klägerin habe die von der P-GmbH erworbenen Handys absprachegemäß unmittelbar an EE, FD und BB-GmbH weiterveräußert, von wo aus sie wieder in ein "Umsatzsteuer-Karussell" eingeschleust worden seien.

2

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) schloss sich den Feststellungen der Steuerfahndungsstelle an und erließ am 10. November 2005 für 1999 und 2000 unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung geänderte Umsatzsteuerbescheide. Mit Einspruchsentscheidung vom 23. Mai 2007 setzte das FA die Umsatzsteuer 1999 auf 420.370 DM und die Umsatzsteuer 2000 auf 1.281.253 DM fest. Im Übrigen wies es die Einsprüche als unbegründet zurück. Die Klage hatte keinen Erfolg.

3

Das Finanzgericht (FG) stützte die Klageabweisung darauf, dass der Klägerin aufgrund der ihrem Vorstandsmitglied bekannten Einbindung in ein "Umsatzsteuer-Karussell" der Vorsteuerabzug zu versagen sei. Aus diesem Grund seien auch ihre innergemeinschaftlichen Lieferungen nicht steuerfrei.

4

Nach Klageerhebung erging am 6. August 2007 ein geänderter Umsatzsteuerbescheid 2000, der gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Verfahrens wurde.

5

Das Urteil des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2010, 1740 veröffentlicht.

6

Mit ihrer Revision macht die Klägerin Verletzung materiellen Rechts geltend. Sie sei nicht in ein "doloses Umsatzsteuer-Karussell" eingebunden gewesen. Das FG habe sich Feststellungen aus dem Strafverfahren gegen eine für sie fremde Person nicht zu eigen machen dürfen, da sie an diesem Verfahren nicht beteiligt gewesen sei und daher dort keine Einwendungen habe geltend machen können. Im Übrigen stehe die Einbindung in ein Umsatzsteuer-Karussell der Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung nicht entgegen. Das Strafurteil sei nur gegen L.F. als Geschäftsführer der Abnehmerfirmen ergangen. Das FG habe Zeugenaussagen gewürdigt, ohne Zeugen in der mündlichen Verhandlung zu vernehmen und dadurch gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme verstoßen.

7

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und unter Änderung der Bescheide 1999 und 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Mai 2007 und des Änderungsbescheides vom 6. August 2007 die Umsatzsteuer 1999 auf 374.955 DM (anstatt 420.370 DM) und die Umsatzsteuer 2000 auf 639.969 DM (anstatt 1.194.163 DM) herabzusetzen.

8

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

9

Die innergemeinschaftlichen Lieferungen seien aufgrund der unzutreffenden Empfängerbezeichnung steuerpflichtig. Die Klägerin habe auch keine substantiierten Einwendungen gegen die Feststellungen im Strafverfahren erhoben.

Entscheidungsgründe

10

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Das FG hat zu Unrecht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferungen und den Vorsteuerabzug im Hinblick auf ihre bloße Einbindung in ein Umsatzsteuer-Karussell verneint.

11

1. Innergemeinschaftliche Lieferungen sind gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) unter den Voraussetzungen des § 6a UStG steuerfrei. Die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung setzt gemäß § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG voraus, dass der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet.

12

Darüber hinaus bestehen bei Lieferungen an Unternehmer oder juristische Personen weitere, in der Person des Erwerbers zu erfüllende Voraussetzungen. Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b, Nr. 3 UStG muss es sich beim Abnehmer entweder um einen Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat, oder um eine juristische Person handeln, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat; der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung muss in allen Fällen beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegen.

13

Die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung beruht auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Danach "befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Mißbrauch festlegen: a) die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

14

2. Aufgrund der personenbezogenen Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b, Nr. 3 UStG setzt die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung voraus, dass der Unternehmer nachweist, wer Abnehmer seiner Lieferung ist.

15

a) Der Person des Abnehmers und seiner Identität kommt für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung entscheidende Bedeutung zu, da innergemeinschaftliche Lieferung und innergemeinschaftlicher Erwerb "ein und derselbe wirtschaftliche Vorgang" (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 27. September 2007 C-409/04, Teleos, Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 23 f.) und dabei Teil eines "innergemeinschaftlichen Umsatzes" sind (EuGH-Urteil Teleos in Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 37 und 41), der bezweckt, die "Steuereinnahmen auf den Mitgliedstaat zu verlagern, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt" (EuGH-Urteile Teleos in Slg. 2007, I-7797 Rdnr. 36; vom 27. September 2009 C-146/05, Collée, Slg. 2007, I-7861 Rdnr. 22, und vom 27. September 2009 C-184/05, Twoh International, Slg. 2007, I-7897 Rdnr. 22; vom 22. April 2010 C-536/08, C-539/08, X und Facet Trading, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2010, 418 Rdnr. 30, und vom 7. Dezember 2010 C-285/09, R, UR 2011, 15 Rdnr. 37). Diese Verlagerung erfolgt auf denjenigen, der den innergemeinschaftlichen Erwerb bewirkt, und damit auf den Abnehmer der Lieferung als sog. Erwerber (Art. 21 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 77/388/EWG i.d.F. der Richtlinie 2000/65/EG des Rates vom 17. Oktober 2000 zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG bezüglich der Bestimmung des Mehrwertsteuerschuldners; § 13a Abs. 1 Nr. 2 UStG). Somit setzt die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung voraus, dass aufgrund der zutreffenden Angaben des leistenden Unternehmers die Person des Abnehmers ("Erwerbers") dieser Lieferung bekannt ist, da sonst das Ziel, Steuereinnahmen dadurch auf den Bestimmungsmitgliedstaat zu verlagern, dass der Erwerber der innergemeinschaftlichen Lieferung in diesem Mitgliedstaat Steuerschuldner ist, nicht erreicht werden kann (Treiber, in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 6a UStG Rz 82; Wäger, in Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, § 110 UStG Rz 7 und 18).

16

b) Abnehmer (Leistungsempfänger) bei Lieferungen i.S. von § 3 Abs. 1 UStG und damit Erwerber bei innergemeinschaftlichen Lieferungen ist derjenige, dem der liefernde Unternehmer die Verfügungsmacht über den Gegenstand verschafft. Maßgeblich ist, wer nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis als Auftraggeber berechtigt und verpflichtet ist (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. September 2009 XI R 14/08, BFHE 227, 218, BStBl II 2010, 243, unter II.2.a; vom 18. Februar 2009 V R 82/07, BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, unter II.2.a aa, und vom 24. August 2006 V R 16/05, BFHE 215, 311, BStBl II 2007, 340, unter II.2.b). Abnehmer (Erwerber) ist somit derjenige, der nach dem der Lieferung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis die Verfügungsmacht erhalten soll. Ob diese Person auch auf eigene Rechnung tätig ist, spielt keine Rolle. Handelt z.B. ein Strohmann oder Treuhänder im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung, ist daher er, nicht aber sein Auftraggeber Abnehmer (BFH-Urteil in BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, unter II.2.a cc und dd).

17

Ohne Bedeutung für die Bestimmung des Leistungsempfängers sind sog. Scheingeschäfte (§ 41 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung --AO--). Ein Scheingeschäft liegt insbesondere vor, wenn die Parteien eines Rechtsgeschäfts einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäftes nicht zwischen ihnen, sondern zwischen nur einer Vertragspartei und einem Dritten eintreten sollen (BFH-Urteil vom 7. Juli 2005 V R 60/03, BFH/NV 2006, 139, unter II.1.b bb; BFH-Beschluss vom 31. Januar 2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622, unter II.4.c). Verdeckt das Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft, ist nach § 41 Abs. 2 Satz 2 AO das verdeckte Rechtsgeschäft für die Besteuerung maßgeblich.

18

c) Der Unternehmer (Steuerpflichtige) hat die Voraussetzungen der innergemeinschaftlichen Lieferung unter Berücksichtigung der von den Mitgliedstaaten nach dem Einleitungssatz in Art. 28c Teil A der Richtlinie 77/388/EWG festgelegten Bedingungen nachzuweisen (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15 Rdnrn. 43 und 46). Diese Bedingungen ergeben sich im nationalen Recht aus § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1999 --UStDV-- (BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.1.b). Hierzu gehören auch Angaben zur Person des Erwerbers (Abnehmers) wie Name, Anschrift und Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (§ 17c Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 UStDV).

19

Der Unternehmer kann die innergemeinschaftliche Lieferung als steuerfrei erfassen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b). Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b), es sei denn, der Verstoß gegen die Nachweispflichten (die formellen Anforderungen) verhinderte den sicheren Nachweis, dass die materiellen Anforderungen der Steuerfreiheit erfüllt werden (EuGH-Urteil Collée in Slg. 2007, I-7861, zweiter Leitsatz). In der Rechtssache Collée hatte der Unternehmer nicht aufgrund unzutreffender Angaben die Steuerfreiheit der Lieferung beansprucht, sondern um eine Gebietsbeschränkung des Herstellers des verkauften Gegenstandes zu umgehen, eine steuerpflichtige Inlandslieferung erklärt und erst nach Aufdeckung des wahren Sachverhalts die Steuerfreiheit der objektiv vorliegenden innergemeinschaftlichen Lieferung beansprucht. Dient der Verstoß gegen die Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV aber dazu, die Identität des Erwerbers zu verschleiern, um diesem im Bestimmungsmitgliedstaat eine Mehrwertsteuerhinterziehung zu ermöglichen, kann der Unternehmer die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung auch nicht aufgrund des objektiven Nachweises ihrer Voraussetzungen in Anspruch nehmen (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15, Leitsatz).

20

3. Das FG hat die Klageabweisung darauf gestützt, dass bereits die "dolose Einbindung" in ein "Umsatzsteuer-Karussell" zur Steuerpflicht der innergemeinschaftlichen Lieferungen führe, da der Abnehmer nicht zutreffend bezeichnet worden sei, und es sich um Vorgänge gehandelt habe, die zur Umsatzsteuerhinterziehung stattgefunden hätten. Ähnlich wie beim Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 UStG setze die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung voraus, dass der tatsächliche Abnehmer und nicht ein zu Betrugszwecken vorgeschobener Leistungsempfänger (Scheingesellschaft) bezeichnet werde.

21

Dies hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Urteil des FG ist daher aufzuheben.

22

a) Der Bundesgerichtshof hat mit seinem Vorlagebeschluss vom 7. Juli 2009  1 StR 41/09 (Deutsches Steuerrecht 2009, 1688) den EuGH um Vorabentscheidung ersucht, ob einer tatsächlich ausgeführten innergemeinschaftlichen Lieferung die Steuerfreiheit zu versagen ist, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der steuerpflichtige Verkäufer entweder "wusste, dass er sich mit der Lieferung an einem Warenumsatz beteiligt, der darauf angelegt ist, Mehrwertsteuer zu hinterziehen" oder "Handlungen vorgenommen hat, die darauf abzielten, die Person des wahren Erwerbers zu verschleiern, um diesem oder einem Dritten zu ermöglichen, Mehrwertsteuer zu hinterziehen".

23

Hierauf hat der EuGH entschieden, dass innergemeinschaftliche Lieferungen steuerpflichtig sind, wenn die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung zwar objektiv vorliegen, jedoch "bewusst sachlich falsche" Rechnungen ausgestellt werden, um "die Identität der wahren Erwerber" zu "verschleiern" (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15 Rdnrn. 47, 49 und Leitsatz). Der EuGH stützt die Steuerpflicht derartiger Lieferungen dabei maßgeblich auf die Verletzung der für den Unternehmer bestehenden Nachweispflichten, zu denen auch Angaben zur Person des Abnehmers gehören.

24

Wie ein Vergleich von Vorabentscheidungsersuchen und EuGH-Urteil zeigt, hat der EuGH in seinem Urteil R in UR 2011, 15 nicht entschieden, ob eine Steuerpflicht der innergemeinschaftlichen Lieferung trotz Vorliegens der objektiven Voraussetzungen der hierfür zu erfüllenden Voraussetzungen in Betracht kommt, wenn dem Unternehmer --ohne über die Identität des Abnehmers zu täuschen-- nur bekannt ist, dass der Abnehmer, den er nach seinen Belegen und buchmäßigen Aufzeichnungen als Abnehmer führt, seine steuerlichen Verpflichtungen im Bestimmungsmitgliedstaat nicht erfüllt (vgl. auch Bülte, Der Betrieb 2011, 442, sowie Bürger/Paul, Betriebs-Berater 2011, 540, 542).

25

b) Ob die Versagung der innergemeinschaftlichen Lieferungen der Klägerin deswegen nicht in Betracht kommen könnte, weil sie --wie das FG annimmt-- an einem "Karussellgeschäft" beteiligt gewesen sein soll, kann aufgrund der vorliegenden Feststellungen des FG nicht entschieden werden, denn allein der Hinweis auf ein Karussellgeschäft ersetzt keine tatsächlichen Feststellungen. So ist dem Urteil nicht zu entnehmen, welche Abnehmer im Bestimmungsmitgliedstaat ihre steuerlichen Pflichten in Hinterziehungsabsicht nicht erfüllt haben und ob dies der Klägerin bekannt war.

26

4. Dem Urteil des FG ist weiter nicht zu entnehmen, ob unzutreffende Abnehmerbezeichnungen vorliegen, wer in einem derartigen Fall als tatsächlicher Abnehmer der von der Klägerin ausgeführten Lieferungen anzusehen ist und ob die Klägerin die Person des Abnehmers verschleiert hat. Bei der Bestimmung des Abnehmers der von der Klägerin ausgeführten innergemeinschaftlichen Lieferung sind im zweiten Rechtsgang die zuvor unter II.2.a und b genannten Grundsätze zu beachten.

27

Liegt keine Verschleierung hinsichtlich der Identität des jeweiligen Abnehmers vor, sind weitere Feststellungen zu den Abnehmerfirmen in den Bestimmungsmitgliedstaaten, insbesondere zur Erfüllung der dortigen umsatzsteuerrechtlichen Pflichten zu treffen. Weiter kommt es darauf an, aufgrund welcher Umstände die Klägerin von einer möglichen Hinterziehungsabsicht der Abnehmer Kenntnis hatte oder Kenntnis hätte haben müssen. Es kommt dann ggf. auch eine Vorlage an den EuGH zur Klärung möglicherweise bestehender Zweifel hinsichtlich der Auslegung des Unionsrechts in Betracht.

28

Hinsichtlich der vom FG angenommenen Versagung des Vorsteuerabzugs sind weitere Feststellungen zum Zeitpunkt zu treffen, zu dem das Vorstandsmitglied der Klägerin und damit die Klägerin Kenntnis von ihrer Einbindung in das Steuerbetrugsmodell ihrer Lieferanten erlangt hat. Hat sie hiervon erst nach dem Leistungsbezug erfahren, würde dies eine rückwirkende Versagung des Vorsteuerabzugs nicht rechtfertigen.

29

5. Auf die Verfahrensrügen kam es nicht mehr an.

(1) Ist ein Rechtsgeschäft unwirksam oder wird es unwirksam, so ist dies für die Besteuerung unerheblich, soweit und solange die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis dieses Rechtsgeschäfts gleichwohl eintreten und bestehen lassen. Dies gilt nicht, soweit sich aus den Steuergesetzen etwas anderes ergibt.

(2) Scheingeschäfte und Scheinhandlungen sind für die Besteuerung unerheblich. Wird durch ein Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt, so ist das verdeckte Rechtsgeschäft für die Besteuerung maßgebend.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Aktiengesellschaft, bezog in den Streitjahren 1999 und 2000 Lieferungen von der BA-GmbH und der P-GmbH. Sie führte innergemeinschaftliche Lieferungen nach Italien und Österreich an die Firmen EE, FD und BB-GmbH aus. Das Landgericht (LG) verurteilte L.F., den Geschäftsführer der Abnehmerfirmen, mit Urteil vom 9. August 2001 wegen Steuerhinterziehung zu einer Haftstrafe von drei Jahren und vier Monaten, da er die Firmen BA-GmbH, P-GmbH, EE, FD und BB-GmbH als Strohmannfirmen ausschließlich zum Zweck der Umsatzsteuerhinterziehung gegründet habe. Die Geschäftsführung dieser Gesellschaften habe in seiner Hand gelegen. Die Klägerin habe die von der P-GmbH erworbenen Handys absprachegemäß unmittelbar an EE, FD und BB-GmbH weiterveräußert, von wo aus sie wieder in ein "Umsatzsteuer-Karussell" eingeschleust worden seien.

2

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) schloss sich den Feststellungen der Steuerfahndungsstelle an und erließ am 10. November 2005 für 1999 und 2000 unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung geänderte Umsatzsteuerbescheide. Mit Einspruchsentscheidung vom 23. Mai 2007 setzte das FA die Umsatzsteuer 1999 auf 420.370 DM und die Umsatzsteuer 2000 auf 1.281.253 DM fest. Im Übrigen wies es die Einsprüche als unbegründet zurück. Die Klage hatte keinen Erfolg.

3

Das Finanzgericht (FG) stützte die Klageabweisung darauf, dass der Klägerin aufgrund der ihrem Vorstandsmitglied bekannten Einbindung in ein "Umsatzsteuer-Karussell" der Vorsteuerabzug zu versagen sei. Aus diesem Grund seien auch ihre innergemeinschaftlichen Lieferungen nicht steuerfrei.

4

Nach Klageerhebung erging am 6. August 2007 ein geänderter Umsatzsteuerbescheid 2000, der gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Verfahrens wurde.

5

Das Urteil des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2010, 1740 veröffentlicht.

6

Mit ihrer Revision macht die Klägerin Verletzung materiellen Rechts geltend. Sie sei nicht in ein "doloses Umsatzsteuer-Karussell" eingebunden gewesen. Das FG habe sich Feststellungen aus dem Strafverfahren gegen eine für sie fremde Person nicht zu eigen machen dürfen, da sie an diesem Verfahren nicht beteiligt gewesen sei und daher dort keine Einwendungen habe geltend machen können. Im Übrigen stehe die Einbindung in ein Umsatzsteuer-Karussell der Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung nicht entgegen. Das Strafurteil sei nur gegen L.F. als Geschäftsführer der Abnehmerfirmen ergangen. Das FG habe Zeugenaussagen gewürdigt, ohne Zeugen in der mündlichen Verhandlung zu vernehmen und dadurch gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme verstoßen.

7

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und unter Änderung der Bescheide 1999 und 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Mai 2007 und des Änderungsbescheides vom 6. August 2007 die Umsatzsteuer 1999 auf 374.955 DM (anstatt 420.370 DM) und die Umsatzsteuer 2000 auf 639.969 DM (anstatt 1.194.163 DM) herabzusetzen.

8

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

9

Die innergemeinschaftlichen Lieferungen seien aufgrund der unzutreffenden Empfängerbezeichnung steuerpflichtig. Die Klägerin habe auch keine substantiierten Einwendungen gegen die Feststellungen im Strafverfahren erhoben.

Entscheidungsgründe

10

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Das FG hat zu Unrecht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferungen und den Vorsteuerabzug im Hinblick auf ihre bloße Einbindung in ein Umsatzsteuer-Karussell verneint.

11

1. Innergemeinschaftliche Lieferungen sind gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) unter den Voraussetzungen des § 6a UStG steuerfrei. Die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung setzt gemäß § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG voraus, dass der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet.

12

Darüber hinaus bestehen bei Lieferungen an Unternehmer oder juristische Personen weitere, in der Person des Erwerbers zu erfüllende Voraussetzungen. Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b, Nr. 3 UStG muss es sich beim Abnehmer entweder um einen Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat, oder um eine juristische Person handeln, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat; der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung muss in allen Fällen beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegen.

13

Die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung beruht auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Danach "befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Mißbrauch festlegen: a) die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

14

2. Aufgrund der personenbezogenen Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b, Nr. 3 UStG setzt die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung voraus, dass der Unternehmer nachweist, wer Abnehmer seiner Lieferung ist.

15

a) Der Person des Abnehmers und seiner Identität kommt für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung entscheidende Bedeutung zu, da innergemeinschaftliche Lieferung und innergemeinschaftlicher Erwerb "ein und derselbe wirtschaftliche Vorgang" (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 27. September 2007 C-409/04, Teleos, Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 23 f.) und dabei Teil eines "innergemeinschaftlichen Umsatzes" sind (EuGH-Urteil Teleos in Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 37 und 41), der bezweckt, die "Steuereinnahmen auf den Mitgliedstaat zu verlagern, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt" (EuGH-Urteile Teleos in Slg. 2007, I-7797 Rdnr. 36; vom 27. September 2009 C-146/05, Collée, Slg. 2007, I-7861 Rdnr. 22, und vom 27. September 2009 C-184/05, Twoh International, Slg. 2007, I-7897 Rdnr. 22; vom 22. April 2010 C-536/08, C-539/08, X und Facet Trading, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2010, 418 Rdnr. 30, und vom 7. Dezember 2010 C-285/09, R, UR 2011, 15 Rdnr. 37). Diese Verlagerung erfolgt auf denjenigen, der den innergemeinschaftlichen Erwerb bewirkt, und damit auf den Abnehmer der Lieferung als sog. Erwerber (Art. 21 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 77/388/EWG i.d.F. der Richtlinie 2000/65/EG des Rates vom 17. Oktober 2000 zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG bezüglich der Bestimmung des Mehrwertsteuerschuldners; § 13a Abs. 1 Nr. 2 UStG). Somit setzt die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung voraus, dass aufgrund der zutreffenden Angaben des leistenden Unternehmers die Person des Abnehmers ("Erwerbers") dieser Lieferung bekannt ist, da sonst das Ziel, Steuereinnahmen dadurch auf den Bestimmungsmitgliedstaat zu verlagern, dass der Erwerber der innergemeinschaftlichen Lieferung in diesem Mitgliedstaat Steuerschuldner ist, nicht erreicht werden kann (Treiber, in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 6a UStG Rz 82; Wäger, in Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, § 110 UStG Rz 7 und 18).

16

b) Abnehmer (Leistungsempfänger) bei Lieferungen i.S. von § 3 Abs. 1 UStG und damit Erwerber bei innergemeinschaftlichen Lieferungen ist derjenige, dem der liefernde Unternehmer die Verfügungsmacht über den Gegenstand verschafft. Maßgeblich ist, wer nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis als Auftraggeber berechtigt und verpflichtet ist (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. September 2009 XI R 14/08, BFHE 227, 218, BStBl II 2010, 243, unter II.2.a; vom 18. Februar 2009 V R 82/07, BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, unter II.2.a aa, und vom 24. August 2006 V R 16/05, BFHE 215, 311, BStBl II 2007, 340, unter II.2.b). Abnehmer (Erwerber) ist somit derjenige, der nach dem der Lieferung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis die Verfügungsmacht erhalten soll. Ob diese Person auch auf eigene Rechnung tätig ist, spielt keine Rolle. Handelt z.B. ein Strohmann oder Treuhänder im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung, ist daher er, nicht aber sein Auftraggeber Abnehmer (BFH-Urteil in BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, unter II.2.a cc und dd).

17

Ohne Bedeutung für die Bestimmung des Leistungsempfängers sind sog. Scheingeschäfte (§ 41 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung --AO--). Ein Scheingeschäft liegt insbesondere vor, wenn die Parteien eines Rechtsgeschäfts einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäftes nicht zwischen ihnen, sondern zwischen nur einer Vertragspartei und einem Dritten eintreten sollen (BFH-Urteil vom 7. Juli 2005 V R 60/03, BFH/NV 2006, 139, unter II.1.b bb; BFH-Beschluss vom 31. Januar 2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622, unter II.4.c). Verdeckt das Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft, ist nach § 41 Abs. 2 Satz 2 AO das verdeckte Rechtsgeschäft für die Besteuerung maßgeblich.

18

c) Der Unternehmer (Steuerpflichtige) hat die Voraussetzungen der innergemeinschaftlichen Lieferung unter Berücksichtigung der von den Mitgliedstaaten nach dem Einleitungssatz in Art. 28c Teil A der Richtlinie 77/388/EWG festgelegten Bedingungen nachzuweisen (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15 Rdnrn. 43 und 46). Diese Bedingungen ergeben sich im nationalen Recht aus § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1999 --UStDV-- (BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.1.b). Hierzu gehören auch Angaben zur Person des Erwerbers (Abnehmers) wie Name, Anschrift und Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (§ 17c Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 UStDV).

19

Der Unternehmer kann die innergemeinschaftliche Lieferung als steuerfrei erfassen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b). Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b), es sei denn, der Verstoß gegen die Nachweispflichten (die formellen Anforderungen) verhinderte den sicheren Nachweis, dass die materiellen Anforderungen der Steuerfreiheit erfüllt werden (EuGH-Urteil Collée in Slg. 2007, I-7861, zweiter Leitsatz). In der Rechtssache Collée hatte der Unternehmer nicht aufgrund unzutreffender Angaben die Steuerfreiheit der Lieferung beansprucht, sondern um eine Gebietsbeschränkung des Herstellers des verkauften Gegenstandes zu umgehen, eine steuerpflichtige Inlandslieferung erklärt und erst nach Aufdeckung des wahren Sachverhalts die Steuerfreiheit der objektiv vorliegenden innergemeinschaftlichen Lieferung beansprucht. Dient der Verstoß gegen die Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV aber dazu, die Identität des Erwerbers zu verschleiern, um diesem im Bestimmungsmitgliedstaat eine Mehrwertsteuerhinterziehung zu ermöglichen, kann der Unternehmer die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung auch nicht aufgrund des objektiven Nachweises ihrer Voraussetzungen in Anspruch nehmen (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15, Leitsatz).

20

3. Das FG hat die Klageabweisung darauf gestützt, dass bereits die "dolose Einbindung" in ein "Umsatzsteuer-Karussell" zur Steuerpflicht der innergemeinschaftlichen Lieferungen führe, da der Abnehmer nicht zutreffend bezeichnet worden sei, und es sich um Vorgänge gehandelt habe, die zur Umsatzsteuerhinterziehung stattgefunden hätten. Ähnlich wie beim Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 UStG setze die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung voraus, dass der tatsächliche Abnehmer und nicht ein zu Betrugszwecken vorgeschobener Leistungsempfänger (Scheingesellschaft) bezeichnet werde.

21

Dies hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Urteil des FG ist daher aufzuheben.

22

a) Der Bundesgerichtshof hat mit seinem Vorlagebeschluss vom 7. Juli 2009  1 StR 41/09 (Deutsches Steuerrecht 2009, 1688) den EuGH um Vorabentscheidung ersucht, ob einer tatsächlich ausgeführten innergemeinschaftlichen Lieferung die Steuerfreiheit zu versagen ist, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der steuerpflichtige Verkäufer entweder "wusste, dass er sich mit der Lieferung an einem Warenumsatz beteiligt, der darauf angelegt ist, Mehrwertsteuer zu hinterziehen" oder "Handlungen vorgenommen hat, die darauf abzielten, die Person des wahren Erwerbers zu verschleiern, um diesem oder einem Dritten zu ermöglichen, Mehrwertsteuer zu hinterziehen".

23

Hierauf hat der EuGH entschieden, dass innergemeinschaftliche Lieferungen steuerpflichtig sind, wenn die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung zwar objektiv vorliegen, jedoch "bewusst sachlich falsche" Rechnungen ausgestellt werden, um "die Identität der wahren Erwerber" zu "verschleiern" (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15 Rdnrn. 47, 49 und Leitsatz). Der EuGH stützt die Steuerpflicht derartiger Lieferungen dabei maßgeblich auf die Verletzung der für den Unternehmer bestehenden Nachweispflichten, zu denen auch Angaben zur Person des Abnehmers gehören.

24

Wie ein Vergleich von Vorabentscheidungsersuchen und EuGH-Urteil zeigt, hat der EuGH in seinem Urteil R in UR 2011, 15 nicht entschieden, ob eine Steuerpflicht der innergemeinschaftlichen Lieferung trotz Vorliegens der objektiven Voraussetzungen der hierfür zu erfüllenden Voraussetzungen in Betracht kommt, wenn dem Unternehmer --ohne über die Identität des Abnehmers zu täuschen-- nur bekannt ist, dass der Abnehmer, den er nach seinen Belegen und buchmäßigen Aufzeichnungen als Abnehmer führt, seine steuerlichen Verpflichtungen im Bestimmungsmitgliedstaat nicht erfüllt (vgl. auch Bülte, Der Betrieb 2011, 442, sowie Bürger/Paul, Betriebs-Berater 2011, 540, 542).

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b) Ob die Versagung der innergemeinschaftlichen Lieferungen der Klägerin deswegen nicht in Betracht kommen könnte, weil sie --wie das FG annimmt-- an einem "Karussellgeschäft" beteiligt gewesen sein soll, kann aufgrund der vorliegenden Feststellungen des FG nicht entschieden werden, denn allein der Hinweis auf ein Karussellgeschäft ersetzt keine tatsächlichen Feststellungen. So ist dem Urteil nicht zu entnehmen, welche Abnehmer im Bestimmungsmitgliedstaat ihre steuerlichen Pflichten in Hinterziehungsabsicht nicht erfüllt haben und ob dies der Klägerin bekannt war.

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4. Dem Urteil des FG ist weiter nicht zu entnehmen, ob unzutreffende Abnehmerbezeichnungen vorliegen, wer in einem derartigen Fall als tatsächlicher Abnehmer der von der Klägerin ausgeführten Lieferungen anzusehen ist und ob die Klägerin die Person des Abnehmers verschleiert hat. Bei der Bestimmung des Abnehmers der von der Klägerin ausgeführten innergemeinschaftlichen Lieferung sind im zweiten Rechtsgang die zuvor unter II.2.a und b genannten Grundsätze zu beachten.

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Liegt keine Verschleierung hinsichtlich der Identität des jeweiligen Abnehmers vor, sind weitere Feststellungen zu den Abnehmerfirmen in den Bestimmungsmitgliedstaaten, insbesondere zur Erfüllung der dortigen umsatzsteuerrechtlichen Pflichten zu treffen. Weiter kommt es darauf an, aufgrund welcher Umstände die Klägerin von einer möglichen Hinterziehungsabsicht der Abnehmer Kenntnis hatte oder Kenntnis hätte haben müssen. Es kommt dann ggf. auch eine Vorlage an den EuGH zur Klärung möglicherweise bestehender Zweifel hinsichtlich der Auslegung des Unionsrechts in Betracht.

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Hinsichtlich der vom FG angenommenen Versagung des Vorsteuerabzugs sind weitere Feststellungen zum Zeitpunkt zu treffen, zu dem das Vorstandsmitglied der Klägerin und damit die Klägerin Kenntnis von ihrer Einbindung in das Steuerbetrugsmodell ihrer Lieferanten erlangt hat. Hat sie hiervon erst nach dem Leistungsbezug erfahren, würde dies eine rückwirkende Versagung des Vorsteuerabzugs nicht rechtfertigen.

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5. Auf die Verfahrensrügen kam es nicht mehr an.

(1) Durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts kann das Steuergesetz nicht umgangen werden. Ist der Tatbestand einer Regelung in einem Einzelsteuergesetz erfüllt, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dient, so bestimmen sich die Rechtsfolgen nach jener Vorschrift. Anderenfalls entsteht der Steueranspruch beim Vorliegen eines Missbrauchs im Sinne des Absatzes 2 so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.

(2) Ein Missbrauch liegt vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Dies gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind.

(1) Für Mineralgewinnungsrechte findet die nächste Hauptfeststellung der Einheitswerte auf den 1. Januar 1977 statt (Hauptfeststellung 1977).

(2) Die Einheitswerte für Mineralgewinnungsrechte, denen die Wertverhältnisse vom 1. Januar 1977 zugrunde liegen, sind erstmals anzuwenden bei der Feststellung von Einheitswerten der gewerblichen Betriebe auf den 1. Januar 1977 und bei der Festsetzung von Steuern, bei denen die Steuer nach dem 31. Dezember 1976 entsteht.

(1) Durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts kann das Steuergesetz nicht umgangen werden. Ist der Tatbestand einer Regelung in einem Einzelsteuergesetz erfüllt, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dient, so bestimmen sich die Rechtsfolgen nach jener Vorschrift. Anderenfalls entsteht der Steueranspruch beim Vorliegen eines Missbrauchs im Sinne des Absatzes 2 so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.

(2) Ein Missbrauch liegt vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Dies gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind.

(1) Hat der Gesamtumsatz des Unternehmers (§ 19 Absatz 3) im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 600 000 Euro betragen, wird die Steuer für die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ausgeführten Umsätze vorbehaltlich der Sätze 2 bis 4 wie folgt festgesetzt:

1.
für die Lieferungen von forstwirtschaftlichen Erzeugnissen, ausgenommen Sägewerkserzeugnisse, auf 5,5 Prozent,
2.
für die Lieferungen der in der Anlage 2 nicht aufgeführten Sägewerkserzeugnisse und Getränke sowie von alkoholischen Flüssigkeiten, ausgenommen die Lieferungen in das Ausland und die im Ausland bewirkten Umsätze, und für sonstige Leistungen, soweit in der Anlage 2 nicht aufgeführte Getränke abgegeben werden, auf 19 Prozent,
3.
für die übrigen Umsätze im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 1 auf 9,0 Prozent der Bemessungsgrundlage.
Die Befreiungen nach § 4 mit Ausnahme der Nummern 1 bis 7 bleiben unberührt; § 9 findet keine Anwendung. Die Vorsteuerbeträge werden, soweit sie den in Satz 1 Nr. 1 bezeichneten Umsätzen zuzurechnen sind, auf 5,5 Prozent, in den übrigen Fällen des Satzes 1 auf 9,0 Prozent der Bemessungsgrundlage für diese Umsätze festgesetzt. Ein weiterer Vorsteuerabzug entfällt. § 14 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass der für den Umsatz maßgebliche Durchschnittssatz in der Rechnung zusätzlich anzugeben ist.

(2) Als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb gelten

1.
die Landwirtschaft, die Forstwirtschaft, der Wein-, Garten-, Obst- und Gemüsebau, die Baumschulen, alle Betriebe, die Pflanzen und Pflanzenteile mit Hilfe der Naturkräfte gewinnen, die Binnenfischerei, die Teichwirtschaft, die Fischzucht für die Binnenfischerei und Teichwirtschaft, die Imkerei, die Wanderschäferei sowie die Saatzucht;
2.
Tierzucht- und Tierhaltungsbetriebe, soweit ihre Tierbestände nach den §§ 51 und 51a des Bewertungsgesetzes zur landwirtschaftlichen Nutzung gehören.
Zum land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehören auch die Nebenbetriebe, die dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zu dienen bestimmt sind.

(3) Führt der Unternehmer neben den in Absatz 1 bezeichneten Umsätzen auch andere Umsätze aus, so ist der land- und forstwirtschaftliche Betrieb als ein in der Gliederung des Unternehmens gesondert geführter Betrieb zu behandeln.

(4) Der Unternehmer kann spätestens bis zum 10. Tag eines Kalenderjahres gegenüber dem Finanzamt erklären, dass seine Umsätze vom Beginn des vorangegangenen Kalenderjahres an nicht nach den Absätzen 1 bis 3, sondern nach den allgemeinen Vorschriften dieses Gesetzes besteuert werden sollen. Die Erklärung bindet den Unternehmer mindestens für fünf Kalenderjahre; im Falle der Geschäftsveräußerung ist der Erwerber an diese Frist gebunden. Sie kann mit Wirkung vom Beginn eines Kalenderjahres an widerrufen werden. Der Widerruf ist spätestens bis zum 10. Tag nach Beginn dieses Kalenderjahres zu erklären. Die Frist nach Satz 4 kann verlängert werden. Ist die Frist bereits abgelaufen, so kann sie rückwirkend verlängert werden, wenn es unbillig wäre, die durch den Fristablauf eingetretenen Rechtsfolgen bestehen zu lassen.

(5) Das Bundesministerium der Finanzen überprüft jährlich die Höhe des Durchschnittssatzes im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 und Satz 3 und berichtet dem Deutschen Bundestag über das Ergebnis der Überprüfung. Der Durchschnittssatz wird ermittelt aus dem Verhältnis der Summe der Vorsteuern zu der Summe der Umsätze aller Unternehmer, die ihre Umsätze nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3 versteuern, in einem Zeitraum von drei Jahren. Der ermittelte Durchschnittssatz wird auf eine Nachkommastelle kaufmännisch gerundet. Soweit nach der Überprüfung eine Anpassung des Durchschnittssatzes in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und Satz 3 erforderlich ist, legt die Bundesregierung kurzfristig einen entsprechenden Gesetzentwurf vor.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Soll gegen den Bund, ein Land, einen Gemeindeverband, eine Gemeinde, eine Körperschaft, eine Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts vollstreckt werden, so gilt für die Zwangsvollstreckung das Achte Buch der Zivilprozessordnung sinngemäß; § 150 bleibt unberührt. Vollstreckungsgericht ist das Finanzgericht.

(2) Vollstreckt wird

1.
aus rechtskräftigen und aus vorläufig vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidungen,
2.
aus einstweiligen Anordnungen,
3.
aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen.

(3) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(4) Für die Vollstreckung können den Beteiligten auf ihren Antrag Ausfertigungen des Urteils ohne Tatbestand und ohne Entscheidungsgründe erteilt werden, deren Zustellung in den Wirkungen der Zustellung eines vollständigen Urteils gleichsteht.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Aufwendungen der Finanzbehörden sind nicht zu erstatten.

(3) Gesetzlich vorgesehene Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten oder Beistands, der nach den Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist, sind stets erstattungsfähig. Aufwendungen für einen Bevollmächtigten oder Beistand, für den Gebühren und Auslagen gesetzlich nicht vorgesehen sind, können bis zur Höhe der gesetzlichen Gebühren und Auslagen der Rechtsanwälte erstattet werden. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind die Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten oder Beistands für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Steht der Bevollmächtigte oder Beistand in einem Angestelltenverhältnis zu einem Beteiligten, so werden die durch seine Zuziehung entstandenen Gebühren nicht erstattet.

(4) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn das Gericht sie aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.