Tenor

1. Der Bescheid über die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung vom 30.10.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.2.2015 wird aufgehoben und Kindergeld für das Kind A.X. für den Zeitraum Januar 2013 bis Dezember 2014 in gesetzlicher Höhe festgesetzt und in Höhe von 129,04 Euro an den Kläger abgezweigt.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat der Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn der Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruchs Sicherheit geleistet hat.

Tatbestand

Der Kläger ist ein Träger der Sozialhilfe, dem es um die Abzweigung von Kindergeld für das Kind A.X., geboren am xx.xx.1959, geht, um seine Sozialhilfekosten zu decken. Er begehrt die Auszahlung des Kindergeldes an sich als die unterhaltsgewährende Stelle nach § 74 Einkommensteuergesetz -EStG-.
Das Kind A.X. leidet an einer Behinderung, die vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten ist. Die Behinderung besteht seit Geburt. Sie besteht zu 100 vom Hundert. Der Kläger erbringt für das Kind A.X. seit April 1978 als Träger der überörtlichen Sozialhilfe Leistungen im Rahmen der Eingliederungshilfe nach den §§ 53 ff. Sozialgesetzbuch -SGB- XII. Die Leistungen erfolgten in Form der stationären Wohnheimbetreuung an das Wohnheim der Y.., in Z.. Der Kläger legte eine Kostenaufstellung über die monatlichen Kosten der Unterbringung und Betreuung von Januar 2013 bis November 2014 vor. Wegen der Einzelheiten wird auf diese Bezug genommen (Kindergeldakte, S. 167 f.). Während des Klageverfahrens legte der Kläger die Kosten der Unterbringung und Betreuung für Dezember 2014 dar (Klage-Akte, S. 66).
Frau X. verfügt über Einkünfte aus einer Erwerbsunfähigkeitsrente i.H.v. 721,21 EUR monatlich bzw. im Jahr 2014 i.H.v. 805,91 EUR monatlich, und einer ergänzenden Grundsicherung i.H.v. 10,81 EUR, welche vom Kläger als Kostenbeitrag vereinnahmt wird. Frau X. zahlt einen Beitrag zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung. Daneben erhält Frau X. Leistungen der Pflegeversicherung i.H.v. 256 EUR monatlich, welche ebenfalls als Kostenbeitrag vereinnahmt werden. Frau X. erhält auch Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz -ContStifG-, die sich seit 2013 erheblich erhöht haben. Diese betrugen vom 1. Januar 2013 bis zum 30. Juni 2014 monatlich 6.812 EUR. Seit Juli 2014 erhält das Kind den Höchstsatz von 7.027 EUR monatlich. Hinzu kommt eine jährliche Sonderzahlung in Höhe von 3.680 EUR. Jedenfalls 2014 bezog Frau X. auch Wohngeld in Höhe von 98 EUR. Der Beklagte berechnete u.a. das verfügbare Einkommen des Kinds A.X. einschließlich der Conterganrente und Sonderzahlungen für  die Streitjahre 2013 und 2014. Bei der Berechnung des notwendigen Lebensbedarfs setzte er zunächst lediglich den Grundbedarf sowie den Pauschbetrag nach § 33b EStG in Höhe von 3.700 EUR an. Eine neue Berechnung des notwendigen Bedarfs des Kinds unter Berücksichtigung des tatsächlichen Aufwands sowie der eigenen Mittel des Kinds führte dazu, dass in den Jahren 2010 bis 2012 und ab Januar 2015 abgeholfen wurde. In diesem (ursprünglichen) Streitzeitraum kam es auf die Höhe der Leistungen der Conterganstiftung nicht an. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 9.11.2016 Bezug genommen.
Die Familienkasse setzte zunächst Kindergeld für das Kind A.X. zugunsten von Herrn C.X., dem Vater des Kinds A.X., geb. xx.xx.1925, fest. Kindergeld wurde bis 2005 ausgezahlt.
In den Streitjahren leistete der Kindsvater einen Unterhaltsbeitrag in Höhe von 54,96 EUR an den Kläger. Die Mutter der Klägerin ist verstorben. Der Vater des Kindes bestätigte dem Kläger mit Schreiben vom 18. Oktober 2013, sein durch Contergan geschädigtes Kind werde vom Kläger unterhalten. Er selbst trage keine Kosten zum Unterhalt bei.
Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 28. Januar 2014 die Abzweigung des Kindergeldes für das Kind A.X. bei der nunmehr zuständigen Familienkasse, der Beklagten.
Diese hob mit Bescheid vom 30.10.2014 die Kindergeldfestsetzung für das Kind A.X. ab dem 1.1.2010 auf. Sie begründete dies im Wesentlichen damit, dass das behinderte Kind in der Lage sei, sich selbst zu unterhalten. Die Conterganrente des Kindes sei als Leistung Dritter zu berücksichtigen. Daher bestehe kein Kindergeldanspruch. Ein Erstattungsanspruch bestehe nicht, da eine Zahlung von Kindergeld in diesem Zeitraum nicht erfolgt sei.
Mit Schreiben vom 30.10.2014 lehnte die Beklagte die Abzweigung an den Kläger ab. Sie führte aus, infolge des Abzweigungsantrags sei der Anspruch auf Kindergeld für das Kind A.X. zu überprüfen gewesen. Infolge der Höhe der Einkünfte des Kinds sei die Kindergeldfestsetzung aufzuheben gewesen. Da nur festgesetztes Kindergeld abgezweigt werden könne, scheide eine Abzweigung aus.
Der Kläger legte Einspruch ein und beantragte Kindergeld für das Kind A.X.. Er machte im Wesentlichen geltend, die Berechnung der Beklagten sei fehlerhaft. Im Übrigen sei die Conterganrente nicht einzubeziehen.
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Mit seiner nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage macht der Kläger im Wesentlichen geltend, dem Kind A.X. stehe Kindergeld zu und dieses sei an ihn anteilig im Wege der Abzweigung auszuzahlen. Aufgrund der Behinderung war und sei das Kind nicht in der Lage, ein selbständiges Leben zu führen. Es bedürfe der Betreuung in einer beschützenden Einrichtung. Die Kosten der Unterbringung und Betreuung beliefen sich im Zeitraum Januar 2010 bis Dezember 2014 auf durchschnittlich ca. 5.000 EUR monatlich, seit Januar 2015 aufgrund von Zusatzpersonal auf durchschnittlich ca. 9.000 EUR monatlich. In Kindergeldfällen, in denen es um volljährige Kinder in vollstationären Einrichtungen gehe, gebe es Besonderheiten. Nach § 63 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 EStG sei ein Kind bei der Bewilligung des Kindergeldes zu berücksichtigen, wenn es aufgrund körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande sei, sich selbst zu unterhalten. Diese Voraussetzung sei dann erfüllt, wenn die kindeseigenen Mittel, verfügbares Einkommen und Leistungen Dritter, behinderungsbedingt nicht ausreiche, den gesamten existenziellen Lebensbedarf zu sichern. So sei es im Streitfall. Denn Frau X. erhalte Leistungen nach dem ContStifG, und zwar eine monatliche Conterganrente sowie Sonderzahlungen, die nicht anzurechnen seien. Die von ihm, dem Kläger, gewährte Eingliederungshilfe erfolge ohne Anrechnung dieser Leistungen als Einkommen. Bei den Leistungen nach dem ContStifG handle es sich um Bezüge des Kindes. In der Dienstanweisung zum Familienlastenausgleich DA sei unter Punkt 63.4.2.3.1 Abs. 3 Ziffer 6 ausdrücklich geregelt, dass die Leistungen nach dem ContStifG für behinderte Menschen nicht zu den Bezügen zählen. Darüber hinaus würde eine wie von der Beklagten vorgenommene Anrechnung dieser Leistungen als Einkünfte des behinderten Kindes bzw. als Leistungen Dritter, auch dem Wortlaut und der Ratio des Stiftungsgesetzes widersprechen. Die Leistungen nach dem ContStifG seien den contergangeschädigten Menschen als echte Zusatzleistungen zu gewähren, die nicht durch steuerliche Lasten verkürzt werden dürfen und ihnen ohne Rücksicht auf Unterstützungsleistungen Dritter als zusätzliche Leistungen zufließen. Dies normiere § 18 Abs. 1 ContStifG. Danach blieben Leistungen bei der Ermittlung oder Anrechnung von Einkommen, sonstigen Einnahmen und Vermögen nach anderen Gesetzen, insbesondere dem Sozialgesetzbuch -SGB- II, III, V und XII und dem Bürgerlichen Gesetzbuch -BGB- außer Betracht. Die Aufzählung dieser Gesetze sei, wie die Formulierung „insbesondere“ verdeutliche, nicht abschließend und schließe deshalb auch das EStG nicht aus. Die Leistungen nach dem ContStifG seien damit nicht zu berücksichtigen. Der existenziellen Lebensbedarf der neben dem Grundbedarf auch die anfallenden Kosten der Eingliederungshilfe als behinderungsbedingten Mehrbedarf umfasse, übersteige damit die Einkünfte des Kinds. Die Voraussetzungen der Kindergeldberechtigung seien gegeben. § 74 Abs. 1 S. 4 EStG bestimme, dass die Auszahlung des für ein Kind festgesetzten Kindergeldes auch an die Person oder Stelle erfolgen könne, die dem Kind Unterhalt gewährt. Hierdurch solle sichergestellt werden, dass öffentliche oder private Einrichtungen, die dem Kind tatsächlich Unterhalt gewähren, einen gewissen finanziellen Ausgleich erhalten. Dementsprechend sei es für das Abzweigungsbegehren nach dem Gesetzeswortlaut ausschlaggebend, ob der Abzweigungsempfänger den Unterhalt für das Kind trage oder nicht. Dies sei der Fall. Die Entscheidung, ob das Kindergeld an eine Unterhalt gewährende Stelle abgezweigt werde, erfolge nach dem Wortlaut des § 74 Abs. 1 S. 4 EStG in Form einer Ermessensentscheidung. Der kindergeldberechtigte Vater leiste einen nach § 94 SGB XII begrenzten Unterhaltsbeitrag in Höhe von monatlich 54,96 EUR an den Kläger. Der Kindergeldberechtigte komme damit seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nach, da er die zum Lebensbedarf gehörenden laufenden Kosten der stationären Betreuung seines Kindes nicht übernehme. Die Voraussetzungen für eine Abzweigung seien nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 23.2.2006 III R 65/04, Bundessteuerblatt -BStBl.- II 2008, 753 auch dann erfüllt, wenn der Kindergeldberechtigte in geringem Umfang Unterhaltsleistungen erbringe. Diese Unterhaltsleistungen seien lediglich im Rahmen der Ermessensentscheidung bei der Höhe des Abzweigungsantrags zu berücksichtigen. Dies habe er, der Kläger, in seinem Klageantrag bereits getan. Daher sei es geboten, das Kindergeld in der beantragten Höhe an ihn abzuzweigen. Schließlich werde das Ziel des Familienlastenausgleichs, wirtschaftliche Belastungen der Sorgeberechtigten, die durch die Erziehung von Kindern entstehen, auszugleichen, durch eine Abzweigung an ihn nicht berührt. Es sei der Zweck des Kindergelds, Eltern wegen ihrer Unterhaltsaufwendungen für ihre Kinder zu entlasten. Seien die Eltern jedoch mangels Leistungsfähigkeit nicht in der Lage, Kosten zu tragen oder zahlten daher nur geringe Kosten, sei eine derartige Entlastung gar nicht oder nur in entsprechend niedrigem Umfang erforderlich.
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Der Kläger beantragt,
die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung mit Bescheid vom 30.10.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.2.2015 aufzuheben und das Kindergeld für das Kind A.X. in Höhe von monatlich 129,04 EUR seit dem 1.1.2013 bis zum 31.12.2014 an ihn abzuzweigen.
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Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
13 
Die Beklagte macht im Wesentlichen unter Bezugnahme auf ihre Einspruchsentscheidung vom 11.2.2015 geltend, es sei unstreitig, dass der Kläger zur Beantragung des Kindergelds im berechtigten Interesse nach § 67 S. 2 EStG befugt sei. Unstreitig sei auch, dass es sich um ein behindertes Kind handle, für das der Kläger eine anteilige Abzweigung des Kindergelds beanspruchen könne. Eine mögliche anteilige Abzweigung von 129,04 EUR an den Kläger ergebe sich aus der Unterhaltszahlung des Kindergeldberechtigten an den Kläger von monatlich 54,96 EUR. Das Kind sei jedoch nicht aufgrund seiner Behinderung außerstande, sich selbst zu unterhalten. Die Conterganrente sei neben der Ermittlung des verfügbaren Nettoeinkommens des Kindes zwar nicht als Einkünfte oder Bezüge, wohl aber als steuerfreie Einnahme zu berücksichtigen. In der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem EStG sei geregelt, wann ein Kind außerstande sei, sich selbst zu unterhalten. Beim verfügbaren Nettoeinkommen seien auch steuerfreie Einnahmen, Renten und Versorgungsbezüge anzusetzen. Daher sei auch eine nach § 18 ContStifG steuerfreie Einnahme des Kindes zu berücksichtigen. Nach DA-KG A 18.6 seien die nicht nach A 18.5 bei der Ermittlung des verfügbaren Nettoeinkommens erfassten finanziellen Mittel des behinderten Kindes als Leistungen Dritter anzusetzen, mit Ausnahme von Unterhaltsleistungen der Personen, bei denen das Kind berücksichtigt werden könne. Als Leistungen Dritter seien die tatsächlich gezahlten Beträge zu erfassen. Das Kind erhalte den Höchstsatz an Conterganrente und sei danach schon augenscheinlich und ohne konkrete Berechnung in der Lage, sich selbst zu unterhalten. Füge der Kläger seiner Berechnung die Conterganrente des Kindes hinzu, so gelange er zum selben Ergebnis. Für die Zeit ab 1.1.2010 sei die Kindergeldfestsetzung daher im Rahmen der Festsetzungsverjährung aufzuheben gewesen.
14 
Auf alle noch offenen Fälle sei die derzeit gültige DA-KG Stand 2014 anzuwenden. Danach sei die Ablehnung der Kindergeldfestsetzung zu Recht erfolgt.
15 
Mit Schreiben vom 31.7.2015 ergänzte der Kläger, die Beklagte habe die Vorschrift des § 18 Abs. ContStifG zu beachten. Diese gesetzliche Wertung würde ansonsten ausgehöhlt. Der Gesetzgeber habe ausweislich der Begründung des Gesetzesentwurfs klargestellt, dass die Leistungen nach dem ContStifG als echte Zusatzleistungen erhalten bleiben sollen (Bundestag -BT- Drucksache -Drs.- 15/5654, 13). Aufgrund dieses Gesetzeszweckes habe der Bundesgerichtshof -BGH- in seinem Beschluss vom 16.7.2014 XII ZB 164/14 (Zeitschrift für das gesamte Familienrecht - FamRZ- 2014, 1619) die Anrechenbarkeit für den Versorgungsausgleich ausgeschlossen und entschieden, dass es trotz der mittlerweile nicht unerheblichen Leistungen nach dem ContStifG nicht möglich sei, von der Durchführung des Versorgungsausgleichs mit der Begründung abzusehen, dass die ausgleichsberechtigte Person bereits mit ihrer Conterganrente ausreichend versorgt sei. Es seien keine Gründe erkennbar, wodurch sich für die Anrechenbarkeit der Conterganrente im Rahmen des Einkommensteuerrechts etwas anderes ergeben sollte.
16 
Die Beklagte antwortete, der Kläger habe nunmehr zweifelsfrei nachgewiesen, dass eine anteilige Abzweigung des Kindergeldes an ihn ab Januar 2010 begründet sei. Entgegen seiner Auffassung sei jedoch die DA-KG 2015 auf alle noch nicht bestandskräftigen und damit offenen Fälle anwendbar. Somit seien alle alten Regelungen nicht mehr relevant. Die Beklagte verwies ferner auf das beim BFH anhängige Revisionsverfahren, worin geklärt werde, ob eine Schmerzensgeldrente zu den verfügbaren finanziellen Mitteln bei einem behinderten Kind gehöre. Da diese Rente vergleichbar mit der im vorliegenden Fall gezahlten Conterganrente an das Kind sei, bitte sie um ein Ruhen des Verfahrens.
17 
Mit Beschluss vom 21.10.2015 wurde das Ruhen des Verfahrens angeordnet.
18 
Im Juni 2016 teilte die Beklagte dem Gericht mit, dass zwischenzeitlich der BFH mit Urteil vom 13. April 2016 entschieden habe, dass eine Schmerzensgeldrente bei den  finanziellen Mitteln eines volljährigen behinderten Kindes nicht zu berücksichtigen sei. Im vorliegenden Fall erhalte jedoch das behinderte Kind eine Conterganrente. Diese sei indes vergleichbar mit einer Erwerbsminderungsrente und zähle zu dem verfügbaren Einkommen eines Kindes.
19 
Sodann bat die Berichterstatterin die Beklagte ihre Rechtsauffassung zu überdenken.
20 
Der Kläger teilte ergänzend mit, der Vater von Frau X. zahle laufend nach § 94 SGB XII einen begrenzten Unterhaltsbeitrag von 54,96 EUR monatlich. Dieser Betrag habe sich ab Januar 2016 durch die Kindergelderhöhung auf 56,76 EUR monatlich erhöht. Für ihn, den Kläger, sei es nicht nachvollziehbar, warum die Beklagte zunächst ein Ruhen des Verfahrens mit Verweis auf das Revisionsverfahren beim BFH und der Vergleichbarkeit der dort zu klärenden Frage, ob eine Schmerzensgeldrente zu den verfügbaren finanziellen Mitteln eines behinderten Kindes zähle, beantrage, und jetzt nach erfolgter Entscheidung des BFH zu dieser Frage eine Übertragung dieser Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall ablehne. Entgegen den Ausführungen der Beklagten sei die Conterganrente nicht mit einer Erwerbsminderungsrente vergleichbar. Die Leistungen nach dem ContStifG hätten als besondere Leistungen der sozialen Entschädigung nicht die Funktion, den notwendigen Lebensunterhalt für Personen sicherzustellen, die hierzu nicht aus eigenen Kräften und Mitteln in der Lage seien und gewähre insoweit echte Zusatzleistungen. Insoweit seien die Leistungen nach dem ContStifG mit Schmerzensgeldzahlungen vergleichbar, da in beiden Fällen der soziale Entschädigungs- oder Ausgleichsgedanke im Vordergrund stehe und nicht die materielle Existenzsicherung der Betroffenen.
21 
Mit Beschluss vom 12.9.2016 wurde das Verfahren wieder aufgenommen.
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Die Beklagte machte mit Schriftsatz vom 11.10.2016 geltend, § 18 ContStifG beziehe sich auf Leistungen, die dem Kind als contergangeschädigte Person zustehe. Beim steuerlichen Kindergeld handele sich hingegen nicht um eine Leistung des Kindes, sondern um eine steuerliche Entlastung der Eltern, die mit Unterhalt für ein Kind belastet seien. Dies sei bei behinderten Kinder nur der Fall, wenn diese wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande seien, sich selbst zu unterhalten, was bei Bezug einer Conterganrente ggf. nicht der Fall sei, da das behinderte Kind im Stande sei, sich selbst zu unterhalten.
23 
Am 9.11.2016 fand die mündliche Verhandlung statt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift vom 9.11.2016 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
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Die Klage ist begründet.
25 
Die Beklagte hat zu Unrecht die Kindergeldfestsetzung für das Kind A.X. aufgehoben. Für das Kind A.X. ist von Januar 2013 bis Dezember 2014 Kindergeld zu gewähren und in Höhe von 129,04 EUR monatlich an den Kläger abzuzweigen.
26 
Der Kläger ist nach § 67 Abs. 2 EStG berechtigt, einen Antrag auf Kindergeld zu stellen, Denn er hat ein berechtigtes Interesse an der Leistung des Kindergelds. Aus der Antragsbefugnis folgt zugleich die Klagebefugnis in einem finanzgerichtlichen Verfahren, in dem die Rechtmäßigkeit eines Kindergeldablehnungsbescheids (vgl. BFH vom 5.5.2015 III R 31/13, Sammlung der Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2015, 1005 -- Hinweis Dokumentar: Entscheidungsdatum: 5.2.2015 III R 31/13, BFHE 249, 144--) bzw. einer Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung und Abzweigung streitig ist.
27 
Ein Anspruch auf Kindergeld für ein volljähriges, behindertes Kind besteht nach §§ 62 Abs. 1, 63 Abs. 1 i.V.m. 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 EStG, wenn das Kind wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten und die Behinderung vor Vollendung des 27. Lebensjahres (alte Fassung) eingetreten ist. Nach dem Wortlaut der Norm kommt es auch nach der Neufassung des § 32 EStG darauf an, ob sich das Kind selbst unterhalten kann. Dem steht nicht entgegen, dass es im Übrigen nicht mehr auf die Höhe der Einnahmen und Bezüge des Kinds ankommt (vgl. BFH vom 16.3.2015 XI B 109/14, BFH/NV 2015, 1005; BFH vom 13.4.2016 III R 28/15, BStBl. II 2016, 648).
28 
Das Kind A.X. ist zum einen zu 100 vom Hundert behindert. Die Behinderung ist vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten. Zum anderen ist sie im Streitzeitraum Januar 2013 bis Dezember 2014 in jedem Monat außerstande, sich selbst zu unterhalten. Die Prüfung ist für jeden einzelnen Monat durchzuführen (BFH vom 4.11.2003 VIII R 43/02, BStBl. II 2010, 1046). Der Lebensbedarf eines behinderten Kinds besteht aus dem allgemeinen Lebensbedarf (Grundbedarf) in Höhe des Existenzminimums eines Erwachsenen und dem individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf (BFH vom 15.10.1999 VI R 183/97, BStBl. II 2000, 72). Erreichen die Einkünfte und Bezüge des Kindes die Summe aus Grundbedarf und behinderungsbedingtem Mehrbedarf nicht, so kann sich das Kind nicht selbst unterhalten, so im Streitfall.
29 
Der Lebensbedarf des Kinds A.X. besteht aus dem allgemeinen Lebensbedarf (Grundbedarf) in Höhe des Grundfreibetrags nach § 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG (BFH vom 13.4.2016 III R 28/15, BStBl. II 2016, 648) von 8.130 EUR jährlich, also 677,50 EUR monatlich (2013), und 8.354 EUR jährlich, also 696,17 EUR monatlich (2014), sowie dem behinderungsbedingten Mehrbedarf. Im Streitfall dient nicht der Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b EStG als Anhalt für den Mehrbedarf, da die behinderungsbedingten Mehraufwendungen im Einzelnen dargelegt worden sind. Sie bestehen jedenfalls in Höhe des monatlichen Pflegegelds zuzüglich der Eingliederungshilfe abzüglich der Tagesverpflegung zuzüglich des Kostenbeitrags aus der Rente und des Pflegegelds und damit exemplarisch für November 2014 in Höhe von (696,17 EUR anteiliger Grundfreibetrag + 256 EUR Pflegegeld + 5.836,29 EUR Eingliederungshilfe - 29 EUR Tagesverpflegung =) 6.559,46 EUR. Diesem Betrag sind die kindseigenen Mittel gegenüberzustellen und zwar in Höhe von (805,81 EUR  Erwerbsunfähigkeitsrente - 66,07 EUR Beitrag Krankenversicherung - 18,53 EUR Beitrag Pflegeversicherung + 256 EUR Pflegegeld + 5.836,29 EUR Eingliederungshilfe - 733,24 EUR Kostenbeitrag aus Rente - 256 EUR Kostenbeitrag aus Pflegegeld + Wohngeld 98 EUR - 8,50 EUR anteiliger Pauschbetrag =) 5.913,76 EUR. Infolgedessen ist das Kind A.X. ohne Berücksichtigung der Leistungen der Conterganstiftung -zwischen den Beteiligten unstreitig- außerstande, sich selbst zu unterhalten. Dies gilt für alle Monate im Streitzeitraum Januar 2013 bis Dezember 2014.
30 
Entgegen der Auffassung der Beklagten sind bei der Berechnung der Einkünfte und Bezüge des Kinds die Leistungen der Conterganstiftung, monatliche Leistungen sowie Sonderzahlungen, nicht zu berücksichtigen. Zum einen ergibt sich dies aus § 18 ContStifG. Danach bleiben bei der Ermittlung oder Anrechnung von Einkommen, sonstigen Einnahmen und Vermögen nach anderen Gesetzen, insbesondere dem II., III., V. und XII. SGB und dem BGB,  Leistungen nach diesem Gesetz außer Betracht. Der Wortlaut der Norm „insbesondere“ macht deutlich, dass § 18 ContStifG auch für andere als die genannten Gesetze zur Anwendung kommen kann und damit auch für das EStG und im Kindergeldrecht.
31 
Dem steht nicht entgegen, dass das Kindergeld grundsätzlich dem kindergeldberechtigten Elternteil, im Streitfall dem Vater des Kinds, zusteht. Das Kindergeld dient dazu, die wirtschaftliche Belastung auszugleichen, die Eltern durch die Sorge für ihre Kinder entsteht. Infolgedessen entfällt ein Kindergeldanspruch, wenn das behinderte Kind auf elterliche Unterstützung nicht mehr angewiesen ist (BFH vom 16.3.2015 XI B 109/14, BFH/NV 2015, 1005). Im Streitfall leistet jedoch der Vater einen Unterhaltsbeitrag, wenn auch in geringer Höhe. Diese Zahlungen mindern die Leistungsfähigkeit des Kindsvaters. Infolgedessen sprechen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz -GG- und Art. 6 GG für eine Auslegung des § 18 ContStifG dahin gehend, dass diese Norm auch bei der Festsetzung von Kindergeld angewandt wird. Dies gilt auch für den Kläger, der für den Unterhalt des Kinds im Wesentlichen aufkommt.
32 
Für solch eine Auslegung spricht auch § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Bundeskindergeldgesetz -BKGG-. Danach erhält Kindergeld für sich selbst, wer Vollwaise und ein Kind i.S.d. § 2 BKGG ist. Danach könnte das Kind A.X. nach dem Tod ihres Vaters einen Antrag auf Kindergeld für sich selbst stellen mit der Folge, dass dann unter Beachtung von § 18 ContStifG Kindergeld festzusetzen wäre. Denn das Kind A.X. wäre nach § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BKGG kindergeldberechtigt. Danach ist ein Kind zu berücksichtigen, das wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten und die Behinderung vor Vollendung des 27. Lebensjahres (alte Fassung) eingetreten ist. Insoweit decken sich § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BKGG und § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 EStG. Infolgedessen sollte das Tatbestandsmerkmal „außerstande, sich selbst zu unterhalten“ aus Gründen einer gleichmäßigen Festsetzung einheitlich ausgelegt werden.
33 
Zum anderen handelt es sich bei der Conterganrente sowie der Sonderzahlung um Schmerzensgeld mit der Folge, dass die Leistungen nicht zu berücksichtigen sind, da sie nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts des Kinds bestimmt oder geeignet sind (vgl. BFH vom 13.4.2016 III R 28/15, BStBl. II 2016, 648). Das Schmerzensgeld nimmt, unabhängig davon, ob es in einem Einmalbetrag oder in Rentenform gezahlt wird, eine Sonderstellung innerhalb der sonstigen Einkommens- und Vermögensarten ein (vgl. Bundesverfassungsgericht -BVerfG- vom 11.7.2006 1 BvR 293/05, Sammlung der Entscheidungen des BVerfG -BVerfGE- 116, 229). Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist es nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, dass in bestimmten Fällen Schmerzensgeld für den Lebensunterhalt eingesetzt werden soll, bevor staatliche Leistungen gezahlt werden. Nach einer Grundsatzentscheidung des BGH hat das Schmerzensgeld (BGH vom 6.7.1955 GSZ 1/55, Entscheidungssammlung des BGH in Zivilsachen -BGHZ- 18, 149) rechtlich eine doppelte Funktion. Es soll einerseits dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für solche Schäden und Lebenshemmungen bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind. Es soll aber andererseits zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten für das, was er ihm angetan hat, Genugtuung schuldet. Dabei steht der Entschädigung- oder Ausgleichsgedanke im Vordergrund. Der Zweck des Anspruchs ist der Ausgleich für die erlittene Beeinträchtigung. Der BGH hat den zugrundeliegenden Gedanken dahin formuliert, dass der Schädiger, der dem Geschädigten über den Vermögensschaden hinaus das Leben schwer gemacht hat, nun durch seine Leistung dazu helfen soll, es ihm im Rahmen des Möglichen wieder leichter zu machen. Nach der Rechtsprechung des BGH handelt es sich bei der Conterganrente um eine Sozialleistung zum Ausgleich von Körper- und Gesundheitsschäden. Die Conterganrente wird „aus Entschädigungsgründen gezahlt“ (BGH vom 16.7.2014 XII ZB 164/14, FamRZ 2014, 1619).
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Insbesondere aus der o.g. Grundsatzentscheidung des BGH leitet der BFH ab, dass Schmerzensgeld bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit eines behinderten Kindes nicht zu berücksichtigen ist (BFH vom 13.4.2016 III R 28/15, BStBl. II 2016, 648). Denn eine Berücksichtigung stünde in Widerspruch zur Sonderfunktion des Schmerzensgelds, immaterielle Schäden abzumildern. Entsprechendes gilt nach Ansicht des BFH für die Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes. Denn dieses hat insoweit gerade nicht die Funktion, zur materiellen Existenzsicherung beizutragen. In diesem Sinne wird der Sonderstellung des Schmerzensgelds auch in anderen Bereichen Rechnung getragen. So wird z.B. im Sozialrecht die Schmerzensgeldrente nicht bei der Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und auch nicht im Rahmen der Sozialhilfe berücksichtigt mit der Folge, dass im Streitfall der Kläger Leistungen an das Kind A.X. zu leisten hat.
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Unter Beachtung dieser Grundsätze ist der Senat davon überzeugt, dass es sich bei den Leistungen nach dem ContStifG um Schmerzensgeld handelt. Denn diese Leistungen sind nicht zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet und dienen vorrangig dem Ausgleich des immateriellen Schadens (Rätke in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 3 Nr. 68 Rn. 5; Pfirrmann in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 33a Rn. 96).
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Dies belegt zum einen die Historie des ContStifG. Mit diesem wurde der Schadensausgleich für die contergangeschädigten Kinder von dem individualrechtlichen zum sozialrechtlichen Bereich hin verlagert. Mit der Errichtung der Conterganstiftung hat der Gesetzgeber die Verpflichtung übernommen, den Contergangeschädigten wirksame und dauerhafte Hilfen zu gewährleisten. Das Stiftungsgesetz ist dadurch gekennzeichnet, dass es eine Gruppe von Schadensfällen dem allgemeinen privatrechtlichen Ordnungssystem entzieht und einer gesetzlichen Sonderregelung unterstellt.Darüber hinaus soll das Gesetz Behinderten durch Förderung anderer Maßnahmen Hilfe gewähren, um ihre Eingliederung in die Gesellschaft zu erleichtern (so BVerfG vom 8.7.1976 1 BvL 19/75, 1 BvL 20/75 und 1 BvL 148/75, BVerfGE 42, 263). Nach der Gesetzesbegründung handelt es sich um eine echte Zusatzleistung, die bei den Betroffenen ankommen und zum Ausgleich der Aufwendungen für Ursprungs-, Spät- und Folgeschäden dienen soll und daher bei der Bemessung von Unterhaltsleistungen nicht berücksichtigt werden dürfen (BT-Drs. 16/8743, 4 f.; BT-Drs. 15/5654, 13). Die Höhe der Beträge orientiert sich an den voraussichtlichen Aufwendungen. Dies belegt die Gesetzesbegründung anlässlich der Erhöhung der Beiträge nach dem ContStifG. Denn diese wurden  „angesichts der Folge- und Spätschäden der Betroffenen“ erhöht (BT-Drs. 16/8743, 1). Der Gesetzgeber führte u.a. aus, „erschwerend für die persönliche Situation der Betroffenen kommt hinzu, dass sie mit zunehmendem Alter immer stärker auf kostenpflichtige außerhäusliche Hilfe angewiesen sind, da älter werdende Familienangehörige die alltäglich erforderliche Hilfe und Unterstützung in der bisherigen Art und Weise nicht mehr leisten können“ (BT-Drs. 16/8743, 4).
37 
Zum anderen lässt der Zweck des Gesetzes den Schluss zu, dass es sich bei den Leistungen nach dem ContStifG um Schmerzensgeld handelt. Zweck ist es u.a., Leistungen an behinderte Menschen zu erbringen und ihnen durch die Förderung oder Durchführung von Forschungs- und Erprobungsvorhaben Hilfe zu gewähren, um ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu unterstützen und die durch Spätfolgen hervorgerufenen Beeinträchtigungen zu mildern (§ 2 Nr. 1 und Nr. 2 ContStifG). Als besondere Leistungen der sozialen Entschädigung haben diese Leistungen nicht die Funktion, den notwendigen Lebensunterhalt für Personen sicherzustellen, die hierzu nicht aus eigenen Kräften und Mitteln in der Lage sind. Sie haben nicht in erster Linie Versorgungscharakter. Sie gewähren insoweit Zusatzleistungen (Bundesverwaltungsgericht -BVerwG- vom 19.6.2014 10 C 1/14, Sammlung der Entscheidungen des BVerwG -BVerwGE- 150, 44). Zuwendungen nach dem ContStifG dienen der Linderung einer besonderen Notlage, so wie das Blindengeld und andere Sozialleistungen, die für Aufwendungen infolge eines Körper- oder Gesundheitsschadens erbracht werden (MüKoZPO/Wache, § 115 Rn. 16).
38 
Für Schmerzensgeld spricht auch, dass sich die Höhe der Rente nach § 13 Abs. 2 S. 1 ContStifG nach der Schwere des Körperschadens und den hierdurch hervorgerufenen Körperfunktionsstörungen richtet. Im Streitfall erhält das Kind aufgrund der Schwere ihres Körperschadens den Höchstbetrag.
39 
Sind die Leistungen nach dem ContStifG nicht zu berücksichtigen, kommt es nicht darauf an, wann die Sonderzahlung geleistet worden ist und ob diese überhaupt als Bezug zu berücksichtigen oder als Vermögen nicht anzusetzen ist (vgl. BFH vom 19.8.2002 VIII R 17/02, BStBl. II 2003, 88; BFH vom 19.8.2002 VIII R 51/01, BStBl. II 2003, 91).
40 
Es kann infolgedessen auch dahin gestellt bleiben, ob in Höhe der monatlichen Conterganrente ein behinderungsbedingter Mehrbedarf besteht. So deckt z.B. nach der Rechtsprechung des BFH das Blindengeld den durch die Blindheit verursachten Mehrbedarf ab (BFH vom 5.2.2015 III R 31/13, BStBl. II 2015, 1017). Auch die Conterganrente sowie die Sonderzahlung können (pauschalierend und typisierend) den durch die Schädigungen durch Contergan verursachten Mehrbedarf abdecken. Nach der Gesetzesbegründung ist die Conterganrente als Leistung iSd § 1610a BGB anzusehen und § 1610a BGB enthält die Vermutung, dass die Person, die diese Leistungen bezieht, mindestens in deren Höhe einen entsprechenden, durch ihren Körper- und Gesundheitsschaden bedingten Mehrbedarf hat (BT-Drs. 15/5654, 13). Die Conterganrente gehört (nach der zivilrechtlichen Rechtsprechung) zu den Sozialleistungen, die für Aufwendungen infolge eines Körper- oder Gesundheitsschadens gewährt werden und bei denen gemäß § 1610a BGB bei der Feststellung eines Unterhaltsanspruches vermutet wird, dass die Kosten der Aufwendungen nicht geringer sind als die Höhe dieser Sozialleistungen (BGH vom 16.7.2014 XII ZB 164/14, FamRZ 2014, 1619 mit Verweis auf die zivilrechtliche Kommentierung wie z.B. Palandt/Brudermüller, BGB, § 1610a Rn. 3).
41 
Mit der Aufhebung des (Aufhebungs-)Bescheids vom 30.10.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.2.2015 vom 1.1.2013 bis 31.12.2014 lebt die ursprüngliche Kindergeldfestsetzung wieder auf.
42 
Das für das Kind A.X. festgesetzte Kindergeld ist sodann in Höhe von 129,04 EUR an den Kläger abzuzweigen. Nach § 74 Abs. 1 EStG hat die Beklagte bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen nach pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden, ob und in welcher Höhe eine Abzweigung des Kindergelds an eine andere Person als den Kindergeldberechtigten tatsächlich erfolgt. Nach § 74 Abs. 1 S. 4 i.V.m. S. 1 und 3 EStG kann eine Abzweigung des Kindergelds an den Kläger erfolgen, wenn der Kindsvater als Kindergeldberechtigter seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt, mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist oder nur Unterhalt in Höhe eines Betrages zu leisten braucht, der geringer ist als das für die Auszahlung in Betracht kommende Kindergeld. Im Streitfall zahlt der Kindsvater als kindergeldberechtigte Person monatlich 54,96 EUR Unterhalt. Auch geringe Unterhaltsleistungen der Eltern sind zu berücksichtigen (Finanzgericht -FG- München vom 29.6.2015 7 K 2184/13, Juris). Der Unterhaltsbetrag ist indes geringer als das für die Auszahlung in Betracht kommende Kindergeld. Die Differenz in Höhe von 129,04 EUR kann an den Kläger abgezweigt werden. Lediglich dann, wenn die Leistungen mindestens so hoch sind wie das Kindergeld, wird eine Abzweigung nicht als ermessensgerecht angesehen (BFH vom 23.2.2006 III R 65/04, BStBl. II 2008, 753).
43 
Die Abzweigung ist zwar eine Ermessensentscheidung. Dennoch kann der Senat entscheiden. Denn zum einen geht es der Beklagten um die Frage, ob eine gezahlte Contergan-Rente bei der Ermittlung des verfügbaren Einkommens eines behinderten Kinds zu berücksichtigen oder als behinderungsbedingter Mehrbedarf anzusehen ist. Hieraus schließt der Senat, dass die Beklagte grundsätzlich eine Abzweigung vornimmt und sein Entschließungsermessen zugunsten des Klägers ausgeübt hat. Dies belegt auch die Zusage des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 9.11.2016, für den Zeitraum 1.1.2010 bis 31.12.2012 und für Januar 2015 und Februar 2015 nach einer Neuberechnung und unter Berücksichtigung der früheren Verwaltungsvorschriften Kindergeld an den Kläger abzuzweigen. Zum anderen ist das Ermessen der Beklagten auf Null reduziert. Erscheint nur eine Entscheidung ermessensgerecht, so ist das Gericht befugt, seine Entscheidung an die Stelle der Ermessensentscheidung der Beklagten zu setzen (BFH vom 3.7.2014 III R 41/12, BFH/NV 2015, 85). Die Beklagte hat als Teil der Verwaltung das ihr zustehende Ermessen unter Berücksichtigung ihrer Verwaltungsanweisungen auszuüben, sog. Selbstbindung der Verwaltung nach Art. 3 GG. Unterhaltsleistungen, die nicht die Höhe des Kindergelds erreichen, sind danach bei der Ermessensausübung zu beachten (BFH vom 23.2.2006 - III R 65/04, BStBl. II 2008, 753). Dies gilt auch bei geringen Unterhaltsleistungen des Kindergeldberechtigten (BFH vom 3.7.2014 - III R 41/12). Der Zweck der Regelung des § 74 Abs. 1 S. 4 EStG besteht darin, das Kindergeld an die Person oder Einrichtung auszuzahlen, die anstelle des Kindergeldberechtigten die Kosten des Unterhaltsrechts. Trägt der Vater der Klägerin nur einen geringen Anteil an den Kosten für den Unterhalt seiner Tochter, ist ein Ermessensspielraum derart eingeengt, dass nur eine Entscheidung als ermessensgerecht in Betracht kommt, nämlich die Abzweigung des Kindergeldes anteilig an den Kläger.
44 
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte, da sie unterlegen ist (§ 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-).
45 
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 1, Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung -ZPO-.

Gründe

 
24 
Die Klage ist begründet.
25 
Die Beklagte hat zu Unrecht die Kindergeldfestsetzung für das Kind A.X. aufgehoben. Für das Kind A.X. ist von Januar 2013 bis Dezember 2014 Kindergeld zu gewähren und in Höhe von 129,04 EUR monatlich an den Kläger abzuzweigen.
26 
Der Kläger ist nach § 67 Abs. 2 EStG berechtigt, einen Antrag auf Kindergeld zu stellen, Denn er hat ein berechtigtes Interesse an der Leistung des Kindergelds. Aus der Antragsbefugnis folgt zugleich die Klagebefugnis in einem finanzgerichtlichen Verfahren, in dem die Rechtmäßigkeit eines Kindergeldablehnungsbescheids (vgl. BFH vom 5.5.2015 III R 31/13, Sammlung der Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2015, 1005 -- Hinweis Dokumentar: Entscheidungsdatum: 5.2.2015 III R 31/13, BFHE 249, 144--) bzw. einer Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung und Abzweigung streitig ist.
27 
Ein Anspruch auf Kindergeld für ein volljähriges, behindertes Kind besteht nach §§ 62 Abs. 1, 63 Abs. 1 i.V.m. 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 EStG, wenn das Kind wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten und die Behinderung vor Vollendung des 27. Lebensjahres (alte Fassung) eingetreten ist. Nach dem Wortlaut der Norm kommt es auch nach der Neufassung des § 32 EStG darauf an, ob sich das Kind selbst unterhalten kann. Dem steht nicht entgegen, dass es im Übrigen nicht mehr auf die Höhe der Einnahmen und Bezüge des Kinds ankommt (vgl. BFH vom 16.3.2015 XI B 109/14, BFH/NV 2015, 1005; BFH vom 13.4.2016 III R 28/15, BStBl. II 2016, 648).
28 
Das Kind A.X. ist zum einen zu 100 vom Hundert behindert. Die Behinderung ist vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten. Zum anderen ist sie im Streitzeitraum Januar 2013 bis Dezember 2014 in jedem Monat außerstande, sich selbst zu unterhalten. Die Prüfung ist für jeden einzelnen Monat durchzuführen (BFH vom 4.11.2003 VIII R 43/02, BStBl. II 2010, 1046). Der Lebensbedarf eines behinderten Kinds besteht aus dem allgemeinen Lebensbedarf (Grundbedarf) in Höhe des Existenzminimums eines Erwachsenen und dem individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf (BFH vom 15.10.1999 VI R 183/97, BStBl. II 2000, 72). Erreichen die Einkünfte und Bezüge des Kindes die Summe aus Grundbedarf und behinderungsbedingtem Mehrbedarf nicht, so kann sich das Kind nicht selbst unterhalten, so im Streitfall.
29 
Der Lebensbedarf des Kinds A.X. besteht aus dem allgemeinen Lebensbedarf (Grundbedarf) in Höhe des Grundfreibetrags nach § 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG (BFH vom 13.4.2016 III R 28/15, BStBl. II 2016, 648) von 8.130 EUR jährlich, also 677,50 EUR monatlich (2013), und 8.354 EUR jährlich, also 696,17 EUR monatlich (2014), sowie dem behinderungsbedingten Mehrbedarf. Im Streitfall dient nicht der Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b EStG als Anhalt für den Mehrbedarf, da die behinderungsbedingten Mehraufwendungen im Einzelnen dargelegt worden sind. Sie bestehen jedenfalls in Höhe des monatlichen Pflegegelds zuzüglich der Eingliederungshilfe abzüglich der Tagesverpflegung zuzüglich des Kostenbeitrags aus der Rente und des Pflegegelds und damit exemplarisch für November 2014 in Höhe von (696,17 EUR anteiliger Grundfreibetrag + 256 EUR Pflegegeld + 5.836,29 EUR Eingliederungshilfe - 29 EUR Tagesverpflegung =) 6.559,46 EUR. Diesem Betrag sind die kindseigenen Mittel gegenüberzustellen und zwar in Höhe von (805,81 EUR  Erwerbsunfähigkeitsrente - 66,07 EUR Beitrag Krankenversicherung - 18,53 EUR Beitrag Pflegeversicherung + 256 EUR Pflegegeld + 5.836,29 EUR Eingliederungshilfe - 733,24 EUR Kostenbeitrag aus Rente - 256 EUR Kostenbeitrag aus Pflegegeld + Wohngeld 98 EUR - 8,50 EUR anteiliger Pauschbetrag =) 5.913,76 EUR. Infolgedessen ist das Kind A.X. ohne Berücksichtigung der Leistungen der Conterganstiftung -zwischen den Beteiligten unstreitig- außerstande, sich selbst zu unterhalten. Dies gilt für alle Monate im Streitzeitraum Januar 2013 bis Dezember 2014.
30 
Entgegen der Auffassung der Beklagten sind bei der Berechnung der Einkünfte und Bezüge des Kinds die Leistungen der Conterganstiftung, monatliche Leistungen sowie Sonderzahlungen, nicht zu berücksichtigen. Zum einen ergibt sich dies aus § 18 ContStifG. Danach bleiben bei der Ermittlung oder Anrechnung von Einkommen, sonstigen Einnahmen und Vermögen nach anderen Gesetzen, insbesondere dem II., III., V. und XII. SGB und dem BGB,  Leistungen nach diesem Gesetz außer Betracht. Der Wortlaut der Norm „insbesondere“ macht deutlich, dass § 18 ContStifG auch für andere als die genannten Gesetze zur Anwendung kommen kann und damit auch für das EStG und im Kindergeldrecht.
31 
Dem steht nicht entgegen, dass das Kindergeld grundsätzlich dem kindergeldberechtigten Elternteil, im Streitfall dem Vater des Kinds, zusteht. Das Kindergeld dient dazu, die wirtschaftliche Belastung auszugleichen, die Eltern durch die Sorge für ihre Kinder entsteht. Infolgedessen entfällt ein Kindergeldanspruch, wenn das behinderte Kind auf elterliche Unterstützung nicht mehr angewiesen ist (BFH vom 16.3.2015 XI B 109/14, BFH/NV 2015, 1005). Im Streitfall leistet jedoch der Vater einen Unterhaltsbeitrag, wenn auch in geringer Höhe. Diese Zahlungen mindern die Leistungsfähigkeit des Kindsvaters. Infolgedessen sprechen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz -GG- und Art. 6 GG für eine Auslegung des § 18 ContStifG dahin gehend, dass diese Norm auch bei der Festsetzung von Kindergeld angewandt wird. Dies gilt auch für den Kläger, der für den Unterhalt des Kinds im Wesentlichen aufkommt.
32 
Für solch eine Auslegung spricht auch § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Bundeskindergeldgesetz -BKGG-. Danach erhält Kindergeld für sich selbst, wer Vollwaise und ein Kind i.S.d. § 2 BKGG ist. Danach könnte das Kind A.X. nach dem Tod ihres Vaters einen Antrag auf Kindergeld für sich selbst stellen mit der Folge, dass dann unter Beachtung von § 18 ContStifG Kindergeld festzusetzen wäre. Denn das Kind A.X. wäre nach § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BKGG kindergeldberechtigt. Danach ist ein Kind zu berücksichtigen, das wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten und die Behinderung vor Vollendung des 27. Lebensjahres (alte Fassung) eingetreten ist. Insoweit decken sich § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BKGG und § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 EStG. Infolgedessen sollte das Tatbestandsmerkmal „außerstande, sich selbst zu unterhalten“ aus Gründen einer gleichmäßigen Festsetzung einheitlich ausgelegt werden.
33 
Zum anderen handelt es sich bei der Conterganrente sowie der Sonderzahlung um Schmerzensgeld mit der Folge, dass die Leistungen nicht zu berücksichtigen sind, da sie nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts des Kinds bestimmt oder geeignet sind (vgl. BFH vom 13.4.2016 III R 28/15, BStBl. II 2016, 648). Das Schmerzensgeld nimmt, unabhängig davon, ob es in einem Einmalbetrag oder in Rentenform gezahlt wird, eine Sonderstellung innerhalb der sonstigen Einkommens- und Vermögensarten ein (vgl. Bundesverfassungsgericht -BVerfG- vom 11.7.2006 1 BvR 293/05, Sammlung der Entscheidungen des BVerfG -BVerfGE- 116, 229). Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist es nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, dass in bestimmten Fällen Schmerzensgeld für den Lebensunterhalt eingesetzt werden soll, bevor staatliche Leistungen gezahlt werden. Nach einer Grundsatzentscheidung des BGH hat das Schmerzensgeld (BGH vom 6.7.1955 GSZ 1/55, Entscheidungssammlung des BGH in Zivilsachen -BGHZ- 18, 149) rechtlich eine doppelte Funktion. Es soll einerseits dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für solche Schäden und Lebenshemmungen bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind. Es soll aber andererseits zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten für das, was er ihm angetan hat, Genugtuung schuldet. Dabei steht der Entschädigung- oder Ausgleichsgedanke im Vordergrund. Der Zweck des Anspruchs ist der Ausgleich für die erlittene Beeinträchtigung. Der BGH hat den zugrundeliegenden Gedanken dahin formuliert, dass der Schädiger, der dem Geschädigten über den Vermögensschaden hinaus das Leben schwer gemacht hat, nun durch seine Leistung dazu helfen soll, es ihm im Rahmen des Möglichen wieder leichter zu machen. Nach der Rechtsprechung des BGH handelt es sich bei der Conterganrente um eine Sozialleistung zum Ausgleich von Körper- und Gesundheitsschäden. Die Conterganrente wird „aus Entschädigungsgründen gezahlt“ (BGH vom 16.7.2014 XII ZB 164/14, FamRZ 2014, 1619).
34 
Insbesondere aus der o.g. Grundsatzentscheidung des BGH leitet der BFH ab, dass Schmerzensgeld bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit eines behinderten Kindes nicht zu berücksichtigen ist (BFH vom 13.4.2016 III R 28/15, BStBl. II 2016, 648). Denn eine Berücksichtigung stünde in Widerspruch zur Sonderfunktion des Schmerzensgelds, immaterielle Schäden abzumildern. Entsprechendes gilt nach Ansicht des BFH für die Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes. Denn dieses hat insoweit gerade nicht die Funktion, zur materiellen Existenzsicherung beizutragen. In diesem Sinne wird der Sonderstellung des Schmerzensgelds auch in anderen Bereichen Rechnung getragen. So wird z.B. im Sozialrecht die Schmerzensgeldrente nicht bei der Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und auch nicht im Rahmen der Sozialhilfe berücksichtigt mit der Folge, dass im Streitfall der Kläger Leistungen an das Kind A.X. zu leisten hat.
35 
Unter Beachtung dieser Grundsätze ist der Senat davon überzeugt, dass es sich bei den Leistungen nach dem ContStifG um Schmerzensgeld handelt. Denn diese Leistungen sind nicht zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet und dienen vorrangig dem Ausgleich des immateriellen Schadens (Rätke in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 3 Nr. 68 Rn. 5; Pfirrmann in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 33a Rn. 96).
36 
Dies belegt zum einen die Historie des ContStifG. Mit diesem wurde der Schadensausgleich für die contergangeschädigten Kinder von dem individualrechtlichen zum sozialrechtlichen Bereich hin verlagert. Mit der Errichtung der Conterganstiftung hat der Gesetzgeber die Verpflichtung übernommen, den Contergangeschädigten wirksame und dauerhafte Hilfen zu gewährleisten. Das Stiftungsgesetz ist dadurch gekennzeichnet, dass es eine Gruppe von Schadensfällen dem allgemeinen privatrechtlichen Ordnungssystem entzieht und einer gesetzlichen Sonderregelung unterstellt.Darüber hinaus soll das Gesetz Behinderten durch Förderung anderer Maßnahmen Hilfe gewähren, um ihre Eingliederung in die Gesellschaft zu erleichtern (so BVerfG vom 8.7.1976 1 BvL 19/75, 1 BvL 20/75 und 1 BvL 148/75, BVerfGE 42, 263). Nach der Gesetzesbegründung handelt es sich um eine echte Zusatzleistung, die bei den Betroffenen ankommen und zum Ausgleich der Aufwendungen für Ursprungs-, Spät- und Folgeschäden dienen soll und daher bei der Bemessung von Unterhaltsleistungen nicht berücksichtigt werden dürfen (BT-Drs. 16/8743, 4 f.; BT-Drs. 15/5654, 13). Die Höhe der Beträge orientiert sich an den voraussichtlichen Aufwendungen. Dies belegt die Gesetzesbegründung anlässlich der Erhöhung der Beiträge nach dem ContStifG. Denn diese wurden  „angesichts der Folge- und Spätschäden der Betroffenen“ erhöht (BT-Drs. 16/8743, 1). Der Gesetzgeber führte u.a. aus, „erschwerend für die persönliche Situation der Betroffenen kommt hinzu, dass sie mit zunehmendem Alter immer stärker auf kostenpflichtige außerhäusliche Hilfe angewiesen sind, da älter werdende Familienangehörige die alltäglich erforderliche Hilfe und Unterstützung in der bisherigen Art und Weise nicht mehr leisten können“ (BT-Drs. 16/8743, 4).
37 
Zum anderen lässt der Zweck des Gesetzes den Schluss zu, dass es sich bei den Leistungen nach dem ContStifG um Schmerzensgeld handelt. Zweck ist es u.a., Leistungen an behinderte Menschen zu erbringen und ihnen durch die Förderung oder Durchführung von Forschungs- und Erprobungsvorhaben Hilfe zu gewähren, um ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu unterstützen und die durch Spätfolgen hervorgerufenen Beeinträchtigungen zu mildern (§ 2 Nr. 1 und Nr. 2 ContStifG). Als besondere Leistungen der sozialen Entschädigung haben diese Leistungen nicht die Funktion, den notwendigen Lebensunterhalt für Personen sicherzustellen, die hierzu nicht aus eigenen Kräften und Mitteln in der Lage sind. Sie haben nicht in erster Linie Versorgungscharakter. Sie gewähren insoweit Zusatzleistungen (Bundesverwaltungsgericht -BVerwG- vom 19.6.2014 10 C 1/14, Sammlung der Entscheidungen des BVerwG -BVerwGE- 150, 44). Zuwendungen nach dem ContStifG dienen der Linderung einer besonderen Notlage, so wie das Blindengeld und andere Sozialleistungen, die für Aufwendungen infolge eines Körper- oder Gesundheitsschadens erbracht werden (MüKoZPO/Wache, § 115 Rn. 16).
38 
Für Schmerzensgeld spricht auch, dass sich die Höhe der Rente nach § 13 Abs. 2 S. 1 ContStifG nach der Schwere des Körperschadens und den hierdurch hervorgerufenen Körperfunktionsstörungen richtet. Im Streitfall erhält das Kind aufgrund der Schwere ihres Körperschadens den Höchstbetrag.
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Sind die Leistungen nach dem ContStifG nicht zu berücksichtigen, kommt es nicht darauf an, wann die Sonderzahlung geleistet worden ist und ob diese überhaupt als Bezug zu berücksichtigen oder als Vermögen nicht anzusetzen ist (vgl. BFH vom 19.8.2002 VIII R 17/02, BStBl. II 2003, 88; BFH vom 19.8.2002 VIII R 51/01, BStBl. II 2003, 91).
40 
Es kann infolgedessen auch dahin gestellt bleiben, ob in Höhe der monatlichen Conterganrente ein behinderungsbedingter Mehrbedarf besteht. So deckt z.B. nach der Rechtsprechung des BFH das Blindengeld den durch die Blindheit verursachten Mehrbedarf ab (BFH vom 5.2.2015 III R 31/13, BStBl. II 2015, 1017). Auch die Conterganrente sowie die Sonderzahlung können (pauschalierend und typisierend) den durch die Schädigungen durch Contergan verursachten Mehrbedarf abdecken. Nach der Gesetzesbegründung ist die Conterganrente als Leistung iSd § 1610a BGB anzusehen und § 1610a BGB enthält die Vermutung, dass die Person, die diese Leistungen bezieht, mindestens in deren Höhe einen entsprechenden, durch ihren Körper- und Gesundheitsschaden bedingten Mehrbedarf hat (BT-Drs. 15/5654, 13). Die Conterganrente gehört (nach der zivilrechtlichen Rechtsprechung) zu den Sozialleistungen, die für Aufwendungen infolge eines Körper- oder Gesundheitsschadens gewährt werden und bei denen gemäß § 1610a BGB bei der Feststellung eines Unterhaltsanspruches vermutet wird, dass die Kosten der Aufwendungen nicht geringer sind als die Höhe dieser Sozialleistungen (BGH vom 16.7.2014 XII ZB 164/14, FamRZ 2014, 1619 mit Verweis auf die zivilrechtliche Kommentierung wie z.B. Palandt/Brudermüller, BGB, § 1610a Rn. 3).
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Mit der Aufhebung des (Aufhebungs-)Bescheids vom 30.10.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.2.2015 vom 1.1.2013 bis 31.12.2014 lebt die ursprüngliche Kindergeldfestsetzung wieder auf.
42 
Das für das Kind A.X. festgesetzte Kindergeld ist sodann in Höhe von 129,04 EUR an den Kläger abzuzweigen. Nach § 74 Abs. 1 EStG hat die Beklagte bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen nach pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden, ob und in welcher Höhe eine Abzweigung des Kindergelds an eine andere Person als den Kindergeldberechtigten tatsächlich erfolgt. Nach § 74 Abs. 1 S. 4 i.V.m. S. 1 und 3 EStG kann eine Abzweigung des Kindergelds an den Kläger erfolgen, wenn der Kindsvater als Kindergeldberechtigter seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt, mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist oder nur Unterhalt in Höhe eines Betrages zu leisten braucht, der geringer ist als das für die Auszahlung in Betracht kommende Kindergeld. Im Streitfall zahlt der Kindsvater als kindergeldberechtigte Person monatlich 54,96 EUR Unterhalt. Auch geringe Unterhaltsleistungen der Eltern sind zu berücksichtigen (Finanzgericht -FG- München vom 29.6.2015 7 K 2184/13, Juris). Der Unterhaltsbetrag ist indes geringer als das für die Auszahlung in Betracht kommende Kindergeld. Die Differenz in Höhe von 129,04 EUR kann an den Kläger abgezweigt werden. Lediglich dann, wenn die Leistungen mindestens so hoch sind wie das Kindergeld, wird eine Abzweigung nicht als ermessensgerecht angesehen (BFH vom 23.2.2006 III R 65/04, BStBl. II 2008, 753).
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Die Abzweigung ist zwar eine Ermessensentscheidung. Dennoch kann der Senat entscheiden. Denn zum einen geht es der Beklagten um die Frage, ob eine gezahlte Contergan-Rente bei der Ermittlung des verfügbaren Einkommens eines behinderten Kinds zu berücksichtigen oder als behinderungsbedingter Mehrbedarf anzusehen ist. Hieraus schließt der Senat, dass die Beklagte grundsätzlich eine Abzweigung vornimmt und sein Entschließungsermessen zugunsten des Klägers ausgeübt hat. Dies belegt auch die Zusage des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 9.11.2016, für den Zeitraum 1.1.2010 bis 31.12.2012 und für Januar 2015 und Februar 2015 nach einer Neuberechnung und unter Berücksichtigung der früheren Verwaltungsvorschriften Kindergeld an den Kläger abzuzweigen. Zum anderen ist das Ermessen der Beklagten auf Null reduziert. Erscheint nur eine Entscheidung ermessensgerecht, so ist das Gericht befugt, seine Entscheidung an die Stelle der Ermessensentscheidung der Beklagten zu setzen (BFH vom 3.7.2014 III R 41/12, BFH/NV 2015, 85). Die Beklagte hat als Teil der Verwaltung das ihr zustehende Ermessen unter Berücksichtigung ihrer Verwaltungsanweisungen auszuüben, sog. Selbstbindung der Verwaltung nach Art. 3 GG. Unterhaltsleistungen, die nicht die Höhe des Kindergelds erreichen, sind danach bei der Ermessensausübung zu beachten (BFH vom 23.2.2006 - III R 65/04, BStBl. II 2008, 753). Dies gilt auch bei geringen Unterhaltsleistungen des Kindergeldberechtigten (BFH vom 3.7.2014 - III R 41/12). Der Zweck der Regelung des § 74 Abs. 1 S. 4 EStG besteht darin, das Kindergeld an die Person oder Einrichtung auszuzahlen, die anstelle des Kindergeldberechtigten die Kosten des Unterhaltsrechts. Trägt der Vater der Klägerin nur einen geringen Anteil an den Kosten für den Unterhalt seiner Tochter, ist ein Ermessensspielraum derart eingeengt, dass nur eine Entscheidung als ermessensgerecht in Betracht kommt, nämlich die Abzweigung des Kindergeldes anteilig an den Kläger.
44 
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte, da sie unterlegen ist (§ 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-).
45 
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 1, Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung -ZPO-.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 6


(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

Einkommensteuergesetz - EStG | § 32 Kinder, Freibeträge für Kinder


(1) Kinder sind1.im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandte Kinder,2.Pflegekinder (Personen, mit denen der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken i

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 151


(1) Soll gegen den Bund, ein Land, einen Gemeindeverband, eine Gemeinde, eine Körperschaft, eine Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts vollstreckt werden, so gilt für die Zwangsvollstreckung das Achte Buch der Zivilprozessordnung sinngemäß; §

Einkommensteuergesetz - EStG | § 32a Einkommensteuertarif


(1)1Die tarifliche Einkommensteuer bemisst sich nach dem auf volle Euro abgerundeten zu versteuernden Einkommen.2Sie beträgt im Veranlagungszeitraum 2023 vorbehaltlich der §§ 32b, 32d, 34, 34a, 34b und 34c jeweils in Euro für zu versteuernde Einkomme

Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) - SGB 12 | § 94 Übergang von Ansprüchen gegen einen nach bürgerlichem Recht Unterhaltspflichtigen


(1) Hat die leistungsberechtigte Person für die Zeit, für die Leistungen erbracht werden, nach bürgerlichem Recht einen Unterhaltsanspruch, geht dieser bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen zusammen mit dem unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruch

Einkommensteuergesetz - EStG | § 33b Pauschbeträge für Menschen mit Behinderungen, Hinterbliebene und Pflegepersonen


(1) 1Wegen der Aufwendungen für die Hilfe bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, für die Pflege sowie für einen erhöhten Wäschebedarf können Menschen mit Behinderungen unter den Voraussetzungen des Abs

Einkommensteuergesetz - EStG | § 74 Zahlung des Kindergeldes in Sonderfällen


(1) 1Das für ein Kind festgesetzte Kindergeld nach § 66 Absatz 1 kann an das Kind ausgezahlt werden, wenn der Kindergeldberechtigte ihm gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt. 2Kindergeld kann an Kinder, die bei der Festsetzu

Bundeskindergeldgesetz - BKGG 1996 | § 2 Kinder


(1) Als Kinder werden auch berücksichtigt1.vom Berechtigten in seinen Haushalt aufgenommene Kinder seines Ehegatten oder Lebenspartners,2.Pflegekinder (Personen, mit denen der Berechtigte durch ein familienähnliches, auf Dauer berechnetes Band verbun

Conterganstiftungsgesetz - ContStifG | § 13 Art und Umfang der Leistungen


(1) Den in § 12 genannten leistungsberechtigten Personen stehen als Leistungen zu: 1. eine einmalige Kapitalentschädigung,2. eine lebenslängliche Conterganrente vorbehaltlich des Absatzes 2 Satz 3,3. jährliche Leistungen zur Deckung spezifischer Beda

Gesetz über die Conterganstiftung


Conterganstiftungsgesetz - ContStifG

Einkommensteuergesetz - EStG | § 67 Antrag


1Das Kindergeld ist bei der zuständigen Familienkasse schriftlich zu beantragen; eine elektronische Antragstellung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich vorgeschriebene Schnittstelle ist zulässig, soweit der Zugang eröffnet wurde.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1610a Deckungsvermutung bei schadensbedingten Mehraufwendungen


Werden für Aufwendungen infolge eines Körper- oder Gesundheitsschadens Sozialleistungen in Anspruch genommen, wird bei der Feststellung eines Unterhaltsanspruchs vermutet, dass die Kosten der Aufwendungen nicht geringer sind als die Höhe dieser Sozia

Conterganstiftungsgesetz - ContStifG | § 18 Verhältnis zu anderen Ansprüchen


(1) Bei der Ermittlung oder Anrechnung von Einkommen, sonstigen Einnahmen und Vermögen nach anderen Gesetzen, insbesondere dem Zweiten, Dritten, Fünften, Neunten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch und dem Bürgerlichen Gesetzbuch, bleiben Leistungen n

Conterganstiftungsgesetz - ContStifG | § 2 Stiftungszweck


Zweck der Stiftung ist es, Menschen mit Behinderung, deren Fehlbildungen mit der Einnahme thalidomidhaltiger Präparate der Grünenthal GmbH, Aachen (früher Chemie Grünenthal GmbH in Stolberg), durch die Mutter während der Schwangerschaft in Verbindung

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Tatbestand 1 Der Kläger begehrt von der beklagten Conterganstiftung für vergangene Zeiträume höhere Leistungen (laufende Rentenzahlung; jährliche Sonderzahlung) als nach

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(1)1Wegen der Aufwendungen für die Hilfe bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, für die Pflege sowie für einen erhöhten Wäschebedarf können Menschen mit Behinderungen unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 anstelle einer Steuerermäßigung nach § 33 einen Pauschbetrag nach Absatz 3 geltend machen (Behinderten-Pauschbetrag).2Das Wahlrecht kann für die genannten Aufwendungen im jeweiligen Veranlagungszeitraum nur einheitlich ausgeübt werden.

(2) Einen Pauschbetrag erhalten Menschen, deren Grad der Behinderung auf mindestens 20 festgestellt ist, sowie Menschen, die hilflos im Sinne des Absatzes 3 Satz 4 sind.

(3)1Die Höhe des Pauschbetrags nach Satz 2 richtet sich nach dem dauernden Grad der Behinderung.2Als Pauschbetrag werden gewährt bei einem Grad der Behinderung von mindestens:

20384 Euro,
30620 Euro,
40860 Euro,
501 140 Euro,
601 440 Euro,
701 780 Euro,
802 120 Euro,
902 460 Euro,
1002 840 Euro.


3Menschen, die hilflos im Sinne des Satzes 4 sind, Blinde und Taubblinde erhalten einen Pauschbetrag von 7 400 Euro; in diesem Fall kann der Pauschbetrag nach Satz 2 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.4Hilflos ist eine Person, wenn sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedarf.5Diese Voraussetzungen sind auch erfüllt, wenn die Hilfe in Form einer Überwachung oder einer Anleitung zu den in Satz 4 genannten Verrichtungen erforderlich ist oder wenn die Hilfe zwar nicht dauernd geleistet werden muss, jedoch eine ständige Bereitschaft zur Hilfeleistung erforderlich ist.

(4)1Personen, denen laufende Hinterbliebenenbezüge bewilligt worden sind, erhalten auf Antrag einen Pauschbetrag von 370 Euro (Hinterbliebenen-Pauschbetrag), wenn die Hinterbliebenenbezüge geleistet werden

1.
nach dem Bundesversorgungsgesetz oder einem anderen Gesetz, das die Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes über Hinterbliebenenbezüge für entsprechend anwendbar erklärt, oder
2.
nach den Vorschriften über die gesetzliche Unfallversicherung oder
3.
nach den beamtenrechtlichen Vorschriften an Hinterbliebene eines an den Folgen eines Dienstunfalls verstorbenen Beamten oder
4.
nach den Vorschriften des Bundesentschädigungsgesetzes über die Entschädigung für Schäden an Leben, Körper oder Gesundheit.
2Der Pauschbetrag wird auch dann gewährt, wenn das Recht auf die Bezüge ruht oder der Anspruch auf die Bezüge durch Zahlung eines Kapitals abgefunden worden ist.

(5)1Steht der Behinderten-Pauschbetrag oder der Hinterbliebenen-Pauschbetrag einem Kind zu, für das der Steuerpflichtige Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat, so wird der Pauschbetrag auf Antrag auf den Steuerpflichtigen übertragen, wenn ihn das Kind nicht in Anspruch nimmt.2Dabei ist der Pauschbetrag grundsätzlich auf beide Elternteile je zur Hälfte aufzuteilen, es sei denn, der Kinderfreibetrag wurde auf den anderen Elternteil übertragen.3Auf gemeinsamen Antrag der Eltern ist eine andere Aufteilung möglich.4In diesen Fällen besteht für Aufwendungen, für die der Behinderten-Pauschbetrag gilt, kein Anspruch auf eine Steuerermäßigung nach § 33.5Voraussetzung für die Übertragung nach Satz 1 ist die Angabe der erteilten Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung) des Kindes in der Einkommensteuererklärung des Steuerpflichtigen.

(6)1Wegen der außergewöhnlichen Belastungen, die einem Steuerpflichtigen durch die Pflege einer Person erwachsen, kann er anstelle einer Steuerermäßigung nach § 33 einen Pauschbetrag geltend machen (Pflege-Pauschbetrag), wenn er dafür keine Einnahmen im Kalenderjahr erhält und der Steuerpflichtige die Pflege entweder in seiner Wohnung oder in der Wohnung des Pflegebedürftigen persönlich durchführt und diese Wohnung in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat gelegen ist, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum anzuwenden ist.2Zu den Einnahmen nach Satz 1 zählt unabhängig von der Verwendung nicht das von den Eltern eines Kindes mit Behinderungen für dieses Kind empfangene Pflegegeld.3Als Pflege-Pauschbetrag wird gewährt:

1.
bei Pflegegrad 2600 Euro,
2.
bei Pflegegrad 31 100 Euro,
3.
bei Pflegegrad 4 oder 51 800 Euro.
4Ein Pflege-Pauschbetrag nach Satz 3 Nummer 3 wird auch gewährt, wenn die gepflegte Person hilflos im Sinne des § 33b Absatz 3 Satz 4 ist.5Bei erstmaliger Feststellung, Änderung oder Wegfall des Pflegegrads im Laufe des Kalenderjahres ist der Pflege-Pauschbetrag nach dem höchsten Grad zu gewähren, der im Kalenderjahr festgestellt war.6Gleiches gilt, wenn die Person die Voraussetzungen nach Satz 4 erfüllt.7Sind die Voraussetzungen nach Satz 4 erfüllt, kann der Pauschbetrag nach Satz 3 Nummer 1 und 2 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.8Voraussetzung für die Gewährung des Pflege-Pauschbetrags ist die Angabe der erteilten Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung) der gepflegten Person in der Einkommensteuererklärung des Steuerpflichtigen.9Wird ein Pflegebedürftiger von mehreren Steuerpflichtigen im Veranlagungszeitraum gepflegt, wird der Pflege-Pauschbetrag nach der Zahl der Pflegepersonen, bei denen die Voraussetzungen der Sätze 1 bis 4 vorliegen, geteilt.

(7) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen, wie nachzuweisen ist, dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Pauschbeträge vorliegen.

(8) Die Vorschrift des § 33b Absatz 6 ist ab Ende des Kalenderjahres 2026 zu evaluieren.

(1) Kinder sind

1.
im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandte Kinder,
2.
Pflegekinder (Personen, mit denen der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken in seinen Haushalt aufgenommen hat und das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht).

(2)1Besteht bei einem angenommenen Kind das Kindschaftsverhältnis zu den leiblichen Eltern weiter, ist es vorrangig als angenommenes Kind zu berücksichtigen.2Ist ein im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandtes Kind zugleich ein Pflegekind, ist es vorrangig als Pflegekind zu berücksichtigen.

(3) Ein Kind wird in dem Kalendermonat, in dem es lebend geboren wurde, und in jedem folgenden Kalendermonat, zu dessen Beginn es das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, berücksichtigt.

(4)1Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wird berücksichtigt, wenn es

1.
noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist oder
2.
noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und
a)
für einen Beruf ausgebildet wird oder
b)
sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes, einer vom Wehr- oder Zivildienst befreienden Tätigkeit als Entwicklungshelfer oder als Dienstleistender im Ausland nach § 14b des Zivildienstgesetzes oder der Ableistung des freiwilligen Wehrdienstes nach § 58b des Soldatengesetzes oder der Ableistung eines freiwilligen Dienstes im Sinne des Buchstaben d liegt, oder
c)
eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann oder
d)
einen der folgenden freiwilligen Dienste leistet:
aa)
ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
bb)
ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
cc)
einen Bundesfreiwilligendienst im Sinne des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
dd)
eine Freiwilligentätigkeit im Rahmen des Europäischen Solidaritätskorps im Sinne der Verordnung (EU) 2021/888 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2021 zur Aufstellung des Programms für das Europäische Solidaritätskorps und zur Aufhebung der Verordnungen (EU) 2018/1475 und (EU) Nr. 375/2014 (ABl. L 202 vom 8.6.2021, S. 32),
ee)
einen anderen Dienst im Ausland im Sinne von § 5 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
ff)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts“ im Sinne der Förderleitlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. Januar 2016,
gg)
einen Freiwilligendienst aller Generationen im Sinne von § 2 Absatz 1a des Siebten Buches Sozialgesetzbuch oder
hh)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 4. Januar 2021 (GMBl S. 77) oder
3.
wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten; Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.
2Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind in den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 nur berücksichtigt, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit nachgeht.3Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der §§ 8 und 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind unschädlich.

(5)1In den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 Buchstabe a und b wird ein Kind, das

1.
den gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst geleistet hat, oder
2.
sich anstelle des gesetzlichen Grundwehrdienstes freiwillig für die Dauer von nicht mehr als drei Jahren zum Wehrdienst verpflichtet hat, oder
3.
eine vom gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst befreiende Tätigkeit als Entwicklungshelfer im Sinne des § 1 Absatz 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes ausgeübt hat,
für einen der Dauer dieser Dienste oder der Tätigkeit entsprechenden Zeitraum, höchstens für die Dauer des inländischen gesetzlichen Grundwehrdienstes oder bei anerkannten Kriegsdienstverweigerern für die Dauer des inländischen gesetzlichen Zivildienstes über das 21. oder 25. Lebensjahr hinaus berücksichtigt.2Wird der gesetzliche Grundwehrdienst oder Zivildienst in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, geleistet, so ist die Dauer dieses Dienstes maßgebend.3Absatz 4 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(6)1Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer wird für jedes zu berücksichtigende Kind des Steuerpflichtigen ein Freibetrag von 3 012 Euro für das sächliche Existenzminimum des Kindes (Kinderfreibetrag) sowie ein Freibetrag von 1 464 Euro für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vom Einkommen abgezogen.2Bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, verdoppeln sich die Beträge nach Satz 1, wenn das Kind zu beiden Ehegatten in einem Kindschaftsverhältnis steht.3Die Beträge nach Satz 2 stehen dem Steuerpflichtigen auch dann zu, wenn

1.
der andere Elternteil verstorben oder nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder
2.
der Steuerpflichtige allein das Kind angenommen hat oder das Kind nur zu ihm in einem Pflegekindschaftsverhältnis steht.
4Für ein nicht nach § 1 Absatz 1 oder 2 unbeschränkt einkommensteuerpflichtiges Kind können die Beträge nach den Sätzen 1 bis 3 nur abgezogen werden, soweit sie nach den Verhältnissen seines Wohnsitzstaates notwendig und angemessen sind.5Für jeden Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen für einen Freibetrag nach den Sätzen 1 bis 4 nicht vorliegen, ermäßigen sich die dort genannten Beträge um ein Zwölftel.6Abweichend von Satz 1 wird bei einem unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Elternpaar, bei dem die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 nicht vorliegen, auf Antrag eines Elternteils der dem anderen Elternteil zustehende Kinderfreibetrag auf ihn übertragen, wenn er, nicht jedoch der andere Elternteil, seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind für das Kalenderjahr im Wesentlichen nachkommt oder der andere Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist; die Übertragung des Kinderfreibetrags führt stets auch zur Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf.7Eine Übertragung nach Satz 6 scheidet für Zeiträume aus, für die Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gezahlt werden.8Bei minderjährigen Kindern wird der dem Elternteil, in dessen Wohnung das Kind nicht gemeldet ist, zustehende Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf auf Antrag des anderen Elternteils auf diesen übertragen, wenn bei dem Elternpaar die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 nicht vorliegen.9Eine Übertragung nach Satz 8 scheidet aus, wenn der Übertragung widersprochen wird, weil der Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, Kinderbetreuungskosten trägt oder das Kind regelmäßig in einem nicht unwesentlichen Umfang betreut.10Die den Eltern nach den Sätzen 1 bis 9 zustehenden Freibeträge können auf Antrag auch auf einen Stiefelternteil oder Großelternteil übertragen werden, wenn dieser das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat oder dieser einer Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind unterliegt.11Die Übertragung nach Satz 10 kann auch mit Zustimmung des berechtigten Elternteils erfolgen, die nur für künftige Kalenderjahre widerrufen werden kann.12Voraussetzung für die Berücksichtigung des Kinderfreibetrags sowie des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes ist die Identifizierung des Kindes durch die an dieses Kind vergebene Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung).13Ist das Kind nicht nach einem Steuergesetz steuerpflichtig (§ 139a Absatz 2 der Abgabenordnung), ist es in anderer geeigneter Weise zu identifizieren.14Die nachträgliche Identifizierung oder nachträgliche Vergabe der Identifikationsnummer wirkt auf Monate zurück, in denen die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung des Kinderfreibetrags sowie des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vorliegen.

(1) Bei der Ermittlung oder Anrechnung von Einkommen, sonstigen Einnahmen und Vermögen nach anderen Gesetzen, insbesondere dem Zweiten, Dritten, Fünften, Neunten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch und dem Bürgerlichen Gesetzbuch, bleiben Leistungen nach diesem Gesetz außer Betracht.

(2) Verpflichtungen Anderer, insbesondere Unterhaltspflichtiger und der Träger der Sozialhilfe oder anderer Sozialleistungen, werden durch dieses Gesetz nicht berührt. Der Übergang der Unterhaltsansprüche der leistungsberechtigten Person gegenüber ihrem Ehegatten, ihrem Lebenspartner, ihren Kindern oder ihren Eltern nach § 94 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch bedeutet eine unbillige Härte nach § 94 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch. Bei der Hilfe nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch ist der leistungsberechtigten Person und ihrem nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen nach § 19 Absatz 3, § 87 Absatz 1 und § 88 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch nicht zuzumuten. Der Einsatz des Vermögens der leistungsberechtigten Person und ihres nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners nach § 19 Absatz 3, § 90 Absatz 3 Satz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch stellt eine Härte dar. Für Eingliederungshilfebezieher nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch wird ein Beitrag nach § 92 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch nicht erhoben. Das gilt auch für die nach diesem Gesetz leistungsberechtigten Personen, die nach Inkrafttreten des Bundesteilhabegesetzes Leistungen nach § 103 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch erhalten. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer Stellen, auf die kein Anspruch besteht, dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach diesem Gesetz Leistungen vorgesehen sind.

(1)1Das für ein Kind festgesetzte Kindergeld nach § 66 Absatz 1 kann an das Kind ausgezahlt werden, wenn der Kindergeldberechtigte ihm gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt.2Kindergeld kann an Kinder, die bei der Festsetzung des Kindergeldes berücksichtigt werden, bis zur Höhe des Betrags, der sich bei entsprechender Anwendung des § 76 ergibt, ausgezahlt werden.3Dies gilt auch, wenn der Kindergeldberechtigte mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist oder nur Unterhalt in Höhe eines Betrags zu leisten braucht, der geringer ist als das für die Auszahlung in Betracht kommende Kindergeld.4Die Auszahlung kann auch an die Person oder Stelle erfolgen, die dem Kind Unterhalt gewährt.

(2) Für Erstattungsansprüche der Träger von Sozialleistungen gegen die Familienkasse gelten die §§ 102 bis 109 und 111 bis 113 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend.

(1) Hat die leistungsberechtigte Person für die Zeit, für die Leistungen erbracht werden, nach bürgerlichem Recht einen Unterhaltsanspruch, geht dieser bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen zusammen mit dem unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruch auf den Träger der Sozialhilfe über. Der Übergang des Anspruchs ist ausgeschlossen, soweit der Unterhaltsanspruch durch laufende Zahlung erfüllt wird. Der Übergang des Anspruchs ist auch ausgeschlossen, wenn die unterhaltspflichtige Person zum Personenkreis des § 19 gehört oder die unterhaltspflichtige Person mit der leistungsberechtigten Person vom zweiten Grad an verwandt ist. Gleiches gilt für Unterhaltsansprüche gegen Verwandte ersten Grades einer Person, die schwanger ist oder ihr leibliches Kind bis zur Vollendung seines sechsten Lebensjahres betreut. § 93 Abs. 4 gilt entsprechend.

(1a) Unterhaltsansprüche der Leistungsberechtigten gegenüber ihren Kindern und Eltern sind nicht zu berücksichtigen, es sei denn, deren jährliches Gesamteinkommen im Sinne des § 16 des Vierten Buches beträgt jeweils mehr als 100 000 Euro (Jahreseinkommensgrenze). Der Übergang von Ansprüchen der Leistungsberechtigten ist ausgeschlossen, sofern Unterhaltsansprüche nach Satz 1 nicht zu berücksichtigen sind. Es wird vermutet, dass das Einkommen der unterhaltsverpflichteten Personen nach Satz 1 die Jahreseinkommensgrenze nicht überschreitet. Zur Widerlegung der Vermutung nach Satz 3 kann der jeweils für die Ausführung des Gesetzes zuständige Träger von den Leistungsberechtigten Angaben verlangen, die Rückschlüsse auf die Einkommensverhältnisse der Unterhaltspflichtigen nach Satz 1 zulassen. Liegen im Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte für ein Überschreiten der Jahreseinkommensgrenze vor, so ist § 117 anzuwenden. Die Sätze 1 bis 5 gelten nicht bei Leistungen nach dem Dritten Kapitel an minderjährige Kinder.

(2) Der Anspruch einer volljährigen unterhaltsberechtigten Person, die in der Eingliederungshilfe leistungsberechtigt im Sinne des § 99 Absatz 1 bis 3 des Neunten Buches oder pflegebedürftig im Sinne von § 61a ist, gegenüber ihren Eltern wegen Leistungen nach dem Siebten Kapitel geht nur in Höhe von bis zu 26 Euro, wegen Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel nur in Höhe von bis zu 20 Euro monatlich über. Es wird vermutet, dass der Anspruch in Höhe der genannten Beträge übergeht und mehrere Unterhaltspflichtige zu gleichen Teilen haften; die Vermutung kann widerlegt werden. Die in Satz 1 genannten Beträge verändern sich zum gleichen Zeitpunkt und um denselben Vomhundertsatz, um den sich das Kindergeld verändert.

(3) Ansprüche nach Absatz 1 und 2 gehen nicht über, soweit

1.
die unterhaltspflichtige Person Leistungsberechtigte nach dem Dritten und Vierten Kapitel ist oder bei Erfüllung des Anspruchs würde oder
2.
der Übergang des Anspruchs eine unbillige Härte bedeuten würde.
Der Träger der Sozialhilfe hat die Einschränkung des Übergangs nach Satz 1 zu berücksichtigen, wenn er von ihren Voraussetzungen durch vorgelegte Nachweise oder auf andere Weise Kenntnis hat.

(4) Für die Vergangenheit kann der Träger der Sozialhilfe den übergegangenen Unterhalt außer unter den Voraussetzungen des bürgerlichen Rechts nur von der Zeit an fordern, zu welcher er dem Unterhaltspflichtigen die Erbringung der Leistung schriftlich mitgeteilt hat. Wenn die Leistung voraussichtlich auf längere Zeit erbracht werden muss, kann der Träger der Sozialhilfe bis zur Höhe der bisherigen monatlichen Aufwendungen auch auf künftige Leistungen klagen.

(5) Der Träger der Sozialhilfe kann den auf ihn übergegangenen Unterhaltsanspruch im Einvernehmen mit der leistungsberechtigten Person auf diesen zur gerichtlichen Geltendmachung rückübertragen und sich den geltend gemachten Unterhaltsanspruch abtreten lassen. Kosten, mit denen die leistungsberechtigte Person dadurch selbst belastet wird, sind zu übernehmen. Über die Ansprüche nach den Absätzen 1, 2 bis 4 ist im Zivilrechtsweg zu entscheiden.

1Das Kindergeld ist bei der zuständigen Familienkasse schriftlich zu beantragen; eine elektronische Antragstellung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich vorgeschriebene Schnittstelle ist zulässig, soweit der Zugang eröffnet wurde.2Den Antrag kann außer dem Berechtigten auch stellen, wer ein berechtigtes Interesse an der Leistung des Kindergeldes hat.3In Fällen des Satzes 2 ist § 62 Absatz 1 Satz 2 bis 3 anzuwenden.4Der Berechtigte ist zu diesem Zweck verpflichtet, demjenigen, der ein berechtigtes Interesse an der Leistung des Kindergeldes hat, seine an ihn vergebene Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung) mitzuteilen.5Kommt der Berechtigte dieser Verpflichtung nicht nach, teilt die zuständige Familienkasse demjenigen, der ein berechtigtes Interesse an der Leistung des Kindergeldes hat, auf seine Anfrage die Identifikationsnummer des Berechtigten mit.

(1) Bei der Ermittlung oder Anrechnung von Einkommen, sonstigen Einnahmen und Vermögen nach anderen Gesetzen, insbesondere dem Zweiten, Dritten, Fünften, Neunten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch und dem Bürgerlichen Gesetzbuch, bleiben Leistungen nach diesem Gesetz außer Betracht.

(2) Verpflichtungen Anderer, insbesondere Unterhaltspflichtiger und der Träger der Sozialhilfe oder anderer Sozialleistungen, werden durch dieses Gesetz nicht berührt. Der Übergang der Unterhaltsansprüche der leistungsberechtigten Person gegenüber ihrem Ehegatten, ihrem Lebenspartner, ihren Kindern oder ihren Eltern nach § 94 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch bedeutet eine unbillige Härte nach § 94 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch. Bei der Hilfe nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch ist der leistungsberechtigten Person und ihrem nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen nach § 19 Absatz 3, § 87 Absatz 1 und § 88 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch nicht zuzumuten. Der Einsatz des Vermögens der leistungsberechtigten Person und ihres nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners nach § 19 Absatz 3, § 90 Absatz 3 Satz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch stellt eine Härte dar. Für Eingliederungshilfebezieher nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch wird ein Beitrag nach § 92 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch nicht erhoben. Das gilt auch für die nach diesem Gesetz leistungsberechtigten Personen, die nach Inkrafttreten des Bundesteilhabegesetzes Leistungen nach § 103 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch erhalten. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer Stellen, auf die kein Anspruch besteht, dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach diesem Gesetz Leistungen vorgesehen sind.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 164/14
vom
16. Juli 2014
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Versorgungsausgleich zugunsten eines contergangeschädigten Ehegatten
kann nicht nach § 27 VersAusglG mit der Begründung ausgeschlossen werden,
dass der Ausgleichsberechtigte wegen seiner Conterganrente auf die Durchführung
des Versorgungsausgleichs nicht angewiesen sei.
BGH, Beschluss vom 16. Juli 2014 - XII ZB 164/14 - OLG Bamberg
AG Schweinfurt
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Juli 2014 durch den
Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Schilling, Dr. Günter, Dr. NeddenBoeger
und Dr. Botur

beschlossen:
Der Antrag der Antragstellerin auf Verfahrenskostenhilfe wird abgelehnt , weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

Gründe:

I.

1
Die beteiligten Eheleute streiten im Scheidungsverbund um Versorgungsausgleich.
2
Der 1961 geborene Ehemann war in der Ehezeit als Garten- und Landschaftsbauarchitekt selbständig; sein Unternehmen ist mittlerweile insolvent. Zuvor hatte er im Rahmen eines erfolglosen Sanierungsversuchs seine private Altersvorsorge aufgelöst und in das Unternehmen eingebracht. Sonstige Versorgungsanrechte hat der Ehemann in der Ehezeit nicht erworben. Der Ehemann ist Contergangeschädigter und bezieht eine steuer- und sozialabgabenfreie Conterganrente von der Beteiligten zu 3 (Contergan-Stiftung), deren Höhe zunächst monatlich 1.116 € betrug und die im Zuge einer erheblichen Anhebung des Rentenniveaus im Jahre 2013 auf mittlerweile monatlich 3.686 € (zuzüglich einer jährlichen Sonderzahlung in Höhe von 1.840 €) erhöht wurde. Ausgezahlt wird dem Ehemann bis Ende Januar 2016 lediglich ein um monat- lich 523,56 € gekürzter Betrag, weil er sich diesen Teilbetrag seiner Rente Anfang der 2000er Jahre kapitalisieren ließ.
3
Die 1966 geborene Ehefrau ist Krankenschwester. Sie ist schwerbehindert und bezieht neben Erwerbseinkünften aus einer Teilzeitbeschäftigung (15 Wochenstunden) eine gesetzliche Rente wegen voller Erwerbsminderung. Sie hat in der Ehezeit Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Anrechte in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes erworben.
4
Das Amtsgericht hat den Versorgungsausgleich nach § 27 VersAusglG ausgeschlossen, weil die Ehefrau auf ihre Versorgungsanrechte dringend angewiesen sei und sich die Versorgungssituation des Ehemannes in Ansehung seiner Conterganrente nicht wesentlich verbessern würde. Auf die Beschwerde des Ehemannes hat das Beschwerdegericht die Entscheidung abgeändert und den Versorgungsausgleich durch interne Teilung der Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung und der Zusatzversorgung zu Lasten der Ehefrau durchgeführt.
5
Die Ehefrau begehrt Verfahrenskostenhilfe für die Durchführung der zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

6
Die für die Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens beantragte Verfahrenskostenhilfe ist nicht zu bewilligen, weil die Rechtsverfolgung der Antragsgegnerin keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 76 Abs. 1 FamFG iVm § 114 ZPO) verspricht.
7
1. Unbeschadet der für den Senat bindenden Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Beschwerdegericht stellen sich im vorliegenden Fall keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung (§ 70 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 FamFG). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Sache, wenn sie eine entscheidungserhebliche , klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann (Senatsbeschluss vom 24. April 2013 - XII ZR 159/12 - FamRZ 2013, 1199 Rn. 4 mwN). Klärungsbedürftig sind solche Rechtsfragen, deren Beantwortung zweifelhaft oder schwierig ist oder zu denen unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und die noch nicht oder nicht hinreichend höchstrichterlich geklärt sind (vgl. BVerfG FamRZ 2010, 1235, 1236).
8
So liegt der Fall hier nicht.
9
a) Die Conterganrente gehört - was nicht in Zweifel gezogen wird - nicht zu den gemäß § 2 Abs. 2 VersAusglG in den Versorgungsausgleich einzubeziehenden Anrechten, weil sie aus Entschädigungsgründen gezahlt wird und weder durch Arbeit noch durch Vermögen erworben worden ist. Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde deswegen auch lediglich wegen der Frage zugelassen, ob der Bezug einer Conterganrente im Rahmen des § 27 VersAusglG bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Ausgleichsberechtigten berücksichtigt werden dürfe.
10
b) Dieser Rechtsfrage kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil sie nach dem geltenden Recht eindeutig zu beantworten ist.
11
aa) Gemäß § 18 Abs. 1 ContStifG bleiben Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz bei der Ermittlung oder Anrechnung von Einkommen, sonstigen Einnahmen und Vermögen nach anderen Gesetzen, insbesondere dem Zweiten, Dritten, Fünften und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch und dem Bürger- lichen Gesetzbuch, außer Betracht. Die Aufzählung dieser Gesetze ist - wie die Formulierung "insbesondere" verdeutlicht - nicht abschließend (vgl. BT-Drucks. 15/5654, S. 13) und schließt deshalb das Versorgungsausgleichsgesetz nicht aus. § 18 Abs. 2 Satz 1 ContStifG bestimmt darüber hinaus, dass Verpflichtungen Anderer, insbesondere Unterhaltspflichtiger und der Träger der Sozialhilfe oder anderer Sozialleistungen, durch das Conterganstiftungsgesetz nicht berührt werden. Im Versorgungsausgleich würde die Ausgleichspflicht des Ehegatten mit den höheren Versorgungsanrechten jedoch durchaus berührt, wenn man (auch) die dem ausgleichsberechtigten Ehegatten gewährten Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz zum Anlass nehmen würde, den auf § 1 Abs. 1 VersAusglG beruhenden Anspruch des Contergangeschädigten auf Halbteilung der in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte nach § 27 VersAusglG herabzusetzen oder auszuschließen. Zwingende gesetzessystematische Gründe, welche die Schlussfolgerung nahelegen könnten, dass § 18 ContStifG der Berücksichtigung von Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz zumindest bei der Anwendung von Härte- oder Billigkeitsregelungen des bürgerlichen Rechts nicht entgegenstünde, bestehen nicht. Hätte der Gesetzgeber dies gewollt, hätte er es - wie beispielsweise in § 11 Satz 4 BEEG und der dort enthaltenen Bezugnahme auf §§ 1579, 1611 Abs. 1 BGB - ausdrücklich anordnen können.
12
bb) Im Übrigen gehört die Conterganrente nach allgemeiner Auffassung (Palandt/Brudermüller BGB 73. Aufl. § 1610 a Rn. 3; MünchKommBGB/Born 6. Aufl. § 1610 a Rn. 10; Soergel/Seibl BGB 13. Aufl. § 1610 a Rn. 5; Erman/ Hammermann BGB 13. Aufl. § 1610 a Rn. 6; Botur in Büte/Poppen/Menne Unterhaltsrecht 2. Aufl. § 1610 a BGB Rn. 5; NK-BGB/Kath-Zurhorst/Reuter 3. Aufl. § 1610 a Rn. 4; Heiß/Heiß in Heiß/Born Unterhaltsrecht [Bearbeitungsstand : 2014] 3. Kap. Rn. 111; Breuer/Louis MedR 2007, 223, 226; vgl. auch BT-Drucks. 15/5654, S. 13) zu den Sozialleistungen, die für Aufwendungen in- folge eines Körper- oder Gesundheitsschadens gewährt werden und bei denen gemäß § 1610 a BGB bei der Feststellung eines Unterhaltsanspruches vermutet wird, dass die Kosten der Aufwendungen nicht geringer sind als die Höhe dieser Sozialleistungen. Auch wenn die Vorschriften des Versorgungsausgleichsrechts keine unmittelbare Verweisung auf § 1610 a BGB enthalten, werden die Grundsätze des § 1610 a BGB auch im Rahmen des § 27 VersAusglG bei der Beurteilung der Frage zu berücksichtigen sein, ob der Unterhalt des ausgleichsberechtigten Ehegatten durch anderweitige Einkünfte gedeckt ist (vgl. auch OLG Düsseldorf FamRZ 1995, 1277, 1278). Denn wenn und soweit eine dem Ausgleichsberechtigten aus Entschädigungsgründen gezahlte Sozialleistung lediglich schadensbedingten Mehraufwand abdecken soll, bezweckt sie keine soziale Absicherung für Alter oder Invalidität und kann daher auch keinen Ausschluss des Versorgungsausgleichs rechtfertigen (vgl. bereits Staudinger/ Rehme BGB [2000] § 1587 c Rn. 22; Soergel/Lipp BGB 13. Aufl. § 1587 c Rn. 13).
13
Zwar stellt § 1610 a BGB lediglich eine widerlegbare gesetzliche Vermutung auf, so dass die ausgleichspflichtige Person den Gegenbeweis dafür führen könnte, dass die ausgleichsberechtigte Person, die eine Conterganrente bezieht, in voller Höhe ihrer Rente tatsächlich keinen durch Körper- und Gesundheitsschaden bedingten Mehrbedarf hat. Gerade diesen Gegenbeweis wollte der Gesetzgeber aber durch die Fassung des § 18 ContStifG ausschließen; es sollte ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfes klargestellt werden, dass die Leistungen nach dem neuen Conterganstiftungsgesetz "als echte Zusatzleistungen" erhalten bleiben (BT-Drucks. 15/5654, S. 13). Nach diesen Intentionen des Gesetzgebers ist es - trotz der mittlerweile nicht unerheblichen Höhe der Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz - nicht möglich, von der Durchführung des Versorgungsausgleichs mit der Begründung abzusehen, die ausgleichsberechtigte Person sei bereits mit ihrer Conterganrente ausreichend versorgt.
14
2. Ergeben sich somit keine Rechtsfragen, die einer Klärung durch höchstrichterliche Entscheidung bedürften, kommt es für die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe in der Rechtsbeschwerdeinstanz allein auf die Erfolgsaussichten in der Sache an (Senatsbeschlüsse vom 24. April 2013 - XII ZR 159/12 - FamRZ 2013, 1199 Rn. 9 und vom 16. Oktober 2013 - XII ZB 176/12 - FamRZ 2014, 105 Rn. 36). Diese bestehen nicht.
Dose Schilling Günter Nedden-Boeger Botur
Vorinstanzen:
AG Schweinfurt, Entscheidung vom 07.06.2013 - 3 F 369/12 -
OLG Bamberg, Entscheidung vom 24.02.2014 - 7 UF 188/13 -

(1) Hat die leistungsberechtigte Person für die Zeit, für die Leistungen erbracht werden, nach bürgerlichem Recht einen Unterhaltsanspruch, geht dieser bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen zusammen mit dem unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruch auf den Träger der Sozialhilfe über. Der Übergang des Anspruchs ist ausgeschlossen, soweit der Unterhaltsanspruch durch laufende Zahlung erfüllt wird. Der Übergang des Anspruchs ist auch ausgeschlossen, wenn die unterhaltspflichtige Person zum Personenkreis des § 19 gehört oder die unterhaltspflichtige Person mit der leistungsberechtigten Person vom zweiten Grad an verwandt ist. Gleiches gilt für Unterhaltsansprüche gegen Verwandte ersten Grades einer Person, die schwanger ist oder ihr leibliches Kind bis zur Vollendung seines sechsten Lebensjahres betreut. § 93 Abs. 4 gilt entsprechend.

(1a) Unterhaltsansprüche der Leistungsberechtigten gegenüber ihren Kindern und Eltern sind nicht zu berücksichtigen, es sei denn, deren jährliches Gesamteinkommen im Sinne des § 16 des Vierten Buches beträgt jeweils mehr als 100 000 Euro (Jahreseinkommensgrenze). Der Übergang von Ansprüchen der Leistungsberechtigten ist ausgeschlossen, sofern Unterhaltsansprüche nach Satz 1 nicht zu berücksichtigen sind. Es wird vermutet, dass das Einkommen der unterhaltsverpflichteten Personen nach Satz 1 die Jahreseinkommensgrenze nicht überschreitet. Zur Widerlegung der Vermutung nach Satz 3 kann der jeweils für die Ausführung des Gesetzes zuständige Träger von den Leistungsberechtigten Angaben verlangen, die Rückschlüsse auf die Einkommensverhältnisse der Unterhaltspflichtigen nach Satz 1 zulassen. Liegen im Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte für ein Überschreiten der Jahreseinkommensgrenze vor, so ist § 117 anzuwenden. Die Sätze 1 bis 5 gelten nicht bei Leistungen nach dem Dritten Kapitel an minderjährige Kinder.

(2) Der Anspruch einer volljährigen unterhaltsberechtigten Person, die in der Eingliederungshilfe leistungsberechtigt im Sinne des § 99 Absatz 1 bis 3 des Neunten Buches oder pflegebedürftig im Sinne von § 61a ist, gegenüber ihren Eltern wegen Leistungen nach dem Siebten Kapitel geht nur in Höhe von bis zu 26 Euro, wegen Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel nur in Höhe von bis zu 20 Euro monatlich über. Es wird vermutet, dass der Anspruch in Höhe der genannten Beträge übergeht und mehrere Unterhaltspflichtige zu gleichen Teilen haften; die Vermutung kann widerlegt werden. Die in Satz 1 genannten Beträge verändern sich zum gleichen Zeitpunkt und um denselben Vomhundertsatz, um den sich das Kindergeld verändert.

(3) Ansprüche nach Absatz 1 und 2 gehen nicht über, soweit

1.
die unterhaltspflichtige Person Leistungsberechtigte nach dem Dritten und Vierten Kapitel ist oder bei Erfüllung des Anspruchs würde oder
2.
der Übergang des Anspruchs eine unbillige Härte bedeuten würde.
Der Träger der Sozialhilfe hat die Einschränkung des Übergangs nach Satz 1 zu berücksichtigen, wenn er von ihren Voraussetzungen durch vorgelegte Nachweise oder auf andere Weise Kenntnis hat.

(4) Für die Vergangenheit kann der Träger der Sozialhilfe den übergegangenen Unterhalt außer unter den Voraussetzungen des bürgerlichen Rechts nur von der Zeit an fordern, zu welcher er dem Unterhaltspflichtigen die Erbringung der Leistung schriftlich mitgeteilt hat. Wenn die Leistung voraussichtlich auf längere Zeit erbracht werden muss, kann der Träger der Sozialhilfe bis zur Höhe der bisherigen monatlichen Aufwendungen auch auf künftige Leistungen klagen.

(5) Der Träger der Sozialhilfe kann den auf ihn übergegangenen Unterhaltsanspruch im Einvernehmen mit der leistungsberechtigten Person auf diesen zur gerichtlichen Geltendmachung rückübertragen und sich den geltend gemachten Unterhaltsanspruch abtreten lassen. Kosten, mit denen die leistungsberechtigte Person dadurch selbst belastet wird, sind zu übernehmen. Über die Ansprüche nach den Absätzen 1, 2 bis 4 ist im Zivilrechtsweg zu entscheiden.

(1) Bei der Ermittlung oder Anrechnung von Einkommen, sonstigen Einnahmen und Vermögen nach anderen Gesetzen, insbesondere dem Zweiten, Dritten, Fünften, Neunten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch und dem Bürgerlichen Gesetzbuch, bleiben Leistungen nach diesem Gesetz außer Betracht.

(2) Verpflichtungen Anderer, insbesondere Unterhaltspflichtiger und der Träger der Sozialhilfe oder anderer Sozialleistungen, werden durch dieses Gesetz nicht berührt. Der Übergang der Unterhaltsansprüche der leistungsberechtigten Person gegenüber ihrem Ehegatten, ihrem Lebenspartner, ihren Kindern oder ihren Eltern nach § 94 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch bedeutet eine unbillige Härte nach § 94 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch. Bei der Hilfe nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch ist der leistungsberechtigten Person und ihrem nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen nach § 19 Absatz 3, § 87 Absatz 1 und § 88 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch nicht zuzumuten. Der Einsatz des Vermögens der leistungsberechtigten Person und ihres nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners nach § 19 Absatz 3, § 90 Absatz 3 Satz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch stellt eine Härte dar. Für Eingliederungshilfebezieher nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch wird ein Beitrag nach § 92 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch nicht erhoben. Das gilt auch für die nach diesem Gesetz leistungsberechtigten Personen, die nach Inkrafttreten des Bundesteilhabegesetzes Leistungen nach § 103 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch erhalten. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer Stellen, auf die kein Anspruch besteht, dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach diesem Gesetz Leistungen vorgesehen sind.

1Das Kindergeld ist bei der zuständigen Familienkasse schriftlich zu beantragen; eine elektronische Antragstellung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich vorgeschriebene Schnittstelle ist zulässig, soweit der Zugang eröffnet wurde.2Den Antrag kann außer dem Berechtigten auch stellen, wer ein berechtigtes Interesse an der Leistung des Kindergeldes hat.3In Fällen des Satzes 2 ist § 62 Absatz 1 Satz 2 bis 3 anzuwenden.4Der Berechtigte ist zu diesem Zweck verpflichtet, demjenigen, der ein berechtigtes Interesse an der Leistung des Kindergeldes hat, seine an ihn vergebene Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung) mitzuteilen.5Kommt der Berechtigte dieser Verpflichtung nicht nach, teilt die zuständige Familienkasse demjenigen, der ein berechtigtes Interesse an der Leistung des Kindergeldes hat, auf seine Anfrage die Identifikationsnummer des Berechtigten mit.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 23. Mai 2013  14 K 2164/11 Kg aufgehoben.

Die Sache wird an das Finanzgericht Düsseldorf zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Die im Jahr 1989 geborene Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist mit einem Grad der Behinderung von 100 schwerbehindert (Merkzeichen Bl, H, G und B). Sie ist Mutter von drei Kindern, die im Februar 2010, Februar 2011 und Oktober 2012 geboren sind. Sie bezog Blindengeld, Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) sowie Elterngeld nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz in der für die Jahre 2010 und 2011 geltenden Fassung (BEEG). Letzteres belief sich zunächst auf 300 € und nach der Geburt des zweiten Kindes auf 375 €. Der Beigeladene, der Vater der Klägerin, beantragte für diese Kindergeld. Die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) lehnte den Antrag mit Bescheid vom 16. November 2010 ab, weil die Behinderung der Klägerin nicht ursächlich dafür sei, dass sie sich nicht selbst unterhalten könne. Einen Abdruck des Ablehnungsbescheides übersandte die Familienkasse der Klägerin. Diese legte gegen den Bescheid Einspruch ein. Sie war der Ansicht, sie sei wegen ihrer Sehbehinderung nicht dazu in der Lage, sich selbst zu unterhalten.

2

Der Rechtsbehelf hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 23. Mai 2011), ebenso wenig die Klage, durch welche die Familienkasse verpflichtet werden sollte, Kindergeld ab Mai 2010 festzusetzen (Urteil des Finanzgerichts --FG-- Düsseldorf vom 23. Mai 2013  14 K 2164/11 Kg, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2013, 1243). Das FG war der Ansicht, die Klägerin sei als Abzweigungsberechtigte zugunsten des Beigeladenen einspruchs- und klagebefugt. Sie sei zwar nicht imstande, sich selbst zu unterhalten, jedoch sei die Behinderung hierfür nicht ursächlich. Das Blindengeld von jährlich 7.307,52 € decke den behinderungsbedingten Mehrbedarf in vollem Umfang ab; einen darüber hinausgehenden Mehrbedarf habe die Klägerin nicht nachgewiesen. Die Leistungen nach dem SGB II, welche die Klägerin bezogen habe und die sich zwischen monatlich 310,52 € und 534,60 € bewegt hätten, lägen unter dem Grundbedarf von monatlich 667 €. Das Elterngeld von 300 € bzw. 375 € sei nicht bei den Bezügen zu berücksichtigen. Somit sei die Klägerin nicht dazu imstande, sich selbst zu unterhalten. Ihre Behinderung sei hierfür jedoch nicht ursächlich. Das FG stützte seine Auffassung auf ein von ihm eingeholtes Sachverständigengutachten. Es war der Ansicht, wegen der gutachterlich festgestellten Möglichkeit einer vollschichtigen Berufstätigkeit sei die Annahme ausgeschlossen, die Behinderung sei eine erhebliche Ursache für die fehlende Möglichkeit zum Selbstunterhalt.

3

Zur Begründung der Revision verweist die Klägerin auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 31. August 2006 III R 71/05 (BFHE 214, 544, BStBl II 2010, 1054), in dem Kindergeld für ein blindes Kind zugesprochen worden sei. Im Urteil vom 19. November 2008 III R 105/07 (BFHE 223, 365, BStBl II 2010, 1057) habe der BFH bei einem Grad der Behinderung von 100 mit dem Merkzeichen H von einer Kausalitätsregel gesprochen und außerdem entschieden, dass eine gutachterlich bestätigte Möglichkeit, eine vollschichtige Tätigkeit auszuüben, allein nicht geeignet sei, die Ursächlichkeit der Behinderung auszuschließen.

4

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil, den Ablehnungsbescheid vom 16. November 2010 sowie die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 23. Mai 2011 aufzuheben und die Familienkasse zu verpflichten, gegenüber dem Beigeladenen Kindergeld ab Mai 2010 in gesetzlicher Höhe festzusetzen.

5

Die Familienkasse beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

6

Der Beigeladene hat sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.

7

Der Beigeladene hat nicht auf mündliche Verhandlung verzichtet. Dem Senat erscheint es sachgerecht, durch Gerichtsbescheid zu erkennen (§ 90a Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Streitsache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).

9

1. Die Klägerin ist befugt, in eigenem Namen im Klagewege die Festsetzung von Kindergeld zugunsten des Beigeladenen zu betreiben.

10

Nach § 67 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für die Jahre 2010 und 2011 geltenden Fassung kann außer dem Berechtigten auch derjenige einen Antrag auf Kindergeld stellen, der ein berechtigtes Interesse an der Leistung des Kindergeldes hat. Das kann gemäß § 74 Abs. 1 Satz 1 und 3 EStG auch ein Kind sein, wenn der Kindergeldberechtigte dem Kind gegenüber mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltsverpflichtet ist (Senatsurteil vom 26. November 2009 III R 67/07, BFHE 228, 42, BStBl II 2010, 476). Diese Voraussetzungen hat das FG bejaht. Aus der Antragsbefugnis der Klägerin folgt zugleich die Klagebefugnis in einem finanzgerichtlichen Verfahren, in dem die Rechtmäßigkeit eines Kindergeld-Ablehnungsbescheides streitig ist (Senatsbeschluss vom 30. Oktober 2008 III R 105/07, BFH/NV 2009, 193).

11

2. Das FG hat zu Unrecht die Leistungen nach dem BEEG, welche die Klägerin für die Betreuung und Erziehung von zunächst einem und später von zwei Kindern erhalten hat, bei der Prüfung einer (Un-)Fähigkeit zum Selbstunterhalt außer Betracht gelassen. Darüber hinaus hat es rechtsfehlerhaft aus dem Umstand, dass in einem Gutachten eine vollschichtige Tätigkeit der Klägerin für möglich gehalten wird, den Schluss gezogen, die Behinderung der Klägerin sei nicht ursächlich für deren mangelnde Fähigkeit, sich selbst zu unterhalten.

12

3. Nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG wird Kindergeld für ein Kind gewährt, das wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, sofern die Behinderung --wie im Streitfall-- vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.

13

a) Ein Kind ist außerstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten kann. Der gesamte Lebensbedarf eines behinderten Kindes setzt sich aus dem Grundbedarf und dem individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf zusammen (BFH-Urteil vom 15. Oktober 1999 VI R 183/97, BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72). Der Grundbedarf orientiert sich in den Jahren 2010 und 2011 am Jahresgrenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG von 8.004 € (vgl. BFH-Urteil vom 14. Dezember 2004 VIII R 59/02, BFH/NV 2005, 1090), welcher der Höhe nach dem Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG entspricht. Er beläuft sich monatlich auf 667 €. Die Prüfung des Imstandeseins zum Selbstunterhalt ist für jeden einzelnen Monat durchzuführen (BFH-Urteil vom 4. November 2003 VIII R 43/02, BFHE 204, 120, BStBl II 2010, 1046; Senatsurteil vom 11. April 2013 III R 35/11, BFHE 241, 499, BStBl II 2013, 1037). Erreichen die Einkünfte und Bezüge des Kindes die Summe aus Grundbedarf und behinderungsbedingtem Mehrbedarf, so kann das Kind sich selbst unterhalten.

14

b) Das FG hat im Streitfall zutreffend angenommen, dass das Blindengeld von monatlich 608,96 € den durch die Blindheit verursachten Mehrbedarf der Klägerin auch insoweit abdeckt, als es den anteiligen Pauschbetrag nach § 33b Abs. 3 Satz 3 EStG von monatlich 308,33 € übersteigt. Denn nach dem Senatsurteil in BFHE 214, 544, BStBl II 2010, 1054, an dem der Senat festhält, ist zu vermuten, dass in Höhe des tatsächlich ausgezahlten Blindengeldes ein behinderungsbedingter Mehraufwand besteht. Weiterer behinderungsbedingter Mehrbedarf ist nach den Feststellungen des FG nicht anzusetzen.

15

c) Zu den Bezügen, mit deren Hilfe die Klägerin ihren existenziellen Grundbedarf abdecken kann, gehören auch die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und für die Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II (vgl. BFH-Urteile vom 26. November 2003 VIII R 32/02, BFHE 204, 454, BStBl II 2004, 588, zu Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz, und vom 20. März 2013 XI R 51/10, BFH/NV 2013, 1088, zur Grundsicherung nach §§ 41 ff. des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch; Senatsurteil vom 8. August 2013 III R 30/12, BFH/NV 2014, 498). Aus den in den Akten enthaltenen Bewilligungsbescheiden, auf die sich das FG in den Entscheidungsgründen seines Urteils bezogen hat, geht hervor, dass sich diese Leistungen im streitigen Zeitraum (Mai 2010 bis Mai 2011) auf mindestens 310,52 € (April 2011) und höchstens 534,60 € beliefen (Monate November und Dezember 2010).

16

d) Entgegen der Rechtsauffassung des FG zählt auch das Elterngeld zu den Bezügen der Klägerin und ist daher bei der Prüfung der (Un-)Fähigkeit zum Selbstunterhalt einzubeziehen.

17

aa) Das FG war der Ansicht, nur Elterngeld, das den Betrag von 300 € überschreitet, führe zu anzusetzenden Bezügen. Es bezog sich hierzu auf die zur Einkünfte- und Bezügegrenze des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ergangene Verwaltungsanweisung nach Abschn. 63.4.2.3.1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes (DA-FamEStG 2009, BStBl I 2009, 1033).

18

bb) Als Grund für diese Verwaltungsreglung kommt § 10 Abs. 1 BEEG in Betracht, der bestimmt, dass das Elterngeld bei Sozialleistungen, deren Zahlung von anderen Einkommen abhängig ist, bis zu einer Höhe von insgesamt 300 € im Monat unberücksichtigt bleibt. Die Vorschrift ist bei der Prüfung der (Un-) Fähigkeit zum Selbstunterhalt eines Kindes, für das Kindergeld nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG begehrt wird, jedoch schon deshalb nicht anwendbar, weil der Anspruch auf Kindergeld originär dem Kindergeldberechtigten --in der Regel einem Elternteil-- zusteht und nicht dem Kind, das wegen eines eigenen Kindes Elterngeld bezieht.

19

cc) In den neueren Verwaltungsanweisungen wird das Elterngeld in vollem Umfang in die Ermittlung der Bezüge eines behinderten Kindes einbezogen (s. zuletzt Kap. A 18.5.2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem EStG, Stand 2014, BStBl I 2014, 918; zuvor Abschn. 63.3.6.4 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Abschn. 31.2.4.2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 DA-FamEStG, Stand 2012, BStBl I 2012, 739).

20

4. Die Sache ist nicht spruchreif.

21

a) Aus den Feststellungen des FG geht zwar hervor, dass die Klägerin Elterngeld bezogen hat, nicht aber, ob dieses in allen Monaten des Streitzeitzeitraums bei ihren Bezügen zu berücksichtigen ist. Aus den Bescheiden über die Festsetzung von Leistungen nach dem SGB II ist zu ersehen, dass das Elterngeld in einzelnen Zeiträumen des Jahres 2011, in dem es nach § 10 Abs. 5 BEEG auf die Leistungen nach dem SGB II anzurechnen war, als Einkommen angesetzt worden ist und in anderen nicht. Dies könnte darauf hindeuten, dass das Elterngeld der Klägerin nicht laufend zugeflossen ist. Das FG wird im zweiten Rechtsgang die entsprechenden Feststellungen nachzuholen haben.

22

b) Auch hinsichtlich des Monats Januar 2011 besteht keine Spruchreife. Zwar liegt in diesem Monat die Summe aus den Leistungen nach dem SGB II (334,62 €) und nach dem BEEG (300 €) unter dem Grundbedarf von 667 €. In diesem Monat war die Klägerin nicht dazu imstande, sich selbst zu unterhalten. Dennoch ist die Streitsache auch insoweit nicht entscheidungsreif, da die Frage, ob die Behinderung der Klägerin ursächlich für die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt ist, nicht geklärt ist. Nach der Senatsrechtsprechung genügt die von einem Gutachter bestätigte Möglichkeit, eine vollschichtige Tätigkeit auszuüben, allein noch nicht, um die Ursächlichkeit auszuschließen (Senatsurteil in BFHE 223, 365, BStBl II 2010, 1057). In Widerspruch hierzu hat das FG gemeint, wegen der gutachterlich festgestellten Möglichkeit einer vollschichtigen Berufstätigkeit sei die Annahme ausgeschlossen, die Behinderung sei eine erhebliche Ursache für die fehlende Möglichkeit zum Selbstunterhalt. Die vom FG in Betracht gezogene Beschäftigung der Klägerin als Telefonistin ist aus der Sicht des Senats eher von theoretischer Natur.

23

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

(1) Kinder sind

1.
im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandte Kinder,
2.
Pflegekinder (Personen, mit denen der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken in seinen Haushalt aufgenommen hat und das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht).

(2)1Besteht bei einem angenommenen Kind das Kindschaftsverhältnis zu den leiblichen Eltern weiter, ist es vorrangig als angenommenes Kind zu berücksichtigen.2Ist ein im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandtes Kind zugleich ein Pflegekind, ist es vorrangig als Pflegekind zu berücksichtigen.

(3) Ein Kind wird in dem Kalendermonat, in dem es lebend geboren wurde, und in jedem folgenden Kalendermonat, zu dessen Beginn es das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, berücksichtigt.

(4)1Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wird berücksichtigt, wenn es

1.
noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist oder
2.
noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und
a)
für einen Beruf ausgebildet wird oder
b)
sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes, einer vom Wehr- oder Zivildienst befreienden Tätigkeit als Entwicklungshelfer oder als Dienstleistender im Ausland nach § 14b des Zivildienstgesetzes oder der Ableistung des freiwilligen Wehrdienstes nach § 58b des Soldatengesetzes oder der Ableistung eines freiwilligen Dienstes im Sinne des Buchstaben d liegt, oder
c)
eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann oder
d)
einen der folgenden freiwilligen Dienste leistet:
aa)
ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
bb)
ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
cc)
einen Bundesfreiwilligendienst im Sinne des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
dd)
eine Freiwilligentätigkeit im Rahmen des Europäischen Solidaritätskorps im Sinne der Verordnung (EU) 2021/888 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2021 zur Aufstellung des Programms für das Europäische Solidaritätskorps und zur Aufhebung der Verordnungen (EU) 2018/1475 und (EU) Nr. 375/2014 (ABl. L 202 vom 8.6.2021, S. 32),
ee)
einen anderen Dienst im Ausland im Sinne von § 5 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
ff)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts“ im Sinne der Förderleitlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. Januar 2016,
gg)
einen Freiwilligendienst aller Generationen im Sinne von § 2 Absatz 1a des Siebten Buches Sozialgesetzbuch oder
hh)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 4. Januar 2021 (GMBl S. 77) oder
3.
wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten; Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.
2Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind in den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 nur berücksichtigt, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit nachgeht.3Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der §§ 8 und 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind unschädlich.

(5)1In den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 Buchstabe a und b wird ein Kind, das

1.
den gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst geleistet hat, oder
2.
sich anstelle des gesetzlichen Grundwehrdienstes freiwillig für die Dauer von nicht mehr als drei Jahren zum Wehrdienst verpflichtet hat, oder
3.
eine vom gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst befreiende Tätigkeit als Entwicklungshelfer im Sinne des § 1 Absatz 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes ausgeübt hat,
für einen der Dauer dieser Dienste oder der Tätigkeit entsprechenden Zeitraum, höchstens für die Dauer des inländischen gesetzlichen Grundwehrdienstes oder bei anerkannten Kriegsdienstverweigerern für die Dauer des inländischen gesetzlichen Zivildienstes über das 21. oder 25. Lebensjahr hinaus berücksichtigt.2Wird der gesetzliche Grundwehrdienst oder Zivildienst in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, geleistet, so ist die Dauer dieses Dienstes maßgebend.3Absatz 4 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(6)1Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer wird für jedes zu berücksichtigende Kind des Steuerpflichtigen ein Freibetrag von 3 012 Euro für das sächliche Existenzminimum des Kindes (Kinderfreibetrag) sowie ein Freibetrag von 1 464 Euro für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vom Einkommen abgezogen.2Bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, verdoppeln sich die Beträge nach Satz 1, wenn das Kind zu beiden Ehegatten in einem Kindschaftsverhältnis steht.3Die Beträge nach Satz 2 stehen dem Steuerpflichtigen auch dann zu, wenn

1.
der andere Elternteil verstorben oder nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder
2.
der Steuerpflichtige allein das Kind angenommen hat oder das Kind nur zu ihm in einem Pflegekindschaftsverhältnis steht.
4Für ein nicht nach § 1 Absatz 1 oder 2 unbeschränkt einkommensteuerpflichtiges Kind können die Beträge nach den Sätzen 1 bis 3 nur abgezogen werden, soweit sie nach den Verhältnissen seines Wohnsitzstaates notwendig und angemessen sind.5Für jeden Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen für einen Freibetrag nach den Sätzen 1 bis 4 nicht vorliegen, ermäßigen sich die dort genannten Beträge um ein Zwölftel.6Abweichend von Satz 1 wird bei einem unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Elternpaar, bei dem die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 nicht vorliegen, auf Antrag eines Elternteils der dem anderen Elternteil zustehende Kinderfreibetrag auf ihn übertragen, wenn er, nicht jedoch der andere Elternteil, seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind für das Kalenderjahr im Wesentlichen nachkommt oder der andere Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist; die Übertragung des Kinderfreibetrags führt stets auch zur Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf.7Eine Übertragung nach Satz 6 scheidet für Zeiträume aus, für die Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gezahlt werden.8Bei minderjährigen Kindern wird der dem Elternteil, in dessen Wohnung das Kind nicht gemeldet ist, zustehende Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf auf Antrag des anderen Elternteils auf diesen übertragen, wenn bei dem Elternpaar die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 nicht vorliegen.9Eine Übertragung nach Satz 8 scheidet aus, wenn der Übertragung widersprochen wird, weil der Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, Kinderbetreuungskosten trägt oder das Kind regelmäßig in einem nicht unwesentlichen Umfang betreut.10Die den Eltern nach den Sätzen 1 bis 9 zustehenden Freibeträge können auf Antrag auch auf einen Stiefelternteil oder Großelternteil übertragen werden, wenn dieser das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat oder dieser einer Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind unterliegt.11Die Übertragung nach Satz 10 kann auch mit Zustimmung des berechtigten Elternteils erfolgen, die nur für künftige Kalenderjahre widerrufen werden kann.12Voraussetzung für die Berücksichtigung des Kinderfreibetrags sowie des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes ist die Identifizierung des Kindes durch die an dieses Kind vergebene Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung).13Ist das Kind nicht nach einem Steuergesetz steuerpflichtig (§ 139a Absatz 2 der Abgabenordnung), ist es in anderer geeigneter Weise zu identifizieren.14Die nachträgliche Identifizierung oder nachträgliche Vergabe der Identifikationsnummer wirkt auf Monate zurück, in denen die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung des Kinderfreibetrags sowie des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vorliegen.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, vom 23. September 2014  11 K 419/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Vater des im Dezember 1988 geborenen Sohnes X. Aufgrund eines Unfalls, der sich nach Ende der Berufsausbildung des X zum Straßenbauer ereignet hat, ist X schwerbehindert (Grad der Behinderung: 50). Im Streitzeitraum (Januar bis Oktober 2012) bezog X eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.

2

Den Antrag des Klägers, ihm Kindergeld für den Streitzeitraum zu gewähren, lehnte die frühere Beklagte (Familienkasse) mit der Begründung ab, X sei aufgrund der erhaltenen Rente in der Lage, sich selbst zu unterhalten. Der Einspruch blieb erfolglos.

3

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit der der Kläger geltend machte, X sei (auch) ein nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigendes, ausbildungsplatzsuchendes Kind, das das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet habe, und außerdem sei es verfassungswidrig, nach Wegfall des Grenzbetrags (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. bis zum 31. Dezember 2011) den Kindergeldanspruch behinderter Kinder von der Unfähigkeit zum Selbstunterhalt abhängig zu machen, ab.

4

Mit der Beschwerde macht der Kläger geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung.

Entscheidungsgründe

5

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

6

1. a) Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Außerdem muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärbar sein (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 11. Dezember 2013 V B 36/13, BFH/NV 2014, 680; vom 3. Februar 2014 VI B 111/13, BFH/NV 2014, 696; vom 18. Juli 2014 XI B 37/14, BFH/NV 2014, 1779).

7

b) Für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung muss der Beschwerdeführer eine konkrete Rechtsfrage formulieren und substantiiert auf ihre Klärungsbedürftigkeit, ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung sowie darauf eingehen, weshalb von der Beantwortung der Rechtsfrage die Entscheidung über die Rechtssache abhängt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 16. Mai 2008 VII B 118/07, BFH/NV 2008, 1440; vom 21. Mai 2013 III B 59/12, BFH/NV 2013, 1447). Hat der BFH die Rechtsfrage noch nicht entschieden, muss der Beschwerdeführer darlegen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen sie umstritten ist (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2013, 1447; vom 22. Juli 2014 XI B 29/14, BFH/NV 2014, 1780). Macht ein Beschwerdeführer mit der Nichtzulassungsbeschwerde --wie hier-- verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine gesetzliche Regelung geltend, so ist darüber hinaus eine substantiierte, an den Vorgaben des Grundgesetzes und der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des BFH orientierte Auseinandersetzung mit der Problematik erforderlich (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom 9. April 2014 III B 143/13, BFH/NV 2014, 1083; vom 9. April 2014 XI B 128/13, BFH/NV 2014, 1224).

8

2. Die vom Kläger für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Frage, ob § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG auch den Fall umfasse, dass eine Berufsausbildung deshalb nicht begonnen werden kann, weil das ausbildungswillige Kind wegen einer Behinderung, die seine Leistungsfähigkeit erheblich einschränkt, keinen Ausbildungsplatz finden kann, ist im Streitfall nicht klärbar.

9

a) Dabei kann sowohl offen bleiben, ob der Senat der Auffassung des FG unter 1. seiner Gründe in vollem Umfang folgen könnte. Ebenso bedarf keiner Prüfung, ob die tatsächlichen Feststellungen des FG, das weder festgestellt hat, welcher Art die Behinderung des X ist, noch festgestellt hat, welche Ausbildung X anstrebt, seine Würdigung unter 1. der Gründe tragen könnten, X finde aufgrund seiner Behinderung keinen Ausbildungsplatz.

10

b) Die Entscheidung des Streitfalls hängt nämlich aus anderen Gründen nicht von der Beantwortung der vom Kläger aufgeworfenen Frage ab. Jedenfalls kommt im Streitfall eine Berücksichtigung des X als ausbildungsplatzsuchendes Kind i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG schon deshalb nicht in Betracht, weil hierfür nach ständiger Rechtsprechung des BFH erforderlich ist, dass sich das Kind ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht (vgl. BFH-Urteile vom 19. Juni 2008 III R 66/05, BFHE 222, 343, BStBl II 2009, 1005, und vom 22. September 2011 III R 30/08, BFHE 235, 327, BStBl II 2012, 411). Das Bemühen um einen Ausbildungsplatz ist glaubhaft zu machen (BFH-Urteile vom 22. September 2011 III R 35/08, BFH/NV 2012, 232; vom 26. August 2014 XI R 14/12, BFH/NV 2015, 322). Dies ist vorliegend nicht geschehen und wird vom Kläger auch nicht behauptet, so dass schon aus diesem Grund keine Berücksichtigung des X gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG möglich ist.

11

3. Mit dem Hinweis, es sei grundsätzlich bedeutsam, ob § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG im Wege verfassungskonformer Auslegung so zu interpretieren sei, dass körperlich behinderte Kinder, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und aufgrund 100%iger Erwerbsminderung nicht in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen, als kindergeldberechtigte Kinder zu berücksichtigen sind, ohne dass es im Einzelfall darauf ankommt, ob Einkommen oder sonstige Bezüge die Unterhaltsbedürftigkeit ausschließen, hat der Kläger die grundsätzliche Bedeutung nicht hinreichend dargelegt.

12

a) Der Kläger hat sich zunächst nicht mit der zu dieser Frage ergangenen Rechtsprechung (FG des Saarlands, Urteil vom 13. November 2013  2 K 1224/13, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2014, 658; FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 8. April 2014  4 K 1218/12, EFG 2014, 1492), die dieselbe Auffassung wie die Vorentscheidung vertreten, befasst.

13

b) Weiter hat sich der Kläger nicht mit der in der Vorentscheidung und dem Urteil des FG des Saarlands in EFG 2014, 658 angeführten höchstrichterlichen Rechtsprechung auseinander gesetzt.

14

aa) Dazu hätte schon deshalb Anlass bestanden, weil nach der Rechtsprechung des BVerfG beim Kindergeld, soweit es als Sozialleistung zu den Maßnahmen der darreichenden Verwaltung gehört, eine weitgehende Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers besteht; bei der Überprüfung eines Gesetzes auf Übereinstimmung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz ist nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat (vgl. BVerfG-Beschluss vom 8. Juni 2004  2 BvL 5/00, BVerfGE 110, 412, BFH/NV Beilage 2005, 33, unter C.II.3.a, m.w.N.; s. auch BVerfG-Beschluss vom 6. April 2011  1 BvR 1765/09, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2011, 812, unter IV.2.a).

15

bb) Weiter bestand Anlass für eine solche Erörterung, weil es verfassungsgemäß ist, die Gewährung des Kindergelds davon abhängig zu machen, dass das Existenzminimum des Kindes nicht durch eigene Einkünfte und Bezüge gedeckt ist (BVerfG-Beschluss vom 27. Juli 2010  2 BvR 2122/09, HFR 2010, 1109, unter II.1.). Das Kindergeld dient dazu, die wirtschaftliche Belastung, die Eltern durch die Sorge für ihre Kinder entsteht, auszugleichen (vgl. BFH-Urteil vom 9. Februar 2009 III R 37/07, BFHE 224, 290, BStBl II 2009, 928, unter II.3.a; Urteil des Bundessozialgerichts vom 19. Februar 2009 B 10 Kg 2/07 R, Sozialrecht 4-5870 § 1 Nr. 2, juris, Rz 26). Der Anspruch auf Kindergeld entfällt, wenn das behinderte Kind auf elterliche Unterstützung nicht mehr angewiesen ist (vgl. BFH-Urteil vom 15. Oktober 1999 VI R 182/98, BFHE 189, 457, BStBl II 2000, 79, unter II.4.a).

16

cc) Zudem hätte der Kläger dem Umstand Beachtung schenken müssen, dass auch § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG n.F. eine (widerlegbare) Vermutung aufstellt, dass das Kind (erst) nach Abschluss der Erstausbildung in der Lage ist, sich selbst zu unterhalten (BTDrucks 17/5125, S. 41, linke Spalte, unten), und eine Änderung der Regelungen für behinderte Kinder nicht beabsichtigt war (a.a.O., rechte Spalte, a.E.).

17

c) Angesichts dessen hätte der Kläger begründen müssen, wieso in seiner Person eine verfassungswidrige Benachteiligung gegenüber Eltern nicht behinderter Kinder vorliegen soll, obwohl diese in vergleichbarer Situation ebenfalls kein Kindergeld erhalten. Eltern nicht behinderter Kinder, die das 21. Lebensjahr, aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, --wie X-- keinen Ausbildungsplatz haben, sich --wie X-- nicht in einer Übergangszeit befinden, und sich --wie X-- nicht um einen Ausbildungsplatz bemühen, erhalten --wie der Kläger-- ebenfalls kein Kindergeld.

18

4. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

19

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 10. Dezember 2014 3 K 361/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist die Mutter des im Jahr 1960 geborenen Sohnes V. Der unbefristet gültige Schwerbehindertenausweis vom April 2013 weist V einen Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen ″G″, ″B″ und ″H″ zu. V wohnt seit dem 1. Dezember 2007 in einem eigenen Haushalt in einem Rehabilitationszentrum.

2

V erhält seit April 2013 nach Abzug eines Pflegeversicherungsbeitrags von 1,35 € einen monatlichen Lohn in Höhe von 170,65 €. Weiter erhält er aufgrund eines Haftpflichtschadens aus dem Jahr 1977 monatlich eine Ersatzleistung für fiktiven Verdienstausfall in Höhe von 772,32 € und eine Schmerzensgeldrente in Höhe von 204,52 €.

3

Die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) hob mit Bescheid vom 28. August 2013 gegenüber der Klägerin die Kindergeldfestsetzung für V ab Oktober 2013 auf, weil V aufgrund der eigenen verfügbaren Mittel in der Lage sei, seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies die Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom 12. Februar 2014 als unbegründet zurück.

4

Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen erhobenen Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 931 veröffentlichten Urteil statt. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, V sei aufgrund seiner Behinderung außerstande gewesen, sich selbst zu unterhalten. Die ihm zur Verfügung stehenden Mittel seien in allen Monaten des Klagezeitraums niedriger als der Bedarf. Die Schmerzensgeldrente in Höhe von 204,52 € gehöre nicht zu den anzusetzenden finanziellen Mitteln.

5

Mit der Revision rügt die Familienkasse die fehlerhafte Auslegung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes in der in dem Streitzeitraum geltenden Fassung (EStG).

6

Die Familienkasse beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Schmerzensgeldrente bei der Ermittlung der V zur Verfügung stehenden Mittel nicht zu berücksichtigen ist.

9

1. Gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG besteht für ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, ein Anspruch auf Kindergeld, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, sofern die Behinderung --wie im Streitfall-- vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.

10

2. Das Tatbestandsmerkmal "außerstande ist, sich selbst zu unterhalten" ist im Gesetz nicht näher umschrieben. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist ein behindertes Kind dann außerstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten kann (z.B. Senatsurteile vom 19. November 2008 III R 105/07, BFHE 223, 365, BStBl II 2010, 1057, unter II.1.a; vom 11. April 2013 III R 35/11, BFHE 241, 499, BStBl II 2013, 1037, Rz 14; vom 5. Februar 2015 III R 31/13, BFHE 249, 144, BStBl II 2015, 1017, Rz 13; BFH-Urteile vom 15. Oktober 1999 VI R 183/97, BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, unter 1.b, und vom 24. August 2004 VIII R 83/02, BFHE 207, 244, BStBl II 2007, 248, unter II.1.b). Ist das Kind hingegen trotz seiner Behinderung in der Lage, selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, kommt der Behinderung keine Bedeutung zu (z.B. Senatsurteil in BFHE 241, 499, BStBl II 2013, 1037, Rz 14, und BFH-Urteil in BFHE 207, 244, BStBl II 2007, 248, unter II.1.b, m.w.N.). Die Fähigkeit des Kindes zum Selbstunterhalt ist anhand eines Vergleichs zweier Bezugsgrößen zu prüfen, nämlich des gesamten existenziellen Lebensbedarfs des Kindes einerseits und seiner finanziellen Mittel andererseits (z.B. Senatsurteile in BFHE 241, 499, BStBl II 2013, 1037, unter II.2.a; vom 8. August 2013 III R 30/12, BFH/NV 2014, 498, Rz 15; BFH-Urteile in BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, unter 1.c, und vom 20. März 2013 XI R 51/10, BFH/NV 2013, 1088, Rz 12).

11

3. Der gesamte Lebensbedarf eines behinderten Kindes setzt sich aus dem Grundbedarf und dem individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf zusammen (z.B. Senatsurteile in BFHE 223, 365, BStBl II 2010, 1057, unter II.1.a; in BFHE 249, 144, BStBl II 2015, 1017, Rz 13; BFH-Urteile in BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, unter 1.c, und vom 14. Dezember 2004 VIII R 59/02, BFH/NV 2005, 1090, unter II.1.a).

12

Der Grundbedarf eines behinderten Kindes kann sich nach Wegfall des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG in der bis zum 31. Dezember 2011 gültigen Fassung (EStG a.F.) ab dem Jahr 2012 zwar nicht mehr an dem für die eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes maßgeblichen Jahresgrenzbetrag orientieren. Da bei dem behinderten Kind aber --auch weiterhin-- ein am Existenzminimum orientierter Betrag als allgemeiner Unterhaltsbedarf anerkannt werden muss (BFH-Urteile vom 15. Oktober 1999 VI R 182/98, BFHE 189, 457, BStBl II 2000, 79, unter II.2.c, und in BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, unter 1.c), ist zur Bemessung des Grundbedarfs an den Grundfreibetrag i.S. des § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG anzuknüpfen (vgl. auch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juli 2010  2 BvR 2122/09, BFH/NV 2010, 1994, unter II.1., zu § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F.). Davon gehen im Ergebnis auch das Schrifttum und die Verwaltung aus (vgl. z.B. Grönke-Reimann in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32 EStG Rz 118; Seiler in Kirchhof, EStG, 15. Aufl., § 32 Rz 21; Pust in Littmann/Bitz/ Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 32 Rz 482; Schmidt/Loschelder, EStG, 35. Aufl., § 32 Rz 40; Blümich/ Selder, § 32 EStG Rz 114, 116; ebenso die Verwaltung, Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes, Stand 2013, DA 63.3.6.4 Abs. 1 Satz 3, ersetzt durch Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz, Stand 2015, A 18.4 Abs. 2 Satz 2).

13

Der behinderungsbedingte Mehrbedarf umfasst Aufwendungen, die gesunde Kinder nicht haben. Werden die behinderungsbedingten Mehraufwendungen nicht im Einzelnen nachgewiesen, kann der maßgebliche Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Abs. 1 bis 3 EStG als Anhalt für den Mehrbedarf dienen (Senatsurteile in BFHE 223, 365, BStBl II 2010, 1057, Rz 16, m.w.N., und vom 22. Oktober 2009 III R 50/07, BFHE 228, 17, BStBl II 2011, 38, Rz 10).

14

4. Nach der Ermittlung des gesamten Lebensbedarfs des behinderten Kindes ist weiter zu prüfen, ob das Kind über hinreichende finanzielle Mittel verfügt, die zur Bestreitung seines persönlichen Unterhalts ausreichen. Ergibt sich eine ausreichende Leistungsfähigkeit des Kindes, kann davon ausgegangen werden, dass den Eltern kein zusätzlicher Aufwand erwächst, der ihre steuerliche Leistungsfähigkeit mindert. Dann ist es auch gerechtfertigt, für behinderte Kinder kein Kindergeld oder keinen Kinderfreibetrag zu gewähren (z.B. Senatsurteil in BFH/NV 2014, 498, Rz 15, m.w.N.; BFH-Urteile in BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, unter II.1.c, und vom 4. November 2003 VIII R 43/02, BFHE 204, 120, BStBl II 2010, 1046, unter II.1.c).

15

a) Zu den finanziellen Mitteln des behinderten volljährigen Kindes gehören seine Einkünfte und Bezüge (vgl. z.B. Senatsurteile in BFHE 241, 499, BStBl II 2013, 1037, Rz 14, und in BFHE 249, 144, BStBl II 2015, 1017, Rz 13). Mangels sachlicher Änderung von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG gilt dies --anders als die Revision meint-- auch nach Wegfall des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. (vgl. z.B. Grönke-Reimann in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 32 EStG Rz 118; Schmidt/Loschelder, EStG, 35. Aufl., § 32 Rz 44; Blümich/Selder, § 32 EStG Rz 116).

16

b) Eine Schmerzensgeldrente ist bei der Ermittlung der dem Kind zur Verfügung stehenden Mittel nicht zu berücksichtigen, da sie nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts des Kindes bestimmt oder geeignet ist.

17

aa) Soweit die Familienkasse meint, bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit eines behinderten Kindes komme es generell auf die Herkunft der zur Verfügung stehenden eigenen finanziellen Mittel und ihre Zweckbestimmung nicht an (vgl. auch Helmke/ Bauer, Familienleistungsausgleich, Kommentar, Fach A, I. Kommentierung, § 32 Rz 116, und Pust in Littmann/Bitz/Pust, a.a.O., § 32 Rz 488), kann der Senat dem nicht beitreten. Nur solche Einkünfte und Bezüge eines behinderten Kindes sind bei der Beurteilung seiner Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen, die zur Bestreitung seines Lebensunterhalts bestimmt oder geeignet sind (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, unter 3., m.w.N., und vom 19. August 2002 VIII R 17/02, BFHE 200, 219, BStBl II 2003, 88, unter II.2.). Hieran hält der Senat fest. Denn allein durch den Wegfall des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. hat sich der § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG zugrunde liegende Rechtsgedanke der Anerkennung eines am Existenzminimum des behinderten Kindes orientierten Betrags unter Berücksichtigung des behinderungsbedingten Mehrbedarfs nicht geändert.

18

Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Senatsurteil vom 9. Februar 2012 III R 53/10 (BFHE 236, 417, BStBl II 2014, 391, Rz 11) und dem BFH-Urteil vom 12. Dezember 2012 VI R 101/10 (BFHE 240, 50, BStBl II 2015, 651, Rz 12). Dort ging es um die Frage, ob Eingliederungshilfen gemäß §§ 53 f. des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) zu den dem behinderten Kind zur Verfügung stehenden eigenen finanziellen Mitteln gehören. Nur "in diesem Zusammenhang" hatte der Senat ausgeführt, dass es auf Herkunft und Zweckbestimmung der Mittel nicht ankomme.

19

bb) Das Schmerzensgeld nimmt --unabhängig davon, ob es in einem Einmalbetrag oder in Rentenform gezahlt wird-- eine Sonderstellung innerhalb der sonstigen Einkommens- und Vermögensarten ein (vgl. BVerfG-Beschluss vom 11. Juli 2006  1 BvR 293/05, BVerfGE 116, 229, unter B.I.2.b). Dementsprechend ist grundsätzlich Schmerzensgeld bei der Beurteilung der finanziellen Leistungsfähigkeit des behinderten Kindes nicht zu berücksichtigen.

20

Denn nach der Grundsatzentscheidung des Großen Senats für Zivilsachen des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 6. Juli 1955 GSZ 1/55 (BGHZ 18, 149) hat das Schmerzensgeld rechtlich eine doppelte Funktion. Es soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für solche Schäden und Lebenshemmungen bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind. Es soll aber zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten für das, was er ihm angetan hat, Genugtuung schuldet. Dabei steht der Entschädigungs- oder Ausgleichsgedanke im Vordergrund. Der Zweck des Anspruchs ist der Ausgleich für die erlittene Beeinträchtigung. Der BGH hat den zugrunde liegenden Gedanken dahin formuliert, dass der Schädiger, der dem Geschädigten über den Vermögensschaden hinaus das Leben schwer gemacht hat, nun durch seine Leistung dazu helfen soll, es ihm im Rahmen des Möglichen wieder leichter zu machen (BGH-Be-schluss in BGHZ 18, 149, unter I.3.). Schmerzensgeld bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit eines behinderten Kindes zu berücksichtigen, stünde mithin in Widerspruch zu seiner Sonderfunktion, immaterielle Schäden abzumildern. Entsprechendes gilt für die Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes. Denn es hat auch insoweit gerade nicht die Funktion, zur materiellen Existenzsicherung beizutragen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 116, 229, unter B.I.3.a).

21

c) Der Sonderstellung des Schmerzensgeldes wird auch in anderen Bereichen Rechnung getragen. So ist im Sozialrecht die Schmerzensgeldrente nicht bei der Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 11a Abs. 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und auch nicht im Rahmen der Sozialhilfe nach § 83 Abs. 2 SGB XII als Einkommen zu berücksichtigen. Nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) ist eine Entschädigung nach § 253 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ebenfalls nicht als Einkommen bei der Bestimmung des Leistungsumfangs der Kriegsopferfürsorge anzurechnen (§ 25d Abs. 4 Satz 2 BVG).

22

Ein abweichendes Ergebnis ergibt sich auch nicht aus einer Berücksichtigungsfähigkeit des Schmerzensgeldanspruchs i.R. des § 1602 BGB (für Anrechnung von Schmerzensgeld etwa Bamberger/Roth/Reinken, BGB, 3. Aufl., § 1602 Rz 31d; ebenso Erman/Hammermann, BGB, 14. Aufl., § 1602 Rz 68d; gegen Anrechnung von Schmerzensgeld dagegen Mutschler in BGB-RGRK, 12. Aufl., § 1602 Rz 8). Denn diese zivilrechtliche Unterhaltsregelung kann für die Auslegung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG nach der Rechtsprechung des BFH in BFHE 200, 219, BStBl II 2003, 88, unter II.4.a, vom 19. August 2002 VIII R 51/01 (BFHE 200, 212, BStBl II 2003, 91, unter II.4.a) und vom 14. Oktober 2002 VIII R 55/01 (BFH/NV 2003, 308, unter II.4.) nicht herangezogen werden. Auf die Begründung dieser Entscheidungen nimmt der Senat insoweit Bezug.

23

5. In Anwendung der vorstehenden Grundsätze hat das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise in der Vorentscheidung angenommen, dass V im Streitzeitraum nicht über ausreichende Mittel verfügte, um seinen gesamten existentiellen Lebensbedarf zu decken.

24

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

(1)1Die tarifliche Einkommensteuer bemisst sich nach dem auf volle Euro abgerundeten zu versteuernden Einkommen.2Sie beträgt im Veranlagungszeitraum 2023 vorbehaltlich der §§ 32b, 32d, 34, 34a, 34b und 34c jeweils in Euro für zu versteuernde Einkommen

1.
bis 10 908 Euro (Grundfreibetrag):0;
2.
von 10 909 Euro bis 15 999 Euro:(979,18 · y + 1 400) · y;
3.
von 16 000 Euro bis 62 809 Euro:(192,59 · z + 2 397) · z + 966,53;
4.
von 62 810 Euro bis 277 825 Euro:0,42 · x – 9 972,98;
5.
von 277 826 Euro an:0,45 · x – 18 307,73.
3Die Größe „y“ ist ein Zehntausendstel des den Grundfreibetrag übersteigenden Teils des auf einen vollen Euro-Betrag abgerundeten zu versteuernden Einkommens.4Die Größe „z“ ist ein Zehntausendstel des 15 999 Euro übersteigenden Teils des auf einen vollen Euro-Betrag abgerundeten zu versteuernden Einkommens.5Die Größe „x“ ist das auf einen vollen Euro-Betrag abgerundete zu versteuernde Einkommen.6Der sich ergebende Steuerbetrag ist auf den nächsten vollen Euro-Betrag abzurunden.

(2) bis (4) (weggefallen)

(5) Bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, beträgt die tarifliche Einkommensteuer vorbehaltlich der §§ 32b, 32d, 34, 34a, 34b und 34c das Zweifache des Steuerbetrags, der sich für die Hälfte ihres gemeinsam zu versteuernden Einkommens nach Absatz 1 ergibt (Splitting-Verfahren).

(6)1Das Verfahren nach Absatz 5 ist auch anzuwenden zur Berechnung der tariflichen Einkommensteuer für das zu versteuernde Einkommen

1.
bei einem verwitweten Steuerpflichtigen für den Veranlagungszeitraum, der dem Kalenderjahr folgt, in dem der Ehegatte verstorben ist, wenn der Steuerpflichtige und sein verstorbener Ehegatte im Zeitpunkt seines Todes die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 erfüllt haben,
2.
bei einem Steuerpflichtigen, dessen Ehe in dem Kalenderjahr, in dem er sein Einkommen bezogen hat, aufgelöst worden ist, wenn in diesem Kalenderjahr
a)
der Steuerpflichtige und sein bisheriger Ehegatte die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 erfüllt haben,
b)
der bisherige Ehegatte wieder geheiratet hat und
c)
der bisherige Ehegatte und dessen neuer Ehegatte ebenfalls die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 erfüllen.
2Voraussetzung für die Anwendung des Satzes 1 ist, dass der Steuerpflichtige nicht nach den §§ 26, 26a einzeln zur Einkommensteuer veranlagt wird.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 10. Dezember 2014 3 K 361/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist die Mutter des im Jahr 1960 geborenen Sohnes V. Der unbefristet gültige Schwerbehindertenausweis vom April 2013 weist V einen Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen ″G″, ″B″ und ″H″ zu. V wohnt seit dem 1. Dezember 2007 in einem eigenen Haushalt in einem Rehabilitationszentrum.

2

V erhält seit April 2013 nach Abzug eines Pflegeversicherungsbeitrags von 1,35 € einen monatlichen Lohn in Höhe von 170,65 €. Weiter erhält er aufgrund eines Haftpflichtschadens aus dem Jahr 1977 monatlich eine Ersatzleistung für fiktiven Verdienstausfall in Höhe von 772,32 € und eine Schmerzensgeldrente in Höhe von 204,52 €.

3

Die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) hob mit Bescheid vom 28. August 2013 gegenüber der Klägerin die Kindergeldfestsetzung für V ab Oktober 2013 auf, weil V aufgrund der eigenen verfügbaren Mittel in der Lage sei, seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies die Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom 12. Februar 2014 als unbegründet zurück.

4

Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen erhobenen Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 931 veröffentlichten Urteil statt. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, V sei aufgrund seiner Behinderung außerstande gewesen, sich selbst zu unterhalten. Die ihm zur Verfügung stehenden Mittel seien in allen Monaten des Klagezeitraums niedriger als der Bedarf. Die Schmerzensgeldrente in Höhe von 204,52 € gehöre nicht zu den anzusetzenden finanziellen Mitteln.

5

Mit der Revision rügt die Familienkasse die fehlerhafte Auslegung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes in der in dem Streitzeitraum geltenden Fassung (EStG).

6

Die Familienkasse beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Schmerzensgeldrente bei der Ermittlung der V zur Verfügung stehenden Mittel nicht zu berücksichtigen ist.

9

1. Gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG besteht für ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, ein Anspruch auf Kindergeld, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, sofern die Behinderung --wie im Streitfall-- vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.

10

2. Das Tatbestandsmerkmal "außerstande ist, sich selbst zu unterhalten" ist im Gesetz nicht näher umschrieben. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist ein behindertes Kind dann außerstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten kann (z.B. Senatsurteile vom 19. November 2008 III R 105/07, BFHE 223, 365, BStBl II 2010, 1057, unter II.1.a; vom 11. April 2013 III R 35/11, BFHE 241, 499, BStBl II 2013, 1037, Rz 14; vom 5. Februar 2015 III R 31/13, BFHE 249, 144, BStBl II 2015, 1017, Rz 13; BFH-Urteile vom 15. Oktober 1999 VI R 183/97, BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, unter 1.b, und vom 24. August 2004 VIII R 83/02, BFHE 207, 244, BStBl II 2007, 248, unter II.1.b). Ist das Kind hingegen trotz seiner Behinderung in der Lage, selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, kommt der Behinderung keine Bedeutung zu (z.B. Senatsurteil in BFHE 241, 499, BStBl II 2013, 1037, Rz 14, und BFH-Urteil in BFHE 207, 244, BStBl II 2007, 248, unter II.1.b, m.w.N.). Die Fähigkeit des Kindes zum Selbstunterhalt ist anhand eines Vergleichs zweier Bezugsgrößen zu prüfen, nämlich des gesamten existenziellen Lebensbedarfs des Kindes einerseits und seiner finanziellen Mittel andererseits (z.B. Senatsurteile in BFHE 241, 499, BStBl II 2013, 1037, unter II.2.a; vom 8. August 2013 III R 30/12, BFH/NV 2014, 498, Rz 15; BFH-Urteile in BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, unter 1.c, und vom 20. März 2013 XI R 51/10, BFH/NV 2013, 1088, Rz 12).

11

3. Der gesamte Lebensbedarf eines behinderten Kindes setzt sich aus dem Grundbedarf und dem individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf zusammen (z.B. Senatsurteile in BFHE 223, 365, BStBl II 2010, 1057, unter II.1.a; in BFHE 249, 144, BStBl II 2015, 1017, Rz 13; BFH-Urteile in BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, unter 1.c, und vom 14. Dezember 2004 VIII R 59/02, BFH/NV 2005, 1090, unter II.1.a).

12

Der Grundbedarf eines behinderten Kindes kann sich nach Wegfall des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG in der bis zum 31. Dezember 2011 gültigen Fassung (EStG a.F.) ab dem Jahr 2012 zwar nicht mehr an dem für die eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes maßgeblichen Jahresgrenzbetrag orientieren. Da bei dem behinderten Kind aber --auch weiterhin-- ein am Existenzminimum orientierter Betrag als allgemeiner Unterhaltsbedarf anerkannt werden muss (BFH-Urteile vom 15. Oktober 1999 VI R 182/98, BFHE 189, 457, BStBl II 2000, 79, unter II.2.c, und in BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, unter 1.c), ist zur Bemessung des Grundbedarfs an den Grundfreibetrag i.S. des § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG anzuknüpfen (vgl. auch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juli 2010  2 BvR 2122/09, BFH/NV 2010, 1994, unter II.1., zu § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F.). Davon gehen im Ergebnis auch das Schrifttum und die Verwaltung aus (vgl. z.B. Grönke-Reimann in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32 EStG Rz 118; Seiler in Kirchhof, EStG, 15. Aufl., § 32 Rz 21; Pust in Littmann/Bitz/ Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 32 Rz 482; Schmidt/Loschelder, EStG, 35. Aufl., § 32 Rz 40; Blümich/ Selder, § 32 EStG Rz 114, 116; ebenso die Verwaltung, Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes, Stand 2013, DA 63.3.6.4 Abs. 1 Satz 3, ersetzt durch Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz, Stand 2015, A 18.4 Abs. 2 Satz 2).

13

Der behinderungsbedingte Mehrbedarf umfasst Aufwendungen, die gesunde Kinder nicht haben. Werden die behinderungsbedingten Mehraufwendungen nicht im Einzelnen nachgewiesen, kann der maßgebliche Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Abs. 1 bis 3 EStG als Anhalt für den Mehrbedarf dienen (Senatsurteile in BFHE 223, 365, BStBl II 2010, 1057, Rz 16, m.w.N., und vom 22. Oktober 2009 III R 50/07, BFHE 228, 17, BStBl II 2011, 38, Rz 10).

14

4. Nach der Ermittlung des gesamten Lebensbedarfs des behinderten Kindes ist weiter zu prüfen, ob das Kind über hinreichende finanzielle Mittel verfügt, die zur Bestreitung seines persönlichen Unterhalts ausreichen. Ergibt sich eine ausreichende Leistungsfähigkeit des Kindes, kann davon ausgegangen werden, dass den Eltern kein zusätzlicher Aufwand erwächst, der ihre steuerliche Leistungsfähigkeit mindert. Dann ist es auch gerechtfertigt, für behinderte Kinder kein Kindergeld oder keinen Kinderfreibetrag zu gewähren (z.B. Senatsurteil in BFH/NV 2014, 498, Rz 15, m.w.N.; BFH-Urteile in BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, unter II.1.c, und vom 4. November 2003 VIII R 43/02, BFHE 204, 120, BStBl II 2010, 1046, unter II.1.c).

15

a) Zu den finanziellen Mitteln des behinderten volljährigen Kindes gehören seine Einkünfte und Bezüge (vgl. z.B. Senatsurteile in BFHE 241, 499, BStBl II 2013, 1037, Rz 14, und in BFHE 249, 144, BStBl II 2015, 1017, Rz 13). Mangels sachlicher Änderung von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG gilt dies --anders als die Revision meint-- auch nach Wegfall des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. (vgl. z.B. Grönke-Reimann in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 32 EStG Rz 118; Schmidt/Loschelder, EStG, 35. Aufl., § 32 Rz 44; Blümich/Selder, § 32 EStG Rz 116).

16

b) Eine Schmerzensgeldrente ist bei der Ermittlung der dem Kind zur Verfügung stehenden Mittel nicht zu berücksichtigen, da sie nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts des Kindes bestimmt oder geeignet ist.

17

aa) Soweit die Familienkasse meint, bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit eines behinderten Kindes komme es generell auf die Herkunft der zur Verfügung stehenden eigenen finanziellen Mittel und ihre Zweckbestimmung nicht an (vgl. auch Helmke/ Bauer, Familienleistungsausgleich, Kommentar, Fach A, I. Kommentierung, § 32 Rz 116, und Pust in Littmann/Bitz/Pust, a.a.O., § 32 Rz 488), kann der Senat dem nicht beitreten. Nur solche Einkünfte und Bezüge eines behinderten Kindes sind bei der Beurteilung seiner Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen, die zur Bestreitung seines Lebensunterhalts bestimmt oder geeignet sind (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, unter 3., m.w.N., und vom 19. August 2002 VIII R 17/02, BFHE 200, 219, BStBl II 2003, 88, unter II.2.). Hieran hält der Senat fest. Denn allein durch den Wegfall des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. hat sich der § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG zugrunde liegende Rechtsgedanke der Anerkennung eines am Existenzminimum des behinderten Kindes orientierten Betrags unter Berücksichtigung des behinderungsbedingten Mehrbedarfs nicht geändert.

18

Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Senatsurteil vom 9. Februar 2012 III R 53/10 (BFHE 236, 417, BStBl II 2014, 391, Rz 11) und dem BFH-Urteil vom 12. Dezember 2012 VI R 101/10 (BFHE 240, 50, BStBl II 2015, 651, Rz 12). Dort ging es um die Frage, ob Eingliederungshilfen gemäß §§ 53 f. des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) zu den dem behinderten Kind zur Verfügung stehenden eigenen finanziellen Mitteln gehören. Nur "in diesem Zusammenhang" hatte der Senat ausgeführt, dass es auf Herkunft und Zweckbestimmung der Mittel nicht ankomme.

19

bb) Das Schmerzensgeld nimmt --unabhängig davon, ob es in einem Einmalbetrag oder in Rentenform gezahlt wird-- eine Sonderstellung innerhalb der sonstigen Einkommens- und Vermögensarten ein (vgl. BVerfG-Beschluss vom 11. Juli 2006  1 BvR 293/05, BVerfGE 116, 229, unter B.I.2.b). Dementsprechend ist grundsätzlich Schmerzensgeld bei der Beurteilung der finanziellen Leistungsfähigkeit des behinderten Kindes nicht zu berücksichtigen.

20

Denn nach der Grundsatzentscheidung des Großen Senats für Zivilsachen des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 6. Juli 1955 GSZ 1/55 (BGHZ 18, 149) hat das Schmerzensgeld rechtlich eine doppelte Funktion. Es soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für solche Schäden und Lebenshemmungen bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind. Es soll aber zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten für das, was er ihm angetan hat, Genugtuung schuldet. Dabei steht der Entschädigungs- oder Ausgleichsgedanke im Vordergrund. Der Zweck des Anspruchs ist der Ausgleich für die erlittene Beeinträchtigung. Der BGH hat den zugrunde liegenden Gedanken dahin formuliert, dass der Schädiger, der dem Geschädigten über den Vermögensschaden hinaus das Leben schwer gemacht hat, nun durch seine Leistung dazu helfen soll, es ihm im Rahmen des Möglichen wieder leichter zu machen (BGH-Be-schluss in BGHZ 18, 149, unter I.3.). Schmerzensgeld bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit eines behinderten Kindes zu berücksichtigen, stünde mithin in Widerspruch zu seiner Sonderfunktion, immaterielle Schäden abzumildern. Entsprechendes gilt für die Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes. Denn es hat auch insoweit gerade nicht die Funktion, zur materiellen Existenzsicherung beizutragen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 116, 229, unter B.I.3.a).

21

c) Der Sonderstellung des Schmerzensgeldes wird auch in anderen Bereichen Rechnung getragen. So ist im Sozialrecht die Schmerzensgeldrente nicht bei der Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 11a Abs. 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und auch nicht im Rahmen der Sozialhilfe nach § 83 Abs. 2 SGB XII als Einkommen zu berücksichtigen. Nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) ist eine Entschädigung nach § 253 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ebenfalls nicht als Einkommen bei der Bestimmung des Leistungsumfangs der Kriegsopferfürsorge anzurechnen (§ 25d Abs. 4 Satz 2 BVG).

22

Ein abweichendes Ergebnis ergibt sich auch nicht aus einer Berücksichtigungsfähigkeit des Schmerzensgeldanspruchs i.R. des § 1602 BGB (für Anrechnung von Schmerzensgeld etwa Bamberger/Roth/Reinken, BGB, 3. Aufl., § 1602 Rz 31d; ebenso Erman/Hammermann, BGB, 14. Aufl., § 1602 Rz 68d; gegen Anrechnung von Schmerzensgeld dagegen Mutschler in BGB-RGRK, 12. Aufl., § 1602 Rz 8). Denn diese zivilrechtliche Unterhaltsregelung kann für die Auslegung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG nach der Rechtsprechung des BFH in BFHE 200, 219, BStBl II 2003, 88, unter II.4.a, vom 19. August 2002 VIII R 51/01 (BFHE 200, 212, BStBl II 2003, 91, unter II.4.a) und vom 14. Oktober 2002 VIII R 55/01 (BFH/NV 2003, 308, unter II.4.) nicht herangezogen werden. Auf die Begründung dieser Entscheidungen nimmt der Senat insoweit Bezug.

23

5. In Anwendung der vorstehenden Grundsätze hat das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise in der Vorentscheidung angenommen, dass V im Streitzeitraum nicht über ausreichende Mittel verfügte, um seinen gesamten existentiellen Lebensbedarf zu decken.

24

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

(1)1Wegen der Aufwendungen für die Hilfe bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, für die Pflege sowie für einen erhöhten Wäschebedarf können Menschen mit Behinderungen unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 anstelle einer Steuerermäßigung nach § 33 einen Pauschbetrag nach Absatz 3 geltend machen (Behinderten-Pauschbetrag).2Das Wahlrecht kann für die genannten Aufwendungen im jeweiligen Veranlagungszeitraum nur einheitlich ausgeübt werden.

(2) Einen Pauschbetrag erhalten Menschen, deren Grad der Behinderung auf mindestens 20 festgestellt ist, sowie Menschen, die hilflos im Sinne des Absatzes 3 Satz 4 sind.

(3)1Die Höhe des Pauschbetrags nach Satz 2 richtet sich nach dem dauernden Grad der Behinderung.2Als Pauschbetrag werden gewährt bei einem Grad der Behinderung von mindestens:

20384 Euro,
30620 Euro,
40860 Euro,
501 140 Euro,
601 440 Euro,
701 780 Euro,
802 120 Euro,
902 460 Euro,
1002 840 Euro.


3Menschen, die hilflos im Sinne des Satzes 4 sind, Blinde und Taubblinde erhalten einen Pauschbetrag von 7 400 Euro; in diesem Fall kann der Pauschbetrag nach Satz 2 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.4Hilflos ist eine Person, wenn sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedarf.5Diese Voraussetzungen sind auch erfüllt, wenn die Hilfe in Form einer Überwachung oder einer Anleitung zu den in Satz 4 genannten Verrichtungen erforderlich ist oder wenn die Hilfe zwar nicht dauernd geleistet werden muss, jedoch eine ständige Bereitschaft zur Hilfeleistung erforderlich ist.

(4)1Personen, denen laufende Hinterbliebenenbezüge bewilligt worden sind, erhalten auf Antrag einen Pauschbetrag von 370 Euro (Hinterbliebenen-Pauschbetrag), wenn die Hinterbliebenenbezüge geleistet werden

1.
nach dem Bundesversorgungsgesetz oder einem anderen Gesetz, das die Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes über Hinterbliebenenbezüge für entsprechend anwendbar erklärt, oder
2.
nach den Vorschriften über die gesetzliche Unfallversicherung oder
3.
nach den beamtenrechtlichen Vorschriften an Hinterbliebene eines an den Folgen eines Dienstunfalls verstorbenen Beamten oder
4.
nach den Vorschriften des Bundesentschädigungsgesetzes über die Entschädigung für Schäden an Leben, Körper oder Gesundheit.
2Der Pauschbetrag wird auch dann gewährt, wenn das Recht auf die Bezüge ruht oder der Anspruch auf die Bezüge durch Zahlung eines Kapitals abgefunden worden ist.

(5)1Steht der Behinderten-Pauschbetrag oder der Hinterbliebenen-Pauschbetrag einem Kind zu, für das der Steuerpflichtige Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat, so wird der Pauschbetrag auf Antrag auf den Steuerpflichtigen übertragen, wenn ihn das Kind nicht in Anspruch nimmt.2Dabei ist der Pauschbetrag grundsätzlich auf beide Elternteile je zur Hälfte aufzuteilen, es sei denn, der Kinderfreibetrag wurde auf den anderen Elternteil übertragen.3Auf gemeinsamen Antrag der Eltern ist eine andere Aufteilung möglich.4In diesen Fällen besteht für Aufwendungen, für die der Behinderten-Pauschbetrag gilt, kein Anspruch auf eine Steuerermäßigung nach § 33.5Voraussetzung für die Übertragung nach Satz 1 ist die Angabe der erteilten Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung) des Kindes in der Einkommensteuererklärung des Steuerpflichtigen.

(6)1Wegen der außergewöhnlichen Belastungen, die einem Steuerpflichtigen durch die Pflege einer Person erwachsen, kann er anstelle einer Steuerermäßigung nach § 33 einen Pauschbetrag geltend machen (Pflege-Pauschbetrag), wenn er dafür keine Einnahmen im Kalenderjahr erhält und der Steuerpflichtige die Pflege entweder in seiner Wohnung oder in der Wohnung des Pflegebedürftigen persönlich durchführt und diese Wohnung in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat gelegen ist, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum anzuwenden ist.2Zu den Einnahmen nach Satz 1 zählt unabhängig von der Verwendung nicht das von den Eltern eines Kindes mit Behinderungen für dieses Kind empfangene Pflegegeld.3Als Pflege-Pauschbetrag wird gewährt:

1.
bei Pflegegrad 2600 Euro,
2.
bei Pflegegrad 31 100 Euro,
3.
bei Pflegegrad 4 oder 51 800 Euro.
4Ein Pflege-Pauschbetrag nach Satz 3 Nummer 3 wird auch gewährt, wenn die gepflegte Person hilflos im Sinne des § 33b Absatz 3 Satz 4 ist.5Bei erstmaliger Feststellung, Änderung oder Wegfall des Pflegegrads im Laufe des Kalenderjahres ist der Pflege-Pauschbetrag nach dem höchsten Grad zu gewähren, der im Kalenderjahr festgestellt war.6Gleiches gilt, wenn die Person die Voraussetzungen nach Satz 4 erfüllt.7Sind die Voraussetzungen nach Satz 4 erfüllt, kann der Pauschbetrag nach Satz 3 Nummer 1 und 2 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.8Voraussetzung für die Gewährung des Pflege-Pauschbetrags ist die Angabe der erteilten Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung) der gepflegten Person in der Einkommensteuererklärung des Steuerpflichtigen.9Wird ein Pflegebedürftiger von mehreren Steuerpflichtigen im Veranlagungszeitraum gepflegt, wird der Pflege-Pauschbetrag nach der Zahl der Pflegepersonen, bei denen die Voraussetzungen der Sätze 1 bis 4 vorliegen, geteilt.

(7) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen, wie nachzuweisen ist, dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Pauschbeträge vorliegen.

(8) Die Vorschrift des § 33b Absatz 6 ist ab Ende des Kalenderjahres 2026 zu evaluieren.

(1) Bei der Ermittlung oder Anrechnung von Einkommen, sonstigen Einnahmen und Vermögen nach anderen Gesetzen, insbesondere dem Zweiten, Dritten, Fünften, Neunten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch und dem Bürgerlichen Gesetzbuch, bleiben Leistungen nach diesem Gesetz außer Betracht.

(2) Verpflichtungen Anderer, insbesondere Unterhaltspflichtiger und der Träger der Sozialhilfe oder anderer Sozialleistungen, werden durch dieses Gesetz nicht berührt. Der Übergang der Unterhaltsansprüche der leistungsberechtigten Person gegenüber ihrem Ehegatten, ihrem Lebenspartner, ihren Kindern oder ihren Eltern nach § 94 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch bedeutet eine unbillige Härte nach § 94 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch. Bei der Hilfe nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch ist der leistungsberechtigten Person und ihrem nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen nach § 19 Absatz 3, § 87 Absatz 1 und § 88 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch nicht zuzumuten. Der Einsatz des Vermögens der leistungsberechtigten Person und ihres nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners nach § 19 Absatz 3, § 90 Absatz 3 Satz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch stellt eine Härte dar. Für Eingliederungshilfebezieher nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch wird ein Beitrag nach § 92 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch nicht erhoben. Das gilt auch für die nach diesem Gesetz leistungsberechtigten Personen, die nach Inkrafttreten des Bundesteilhabegesetzes Leistungen nach § 103 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch erhalten. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer Stellen, auf die kein Anspruch besteht, dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach diesem Gesetz Leistungen vorgesehen sind.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, vom 23. September 2014  11 K 419/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Vater des im Dezember 1988 geborenen Sohnes X. Aufgrund eines Unfalls, der sich nach Ende der Berufsausbildung des X zum Straßenbauer ereignet hat, ist X schwerbehindert (Grad der Behinderung: 50). Im Streitzeitraum (Januar bis Oktober 2012) bezog X eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.

2

Den Antrag des Klägers, ihm Kindergeld für den Streitzeitraum zu gewähren, lehnte die frühere Beklagte (Familienkasse) mit der Begründung ab, X sei aufgrund der erhaltenen Rente in der Lage, sich selbst zu unterhalten. Der Einspruch blieb erfolglos.

3

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit der der Kläger geltend machte, X sei (auch) ein nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigendes, ausbildungsplatzsuchendes Kind, das das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet habe, und außerdem sei es verfassungswidrig, nach Wegfall des Grenzbetrags (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. bis zum 31. Dezember 2011) den Kindergeldanspruch behinderter Kinder von der Unfähigkeit zum Selbstunterhalt abhängig zu machen, ab.

4

Mit der Beschwerde macht der Kläger geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung.

Entscheidungsgründe

5

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

6

1. a) Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Außerdem muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärbar sein (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 11. Dezember 2013 V B 36/13, BFH/NV 2014, 680; vom 3. Februar 2014 VI B 111/13, BFH/NV 2014, 696; vom 18. Juli 2014 XI B 37/14, BFH/NV 2014, 1779).

7

b) Für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung muss der Beschwerdeführer eine konkrete Rechtsfrage formulieren und substantiiert auf ihre Klärungsbedürftigkeit, ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung sowie darauf eingehen, weshalb von der Beantwortung der Rechtsfrage die Entscheidung über die Rechtssache abhängt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 16. Mai 2008 VII B 118/07, BFH/NV 2008, 1440; vom 21. Mai 2013 III B 59/12, BFH/NV 2013, 1447). Hat der BFH die Rechtsfrage noch nicht entschieden, muss der Beschwerdeführer darlegen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen sie umstritten ist (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2013, 1447; vom 22. Juli 2014 XI B 29/14, BFH/NV 2014, 1780). Macht ein Beschwerdeführer mit der Nichtzulassungsbeschwerde --wie hier-- verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine gesetzliche Regelung geltend, so ist darüber hinaus eine substantiierte, an den Vorgaben des Grundgesetzes und der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des BFH orientierte Auseinandersetzung mit der Problematik erforderlich (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom 9. April 2014 III B 143/13, BFH/NV 2014, 1083; vom 9. April 2014 XI B 128/13, BFH/NV 2014, 1224).

8

2. Die vom Kläger für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Frage, ob § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG auch den Fall umfasse, dass eine Berufsausbildung deshalb nicht begonnen werden kann, weil das ausbildungswillige Kind wegen einer Behinderung, die seine Leistungsfähigkeit erheblich einschränkt, keinen Ausbildungsplatz finden kann, ist im Streitfall nicht klärbar.

9

a) Dabei kann sowohl offen bleiben, ob der Senat der Auffassung des FG unter 1. seiner Gründe in vollem Umfang folgen könnte. Ebenso bedarf keiner Prüfung, ob die tatsächlichen Feststellungen des FG, das weder festgestellt hat, welcher Art die Behinderung des X ist, noch festgestellt hat, welche Ausbildung X anstrebt, seine Würdigung unter 1. der Gründe tragen könnten, X finde aufgrund seiner Behinderung keinen Ausbildungsplatz.

10

b) Die Entscheidung des Streitfalls hängt nämlich aus anderen Gründen nicht von der Beantwortung der vom Kläger aufgeworfenen Frage ab. Jedenfalls kommt im Streitfall eine Berücksichtigung des X als ausbildungsplatzsuchendes Kind i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG schon deshalb nicht in Betracht, weil hierfür nach ständiger Rechtsprechung des BFH erforderlich ist, dass sich das Kind ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht (vgl. BFH-Urteile vom 19. Juni 2008 III R 66/05, BFHE 222, 343, BStBl II 2009, 1005, und vom 22. September 2011 III R 30/08, BFHE 235, 327, BStBl II 2012, 411). Das Bemühen um einen Ausbildungsplatz ist glaubhaft zu machen (BFH-Urteile vom 22. September 2011 III R 35/08, BFH/NV 2012, 232; vom 26. August 2014 XI R 14/12, BFH/NV 2015, 322). Dies ist vorliegend nicht geschehen und wird vom Kläger auch nicht behauptet, so dass schon aus diesem Grund keine Berücksichtigung des X gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG möglich ist.

11

3. Mit dem Hinweis, es sei grundsätzlich bedeutsam, ob § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG im Wege verfassungskonformer Auslegung so zu interpretieren sei, dass körperlich behinderte Kinder, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und aufgrund 100%iger Erwerbsminderung nicht in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen, als kindergeldberechtigte Kinder zu berücksichtigen sind, ohne dass es im Einzelfall darauf ankommt, ob Einkommen oder sonstige Bezüge die Unterhaltsbedürftigkeit ausschließen, hat der Kläger die grundsätzliche Bedeutung nicht hinreichend dargelegt.

12

a) Der Kläger hat sich zunächst nicht mit der zu dieser Frage ergangenen Rechtsprechung (FG des Saarlands, Urteil vom 13. November 2013  2 K 1224/13, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2014, 658; FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 8. April 2014  4 K 1218/12, EFG 2014, 1492), die dieselbe Auffassung wie die Vorentscheidung vertreten, befasst.

13

b) Weiter hat sich der Kläger nicht mit der in der Vorentscheidung und dem Urteil des FG des Saarlands in EFG 2014, 658 angeführten höchstrichterlichen Rechtsprechung auseinander gesetzt.

14

aa) Dazu hätte schon deshalb Anlass bestanden, weil nach der Rechtsprechung des BVerfG beim Kindergeld, soweit es als Sozialleistung zu den Maßnahmen der darreichenden Verwaltung gehört, eine weitgehende Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers besteht; bei der Überprüfung eines Gesetzes auf Übereinstimmung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz ist nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat (vgl. BVerfG-Beschluss vom 8. Juni 2004  2 BvL 5/00, BVerfGE 110, 412, BFH/NV Beilage 2005, 33, unter C.II.3.a, m.w.N.; s. auch BVerfG-Beschluss vom 6. April 2011  1 BvR 1765/09, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2011, 812, unter IV.2.a).

15

bb) Weiter bestand Anlass für eine solche Erörterung, weil es verfassungsgemäß ist, die Gewährung des Kindergelds davon abhängig zu machen, dass das Existenzminimum des Kindes nicht durch eigene Einkünfte und Bezüge gedeckt ist (BVerfG-Beschluss vom 27. Juli 2010  2 BvR 2122/09, HFR 2010, 1109, unter II.1.). Das Kindergeld dient dazu, die wirtschaftliche Belastung, die Eltern durch die Sorge für ihre Kinder entsteht, auszugleichen (vgl. BFH-Urteil vom 9. Februar 2009 III R 37/07, BFHE 224, 290, BStBl II 2009, 928, unter II.3.a; Urteil des Bundessozialgerichts vom 19. Februar 2009 B 10 Kg 2/07 R, Sozialrecht 4-5870 § 1 Nr. 2, juris, Rz 26). Der Anspruch auf Kindergeld entfällt, wenn das behinderte Kind auf elterliche Unterstützung nicht mehr angewiesen ist (vgl. BFH-Urteil vom 15. Oktober 1999 VI R 182/98, BFHE 189, 457, BStBl II 2000, 79, unter II.4.a).

16

cc) Zudem hätte der Kläger dem Umstand Beachtung schenken müssen, dass auch § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG n.F. eine (widerlegbare) Vermutung aufstellt, dass das Kind (erst) nach Abschluss der Erstausbildung in der Lage ist, sich selbst zu unterhalten (BTDrucks 17/5125, S. 41, linke Spalte, unten), und eine Änderung der Regelungen für behinderte Kinder nicht beabsichtigt war (a.a.O., rechte Spalte, a.E.).

17

c) Angesichts dessen hätte der Kläger begründen müssen, wieso in seiner Person eine verfassungswidrige Benachteiligung gegenüber Eltern nicht behinderter Kinder vorliegen soll, obwohl diese in vergleichbarer Situation ebenfalls kein Kindergeld erhalten. Eltern nicht behinderter Kinder, die das 21. Lebensjahr, aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, --wie X-- keinen Ausbildungsplatz haben, sich --wie X-- nicht in einer Übergangszeit befinden, und sich --wie X-- nicht um einen Ausbildungsplatz bemühen, erhalten --wie der Kläger-- ebenfalls kein Kindergeld.

18

4. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

19

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Bei der Ermittlung oder Anrechnung von Einkommen, sonstigen Einnahmen und Vermögen nach anderen Gesetzen, insbesondere dem Zweiten, Dritten, Fünften, Neunten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch und dem Bürgerlichen Gesetzbuch, bleiben Leistungen nach diesem Gesetz außer Betracht.

(2) Verpflichtungen Anderer, insbesondere Unterhaltspflichtiger und der Träger der Sozialhilfe oder anderer Sozialleistungen, werden durch dieses Gesetz nicht berührt. Der Übergang der Unterhaltsansprüche der leistungsberechtigten Person gegenüber ihrem Ehegatten, ihrem Lebenspartner, ihren Kindern oder ihren Eltern nach § 94 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch bedeutet eine unbillige Härte nach § 94 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch. Bei der Hilfe nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch ist der leistungsberechtigten Person und ihrem nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen nach § 19 Absatz 3, § 87 Absatz 1 und § 88 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch nicht zuzumuten. Der Einsatz des Vermögens der leistungsberechtigten Person und ihres nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners nach § 19 Absatz 3, § 90 Absatz 3 Satz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch stellt eine Härte dar. Für Eingliederungshilfebezieher nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch wird ein Beitrag nach § 92 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch nicht erhoben. Das gilt auch für die nach diesem Gesetz leistungsberechtigten Personen, die nach Inkrafttreten des Bundesteilhabegesetzes Leistungen nach § 103 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch erhalten. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer Stellen, auf die kein Anspruch besteht, dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach diesem Gesetz Leistungen vorgesehen sind.

(1) Als Kinder werden auch berücksichtigt

1.
vom Berechtigten in seinen Haushalt aufgenommene Kinder seines Ehegatten oder Lebenspartners,
2.
Pflegekinder (Personen, mit denen der Berechtigte durch ein familienähnliches, auf Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken in seinen Haushalt aufgenommen hat und das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht),
3.
vom Berechtigten in seinen Haushalt aufgenommene Enkel.

(2) Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wird berücksichtigt, wenn es

1.
noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitssuchender gemeldet ist oder
2.
noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und
a)
für einen Beruf ausgebildet wird oder
b)
sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes, einer vom Wehr- oder Zivildienst befreienden Tätigkeit als Entwicklungshelfer oder als Dienstleistender im Ausland nach § 14b des Zivildienstgesetzes oder der Ableistung des freiwilligen Wehrdienstes nach § 58b des Soldatengesetzes oder der Ableistung eines freiwilligen Dienstes im Sinne des Buchstaben d liegt, oder
c)
eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann oder
d)
einen der folgenden freiwilligen Dienste leistet:
aa)
ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
bb)
ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
cc)
einen Bundesfreiwilligendienst im Sinne des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
dd)
eine Freiwilligentätigkeit im Rahmen des Europäischen Solidaritätskorps im Sinne der Verordnung (EU) 2021/888 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2021 zur Aufstellung des Programms für das Europäische Solidaritätskorps und zur Aufhebung der Verordnungen (EU) 2018/1475 und (EU) Nr. 375/2014 (ABl. L 202 vom 8.6.2021, S. 32),
ee)
einen anderen Dienst im Ausland im Sinne von § 5 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
ff)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts“ im Sinne der Förderleitlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. Januar 2016,
gg)
einen Freiwilligendienst aller Generationen im Sinne von § 2 Absatz 1a des Siebten Buches Sozialgesetzbuch oder
hh)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 4. Januar 2021 (GMBl S. 77) oder
3.
wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten; Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.
Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind in den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 nur berücksichtigt, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der §§ 8 und 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind unschädlich.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 Buchstabe a und b wird ein Kind, das

1.
den gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst geleistet hat oder
2.
sich an Stelle des gesetzlichen Grundwehrdienstes freiwillig für die Dauer von nicht mehr als drei Jahren zum Wehrdienst verpflichtet hat oder
3.
eine vom gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst befreiende Tätigkeit als Entwicklungshelfer im Sinne des § 1 Absatz 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes ausgeübt hat,
für einen der Dauer dieser Dienste oder der Tätigkeit entsprechenden Zeitraum, höchstens für die Dauer des inländischen gesetzlichen Grundwehrdienstes, bei anerkannten Kriegsdienstverweigerern für die Dauer des inländischen gesetzlichen Zivildienstes über das 21. oder 25. Lebensjahr hinaus berücksichtigt. Wird der gesetzliche Grundwehrdienst oder Zivildienst in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, geleistet, so ist die Dauer dieses Dienstes maßgebend. Absatz 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(4) Kinder, für die einer anderen Person nach dem Einkommensteuergesetz Kindergeld oder ein Kinderfreibetrag zusteht, werden nicht berücksichtigt. Dies gilt nicht für Kinder, die in den Haushalt des Anspruchsberechtigten nach § 1 aufgenommen worden sind oder für die dieser die höhere Unterhaltsrente zahlt, wenn sie weder in seinen Haushalt noch in den Haushalt eines nach § 62 des Einkommensteuergesetzes Anspruchsberechtigten aufgenommen sind.

(5) Kinder, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, werden nicht berücksichtigt. Dies gilt nicht gegenüber Berechtigten nach § 1 Absatz 1 Nummer 2 und 3, wenn sie die Kinder in ihren Haushalt aufgenommen haben.

(6) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu bestimmen, dass einem Berechtigten, der in Deutschland erwerbstätig ist oder sonst seine hauptsächlichen Einkünfte erzielt, für seine in Absatz 5 Satz 1 bezeichneten Kinder Kindergeld ganz oder teilweise zu leisten ist, soweit dies mit Rücksicht auf die durchschnittlichen Lebenshaltungskosten für Kinder in deren Wohnland und auf die dort gewährten dem Kindergeld vergleichbaren Leistungen geboten ist.

(1) Bei der Ermittlung oder Anrechnung von Einkommen, sonstigen Einnahmen und Vermögen nach anderen Gesetzen, insbesondere dem Zweiten, Dritten, Fünften, Neunten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch und dem Bürgerlichen Gesetzbuch, bleiben Leistungen nach diesem Gesetz außer Betracht.

(2) Verpflichtungen Anderer, insbesondere Unterhaltspflichtiger und der Träger der Sozialhilfe oder anderer Sozialleistungen, werden durch dieses Gesetz nicht berührt. Der Übergang der Unterhaltsansprüche der leistungsberechtigten Person gegenüber ihrem Ehegatten, ihrem Lebenspartner, ihren Kindern oder ihren Eltern nach § 94 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch bedeutet eine unbillige Härte nach § 94 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch. Bei der Hilfe nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch ist der leistungsberechtigten Person und ihrem nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen nach § 19 Absatz 3, § 87 Absatz 1 und § 88 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch nicht zuzumuten. Der Einsatz des Vermögens der leistungsberechtigten Person und ihres nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners nach § 19 Absatz 3, § 90 Absatz 3 Satz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch stellt eine Härte dar. Für Eingliederungshilfebezieher nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch wird ein Beitrag nach § 92 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch nicht erhoben. Das gilt auch für die nach diesem Gesetz leistungsberechtigten Personen, die nach Inkrafttreten des Bundesteilhabegesetzes Leistungen nach § 103 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch erhalten. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer Stellen, auf die kein Anspruch besteht, dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach diesem Gesetz Leistungen vorgesehen sind.

(1) Als Kinder werden auch berücksichtigt

1.
vom Berechtigten in seinen Haushalt aufgenommene Kinder seines Ehegatten oder Lebenspartners,
2.
Pflegekinder (Personen, mit denen der Berechtigte durch ein familienähnliches, auf Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken in seinen Haushalt aufgenommen hat und das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht),
3.
vom Berechtigten in seinen Haushalt aufgenommene Enkel.

(2) Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wird berücksichtigt, wenn es

1.
noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitssuchender gemeldet ist oder
2.
noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und
a)
für einen Beruf ausgebildet wird oder
b)
sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes, einer vom Wehr- oder Zivildienst befreienden Tätigkeit als Entwicklungshelfer oder als Dienstleistender im Ausland nach § 14b des Zivildienstgesetzes oder der Ableistung des freiwilligen Wehrdienstes nach § 58b des Soldatengesetzes oder der Ableistung eines freiwilligen Dienstes im Sinne des Buchstaben d liegt, oder
c)
eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann oder
d)
einen der folgenden freiwilligen Dienste leistet:
aa)
ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
bb)
ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
cc)
einen Bundesfreiwilligendienst im Sinne des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
dd)
eine Freiwilligentätigkeit im Rahmen des Europäischen Solidaritätskorps im Sinne der Verordnung (EU) 2021/888 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2021 zur Aufstellung des Programms für das Europäische Solidaritätskorps und zur Aufhebung der Verordnungen (EU) 2018/1475 und (EU) Nr. 375/2014 (ABl. L 202 vom 8.6.2021, S. 32),
ee)
einen anderen Dienst im Ausland im Sinne von § 5 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
ff)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts“ im Sinne der Förderleitlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. Januar 2016,
gg)
einen Freiwilligendienst aller Generationen im Sinne von § 2 Absatz 1a des Siebten Buches Sozialgesetzbuch oder
hh)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 4. Januar 2021 (GMBl S. 77) oder
3.
wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten; Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.
Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind in den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 nur berücksichtigt, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der §§ 8 und 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind unschädlich.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 Buchstabe a und b wird ein Kind, das

1.
den gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst geleistet hat oder
2.
sich an Stelle des gesetzlichen Grundwehrdienstes freiwillig für die Dauer von nicht mehr als drei Jahren zum Wehrdienst verpflichtet hat oder
3.
eine vom gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst befreiende Tätigkeit als Entwicklungshelfer im Sinne des § 1 Absatz 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes ausgeübt hat,
für einen der Dauer dieser Dienste oder der Tätigkeit entsprechenden Zeitraum, höchstens für die Dauer des inländischen gesetzlichen Grundwehrdienstes, bei anerkannten Kriegsdienstverweigerern für die Dauer des inländischen gesetzlichen Zivildienstes über das 21. oder 25. Lebensjahr hinaus berücksichtigt. Wird der gesetzliche Grundwehrdienst oder Zivildienst in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, geleistet, so ist die Dauer dieses Dienstes maßgebend. Absatz 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(4) Kinder, für die einer anderen Person nach dem Einkommensteuergesetz Kindergeld oder ein Kinderfreibetrag zusteht, werden nicht berücksichtigt. Dies gilt nicht für Kinder, die in den Haushalt des Anspruchsberechtigten nach § 1 aufgenommen worden sind oder für die dieser die höhere Unterhaltsrente zahlt, wenn sie weder in seinen Haushalt noch in den Haushalt eines nach § 62 des Einkommensteuergesetzes Anspruchsberechtigten aufgenommen sind.

(5) Kinder, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, werden nicht berücksichtigt. Dies gilt nicht gegenüber Berechtigten nach § 1 Absatz 1 Nummer 2 und 3, wenn sie die Kinder in ihren Haushalt aufgenommen haben.

(6) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu bestimmen, dass einem Berechtigten, der in Deutschland erwerbstätig ist oder sonst seine hauptsächlichen Einkünfte erzielt, für seine in Absatz 5 Satz 1 bezeichneten Kinder Kindergeld ganz oder teilweise zu leisten ist, soweit dies mit Rücksicht auf die durchschnittlichen Lebenshaltungskosten für Kinder in deren Wohnland und auf die dort gewährten dem Kindergeld vergleichbaren Leistungen geboten ist.

(1) Kinder sind

1.
im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandte Kinder,
2.
Pflegekinder (Personen, mit denen der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken in seinen Haushalt aufgenommen hat und das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht).

(2)1Besteht bei einem angenommenen Kind das Kindschaftsverhältnis zu den leiblichen Eltern weiter, ist es vorrangig als angenommenes Kind zu berücksichtigen.2Ist ein im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandtes Kind zugleich ein Pflegekind, ist es vorrangig als Pflegekind zu berücksichtigen.

(3) Ein Kind wird in dem Kalendermonat, in dem es lebend geboren wurde, und in jedem folgenden Kalendermonat, zu dessen Beginn es das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, berücksichtigt.

(4)1Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wird berücksichtigt, wenn es

1.
noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist oder
2.
noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und
a)
für einen Beruf ausgebildet wird oder
b)
sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes, einer vom Wehr- oder Zivildienst befreienden Tätigkeit als Entwicklungshelfer oder als Dienstleistender im Ausland nach § 14b des Zivildienstgesetzes oder der Ableistung des freiwilligen Wehrdienstes nach § 58b des Soldatengesetzes oder der Ableistung eines freiwilligen Dienstes im Sinne des Buchstaben d liegt, oder
c)
eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann oder
d)
einen der folgenden freiwilligen Dienste leistet:
aa)
ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
bb)
ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
cc)
einen Bundesfreiwilligendienst im Sinne des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
dd)
eine Freiwilligentätigkeit im Rahmen des Europäischen Solidaritätskorps im Sinne der Verordnung (EU) 2021/888 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2021 zur Aufstellung des Programms für das Europäische Solidaritätskorps und zur Aufhebung der Verordnungen (EU) 2018/1475 und (EU) Nr. 375/2014 (ABl. L 202 vom 8.6.2021, S. 32),
ee)
einen anderen Dienst im Ausland im Sinne von § 5 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
ff)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts“ im Sinne der Förderleitlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. Januar 2016,
gg)
einen Freiwilligendienst aller Generationen im Sinne von § 2 Absatz 1a des Siebten Buches Sozialgesetzbuch oder
hh)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 4. Januar 2021 (GMBl S. 77) oder
3.
wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten; Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.
2Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind in den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 nur berücksichtigt, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit nachgeht.3Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der §§ 8 und 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind unschädlich.

(5)1In den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 Buchstabe a und b wird ein Kind, das

1.
den gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst geleistet hat, oder
2.
sich anstelle des gesetzlichen Grundwehrdienstes freiwillig für die Dauer von nicht mehr als drei Jahren zum Wehrdienst verpflichtet hat, oder
3.
eine vom gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst befreiende Tätigkeit als Entwicklungshelfer im Sinne des § 1 Absatz 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes ausgeübt hat,
für einen der Dauer dieser Dienste oder der Tätigkeit entsprechenden Zeitraum, höchstens für die Dauer des inländischen gesetzlichen Grundwehrdienstes oder bei anerkannten Kriegsdienstverweigerern für die Dauer des inländischen gesetzlichen Zivildienstes über das 21. oder 25. Lebensjahr hinaus berücksichtigt.2Wird der gesetzliche Grundwehrdienst oder Zivildienst in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, geleistet, so ist die Dauer dieses Dienstes maßgebend.3Absatz 4 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(6)1Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer wird für jedes zu berücksichtigende Kind des Steuerpflichtigen ein Freibetrag von 3 012 Euro für das sächliche Existenzminimum des Kindes (Kinderfreibetrag) sowie ein Freibetrag von 1 464 Euro für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vom Einkommen abgezogen.2Bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, verdoppeln sich die Beträge nach Satz 1, wenn das Kind zu beiden Ehegatten in einem Kindschaftsverhältnis steht.3Die Beträge nach Satz 2 stehen dem Steuerpflichtigen auch dann zu, wenn

1.
der andere Elternteil verstorben oder nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder
2.
der Steuerpflichtige allein das Kind angenommen hat oder das Kind nur zu ihm in einem Pflegekindschaftsverhältnis steht.
4Für ein nicht nach § 1 Absatz 1 oder 2 unbeschränkt einkommensteuerpflichtiges Kind können die Beträge nach den Sätzen 1 bis 3 nur abgezogen werden, soweit sie nach den Verhältnissen seines Wohnsitzstaates notwendig und angemessen sind.5Für jeden Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen für einen Freibetrag nach den Sätzen 1 bis 4 nicht vorliegen, ermäßigen sich die dort genannten Beträge um ein Zwölftel.6Abweichend von Satz 1 wird bei einem unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Elternpaar, bei dem die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 nicht vorliegen, auf Antrag eines Elternteils der dem anderen Elternteil zustehende Kinderfreibetrag auf ihn übertragen, wenn er, nicht jedoch der andere Elternteil, seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind für das Kalenderjahr im Wesentlichen nachkommt oder der andere Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist; die Übertragung des Kinderfreibetrags führt stets auch zur Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf.7Eine Übertragung nach Satz 6 scheidet für Zeiträume aus, für die Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gezahlt werden.8Bei minderjährigen Kindern wird der dem Elternteil, in dessen Wohnung das Kind nicht gemeldet ist, zustehende Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf auf Antrag des anderen Elternteils auf diesen übertragen, wenn bei dem Elternpaar die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 nicht vorliegen.9Eine Übertragung nach Satz 8 scheidet aus, wenn der Übertragung widersprochen wird, weil der Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, Kinderbetreuungskosten trägt oder das Kind regelmäßig in einem nicht unwesentlichen Umfang betreut.10Die den Eltern nach den Sätzen 1 bis 9 zustehenden Freibeträge können auf Antrag auch auf einen Stiefelternteil oder Großelternteil übertragen werden, wenn dieser das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat oder dieser einer Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind unterliegt.11Die Übertragung nach Satz 10 kann auch mit Zustimmung des berechtigten Elternteils erfolgen, die nur für künftige Kalenderjahre widerrufen werden kann.12Voraussetzung für die Berücksichtigung des Kinderfreibetrags sowie des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes ist die Identifizierung des Kindes durch die an dieses Kind vergebene Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung).13Ist das Kind nicht nach einem Steuergesetz steuerpflichtig (§ 139a Absatz 2 der Abgabenordnung), ist es in anderer geeigneter Weise zu identifizieren.14Die nachträgliche Identifizierung oder nachträgliche Vergabe der Identifikationsnummer wirkt auf Monate zurück, in denen die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung des Kinderfreibetrags sowie des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vorliegen.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 10. Dezember 2014 3 K 361/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist die Mutter des im Jahr 1960 geborenen Sohnes V. Der unbefristet gültige Schwerbehindertenausweis vom April 2013 weist V einen Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen ″G″, ″B″ und ″H″ zu. V wohnt seit dem 1. Dezember 2007 in einem eigenen Haushalt in einem Rehabilitationszentrum.

2

V erhält seit April 2013 nach Abzug eines Pflegeversicherungsbeitrags von 1,35 € einen monatlichen Lohn in Höhe von 170,65 €. Weiter erhält er aufgrund eines Haftpflichtschadens aus dem Jahr 1977 monatlich eine Ersatzleistung für fiktiven Verdienstausfall in Höhe von 772,32 € und eine Schmerzensgeldrente in Höhe von 204,52 €.

3

Die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) hob mit Bescheid vom 28. August 2013 gegenüber der Klägerin die Kindergeldfestsetzung für V ab Oktober 2013 auf, weil V aufgrund der eigenen verfügbaren Mittel in der Lage sei, seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies die Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom 12. Februar 2014 als unbegründet zurück.

4

Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen erhobenen Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 931 veröffentlichten Urteil statt. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, V sei aufgrund seiner Behinderung außerstande gewesen, sich selbst zu unterhalten. Die ihm zur Verfügung stehenden Mittel seien in allen Monaten des Klagezeitraums niedriger als der Bedarf. Die Schmerzensgeldrente in Höhe von 204,52 € gehöre nicht zu den anzusetzenden finanziellen Mitteln.

5

Mit der Revision rügt die Familienkasse die fehlerhafte Auslegung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes in der in dem Streitzeitraum geltenden Fassung (EStG).

6

Die Familienkasse beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Schmerzensgeldrente bei der Ermittlung der V zur Verfügung stehenden Mittel nicht zu berücksichtigen ist.

9

1. Gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG besteht für ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, ein Anspruch auf Kindergeld, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, sofern die Behinderung --wie im Streitfall-- vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.

10

2. Das Tatbestandsmerkmal "außerstande ist, sich selbst zu unterhalten" ist im Gesetz nicht näher umschrieben. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist ein behindertes Kind dann außerstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten kann (z.B. Senatsurteile vom 19. November 2008 III R 105/07, BFHE 223, 365, BStBl II 2010, 1057, unter II.1.a; vom 11. April 2013 III R 35/11, BFHE 241, 499, BStBl II 2013, 1037, Rz 14; vom 5. Februar 2015 III R 31/13, BFHE 249, 144, BStBl II 2015, 1017, Rz 13; BFH-Urteile vom 15. Oktober 1999 VI R 183/97, BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, unter 1.b, und vom 24. August 2004 VIII R 83/02, BFHE 207, 244, BStBl II 2007, 248, unter II.1.b). Ist das Kind hingegen trotz seiner Behinderung in der Lage, selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, kommt der Behinderung keine Bedeutung zu (z.B. Senatsurteil in BFHE 241, 499, BStBl II 2013, 1037, Rz 14, und BFH-Urteil in BFHE 207, 244, BStBl II 2007, 248, unter II.1.b, m.w.N.). Die Fähigkeit des Kindes zum Selbstunterhalt ist anhand eines Vergleichs zweier Bezugsgrößen zu prüfen, nämlich des gesamten existenziellen Lebensbedarfs des Kindes einerseits und seiner finanziellen Mittel andererseits (z.B. Senatsurteile in BFHE 241, 499, BStBl II 2013, 1037, unter II.2.a; vom 8. August 2013 III R 30/12, BFH/NV 2014, 498, Rz 15; BFH-Urteile in BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, unter 1.c, und vom 20. März 2013 XI R 51/10, BFH/NV 2013, 1088, Rz 12).

11

3. Der gesamte Lebensbedarf eines behinderten Kindes setzt sich aus dem Grundbedarf und dem individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf zusammen (z.B. Senatsurteile in BFHE 223, 365, BStBl II 2010, 1057, unter II.1.a; in BFHE 249, 144, BStBl II 2015, 1017, Rz 13; BFH-Urteile in BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, unter 1.c, und vom 14. Dezember 2004 VIII R 59/02, BFH/NV 2005, 1090, unter II.1.a).

12

Der Grundbedarf eines behinderten Kindes kann sich nach Wegfall des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG in der bis zum 31. Dezember 2011 gültigen Fassung (EStG a.F.) ab dem Jahr 2012 zwar nicht mehr an dem für die eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes maßgeblichen Jahresgrenzbetrag orientieren. Da bei dem behinderten Kind aber --auch weiterhin-- ein am Existenzminimum orientierter Betrag als allgemeiner Unterhaltsbedarf anerkannt werden muss (BFH-Urteile vom 15. Oktober 1999 VI R 182/98, BFHE 189, 457, BStBl II 2000, 79, unter II.2.c, und in BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, unter 1.c), ist zur Bemessung des Grundbedarfs an den Grundfreibetrag i.S. des § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG anzuknüpfen (vgl. auch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juli 2010  2 BvR 2122/09, BFH/NV 2010, 1994, unter II.1., zu § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F.). Davon gehen im Ergebnis auch das Schrifttum und die Verwaltung aus (vgl. z.B. Grönke-Reimann in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32 EStG Rz 118; Seiler in Kirchhof, EStG, 15. Aufl., § 32 Rz 21; Pust in Littmann/Bitz/ Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 32 Rz 482; Schmidt/Loschelder, EStG, 35. Aufl., § 32 Rz 40; Blümich/ Selder, § 32 EStG Rz 114, 116; ebenso die Verwaltung, Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes, Stand 2013, DA 63.3.6.4 Abs. 1 Satz 3, ersetzt durch Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz, Stand 2015, A 18.4 Abs. 2 Satz 2).

13

Der behinderungsbedingte Mehrbedarf umfasst Aufwendungen, die gesunde Kinder nicht haben. Werden die behinderungsbedingten Mehraufwendungen nicht im Einzelnen nachgewiesen, kann der maßgebliche Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Abs. 1 bis 3 EStG als Anhalt für den Mehrbedarf dienen (Senatsurteile in BFHE 223, 365, BStBl II 2010, 1057, Rz 16, m.w.N., und vom 22. Oktober 2009 III R 50/07, BFHE 228, 17, BStBl II 2011, 38, Rz 10).

14

4. Nach der Ermittlung des gesamten Lebensbedarfs des behinderten Kindes ist weiter zu prüfen, ob das Kind über hinreichende finanzielle Mittel verfügt, die zur Bestreitung seines persönlichen Unterhalts ausreichen. Ergibt sich eine ausreichende Leistungsfähigkeit des Kindes, kann davon ausgegangen werden, dass den Eltern kein zusätzlicher Aufwand erwächst, der ihre steuerliche Leistungsfähigkeit mindert. Dann ist es auch gerechtfertigt, für behinderte Kinder kein Kindergeld oder keinen Kinderfreibetrag zu gewähren (z.B. Senatsurteil in BFH/NV 2014, 498, Rz 15, m.w.N.; BFH-Urteile in BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, unter II.1.c, und vom 4. November 2003 VIII R 43/02, BFHE 204, 120, BStBl II 2010, 1046, unter II.1.c).

15

a) Zu den finanziellen Mitteln des behinderten volljährigen Kindes gehören seine Einkünfte und Bezüge (vgl. z.B. Senatsurteile in BFHE 241, 499, BStBl II 2013, 1037, Rz 14, und in BFHE 249, 144, BStBl II 2015, 1017, Rz 13). Mangels sachlicher Änderung von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG gilt dies --anders als die Revision meint-- auch nach Wegfall des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. (vgl. z.B. Grönke-Reimann in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 32 EStG Rz 118; Schmidt/Loschelder, EStG, 35. Aufl., § 32 Rz 44; Blümich/Selder, § 32 EStG Rz 116).

16

b) Eine Schmerzensgeldrente ist bei der Ermittlung der dem Kind zur Verfügung stehenden Mittel nicht zu berücksichtigen, da sie nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts des Kindes bestimmt oder geeignet ist.

17

aa) Soweit die Familienkasse meint, bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit eines behinderten Kindes komme es generell auf die Herkunft der zur Verfügung stehenden eigenen finanziellen Mittel und ihre Zweckbestimmung nicht an (vgl. auch Helmke/ Bauer, Familienleistungsausgleich, Kommentar, Fach A, I. Kommentierung, § 32 Rz 116, und Pust in Littmann/Bitz/Pust, a.a.O., § 32 Rz 488), kann der Senat dem nicht beitreten. Nur solche Einkünfte und Bezüge eines behinderten Kindes sind bei der Beurteilung seiner Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen, die zur Bestreitung seines Lebensunterhalts bestimmt oder geeignet sind (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, unter 3., m.w.N., und vom 19. August 2002 VIII R 17/02, BFHE 200, 219, BStBl II 2003, 88, unter II.2.). Hieran hält der Senat fest. Denn allein durch den Wegfall des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. hat sich der § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG zugrunde liegende Rechtsgedanke der Anerkennung eines am Existenzminimum des behinderten Kindes orientierten Betrags unter Berücksichtigung des behinderungsbedingten Mehrbedarfs nicht geändert.

18

Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Senatsurteil vom 9. Februar 2012 III R 53/10 (BFHE 236, 417, BStBl II 2014, 391, Rz 11) und dem BFH-Urteil vom 12. Dezember 2012 VI R 101/10 (BFHE 240, 50, BStBl II 2015, 651, Rz 12). Dort ging es um die Frage, ob Eingliederungshilfen gemäß §§ 53 f. des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) zu den dem behinderten Kind zur Verfügung stehenden eigenen finanziellen Mitteln gehören. Nur "in diesem Zusammenhang" hatte der Senat ausgeführt, dass es auf Herkunft und Zweckbestimmung der Mittel nicht ankomme.

19

bb) Das Schmerzensgeld nimmt --unabhängig davon, ob es in einem Einmalbetrag oder in Rentenform gezahlt wird-- eine Sonderstellung innerhalb der sonstigen Einkommens- und Vermögensarten ein (vgl. BVerfG-Beschluss vom 11. Juli 2006  1 BvR 293/05, BVerfGE 116, 229, unter B.I.2.b). Dementsprechend ist grundsätzlich Schmerzensgeld bei der Beurteilung der finanziellen Leistungsfähigkeit des behinderten Kindes nicht zu berücksichtigen.

20

Denn nach der Grundsatzentscheidung des Großen Senats für Zivilsachen des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 6. Juli 1955 GSZ 1/55 (BGHZ 18, 149) hat das Schmerzensgeld rechtlich eine doppelte Funktion. Es soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für solche Schäden und Lebenshemmungen bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind. Es soll aber zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten für das, was er ihm angetan hat, Genugtuung schuldet. Dabei steht der Entschädigungs- oder Ausgleichsgedanke im Vordergrund. Der Zweck des Anspruchs ist der Ausgleich für die erlittene Beeinträchtigung. Der BGH hat den zugrunde liegenden Gedanken dahin formuliert, dass der Schädiger, der dem Geschädigten über den Vermögensschaden hinaus das Leben schwer gemacht hat, nun durch seine Leistung dazu helfen soll, es ihm im Rahmen des Möglichen wieder leichter zu machen (BGH-Be-schluss in BGHZ 18, 149, unter I.3.). Schmerzensgeld bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit eines behinderten Kindes zu berücksichtigen, stünde mithin in Widerspruch zu seiner Sonderfunktion, immaterielle Schäden abzumildern. Entsprechendes gilt für die Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes. Denn es hat auch insoweit gerade nicht die Funktion, zur materiellen Existenzsicherung beizutragen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 116, 229, unter B.I.3.a).

21

c) Der Sonderstellung des Schmerzensgeldes wird auch in anderen Bereichen Rechnung getragen. So ist im Sozialrecht die Schmerzensgeldrente nicht bei der Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 11a Abs. 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und auch nicht im Rahmen der Sozialhilfe nach § 83 Abs. 2 SGB XII als Einkommen zu berücksichtigen. Nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) ist eine Entschädigung nach § 253 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ebenfalls nicht als Einkommen bei der Bestimmung des Leistungsumfangs der Kriegsopferfürsorge anzurechnen (§ 25d Abs. 4 Satz 2 BVG).

22

Ein abweichendes Ergebnis ergibt sich auch nicht aus einer Berücksichtigungsfähigkeit des Schmerzensgeldanspruchs i.R. des § 1602 BGB (für Anrechnung von Schmerzensgeld etwa Bamberger/Roth/Reinken, BGB, 3. Aufl., § 1602 Rz 31d; ebenso Erman/Hammermann, BGB, 14. Aufl., § 1602 Rz 68d; gegen Anrechnung von Schmerzensgeld dagegen Mutschler in BGB-RGRK, 12. Aufl., § 1602 Rz 8). Denn diese zivilrechtliche Unterhaltsregelung kann für die Auslegung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG nach der Rechtsprechung des BFH in BFHE 200, 219, BStBl II 2003, 88, unter II.4.a, vom 19. August 2002 VIII R 51/01 (BFHE 200, 212, BStBl II 2003, 91, unter II.4.a) und vom 14. Oktober 2002 VIII R 55/01 (BFH/NV 2003, 308, unter II.4.) nicht herangezogen werden. Auf die Begründung dieser Entscheidungen nimmt der Senat insoweit Bezug.

23

5. In Anwendung der vorstehenden Grundsätze hat das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise in der Vorentscheidung angenommen, dass V im Streitzeitraum nicht über ausreichende Mittel verfügte, um seinen gesamten existentiellen Lebensbedarf zu decken.

24

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 164/14
vom
16. Juli 2014
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Versorgungsausgleich zugunsten eines contergangeschädigten Ehegatten
kann nicht nach § 27 VersAusglG mit der Begründung ausgeschlossen werden,
dass der Ausgleichsberechtigte wegen seiner Conterganrente auf die Durchführung
des Versorgungsausgleichs nicht angewiesen sei.
BGH, Beschluss vom 16. Juli 2014 - XII ZB 164/14 - OLG Bamberg
AG Schweinfurt
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Juli 2014 durch den
Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Schilling, Dr. Günter, Dr. NeddenBoeger
und Dr. Botur

beschlossen:
Der Antrag der Antragstellerin auf Verfahrenskostenhilfe wird abgelehnt , weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

Gründe:

I.

1
Die beteiligten Eheleute streiten im Scheidungsverbund um Versorgungsausgleich.
2
Der 1961 geborene Ehemann war in der Ehezeit als Garten- und Landschaftsbauarchitekt selbständig; sein Unternehmen ist mittlerweile insolvent. Zuvor hatte er im Rahmen eines erfolglosen Sanierungsversuchs seine private Altersvorsorge aufgelöst und in das Unternehmen eingebracht. Sonstige Versorgungsanrechte hat der Ehemann in der Ehezeit nicht erworben. Der Ehemann ist Contergangeschädigter und bezieht eine steuer- und sozialabgabenfreie Conterganrente von der Beteiligten zu 3 (Contergan-Stiftung), deren Höhe zunächst monatlich 1.116 € betrug und die im Zuge einer erheblichen Anhebung des Rentenniveaus im Jahre 2013 auf mittlerweile monatlich 3.686 € (zuzüglich einer jährlichen Sonderzahlung in Höhe von 1.840 €) erhöht wurde. Ausgezahlt wird dem Ehemann bis Ende Januar 2016 lediglich ein um monat- lich 523,56 € gekürzter Betrag, weil er sich diesen Teilbetrag seiner Rente Anfang der 2000er Jahre kapitalisieren ließ.
3
Die 1966 geborene Ehefrau ist Krankenschwester. Sie ist schwerbehindert und bezieht neben Erwerbseinkünften aus einer Teilzeitbeschäftigung (15 Wochenstunden) eine gesetzliche Rente wegen voller Erwerbsminderung. Sie hat in der Ehezeit Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Anrechte in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes erworben.
4
Das Amtsgericht hat den Versorgungsausgleich nach § 27 VersAusglG ausgeschlossen, weil die Ehefrau auf ihre Versorgungsanrechte dringend angewiesen sei und sich die Versorgungssituation des Ehemannes in Ansehung seiner Conterganrente nicht wesentlich verbessern würde. Auf die Beschwerde des Ehemannes hat das Beschwerdegericht die Entscheidung abgeändert und den Versorgungsausgleich durch interne Teilung der Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung und der Zusatzversorgung zu Lasten der Ehefrau durchgeführt.
5
Die Ehefrau begehrt Verfahrenskostenhilfe für die Durchführung der zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

6
Die für die Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens beantragte Verfahrenskostenhilfe ist nicht zu bewilligen, weil die Rechtsverfolgung der Antragsgegnerin keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 76 Abs. 1 FamFG iVm § 114 ZPO) verspricht.
7
1. Unbeschadet der für den Senat bindenden Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Beschwerdegericht stellen sich im vorliegenden Fall keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung (§ 70 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 FamFG). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Sache, wenn sie eine entscheidungserhebliche , klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann (Senatsbeschluss vom 24. April 2013 - XII ZR 159/12 - FamRZ 2013, 1199 Rn. 4 mwN). Klärungsbedürftig sind solche Rechtsfragen, deren Beantwortung zweifelhaft oder schwierig ist oder zu denen unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und die noch nicht oder nicht hinreichend höchstrichterlich geklärt sind (vgl. BVerfG FamRZ 2010, 1235, 1236).
8
So liegt der Fall hier nicht.
9
a) Die Conterganrente gehört - was nicht in Zweifel gezogen wird - nicht zu den gemäß § 2 Abs. 2 VersAusglG in den Versorgungsausgleich einzubeziehenden Anrechten, weil sie aus Entschädigungsgründen gezahlt wird und weder durch Arbeit noch durch Vermögen erworben worden ist. Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde deswegen auch lediglich wegen der Frage zugelassen, ob der Bezug einer Conterganrente im Rahmen des § 27 VersAusglG bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Ausgleichsberechtigten berücksichtigt werden dürfe.
10
b) Dieser Rechtsfrage kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil sie nach dem geltenden Recht eindeutig zu beantworten ist.
11
aa) Gemäß § 18 Abs. 1 ContStifG bleiben Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz bei der Ermittlung oder Anrechnung von Einkommen, sonstigen Einnahmen und Vermögen nach anderen Gesetzen, insbesondere dem Zweiten, Dritten, Fünften und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch und dem Bürger- lichen Gesetzbuch, außer Betracht. Die Aufzählung dieser Gesetze ist - wie die Formulierung "insbesondere" verdeutlicht - nicht abschließend (vgl. BT-Drucks. 15/5654, S. 13) und schließt deshalb das Versorgungsausgleichsgesetz nicht aus. § 18 Abs. 2 Satz 1 ContStifG bestimmt darüber hinaus, dass Verpflichtungen Anderer, insbesondere Unterhaltspflichtiger und der Träger der Sozialhilfe oder anderer Sozialleistungen, durch das Conterganstiftungsgesetz nicht berührt werden. Im Versorgungsausgleich würde die Ausgleichspflicht des Ehegatten mit den höheren Versorgungsanrechten jedoch durchaus berührt, wenn man (auch) die dem ausgleichsberechtigten Ehegatten gewährten Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz zum Anlass nehmen würde, den auf § 1 Abs. 1 VersAusglG beruhenden Anspruch des Contergangeschädigten auf Halbteilung der in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte nach § 27 VersAusglG herabzusetzen oder auszuschließen. Zwingende gesetzessystematische Gründe, welche die Schlussfolgerung nahelegen könnten, dass § 18 ContStifG der Berücksichtigung von Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz zumindest bei der Anwendung von Härte- oder Billigkeitsregelungen des bürgerlichen Rechts nicht entgegenstünde, bestehen nicht. Hätte der Gesetzgeber dies gewollt, hätte er es - wie beispielsweise in § 11 Satz 4 BEEG und der dort enthaltenen Bezugnahme auf §§ 1579, 1611 Abs. 1 BGB - ausdrücklich anordnen können.
12
bb) Im Übrigen gehört die Conterganrente nach allgemeiner Auffassung (Palandt/Brudermüller BGB 73. Aufl. § 1610 a Rn. 3; MünchKommBGB/Born 6. Aufl. § 1610 a Rn. 10; Soergel/Seibl BGB 13. Aufl. § 1610 a Rn. 5; Erman/ Hammermann BGB 13. Aufl. § 1610 a Rn. 6; Botur in Büte/Poppen/Menne Unterhaltsrecht 2. Aufl. § 1610 a BGB Rn. 5; NK-BGB/Kath-Zurhorst/Reuter 3. Aufl. § 1610 a Rn. 4; Heiß/Heiß in Heiß/Born Unterhaltsrecht [Bearbeitungsstand : 2014] 3. Kap. Rn. 111; Breuer/Louis MedR 2007, 223, 226; vgl. auch BT-Drucks. 15/5654, S. 13) zu den Sozialleistungen, die für Aufwendungen in- folge eines Körper- oder Gesundheitsschadens gewährt werden und bei denen gemäß § 1610 a BGB bei der Feststellung eines Unterhaltsanspruches vermutet wird, dass die Kosten der Aufwendungen nicht geringer sind als die Höhe dieser Sozialleistungen. Auch wenn die Vorschriften des Versorgungsausgleichsrechts keine unmittelbare Verweisung auf § 1610 a BGB enthalten, werden die Grundsätze des § 1610 a BGB auch im Rahmen des § 27 VersAusglG bei der Beurteilung der Frage zu berücksichtigen sein, ob der Unterhalt des ausgleichsberechtigten Ehegatten durch anderweitige Einkünfte gedeckt ist (vgl. auch OLG Düsseldorf FamRZ 1995, 1277, 1278). Denn wenn und soweit eine dem Ausgleichsberechtigten aus Entschädigungsgründen gezahlte Sozialleistung lediglich schadensbedingten Mehraufwand abdecken soll, bezweckt sie keine soziale Absicherung für Alter oder Invalidität und kann daher auch keinen Ausschluss des Versorgungsausgleichs rechtfertigen (vgl. bereits Staudinger/ Rehme BGB [2000] § 1587 c Rn. 22; Soergel/Lipp BGB 13. Aufl. § 1587 c Rn. 13).
13
Zwar stellt § 1610 a BGB lediglich eine widerlegbare gesetzliche Vermutung auf, so dass die ausgleichspflichtige Person den Gegenbeweis dafür führen könnte, dass die ausgleichsberechtigte Person, die eine Conterganrente bezieht, in voller Höhe ihrer Rente tatsächlich keinen durch Körper- und Gesundheitsschaden bedingten Mehrbedarf hat. Gerade diesen Gegenbeweis wollte der Gesetzgeber aber durch die Fassung des § 18 ContStifG ausschließen; es sollte ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfes klargestellt werden, dass die Leistungen nach dem neuen Conterganstiftungsgesetz "als echte Zusatzleistungen" erhalten bleiben (BT-Drucks. 15/5654, S. 13). Nach diesen Intentionen des Gesetzgebers ist es - trotz der mittlerweile nicht unerheblichen Höhe der Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz - nicht möglich, von der Durchführung des Versorgungsausgleichs mit der Begründung abzusehen, die ausgleichsberechtigte Person sei bereits mit ihrer Conterganrente ausreichend versorgt.
14
2. Ergeben sich somit keine Rechtsfragen, die einer Klärung durch höchstrichterliche Entscheidung bedürften, kommt es für die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe in der Rechtsbeschwerdeinstanz allein auf die Erfolgsaussichten in der Sache an (Senatsbeschlüsse vom 24. April 2013 - XII ZR 159/12 - FamRZ 2013, 1199 Rn. 9 und vom 16. Oktober 2013 - XII ZB 176/12 - FamRZ 2014, 105 Rn. 36). Diese bestehen nicht.
Dose Schilling Günter Nedden-Boeger Botur
Vorinstanzen:
AG Schweinfurt, Entscheidung vom 07.06.2013 - 3 F 369/12 -
OLG Bamberg, Entscheidung vom 24.02.2014 - 7 UF 188/13 -

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 10. Dezember 2014 3 K 361/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist die Mutter des im Jahr 1960 geborenen Sohnes V. Der unbefristet gültige Schwerbehindertenausweis vom April 2013 weist V einen Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen ″G″, ″B″ und ″H″ zu. V wohnt seit dem 1. Dezember 2007 in einem eigenen Haushalt in einem Rehabilitationszentrum.

2

V erhält seit April 2013 nach Abzug eines Pflegeversicherungsbeitrags von 1,35 € einen monatlichen Lohn in Höhe von 170,65 €. Weiter erhält er aufgrund eines Haftpflichtschadens aus dem Jahr 1977 monatlich eine Ersatzleistung für fiktiven Verdienstausfall in Höhe von 772,32 € und eine Schmerzensgeldrente in Höhe von 204,52 €.

3

Die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) hob mit Bescheid vom 28. August 2013 gegenüber der Klägerin die Kindergeldfestsetzung für V ab Oktober 2013 auf, weil V aufgrund der eigenen verfügbaren Mittel in der Lage sei, seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies die Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom 12. Februar 2014 als unbegründet zurück.

4

Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen erhobenen Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 931 veröffentlichten Urteil statt. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, V sei aufgrund seiner Behinderung außerstande gewesen, sich selbst zu unterhalten. Die ihm zur Verfügung stehenden Mittel seien in allen Monaten des Klagezeitraums niedriger als der Bedarf. Die Schmerzensgeldrente in Höhe von 204,52 € gehöre nicht zu den anzusetzenden finanziellen Mitteln.

5

Mit der Revision rügt die Familienkasse die fehlerhafte Auslegung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes in der in dem Streitzeitraum geltenden Fassung (EStG).

6

Die Familienkasse beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Schmerzensgeldrente bei der Ermittlung der V zur Verfügung stehenden Mittel nicht zu berücksichtigen ist.

9

1. Gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG besteht für ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, ein Anspruch auf Kindergeld, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, sofern die Behinderung --wie im Streitfall-- vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.

10

2. Das Tatbestandsmerkmal "außerstande ist, sich selbst zu unterhalten" ist im Gesetz nicht näher umschrieben. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist ein behindertes Kind dann außerstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten kann (z.B. Senatsurteile vom 19. November 2008 III R 105/07, BFHE 223, 365, BStBl II 2010, 1057, unter II.1.a; vom 11. April 2013 III R 35/11, BFHE 241, 499, BStBl II 2013, 1037, Rz 14; vom 5. Februar 2015 III R 31/13, BFHE 249, 144, BStBl II 2015, 1017, Rz 13; BFH-Urteile vom 15. Oktober 1999 VI R 183/97, BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, unter 1.b, und vom 24. August 2004 VIII R 83/02, BFHE 207, 244, BStBl II 2007, 248, unter II.1.b). Ist das Kind hingegen trotz seiner Behinderung in der Lage, selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, kommt der Behinderung keine Bedeutung zu (z.B. Senatsurteil in BFHE 241, 499, BStBl II 2013, 1037, Rz 14, und BFH-Urteil in BFHE 207, 244, BStBl II 2007, 248, unter II.1.b, m.w.N.). Die Fähigkeit des Kindes zum Selbstunterhalt ist anhand eines Vergleichs zweier Bezugsgrößen zu prüfen, nämlich des gesamten existenziellen Lebensbedarfs des Kindes einerseits und seiner finanziellen Mittel andererseits (z.B. Senatsurteile in BFHE 241, 499, BStBl II 2013, 1037, unter II.2.a; vom 8. August 2013 III R 30/12, BFH/NV 2014, 498, Rz 15; BFH-Urteile in BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, unter 1.c, und vom 20. März 2013 XI R 51/10, BFH/NV 2013, 1088, Rz 12).

11

3. Der gesamte Lebensbedarf eines behinderten Kindes setzt sich aus dem Grundbedarf und dem individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf zusammen (z.B. Senatsurteile in BFHE 223, 365, BStBl II 2010, 1057, unter II.1.a; in BFHE 249, 144, BStBl II 2015, 1017, Rz 13; BFH-Urteile in BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, unter 1.c, und vom 14. Dezember 2004 VIII R 59/02, BFH/NV 2005, 1090, unter II.1.a).

12

Der Grundbedarf eines behinderten Kindes kann sich nach Wegfall des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG in der bis zum 31. Dezember 2011 gültigen Fassung (EStG a.F.) ab dem Jahr 2012 zwar nicht mehr an dem für die eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes maßgeblichen Jahresgrenzbetrag orientieren. Da bei dem behinderten Kind aber --auch weiterhin-- ein am Existenzminimum orientierter Betrag als allgemeiner Unterhaltsbedarf anerkannt werden muss (BFH-Urteile vom 15. Oktober 1999 VI R 182/98, BFHE 189, 457, BStBl II 2000, 79, unter II.2.c, und in BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, unter 1.c), ist zur Bemessung des Grundbedarfs an den Grundfreibetrag i.S. des § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG anzuknüpfen (vgl. auch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juli 2010  2 BvR 2122/09, BFH/NV 2010, 1994, unter II.1., zu § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F.). Davon gehen im Ergebnis auch das Schrifttum und die Verwaltung aus (vgl. z.B. Grönke-Reimann in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32 EStG Rz 118; Seiler in Kirchhof, EStG, 15. Aufl., § 32 Rz 21; Pust in Littmann/Bitz/ Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 32 Rz 482; Schmidt/Loschelder, EStG, 35. Aufl., § 32 Rz 40; Blümich/ Selder, § 32 EStG Rz 114, 116; ebenso die Verwaltung, Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes, Stand 2013, DA 63.3.6.4 Abs. 1 Satz 3, ersetzt durch Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz, Stand 2015, A 18.4 Abs. 2 Satz 2).

13

Der behinderungsbedingte Mehrbedarf umfasst Aufwendungen, die gesunde Kinder nicht haben. Werden die behinderungsbedingten Mehraufwendungen nicht im Einzelnen nachgewiesen, kann der maßgebliche Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Abs. 1 bis 3 EStG als Anhalt für den Mehrbedarf dienen (Senatsurteile in BFHE 223, 365, BStBl II 2010, 1057, Rz 16, m.w.N., und vom 22. Oktober 2009 III R 50/07, BFHE 228, 17, BStBl II 2011, 38, Rz 10).

14

4. Nach der Ermittlung des gesamten Lebensbedarfs des behinderten Kindes ist weiter zu prüfen, ob das Kind über hinreichende finanzielle Mittel verfügt, die zur Bestreitung seines persönlichen Unterhalts ausreichen. Ergibt sich eine ausreichende Leistungsfähigkeit des Kindes, kann davon ausgegangen werden, dass den Eltern kein zusätzlicher Aufwand erwächst, der ihre steuerliche Leistungsfähigkeit mindert. Dann ist es auch gerechtfertigt, für behinderte Kinder kein Kindergeld oder keinen Kinderfreibetrag zu gewähren (z.B. Senatsurteil in BFH/NV 2014, 498, Rz 15, m.w.N.; BFH-Urteile in BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, unter II.1.c, und vom 4. November 2003 VIII R 43/02, BFHE 204, 120, BStBl II 2010, 1046, unter II.1.c).

15

a) Zu den finanziellen Mitteln des behinderten volljährigen Kindes gehören seine Einkünfte und Bezüge (vgl. z.B. Senatsurteile in BFHE 241, 499, BStBl II 2013, 1037, Rz 14, und in BFHE 249, 144, BStBl II 2015, 1017, Rz 13). Mangels sachlicher Änderung von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG gilt dies --anders als die Revision meint-- auch nach Wegfall des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. (vgl. z.B. Grönke-Reimann in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 32 EStG Rz 118; Schmidt/Loschelder, EStG, 35. Aufl., § 32 Rz 44; Blümich/Selder, § 32 EStG Rz 116).

16

b) Eine Schmerzensgeldrente ist bei der Ermittlung der dem Kind zur Verfügung stehenden Mittel nicht zu berücksichtigen, da sie nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts des Kindes bestimmt oder geeignet ist.

17

aa) Soweit die Familienkasse meint, bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit eines behinderten Kindes komme es generell auf die Herkunft der zur Verfügung stehenden eigenen finanziellen Mittel und ihre Zweckbestimmung nicht an (vgl. auch Helmke/ Bauer, Familienleistungsausgleich, Kommentar, Fach A, I. Kommentierung, § 32 Rz 116, und Pust in Littmann/Bitz/Pust, a.a.O., § 32 Rz 488), kann der Senat dem nicht beitreten. Nur solche Einkünfte und Bezüge eines behinderten Kindes sind bei der Beurteilung seiner Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen, die zur Bestreitung seines Lebensunterhalts bestimmt oder geeignet sind (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, unter 3., m.w.N., und vom 19. August 2002 VIII R 17/02, BFHE 200, 219, BStBl II 2003, 88, unter II.2.). Hieran hält der Senat fest. Denn allein durch den Wegfall des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. hat sich der § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG zugrunde liegende Rechtsgedanke der Anerkennung eines am Existenzminimum des behinderten Kindes orientierten Betrags unter Berücksichtigung des behinderungsbedingten Mehrbedarfs nicht geändert.

18

Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Senatsurteil vom 9. Februar 2012 III R 53/10 (BFHE 236, 417, BStBl II 2014, 391, Rz 11) und dem BFH-Urteil vom 12. Dezember 2012 VI R 101/10 (BFHE 240, 50, BStBl II 2015, 651, Rz 12). Dort ging es um die Frage, ob Eingliederungshilfen gemäß §§ 53 f. des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) zu den dem behinderten Kind zur Verfügung stehenden eigenen finanziellen Mitteln gehören. Nur "in diesem Zusammenhang" hatte der Senat ausgeführt, dass es auf Herkunft und Zweckbestimmung der Mittel nicht ankomme.

19

bb) Das Schmerzensgeld nimmt --unabhängig davon, ob es in einem Einmalbetrag oder in Rentenform gezahlt wird-- eine Sonderstellung innerhalb der sonstigen Einkommens- und Vermögensarten ein (vgl. BVerfG-Beschluss vom 11. Juli 2006  1 BvR 293/05, BVerfGE 116, 229, unter B.I.2.b). Dementsprechend ist grundsätzlich Schmerzensgeld bei der Beurteilung der finanziellen Leistungsfähigkeit des behinderten Kindes nicht zu berücksichtigen.

20

Denn nach der Grundsatzentscheidung des Großen Senats für Zivilsachen des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 6. Juli 1955 GSZ 1/55 (BGHZ 18, 149) hat das Schmerzensgeld rechtlich eine doppelte Funktion. Es soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für solche Schäden und Lebenshemmungen bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind. Es soll aber zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten für das, was er ihm angetan hat, Genugtuung schuldet. Dabei steht der Entschädigungs- oder Ausgleichsgedanke im Vordergrund. Der Zweck des Anspruchs ist der Ausgleich für die erlittene Beeinträchtigung. Der BGH hat den zugrunde liegenden Gedanken dahin formuliert, dass der Schädiger, der dem Geschädigten über den Vermögensschaden hinaus das Leben schwer gemacht hat, nun durch seine Leistung dazu helfen soll, es ihm im Rahmen des Möglichen wieder leichter zu machen (BGH-Be-schluss in BGHZ 18, 149, unter I.3.). Schmerzensgeld bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit eines behinderten Kindes zu berücksichtigen, stünde mithin in Widerspruch zu seiner Sonderfunktion, immaterielle Schäden abzumildern. Entsprechendes gilt für die Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes. Denn es hat auch insoweit gerade nicht die Funktion, zur materiellen Existenzsicherung beizutragen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 116, 229, unter B.I.3.a).

21

c) Der Sonderstellung des Schmerzensgeldes wird auch in anderen Bereichen Rechnung getragen. So ist im Sozialrecht die Schmerzensgeldrente nicht bei der Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 11a Abs. 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und auch nicht im Rahmen der Sozialhilfe nach § 83 Abs. 2 SGB XII als Einkommen zu berücksichtigen. Nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) ist eine Entschädigung nach § 253 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ebenfalls nicht als Einkommen bei der Bestimmung des Leistungsumfangs der Kriegsopferfürsorge anzurechnen (§ 25d Abs. 4 Satz 2 BVG).

22

Ein abweichendes Ergebnis ergibt sich auch nicht aus einer Berücksichtigungsfähigkeit des Schmerzensgeldanspruchs i.R. des § 1602 BGB (für Anrechnung von Schmerzensgeld etwa Bamberger/Roth/Reinken, BGB, 3. Aufl., § 1602 Rz 31d; ebenso Erman/Hammermann, BGB, 14. Aufl., § 1602 Rz 68d; gegen Anrechnung von Schmerzensgeld dagegen Mutschler in BGB-RGRK, 12. Aufl., § 1602 Rz 8). Denn diese zivilrechtliche Unterhaltsregelung kann für die Auslegung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG nach der Rechtsprechung des BFH in BFHE 200, 219, BStBl II 2003, 88, unter II.4.a, vom 19. August 2002 VIII R 51/01 (BFHE 200, 212, BStBl II 2003, 91, unter II.4.a) und vom 14. Oktober 2002 VIII R 55/01 (BFH/NV 2003, 308, unter II.4.) nicht herangezogen werden. Auf die Begründung dieser Entscheidungen nimmt der Senat insoweit Bezug.

23

5. In Anwendung der vorstehenden Grundsätze hat das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise in der Vorentscheidung angenommen, dass V im Streitzeitraum nicht über ausreichende Mittel verfügte, um seinen gesamten existentiellen Lebensbedarf zu decken.

24

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Zweck der Stiftung ist es, Menschen mit Behinderung, deren Fehlbildungen mit der Einnahme thalidomidhaltiger Präparate der Grünenthal GmbH, Aachen (früher Chemie Grünenthal GmbH in Stolberg), durch die Mutter während der Schwangerschaft in Verbindung gebracht werden können,

1.
Leistungen zu erbringen und
2.
ihnen durch die Förderung oder Durchführung von Forschungs- und Erprobungsvorhaben Hilfe zu gewähren, um ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu unterstützen und die durch Spätfolgen hervorgerufenen Beeinträchtigungen zu mildern.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von der beklagten Conterganstiftung für vergangene Zeiträume höhere Leistungen (laufende Rentenzahlung; jährliche Sonderzahlung) als nach dem Conterganstiftungsgesetz (ContStifG) vorgesehen; der Sache nach steht auch die Verfassungsmäßigkeit dieses Gesetzes bzw. dessen Vorgängerregelung, des Gesetzes über die Errichtung einer Stiftung "Hilfswerk für behinderte Kinder" im Streit.

2

1. Der 1961 geborene Kläger kam mit Fehlbildungen an allen vier Gliedmaßen (sog. Dysmelie) und Schädigungen an inneren Organen zur Welt; in der Folgezeit zeigten sich weitere Schäden, u.a. Arterienanomalien. Seine Mutter hatte während der Schwangerschaft das Schlaf- und Beruhigungsmittel Contergan eingenommen. Der in diesem von der Firma Grünenthal GmbH vertriebenen, rezeptfrei erhältlichen Medikament enthaltene Wirkstoff Thalidomid führte bei Einnahme während der Schwangerschaft zu schweren und irreversiblen vorgeburtlichen Schäden. Art und Umfang der Schädigung hingen vor allem vom Stadium der Schwangerschaft bei Einnahme des Mittels ab. Zwischen dem 1. Halbjahr 1958 und dem 2. Halbjahr 1962 kamen so weltweit etwa 10 000 contergangeschädigte Kinder zur Welt, die Hälfte davon in Deutschland, von denen heute noch etwa 2 600 Personen im Bundesgebiet leben.

3

Im April 1970 verpflichtete sich die Firma Grünenthal GmbH in einem Vertrag, "zur vergleichsweisen Regelung aller denkbaren Ansprüche, die von Kindern und deren Eltern wegen Fehlbildungen des Kindes gegen die Chemie Grünenthal GmbH ... geltend gemacht werden können", 100 Mio. DM zu zahlen, sofern die Eltern auf alle weiteren Ansprüche ihres Kindes gegen die Firma Grünenthal GmbH verzichteten. Der Vergleich gelangte indes nicht zur Durchführung. Um den Geschädigten eine schnelle und wirksame finanzielle Hilfe zur Verfügung zu stellen, errichtete der Gesetzgeber durch das "Gesetz über die Errichtung einer Stiftung 'Hilfswerk für behinderte Kinder'" (StHG) vom 17. Dezember 1971 (BGBl I S. 2018) eine Stiftung zur Erbringung von Leistungen an Contergangeschädigte und Förderungsmaßnahmen zur Eingliederung von Behinderten, vor allem solchen unter 21 Jahren, in die Gesellschaft (§ 2 StHG), in die neben dem Vergleichsbetrag von 100 Mio. DM ein Betrag in gleicher Höhe aus Haushaltsmitteln eingebracht wurde. Die Leistungen in Contergan-Schadensfällen bestanden aus einer Einmalzahlung sowie aus laufenden Rentenzahlungen, die unter bestimmten Voraussetzungen kapitalisiert werden konnten. Die Höhe der Leistungen richtete sich in dem durch das Gesetz gezogenen finanziellen Rahmen nach der Schwere des Körperschadens und der hierdurch hervorgerufenen Körperfunktionsstörungen. Die Einzelheiten, insbesondere die Maßstäbe der Leistungsbemessung sind durch vom Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit zu erlassende Richtlinien zu regeln. Nach den in der Folgezeit erlassenen Richtlinien wurden die Körperschäden nach einem Punktesystem bewertet; die gesetzliche Höchstrente wurde ab einer Bewertung der Schädigung mit 45 (von 100) Punkten gezahlt. Alle Ansprüche gegen die Firma Grünenthal GmbH erlöschen (§ 23 Abs. 1 StHG).

4

Die Mutter des Klägers widersprach in der Folgezeit der Einbringung des Geldes aus dem mit der Firma Grünenthal GmbH geschlossenen Vergleich in die Stiftung und beantragte die Auszahlung des anteiligen Betrages für den Kläger; zugleich begehrte sie Kapitalentschädigung und Rente aus den staatlicherseits eingebrachten Mitteln. Die auf Auszahlung der Vergleichssumme gerichtete Klage blieb erfolglos. Der Bundesgerichtshof entschied, dass die Entschädigungsansprüche contergangeschädigter Kinder aus dem mit der Firma Grünenthal GmbH geschlossenen Vergleich durch Leistungsansprüche aus dem Gesetz über die Errichtung einer Stiftung "Hilfswerk für behinderte Kinder" ersetzt worden seien und diese Regelung mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Die (auch) von dem Kläger erhobene Verfassungsbeschwerde wies das Bundesverfassungsgericht als unbegründet zurück (Urteil vom 8. Juli 1976 - 1 BvL 19/75 u.a. - BVerfGE 42, 263). Die Umgestaltung der privatrechtlichen Ansprüche aus dem Vergleich in gesetzliche Leistungsansprüche unter Überführung der Vergleichssumme in das Stiftungsvermögen sei verfassungsgemäß; auch sei die inhaltliche Ausgestaltung der einzelnen Vorschriften des Stiftungsgesetzes, soweit sie zur verfassungsgerichtlichen Prüfung gestellt worden seien, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

5

Das Stiftungsgesetz wurde in der Folgezeit mehrfach geändert. Die ersten Änderungsgesetze beschränkten sich im Kern darauf, die laufenden Conterganrenten mit Blick auf den Anstieg der Lebenshaltungskosten und die Entwicklung der Nettoeinkommen linear zu erhöhen. Durch das Gesetz über die Conterganstiftung für behinderte Menschen (Conterganstiftungsgesetz - ContStifG - vom 13. Oktober 2005, BGBl I S. 2967) wurde u.a. die Stiftung umbenannt in "Conterganstiftung für behinderte Menschen" und der Stiftungszweck auf die Leistungserbringung und Hilfe an diesen Personenkreis beschränkt. Durch das Erste Gesetz zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes vom 26. Juni 2008 (BGBl I S. 1078) wurden die monatlichen Conterganrenten verdoppelt und der Höchstbetrag auf nunmehr 1 090 € monatlich festgesetzt. Das Zweite Gesetz zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes vom 25. Juni 2009 (BGBl I S. 1534) konkretisierte u.a. den Stiftungszweck dahin, dass auch die Hilfestellung durch Förderung von Forschungs- und Erprobungsvorhaben nur den durch Contergan geschädigten Menschen zugute kommen solle, führte eine nach der Schwere der Schädigung gestaffelte jährliche Sonderzahlung ein, deren Höchstbetrag nach den Leistungsrichtlinien 3 680 € jährlich beträgt, und koppelte die Erhöhung der monatlichen Conterganrente an die Rentenanpassungen in der gesetzlichen Rentenversicherung. Im Zusammenhang mit dieser Gesetzesänderung wurden die Richtlinien für die Gewährung von Leistungen wegen Contergan-Schadensfällen neu gefasst. Verfassungsbeschwerden gegen das Erste und das Zweite Gesetz zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes mit dem Ziel der Erhöhung der Leistungen nahm das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 26. Februar 2010 - 1 BvR 1541, 2685/09 - NJW 2010, 1943) nicht zur Entscheidung an.

6

Durch das erst während des Revisionsverfahrens in Kraft getretene Dritte Gesetz zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes vom 26. Juni 2013 (BGBl I S. 1847) wurden zum 1. Januar 2013 die monatlichen Conterganrenten nahezu verfünffacht, und zwar auf einen Höchstbetrag von 6 912 € monatlich, Leistungen zur Deckung spezifischer Bedarfe eingeführt, für die Mittel in Höhe von bis zu 30 Mio. € jährlich bereitgestellt wurden. Weiterhin wurde der sozialhilferechtliche Übergang von Unterhaltsansprüchen der leistungsberechtigten Person sowie der Einsatz von Vermögen beschränkt.

7

2. Dem Kläger, dessen Fehlbildungen mit zunächst 85,94 (20. April 1974), dann mit 89,56 (Bescheid vom 16. Juni 1981) und zuletzt mit 97,39 Punkten (Bescheid vom 4. November 2010) bewertet wurden, wurde neben der Kapitalentschädigung eine monatliche Rente in Höhe des jeweiligen gesetzlichen Höchstbetrages gezahlt.

8

Unter Bezugnahme auf den Ende 2003 verbreiteten Dokumentarfilm "Contergan: Die Eltern" wandte sich die Mutter des Klägers mit Schreiben vom 22. Juni 2004 erstmals an das Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und beanstandete eine unzureichende Differenzierung zwischen Schwerstgeschädigten und weiteren Geschädigten, mahnte die Orientierung der Leistungen an der Bemessung von Schmerzensgeld an und forderte eine Nachbesserung der Leistungen an die Schwerstgeschädigten. Gegen einen Bescheid der Stiftung vom 4. November 2010, durch den der Grad der Schädigung auf 97,39 Punkte festgestellt worden war, legte der Kläger am 7. Dezember 2010 Widerspruch ein, soweit durch diesen Bescheid die monatliche Rente und die jährliche Sonderzahlung nicht erhöht worden waren, und beantragte in der Folgezeit u.a. eine Verdoppelung seiner Rentenzahlung sowie der jährlichen Sonderzahlung, eine Dynamisierung der Rente in Abhängigkeit von der Inflationsrate sowie die Feststellung, dass diese bei der Inanspruchnahme von Sozialleistungen anrechnungsfrei bleiben solle.

9

Zur Begründung machte er insbesondere geltend, dass die undifferenzierte Zahlung der Höchstrente an alle Contergangeschädigten mit einer Schädigung, die mit 45 Punkten und mehr bewertet worden sei, rechtswidrig sei. Spätestens seit dem Film "Contergan: Die Eltern" sei bekannt, dass sich die Lebenssituation der Contergangeschädigten mit einer Bepunktung bis zu 79,99 fundamental von der Lebens- und Hilfebedarfssituation der schwerst- und insbesondere vierfach Contergangeschädigten unterscheide und daher eine weitere Differenzierung vorgenommen werden müsse. Die undifferenzierte Leistungsgewährung widerspreche insbesondere der Verteilung der Leistungen nach Schmerzensgeldkriterien. Der Anspruch auf Leistungserhöhung folge aus dem Stiftungszweck der Beklagten, eine dauerhafte, wirksame Hilfe auf Lebenszeit zu gewährleisten sowie die Contergangeschädigten gegenüber dem Vergleich mit der Firma Grünenthal GmbH besserzustellen. Für die Schwerstgeschädigten ab 80 Punkten sei dieser Stiftungszweck nicht erreicht worden; er - der Kläger - habe vielmehr von der Stiftung weniger an Leistungen erhalten als er bei einer Einmalzahlung aus dem mit der Firma Grünenthal GmbH geschlossenen Vergleich hätte erwirtschaften können.

10

Undifferenziert und daher willkürlich sei auch die Bemessung der jährlichen Sonderzahlungen, welche der Linderung von Folge- und Spätschäden dienen sollten, die bei den einzelnen Geschädigtengruppen durchaus unterschiedlich ausfielen. Die Leistungen bewirkten keinen Ausgleich für die Vielzahl der Beeinträchtigungen in allen Lebensbereichen; durch die Zahlungen einschließlich der Leistungen der gesetzlichen Pflegegeldzahlungen sei gerade an der untersten Grenze sichergestellt, dass Pflege und Betreuung einschließlich der Haushaltsführung durch einen fremden Dritten finanzierbar seien. Der Kläger kritisierte weiterhin, dass die Richtlinienkompetenz für die Umsetzung des Stiftungszweckes stiftungsrechtswidrig bei der ministerialen Aufsichtsbehörde und nicht bei der Beklagten selbst liege; damit fungiere die Aufsichtsbehörde quasi selbst als Stiftung.

11

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 2011 als unbegründet zurück, weil allein eine Erhöhung der finanziellen Leistungen über das in den Stiftungsrichtlinien vorgeschriebene Maß hinaus erstrebt werde, wofür nach der Gesetzeslage kein Raum bestehe.

12

3. Der Kläger hat am 2. August 2011 Klage gegen die Beklagte und die Bundesrepublik Deutschland erhoben, mit der er seine Begehren aus dem Verwaltungsverfahren weiterverfolgt hat. Zur Begründung hat er sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und vertieft. Stiftungsrechtswidrig gebe das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend der hiernach nicht wirklich autonomen Beklagten Anweisung, eine ausgehend vom Stiftungszweck zu geringe Leistung auszubezahlen. Der Stiftungszweck könne nicht durch Richtlinien als Verwaltungsanweisungen eingeengt werden. Wegen der undifferenzierten Leistungsgewährung hätten die Schwerstgeschädigten die weniger Geschädigten, die gleichwohl die Höchstrente erhalten hätten, aus ihrem Anteil mitfinanziert; dies verstoße gegen Art. 3 und 14 GG.

13

Das Verwaltungsgericht hat das Verfahren hinsichtlich der geltend gemachten Schadensersatzforderungen abgetrennt und auf den ordentlichen Rechtsweg verwiesen. Es hat weiter Ansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland abgetrennt und an das Verwaltungsgericht Berlin verwiesen. Hinsichtlich des verbliebenen Streitgegenstandes hat es mit Urteil vom 17. Januar 2013 die Klage gegen die Beklagte in Bezug auf Begehren mit Bezug zu künftigen Gesetzesänderungen als unzulässig und im Übrigen als unbegründet abgewiesen. Dem Kläger stünden die begehrten Ansprüche auf Erhöhung der laufenden Rentenzahlungen, der jährlichen Sonderzahlung und eine an der Inflationsrate ausgerichtete Dynamisierung der Rente nicht zu. Zwischen den Beteiligten stehe nicht im Streit, dass dem Kläger sowohl die nach dem Gesetz mögliche Höchstzahlung in Bezug auf die monatliche Rente als auch der in den Richtlinien festgesetzte Höchstbetrag der jährlichen Sonderzahlung bewilligt worden seien.

14

Die gesetzlichen Bestimmungen verstießen nicht gegen das Grundgesetz. Selbst bei einem angenommenen Grundrechtsverstoß sei die Rechtsfolge nicht die begehrte Verpflichtung der Beklagten, weil bei Verfassungswidrigkeit der stiftungsrechtlichen Regelungen keine Rechtsgrundlage für Zahlungen an den Kläger bestehe. Dem Differenzierungsgebot des Art. 3 GG könne der Gesetzgeber dann neben der begehrten Erhöhung der Rentenzahlungen an Personen, deren Schädigung mit mehr als 80 Punkten bewertet worden sei, auch durch eine Absenkung von Zahlungen an die geringer geschädigten Personen Rechnung tragen. Bei der verfassungsrechtlichen Bewertung verwies das Verwaltungsgericht auf die zu dem Gesetz ergangenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und gelangte auch in Ansehung der tiefgreifenden Lebensbeeinträchtigungen der durch Contergan schwerstgeschädigten Menschen, ausgehend von der Entstehungsgeschichte und dem Regelungszweck der angegriffenen Bestimmung sowie mit Blick auf mögliche weitere Sozialleistungen zum Ergebnis, dass die angegriffenen Normen mit der Verfassung, insbesondere mit Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 sowie Art. 20 Abs. 3 GG vereinbar seien. In Bezug auf die Gleichheitskonformität des Verteilungsmaßstabs nach § 13 Abs. 2 ContStifG (i.V.m. den Richtlinien) hätten die Ergebnisse eines Anfang 2009 initiierten und Mitte 2010 in Auftrag gegebenen Forschungsprojektes zur Lebens- und Versorgungslage der durch Contergan Geschädigten abgewartet werden dürfen. Eine evidente Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG liege nicht vor. Die Stiftungsleistungen überschritten bereits heute die nach dem Vergleich bereitgestellten Mittel um ein Vielfaches. Es sei zu einer deutlichen wirtschaftlichen Besserstellung der Conterganopfer gekommen. Auch unter Berücksichtigung der geltend gemachten Spät- und Folgeschäden sei kein Verstoß gegen Art. 14 GG erkennbar. Aus der Zielsetzung des Gesetzgebers, auf diese Schäden zu reagieren, könne keine verfassungsrechtliche Verpflichtung nach Art. 14 Abs. 1 GG zu einem bestimmten Leistungsumfang abgeleitet werden. Das Untermaßverbot sei nicht wegen einer Leistungsdifferenzierung zwischen den schwerstgeschädigten Conterganopfern und den contergangeschädigten Menschen, deren Schädigung mit einer Punktzahl von 45 bis 79,99 Punkten bewertet worden sei, bzw. zu geringer Leistungen an schwerstgeschädigte Conterganopfer verletzt. Inzwischen gebe es eine Differenzierung nicht nur bei der Höhe der Kapitalentschädigung, sondern auch bei der jährlichen Sonderzahlung. Hinsichtlich weiterer Verbesserungen sei das Ergebnis des 2009 angestoßenen Forschungsprogramms abzuwarten gewesen. Selbst bei einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG durch eine sachlich nicht gerechtfertigte Gleichbehandlung von Ungleichem sei Rechtsfolge nicht die Gewährung der begehrten weiteren Leistungen, weil dem Gesetzgeber unterschiedliche Alternativen offenstünden, um eine dem Gleichheitsgrundsatz entsprechende Verteilung zu erreichen. Bei der Festlegung der für die Anspruchshöhe maßgeblichen Punktzahl fänden Spätschäden ohnehin Berücksichtigung. Die Regelung zur Anpassung der Conterganrenten nach Maßgabe der Anpassung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung sei unbedenklich und gehe über das Gebotene hinaus; der Vergleich habe keine Dynamisierung vorgesehen.

15

Ein Anspruch auf Zahlung der begehrten Beträge ergebe sich auch nicht unmittelbar aus Stiftungsrecht. Es sei schon zweifelhaft, ob sich der Stiftungszweck tatsächlich mit dem Ziel der dauerhaften wirksamen Hilfe für Contergangeschädigte, ihre Besserstellung gegenüber dem Grünenthal-Vergleich umschreiben lasse. Das hinter dem Conterganstiftungsgesetz stehende politische Ziel müsse nicht zwangsläufig mit dem Stiftungszweck identisch sein. Relevant seien solche Motive nur dann, wenn sie in Stiftungsgeschäft und Satzung als Stifterwille objektiviert seien. Dies sei angesichts der gesetzlichen Definition des Stiftungszwecks nicht der Fall. Der allgemeine Zweck, Leistungen zu erbringen, enthalte aber keine Vorgaben zur Höhe oder Art der Leistungen. Ein als gegeben unterstellter Stiftungszweck wirksamer und dauerhafter Hilfe sei jedenfalls unter Berücksichtigung der dafür zur Verfügung stehenden beschränkten Mittel zu interpretieren; die unmittelbaren Stiftungsmittel seien aber seit 1997 aufgebraucht.

16

4. Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Sprungrevision rügt der Kläger u.a. eine Verletzung der Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 GG sowie des Stiftungszwecks. Zur Begründung wiederholt und vertieft der Kläger sein Vorbringen aus dem Verwaltungs- und dem Klageverfahren und hebt u.a. hervor, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass die Richtlinien rechtswidrig seien, weil sie die Erfüllung des Stiftungszwecks unmöglich machten. Die Beklagte sei ohne neutrale und unabhängige Aufsichtsbehörde, wenn die Aufsichtsbehörde zugleich die Richtlinienbefugnis besitze. Sie habe auch den Stiftungszweck Förderung und Forschung bislang unzureichend erfüllt. Der Forschungsauftrag 2009 sei zu spät erteilt und verzögert ausgeführt worden. Die seit 2004 bekannten Spät- und Folgeschäden seien weiterhin ungeregelt. Nach Inkrafttreten des Dritten Gesetzes zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes hat der Kläger den Rechtsstreit hinsichtlich seiner auf die Zeit ab dem 1. Januar 2013 bezogenen Begehren für erledigt erklärt.

17

Die Beklagte hat sich der Teilerledigungserklärung angeschlossen und verteidigt im Übrigen das angefochtene Urteil. Für die vom Kläger weiterhin verfolgten Ansprüche enthielten das Conterganstiftungsgesetz oder die Stiftungssatzung keine bundesgesetzliche Anspruchsgrundlage; eine anderweitige Anspruchsgrundlage sei nicht ersichtlich. Aus dem vom Kläger angenommenen Stiftungszweck folge kein Anspruch auf die konkret geforderten Leistungen, deren Höchstbeträge im Gesetz festgelegt seien. Die Verwirklichung des Stiftungszwecks stehe unter dem Vorbehalt des vorhandenen Stiftungsvermögens. Die Regelungen des Stiftungsgesetzes und ihre Anwendung verstießen auch nicht gegen das Grundgesetz. Art. 14 Abs. 1 GG sei nicht verletzt. Die Vergleichsberechnung des Klägers vernachlässige, dass auch die Stiftungsleistungen für den Vergleich kapitalisiert werden müssten. Art. 3 Abs. 1 GG sei ebenfalls nicht verletzt. Die Nichtberücksichtigung von Folgeschäden könne schon deswegen nicht anspruchsbegründend wirken, weil der Kläger bereits in die Gruppe der Schwerstgeschädigten mit den höchsten Leistungen eingeordnet sei. Bei unterstellter Pflicht zum Tätigwerden aufgrund neuer Erkenntnisse müsse dem Gesetzgeber zudem ein angemessener Zeitraum verbleiben, um Erfahrungen zu sammeln, Klarheit zu gewinnen und die ggf. notwendigen Abhilfemöglichkeiten zu prüfen und vorzubereiten. Zunächst sei er gehalten gewesen, umfassende, wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse über die Lebenssituation und die Bedarfe der ganz unterschiedlich beeinträchtigten, durch Contergan Geschädigten zu erhalten. Dem sei er im Anschluss an die Sitzung des Familien-Ausschusses Ende Mai 2008 durch den gemeinsamen Antrag vom 3. Dezember 2008, einen entsprechenden Forschungsauftrag zu vergeben, die Annahme dieses Antrages im Plenum des Deutschen Bundestages am 22. Januar 2009, die nach europaweiter Ausschreibung erfolgte Vergabe des Forschungsauftrages im Sommer 2010 durch die Beklagte, die Durchführung des Forschungsvorhabens in den Jahren 2010 bis 2012, die Übergabe des Endberichtes Ende 2012 und das nachfolgende Gesetzgebungsverfahren für ein Drittes Gesetz zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes nachgekommen.

18

Unabhängig davon hätten die Regelungen des Conterganstiftungsgesetzes nicht wesentlich Ungleiches verfassungswidrig gleich behandelt. Eine Unterscheidung der Anspruchsberechtigung für die Sonderzahlung über die durch Verwaltungsvorschrift vorgegebenen acht Stufen hinaus sei aus Gleichheitsgründen nicht geboten gewesen. Mit der unterschiedslosen Zahlung der Höchstrente an alle Contergangeschädigten ab 45 Punkten trotz unterschiedlicher Missbildungen seien auch nach den neueren Erkenntnissen bestehende Unterschiede nicht willkürlich nivelliert worden.

19

Das Vorbringen des Klägers zu "grundlegenden Strukturfehlern" sei - seine Richtigkeit unterstellt - nicht geeignet, die geltend gemachten weiteren Ansprüche zu begründen.

Entscheidungsgründe

20

Soweit die Beteiligten die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war das Verfahren einzustellen. Im Übrigen ist die Revision des Klägers nicht begründet. Die Abweisung der auf zusätzliche Leistungen der Beklagten gerichteten Klage durch das Verwaltungsgericht verstößt nicht gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO).

21

Die Sprungrevision des Klägers ist zulässig. Die sich aus § 134 Abs. 1 VwGO ergebenden Formerfordernisse sind gewahrt. Namentlich durfte die Zustimmung zur Einlegung der Sprungrevision in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll erklärt werden (dazu Urteil vom 10. Dezember 2013 - BVerwG 1 C 1.13 - BVerwGE 148, 297 Rn. 8).

22

Die Revision ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf eine Erhöhung bzw. Verdoppelung seiner laufenden Conterganrente (dazu A.) oder deren Dynamisierung nach Maßgabe der Inflationsrate (dazu C.) noch auf eine Verdoppelung der jährlichen Sonderzahlung (dazu B.).

23

A. Für das Begehren des Klägers auf zusätzliche Rentenzahlungen fehlt es an der erforderlichen Rechtsgrundlage. Dem Gesetz über die Conterganstiftung für behinderte Menschen (Conterganstiftungsgesetz - ContStifG - vom 13. Oktober 2005 - BGBl I S. 2967) lässt sich ein solcher Anspruch nicht entnehmen (1.); er folgt insbesondere auch nicht aus dem Zweck der Stiftung, den durch Contergan Geschädigten eine Unterstützung und Hilfe zu gewähren (2.). Die insoweit abschließenden Regelungen des Conterganstiftungsgesetzes sind auch verfassungsgemäß (3.).

24

1. Nach den Bestimmungen des Conterganstiftungsgesetzes ergibt sich kein Anspruch des Klägers auf zusätzliche Rentenleistungen.

25

Nach § 13 Abs. 1 ContStifG steht den durch Contergan geschädigten Personen (§ 12 ContStifG) neben einer Kapitalentschädigung, die hier nicht im Streit steht, eine lebenslängliche Rente zu. § 13 Abs. 2 Satz 1 ContStifG bestimmt für die Höhe dieser Rente, dass sie sich nach der Schwere des Körperschadens und der hierdurch hervorgerufenen Körperfunktionsstörungen richtet. § 13 Abs. 2 Satz 2 ContStifG regelt für die monatliche Rente einen Mindest- und einen Höchstbetrag. Nach § 13 Abs. 6 Satz 4 ContStifG wird der so gezogene Rahmen durch Richtlinien ausgefüllt, die das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erlässt. Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz werden grundsätzlich nicht auf andere Sozialleistungen angerechnet (§ 18 Abs. 1 ContStifG; enger noch § 18 ContStifG; § 21 Abs. 2 StHG).

26

Zwischen den Beteiligten steht außer Streit, dass der Kläger seit Errichtung der Stiftung wegen der Schwere seines Körperschadens in die Gruppe derjenigen Leistungsempfänger eingeordnet war, für die der Höchstbetrag der monatlichen Rente zu gewähren war, und dass er diese Leistungen auch tatsächlich erhalten hatte. Eine weitere Erhöhung dieser Rentenleistungen oder eine Befugnis zur Abweichung von dem durch den Gesetzgeber betragsmäßig gezogenen Rahmen in Härte- oder Sonderfällen sieht das Conterganstiftungsgesetz nicht vor.

27

2. Der Zweck der Stiftung oder allgemeine Grundsätze des Stiftungsrechts bilden keine Rechtsgrundlage für zusätzliche Leistungen, welche den gesetzlich festgelegten Höchstbetrag überschreiten.

28

Die "Conterganstiftung für behinderte Menschen" (bis Oktober 2005: Stiftung "Hilfswerk für behinderte Kinder") ist eine durch Gesetz errichtete Stiftung öffentlichen Rechts, deren Zweck es u.a. ist, Leistungen an behinderte Menschen zu erbringen (§ 2 Nr. 1 ContStifG). Diese Zweckbestimmung ist keine selbständige Anspruchsgrundlage. Der allgemeine Stiftungszweck wird durch die Regelungen des Stiftungsgesetzes zu den Leistungen wegen Contergan-Schadensfällen (§§ 11 ff. ContStifG) konkretisiert und nach der Gesetzessystematik abschließend ausgeformt. Der im Gesetz niedergelegte Stiftungszweck prägt zwar die Auslegung und Anwendung der stiftungsgesetzlichen Regelungen, soweit diese auslegungsbedürftig und -fähig sind. Er kann aber keinen Anspruch auf Leistungen jenseits oder gegen die diese ausdrücklich gesetzlich regelnden Bestimmungen begründen. Der gesetzlich bestimmte Stiftungszweck und das der Stiftung gewidmete Vermögen bilden den Rahmen, der durch Entscheidungen zur Umsetzung des Stiftungszwecks (und durch eine geeignete Stiftungsorganisation) auszufüllen ist (vgl. Stober/Kluth, Verwaltungsrecht II, 7. Aufl. 2010, § 87 Rn. 11; v. Campenhausen/Stumpf, in: v. Campenhausen/Richter, Stiftungsrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2014, § 17 Rn. 5 und § 20 Rn. 1 f.). Auch der Grundsatz der Stiftungsautonomie gestattet es bei einer Stiftung des öffentlichen Rechts den an Gesetz und Recht gebundenen (Art. 20 Abs. 3 GG) Stiftungsorganen nicht, unter Berufung auf den Stiftungszweck von den Bestimmungen des Stiftungsgesetzes abzuweichen; der mögliche Ausnahmefall der Verfassungswidrigkeit der stiftungsgesetzlichen Regelungen liegt hier nicht vor (s.u. 3).

29

Keine andere Beurteilung rechtfertigt die Berufung des Klägers auf einen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entnommenen Stiftungszweck, den durch Contergan Geschädigten eine dauerhafte und wirksame Hilfe zu gewähren, die an Schmerzensgeldkriterien und damit an dem jeweiligen Hilfebedürftigkeitsgrad ausgerichtet sei, und die mit dem Stiftungsgesetz übernommene sozialstaatliche Verantwortung des Gesetzgebers. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zur Verfassungsmäßigkeit des ursprünglichen Stiftungsgesetzes (Gesetz über die Errichtung einer Stiftung "Hilfswerk für behinderte Kinder" vom 17. Dezember 1971, BGBl I S. 2018 ) ausgeführt, die am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten hätten zum Ausdruck gebracht, "daß zu gegebener Zeit geprüft werden müsse, ob die Leistungen noch mit dem Ziel des Stiftungsgesetzes, den Kindern eine wirksame und dauerhafte Hilfe zu gewähren, vereinbar seien", und seiner Auffassung Ausdruck verliehen, es obliege dem Gesetzgeber, "auch in Zukunft darüber zu wachen, daß die Leistungen der Stiftung - sei es in Form von Rentenerhöhungen oder in sonstiger Weise - der übernommenen Verantwortung gerecht werden" (BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1976 - 1 BvL 19/75 u.a. - BVerfGE 42, 263 <311, 312>). Es handelt sich indes nicht um die Entscheidung tragende Ausführungen, welche den Stiftungszweck unabhängig von der - vom Bundesverfassungsgericht im Übrigen gebilligten - Ausgestaltung durch den Gesetzgeber mit Rechtskraft- oder Bindungswirkung (§ 31 BVerfGG) festlegen. Sie betonen vielmehr die allgemeine Einstandspflicht des Staates für die soziale Fürsorge und das Gebot der sozialen Solidarität (s.a. ebd. S. 298), für die dem Gesetzgeber ein grundsätzlich weiter Gestaltungsspielraum zuzubilligen ist. Eine Verletzung von Geboten der sozialen Solidarität durch (evident) unzureichende Leistungen an die durch Contergan Geschädigten würde einen entsprechenden Nachbesserungsbedarf des Gesetzgebers bewirken; dieser folgte aber aus der Verfassung und nicht aus der Nichterfüllung eines gesetzlich festgelegten Stiftungszweckes.

30

Aus den stiftungsrechtlichen Erwägungen lässt sich kein Anspruch auf Rentenzahlungen ableiten, die die gesetzliche Höchstgrenze überschreiten. Ein solcher ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen des Klägers, der Stiftung fehle es an der erforderlichen Autonomie und Aufsicht, weil das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend durch den Erlass der Richtlinie bestimmend auf die Leistungshöhe einwirke, oder dass die Stiftung ihre sonstigen Aufgaben, insbesondere bei der Forschung und der Beratung, nicht ausreichend erfüllt habe. Abgesehen davon, dass das Bundesverfassungsgericht die Grundstrukturen der Stiftungsorganisation, zu der bereits in § 14 Abs. 6 StHG die Richtlinienbefugnis des Bundesministeriums rechnete, als verfassungsgemäß gesehen hat (BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1976 a.a.O. <305 ff.>) und es für grobe Versäumnisse der Stiftung an entsprechenden tatrichterlichen Feststellungen fehlt (§ 137 Abs. 2 VwGO), berechtigte dieses Vorbringen des Klägers selbst dann, wenn es als zutreffend unterstellt würde, die beklagte Stiftung nicht zu höheren Leistungen.

31

3. Die stiftungsrechtlichen Bestimmungen zur Rentenhöhe stehen im Einklang mit dem Grundgesetz. Insbesondere sind sie mit dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) (3.1) und dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) (3.2) vereinbar und verletzen den Kläger auch nicht in seinem Eigentumsgrundrecht (Art. 14 Abs. 1 GG) (3.3) oder weiteren grundgesetzlich verbürgten Rechten (3.4).

32

3.1 Das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) des Grundgesetzes wird durch die Festlegung einer Höchstrente durch den Gesetzgeber nicht verletzt.

33

3.1.1 Das Sozialstaatsprinzip begründet die Pflicht des Staates, für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Januar 1982 - 1 BvR 848/77 u.a. - BVerfGE 59, 231) und die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein seiner Bürger zu schaffen (BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1990 - 1 BvL 20/86 u.a. - BVerfGE 82, 60 <80>). Die soziale Hilfe für die Mitbürger, die wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen an ihrer persönlichen und sozialen Entfaltung gehindert und außerstande sind, sich selbst zu unterhalten, gehört zu den selbstverständlichen Pflichten des Sozialstaates. Dem Gesetzgeber steht ein weiter Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum zu, ob und in welchem Umfang soziale Hilfe unter Berücksichtigung der vorhandenen Mittel und anderer gleichrangiger Staatsaufgaben gewährt werden kann und soll (BVerfG, Beschluss vom 18. Juni 1975 - 1 BvL 4/74 - BVerfGE 40, 121 <133>). Bei Verwirklichung seines Schutzauftrages, durch soziale Hilfen wegen körperlicher Gebrechen an ihrer persönlichen und sozialen Entfaltung gehinderte Menschen soweit als möglich in die Gesellschaft einzugliedern, ihre angemessene Betreuung in der Familie oder durch Dritte zu fördern sowie die notwendigen Pflegeeinrichtungen zu schaffen, liegt es indes grundsätzlich in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, den ihm geeignet erscheinenden Weg zu bestimmen. Er hat zu entscheiden, inwieweit er die erforderliche Hilfe durch besondere Leistungssysteme des sozialen Entschädigungsrechts, über Versicherungsleistungen oder durch Fürsorgeleistungen gewährleistet (BVerfG, Beschluss vom 18. Juni 1975 a.a.O.).

34

Höhe und Zusammensetzung der Stiftungsleistungen sind allerdings nicht an dem Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG; dazu BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - BVerfGE 125, 175; vom 18. Juli 2012 - 1 BvL 10/10, 1 BVL 2/11 - BVerfGE 132, 134) zu messen. Als besondere Leistungen der sozialen Entschädigung haben sie nicht die Funktion, den notwendigen Lebensunterhalt für Personen sicherzustellen, die hierzu nicht aus eigenen Kräften und Mitteln in der Lage sind. Sie stehen neben der Grundsicherung, haben nicht in erster Linie Versorgungscharakter und gewähren insoweit Zusatzleistungen (BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1976 a.a.O. <311>). Bei der Ermittlung von Einkommen und Vermögen bei der Existenzsicherung dienenden Leistungen, insbesondere den Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz bzw. jenen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) oder der Sozialhilfe (SGB XII), blieben die monatlichen Rentenzahlungen bis zum 30. Juni 2008 in Höhe der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (§ 21 Abs. 2 Satz 2 StHG; § 18 Abs. 1 Satz 2 ContStifG) und seitdem in vollem Umfang außer Betracht (§ 18 Abs. 1 ContStifG).

35

In seinem Beschluss zum Ersten und Zweiten Conterganstiftungsänderungsgesetz hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2010 - 1 BvR 1541, 2685/09 - NJW 2010, 1943 Rn. 20) die Grundsätze, an denen eine etwa unzureichende gesetzliche Schutzgewähr zu messen ist, wie folgt zusammengefasst:

36

"Nur in seltenen Ausnahmefällen lassen sich der Verfassung konkrete Pflichten entnehmen, die den Gesetzgeber zu einem bestimmten Tätigwerden zwingen. Ansonsten bleibt die Aufstellung und normative Umsetzung eines Schutzkonzepts dem Gesetzgeber überlassen. Ihm kommt ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfGE 77, 170 <214>; 79, 174 <202>; 88, 203 <262>; 96, 56 <64>; 106, 166 <177>; 121, 317 <356>). Nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung und dem demokratischen Prinzip der Verantwortung des vom Volk unmittelbar legitimierten Gesetzgebers muss dieser die regelmäßig höchst komplexe Frage entscheiden, wie eine aus der Verfassung herzuleitende Schutzpflicht verwirklicht werden soll (vgl. BVerfGE 56, 54 <81>). Die Entscheidung, welche Maßnahmen geboten sind, kann vom Bundesverfassungsgericht nur begrenzt nachgeprüft werden. Das Bundesverfassungsgericht kann erst dann eingreifen, wenn der Gesetzgeber seine Pflicht evident verletzt hat (vgl. BVerfGE 56, 54, <80 f.>; 77, 170 <214 f.>; 79, 174 <202>; 85, 191 <212>; 92, 26 <46>; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 26. Mai 1998 - 1 BvR 180/88 -; NJW 1998, S. 3264 ff.; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. Juli 2009 - 1 BvR 1606/08 -, juris, Rn. 12). Einen Verfassungsverstoß durch unterlassene Nachbesserung eines Gesetzes kann das Bundesverfassungsgericht insbesondere erst dann feststellen, wenn evident ist, dass eine ursprünglich rechtmäßige Regelung wegen zwischenzeitlicher Änderung der Verhältnisse verfassungsrechtlich untragbar geworden ist, und wenn der Gesetzgeber gleichwohl weiterhin untätig geblieben ist oder offensichtlich fehlsame Nachbesserungsmaßnahmen getroffen hat (vgl. BVerfGE 56, 54 <81 f.>)." Dem folgt der erkennende Senat. Dem Gesetzgeber ist weiterhin ein hinreichender Zeitraum zur Anpassung seiner Regelungen an eine sich verändernde Sachlage unter vorheriger Aufklärung von Art und Umfang des Anpassungsbedarfs zuzubilligen (s. nur BVerfG, Urteil vom 10. April 1997 - 2 BvF 1/95 - BVerfGE 95, 335 <405>; Beschluss vom 15. Dezember 1999 - 1 BvR 1904/95 u.a. - BVerfGE 101, 331 <350 f.>).

37

3.1.2 Nach diesen Grundsätzen kann nicht festgestellt werden, dass das Leistungssystem des Conterganstiftungsgesetzes bis zum 31. Dezember 2012 verfassungswidrig gewesen ist.

38

Das Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 8. Juli 1976 - 1 BvL 19/75 u.a. - BVerfGE 42, 263) hatte das Leistungssystem des ursprünglichen Stiftungserrichtungsgesetzes als verfassungsgemäß bestätigt und dabei auch die Gleichbehandlung aller geschädigten Personen mit einer Schädigung, die mit mehr als 45 Punkten bewertet worden war, trotz unterschiedlicher Schädigung, und das Fehlen einer gesetzlichen Bestimmung zur Dynamisierung der monatlichen Renten verfassungsrechtlich nicht beanstandet (ebd. 309, 311). Es lässt sich nicht feststellen, dass der Gesetzgeber in der Folgezeit untätig geblieben ist oder offensichtlich fehlsame Nachbesserungsmaßnahmen getroffen hat, obwohl die ursprünglich verfassungsgemäße Regelung wegen der zwischenzeitlichen Veränderung der Verhältnisse verfassungsrechtlich untragbar geworden und dies auch evident gewesen ist.

39

3.1.2.1 Der Gesetzgeber ist bis zur Neufassung des Errichtungsgesetzes durch das Conterganstiftungsgesetz im Jahr 2005 nicht untätig geblieben. Er hat in insgesamt neun Änderungsgesetzen zum Stiftungsgesetz die Rentenmindest- und -höchstwerte linear erhöht (vor 2005 zuletzt durch das Neunte Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung einer Stiftung "Hilfswerk für behinderte Kinder" vom 21. Juni 2002, BGBl I S. 2190). Auch soweit hierdurch - bezogen auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes - kein vollständiger Ausgleich der gestiegenen Lebenshaltungskosten herbeigeführt worden sein sollte und die Erhöhungen erst nachträglich bewirkt wurden, ist weder eine faktische Entwertung der monatlichen Rentenzahlungen noch sonst eine unzureichende Anpassung festzustellen. Den Materialien zu dem Conterganstiftungsgesetz (BTDrucks 15/5654 ; 15/5851 ) lassen sich keine Hinweise auf eine qualitativ oder quantitativ erheblich veränderte Bedarfslage der durch Contergan Geschädigten entnehmen, die den Gesetzgeber hätten veranlassen müssen, substantielle Leistungsverbesserungen zu erwägen.

40

3.1.2.2 Eine sozialstaatswidrige Unterversorgung insbesondere der Gruppe der durch Contergan Schwerstgeschädigten, der auch der Kläger angehört, ist auch nicht durch den Dokumentarfilm "Contergan: Die Eltern" und das hierzu erschienene Begleitbuch hervorgetreten. Hierdurch mag zwar - auch dies hat das Verwaltungsgericht tatrichterlich nicht festgestellt - evident geworden sein, dass sich die Lebenslagen der Betroffenen, ihre Chancen zur Teilhabe in Beruf, Gesellschaft und Privatbereich und die Einschränkungen durch schädigungsbedingte Funktionseinbußen je nach der Körperschädigung teils nachhaltig unterschieden haben und die Annahme (auch) des Bundesverfassungsgerichts zumindest relativierungsbedürftig geworden war, ab einer mit 45 Punkten und mehr bewerteten Schädigung würden die Betroffenen "sich ohne ständige fremde Hilfe im Leben nicht … behaupten können" (BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1976 - 1 BvL 19/75 u.a. - BVerfGE 42, 263 <309>). Der sozialgestaltende Gesetzgeber hätte in Bezug auf den gesetzlichen Rentenrahmen aber nur und erst dann tätig werden müssen, wenn hierdurch zumindest für die schwerstgeschädigten Personen auch eine sozialstaatswidrige Unterversorgung hervorgetreten wäre, weil die Zusatzbelastungen nicht oder nicht hinreichend durch Leistungen etwa der Krankenversicherung, der Pflegeversicherung oder der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen ausgeglichen wurden. Hierfür fehlt jeder Anhalt. Der Kläger selbst hatte Mitte 2004 sein (nicht beziffertes) Begehren nach Rentenerhöhung, Zusatzrente oder einmalige nachträgliche weitere Kapitalentschädigung nicht mit einer sozialstaatswidrigen Unterversorgung, sondern damit begründet, dass die Schwerstgeschädigten (ab 80 Punkten) wegen ihrer schweren Situation im Vergleich zu den weniger Geschädigten zu geringe Leistungen erhielten, den weniger Geschädigten im Bereich von 45 bis 80 Punkten aber aus Besitzstandsgründen die Renten nicht genommen werden könnten.

41

Auch sonst lässt sich in diesem Zeitraum weder den allgemeinkundigen Quellen noch - ihre revisionsrechtliche Berücksichtigungsfähigkeit unterstellt - den vom Kläger beigebrachten oder benannten Unterlagen und Quellen (z.B. W. Freitag, Contergan. Eine genealogische Studie des Zusammenhangs wissenschaftlicher Diskurse und biographischer Erfahrungen, 2005; Zichner/Rauschmann/Thomann , Die Contergankatastrophe - Eine Bilanz nach 40 Jahren, 2005) entnehmen, dass die durch Contergan Geschädigten insgesamt oder doch bestimmte Teilgruppen, z.B. die Schwerst- und Mehrfachgeschädigten, auch im Zusammenwirken der verschiedenen sozialstaatlichen Hilfesysteme in einem Umfange von sozialstaatlich gebotenen Hilfeleistungen abgeschnitten gewesen wären, dass der Gesetzgeber des Conterganstiftungsgesetzes umgehend hätte tätig werden müssen. Im Lichte neuerer Erkenntnisse, insbesondere der Studie der Universität Heidelberg (Institut für Gerontologie der Ruprecht Karls Universität Heidelberg, Contergan. Wiederholt durchzuführende Befragungen zu Problemen, speziellen Bedarfen und Versorgungsdefiziten von contergangeschädigten Menschen. Endbericht an die Conterganstiftung für behinderte Menschen, 2012) mag allenfalls im Rückblick anzunehmen sein, dass bei einer genaueren Betrachtung der sozialen, insbesondere beruflichen und gesundheitlichen Situation der durch Contergan Geschädigten eine bestehende bzw. sich abzeichnende Unterversorgung früher hätte erkannt werden können. Auch dies ist indes nicht evident.

42

3.1.2.3 Der Gesetzgeber hat auf den Erkenntnisfortschritt in den Folgejahren, aber auch die öffentliche Thematisierung der Verantwortung der Firma Grünenthal GmbH durch einen im November 2007 ausgestrahlten Fernsehfilm mit einer Verdoppelung der Mindest- und Höchstwerte für die monatliche Rente zum 1. Juli 2008 reagiert (Erstes Gesetz zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes vom 26. Juni 2008, BGBl I S. 1078). Der Gesetzentwurf der seinerzeitigen Koalitionsfraktionen (BTDrucks 16/8743 S. 4) begründete diese Verdoppelung damit, dass diese "(a)ngesichts des Umfangs der Beeinträchtigung der Betroffenen insbesondere durch die Folge- und Spätschäden, die weder durch die Leistungen der Conterganstiftung noch durch ergänzende Sozialgesetze ausreichend abgefangen werden können (z.B. Haushaltshilfe, vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben, Renteneinbußen usw.)", sachgerecht und begründet sei, nachdem der vorangehende Gesetzentwurf der Bundesregierung (BTDrucks 16/8653) noch lediglich eine moderate Erhöhung der Conterganrente mit Rücksicht auf die Entwicklung der Lebenshaltungskosten und der Nettoeinkommen um linear 5 v.H. vorgesehen hatte. Auch dem Koalitionsentwurf lag aber keine Bedarfsanalyse zugrunde, aus der die Leistungserhöhung nach Struktur, Art und Höhe gezielt abgeleitet worden wäre; sie lässt sich auch nicht den Stellungnahmen der Sachverständigen in der im zeitlichen Umfeld dieses Gesetzentwurfes durchgeführten Anhörung entnehmen (Deutscher Bundestag - Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend -, Protokoll Nr. 16/57 der öffentlichen Anhörung vom 28. Mai 2008 zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD "Angemessene und zukunftsorientierte finanzielle Unterstützung der Contergangeschädigten sicherstellen", BTDrucks 16/8754, und zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen "Für einen umfassenden Ansatz beim Umgang mit den Folgen des Contergan-Medizinskandals", BTDrucks 16/8748). Beide Gesetzentwürfe zielten ausweislich ihrer Begründung auch nicht auf die Beseitigung oder Abwendung einer verfassungsrechtlich bedenklichen Unterversorgungslage; Ziel war die Ausfüllung sozialstaatlicher Verantwortung für die durch Contergan Geschädigten. Gegen eine evidente Unterschreitung seiner sozialstaatlichen Schutzpflichten durch den Gesetzgeber streitet auch der zu diesem Gesetz ergangene Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2010 - 1 BvR 1541, 2685/09 - NJW 2010, 1943).

43

Die Einführung einer jährlichen Sonderzahlung, die erstmals für das Jahr 2009 gewährt worden ist (Zweites Gesetz zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes vom 25. Juni 2009, BGBl I S. 1534), weist ebenfalls nicht auf eine (evidente) verfassungsrechtlich bedenkliche, sozialstaatswidrige Unterversorgung. Diese Sonderzahlung, für die die Mittel aus einer freiwilligen Zahlung der Firma Grünenthal GmbH zur Verbesserung der Lebenssituation der contergangeschädigten Menschen in Höhe von 50 Mio. € sowie Mittel in gleicher Höhe aus dem Kapitalstock der Stiftung stammen, dient der Verbesserung der Lebenssituation der Geschädigten und soll die besonderen Bedarfe der contergangeschädigten Menschen abdecken (Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, BTDrucks 16/12413 S. 1, 7). Die Begründung des Gesetzentwurfes geht zwar davon aus, dass die Lebenssituation der contergangeschädigten Menschen zunehmend durch die sehr schmerzhaften Auswirkungen ihrer Behinderung sowie die Spät- und Folgeschäden geprägt und ihre Lebensqualität erheblich gefährdet oder eingeschränkt sei (BTDrucks 12/12413 S. 7). Die Bedarfe, welche durch die jährliche Sonderzahlung (ganz oder teilweise) gedeckt werden sollen, werden aber nach Art oder Höhe nicht bezeichnet; dies hindert Rückschlüsse auf eine (evidente) Unterversorgung. Die durch das Zweite Änderungsgesetz eingeführte Dynamisierung der monatlichen finanziellen Unterstützung nach Maßgabe der Entwicklung der gesetzlichen Renten sieht der Gesetzentwurf ebenfalls lediglich als sinnvoll und systemgerecht, nicht aber zur Abwendung eines Verfassungsverstoßes als geboten (BTDrucks 16/12413 S. 11).

44

3.1.2.4 Auch die Ergebnisse einer im Januar 2012 vorgelegten, im Auftrag der Beklagten erstellten Internationalen Studie zu Leistungen und Ansprüchen thalidomidgeschädigter Menschen in 21 Ländern (erstellt durch die Rechtsanwaltskanzlei DLA Pieper) mussten den Gesetzgeber nicht zum Tätigwerden veranlassen. Art und Höhe der jeweils gewährten Leistungen in anderen Ländern und ihre Einbettung in das allgemeine Leistungssystem sind derart heterogen, dass es bereits schwerfällt, die von der Studie angestrebte Vergleichbarkeit mit den entsprechenden Leistungen in Deutschland herzustellen. Auch soweit in anderen Ländern den Geschädigten in der Gesamtschau aller Sicherungssysteme nominal höhere Leistungen gewährt worden sein sollten, würde dies für sich allein zudem nicht den Schluss rechtfertigen, dass in der Bundesrepublik Deutschland die verfassungsrechtlich geforderte Grundversorgung nicht gewährleistet (gewesen) sei.

45

3.1.2.5 Art und Umfang der Leistungsverbesserungen, die der Gesetzgeber - teils rückwirkend zum 1. Januar 2013 - mit dem Dritten Gesetz zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes (Gesetz vom 26. Juni 2013, BGBl I S. 1847) u.a. durch die deutliche Erhöhung der Rentenobergrenze und die Einführung von Leistungen zur Deckung spezifischer Bedarfe bewirkt hat, weisen nicht darauf, dass Veränderungen in der Lebenssituation der contergangeschädigten Menschen und veränderte Hilfebedarfe den Gesetzgeber zu einem (deutlich) früheren Zeitpunkt zum Handeln hätten veranlassen müssen.

46

Mit den Leistungsverbesserungen hat der Gesetzgeber auf den Erkenntnisfortschritt reagiert, der sich durch die Ergebnisse der vom Institut für Gerontologie der Universität Heidelberg durchgeführten Studie "Wiederholt durchzuführende Befragungen zu Problemen, speziellen Bedarfen und Versorgungsdefiziten von contergangeschädigten Menschen" ergeben hat. Der Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP (BTDrucks 17/12678 S. 1) geht - gestützt auf die Ergebnisse dieser Studie - davon aus, dass die Lebenssituation der contergangeschädigten Menschen durch die sehr schmerzhaften Auswirkungen ihrer Behinderung mit Folge- und Spätschäden geprägt sei und dringender Handlungsbedarf für die Sicherstellung einer angemessenen und zukunftsorientierten Unterstützung der älter werdenden Betroffenen bestehe. Der Gesetzentwurf greift damit die sozialpolitischen, auf eine Verbesserung bzw. Optimierung der Versorgung und Unterstützung zielenden Handlungsempfehlungen des Gutachtens auf. Der Endbericht des Gutachtens selbst enthält sich verfassungsrechtlicher Bewertungen und in Bezug auf die Quantifizierung zusätzlicher Leistungen eindeutiger Aussagen; dies gilt auch für den im Frühjahr 2012 vorgelegten "Zusammenfassenden Bericht über die ersten Untersuchungsergebnisse und Ableitung erster Handlungsempfehlungen", der allerdings Angaben zu ungedeckten finanziellen Belastungen in verschiedenen Bedarfsbereichen mit teils erheblicher Schwankungsbreite enthält. In dem Gesetzentwurf finden sich indes keine hinreichenden Hinweise, dass die vorgenommenen Änderungen vom Gesetzgeber nach Art und Umfang als erforderlich angesehen worden sind, um einen Verfassungsverstoß abzuwenden. Der Gesetzentwurf weist - ebenfalls im Anschluss an die Ergebnisse des Gutachtens - darauf hin, dass in den letzten fünf Jahren bei den Folgeschäden als Folge der Abnutzungserscheinungen und Veränderungen des Bewegungsapparates erhebliche Verschlechterungen eingetreten seien. Die deutliche Verschlechterung der gesundheitlichen Lage der durch Contergan Geschädigten gerade in den letzten Jahren, die auch in dem Gutachten selbst mehrfach betont wird, spricht dagegen, die Ergebnisse des Gutachtens in vollem Umfang auch auf die Vergangenheit zu beziehen.

47

Der Gesetzgeber selbst hat auch dadurch, dass er sich einen Vorstoß zu einer Erhöhung der monatlichen Rentenleistungen rückwirkend zum 1. Januar 2012 (Antrag der Fraktion Die Linke "Lebenssituation der durch Contergan geschädigten Menschen mit einem Dritten Conterganstiftungsänderungsgesetz und weiteren Maßnahmen spürbar verbessern" vom 17. Oktober 2010, BTDrucks 17/11041 S. 2) nicht zu eigen gemacht hat (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 24. April 2013, BTDrucks 17/13279 S. 3), zu erkennen gegeben, dass jedenfalls er keinen - gar verfassungsrechtlichen - Anpassungsbedarf auch für die Vergangenheit zu erkennen vermochte. Dies ist nach der Erkenntnislage verfassungsrechtlich auch nicht zu beanstanden. Dass ein entsprechender Erhöhungs- und Anpassungsbedarf für die Vergangenheit sich dem Gesetzgeber als evident hätte aufdrängen müssen, ergibt sich namentlich auch nicht aus dem Endbericht des Gutachtens bzw. dem Zwischenbericht; beide enthalten ungeachtet klarer Erkenntnisse zu bestehenden Unterversorgungslagen auch Differenzierungen, die einen Rückbezug der Erkenntnisse auf vergangene Zeiträume, insbesondere auch auf die Zeit ab 2004, ausschließen.

48

Nicht festzustellen ist, dass der Gesetzgeber sich ohne Weiteres zugänglichen Erkenntnisquellen zur Lage der durch Contergan Geschädigten verschlossen oder die erforderlichen Untersuchungen in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise verzögert hätte. Der Bundestag hatte allerdings bereits im Januar 2009 die Bundesregierung aufgefordert, einen Forschungsauftrag zu vergeben, der bestehende Versorgungsdefizite und künftige Unterstützungsbedarfe contergangeschädigter Menschen untersucht (BTDrucks 16/11223 ; BTProt 16/200 vom 22. Januar 2009 S. 21677 ), und damit weiteren Klärungsbedarf zu erkennen gegeben. Zwischen diesem Beschluss und der Vorlage der Endfassung des erst Mitte 2010 in Auftrag gegebenen Gutachtens lagen nahezu vier Jahre. Diese Dauer ist verfassungsrechtlich aber bereits angesichts der Komplexität und des Umfanges des Untersuchungsauftrages im Ergebnis nicht zu beanstanden, zumal der Gesetzgeber grundsätzlich davon ausgehen durfte, dass angesichts der grundsätzlichen Absicherung durch Contergan geschädigter Personen auch durch die allgemeinen Systeme der sozialen Sicherung substantielle Betreuungs- und Versorgungslücken jedenfalls nicht in einem Umfang bestanden, der nach der Verdoppelung der laufenden Conterganrenten zum 1. Juli 2008 eine deutliche Beschleunigung gefordert hätte.

49

3.2 Die gesetzliche Höchstgrenze für die laufende Rentenzahlung verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

50

3.2.1 Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 1998 - 1 BvR 1554/89 u.a. - BVerfGE 98, 365 <385>). Er ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (stRspr, BVerfG, Beschluss vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 - BVerfGE 129, 49 <68 f.>). Dies gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen (BVerfG, Beschluss vom 21. Juli 2010 - 1 BvR 611, 2464/07 - BVerfGE 126, 400 <416>). Der allgemeine Gleichheitssatz enthält indes kein verfassungsrechtliches Gebot, ähnliche Sachverhalte in verschiedenen Ordnungsbereichen mit anderen systematischen und sozialgeschichtlichen Zusammenhängen gleich zu regeln (BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2010 - 1 BvR 1541, 2685/09 - NJW 2010, 1943).

51

3.2.2 Nach diesem Maßstab scheidet eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG durch die gesetzliche Rentenobergrenze (§ 13 Abs. 2 ContStifG) im Verhältnis zu den Leistungen anderer Regelungen des sozialen Entschädigungsrechts aus. Der sozialstaatliche Gestaltungsauftrag des Gesetzgebers umfasst jenseits der Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums grundsätzlich auch die Entscheidung, an welche tatsächlichen Verhältnisse er Rechtsfolgen knüpft, wie er von Rechts wegen zu begünstigende Personengruppen definiert und in welchem Umfang er Leistungen gewährt. Diese Regelungen knüpfen an jeweils besondere Lebenslagen oder Schadensereignisse an, bei denen die staatliche Einstands- und Entschädigungspflicht jeweils an ein spezielles "Sonderopfer" anknüpft, das mit der Situation bei der Conterganstiftung nicht vergleichbar ist; namentlich ergibt sich aus einer möglichen Schutzpflichtverletzung durch eine etwa unzureichende Arzneimittelkontrolle in der 1950er Jahren keine gesteigerte Entschädigungs- oder sozialstaatliche Einstandspflicht des Gesetzgebers oder ein verfassungsrechtliches Gebot, die durch Contergan Geschädigten in Struktur und Höhe der Leistungen Personen gleichzustellen, die sich unter Geltung des aktuellen Arzneimittelhaftungsrechts (§§ 84 ff. AMG) ergäben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2010 a.a.O.).

52

3.2.3 Die gesetzliche Rentenobergrenze (§ 13 Abs. 2 ContStifG) verstößt auch nicht deswegen gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil bis zum 31. Dezember 2012 die Staffelung der Rentenhöhe in den Richtlinien des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend für die Gewährung von Leistungen wegen Contergan-Schadensfällen (s. für den streitbefangenen Zeitraum zuletzt Bekanntmachung der Neufassung der Richtlinien vom 30. Juni 2009, BAnz vom 3. Juli 2009 S. 2313) die Personengruppe in dem Punktzahlbereich von 45 bis 79,99 Punkten einerseits, oberhalb von 80 Punkten anderseits gleich behandelt hat, obgleich jedenfalls für diesen Personenkreis - so der Kläger - die schädigungsbedingten Funktionseinbußen qualitativ höher seien. Selbst wenn insoweit eine Verletzung des Untermaßverbotes durch eine unzureichende Differenzierung unterstellt wird, berührte dies allein die Richtlinien, nicht die gesetzliche Regelung selbst (s. bereits BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1976 - 1 BvL 19/75 u.a. - BVerfGE 42, 263 <309>). Ist eine Erhöhung der Rentenobergrenze aus sozialstaatlichen Gründen nicht erforderlich, obliegt es dem Richtliniengeber, einen etwaigen Gleichheitsverstoß bei der Rentenstaffelung in dem vom Gesetzgeber gezogenen Rahmen zu beseitigen, ohne dass der Gesetzgeber zur Erhöhung der Rentenobergrenze gehalten wäre.

53

Unabhängig davon liegt in der Gleichbehandlung aller Geschädigten ab 45 Punkten trotz unterschiedlicher Schädigung kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Gleichbehandlung in seinem Urteil vom 8. Juli 1976 (a.a.O.) mit der Erwägung gebilligt, dass die Rente nicht der Entschädigung für die erlittenen Missbildungen diene und bei der verfassungsrechtlich zulässigen generalisierenden und typisierenden gesetzlichen Regelung alle Geschädigten, die 45 Schadenspunkte oder mehr aufweisen, ohne Unterschied die Höchstrente erhielten, weil diese Geschädigten nach Auffassung der Sachverständigen sich ohne ständige fremde Hilfe im Leben nicht werden behaupten können. Zu Gunsten des Klägers können der Wegfall der grundsätzlichen Bindungswirkung (§ 31 BVerfGG) dieses Urteils durch neuere Erkenntnisse, eine unmittelbare Verantwortung des Gesetzgebers auch für die Rentenstaffelung sowie der vom Verwaltungsgericht tatrichterlich nicht festgestellte Umstand unterstellt werden, dass mit zunehmendem Umfang der Schädigung der Bedarf an Pflege, Assistenz sowie Heil- und Hilfsmitteln ansteigt und diese Steigerung nicht bei Erreichen einer Schädigungspunktzahl von 45 Punkten abbricht oder (wesentlich) abflacht. Jedenfalls bis zu der Vorlage der Berichte zu dem Forschungsvorhaben der Universität Heidelberg fehlte es aber an hinreichend gefestigten Erkenntnissen, dass sich die evidenten Unterschiede der Körperschäden und der damit verbundenen Funktionseinbußen auch mit erheblichem Gewicht ausgewirkt haben auf die Hilfe-, Bedarfs- und damit potentiellen Unterversorgungslagen, die unter Berücksichtigung der durch Hilfe- und Unterstützungsleistungen aus anderen Leistungssystemen, z.B. der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen (§§ 39 ff. BSHG; §§ 53 ff. SGB XII), der Hilfen nach dem SGB IX (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen) oder der sozialen Pflegeversicherung (SGB XI) bzw. der Hilfe zur Pflege (§§ 68 ff. BSHG; §§ 61 ff. SGB XII), verblieben sind. Auch bei einer am Verhältnismäßigkeitsprinzip orientierten Gleichheitsprüfung ließe sich ein Verstoß gegen ein verfassungsrechtliches Gebot weiterer Differenzierung indes nur bei erheblichen Unterschieden auch im anderweitigen ungedeckten Hilfe- und Unterstützungsbedarf ausmachen.

54

3.3 Die gesetzliche Rentenobergrenze und das Leistungssystem des § 13 ContStifG stehen auch mit der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) im Einklang.

55

Die Ansprüche, welche das Conterganstiftungsgesetz infolge der eigentumsrechtlich unbedenklichen (BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1976 - 1 BvL 19/75 u.a. - BVerfGE 42, 263) Umwandlung der Ansprüche aus dem Vergleich mit der Firma Grünenthal GmbH gewährt, genießen dem Grunde nach ebenfalls den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG (BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2010 - 1 BvR 1541, 2685/09 - NJW 2010, 1943 Rn. 31). Dieser Schutz mag zwar auch nach dem rechnerischen Verbrauch der von der Firma Grünenthal GmbH eingebrachten Mittel durch Stiftungsleistungen einer ersatzlosen Aufhebung des Conterganstiftungsgesetzes oder einer substantiellen Absenkung des Leistungsniveaus entgegenstehen. Bereits ein Anspruch auf Dynamisierung der laufenden Renten kann indes aus Art. 14 Abs. 1 GG nicht hergeleitet werden (vgl. BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1976 a.a.O. <311>). Erst recht umfasst der grundrechtliche Eigentumsschutz nicht eine aus Steuermitteln finanzierte, vom Sozialstaatsgrundsatz nicht geforderte Leistungserhöhung oder ein Leistungsniveau, das - aus Sicht des Klägers - das politische Ziel, den Geschädigten eine wirksame und dauerhafte Hilfe zu gewähren, unabhängig von dem Verbrauch der aus dem privatrechtlichen Vergleich stammenden Mittel nachhaltig umsetzt. Nach den vom Verwaltungsgericht übernommenen (UA S. 5) Feststellungen des Entwurfes eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes (BTDrucks 16/12413 S. 7) werden dabei seit 1997 die mehrfach angehobenen Renten aus Bundeshaushaltsmitteln finanziert, da der für individuelle Leistungen - also Renten und Kapitalentschädigung - vorgesehene Restbetrag des Stiftungsvermögens bis dahin aufgebraucht worden war.

56

Auch aus dem vom Kläger vorgenommenen Vergleich seiner Vermögenslage bei einer hypothetischen Anlage des Betrages, den er aus dem privatrechtlichen Vergleich erlangt hätte, mit den tatsächlich von der Stiftung erhaltenen Leistungen lässt sich kein Anspruch auf höhere Leistungen ableiten. Er vernachlässigt bereits, dass für die eigentumsrechtliche Umgestaltung der privatrechtlichen Ansprüche eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen ist, bei der gewisse Nachteile, die für Einzelne auftreten mögen, gegen die insgesamt erzielten Vorteile abzuwägen sind (BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1976 a.a.O. <302>). Bei seinen Berechnungen vergleicht der Kläger zudem den Vermögensstand, der sich bei Ansparung der Vergleichssumme und darauf entfallender hypothetischer Zinsen (inkl. Zinseszinsen) ergeben hätte, mit der Summe der laufenden Zahlungen durch die Stiftung, ohne diese in vergleichbarer Weise hypothetisch zu verzinsen. Dass auch bei vergleichbarer Berechnungsweise die thesaurierten Stiftungsleistungen hinter dem angesparten Betrag aus dem Vergleich (deutlich) zurückbleiben, ist vom Verwaltungsgericht tatrichterlich nicht festgestellt, vom Kläger nicht dargelegt und erscheint wegen des langjährigen Vergleichszeitraums und des hohen Zinsansatzes ausgeschlossen.

57

3.4 Die gesetzliche Rentenobergrenze und das Leistungssystem des § 13 ContStifG sind auch sonst mit dem Grundgesetz vereinbar.

58

3.4.1 Eine Verletzung staatlicher Pflichten aus Art. 2 Abs. 2 GG, sich schützend vor das Leben des Einzelnen zu stellen und auch Risikovorsorge gegen Gesundheitsgefährdungen zu treffen, durch die Regelungen zur Rentenhöhe ist ebenfalls nicht zu erkennen und wird von dem Kläger substantiiert auch nicht vorgetragen. Aus Art. 2 Abs. 2 GG folgt ohnehin regelmäßig kein verfassungsrechtlicher Anspruch auf Bereitstellung bestimmter Gesundheitsleistungen (BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 2005 - 1 BvR 347/98 - BVerfGE 115, 25 <44>). Das Vorbringen des Klägers zu den aus seiner Sicht unzureichenden Aktivitäten der Stiftung im Bereich der Erforschung der gesundheitlichen Spät- und Folgeschäden sowie der Information über erkannte Gesundheitsrisiken betrifft nicht Art und Höhe der laufenden Rentenleistungen an die Geschädigten.

59

3.4.2 Soweit der Kläger aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG u.a. den Zweck der Stiftung, dauerhaft und wirksam Hilfe für die contergangeschädigten Menschen zu gewähren, bestimmte Anforderungen an die Autonomie und Ausgestaltung der Stiftung oder einen Anspruch auf deren aufgabengerechte Ausstattung mit Finanzmitteln herleitet, kann er damit nicht durchdringen. Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG ist eine Kompetenznorm, die den Bundesgesetzgeber ermächtigt, auf dem Gebiet der öffentlichen Fürsorge Bundesgesetze zu erlassen. Allein aus dieser Gesetzgebungszuständigkeit folgen indes bereits objektivrechtlich keine Gesetzgebungspflichten oder -aufträge und erst recht keine subjektiv-öffentlichrechtlichen Leistungsansprüche oder Rechte auf Normerlass (s. statt vieler Seiler, in: Epping/Hillgruber, GG-Kommentar, 2009 Art. 70 Rn. 4; Jarass/Pieroth, GG-Kommentar 13. Aufl. 2014, Art. 70 Rn. 22).

60

4. Soweit der Kläger höhere Leistungen für die Zeit begehrt, in der noch das Gesetz über die Errichtung einer Stiftung "Hilfswerk für behinderte Kinder" anzuwenden war (Januar 2004 bis Oktober 2005), gelten die vorstehenden Erwägungen entsprechend. Insbesondere enthielt auch § 14 Abs. 2 StHG einen Höchstbetrag für die monatliche Rente.

61

B. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die begehrte Verdoppelung der jährlichen Sonderzahlung für die Zeit vom 1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2012 oder zumindest deren Erhöhung. Die einfachgesetzlichen Regelungen des Conterganstiftungsgesetzes sehen keine weitergehenden Leistungen vor (1.); sie verstoßen nicht gegen höherrangiges Recht (2.).

62

1. Aus dem Stiftungsgesetz oder den Leistungsrichtlinien ergibt sich kein Verdoppelungs- oder Erhöhungsanspruch zu Gunsten des Klägers.

63

1.1 Rechtsgrundlage für die jährliche Sonderzahlung ist § 13 ContStifG in der Fassung, die diese Regelung durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes (Gesetz vom 25. Juni 2009, BGBl I S. 1534 ) erhalten hat. Hiernach erhalten die leistungsberechtigten Personen eine jährliche Sonderzahlung, soweit dafür Mittel nach § 11 Satz 2 Nr. 1 im Stiftungsvermögen vorhanden sind (§ 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 ContStifG), deren Höhe sich nach der Schwere des Körperschadens und der hierdurch hervorgerufenen Funktionsstörungen richtet. Das Nähere regeln die nach § 13 Abs. 6 ContStifG von dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu erlassenden Richtlinien. In dem streitbefangenen Zeitraum legt die "Tabelle der jährlichen Sonderzahlungen ab 2009" (Anlage 4 der Neufassung der Richtlinien für die Gewährung von Leistungen wegen Contergan-Schadensfällen vom 30. Juni 2009, BAnz vom 3. Juli 2009 S. 2313 ) die Höhe der jährlichen Sonderzahlung fest, und zwar in acht Schädigungsstufen, die nach dem Grad der durch Schädigungspunkte bewerteten Schwere des Körperschadens gestaffelt sind (erste Stufe, für die eine jährliche Sonderzahlung gewährt wird: 10 - 19,99 Schädigungspunkte). Der Kläger erhält den Höchstbetrag der nach der Tabelle vorgesehenen Sonderzahlung in Höhe von 3 680 €, die bei einer mit 80 und mehr Punkten bewerteten Schädigung gezahlt wird. Er macht auch nicht geltend, dass ihm nach ausdrücklichen Regelungen des Stiftungsgesetzes oder der Richtlinien weitergehende Leistungen zustünden.

64

1.2 Der Kläger hat aus dem Stiftungszweck oder allgemeinen Grundsätzen des Stiftungsrechts keinen Anspruch auf eine jährliche Sonderzahlung, die über die ihm nach § 13 Abs. 1, 2 und 6 ContStifG i.V.m. Anlage 4 der Richtlinien gewährten Leistungen hinausgeht. Diese Bestimmungen konkretisieren den Leistungsumfang ohne Rechtsverstoß gegen das Stiftungsrecht.

65

1.2.1 Der Stiftungszweck des § 2 Abs. 1 Nr. 1 ContStifG, durch Contergan Geschädigten Leistungen zu erbringen, wird auch für die jährliche Sonderzahlung durch die weiteren Regelungen des Gesetzes, insbesondere zum Stiftungsvermögen (§ 4 Abs. 1 ContStifG) und dessen Verwendung (§ 11 Satz 2 Nr. 1 ContStifG), zu Art und Umfang der Leistungen (§ 13 Abs. 1 und 2 ContStifG) und die Ermächtigung zu deren Konkretisierung durch die Leistungsrichtlinien (§ 13 Abs. 6 ContStifG) durch den Gesetzgeber konkretisiert. Diese Bestimmungen begrenzen wegen des Vorrangs des Gesetzes den Rückgriff auf allgemeine, übergreifende Grundsätze des Stiftungsrechts und schließen es auch aus, Art oder Umfang der Leistungsgewährung unmittelbar aus dem Stiftungszweck herzuleiten. Nicht zu vertiefen ist dabei, inwieweit dies bei Stiftungen des privaten Rechts möglich wäre. Die Beklagte jedenfalls ist eine Stiftung öffentlichen Rechts, bei der der Gesetzgeber befugt ist, den Stiftungszweck festzulegen und die Mittel und Wege seiner Verwirklichung zu konkretisieren. Für einen übergreifenden, auch den Gesetzgeber selbst bindenden Stiftungszweck, nach dem nicht nur die gesetzlich vorgesehenen, sondern kraft allgemeinen Stiftungsrechts gesetzesunabhängig alle für eine wirksame und dauerhafte Hilfe aus Sicht einzelner Betroffener erforderlichen Leistungen zu erbringen sind, ist bereits deswegen kein Raum; dafür gibt auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Stiftungsgesetz 1974 (BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1976 - 1 BvL 19/75 u.a. - BVerfGE 42, 263) keinen Anhalt.

66

1.2.2. Mit Stiftungsrecht vereinbar ist auch die Ermächtigung an das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, auf der Grundlage der zur Verfügung stehenden Mittel die Maßstäbe zur Bemessung der Leistungen festzulegen (§ 13 Abs. 6 Satz 2 ContStifG). Das umfangreiche Vorbringen des Klägers zu der aus seiner Sicht unzureichenden Autonomie der Stiftung sowie einer Vermischung von Steuerungs- und Aufsichtsfunktionen geht daran vorbei, dass diese vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1976 a.a.O.) nicht beanstandete Richtlinienbefugnis vom Gesetzgeber selbst eingeräumt worden ist, dem bei der Ausgestaltung einer öffentlich-rechtlichen Stiftung ein weiter Spielraum zuzubilligen ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1959 - 2 BvF 1/58 - BVerfGE 10, 20 <45 ff., 49 ff.>). Für einen Missbrauch der Stiftungsform durch den Gesetzgeber ist hier nichts ersichtlich. Die Festlegung der genauen Höhe der Leistungen obliegt nach § 13 Abs. 6 ContStifG einem demokratisch unmittelbar verantwortlichen Ministerium. Die Stiftungen zukommende Autonomie ist aber bei Stiftungen des öffentlichen Rechts, die - wie hier die Beklagte - für die Leistungen in nicht unerheblichem Umfang auch Steuermittel verwenden, in Ausgleich zu bringen mit der demokratischen Kontrolle und Steuerung durch parlamentarisch verantwortliche Instanzen. Die Ermächtigung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ist hierfür ein jedenfalls rechtlich zulässiges Mittel.

67

1.2.3 Die Festlegung der gestaffelten Leistungshöhe durch die Richtlinien, deren genaue Rechtsnatur hier nicht abschließend zu bestimmen ist, verstößt auch nicht gegen den sozialrechtlichen Gesetzesvorbehalt. Ungeachtet der Bedeutung, welche die Stiftungsleistungen insgesamt, aber auch die jährliche Sonderzahlung für die betroffenen Geschädigten haben, handelt es sich jedenfalls nicht um Leistungen zur Sicherung des Grundrechts auf ein menschenwürdiges Existenzminimum, die durch den Gesetzgeber selbst in einem transparenten, rationalen Verfahren auf der Grundlage nachvollziehbarer Bedarfsermittlungen festzulegen sind (BVerfG, Urteile vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - BVerfGE 125, 175 und vom 18. Juli 2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134; s.a. oben Rn. 33 ff.). Überdies hat der Gesetzgeber für die jährliche Sonderzahlung das zur Verfügung stehende Gesamtvolumen (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 und 3 i.V.m. § 11 Satz 2 Nr. 1 ContStifG) und den Verteilungsschlüssel (§ 13 Abs. 2 Satz 1 ContStifG) (Schwere des Körperschadens und dadurch hervorgerufene Körperfunktionsstörungen) hinreichend bestimmt festgelegt und so die dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend verliehene Konkretisierungsbefugnis hinreichend bestimmt.

68

1.2.4 Die in der Tabelle zur jährlichen Sonderzahlung (Anlage 4 der Richtlinie) vorgenommene Staffelung der Leistung füllt den vom Gesetz gezogenen Rahmen in zumindest vertretbarer Weise aus. Nicht zu prüfen ist, ob dies die gerechteste und zweckmäßigste Lösung ist oder auch eine andere, aus Sicht des Klägers möglicherweise vorzugswürdigere Ausgestaltung rechtlich nicht zu beanstanden gewesen wäre. Der Richtliniengeber hat sich für die Leistungsbemessung ersichtlich an der Begründung des Entwurfes für ein Zweites Gesetz zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes (BTDrucks 16/12413 S. 11) orientiert, nach dem sich die Höhe der Sonderzahlungen im Einzelfall ergibt aus dem zur Verfügung stehenden Betrag von insgesamt 100 Mio. €, aus den künftig hieraus erwirtschafteten Erträgen, aus der Anzahl der leistungsberechtigten Personen, der Laufzeit der Sonderzahlungen von 25 Jahren sowie einer Punktetabelle, die sich an der Punktetabelle für Kapitalentschädigung orientiert und durch die im Vergleich zur Conterganrente stärkere Differenzierung eine gerechtere Verteilung anstrebt. Diese Faktoren berücksichtigen vertretbar auch die gesetzlichen Verteilungsvorgaben.

69

1.2.5 Die in der Richtlinie für den Kläger festgelegte Höhe der jährlichen Sonderzahlung verstößt auch weder gegen den allgemeinen Gleichheitssatz noch das Gebot des § 13 Abs. 2 Satz 1 ContStifG, die Leistung an der Schwere des Körperschadens und der hierdurch hervorgerufenen Körperfunktionsstörungen auszurichten.

70

Der Richtliniengeber hat bei der jährlichen Sonderzahlung deutlich stärker differenziert als bei der Conterganrente und insbesondere die dort vom Kläger beanstandete Gleichstellung aller Geschädigten, deren Schädigung mit mehr als 45 Punkten bewertet worden ist, nicht übernommen. Es ist vom Verwaltungsgericht tatrichterlich nicht festgestellt, nicht erkennbar und vom Kläger auch nicht substantiiert vorgetragen, dass innerhalb der Gruppe der Schwerstgeschädigten, deren Schädigung mit mehr als 80 Punkten bewertet worden ist, in Bezug auf die Bedarfs- und Unterversorgungslagen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht erkennbar waren oder sind, dass zur Wahrung des aus dem Gleichheitssatz folgenden Untermaßverbotes eine weitergehende Differenzierung angezeigt gewesen wäre. Demgegenüber greift auch der Hinweis des Klägers nicht durch, die Mehrleistungen im Vergleich zur Gruppe mit bis zu 80 Schädigungspunkten von 460 € jährlich erlaube bei einer auf den wöchentlichen Pflegebedarf bezogenen Berechnung eine allenfalls geringfügige Verbesserung der Betreuungssituation. Die jährliche Sonderzahlung hat schon wegen der für sie zur Verfügung stehenden begrenzten Mittel allenfalls Ergänzungsfunktion und ist nicht bestimmt oder geeignet (gewesen), etwa bestehende Unterversorgungslagen vollständig auszugleichen.

71

Auch der allgemeine Zweck der jährlichen Sonderzahlung, die besonderen Bedarfe der contergangeschädigten Menschen in Zukunft abzudecken und die Lebenssituation der leistungsberechtigten Personen zu verbessern (BTDrucks 16/12413 S. 1 und 7), gebietet schon deswegen nicht eine weitere "Spreizung" durch die Einführung einer Empfängergruppe im Bereich jenseits von 80 Schädigungspunkten oder eine exponentielle Steigerung der Sonderzahlung, weil bei Erlass des Gesetzes klare, differenzierte Erkenntnisse zu den Bedarfs- und Unterversorgungslagen fehlten und mit Blick auf den bereits eingeleiteten Maßnahmen zur Aufklärung der Lebens- und Versorgungslage der Geschädigten auch kein Ermittlungsdefizit bestand (s.a. oben Rn. 42 f.).

72

2. Die Regelungen des Conterganstiftungsgesetzes zur jährlichen Sonderzahlung sind mit dem Grundgesetz auch insoweit vereinbar, als sie der vom Kläger begehrten Verdoppelung bzw. Erhöhung der Sonderzahlung entgegenstehen.

73

2.1 Das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) gebot keine Verdoppelung der jährlichen Sonderzahlung für die Zeit vom 1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2012; vom Kläger nicht substantiiert angegriffen ist dabei, dass der Gesetzgeber diese besonderen Leistungen erst rückwirkend zum 1. Januar 2009 eingeführt hat.

74

Der Gesetzgeber hat mit der Einführung der jährlichen Sonderzahlung durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes (Gesetz vom 25. Juni 2009, BGBl I S. 1534) im Anschluss an die Verdoppelung der gesetzlichen Mindest- und Höchstwerte für die Conterganrenten zum 1. Juli 2008 durch das Erste Gesetz zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes (Gesetz vom 26. Juni 2008, BGBl I S. 1078) die Lebenssituation der contergangeschädigten Menschen verbessern wollen (BTDrucks 16/12413 S. 1). Unmittelbarer Anstoß für die Einführung der jährlichen Sonderzahlung war dabei die Bereitschaft der Firma Grünenthal GmbH, zu diesem Zweck einen Betrag in Höhe von 50 Mio. € über die Conterganstiftung zur Verfügung zu stellen. Weder dieser Zahlung der Firma Grünenthal GmbH noch der Entscheidung, weitere Mittel in gleicher Höhe aus dem Kapitalstock der Stiftung an die leistungsberechtigten Personen auszuzahlen, um die besonderen Bedarfe der contergangeschädigten Menschen in Zukunft abzudecken, lag indes ein klare, differenzierte und auch nach dem Grad der Schädigung differenzierende Betrachtung dieser besonderen Bedarfslagen oder der Unterversorgungslagen zugrunde, die sich aus rechtlichen Leistungsbegrenzungen oder systematischen Umsetzungsschwierigkeiten bei den anderen sozialen Sicherungssystemen ergeben. Diese Erkenntnisse sind erstmals mit den Ergebnissen der Studie der Universität Heidelberg in einer Weise gewonnen worden, die dem Gesetzgeber nach Art und Umfang eine zielgerichtete und passgenauere Anpassung des Leistungssystems des Conterganstiftungsgesetzes ermöglichte. Bei der bestehenden Erkenntnislage bestand nach den vom Bundesverfassungsgericht für die Anpassung sozialstaatlicher Leistungen entwickelten Grundsätzen (s.o. Rn. 33 ff.) kein Anlass für eine weitere Erhöhung des für die jährliche Sonderzahlung zur Verfügung stehenden Finanzvolumens aus dem Kapitalstock der Stiftung bzw. aus Haushaltsmitteln oder eine Konzentration dieser Mittel auf die besonders schwer geschädigten Personen.

75

2.2 Für die Verfassungskonformität im Übrigen wird auf die Gründe verwiesen, aus denen die gesetzliche Rentenobergrenze mit der Verfassung im Einklang steht (s.o. Rn. 31). Sie gelten für die gesetzliche Ausgestaltung der jährlichen Sonderzahlung zumindest entsprechend. Nicht zu vertiefen ist dabei, ob auch der von der Firma Grünenthal GmbH in die Stiftung eingebrachte, vom Gesetzgeber für die jährliche Sonderzahlung bestimmte Betrag durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Leistungsansprüche ausgelöst hat.

76

C. Dem Kläger steht auch der geltend gemachte Anspruch auf Anpassung der laufenden Rentenleistungen nach Maßgabe der Inflationsrate nicht zu.

77

1. Es ist nicht erkennbar und wird von dem Kläger auch nicht geltend gemacht, dass ihm die Erhöhungen der Conterganrente, die sich aus der zum 1. Juli 2009 in § 13 Abs. 2 Satz 4 ContStifG eingefügten Anpassungsklausel nach Maßgabe der Entwicklung der Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung ergeben hatten, nicht gewährt worden wären. Dagegen spricht durchgreifend die Fassung des Revisionsantrages zu 1.

78

Einem Anspruch auf eine weitergehende Anpassung der Conterganrente (Differenz zwischen einer Rentenerhöhung und der Inflationsrate) und eine formelgebundene Dynamisierung auch für vorangehende Zeiträume fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage. Aus dem vom Kläger herangezogenen Stiftungszweck einer wirksamen und dauerhaften Hilfe kann ein solcher Anspruch für den Kläger schon deswegen nicht folgen, weil er für die Zeit bis zum 30. Juni 2009 einen Verstoß gegen die gesetzlich festgelegte Rentenobergrenze bewirkt hätte und für die Zeit ab dem 1. Juli 2009 die ausdrückliche gesetzliche Anpassungsregelung des § 13 Abs. 2 Satz 4 ContStifG entgegensteht.

79

2. Sowohl das Fehlen einer formelgebundenen Rentenanpassungsregelung (bis 30. Juni 2009) als auch die zum 1. Juli 2009 in das Gesetz eingefügte Erhöhungsregelung des § 13 Abs. 2 Satz 4 ContStifG sind mit dem Grundgesetz vereinbar.

80

Das Bundesverfassungsgericht hat den Einwand fehlender Dynamisierung der Renten ausdrücklich als nicht gerechtfertigt zurückgewiesen (BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1976 - 1 BvL 19/75 u.a. - BVerfGE 42, 263 <311>) und dabei darauf verwiesen, dass die Renten nach dem Stiftungsgesetz nicht in erster Linie Versorgungscharakter hätten, sondern Zusatzleistungen gewährten. Die nachfolgende Wiedergabe von Äußerungen der am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten, dass zu gegebener Zeit geprüft werden müsse, ob die Leistungen noch mit dem Ziel des Stiftungsgesetzes, den Geschädigten eine wirksame und dauerhafte Hilfe zu gewähren, vereinbar seien, und der Gesetzgeber, sobald dies nicht mehr der Fall sei, nicht umhin komme, die Leistungen angemessen zu erhöhen oder die Rente zu dynamisieren, legt weder den Stiftungszweck - gar mit verfassungsgerichtlicher Bindungswirkung - für Gesetzgeber oder Gerichte fest noch enthält sie einen verfassungsrechtlichen Dynamisierungsauftrag. Das Referat dieser Äußerungen enthält vielmehr einen Appell des Bundesverfassungsgerichts, dass sich der Gesetzgeber seiner sozialpolitischen Verantwortung für den betroffenen Personenkreis bewusst sein und entsprechend handeln werde. Art und Umfang bindender verfassungsrechtlicher Pflichten des Gesetzgebers erweitert dies nicht; namentlich folgt hieraus kein Anspruch auf eine bestimmte Berechnung periodischer Rentenerhöhungen oder einen vollständigen, anderen Empfängern von Leistungen nicht gewährten Inflationsausgleich. Jedenfalls seit dem Zeitpunkt, zu dem die laufenden Conterganrenten nach Verbrauch des Stiftungskapitals durch Zuwendungen aus dem Bundeshaushalt finanziert werden, scheidet durch die Nichtdynamisierung auch ein Substanzverlust der im Stiftungsgesetz eingeräumten, eigentumsrechtlich geschützten Ansprüche aus (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2010 - 1 BvR 1541, 2685/09 - NJW 2010, 1943 Rn. 31).

81

D. Soweit die Revision des Klägers zurückgewiesen worden ist, folgt die Kostenentscheidung aus § 154 Abs. 2 VwGO. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt haben, entspricht es billigem Ermessen (§ 161 Abs. 2 VwGO), dem Kläger die Kosten aufzuerlegen, weil er unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes auch insoweit unterlegen gewesen wäre. In Bezug auf die Begehren auf zusätzliche Leistungen (laufende Rentenzahlung; jährliche Sonderzahlung) war im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Dritten Gesetzes zu Änderung des Conterganstiftungsgesetzes (Gesetz vom 26. Juni 2013, BGBl I S. 1847), das zum 1. Januar 2013 substantielle Leistungserhöhungen bewirkt hat, offenkundig der Zeitraum noch nicht abgelaufen, der dem Gesetzgeber für die Auswertung der durch die Studien der Universität Heidelberg gewonnenen Erkenntnisse zu Bedarfs- und Unterversorgungslagen der durch Contergan geschädigten Menschen zuzubilligen ist. In Bezug auf die Gewährung durch künftige Gesetze geregelte Leistungserhöhungen und deren Nichtanrechnung auf anderweitige Sozialleistungen wird auf die zutreffenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts verwiesen.

(1) Den in § 12 genannten leistungsberechtigten Personen stehen als Leistungen zu:

1.
eine einmalige Kapitalentschädigung,
2.
eine lebenslängliche Conterganrente vorbehaltlich des Absatzes 2 Satz 3,
3.
jährliche Leistungen zur Deckung spezifischer Bedarfe und
4.
eine jährliche Sonderzahlung, die erstmals für das Jahr 2009 und letztmalig für das Jahr 2022 gewährt wird.
Die jährlichen Leistungen zur Deckung spezifischer Bedarfe, zur Förderung multidisziplinärer medizinischer Kompetenzzentren und die jährlichen Sonderzahlungen werden nur geleistet, soweit dafür Mittel nach § 11 Satz 2 Nummer 1 und 2 im Stiftungsvermögen vorhanden sind. Als jährliche Sonderzahlung werden im Jahr 2022 die gemäß § 11 Satz 2 Nummer 1 insgesamt für die jährlichen Sonderzahlungen zur Verfügung stehenden Mittel bis einschließlich 30. Juni 2022 an die leistungsberechtigten Personen ausgezahlt.

(2) Die Höhe der in Absatz 1 genannten Leistungen richtet sich nach der Schwere des Körperschadens und der hierdurch hervorgerufenen Körperfunktionsstörungen und liegt

1.
bei der einmaligen Kapitalentschädigung zwischen 1 278 Euro und 12 782 Euro,
2.
bei der monatlichen Conterganrente zwischen 662 Euro und 7 480 Euro,
3.
bei den jährlichen Leistungen zur Deckung spezifischer Bedarfe zwischen 876 Euro und 9 900 Euro. Zusätzlich erhält jede leistungsberechtigte Person einen jährlichen Sockelbetrag von 4 800 Euro.
In leichten Fällen sind die Leistungen auf die Kapitalentschädigung zu beschränken. Die Höhe der Conterganrente wird durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend jeweils entsprechend dem Prozentsatz angepasst, um den sich die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung verändern. Die Anpassung nach Satz 4 erfolgt jeweils zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst werden.

(3) Auf Antrag ist die Conterganrente zu kapitalisieren, soweit der Betrag zum Erwerb oder zur wirtschaftlichen Stärkung eigenen Grundbesitzes zu eigenen Wohnzwecken verwendet wird. Die §§ 72, 73, 74 Abs. 3 Satz 1, §§ 75, 76 und 77 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 3 des Bundesversorgungsgesetzes finden entsprechende Anwendung. § 75 Abs. 1 Satz 2 des Bundesversorgungsgesetzes findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die Veräußerung und Belastung des mit der Kapitalabfindung erworbenen oder wirtschaftlich gestärkten Grundstücks, Erbbaurechts, Wohnungseigentums oder Wohnungserbbaurechts innerhalb der Frist, für die die Conterganrente kapitalisiert wurde, nur mit Genehmigung der Stiftung zulässig sind. Die Kosten der Eintragung einer Verfügungsbeschränkung gemäß § 75 Abs. 1 Satz 2 bis 4 des Bundesversorgungsgesetzes in das Grundbuch trägt die leistungsberechtigte Person. Darüber hinaus ist die Conterganrente auf Antrag zu kapitalisieren, wenn dies im berechtigten wirtschaftlichen Interesse der leistungsberechtigten Person liegt. Im Übrigen kann die Conterganrente auf Antrag teilweise kapitalisiert werden, wenn dies im Interesse der leistungsberechtigten Person liegt. Die Kapitalisierung ist auf die für einen Zeitraum von höchstens zehn Jahren zustehende Conterganrente beschränkt. Der Anspruch auf Conterganrente, an deren Stelle die Kapitalabfindung tritt, erlischt für die Dauer des Zeitraumes, für den die Kapitalabfindung gewährt wird, mit Ablauf des Monats, der auf den Monat der Auszahlung der Abfindung folgt.

(4) Die Zahlungen der Conterganrente beginnen frühestens mit dem Antragsmonat. Wird der Antrag innerhalb von drei Monaten nach dem Inkrafttreten des Errichtungsgesetzes gestellt, so wird die Conterganrente vom Zeitpunkt des Inkrafttretens an gewährt. Die jährlichen Sonderzahlungen beginnen nach Maßgabe des Absatzes 1 Satz 1 mit dem Jahr, in dem der Antrag auf Conterganrente gestellt worden ist. Für die Auszahlung der Mittel für die jährlichen Sonderzahlungen nach Absatz 1 Satz 3 werden Anträge auf Leistungen nach diesem Gesetz oder Anträge auf Erhöhung der Leistungen nach diesem Gesetz berücksichtigt, die bis einschließlich 31. Dezember 2021 gestellt worden sind. Die Zahlung der jährlichen Leistungen zur Deckung spezifischer Bedarfe nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 beginnt ab dem 1. Januar 2017.

(5) Die Ansprüche auf die in Absatz 1 genannten Leistungen können nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden. Vererblich sind lediglich Ansprüche auf Kapitalentschädigung, auf Conterganrente und auf die jährliche Sonderzahlung, die im Zeitpunkt des Todes der leistungsberechtigten Person bereits fällig geworden sind, und zwar nur dann, wenn die Person von ihrem Ehegatten, ihrer Lebenspartnerin oder ihrem Lebenspartner, ihren Kindern oder ihren Eltern beerbt wird.

(6) Das Nähere regeln die Satzung und die Richtlinien. Die Satzung trifft insbesondere Bestimmungen über die Voraussetzungen und den Umfang der Kapitalisierung der Conterganrente nach Absatz 3 Satz 5 und 6 sowie über die Art der Berechnung des Kapitalbetrages. In den Richtlinien ist insbesondere zu regeln, nach welchen Maßstäben auf der Grundlage der zur Verfügung stehenden Mittel Leistungen nach diesem Abschnitt zu bemessen sind und wie das Verfahren zur Gewährung von Leistungen zur Deckung spezifischer Bedarfe auszugestalten ist; diese Richtlinien erlässt das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

(7) An Erhöhungen der Conterganrente nehmen auch leistungsberechtigte Personen teil, deren Conterganrente nach Absatz 3 kapitalisiert worden ist.

(8) Für die Rückforderung zu Unrecht erbrachter Leistungen gelten die Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes entsprechend. § 118 Abs. 3 und 4 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch ist entsprechend anwendbar.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 23. Mai 2013  14 K 2164/11 Kg aufgehoben.

Die Sache wird an das Finanzgericht Düsseldorf zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Die im Jahr 1989 geborene Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist mit einem Grad der Behinderung von 100 schwerbehindert (Merkzeichen Bl, H, G und B). Sie ist Mutter von drei Kindern, die im Februar 2010, Februar 2011 und Oktober 2012 geboren sind. Sie bezog Blindengeld, Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) sowie Elterngeld nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz in der für die Jahre 2010 und 2011 geltenden Fassung (BEEG). Letzteres belief sich zunächst auf 300 € und nach der Geburt des zweiten Kindes auf 375 €. Der Beigeladene, der Vater der Klägerin, beantragte für diese Kindergeld. Die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) lehnte den Antrag mit Bescheid vom 16. November 2010 ab, weil die Behinderung der Klägerin nicht ursächlich dafür sei, dass sie sich nicht selbst unterhalten könne. Einen Abdruck des Ablehnungsbescheides übersandte die Familienkasse der Klägerin. Diese legte gegen den Bescheid Einspruch ein. Sie war der Ansicht, sie sei wegen ihrer Sehbehinderung nicht dazu in der Lage, sich selbst zu unterhalten.

2

Der Rechtsbehelf hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 23. Mai 2011), ebenso wenig die Klage, durch welche die Familienkasse verpflichtet werden sollte, Kindergeld ab Mai 2010 festzusetzen (Urteil des Finanzgerichts --FG-- Düsseldorf vom 23. Mai 2013  14 K 2164/11 Kg, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2013, 1243). Das FG war der Ansicht, die Klägerin sei als Abzweigungsberechtigte zugunsten des Beigeladenen einspruchs- und klagebefugt. Sie sei zwar nicht imstande, sich selbst zu unterhalten, jedoch sei die Behinderung hierfür nicht ursächlich. Das Blindengeld von jährlich 7.307,52 € decke den behinderungsbedingten Mehrbedarf in vollem Umfang ab; einen darüber hinausgehenden Mehrbedarf habe die Klägerin nicht nachgewiesen. Die Leistungen nach dem SGB II, welche die Klägerin bezogen habe und die sich zwischen monatlich 310,52 € und 534,60 € bewegt hätten, lägen unter dem Grundbedarf von monatlich 667 €. Das Elterngeld von 300 € bzw. 375 € sei nicht bei den Bezügen zu berücksichtigen. Somit sei die Klägerin nicht dazu imstande, sich selbst zu unterhalten. Ihre Behinderung sei hierfür jedoch nicht ursächlich. Das FG stützte seine Auffassung auf ein von ihm eingeholtes Sachverständigengutachten. Es war der Ansicht, wegen der gutachterlich festgestellten Möglichkeit einer vollschichtigen Berufstätigkeit sei die Annahme ausgeschlossen, die Behinderung sei eine erhebliche Ursache für die fehlende Möglichkeit zum Selbstunterhalt.

3

Zur Begründung der Revision verweist die Klägerin auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 31. August 2006 III R 71/05 (BFHE 214, 544, BStBl II 2010, 1054), in dem Kindergeld für ein blindes Kind zugesprochen worden sei. Im Urteil vom 19. November 2008 III R 105/07 (BFHE 223, 365, BStBl II 2010, 1057) habe der BFH bei einem Grad der Behinderung von 100 mit dem Merkzeichen H von einer Kausalitätsregel gesprochen und außerdem entschieden, dass eine gutachterlich bestätigte Möglichkeit, eine vollschichtige Tätigkeit auszuüben, allein nicht geeignet sei, die Ursächlichkeit der Behinderung auszuschließen.

4

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil, den Ablehnungsbescheid vom 16. November 2010 sowie die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 23. Mai 2011 aufzuheben und die Familienkasse zu verpflichten, gegenüber dem Beigeladenen Kindergeld ab Mai 2010 in gesetzlicher Höhe festzusetzen.

5

Die Familienkasse beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

6

Der Beigeladene hat sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.

7

Der Beigeladene hat nicht auf mündliche Verhandlung verzichtet. Dem Senat erscheint es sachgerecht, durch Gerichtsbescheid zu erkennen (§ 90a Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Streitsache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).

9

1. Die Klägerin ist befugt, in eigenem Namen im Klagewege die Festsetzung von Kindergeld zugunsten des Beigeladenen zu betreiben.

10

Nach § 67 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für die Jahre 2010 und 2011 geltenden Fassung kann außer dem Berechtigten auch derjenige einen Antrag auf Kindergeld stellen, der ein berechtigtes Interesse an der Leistung des Kindergeldes hat. Das kann gemäß § 74 Abs. 1 Satz 1 und 3 EStG auch ein Kind sein, wenn der Kindergeldberechtigte dem Kind gegenüber mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltsverpflichtet ist (Senatsurteil vom 26. November 2009 III R 67/07, BFHE 228, 42, BStBl II 2010, 476). Diese Voraussetzungen hat das FG bejaht. Aus der Antragsbefugnis der Klägerin folgt zugleich die Klagebefugnis in einem finanzgerichtlichen Verfahren, in dem die Rechtmäßigkeit eines Kindergeld-Ablehnungsbescheides streitig ist (Senatsbeschluss vom 30. Oktober 2008 III R 105/07, BFH/NV 2009, 193).

11

2. Das FG hat zu Unrecht die Leistungen nach dem BEEG, welche die Klägerin für die Betreuung und Erziehung von zunächst einem und später von zwei Kindern erhalten hat, bei der Prüfung einer (Un-)Fähigkeit zum Selbstunterhalt außer Betracht gelassen. Darüber hinaus hat es rechtsfehlerhaft aus dem Umstand, dass in einem Gutachten eine vollschichtige Tätigkeit der Klägerin für möglich gehalten wird, den Schluss gezogen, die Behinderung der Klägerin sei nicht ursächlich für deren mangelnde Fähigkeit, sich selbst zu unterhalten.

12

3. Nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG wird Kindergeld für ein Kind gewährt, das wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, sofern die Behinderung --wie im Streitfall-- vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.

13

a) Ein Kind ist außerstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten kann. Der gesamte Lebensbedarf eines behinderten Kindes setzt sich aus dem Grundbedarf und dem individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf zusammen (BFH-Urteil vom 15. Oktober 1999 VI R 183/97, BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72). Der Grundbedarf orientiert sich in den Jahren 2010 und 2011 am Jahresgrenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG von 8.004 € (vgl. BFH-Urteil vom 14. Dezember 2004 VIII R 59/02, BFH/NV 2005, 1090), welcher der Höhe nach dem Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG entspricht. Er beläuft sich monatlich auf 667 €. Die Prüfung des Imstandeseins zum Selbstunterhalt ist für jeden einzelnen Monat durchzuführen (BFH-Urteil vom 4. November 2003 VIII R 43/02, BFHE 204, 120, BStBl II 2010, 1046; Senatsurteil vom 11. April 2013 III R 35/11, BFHE 241, 499, BStBl II 2013, 1037). Erreichen die Einkünfte und Bezüge des Kindes die Summe aus Grundbedarf und behinderungsbedingtem Mehrbedarf, so kann das Kind sich selbst unterhalten.

14

b) Das FG hat im Streitfall zutreffend angenommen, dass das Blindengeld von monatlich 608,96 € den durch die Blindheit verursachten Mehrbedarf der Klägerin auch insoweit abdeckt, als es den anteiligen Pauschbetrag nach § 33b Abs. 3 Satz 3 EStG von monatlich 308,33 € übersteigt. Denn nach dem Senatsurteil in BFHE 214, 544, BStBl II 2010, 1054, an dem der Senat festhält, ist zu vermuten, dass in Höhe des tatsächlich ausgezahlten Blindengeldes ein behinderungsbedingter Mehraufwand besteht. Weiterer behinderungsbedingter Mehrbedarf ist nach den Feststellungen des FG nicht anzusetzen.

15

c) Zu den Bezügen, mit deren Hilfe die Klägerin ihren existenziellen Grundbedarf abdecken kann, gehören auch die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und für die Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II (vgl. BFH-Urteile vom 26. November 2003 VIII R 32/02, BFHE 204, 454, BStBl II 2004, 588, zu Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz, und vom 20. März 2013 XI R 51/10, BFH/NV 2013, 1088, zur Grundsicherung nach §§ 41 ff. des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch; Senatsurteil vom 8. August 2013 III R 30/12, BFH/NV 2014, 498). Aus den in den Akten enthaltenen Bewilligungsbescheiden, auf die sich das FG in den Entscheidungsgründen seines Urteils bezogen hat, geht hervor, dass sich diese Leistungen im streitigen Zeitraum (Mai 2010 bis Mai 2011) auf mindestens 310,52 € (April 2011) und höchstens 534,60 € beliefen (Monate November und Dezember 2010).

16

d) Entgegen der Rechtsauffassung des FG zählt auch das Elterngeld zu den Bezügen der Klägerin und ist daher bei der Prüfung der (Un-)Fähigkeit zum Selbstunterhalt einzubeziehen.

17

aa) Das FG war der Ansicht, nur Elterngeld, das den Betrag von 300 € überschreitet, führe zu anzusetzenden Bezügen. Es bezog sich hierzu auf die zur Einkünfte- und Bezügegrenze des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ergangene Verwaltungsanweisung nach Abschn. 63.4.2.3.1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes (DA-FamEStG 2009, BStBl I 2009, 1033).

18

bb) Als Grund für diese Verwaltungsreglung kommt § 10 Abs. 1 BEEG in Betracht, der bestimmt, dass das Elterngeld bei Sozialleistungen, deren Zahlung von anderen Einkommen abhängig ist, bis zu einer Höhe von insgesamt 300 € im Monat unberücksichtigt bleibt. Die Vorschrift ist bei der Prüfung der (Un-) Fähigkeit zum Selbstunterhalt eines Kindes, für das Kindergeld nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG begehrt wird, jedoch schon deshalb nicht anwendbar, weil der Anspruch auf Kindergeld originär dem Kindergeldberechtigten --in der Regel einem Elternteil-- zusteht und nicht dem Kind, das wegen eines eigenen Kindes Elterngeld bezieht.

19

cc) In den neueren Verwaltungsanweisungen wird das Elterngeld in vollem Umfang in die Ermittlung der Bezüge eines behinderten Kindes einbezogen (s. zuletzt Kap. A 18.5.2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem EStG, Stand 2014, BStBl I 2014, 918; zuvor Abschn. 63.3.6.4 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Abschn. 31.2.4.2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 DA-FamEStG, Stand 2012, BStBl I 2012, 739).

20

4. Die Sache ist nicht spruchreif.

21

a) Aus den Feststellungen des FG geht zwar hervor, dass die Klägerin Elterngeld bezogen hat, nicht aber, ob dieses in allen Monaten des Streitzeitzeitraums bei ihren Bezügen zu berücksichtigen ist. Aus den Bescheiden über die Festsetzung von Leistungen nach dem SGB II ist zu ersehen, dass das Elterngeld in einzelnen Zeiträumen des Jahres 2011, in dem es nach § 10 Abs. 5 BEEG auf die Leistungen nach dem SGB II anzurechnen war, als Einkommen angesetzt worden ist und in anderen nicht. Dies könnte darauf hindeuten, dass das Elterngeld der Klägerin nicht laufend zugeflossen ist. Das FG wird im zweiten Rechtsgang die entsprechenden Feststellungen nachzuholen haben.

22

b) Auch hinsichtlich des Monats Januar 2011 besteht keine Spruchreife. Zwar liegt in diesem Monat die Summe aus den Leistungen nach dem SGB II (334,62 €) und nach dem BEEG (300 €) unter dem Grundbedarf von 667 €. In diesem Monat war die Klägerin nicht dazu imstande, sich selbst zu unterhalten. Dennoch ist die Streitsache auch insoweit nicht entscheidungsreif, da die Frage, ob die Behinderung der Klägerin ursächlich für die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt ist, nicht geklärt ist. Nach der Senatsrechtsprechung genügt die von einem Gutachter bestätigte Möglichkeit, eine vollschichtige Tätigkeit auszuüben, allein noch nicht, um die Ursächlichkeit auszuschließen (Senatsurteil in BFHE 223, 365, BStBl II 2010, 1057). In Widerspruch hierzu hat das FG gemeint, wegen der gutachterlich festgestellten Möglichkeit einer vollschichtigen Berufstätigkeit sei die Annahme ausgeschlossen, die Behinderung sei eine erhebliche Ursache für die fehlende Möglichkeit zum Selbstunterhalt. Die vom FG in Betracht gezogene Beschäftigung der Klägerin als Telefonistin ist aus der Sicht des Senats eher von theoretischer Natur.

23

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

Werden für Aufwendungen infolge eines Körper- oder Gesundheitsschadens Sozialleistungen in Anspruch genommen, wird bei der Feststellung eines Unterhaltsanspruchs vermutet, dass die Kosten der Aufwendungen nicht geringer sind als die Höhe dieser Sozialleistungen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 164/14
vom
16. Juli 2014
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Versorgungsausgleich zugunsten eines contergangeschädigten Ehegatten
kann nicht nach § 27 VersAusglG mit der Begründung ausgeschlossen werden,
dass der Ausgleichsberechtigte wegen seiner Conterganrente auf die Durchführung
des Versorgungsausgleichs nicht angewiesen sei.
BGH, Beschluss vom 16. Juli 2014 - XII ZB 164/14 - OLG Bamberg
AG Schweinfurt
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Juli 2014 durch den
Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Schilling, Dr. Günter, Dr. NeddenBoeger
und Dr. Botur

beschlossen:
Der Antrag der Antragstellerin auf Verfahrenskostenhilfe wird abgelehnt , weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

Gründe:

I.

1
Die beteiligten Eheleute streiten im Scheidungsverbund um Versorgungsausgleich.
2
Der 1961 geborene Ehemann war in der Ehezeit als Garten- und Landschaftsbauarchitekt selbständig; sein Unternehmen ist mittlerweile insolvent. Zuvor hatte er im Rahmen eines erfolglosen Sanierungsversuchs seine private Altersvorsorge aufgelöst und in das Unternehmen eingebracht. Sonstige Versorgungsanrechte hat der Ehemann in der Ehezeit nicht erworben. Der Ehemann ist Contergangeschädigter und bezieht eine steuer- und sozialabgabenfreie Conterganrente von der Beteiligten zu 3 (Contergan-Stiftung), deren Höhe zunächst monatlich 1.116 € betrug und die im Zuge einer erheblichen Anhebung des Rentenniveaus im Jahre 2013 auf mittlerweile monatlich 3.686 € (zuzüglich einer jährlichen Sonderzahlung in Höhe von 1.840 €) erhöht wurde. Ausgezahlt wird dem Ehemann bis Ende Januar 2016 lediglich ein um monat- lich 523,56 € gekürzter Betrag, weil er sich diesen Teilbetrag seiner Rente Anfang der 2000er Jahre kapitalisieren ließ.
3
Die 1966 geborene Ehefrau ist Krankenschwester. Sie ist schwerbehindert und bezieht neben Erwerbseinkünften aus einer Teilzeitbeschäftigung (15 Wochenstunden) eine gesetzliche Rente wegen voller Erwerbsminderung. Sie hat in der Ehezeit Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Anrechte in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes erworben.
4
Das Amtsgericht hat den Versorgungsausgleich nach § 27 VersAusglG ausgeschlossen, weil die Ehefrau auf ihre Versorgungsanrechte dringend angewiesen sei und sich die Versorgungssituation des Ehemannes in Ansehung seiner Conterganrente nicht wesentlich verbessern würde. Auf die Beschwerde des Ehemannes hat das Beschwerdegericht die Entscheidung abgeändert und den Versorgungsausgleich durch interne Teilung der Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung und der Zusatzversorgung zu Lasten der Ehefrau durchgeführt.
5
Die Ehefrau begehrt Verfahrenskostenhilfe für die Durchführung der zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

6
Die für die Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens beantragte Verfahrenskostenhilfe ist nicht zu bewilligen, weil die Rechtsverfolgung der Antragsgegnerin keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 76 Abs. 1 FamFG iVm § 114 ZPO) verspricht.
7
1. Unbeschadet der für den Senat bindenden Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Beschwerdegericht stellen sich im vorliegenden Fall keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung (§ 70 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 FamFG). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Sache, wenn sie eine entscheidungserhebliche , klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann (Senatsbeschluss vom 24. April 2013 - XII ZR 159/12 - FamRZ 2013, 1199 Rn. 4 mwN). Klärungsbedürftig sind solche Rechtsfragen, deren Beantwortung zweifelhaft oder schwierig ist oder zu denen unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und die noch nicht oder nicht hinreichend höchstrichterlich geklärt sind (vgl. BVerfG FamRZ 2010, 1235, 1236).
8
So liegt der Fall hier nicht.
9
a) Die Conterganrente gehört - was nicht in Zweifel gezogen wird - nicht zu den gemäß § 2 Abs. 2 VersAusglG in den Versorgungsausgleich einzubeziehenden Anrechten, weil sie aus Entschädigungsgründen gezahlt wird und weder durch Arbeit noch durch Vermögen erworben worden ist. Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde deswegen auch lediglich wegen der Frage zugelassen, ob der Bezug einer Conterganrente im Rahmen des § 27 VersAusglG bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Ausgleichsberechtigten berücksichtigt werden dürfe.
10
b) Dieser Rechtsfrage kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil sie nach dem geltenden Recht eindeutig zu beantworten ist.
11
aa) Gemäß § 18 Abs. 1 ContStifG bleiben Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz bei der Ermittlung oder Anrechnung von Einkommen, sonstigen Einnahmen und Vermögen nach anderen Gesetzen, insbesondere dem Zweiten, Dritten, Fünften und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch und dem Bürger- lichen Gesetzbuch, außer Betracht. Die Aufzählung dieser Gesetze ist - wie die Formulierung "insbesondere" verdeutlicht - nicht abschließend (vgl. BT-Drucks. 15/5654, S. 13) und schließt deshalb das Versorgungsausgleichsgesetz nicht aus. § 18 Abs. 2 Satz 1 ContStifG bestimmt darüber hinaus, dass Verpflichtungen Anderer, insbesondere Unterhaltspflichtiger und der Träger der Sozialhilfe oder anderer Sozialleistungen, durch das Conterganstiftungsgesetz nicht berührt werden. Im Versorgungsausgleich würde die Ausgleichspflicht des Ehegatten mit den höheren Versorgungsanrechten jedoch durchaus berührt, wenn man (auch) die dem ausgleichsberechtigten Ehegatten gewährten Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz zum Anlass nehmen würde, den auf § 1 Abs. 1 VersAusglG beruhenden Anspruch des Contergangeschädigten auf Halbteilung der in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte nach § 27 VersAusglG herabzusetzen oder auszuschließen. Zwingende gesetzessystematische Gründe, welche die Schlussfolgerung nahelegen könnten, dass § 18 ContStifG der Berücksichtigung von Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz zumindest bei der Anwendung von Härte- oder Billigkeitsregelungen des bürgerlichen Rechts nicht entgegenstünde, bestehen nicht. Hätte der Gesetzgeber dies gewollt, hätte er es - wie beispielsweise in § 11 Satz 4 BEEG und der dort enthaltenen Bezugnahme auf §§ 1579, 1611 Abs. 1 BGB - ausdrücklich anordnen können.
12
bb) Im Übrigen gehört die Conterganrente nach allgemeiner Auffassung (Palandt/Brudermüller BGB 73. Aufl. § 1610 a Rn. 3; MünchKommBGB/Born 6. Aufl. § 1610 a Rn. 10; Soergel/Seibl BGB 13. Aufl. § 1610 a Rn. 5; Erman/ Hammermann BGB 13. Aufl. § 1610 a Rn. 6; Botur in Büte/Poppen/Menne Unterhaltsrecht 2. Aufl. § 1610 a BGB Rn. 5; NK-BGB/Kath-Zurhorst/Reuter 3. Aufl. § 1610 a Rn. 4; Heiß/Heiß in Heiß/Born Unterhaltsrecht [Bearbeitungsstand : 2014] 3. Kap. Rn. 111; Breuer/Louis MedR 2007, 223, 226; vgl. auch BT-Drucks. 15/5654, S. 13) zu den Sozialleistungen, die für Aufwendungen in- folge eines Körper- oder Gesundheitsschadens gewährt werden und bei denen gemäß § 1610 a BGB bei der Feststellung eines Unterhaltsanspruches vermutet wird, dass die Kosten der Aufwendungen nicht geringer sind als die Höhe dieser Sozialleistungen. Auch wenn die Vorschriften des Versorgungsausgleichsrechts keine unmittelbare Verweisung auf § 1610 a BGB enthalten, werden die Grundsätze des § 1610 a BGB auch im Rahmen des § 27 VersAusglG bei der Beurteilung der Frage zu berücksichtigen sein, ob der Unterhalt des ausgleichsberechtigten Ehegatten durch anderweitige Einkünfte gedeckt ist (vgl. auch OLG Düsseldorf FamRZ 1995, 1277, 1278). Denn wenn und soweit eine dem Ausgleichsberechtigten aus Entschädigungsgründen gezahlte Sozialleistung lediglich schadensbedingten Mehraufwand abdecken soll, bezweckt sie keine soziale Absicherung für Alter oder Invalidität und kann daher auch keinen Ausschluss des Versorgungsausgleichs rechtfertigen (vgl. bereits Staudinger/ Rehme BGB [2000] § 1587 c Rn. 22; Soergel/Lipp BGB 13. Aufl. § 1587 c Rn. 13).
13
Zwar stellt § 1610 a BGB lediglich eine widerlegbare gesetzliche Vermutung auf, so dass die ausgleichspflichtige Person den Gegenbeweis dafür führen könnte, dass die ausgleichsberechtigte Person, die eine Conterganrente bezieht, in voller Höhe ihrer Rente tatsächlich keinen durch Körper- und Gesundheitsschaden bedingten Mehrbedarf hat. Gerade diesen Gegenbeweis wollte der Gesetzgeber aber durch die Fassung des § 18 ContStifG ausschließen; es sollte ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfes klargestellt werden, dass die Leistungen nach dem neuen Conterganstiftungsgesetz "als echte Zusatzleistungen" erhalten bleiben (BT-Drucks. 15/5654, S. 13). Nach diesen Intentionen des Gesetzgebers ist es - trotz der mittlerweile nicht unerheblichen Höhe der Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz - nicht möglich, von der Durchführung des Versorgungsausgleichs mit der Begründung abzusehen, die ausgleichsberechtigte Person sei bereits mit ihrer Conterganrente ausreichend versorgt.
14
2. Ergeben sich somit keine Rechtsfragen, die einer Klärung durch höchstrichterliche Entscheidung bedürften, kommt es für die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe in der Rechtsbeschwerdeinstanz allein auf die Erfolgsaussichten in der Sache an (Senatsbeschlüsse vom 24. April 2013 - XII ZR 159/12 - FamRZ 2013, 1199 Rn. 9 und vom 16. Oktober 2013 - XII ZB 176/12 - FamRZ 2014, 105 Rn. 36). Diese bestehen nicht.
Dose Schilling Günter Nedden-Boeger Botur
Vorinstanzen:
AG Schweinfurt, Entscheidung vom 07.06.2013 - 3 F 369/12 -
OLG Bamberg, Entscheidung vom 24.02.2014 - 7 UF 188/13 -

(1)1Das für ein Kind festgesetzte Kindergeld nach § 66 Absatz 1 kann an das Kind ausgezahlt werden, wenn der Kindergeldberechtigte ihm gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt.2Kindergeld kann an Kinder, die bei der Festsetzung des Kindergeldes berücksichtigt werden, bis zur Höhe des Betrags, der sich bei entsprechender Anwendung des § 76 ergibt, ausgezahlt werden.3Dies gilt auch, wenn der Kindergeldberechtigte mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist oder nur Unterhalt in Höhe eines Betrags zu leisten braucht, der geringer ist als das für die Auszahlung in Betracht kommende Kindergeld.4Die Auszahlung kann auch an die Person oder Stelle erfolgen, die dem Kind Unterhalt gewährt.

(2) Für Erstattungsansprüche der Träger von Sozialleistungen gegen die Familienkasse gelten die §§ 102 bis 109 und 111 bis 113 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend.

Gründe

Finanzgericht München

Az.: 7 K 2184/13

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

Stichwort: Abzweigung Kindergeld

In der Streitsache

wegen Kindergeld

hat der 7. Senat des Finanzgerichts München durch ... aufgrund der mündlichen Verhandlung

vom 29. Juni 2015

für Recht erkannt:

1. Unter Aufhebung des Bescheids vom 23. Oktober 2012 und der Einspruchsentscheidung vom 12. Juli 2013 wird die Familienkasse verpflichtet, das Kindergeld für A ab Oktober 2012 an die Gemeinde B auszuzahlen.

2. Die Familienkasse trägt die Kosten des Verfahrens. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Rechtsmittelbelehrung

Die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil kann durch Beschwerde angefochten werden.

Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Abschrift oder Ausfertigung des angefochtenen Urteils beigefügt werden. Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen.

Rechtsmittel können auch über den elektronischen Gerichtsbriefkasten des Bundesfinanzhofs eingelegt und begründet werden, der über die vom Bundesfinanzhof zur Verfügung gestellte Zugangs- und Übertragungssoftware erreichbar ist. Die Software kann über die Internetseite „www.bundesfinanzhof.de“ lizenzkostenfrei heruntergeladen werden. Hier befinden sich auch weitere Informationen über die Einzelheiten des Verfahrens, das nach der Verordnung der Bundesregierung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof vom 26. November 2004 (BGBl. I S. 3091) einzuhalten ist.

Vor dem Bundesfinanzhof müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesfinanzhof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer zugelassen; zur Vertretung berechtigt sind auch Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie Partnerschaftsgesellschaften, deren Partner ausschließlich Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer sind. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe des vorhergehenden Satzes zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Der Bundesfinanzhof hat die Postanschrift: Postfach 86 02 40, 81629 München, und die Hausanschrift: Ismaninger Str. 109, 81675 München, sowie den Telefax-Anschluss: 089 /

92 31-201.

Lässt der Bundesfinanzhof aufgrund der Beschwerde die Revision zu, so wird das Verfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses des Bundesfinanzhofs über die Zulassung der Revision ist jedoch bei dem Bundesfinanzhof eine Begründung der Revision einzureichen. Die Beteiligten müssen sich auch im Revisionsverfahren nach Maßgabe des vierten Absatzes dieser Belehrung vertreten lassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Abzweigung von Kindergeld.

A, geboren am 27. November 1989, ist aufgrund einer angeborenen geistigen Behinderung dauerhaft voll erwerbsgemindert i. S. d. § 43 Abs. 2 SGB VI (GdB 70 B G, Bl. 75 ff und Bl. 87 ff FK-Akte) und bezieht seit dem 1. Oktober 2009 Grundsicherungsleistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII durch die Klägerin. Die Kosten seiner Unterkunft übernimmt die Klägerin entsprechend seinem Wohnanteil zu einem Drittel. A lebt bei seiner Großmutter, der Beigeladenen, die ihrerseits SGB II - Leistungen durch das Jobcenter erhält und Kindergeldberechtigte ist. Die Mutter von A ist nicht in der Lage, ihrem Sohn Unterhalt zu gewähren, der Aufenthalt des Vaters ist unbekannt.

Die Beigeladene erklärte mit Schreiben vom 20. Januar 2011 gegenüber der Familienkasse, dass sie das Kindergeld für ihren Enkel verwalte und für ihn ausgebe. Sie kaufe Kleidung, Schuhe und bezahle für Sport und sonstige Freizeitgestaltung.

Am 2. Oktober 2012 beantragte die Klägerin die Abzweigung des Kindergelds gemäß § 74 Abs. 1 Satz 4 Einkommensteuergesetz (EStG), da die Beigeladene das Kindergeld nicht an ihren Enkel weiterleite, so dass eine Anrechnung des Kindergelds als Einkommen des A nicht möglich sei. Mit Bescheid der Familienkasse vom 23. Oktober 2012 wurde der Antrag abgelehnt. Der dagegen gerichtete Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 12. Juli 2013 als unbegründet zurückgewiesen.

Mit der hiergegen eingelegten Klage macht die Klägerin weiterhin geltend, dass die Voraussetzungen für eine Überleitung nach § 74 Abs. 1 Satz 4 EStG vorlägen. Die Beigeladene sei ihrem Enkel gemäß § 1607 Abs. 1 i. V. m. § 1601 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zum Unterhalt verpflichtet. Da sie als SGB-Leistungsempfängerin hierzu nicht in der Lage sei, werde der gesamte Lebensunterhalt von A durch die Klägerin bestritten. Aufgrund der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) seien als Unterhaltsleistungen nur tatsächliche Aufwendungen, nicht jedoch Sach- und Betreuungsleistungen zu berücksichtigen. Mit dem Geld, das die Beigeladene vom Jobcenter München beziehe, könne sie gerade ihren eigenen Lebensunterhalt bestreiten, Unterhaltsleistungen an den Enkel könne sie davon nicht erbringen. Aufgrund der dauernden Erwerbsminderung von A bilde dieser auch keine Bedarfsgemeinschaft mit seiner Großmutter (§ 7 Abs. 2 SGB II), so dass das Kindergeld bei der Beigeladenen als der Kindergeldberechtigten bedarfsmindernd nach § 11 SGB II als Einkommen berücksichtig werde. Das bedeute, dass die Beigeladene nur mithilfe des Kindergeldes in der Lage sei, ihren eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten, der Bedarf des Enkels könne daraus nicht gedeckt werden. Dies sei auch nicht erforderlich, weil dessen Lebensunterhalt von der Klägerin bezahlt werde. Nutznießerin sei somit das Jobcenter München, das sich durch die Einkommensanrechnung nach § 11 SGB II Aufwendungen für die Beigeladene in Höhe des Kindergeldes erspare. Die Klägerin werde dagegen ungerechtfertigt benachteiligt, da sie für den Unterhalt für A aufkomme, ohne dass ein Ausgleich durch das Kindergeld geschaffen werde. Dieser Ausgleich könne nur mithilfe der für diese Fälle vorgesehenen Überleitung nach § 74 Abs. 1 Satz 4 EStG geschaffen werden. Im Hinblick auf die Höhe der Abzweigung sei das Ermessen auf Null reduziert, nachdem tatsächliche Aufwendungen der Beigeladenen nicht nachgewiesen worden seien und infolge des Bezugs von SGB II-Leistungen nicht erwartet werden könnten.

Die Klägerin beantragt,

die Familienkasse unter Aufhebung des Bescheids vom 23. Oktober 2012 und der Einspruchsentscheidung vom 12. Juli 2013 zu verpflichten, das Kindergeld für A ab Oktober 2012 an die Klägerin auszuzahlen.

Die Familienkasse beantragt, die Klage abzuweisen.

Ergänzend zur Einspruchsentscheidung trägt sie vor, dass die Voraussetzungen für eine Abzweigung nicht vorlägen, da die Kindergeldberechtigte (Beigeladene) gemäß der abgegebenen Erklärung das an sie ausbezahlte Kindergeld tatsächlich ihrem Enkelkind zukommen lasse. Als Unterhaltsleistungen seien nicht nur Geldzahlungen, sondern auch Sach- und Betreuungsleistungen zu berücksichtigen.

Mit Beschluss vom 21. April 2006 ist die Kindergeldberechtigte zum Verfahren beigeladen worden (§ 60 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung - FGO).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten der Familienkasse, die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

II.

Die Klage ist begründet, die Voraussetzungen für eine Abzweigung liegen vor.

1. Die Entscheidung der Familienkasse über eine Abzweigung nach § 74 Abs. 1 EStG ist eine Ermessensentscheidung. Nach § 102 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht eine Ermessensentscheidung nur darauf hin überprüfen, ob die Behörde die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zwecke der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Gleichwohl kann das Gericht ausnahmsweise eine Verpflichtung der Behörde zur Abzweigung aussprechen (vgl. § 101 FGO), wenn der Ermessensspielraum im konkreten Fall derart eingeengt ist, dass nur eine Entscheidung als ermessensgerecht in Betracht kommt (vgl. zur sog. Ermessensreduzierung auf Null Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20. Mai 2010 V R 42/08, BStBl II 2010, 955 m. w. N.). Das war hier der Fall.

Im Streitfall hat die Familienkasse bei seiner Ermessensentscheidung, ob und in welcher Höhe das Kindergeld an den Sozialleistungsträger abzuzweigen ist, nicht berücksichtigt, dass dem Kind Unterhalt nicht durch die Kindergeldberechtigte, sondern durch die Klägerin gewährt wird. Denn die Voraussetzungen des § 74 Abs. 1 Satz 4 i. V. m. Satz 1 und 3 EStG für eine Abzweigung des Kindergeldes an den Sozialleistungsträger sind grundsätzlich auch dann erfüllt, wenn der Kindergeldberechtigte nicht zum Unterhalt seines volljährigen, behinderten (Enkel-)Kindes verpflichtet ist, weil es Grundsicherungsleistungen nach § 41 ff. SGB XII erhält (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. Dezember 2008 III R 6/07, BStBl II 2009, 926).

Nach § 74 Abs. 1 Satz 4 i. V. m. Sätze 1 und 3 EStG kann das für ein Kind festgesetzte Kindergeld nach § 66 Abs. 1 EStG auch an die Person oder Stelle ausgezahlt werden, die dem Kind Unterhalt gewährt, wenn der Kindergeldberechtigte seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt, mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist oder nur Unterhalt in Höhe eines Betrages zu leisten braucht, der geringer ist als das für die Auszahlung in Betracht kommende Kindergeld.

Nach § 1601 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sind Verwandte in gerader Linie (§ 1589 Abs. 1 Satz 1 BGB) verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren. Zwar haften unter den Verwandten in aufsteigender Linie die näheren Verwandten vor den Entfernteren, d. h. grundsätzlich sind die Eltern im Verhältnis zu den Großeltern gemäß § 1606 Abs. 2 BGB vorrangig zum Unterhalt verpflichtet. Soweit ein vorrangiger Verwandter jedoch nach § 1603 BGB außerstande ist, Unterhalt zu gewähren oder soweit die Rechtsverfolgung gegen einen Verwandten im Inland ausgeschlossen oder erheblich erschwert ist (§ 1607 Abs. 2 BGB), ist der nach ihm haftende Verwandte zum Unterhalt verpflichtet (§ 1607 Abs. 1 BGB). Im Streitfall kann die Mutter des Kindes nach den unwidersprochenen Angaben der Klägerin aufgrund ihrer finanziellen Situation nicht zum Unterhalt herangezogen werden, der Aufenthalt des Vaters des Kindes ist unbekannt. Es besteht daher grundsätzlich eine Unterhaltspflicht der Beigeladenen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind zwar bei der Ausübung des Ermessens, ob und in welcher Höhe das Kindergeld an den -dem Kind anstelle des Kindergeldberechtigten Unterhalt gewährenden- Sozialleistungsträger abzuzweigen ist, auch geringe Unterhaltsleistungen der (Groß-)Eltern zu berücksichtigen. Sind die Leistungen mindestens so hoch wie das Kindergeld, wird eine Abzweigung nicht als ermessensgerecht angesehen (BFH-Urteil vom 23. Februar 2006 III R 65/04, BStBl II 2008, 753, m. w. N.).

2. Durch die Aufnahme ihres Enkels in ihren Haushalt hat die Beigeladene jedoch keine Unterhaltsleistungen mindestens in Höhe des Kindergeldes erbracht hat, die eine Abzweigung an die Klägerin ausschließen würden. Da die Klägerin den Unterhalt für A durch die Leistungen der von der Klägerin geleisteten Grundsicherung, die auch Unterkunft und Verpflegung umfassten, erbracht hat, kann in der Haushaltsaufnahme von A durch die Kindergeldberechtigte grundsätzlich keine Leistungsgewährung gesehen werden (vgl. auch BFH-Urteile vom 17. Oktober 2013 III R 24/13, BFH/NV 2014, 504 und vom 26. Februar 2015 III B 124/14, BFH/NV 2015, 837). Die Beigeladene erhält ebenfalls eine Grundsicherung, die jedoch nur Regelleistungen sowie Unterkunft und Heizung für ihren eigenen Bedarf umfasst. Da A volljährig ist und selbst Leistungen der Grundsicherung bezieht, enthält die Grundsicherung für die Beigeladene keinen Zuschlag für Kinder. Somit kann die Beigeladene aus ihren Leistungen nach dem SGB II keine Unterhaltsleistungen für das -über eigene Mittel verfügende-Kind erbringen, sie verfügt nur über die für ihren Unterhalt notwendigen finanziellen Mittel. Es ist daher davon auszugehen, dass die Beigeladene den Unterhalt für ihren Enkel und sich aus den erhaltenen Mitteln (Grundsicherungsleistungen für A und Leistungen nach SGB II für sich) bestreitet („Haushalten aus einem Topf“) und daraus auch - wie der Familienkasse gegenüber vorgetragen - Kleidung besorgt und die Kosten für Freizeitgestaltung (Sport) trägt. Betreuungsleistungen, die als Unterhaltsleistungen zu berücksichtigen sind, soweit dem Kindergeldberechtigten Aufwendungen entstanden sind, wurden nicht erbracht (vgl. BFH-Urteil vom 17. Oktober 2013 III R 24/13, BFH/NV 2014, 504).

Der Zweck der Regelung des § 74 Abs. 1 Satz 4 EStG besteht darin, das Kindergeld an die Person oder Einrichtung auszuzahlen, die anstelle des Kindergeldberechtigten die Kosten des Unterhalts trägt (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 2009, 926). Da vorliegend unstreitig die Klägerin die Kosten des Unterhalts von A in vollem Umfang trägt, ist der Ermessensspielraum im Streitfall derart eingeengt, dass nur eine Entscheidung als ermessensgerecht in Betracht kommt, nämlich die Abzweigung des Kindergelds in voller Höhe an die Klägerin.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 1 i. V. m. § 135 Abs. 1 und 3 der Finanzgerichtsordnung. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht nach § 139 Abs. 4 FGO erstattungsfähig, da die Beigeladene weder Sachanträge gestellt noch im finanzgerichtlichen Verfahren wesentlich mitgewirkt und Prozesserklärungen abgegeben hat (vgl. BFH-Beschluss vom 27. Dezember 2006 IX B 199/05, BFH/NV 2007, 1140).

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist die Mutter einer körperlich und geistig behinderten Tochter (Grad der Behinderung: 100 %), die auf Kosten des Landratsamts ... (Beigeladener) vollstationär in einer Pflegeeinrichtung untergebracht ist. Sie bezog von der Beklagten und Revisionsbeklagten (Familienkasse) für ihre Tochter Kindergeld. Zu den Kosten der Unterbringung entrichtete sie einen Beitrag von 26 € monatlich. Zusätzlich erbrachte sie für ihre Tochter weitere Unterhaltsleistungen. Der Gesamtbetrag ihrer Leistungen wird von ihr mit rund 1.700 € jährlich beziffert. Der Beigeladene bestreitet, dass Aufwendungen in dieser Höhe anfielen.

2

Auf den Antrag des Beigeladenen verfügte die Familienkasse die Abzweigung des Kindergelds in Höhe von 128 € monatlich an den Beigeladenen ab Juli 2007. Aufgrund des Einspruchs der Klägerin wurde die Abzweigung auf 77 € monatlich ab Dezember 2007 reduziert. Die auf die vollständige Aufhebung der Abzweigung gerichtete Klage hatte überwiegend keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, dass es lediglich ermessensfehlerhaft gewesen sei, die Abzweigung nicht bereits ab Juli 2007 auf 77 € monatlich zu beschränken. Im Übrigen wies es die Klage ab.

3

Zur Begründung führte das FG dazu aus, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen der Abzweigung vorgelegen hätten, da die Klägerin ihrer gesetzlichen Unterhaltspflicht für ihre Tochter insoweit nicht nachgekommen sei, als sie die Kosten der Unterbringung nicht übernommen habe. Außerdem habe die Familienkasse die Entscheidung über die Abzweigung in weiten Teilen ermessensfehlerfrei getroffen. Diese Entscheidung hänge davon ab, in welcher Höhe dem Kindergeldberechtigten Aufwendungen für das Kind entstanden seien. Wenn die Aufwendungen geringer als das Kindergeld oder nicht mehr ermittelbar seien, komme eine teilweise Abzweigung in Betracht. Die Aufwendungen der Klägerin seien jedenfalls geringer als das Kindergeld, wobei es auf die genaue Höhe nicht ankomme. Es sei jedoch keine Begründung dafür ersichtlich, dass die Beschränkung der Abzweigung auf monatlich 77 € erst ab Dezember 2007 erfolgt sei.

4

Zur Begründung der Revision macht die Klägerin geltend, eine Abzweigung sei nur in dem Umfang zulässig, in dem die Aufwendungen des Kindergeldberechtigten für das Kind hinter dem Kindergeld zurückblieben.

5

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das FG-Urteil sowie die Abzweigungsentscheidung vom 27. Juni 2007 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 14. Dezember 2007 insoweit aufzuheben, als die Abzweigung den Betrag von 12,12 € monatlich überschreitet, und die Abzweigung des Kindergelds unter Abänderung der Abzweigungsentscheidung vom 27. Juni 2007 auf 12,12 € monatlich herabzusetzen.

6

Die Familienkasse beantragt, die Revision zurückzuweisen.

7

Nach Auffassung der Familienkasse ist die Entscheidung über die Abzweigung ermessensgerecht, da die genaue Höhe der Unterhaltsleistungen der Klägerin nicht zu ermitteln sei.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Familienkasse ... der Bundesagentur für Arbeit ist aufgrund eines Organisationsaktes (Beschluss des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit Nr. 21/2013 vom 18. April 2013 gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 des Finanzverwaltungsgesetzes, Amtliche Nachrichten der Bundesagentur für Arbeit, Ausgabe Mai 2013, S. 6 ff.) im Wege des gesetzlichen Parteiwechsels in die Beteiligtenstellung der Agentur für Arbeit ... --Familienkasse-- eingetreten (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. August 2007 X R 2/04, BFHE 218, 533, BStBl II 2009, 109, unter II.1.).

III.

9

Die Revision der Klägerin ist teilweise erfolgreich. Das FG-Urteil sowie der Bescheid über die Abzweigung des Kindergeldes und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung werden aufgehoben, soweit die Abzweigung den Betrag von 12,12 € monatlich überschreitet (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Im Übrigen ist die Revision als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

10

1. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass im Streitzeitraum Juli 2007 bis Dezember 2007 die Voraussetzungen für eine Abzweigung des Kindergeldes an den Beigeladenen dem Grunde nach vorliegen (zur Bestimmung des Klagezeitraums vgl. Senatsurteil vom 17. Oktober 2013 III R 23/13, BFHE 243, 250).

11

Gemäß § 74 Abs. 1 Sätze 1 und 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) kann das für ein Kind festgesetzte Kindergeld u.a. an die Stelle ausgezahlt werden, die dem Kind Unterhalt gewährt, wenn der Kindergeldberechtigte dem Kind gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt.

12

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Das FG hat festgestellt, dass die Klägerin ihrer gesetzlichen Unterhaltspflicht (vgl. §§ 1601 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs) nicht i.S. des § 74 Abs. 1 Satz 1 EStG nachgekommen ist, weil sie die laufenden Kosten für die Unterbringung ihrer Tochter in der Pflegeeinrichtung --mit Ausnahme des von ihr entrichteten Kostenbeitrags (vgl. dazu § 94 Abs. 2 Satz 1 des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch)-- nicht getragen hat (vgl. Senatsurteil vom 9. Februar 2009 III R 37/07, BFHE 224, 290, BStBl II 2009, 928).

13

2. Da die Voraussetzungen für eine Abzweigung dem Grunde nach vorliegen, hängt die Rechtmäßigkeit des Abzweigungsbescheids davon ab, ob die Entscheidung der Familienkasse über die Abzweigung sachgerechtem Ermessen entspricht.

14

a) Die nach § 74 Abs. 1 EStG im Ermessen der Familienkasse stehende Entscheidung, ob und in welcher Höhe das Kindergeld abgezweigt wird, ist gerichtlich nur auf Ermessensfehler überprüfbar (§ 102 FGO). Stellt das Gericht einen Ermessensfehler fest, kann es nicht selbst das Ermessen ausüben, sondern ist darauf beschränkt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Lediglich dann, wenn nur eine Entscheidung ermessensgerecht erscheint (sog. Ermessensreduzierung auf null), ist das Gericht befugt, seine Entscheidung an die Stelle der Ermessensentscheidung der Familienkasse zu setzen (Senatsurteil in BFHE 224, 290, BStBl II 2009, 928, m.w.N.).

15

b) Nach § 5 der Abgabenordnung hat die Finanzbehörde das ihr eingeräumte Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Zur Ausübung des Ermessens bei der Abzweigung von Kindergeld für Kinder, die auf Kosten des Sozialleistungsträgers vollstationär untergebracht sind, hat der BFH folgende Grundsätze aufgestellt:

16

aa) Trägt der Kindergeldberechtigte überhaupt keine Aufwendungen für den Unterhalt des Kindes, soll das gesamte Kindergeld nicht ihm, sondern entweder dem Kind selbst oder demjenigen zugutekommen, der dem Kind tatsächlich Unterhalt gewährt (Senatsurteil vom 15. Juli 2010 III R 89/09, BFHE 231, 52, BStBl II 2013, 695).

17

bb) Entstehen dem Kindergeldberechtigten hingegen Unterhaltsaufwendungen mindestens in Höhe des Kindergeldes, ist allein die Auszahlung des vollen Kindergeldes an den Kindergeldberechtigten ermessensgerecht (Senatsurteil in BFHE 224, 290, BStBl II 2009, 928, m.w.N.).

18

cc) Unterhaltsleistungen, die nicht die Höhe des Kindergeldes erreichen, sind bei der Ermessensausübung zu berücksichtigen (Senatsurteil vom 23. Februar 2006 III R 65/04, BFHE 212, 481, BStBl II 2008, 753). Dies gilt auch für regelmäßige geringe Unterhaltsleistungen des Kindergeldberechtigten. Dabei erscheint es in solchen Fällen ermessensgerecht, das Kindergeld abzüglich der Unterhaltsleistungen des Kindergeldberechtigten abzuzweigen, so dass es dem Kindergeldberechtigten in Höhe der von ihm erbrachten Leistungen verbleibt (BFH-Urteil vom 17. November 2004 VIII R 30/04, BFH/NV 2005, 692). In Ausnahmefällen kann aber auch eine hiervon abweichende Bestimmung des Abzweigungsbetrags ermessensgerecht sein.

19

dd) Eine sachgerechte Ermessensentscheidung setzt voraus, dass die vom Kindergeldberechtigten erbrachten Unterhaltsleistungen vollständig erfasst und der Höhe nach beziffert werden. Erst wenn sich die Höhe der vom Kindergeldberechtigten tatsächlich erbrachten Unterhaltsleistungen nicht mehr --auch nicht durch Schätzung-- ermitteln lässt, kann es zulässig sein, diese Leistungen pauschal zu bewerten und das Kindergeld z.B. in hälftiger Höhe abzuzweigen (vgl. dazu Senatsurteile in BFHE 224, 290, BStBl II 2009, 928; in BFHE 212, 481, BStBl II 2008, 753).

20

3. Die Revision ist insoweit begründet, als die Klägerin die Aufhebung des FG-Urteils, der Abzweigungsentscheidung und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung begehrt, soweit die Abzweigung ab Juli 2007 den Betrag von 12,12 € monatlich überschreitet. Es liegt ein Ermessensfehlgebrauch vor, weil die Familienkasse die von der Klägerin erbrachten Unterhaltsleistungen weder im Abzweigungsbescheid noch in der Einspruchsentscheidung vollständig ermittelt und der Höhe nach beziffert hat.

21

a) Die Familienkasse ist bei der Ermessensausübung ersichtlich davon ausgegangen, dass die von der Klägerin erbrachten Unterhaltsleistungen die Höhe des Kindergeldes nicht erreichen. So hat die Familienkasse in der Einspruchsentscheidung vom 14. Dezember 2007 ausgeführt, dass die Klägerin ihre Unterhaltspflicht lediglich mit einem Betrag erfülle, der geringer sei als die Höhe des Kindergeldes. Hiervon ausgehend hat es die Familienkasse als zulässig erachtet, die Unterhaltsleistungen pauschal zu berücksichtigen und das Kindergeld in hälftiger Höhe abzuzweigen.

22

Das FG hat sich bei der Überprüfung der Ermessensausübung im Ergebnis von den gleichen Überlegungen leiten lassen. Es hat in seinem Urteil ausgeführt, die Klägerin habe keine Unterhaltsleistungen in Höhe des Kindergeldes erbracht. Auf der Grundlage der bezifferten Angaben der Klägerin ergäben sich für das Jahr 2007 höchstens Unterhaltsleistungen in Höhe von 1.702,74 €. Danach sei eine Abzweigung des Kindergeldes in hälftiger Höhe nicht zu beanstanden. Auch sei es nicht entscheidungserheblich, dass sich der Beigeladene gegen die Höhe der von der Klägerin geltend gemachten Unterhaltsleistungen gewandt habe. Ermessensfehlerhaft sei allein, dass die Familienkasse die Abzweigung nicht bereits ab dem Monat Juli 2007 auf 77 € monatlich reduziert habe.

23

b) Sowohl die Familienkasse als auch das FG haben hierbei nicht hinreichend beachtet, dass eine hälftige Abzweigung in der von ihnen angenommenen Fallkonstellation --die Unterhaltsleistungen des Kindergeldberechtigten erreichen nicht die Höhe des Kindergeldes-- nur dann sachgerechtem Ermessen entsprechen kann, wenn sich die Höhe der vom Berechtigten erbrachten Unterhaltsleistungen nicht mehr --auch nicht durch Schätzung-- ermitteln lässt. Eine solche Situation hat aber weder die Familienkasse noch das FG festgestellt. Das FG hat sich in dem Urteil letztendlich mit der Feststellung begnügt, dass --auf Grundlage der Angaben der Klägerin-- die Unterhaltsleistungen die Höhe des Kindergeldes nicht erreicht hätten. Wie hoch diese Unterhaltsleistungen tatsächlich waren, hat es jedoch nicht abschließend festgestellt. Allerdings deuten die Ausführungen des FG darauf hin, dass sich die Höhe der Unterhaltsleistungen ermitteln lässt.

24

4. Die Revision ist als unbegründet zurückzuweisen, soweit die Klägerin die Herabsetzung der Abzweigung auf monatlich 12,12 € beantragt.

25

Die Revision hätte insoweit nur dann Erfolg haben können, wenn es in Fällen, in denen die bezifferbaren Unterhaltsleistungen die Höhe des Kindergeldes nicht erreichen, allein rechtmäßig wäre, den Unterschiedsbetrag zwischen dem Kindergeld und den Unterhaltsleistungen abzuzweigen (Ermessensreduzierung auf null). Da jedoch in dieser Konstellation (ausnahmsweise) auch eine hiervon abweichende Bestimmung des Abzweigungsbetrags ermessensgerecht sein kann (dazu oben 2.b cc), scheidet insoweit eine Aufhebung und Zurückverweisung der Sache zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen aus (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).

26

5. Beim Erlass eines erneuten Abzweigungsbescheids und bei erneuter Ausübung des Ermessens sind folgende Gesichtspunkte zu beachten:

27

a) Vorab erscheint es zweckmäßig, dass die Familienkasse den für die Abzweigung maßgeblichen Zeitraum ermittelt.

28

b) Aus Vereinfachungsgründen wäre es nicht zu beanstanden, wenn die Familienkasse der Abzweigungsentscheidung für den Zeitraum Juli 2007 bis Dezember 2007 eine einheitliche Quote zugrunde legt, die sich daraus ergibt, dass die Summe der von der Klägerin im Zeitraum Juli 2007 bis Dezember 2007 getragenen Unterhaltsleistungen in das Verhältnis zu dem (anteiligen) Jahresbetrag des Kindergeldes gesetzt wird (z.B. Summe der Unterhaltsleistungen Juli bis Dezember 2007: 800 €; anteiliger Jahresbetrag 6 x 154 € = 924 €; beim Kindergeldberechtigten verbleiben: 800/924; Abzweigung: 124/924). Diese Methode ließe sich auch auf weitere Zeiträume übertragen.

29

c) Weiter ist zu berücksichtigen, dass im Rahmen der Abzweigungsentscheidung keine fiktiven Kosten für die Betreuung des Kindes, sondern nur tatsächlich entstandene Aufwendungen berücksichtigt werden können (Senatsurteil in BFHE 224, 290, BStBl II 2009, 928). Zu den tatsächlich entstandenen Aufwendungen können aber auch anteilige Mietkosten für ein Zimmer gehören, das für das behinderte Kind in der Mietwohnung des Kindergeldberechtigten bereitgehalten wird. Die vollstationäre Unterbringung des behinderten Kindes schließt es nicht aus, dass das behinderte Kind auch im Haushalt des Kindergeldberechtigten betreut wird. Dies setzt jedoch voraus, dass die Aufenthalte in dem bereitgehaltenen Zimmer über reine Besuchszwecke hinausgehen und der Erbringung von Betreuungsleistungen dienen. Sollte der Kindergeldberechtigte hierfür von dritter Seite eine Kostenerstattung erhalten, müsste diese wieder von den Unterhaltsleistungen des Kindergeldberechtigten abgezogen werden.

30

d) Sollte die erneute Entscheidung über den Abzweigungsantrag ergeben, dass aufgrund der von der Klägerin erbrachten Unterhaltsleistungen eine Abzweigung insgesamt unterbleiben müsste oder nur ein geringerer Betrag als 12,12 € abgezweigt werden dürfte, so bliebe zu berücksichtigen, dass die Abzweigungsentscheidung für den Zeitraum Januar 2007 bis Dezember 2007 bereits teilweise rechtskräftig ist. Die Klägerin hat mit ihrem Revisionsbegehren die Abzweigung nur noch angegriffen, soweit sie den Betrag von monatlich 12,12 € übersteigt.

31

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 1 i.V.m. § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Da sich der Streitwert im Revisionsverfahren gegenüber dem Klageverfahren verringert hat, ist eine Kostenentscheidung nach Verfahrensabschnitten angemessen (vgl. BFH-Urteil vom 5. November 2009 IV R 99/06, BFHE 228, 98, BStBl II 2010, 593; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 136 FGO Rz 4). Soweit die Kosten auf den zuletzt nicht mehr angegriffenen Teilbetrag der Abzweigung von 12,12 € entfallen, waren sie der Klägerin aufzuerlegen. Da hinsichtlich des 12,12 € übersteigenden Teilbetrags nicht abzusehen ist, inwieweit die Klägerin endgültig mit ihrem Begehren Erfolg haben wird, ist es sachgerecht, der Klägerin und der Familienkasse die Kosten insoweit je zur Hälfte aufzuerlegen. Dies führt dazu, dass die Kosten des Klageverfahrens die Klägerin zu 58 v.H., die Familienkasse zu 42 v.H. zu tragen hat. Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Klägerin und die Familienkasse jeweils zur Hälfte zu tragen.

32

Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen der Klägerin nach § 139 Abs. 4 FGO zu einem Viertel aufzuerlegen. Voraussetzung für eine Billigkeitsentscheidung nach dieser Vorschrift ist, dass der Beigeladene den obsiegenden Beteiligten unterstützt hat (BFH-Urteil vom 4. Mai 2000 IV R 10/99, BFHE 191, 529, BStBl II 2002, 850). Da vorliegend die von dem Beigeladenen unterstützte Familienkasse zur Hälfte obsiegt hat, im Übrigen ein verfahrensförderndes Verhalten des Beigeladenen insbesondere darin zu sehen ist, dass er im Revisionsverfahren (nicht bereits im Klageverfahren) auf eine mündliche Verhandlung verzichtet hat, entspricht es der Billigkeit, dass die Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu einem Viertel trägt.

(1)1Das für ein Kind festgesetzte Kindergeld nach § 66 Absatz 1 kann an das Kind ausgezahlt werden, wenn der Kindergeldberechtigte ihm gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt.2Kindergeld kann an Kinder, die bei der Festsetzung des Kindergeldes berücksichtigt werden, bis zur Höhe des Betrags, der sich bei entsprechender Anwendung des § 76 ergibt, ausgezahlt werden.3Dies gilt auch, wenn der Kindergeldberechtigte mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist oder nur Unterhalt in Höhe eines Betrags zu leisten braucht, der geringer ist als das für die Auszahlung in Betracht kommende Kindergeld.4Die Auszahlung kann auch an die Person oder Stelle erfolgen, die dem Kind Unterhalt gewährt.

(2) Für Erstattungsansprüche der Träger von Sozialleistungen gegen die Familienkasse gelten die §§ 102 bis 109 und 111 bis 113 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Soll gegen den Bund, ein Land, einen Gemeindeverband, eine Gemeinde, eine Körperschaft, eine Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts vollstreckt werden, so gilt für die Zwangsvollstreckung das Achte Buch der Zivilprozessordnung sinngemäß; § 150 bleibt unberührt. Vollstreckungsgericht ist das Finanzgericht.

(2) Vollstreckt wird

1.
aus rechtskräftigen und aus vorläufig vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidungen,
2.
aus einstweiligen Anordnungen,
3.
aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen.

(3) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(4) Für die Vollstreckung können den Beteiligten auf ihren Antrag Ausfertigungen des Urteils ohne Tatbestand und ohne Entscheidungsgründe erteilt werden, deren Zustellung in den Wirkungen der Zustellung eines vollständigen Urteils gleichsteht.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

1Das Kindergeld ist bei der zuständigen Familienkasse schriftlich zu beantragen; eine elektronische Antragstellung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich vorgeschriebene Schnittstelle ist zulässig, soweit der Zugang eröffnet wurde.2Den Antrag kann außer dem Berechtigten auch stellen, wer ein berechtigtes Interesse an der Leistung des Kindergeldes hat.3In Fällen des Satzes 2 ist § 62 Absatz 1 Satz 2 bis 3 anzuwenden.4Der Berechtigte ist zu diesem Zweck verpflichtet, demjenigen, der ein berechtigtes Interesse an der Leistung des Kindergeldes hat, seine an ihn vergebene Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung) mitzuteilen.5Kommt der Berechtigte dieser Verpflichtung nicht nach, teilt die zuständige Familienkasse demjenigen, der ein berechtigtes Interesse an der Leistung des Kindergeldes hat, auf seine Anfrage die Identifikationsnummer des Berechtigten mit.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 23. Mai 2013  14 K 2164/11 Kg aufgehoben.

Die Sache wird an das Finanzgericht Düsseldorf zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Die im Jahr 1989 geborene Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist mit einem Grad der Behinderung von 100 schwerbehindert (Merkzeichen Bl, H, G und B). Sie ist Mutter von drei Kindern, die im Februar 2010, Februar 2011 und Oktober 2012 geboren sind. Sie bezog Blindengeld, Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) sowie Elterngeld nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz in der für die Jahre 2010 und 2011 geltenden Fassung (BEEG). Letzteres belief sich zunächst auf 300 € und nach der Geburt des zweiten Kindes auf 375 €. Der Beigeladene, der Vater der Klägerin, beantragte für diese Kindergeld. Die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) lehnte den Antrag mit Bescheid vom 16. November 2010 ab, weil die Behinderung der Klägerin nicht ursächlich dafür sei, dass sie sich nicht selbst unterhalten könne. Einen Abdruck des Ablehnungsbescheides übersandte die Familienkasse der Klägerin. Diese legte gegen den Bescheid Einspruch ein. Sie war der Ansicht, sie sei wegen ihrer Sehbehinderung nicht dazu in der Lage, sich selbst zu unterhalten.

2

Der Rechtsbehelf hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 23. Mai 2011), ebenso wenig die Klage, durch welche die Familienkasse verpflichtet werden sollte, Kindergeld ab Mai 2010 festzusetzen (Urteil des Finanzgerichts --FG-- Düsseldorf vom 23. Mai 2013  14 K 2164/11 Kg, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2013, 1243). Das FG war der Ansicht, die Klägerin sei als Abzweigungsberechtigte zugunsten des Beigeladenen einspruchs- und klagebefugt. Sie sei zwar nicht imstande, sich selbst zu unterhalten, jedoch sei die Behinderung hierfür nicht ursächlich. Das Blindengeld von jährlich 7.307,52 € decke den behinderungsbedingten Mehrbedarf in vollem Umfang ab; einen darüber hinausgehenden Mehrbedarf habe die Klägerin nicht nachgewiesen. Die Leistungen nach dem SGB II, welche die Klägerin bezogen habe und die sich zwischen monatlich 310,52 € und 534,60 € bewegt hätten, lägen unter dem Grundbedarf von monatlich 667 €. Das Elterngeld von 300 € bzw. 375 € sei nicht bei den Bezügen zu berücksichtigen. Somit sei die Klägerin nicht dazu imstande, sich selbst zu unterhalten. Ihre Behinderung sei hierfür jedoch nicht ursächlich. Das FG stützte seine Auffassung auf ein von ihm eingeholtes Sachverständigengutachten. Es war der Ansicht, wegen der gutachterlich festgestellten Möglichkeit einer vollschichtigen Berufstätigkeit sei die Annahme ausgeschlossen, die Behinderung sei eine erhebliche Ursache für die fehlende Möglichkeit zum Selbstunterhalt.

3

Zur Begründung der Revision verweist die Klägerin auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 31. August 2006 III R 71/05 (BFHE 214, 544, BStBl II 2010, 1054), in dem Kindergeld für ein blindes Kind zugesprochen worden sei. Im Urteil vom 19. November 2008 III R 105/07 (BFHE 223, 365, BStBl II 2010, 1057) habe der BFH bei einem Grad der Behinderung von 100 mit dem Merkzeichen H von einer Kausalitätsregel gesprochen und außerdem entschieden, dass eine gutachterlich bestätigte Möglichkeit, eine vollschichtige Tätigkeit auszuüben, allein nicht geeignet sei, die Ursächlichkeit der Behinderung auszuschließen.

4

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil, den Ablehnungsbescheid vom 16. November 2010 sowie die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 23. Mai 2011 aufzuheben und die Familienkasse zu verpflichten, gegenüber dem Beigeladenen Kindergeld ab Mai 2010 in gesetzlicher Höhe festzusetzen.

5

Die Familienkasse beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

6

Der Beigeladene hat sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.

7

Der Beigeladene hat nicht auf mündliche Verhandlung verzichtet. Dem Senat erscheint es sachgerecht, durch Gerichtsbescheid zu erkennen (§ 90a Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Streitsache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).

9

1. Die Klägerin ist befugt, in eigenem Namen im Klagewege die Festsetzung von Kindergeld zugunsten des Beigeladenen zu betreiben.

10

Nach § 67 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für die Jahre 2010 und 2011 geltenden Fassung kann außer dem Berechtigten auch derjenige einen Antrag auf Kindergeld stellen, der ein berechtigtes Interesse an der Leistung des Kindergeldes hat. Das kann gemäß § 74 Abs. 1 Satz 1 und 3 EStG auch ein Kind sein, wenn der Kindergeldberechtigte dem Kind gegenüber mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltsverpflichtet ist (Senatsurteil vom 26. November 2009 III R 67/07, BFHE 228, 42, BStBl II 2010, 476). Diese Voraussetzungen hat das FG bejaht. Aus der Antragsbefugnis der Klägerin folgt zugleich die Klagebefugnis in einem finanzgerichtlichen Verfahren, in dem die Rechtmäßigkeit eines Kindergeld-Ablehnungsbescheides streitig ist (Senatsbeschluss vom 30. Oktober 2008 III R 105/07, BFH/NV 2009, 193).

11

2. Das FG hat zu Unrecht die Leistungen nach dem BEEG, welche die Klägerin für die Betreuung und Erziehung von zunächst einem und später von zwei Kindern erhalten hat, bei der Prüfung einer (Un-)Fähigkeit zum Selbstunterhalt außer Betracht gelassen. Darüber hinaus hat es rechtsfehlerhaft aus dem Umstand, dass in einem Gutachten eine vollschichtige Tätigkeit der Klägerin für möglich gehalten wird, den Schluss gezogen, die Behinderung der Klägerin sei nicht ursächlich für deren mangelnde Fähigkeit, sich selbst zu unterhalten.

12

3. Nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG wird Kindergeld für ein Kind gewährt, das wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, sofern die Behinderung --wie im Streitfall-- vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.

13

a) Ein Kind ist außerstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten kann. Der gesamte Lebensbedarf eines behinderten Kindes setzt sich aus dem Grundbedarf und dem individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf zusammen (BFH-Urteil vom 15. Oktober 1999 VI R 183/97, BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72). Der Grundbedarf orientiert sich in den Jahren 2010 und 2011 am Jahresgrenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG von 8.004 € (vgl. BFH-Urteil vom 14. Dezember 2004 VIII R 59/02, BFH/NV 2005, 1090), welcher der Höhe nach dem Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG entspricht. Er beläuft sich monatlich auf 667 €. Die Prüfung des Imstandeseins zum Selbstunterhalt ist für jeden einzelnen Monat durchzuführen (BFH-Urteil vom 4. November 2003 VIII R 43/02, BFHE 204, 120, BStBl II 2010, 1046; Senatsurteil vom 11. April 2013 III R 35/11, BFHE 241, 499, BStBl II 2013, 1037). Erreichen die Einkünfte und Bezüge des Kindes die Summe aus Grundbedarf und behinderungsbedingtem Mehrbedarf, so kann das Kind sich selbst unterhalten.

14

b) Das FG hat im Streitfall zutreffend angenommen, dass das Blindengeld von monatlich 608,96 € den durch die Blindheit verursachten Mehrbedarf der Klägerin auch insoweit abdeckt, als es den anteiligen Pauschbetrag nach § 33b Abs. 3 Satz 3 EStG von monatlich 308,33 € übersteigt. Denn nach dem Senatsurteil in BFHE 214, 544, BStBl II 2010, 1054, an dem der Senat festhält, ist zu vermuten, dass in Höhe des tatsächlich ausgezahlten Blindengeldes ein behinderungsbedingter Mehraufwand besteht. Weiterer behinderungsbedingter Mehrbedarf ist nach den Feststellungen des FG nicht anzusetzen.

15

c) Zu den Bezügen, mit deren Hilfe die Klägerin ihren existenziellen Grundbedarf abdecken kann, gehören auch die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und für die Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II (vgl. BFH-Urteile vom 26. November 2003 VIII R 32/02, BFHE 204, 454, BStBl II 2004, 588, zu Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz, und vom 20. März 2013 XI R 51/10, BFH/NV 2013, 1088, zur Grundsicherung nach §§ 41 ff. des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch; Senatsurteil vom 8. August 2013 III R 30/12, BFH/NV 2014, 498). Aus den in den Akten enthaltenen Bewilligungsbescheiden, auf die sich das FG in den Entscheidungsgründen seines Urteils bezogen hat, geht hervor, dass sich diese Leistungen im streitigen Zeitraum (Mai 2010 bis Mai 2011) auf mindestens 310,52 € (April 2011) und höchstens 534,60 € beliefen (Monate November und Dezember 2010).

16

d) Entgegen der Rechtsauffassung des FG zählt auch das Elterngeld zu den Bezügen der Klägerin und ist daher bei der Prüfung der (Un-)Fähigkeit zum Selbstunterhalt einzubeziehen.

17

aa) Das FG war der Ansicht, nur Elterngeld, das den Betrag von 300 € überschreitet, führe zu anzusetzenden Bezügen. Es bezog sich hierzu auf die zur Einkünfte- und Bezügegrenze des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ergangene Verwaltungsanweisung nach Abschn. 63.4.2.3.1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes (DA-FamEStG 2009, BStBl I 2009, 1033).

18

bb) Als Grund für diese Verwaltungsreglung kommt § 10 Abs. 1 BEEG in Betracht, der bestimmt, dass das Elterngeld bei Sozialleistungen, deren Zahlung von anderen Einkommen abhängig ist, bis zu einer Höhe von insgesamt 300 € im Monat unberücksichtigt bleibt. Die Vorschrift ist bei der Prüfung der (Un-) Fähigkeit zum Selbstunterhalt eines Kindes, für das Kindergeld nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG begehrt wird, jedoch schon deshalb nicht anwendbar, weil der Anspruch auf Kindergeld originär dem Kindergeldberechtigten --in der Regel einem Elternteil-- zusteht und nicht dem Kind, das wegen eines eigenen Kindes Elterngeld bezieht.

19

cc) In den neueren Verwaltungsanweisungen wird das Elterngeld in vollem Umfang in die Ermittlung der Bezüge eines behinderten Kindes einbezogen (s. zuletzt Kap. A 18.5.2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem EStG, Stand 2014, BStBl I 2014, 918; zuvor Abschn. 63.3.6.4 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Abschn. 31.2.4.2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 DA-FamEStG, Stand 2012, BStBl I 2012, 739).

20

4. Die Sache ist nicht spruchreif.

21

a) Aus den Feststellungen des FG geht zwar hervor, dass die Klägerin Elterngeld bezogen hat, nicht aber, ob dieses in allen Monaten des Streitzeitzeitraums bei ihren Bezügen zu berücksichtigen ist. Aus den Bescheiden über die Festsetzung von Leistungen nach dem SGB II ist zu ersehen, dass das Elterngeld in einzelnen Zeiträumen des Jahres 2011, in dem es nach § 10 Abs. 5 BEEG auf die Leistungen nach dem SGB II anzurechnen war, als Einkommen angesetzt worden ist und in anderen nicht. Dies könnte darauf hindeuten, dass das Elterngeld der Klägerin nicht laufend zugeflossen ist. Das FG wird im zweiten Rechtsgang die entsprechenden Feststellungen nachzuholen haben.

22

b) Auch hinsichtlich des Monats Januar 2011 besteht keine Spruchreife. Zwar liegt in diesem Monat die Summe aus den Leistungen nach dem SGB II (334,62 €) und nach dem BEEG (300 €) unter dem Grundbedarf von 667 €. In diesem Monat war die Klägerin nicht dazu imstande, sich selbst zu unterhalten. Dennoch ist die Streitsache auch insoweit nicht entscheidungsreif, da die Frage, ob die Behinderung der Klägerin ursächlich für die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt ist, nicht geklärt ist. Nach der Senatsrechtsprechung genügt die von einem Gutachter bestätigte Möglichkeit, eine vollschichtige Tätigkeit auszuüben, allein noch nicht, um die Ursächlichkeit auszuschließen (Senatsurteil in BFHE 223, 365, BStBl II 2010, 1057). In Widerspruch hierzu hat das FG gemeint, wegen der gutachterlich festgestellten Möglichkeit einer vollschichtigen Berufstätigkeit sei die Annahme ausgeschlossen, die Behinderung sei eine erhebliche Ursache für die fehlende Möglichkeit zum Selbstunterhalt. Die vom FG in Betracht gezogene Beschäftigung der Klägerin als Telefonistin ist aus der Sicht des Senats eher von theoretischer Natur.

23

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

(1) Kinder sind

1.
im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandte Kinder,
2.
Pflegekinder (Personen, mit denen der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken in seinen Haushalt aufgenommen hat und das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht).

(2)1Besteht bei einem angenommenen Kind das Kindschaftsverhältnis zu den leiblichen Eltern weiter, ist es vorrangig als angenommenes Kind zu berücksichtigen.2Ist ein im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandtes Kind zugleich ein Pflegekind, ist es vorrangig als Pflegekind zu berücksichtigen.

(3) Ein Kind wird in dem Kalendermonat, in dem es lebend geboren wurde, und in jedem folgenden Kalendermonat, zu dessen Beginn es das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, berücksichtigt.

(4)1Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wird berücksichtigt, wenn es

1.
noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist oder
2.
noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und
a)
für einen Beruf ausgebildet wird oder
b)
sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes, einer vom Wehr- oder Zivildienst befreienden Tätigkeit als Entwicklungshelfer oder als Dienstleistender im Ausland nach § 14b des Zivildienstgesetzes oder der Ableistung des freiwilligen Wehrdienstes nach § 58b des Soldatengesetzes oder der Ableistung eines freiwilligen Dienstes im Sinne des Buchstaben d liegt, oder
c)
eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann oder
d)
einen der folgenden freiwilligen Dienste leistet:
aa)
ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
bb)
ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
cc)
einen Bundesfreiwilligendienst im Sinne des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
dd)
eine Freiwilligentätigkeit im Rahmen des Europäischen Solidaritätskorps im Sinne der Verordnung (EU) 2021/888 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2021 zur Aufstellung des Programms für das Europäische Solidaritätskorps und zur Aufhebung der Verordnungen (EU) 2018/1475 und (EU) Nr. 375/2014 (ABl. L 202 vom 8.6.2021, S. 32),
ee)
einen anderen Dienst im Ausland im Sinne von § 5 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
ff)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts“ im Sinne der Förderleitlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. Januar 2016,
gg)
einen Freiwilligendienst aller Generationen im Sinne von § 2 Absatz 1a des Siebten Buches Sozialgesetzbuch oder
hh)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 4. Januar 2021 (GMBl S. 77) oder
3.
wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten; Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.
2Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind in den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 nur berücksichtigt, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit nachgeht.3Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der §§ 8 und 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind unschädlich.

(5)1In den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 Buchstabe a und b wird ein Kind, das

1.
den gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst geleistet hat, oder
2.
sich anstelle des gesetzlichen Grundwehrdienstes freiwillig für die Dauer von nicht mehr als drei Jahren zum Wehrdienst verpflichtet hat, oder
3.
eine vom gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst befreiende Tätigkeit als Entwicklungshelfer im Sinne des § 1 Absatz 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes ausgeübt hat,
für einen der Dauer dieser Dienste oder der Tätigkeit entsprechenden Zeitraum, höchstens für die Dauer des inländischen gesetzlichen Grundwehrdienstes oder bei anerkannten Kriegsdienstverweigerern für die Dauer des inländischen gesetzlichen Zivildienstes über das 21. oder 25. Lebensjahr hinaus berücksichtigt.2Wird der gesetzliche Grundwehrdienst oder Zivildienst in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, geleistet, so ist die Dauer dieses Dienstes maßgebend.3Absatz 4 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(6)1Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer wird für jedes zu berücksichtigende Kind des Steuerpflichtigen ein Freibetrag von 3 012 Euro für das sächliche Existenzminimum des Kindes (Kinderfreibetrag) sowie ein Freibetrag von 1 464 Euro für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vom Einkommen abgezogen.2Bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, verdoppeln sich die Beträge nach Satz 1, wenn das Kind zu beiden Ehegatten in einem Kindschaftsverhältnis steht.3Die Beträge nach Satz 2 stehen dem Steuerpflichtigen auch dann zu, wenn

1.
der andere Elternteil verstorben oder nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder
2.
der Steuerpflichtige allein das Kind angenommen hat oder das Kind nur zu ihm in einem Pflegekindschaftsverhältnis steht.
4Für ein nicht nach § 1 Absatz 1 oder 2 unbeschränkt einkommensteuerpflichtiges Kind können die Beträge nach den Sätzen 1 bis 3 nur abgezogen werden, soweit sie nach den Verhältnissen seines Wohnsitzstaates notwendig und angemessen sind.5Für jeden Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen für einen Freibetrag nach den Sätzen 1 bis 4 nicht vorliegen, ermäßigen sich die dort genannten Beträge um ein Zwölftel.6Abweichend von Satz 1 wird bei einem unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Elternpaar, bei dem die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 nicht vorliegen, auf Antrag eines Elternteils der dem anderen Elternteil zustehende Kinderfreibetrag auf ihn übertragen, wenn er, nicht jedoch der andere Elternteil, seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind für das Kalenderjahr im Wesentlichen nachkommt oder der andere Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist; die Übertragung des Kinderfreibetrags führt stets auch zur Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf.7Eine Übertragung nach Satz 6 scheidet für Zeiträume aus, für die Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gezahlt werden.8Bei minderjährigen Kindern wird der dem Elternteil, in dessen Wohnung das Kind nicht gemeldet ist, zustehende Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf auf Antrag des anderen Elternteils auf diesen übertragen, wenn bei dem Elternpaar die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 nicht vorliegen.9Eine Übertragung nach Satz 8 scheidet aus, wenn der Übertragung widersprochen wird, weil der Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, Kinderbetreuungskosten trägt oder das Kind regelmäßig in einem nicht unwesentlichen Umfang betreut.10Die den Eltern nach den Sätzen 1 bis 9 zustehenden Freibeträge können auf Antrag auch auf einen Stiefelternteil oder Großelternteil übertragen werden, wenn dieser das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat oder dieser einer Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind unterliegt.11Die Übertragung nach Satz 10 kann auch mit Zustimmung des berechtigten Elternteils erfolgen, die nur für künftige Kalenderjahre widerrufen werden kann.12Voraussetzung für die Berücksichtigung des Kinderfreibetrags sowie des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes ist die Identifizierung des Kindes durch die an dieses Kind vergebene Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung).13Ist das Kind nicht nach einem Steuergesetz steuerpflichtig (§ 139a Absatz 2 der Abgabenordnung), ist es in anderer geeigneter Weise zu identifizieren.14Die nachträgliche Identifizierung oder nachträgliche Vergabe der Identifikationsnummer wirkt auf Monate zurück, in denen die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung des Kinderfreibetrags sowie des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vorliegen.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, vom 23. September 2014  11 K 419/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Vater des im Dezember 1988 geborenen Sohnes X. Aufgrund eines Unfalls, der sich nach Ende der Berufsausbildung des X zum Straßenbauer ereignet hat, ist X schwerbehindert (Grad der Behinderung: 50). Im Streitzeitraum (Januar bis Oktober 2012) bezog X eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.

2

Den Antrag des Klägers, ihm Kindergeld für den Streitzeitraum zu gewähren, lehnte die frühere Beklagte (Familienkasse) mit der Begründung ab, X sei aufgrund der erhaltenen Rente in der Lage, sich selbst zu unterhalten. Der Einspruch blieb erfolglos.

3

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit der der Kläger geltend machte, X sei (auch) ein nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigendes, ausbildungsplatzsuchendes Kind, das das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet habe, und außerdem sei es verfassungswidrig, nach Wegfall des Grenzbetrags (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. bis zum 31. Dezember 2011) den Kindergeldanspruch behinderter Kinder von der Unfähigkeit zum Selbstunterhalt abhängig zu machen, ab.

4

Mit der Beschwerde macht der Kläger geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung.

Entscheidungsgründe

5

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

6

1. a) Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Außerdem muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärbar sein (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 11. Dezember 2013 V B 36/13, BFH/NV 2014, 680; vom 3. Februar 2014 VI B 111/13, BFH/NV 2014, 696; vom 18. Juli 2014 XI B 37/14, BFH/NV 2014, 1779).

7

b) Für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung muss der Beschwerdeführer eine konkrete Rechtsfrage formulieren und substantiiert auf ihre Klärungsbedürftigkeit, ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung sowie darauf eingehen, weshalb von der Beantwortung der Rechtsfrage die Entscheidung über die Rechtssache abhängt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 16. Mai 2008 VII B 118/07, BFH/NV 2008, 1440; vom 21. Mai 2013 III B 59/12, BFH/NV 2013, 1447). Hat der BFH die Rechtsfrage noch nicht entschieden, muss der Beschwerdeführer darlegen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen sie umstritten ist (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2013, 1447; vom 22. Juli 2014 XI B 29/14, BFH/NV 2014, 1780). Macht ein Beschwerdeführer mit der Nichtzulassungsbeschwerde --wie hier-- verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine gesetzliche Regelung geltend, so ist darüber hinaus eine substantiierte, an den Vorgaben des Grundgesetzes und der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des BFH orientierte Auseinandersetzung mit der Problematik erforderlich (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom 9. April 2014 III B 143/13, BFH/NV 2014, 1083; vom 9. April 2014 XI B 128/13, BFH/NV 2014, 1224).

8

2. Die vom Kläger für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Frage, ob § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG auch den Fall umfasse, dass eine Berufsausbildung deshalb nicht begonnen werden kann, weil das ausbildungswillige Kind wegen einer Behinderung, die seine Leistungsfähigkeit erheblich einschränkt, keinen Ausbildungsplatz finden kann, ist im Streitfall nicht klärbar.

9

a) Dabei kann sowohl offen bleiben, ob der Senat der Auffassung des FG unter 1. seiner Gründe in vollem Umfang folgen könnte. Ebenso bedarf keiner Prüfung, ob die tatsächlichen Feststellungen des FG, das weder festgestellt hat, welcher Art die Behinderung des X ist, noch festgestellt hat, welche Ausbildung X anstrebt, seine Würdigung unter 1. der Gründe tragen könnten, X finde aufgrund seiner Behinderung keinen Ausbildungsplatz.

10

b) Die Entscheidung des Streitfalls hängt nämlich aus anderen Gründen nicht von der Beantwortung der vom Kläger aufgeworfenen Frage ab. Jedenfalls kommt im Streitfall eine Berücksichtigung des X als ausbildungsplatzsuchendes Kind i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG schon deshalb nicht in Betracht, weil hierfür nach ständiger Rechtsprechung des BFH erforderlich ist, dass sich das Kind ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht (vgl. BFH-Urteile vom 19. Juni 2008 III R 66/05, BFHE 222, 343, BStBl II 2009, 1005, und vom 22. September 2011 III R 30/08, BFHE 235, 327, BStBl II 2012, 411). Das Bemühen um einen Ausbildungsplatz ist glaubhaft zu machen (BFH-Urteile vom 22. September 2011 III R 35/08, BFH/NV 2012, 232; vom 26. August 2014 XI R 14/12, BFH/NV 2015, 322). Dies ist vorliegend nicht geschehen und wird vom Kläger auch nicht behauptet, so dass schon aus diesem Grund keine Berücksichtigung des X gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG möglich ist.

11

3. Mit dem Hinweis, es sei grundsätzlich bedeutsam, ob § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG im Wege verfassungskonformer Auslegung so zu interpretieren sei, dass körperlich behinderte Kinder, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und aufgrund 100%iger Erwerbsminderung nicht in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen, als kindergeldberechtigte Kinder zu berücksichtigen sind, ohne dass es im Einzelfall darauf ankommt, ob Einkommen oder sonstige Bezüge die Unterhaltsbedürftigkeit ausschließen, hat der Kläger die grundsätzliche Bedeutung nicht hinreichend dargelegt.

12

a) Der Kläger hat sich zunächst nicht mit der zu dieser Frage ergangenen Rechtsprechung (FG des Saarlands, Urteil vom 13. November 2013  2 K 1224/13, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2014, 658; FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 8. April 2014  4 K 1218/12, EFG 2014, 1492), die dieselbe Auffassung wie die Vorentscheidung vertreten, befasst.

13

b) Weiter hat sich der Kläger nicht mit der in der Vorentscheidung und dem Urteil des FG des Saarlands in EFG 2014, 658 angeführten höchstrichterlichen Rechtsprechung auseinander gesetzt.

14

aa) Dazu hätte schon deshalb Anlass bestanden, weil nach der Rechtsprechung des BVerfG beim Kindergeld, soweit es als Sozialleistung zu den Maßnahmen der darreichenden Verwaltung gehört, eine weitgehende Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers besteht; bei der Überprüfung eines Gesetzes auf Übereinstimmung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz ist nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat (vgl. BVerfG-Beschluss vom 8. Juni 2004  2 BvL 5/00, BVerfGE 110, 412, BFH/NV Beilage 2005, 33, unter C.II.3.a, m.w.N.; s. auch BVerfG-Beschluss vom 6. April 2011  1 BvR 1765/09, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2011, 812, unter IV.2.a).

15

bb) Weiter bestand Anlass für eine solche Erörterung, weil es verfassungsgemäß ist, die Gewährung des Kindergelds davon abhängig zu machen, dass das Existenzminimum des Kindes nicht durch eigene Einkünfte und Bezüge gedeckt ist (BVerfG-Beschluss vom 27. Juli 2010  2 BvR 2122/09, HFR 2010, 1109, unter II.1.). Das Kindergeld dient dazu, die wirtschaftliche Belastung, die Eltern durch die Sorge für ihre Kinder entsteht, auszugleichen (vgl. BFH-Urteil vom 9. Februar 2009 III R 37/07, BFHE 224, 290, BStBl II 2009, 928, unter II.3.a; Urteil des Bundessozialgerichts vom 19. Februar 2009 B 10 Kg 2/07 R, Sozialrecht 4-5870 § 1 Nr. 2, juris, Rz 26). Der Anspruch auf Kindergeld entfällt, wenn das behinderte Kind auf elterliche Unterstützung nicht mehr angewiesen ist (vgl. BFH-Urteil vom 15. Oktober 1999 VI R 182/98, BFHE 189, 457, BStBl II 2000, 79, unter II.4.a).

16

cc) Zudem hätte der Kläger dem Umstand Beachtung schenken müssen, dass auch § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG n.F. eine (widerlegbare) Vermutung aufstellt, dass das Kind (erst) nach Abschluss der Erstausbildung in der Lage ist, sich selbst zu unterhalten (BTDrucks 17/5125, S. 41, linke Spalte, unten), und eine Änderung der Regelungen für behinderte Kinder nicht beabsichtigt war (a.a.O., rechte Spalte, a.E.).

17

c) Angesichts dessen hätte der Kläger begründen müssen, wieso in seiner Person eine verfassungswidrige Benachteiligung gegenüber Eltern nicht behinderter Kinder vorliegen soll, obwohl diese in vergleichbarer Situation ebenfalls kein Kindergeld erhalten. Eltern nicht behinderter Kinder, die das 21. Lebensjahr, aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, --wie X-- keinen Ausbildungsplatz haben, sich --wie X-- nicht in einer Übergangszeit befinden, und sich --wie X-- nicht um einen Ausbildungsplatz bemühen, erhalten --wie der Kläger-- ebenfalls kein Kindergeld.

18

4. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

19

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 10. Dezember 2014 3 K 361/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist die Mutter des im Jahr 1960 geborenen Sohnes V. Der unbefristet gültige Schwerbehindertenausweis vom April 2013 weist V einen Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen ″G″, ″B″ und ″H″ zu. V wohnt seit dem 1. Dezember 2007 in einem eigenen Haushalt in einem Rehabilitationszentrum.

2

V erhält seit April 2013 nach Abzug eines Pflegeversicherungsbeitrags von 1,35 € einen monatlichen Lohn in Höhe von 170,65 €. Weiter erhält er aufgrund eines Haftpflichtschadens aus dem Jahr 1977 monatlich eine Ersatzleistung für fiktiven Verdienstausfall in Höhe von 772,32 € und eine Schmerzensgeldrente in Höhe von 204,52 €.

3

Die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) hob mit Bescheid vom 28. August 2013 gegenüber der Klägerin die Kindergeldfestsetzung für V ab Oktober 2013 auf, weil V aufgrund der eigenen verfügbaren Mittel in der Lage sei, seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies die Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom 12. Februar 2014 als unbegründet zurück.

4

Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen erhobenen Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 931 veröffentlichten Urteil statt. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, V sei aufgrund seiner Behinderung außerstande gewesen, sich selbst zu unterhalten. Die ihm zur Verfügung stehenden Mittel seien in allen Monaten des Klagezeitraums niedriger als der Bedarf. Die Schmerzensgeldrente in Höhe von 204,52 € gehöre nicht zu den anzusetzenden finanziellen Mitteln.

5

Mit der Revision rügt die Familienkasse die fehlerhafte Auslegung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes in der in dem Streitzeitraum geltenden Fassung (EStG).

6

Die Familienkasse beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Schmerzensgeldrente bei der Ermittlung der V zur Verfügung stehenden Mittel nicht zu berücksichtigen ist.

9

1. Gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG besteht für ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, ein Anspruch auf Kindergeld, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, sofern die Behinderung --wie im Streitfall-- vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.

10

2. Das Tatbestandsmerkmal "außerstande ist, sich selbst zu unterhalten" ist im Gesetz nicht näher umschrieben. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist ein behindertes Kind dann außerstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten kann (z.B. Senatsurteile vom 19. November 2008 III R 105/07, BFHE 223, 365, BStBl II 2010, 1057, unter II.1.a; vom 11. April 2013 III R 35/11, BFHE 241, 499, BStBl II 2013, 1037, Rz 14; vom 5. Februar 2015 III R 31/13, BFHE 249, 144, BStBl II 2015, 1017, Rz 13; BFH-Urteile vom 15. Oktober 1999 VI R 183/97, BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, unter 1.b, und vom 24. August 2004 VIII R 83/02, BFHE 207, 244, BStBl II 2007, 248, unter II.1.b). Ist das Kind hingegen trotz seiner Behinderung in der Lage, selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, kommt der Behinderung keine Bedeutung zu (z.B. Senatsurteil in BFHE 241, 499, BStBl II 2013, 1037, Rz 14, und BFH-Urteil in BFHE 207, 244, BStBl II 2007, 248, unter II.1.b, m.w.N.). Die Fähigkeit des Kindes zum Selbstunterhalt ist anhand eines Vergleichs zweier Bezugsgrößen zu prüfen, nämlich des gesamten existenziellen Lebensbedarfs des Kindes einerseits und seiner finanziellen Mittel andererseits (z.B. Senatsurteile in BFHE 241, 499, BStBl II 2013, 1037, unter II.2.a; vom 8. August 2013 III R 30/12, BFH/NV 2014, 498, Rz 15; BFH-Urteile in BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, unter 1.c, und vom 20. März 2013 XI R 51/10, BFH/NV 2013, 1088, Rz 12).

11

3. Der gesamte Lebensbedarf eines behinderten Kindes setzt sich aus dem Grundbedarf und dem individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf zusammen (z.B. Senatsurteile in BFHE 223, 365, BStBl II 2010, 1057, unter II.1.a; in BFHE 249, 144, BStBl II 2015, 1017, Rz 13; BFH-Urteile in BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, unter 1.c, und vom 14. Dezember 2004 VIII R 59/02, BFH/NV 2005, 1090, unter II.1.a).

12

Der Grundbedarf eines behinderten Kindes kann sich nach Wegfall des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG in der bis zum 31. Dezember 2011 gültigen Fassung (EStG a.F.) ab dem Jahr 2012 zwar nicht mehr an dem für die eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes maßgeblichen Jahresgrenzbetrag orientieren. Da bei dem behinderten Kind aber --auch weiterhin-- ein am Existenzminimum orientierter Betrag als allgemeiner Unterhaltsbedarf anerkannt werden muss (BFH-Urteile vom 15. Oktober 1999 VI R 182/98, BFHE 189, 457, BStBl II 2000, 79, unter II.2.c, und in BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, unter 1.c), ist zur Bemessung des Grundbedarfs an den Grundfreibetrag i.S. des § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG anzuknüpfen (vgl. auch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juli 2010  2 BvR 2122/09, BFH/NV 2010, 1994, unter II.1., zu § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F.). Davon gehen im Ergebnis auch das Schrifttum und die Verwaltung aus (vgl. z.B. Grönke-Reimann in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32 EStG Rz 118; Seiler in Kirchhof, EStG, 15. Aufl., § 32 Rz 21; Pust in Littmann/Bitz/ Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 32 Rz 482; Schmidt/Loschelder, EStG, 35. Aufl., § 32 Rz 40; Blümich/ Selder, § 32 EStG Rz 114, 116; ebenso die Verwaltung, Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes, Stand 2013, DA 63.3.6.4 Abs. 1 Satz 3, ersetzt durch Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz, Stand 2015, A 18.4 Abs. 2 Satz 2).

13

Der behinderungsbedingte Mehrbedarf umfasst Aufwendungen, die gesunde Kinder nicht haben. Werden die behinderungsbedingten Mehraufwendungen nicht im Einzelnen nachgewiesen, kann der maßgebliche Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Abs. 1 bis 3 EStG als Anhalt für den Mehrbedarf dienen (Senatsurteile in BFHE 223, 365, BStBl II 2010, 1057, Rz 16, m.w.N., und vom 22. Oktober 2009 III R 50/07, BFHE 228, 17, BStBl II 2011, 38, Rz 10).

14

4. Nach der Ermittlung des gesamten Lebensbedarfs des behinderten Kindes ist weiter zu prüfen, ob das Kind über hinreichende finanzielle Mittel verfügt, die zur Bestreitung seines persönlichen Unterhalts ausreichen. Ergibt sich eine ausreichende Leistungsfähigkeit des Kindes, kann davon ausgegangen werden, dass den Eltern kein zusätzlicher Aufwand erwächst, der ihre steuerliche Leistungsfähigkeit mindert. Dann ist es auch gerechtfertigt, für behinderte Kinder kein Kindergeld oder keinen Kinderfreibetrag zu gewähren (z.B. Senatsurteil in BFH/NV 2014, 498, Rz 15, m.w.N.; BFH-Urteile in BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, unter II.1.c, und vom 4. November 2003 VIII R 43/02, BFHE 204, 120, BStBl II 2010, 1046, unter II.1.c).

15

a) Zu den finanziellen Mitteln des behinderten volljährigen Kindes gehören seine Einkünfte und Bezüge (vgl. z.B. Senatsurteile in BFHE 241, 499, BStBl II 2013, 1037, Rz 14, und in BFHE 249, 144, BStBl II 2015, 1017, Rz 13). Mangels sachlicher Änderung von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG gilt dies --anders als die Revision meint-- auch nach Wegfall des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. (vgl. z.B. Grönke-Reimann in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 32 EStG Rz 118; Schmidt/Loschelder, EStG, 35. Aufl., § 32 Rz 44; Blümich/Selder, § 32 EStG Rz 116).

16

b) Eine Schmerzensgeldrente ist bei der Ermittlung der dem Kind zur Verfügung stehenden Mittel nicht zu berücksichtigen, da sie nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts des Kindes bestimmt oder geeignet ist.

17

aa) Soweit die Familienkasse meint, bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit eines behinderten Kindes komme es generell auf die Herkunft der zur Verfügung stehenden eigenen finanziellen Mittel und ihre Zweckbestimmung nicht an (vgl. auch Helmke/ Bauer, Familienleistungsausgleich, Kommentar, Fach A, I. Kommentierung, § 32 Rz 116, und Pust in Littmann/Bitz/Pust, a.a.O., § 32 Rz 488), kann der Senat dem nicht beitreten. Nur solche Einkünfte und Bezüge eines behinderten Kindes sind bei der Beurteilung seiner Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen, die zur Bestreitung seines Lebensunterhalts bestimmt oder geeignet sind (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, unter 3., m.w.N., und vom 19. August 2002 VIII R 17/02, BFHE 200, 219, BStBl II 2003, 88, unter II.2.). Hieran hält der Senat fest. Denn allein durch den Wegfall des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. hat sich der § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG zugrunde liegende Rechtsgedanke der Anerkennung eines am Existenzminimum des behinderten Kindes orientierten Betrags unter Berücksichtigung des behinderungsbedingten Mehrbedarfs nicht geändert.

18

Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Senatsurteil vom 9. Februar 2012 III R 53/10 (BFHE 236, 417, BStBl II 2014, 391, Rz 11) und dem BFH-Urteil vom 12. Dezember 2012 VI R 101/10 (BFHE 240, 50, BStBl II 2015, 651, Rz 12). Dort ging es um die Frage, ob Eingliederungshilfen gemäß §§ 53 f. des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) zu den dem behinderten Kind zur Verfügung stehenden eigenen finanziellen Mitteln gehören. Nur "in diesem Zusammenhang" hatte der Senat ausgeführt, dass es auf Herkunft und Zweckbestimmung der Mittel nicht ankomme.

19

bb) Das Schmerzensgeld nimmt --unabhängig davon, ob es in einem Einmalbetrag oder in Rentenform gezahlt wird-- eine Sonderstellung innerhalb der sonstigen Einkommens- und Vermögensarten ein (vgl. BVerfG-Beschluss vom 11. Juli 2006  1 BvR 293/05, BVerfGE 116, 229, unter B.I.2.b). Dementsprechend ist grundsätzlich Schmerzensgeld bei der Beurteilung der finanziellen Leistungsfähigkeit des behinderten Kindes nicht zu berücksichtigen.

20

Denn nach der Grundsatzentscheidung des Großen Senats für Zivilsachen des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 6. Juli 1955 GSZ 1/55 (BGHZ 18, 149) hat das Schmerzensgeld rechtlich eine doppelte Funktion. Es soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für solche Schäden und Lebenshemmungen bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind. Es soll aber zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten für das, was er ihm angetan hat, Genugtuung schuldet. Dabei steht der Entschädigungs- oder Ausgleichsgedanke im Vordergrund. Der Zweck des Anspruchs ist der Ausgleich für die erlittene Beeinträchtigung. Der BGH hat den zugrunde liegenden Gedanken dahin formuliert, dass der Schädiger, der dem Geschädigten über den Vermögensschaden hinaus das Leben schwer gemacht hat, nun durch seine Leistung dazu helfen soll, es ihm im Rahmen des Möglichen wieder leichter zu machen (BGH-Be-schluss in BGHZ 18, 149, unter I.3.). Schmerzensgeld bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit eines behinderten Kindes zu berücksichtigen, stünde mithin in Widerspruch zu seiner Sonderfunktion, immaterielle Schäden abzumildern. Entsprechendes gilt für die Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes. Denn es hat auch insoweit gerade nicht die Funktion, zur materiellen Existenzsicherung beizutragen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 116, 229, unter B.I.3.a).

21

c) Der Sonderstellung des Schmerzensgeldes wird auch in anderen Bereichen Rechnung getragen. So ist im Sozialrecht die Schmerzensgeldrente nicht bei der Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 11a Abs. 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und auch nicht im Rahmen der Sozialhilfe nach § 83 Abs. 2 SGB XII als Einkommen zu berücksichtigen. Nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) ist eine Entschädigung nach § 253 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ebenfalls nicht als Einkommen bei der Bestimmung des Leistungsumfangs der Kriegsopferfürsorge anzurechnen (§ 25d Abs. 4 Satz 2 BVG).

22

Ein abweichendes Ergebnis ergibt sich auch nicht aus einer Berücksichtigungsfähigkeit des Schmerzensgeldanspruchs i.R. des § 1602 BGB (für Anrechnung von Schmerzensgeld etwa Bamberger/Roth/Reinken, BGB, 3. Aufl., § 1602 Rz 31d; ebenso Erman/Hammermann, BGB, 14. Aufl., § 1602 Rz 68d; gegen Anrechnung von Schmerzensgeld dagegen Mutschler in BGB-RGRK, 12. Aufl., § 1602 Rz 8). Denn diese zivilrechtliche Unterhaltsregelung kann für die Auslegung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG nach der Rechtsprechung des BFH in BFHE 200, 219, BStBl II 2003, 88, unter II.4.a, vom 19. August 2002 VIII R 51/01 (BFHE 200, 212, BStBl II 2003, 91, unter II.4.a) und vom 14. Oktober 2002 VIII R 55/01 (BFH/NV 2003, 308, unter II.4.) nicht herangezogen werden. Auf die Begründung dieser Entscheidungen nimmt der Senat insoweit Bezug.

23

5. In Anwendung der vorstehenden Grundsätze hat das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise in der Vorentscheidung angenommen, dass V im Streitzeitraum nicht über ausreichende Mittel verfügte, um seinen gesamten existentiellen Lebensbedarf zu decken.

24

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

(1)1Die tarifliche Einkommensteuer bemisst sich nach dem auf volle Euro abgerundeten zu versteuernden Einkommen.2Sie beträgt im Veranlagungszeitraum 2023 vorbehaltlich der §§ 32b, 32d, 34, 34a, 34b und 34c jeweils in Euro für zu versteuernde Einkommen

1.
bis 10 908 Euro (Grundfreibetrag):0;
2.
von 10 909 Euro bis 15 999 Euro:(979,18 · y + 1 400) · y;
3.
von 16 000 Euro bis 62 809 Euro:(192,59 · z + 2 397) · z + 966,53;
4.
von 62 810 Euro bis 277 825 Euro:0,42 · x – 9 972,98;
5.
von 277 826 Euro an:0,45 · x – 18 307,73.
3Die Größe „y“ ist ein Zehntausendstel des den Grundfreibetrag übersteigenden Teils des auf einen vollen Euro-Betrag abgerundeten zu versteuernden Einkommens.4Die Größe „z“ ist ein Zehntausendstel des 15 999 Euro übersteigenden Teils des auf einen vollen Euro-Betrag abgerundeten zu versteuernden Einkommens.5Die Größe „x“ ist das auf einen vollen Euro-Betrag abgerundete zu versteuernde Einkommen.6Der sich ergebende Steuerbetrag ist auf den nächsten vollen Euro-Betrag abzurunden.

(2) bis (4) (weggefallen)

(5) Bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, beträgt die tarifliche Einkommensteuer vorbehaltlich der §§ 32b, 32d, 34, 34a, 34b und 34c das Zweifache des Steuerbetrags, der sich für die Hälfte ihres gemeinsam zu versteuernden Einkommens nach Absatz 1 ergibt (Splitting-Verfahren).

(6)1Das Verfahren nach Absatz 5 ist auch anzuwenden zur Berechnung der tariflichen Einkommensteuer für das zu versteuernde Einkommen

1.
bei einem verwitweten Steuerpflichtigen für den Veranlagungszeitraum, der dem Kalenderjahr folgt, in dem der Ehegatte verstorben ist, wenn der Steuerpflichtige und sein verstorbener Ehegatte im Zeitpunkt seines Todes die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 erfüllt haben,
2.
bei einem Steuerpflichtigen, dessen Ehe in dem Kalenderjahr, in dem er sein Einkommen bezogen hat, aufgelöst worden ist, wenn in diesem Kalenderjahr
a)
der Steuerpflichtige und sein bisheriger Ehegatte die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 erfüllt haben,
b)
der bisherige Ehegatte wieder geheiratet hat und
c)
der bisherige Ehegatte und dessen neuer Ehegatte ebenfalls die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 erfüllen.
2Voraussetzung für die Anwendung des Satzes 1 ist, dass der Steuerpflichtige nicht nach den §§ 26, 26a einzeln zur Einkommensteuer veranlagt wird.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 10. Dezember 2014 3 K 361/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist die Mutter des im Jahr 1960 geborenen Sohnes V. Der unbefristet gültige Schwerbehindertenausweis vom April 2013 weist V einen Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen ″G″, ″B″ und ″H″ zu. V wohnt seit dem 1. Dezember 2007 in einem eigenen Haushalt in einem Rehabilitationszentrum.

2

V erhält seit April 2013 nach Abzug eines Pflegeversicherungsbeitrags von 1,35 € einen monatlichen Lohn in Höhe von 170,65 €. Weiter erhält er aufgrund eines Haftpflichtschadens aus dem Jahr 1977 monatlich eine Ersatzleistung für fiktiven Verdienstausfall in Höhe von 772,32 € und eine Schmerzensgeldrente in Höhe von 204,52 €.

3

Die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) hob mit Bescheid vom 28. August 2013 gegenüber der Klägerin die Kindergeldfestsetzung für V ab Oktober 2013 auf, weil V aufgrund der eigenen verfügbaren Mittel in der Lage sei, seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies die Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom 12. Februar 2014 als unbegründet zurück.

4

Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen erhobenen Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 931 veröffentlichten Urteil statt. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, V sei aufgrund seiner Behinderung außerstande gewesen, sich selbst zu unterhalten. Die ihm zur Verfügung stehenden Mittel seien in allen Monaten des Klagezeitraums niedriger als der Bedarf. Die Schmerzensgeldrente in Höhe von 204,52 € gehöre nicht zu den anzusetzenden finanziellen Mitteln.

5

Mit der Revision rügt die Familienkasse die fehlerhafte Auslegung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes in der in dem Streitzeitraum geltenden Fassung (EStG).

6

Die Familienkasse beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Schmerzensgeldrente bei der Ermittlung der V zur Verfügung stehenden Mittel nicht zu berücksichtigen ist.

9

1. Gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG besteht für ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, ein Anspruch auf Kindergeld, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, sofern die Behinderung --wie im Streitfall-- vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.

10

2. Das Tatbestandsmerkmal "außerstande ist, sich selbst zu unterhalten" ist im Gesetz nicht näher umschrieben. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist ein behindertes Kind dann außerstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten kann (z.B. Senatsurteile vom 19. November 2008 III R 105/07, BFHE 223, 365, BStBl II 2010, 1057, unter II.1.a; vom 11. April 2013 III R 35/11, BFHE 241, 499, BStBl II 2013, 1037, Rz 14; vom 5. Februar 2015 III R 31/13, BFHE 249, 144, BStBl II 2015, 1017, Rz 13; BFH-Urteile vom 15. Oktober 1999 VI R 183/97, BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, unter 1.b, und vom 24. August 2004 VIII R 83/02, BFHE 207, 244, BStBl II 2007, 248, unter II.1.b). Ist das Kind hingegen trotz seiner Behinderung in der Lage, selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, kommt der Behinderung keine Bedeutung zu (z.B. Senatsurteil in BFHE 241, 499, BStBl II 2013, 1037, Rz 14, und BFH-Urteil in BFHE 207, 244, BStBl II 2007, 248, unter II.1.b, m.w.N.). Die Fähigkeit des Kindes zum Selbstunterhalt ist anhand eines Vergleichs zweier Bezugsgrößen zu prüfen, nämlich des gesamten existenziellen Lebensbedarfs des Kindes einerseits und seiner finanziellen Mittel andererseits (z.B. Senatsurteile in BFHE 241, 499, BStBl II 2013, 1037, unter II.2.a; vom 8. August 2013 III R 30/12, BFH/NV 2014, 498, Rz 15; BFH-Urteile in BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, unter 1.c, und vom 20. März 2013 XI R 51/10, BFH/NV 2013, 1088, Rz 12).

11

3. Der gesamte Lebensbedarf eines behinderten Kindes setzt sich aus dem Grundbedarf und dem individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf zusammen (z.B. Senatsurteile in BFHE 223, 365, BStBl II 2010, 1057, unter II.1.a; in BFHE 249, 144, BStBl II 2015, 1017, Rz 13; BFH-Urteile in BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, unter 1.c, und vom 14. Dezember 2004 VIII R 59/02, BFH/NV 2005, 1090, unter II.1.a).

12

Der Grundbedarf eines behinderten Kindes kann sich nach Wegfall des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG in der bis zum 31. Dezember 2011 gültigen Fassung (EStG a.F.) ab dem Jahr 2012 zwar nicht mehr an dem für die eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes maßgeblichen Jahresgrenzbetrag orientieren. Da bei dem behinderten Kind aber --auch weiterhin-- ein am Existenzminimum orientierter Betrag als allgemeiner Unterhaltsbedarf anerkannt werden muss (BFH-Urteile vom 15. Oktober 1999 VI R 182/98, BFHE 189, 457, BStBl II 2000, 79, unter II.2.c, und in BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, unter 1.c), ist zur Bemessung des Grundbedarfs an den Grundfreibetrag i.S. des § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG anzuknüpfen (vgl. auch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juli 2010  2 BvR 2122/09, BFH/NV 2010, 1994, unter II.1., zu § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F.). Davon gehen im Ergebnis auch das Schrifttum und die Verwaltung aus (vgl. z.B. Grönke-Reimann in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32 EStG Rz 118; Seiler in Kirchhof, EStG, 15. Aufl., § 32 Rz 21; Pust in Littmann/Bitz/ Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 32 Rz 482; Schmidt/Loschelder, EStG, 35. Aufl., § 32 Rz 40; Blümich/ Selder, § 32 EStG Rz 114, 116; ebenso die Verwaltung, Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes, Stand 2013, DA 63.3.6.4 Abs. 1 Satz 3, ersetzt durch Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz, Stand 2015, A 18.4 Abs. 2 Satz 2).

13

Der behinderungsbedingte Mehrbedarf umfasst Aufwendungen, die gesunde Kinder nicht haben. Werden die behinderungsbedingten Mehraufwendungen nicht im Einzelnen nachgewiesen, kann der maßgebliche Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Abs. 1 bis 3 EStG als Anhalt für den Mehrbedarf dienen (Senatsurteile in BFHE 223, 365, BStBl II 2010, 1057, Rz 16, m.w.N., und vom 22. Oktober 2009 III R 50/07, BFHE 228, 17, BStBl II 2011, 38, Rz 10).

14

4. Nach der Ermittlung des gesamten Lebensbedarfs des behinderten Kindes ist weiter zu prüfen, ob das Kind über hinreichende finanzielle Mittel verfügt, die zur Bestreitung seines persönlichen Unterhalts ausreichen. Ergibt sich eine ausreichende Leistungsfähigkeit des Kindes, kann davon ausgegangen werden, dass den Eltern kein zusätzlicher Aufwand erwächst, der ihre steuerliche Leistungsfähigkeit mindert. Dann ist es auch gerechtfertigt, für behinderte Kinder kein Kindergeld oder keinen Kinderfreibetrag zu gewähren (z.B. Senatsurteil in BFH/NV 2014, 498, Rz 15, m.w.N.; BFH-Urteile in BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, unter II.1.c, und vom 4. November 2003 VIII R 43/02, BFHE 204, 120, BStBl II 2010, 1046, unter II.1.c).

15

a) Zu den finanziellen Mitteln des behinderten volljährigen Kindes gehören seine Einkünfte und Bezüge (vgl. z.B. Senatsurteile in BFHE 241, 499, BStBl II 2013, 1037, Rz 14, und in BFHE 249, 144, BStBl II 2015, 1017, Rz 13). Mangels sachlicher Änderung von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG gilt dies --anders als die Revision meint-- auch nach Wegfall des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. (vgl. z.B. Grönke-Reimann in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 32 EStG Rz 118; Schmidt/Loschelder, EStG, 35. Aufl., § 32 Rz 44; Blümich/Selder, § 32 EStG Rz 116).

16

b) Eine Schmerzensgeldrente ist bei der Ermittlung der dem Kind zur Verfügung stehenden Mittel nicht zu berücksichtigen, da sie nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts des Kindes bestimmt oder geeignet ist.

17

aa) Soweit die Familienkasse meint, bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit eines behinderten Kindes komme es generell auf die Herkunft der zur Verfügung stehenden eigenen finanziellen Mittel und ihre Zweckbestimmung nicht an (vgl. auch Helmke/ Bauer, Familienleistungsausgleich, Kommentar, Fach A, I. Kommentierung, § 32 Rz 116, und Pust in Littmann/Bitz/Pust, a.a.O., § 32 Rz 488), kann der Senat dem nicht beitreten. Nur solche Einkünfte und Bezüge eines behinderten Kindes sind bei der Beurteilung seiner Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen, die zur Bestreitung seines Lebensunterhalts bestimmt oder geeignet sind (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, unter 3., m.w.N., und vom 19. August 2002 VIII R 17/02, BFHE 200, 219, BStBl II 2003, 88, unter II.2.). Hieran hält der Senat fest. Denn allein durch den Wegfall des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. hat sich der § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG zugrunde liegende Rechtsgedanke der Anerkennung eines am Existenzminimum des behinderten Kindes orientierten Betrags unter Berücksichtigung des behinderungsbedingten Mehrbedarfs nicht geändert.

18

Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Senatsurteil vom 9. Februar 2012 III R 53/10 (BFHE 236, 417, BStBl II 2014, 391, Rz 11) und dem BFH-Urteil vom 12. Dezember 2012 VI R 101/10 (BFHE 240, 50, BStBl II 2015, 651, Rz 12). Dort ging es um die Frage, ob Eingliederungshilfen gemäß §§ 53 f. des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) zu den dem behinderten Kind zur Verfügung stehenden eigenen finanziellen Mitteln gehören. Nur "in diesem Zusammenhang" hatte der Senat ausgeführt, dass es auf Herkunft und Zweckbestimmung der Mittel nicht ankomme.

19

bb) Das Schmerzensgeld nimmt --unabhängig davon, ob es in einem Einmalbetrag oder in Rentenform gezahlt wird-- eine Sonderstellung innerhalb der sonstigen Einkommens- und Vermögensarten ein (vgl. BVerfG-Beschluss vom 11. Juli 2006  1 BvR 293/05, BVerfGE 116, 229, unter B.I.2.b). Dementsprechend ist grundsätzlich Schmerzensgeld bei der Beurteilung der finanziellen Leistungsfähigkeit des behinderten Kindes nicht zu berücksichtigen.

20

Denn nach der Grundsatzentscheidung des Großen Senats für Zivilsachen des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 6. Juli 1955 GSZ 1/55 (BGHZ 18, 149) hat das Schmerzensgeld rechtlich eine doppelte Funktion. Es soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für solche Schäden und Lebenshemmungen bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind. Es soll aber zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten für das, was er ihm angetan hat, Genugtuung schuldet. Dabei steht der Entschädigungs- oder Ausgleichsgedanke im Vordergrund. Der Zweck des Anspruchs ist der Ausgleich für die erlittene Beeinträchtigung. Der BGH hat den zugrunde liegenden Gedanken dahin formuliert, dass der Schädiger, der dem Geschädigten über den Vermögensschaden hinaus das Leben schwer gemacht hat, nun durch seine Leistung dazu helfen soll, es ihm im Rahmen des Möglichen wieder leichter zu machen (BGH-Be-schluss in BGHZ 18, 149, unter I.3.). Schmerzensgeld bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit eines behinderten Kindes zu berücksichtigen, stünde mithin in Widerspruch zu seiner Sonderfunktion, immaterielle Schäden abzumildern. Entsprechendes gilt für die Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes. Denn es hat auch insoweit gerade nicht die Funktion, zur materiellen Existenzsicherung beizutragen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 116, 229, unter B.I.3.a).

21

c) Der Sonderstellung des Schmerzensgeldes wird auch in anderen Bereichen Rechnung getragen. So ist im Sozialrecht die Schmerzensgeldrente nicht bei der Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 11a Abs. 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und auch nicht im Rahmen der Sozialhilfe nach § 83 Abs. 2 SGB XII als Einkommen zu berücksichtigen. Nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) ist eine Entschädigung nach § 253 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ebenfalls nicht als Einkommen bei der Bestimmung des Leistungsumfangs der Kriegsopferfürsorge anzurechnen (§ 25d Abs. 4 Satz 2 BVG).

22

Ein abweichendes Ergebnis ergibt sich auch nicht aus einer Berücksichtigungsfähigkeit des Schmerzensgeldanspruchs i.R. des § 1602 BGB (für Anrechnung von Schmerzensgeld etwa Bamberger/Roth/Reinken, BGB, 3. Aufl., § 1602 Rz 31d; ebenso Erman/Hammermann, BGB, 14. Aufl., § 1602 Rz 68d; gegen Anrechnung von Schmerzensgeld dagegen Mutschler in BGB-RGRK, 12. Aufl., § 1602 Rz 8). Denn diese zivilrechtliche Unterhaltsregelung kann für die Auslegung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG nach der Rechtsprechung des BFH in BFHE 200, 219, BStBl II 2003, 88, unter II.4.a, vom 19. August 2002 VIII R 51/01 (BFHE 200, 212, BStBl II 2003, 91, unter II.4.a) und vom 14. Oktober 2002 VIII R 55/01 (BFH/NV 2003, 308, unter II.4.) nicht herangezogen werden. Auf die Begründung dieser Entscheidungen nimmt der Senat insoweit Bezug.

23

5. In Anwendung der vorstehenden Grundsätze hat das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise in der Vorentscheidung angenommen, dass V im Streitzeitraum nicht über ausreichende Mittel verfügte, um seinen gesamten existentiellen Lebensbedarf zu decken.

24

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

(1)1Wegen der Aufwendungen für die Hilfe bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, für die Pflege sowie für einen erhöhten Wäschebedarf können Menschen mit Behinderungen unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 anstelle einer Steuerermäßigung nach § 33 einen Pauschbetrag nach Absatz 3 geltend machen (Behinderten-Pauschbetrag).2Das Wahlrecht kann für die genannten Aufwendungen im jeweiligen Veranlagungszeitraum nur einheitlich ausgeübt werden.

(2) Einen Pauschbetrag erhalten Menschen, deren Grad der Behinderung auf mindestens 20 festgestellt ist, sowie Menschen, die hilflos im Sinne des Absatzes 3 Satz 4 sind.

(3)1Die Höhe des Pauschbetrags nach Satz 2 richtet sich nach dem dauernden Grad der Behinderung.2Als Pauschbetrag werden gewährt bei einem Grad der Behinderung von mindestens:

20384 Euro,
30620 Euro,
40860 Euro,
501 140 Euro,
601 440 Euro,
701 780 Euro,
802 120 Euro,
902 460 Euro,
1002 840 Euro.


3Menschen, die hilflos im Sinne des Satzes 4 sind, Blinde und Taubblinde erhalten einen Pauschbetrag von 7 400 Euro; in diesem Fall kann der Pauschbetrag nach Satz 2 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.4Hilflos ist eine Person, wenn sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedarf.5Diese Voraussetzungen sind auch erfüllt, wenn die Hilfe in Form einer Überwachung oder einer Anleitung zu den in Satz 4 genannten Verrichtungen erforderlich ist oder wenn die Hilfe zwar nicht dauernd geleistet werden muss, jedoch eine ständige Bereitschaft zur Hilfeleistung erforderlich ist.

(4)1Personen, denen laufende Hinterbliebenenbezüge bewilligt worden sind, erhalten auf Antrag einen Pauschbetrag von 370 Euro (Hinterbliebenen-Pauschbetrag), wenn die Hinterbliebenenbezüge geleistet werden

1.
nach dem Bundesversorgungsgesetz oder einem anderen Gesetz, das die Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes über Hinterbliebenenbezüge für entsprechend anwendbar erklärt, oder
2.
nach den Vorschriften über die gesetzliche Unfallversicherung oder
3.
nach den beamtenrechtlichen Vorschriften an Hinterbliebene eines an den Folgen eines Dienstunfalls verstorbenen Beamten oder
4.
nach den Vorschriften des Bundesentschädigungsgesetzes über die Entschädigung für Schäden an Leben, Körper oder Gesundheit.
2Der Pauschbetrag wird auch dann gewährt, wenn das Recht auf die Bezüge ruht oder der Anspruch auf die Bezüge durch Zahlung eines Kapitals abgefunden worden ist.

(5)1Steht der Behinderten-Pauschbetrag oder der Hinterbliebenen-Pauschbetrag einem Kind zu, für das der Steuerpflichtige Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat, so wird der Pauschbetrag auf Antrag auf den Steuerpflichtigen übertragen, wenn ihn das Kind nicht in Anspruch nimmt.2Dabei ist der Pauschbetrag grundsätzlich auf beide Elternteile je zur Hälfte aufzuteilen, es sei denn, der Kinderfreibetrag wurde auf den anderen Elternteil übertragen.3Auf gemeinsamen Antrag der Eltern ist eine andere Aufteilung möglich.4In diesen Fällen besteht für Aufwendungen, für die der Behinderten-Pauschbetrag gilt, kein Anspruch auf eine Steuerermäßigung nach § 33.5Voraussetzung für die Übertragung nach Satz 1 ist die Angabe der erteilten Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung) des Kindes in der Einkommensteuererklärung des Steuerpflichtigen.

(6)1Wegen der außergewöhnlichen Belastungen, die einem Steuerpflichtigen durch die Pflege einer Person erwachsen, kann er anstelle einer Steuerermäßigung nach § 33 einen Pauschbetrag geltend machen (Pflege-Pauschbetrag), wenn er dafür keine Einnahmen im Kalenderjahr erhält und der Steuerpflichtige die Pflege entweder in seiner Wohnung oder in der Wohnung des Pflegebedürftigen persönlich durchführt und diese Wohnung in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat gelegen ist, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum anzuwenden ist.2Zu den Einnahmen nach Satz 1 zählt unabhängig von der Verwendung nicht das von den Eltern eines Kindes mit Behinderungen für dieses Kind empfangene Pflegegeld.3Als Pflege-Pauschbetrag wird gewährt:

1.
bei Pflegegrad 2600 Euro,
2.
bei Pflegegrad 31 100 Euro,
3.
bei Pflegegrad 4 oder 51 800 Euro.
4Ein Pflege-Pauschbetrag nach Satz 3 Nummer 3 wird auch gewährt, wenn die gepflegte Person hilflos im Sinne des § 33b Absatz 3 Satz 4 ist.5Bei erstmaliger Feststellung, Änderung oder Wegfall des Pflegegrads im Laufe des Kalenderjahres ist der Pflege-Pauschbetrag nach dem höchsten Grad zu gewähren, der im Kalenderjahr festgestellt war.6Gleiches gilt, wenn die Person die Voraussetzungen nach Satz 4 erfüllt.7Sind die Voraussetzungen nach Satz 4 erfüllt, kann der Pauschbetrag nach Satz 3 Nummer 1 und 2 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.8Voraussetzung für die Gewährung des Pflege-Pauschbetrags ist die Angabe der erteilten Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung) der gepflegten Person in der Einkommensteuererklärung des Steuerpflichtigen.9Wird ein Pflegebedürftiger von mehreren Steuerpflichtigen im Veranlagungszeitraum gepflegt, wird der Pflege-Pauschbetrag nach der Zahl der Pflegepersonen, bei denen die Voraussetzungen der Sätze 1 bis 4 vorliegen, geteilt.

(7) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen, wie nachzuweisen ist, dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Pauschbeträge vorliegen.

(8) Die Vorschrift des § 33b Absatz 6 ist ab Ende des Kalenderjahres 2026 zu evaluieren.

(1) Bei der Ermittlung oder Anrechnung von Einkommen, sonstigen Einnahmen und Vermögen nach anderen Gesetzen, insbesondere dem Zweiten, Dritten, Fünften, Neunten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch und dem Bürgerlichen Gesetzbuch, bleiben Leistungen nach diesem Gesetz außer Betracht.

(2) Verpflichtungen Anderer, insbesondere Unterhaltspflichtiger und der Träger der Sozialhilfe oder anderer Sozialleistungen, werden durch dieses Gesetz nicht berührt. Der Übergang der Unterhaltsansprüche der leistungsberechtigten Person gegenüber ihrem Ehegatten, ihrem Lebenspartner, ihren Kindern oder ihren Eltern nach § 94 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch bedeutet eine unbillige Härte nach § 94 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch. Bei der Hilfe nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch ist der leistungsberechtigten Person und ihrem nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen nach § 19 Absatz 3, § 87 Absatz 1 und § 88 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch nicht zuzumuten. Der Einsatz des Vermögens der leistungsberechtigten Person und ihres nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners nach § 19 Absatz 3, § 90 Absatz 3 Satz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch stellt eine Härte dar. Für Eingliederungshilfebezieher nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch wird ein Beitrag nach § 92 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch nicht erhoben. Das gilt auch für die nach diesem Gesetz leistungsberechtigten Personen, die nach Inkrafttreten des Bundesteilhabegesetzes Leistungen nach § 103 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch erhalten. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer Stellen, auf die kein Anspruch besteht, dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach diesem Gesetz Leistungen vorgesehen sind.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, vom 23. September 2014  11 K 419/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Vater des im Dezember 1988 geborenen Sohnes X. Aufgrund eines Unfalls, der sich nach Ende der Berufsausbildung des X zum Straßenbauer ereignet hat, ist X schwerbehindert (Grad der Behinderung: 50). Im Streitzeitraum (Januar bis Oktober 2012) bezog X eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.

2

Den Antrag des Klägers, ihm Kindergeld für den Streitzeitraum zu gewähren, lehnte die frühere Beklagte (Familienkasse) mit der Begründung ab, X sei aufgrund der erhaltenen Rente in der Lage, sich selbst zu unterhalten. Der Einspruch blieb erfolglos.

3

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit der der Kläger geltend machte, X sei (auch) ein nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigendes, ausbildungsplatzsuchendes Kind, das das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet habe, und außerdem sei es verfassungswidrig, nach Wegfall des Grenzbetrags (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. bis zum 31. Dezember 2011) den Kindergeldanspruch behinderter Kinder von der Unfähigkeit zum Selbstunterhalt abhängig zu machen, ab.

4

Mit der Beschwerde macht der Kläger geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung.

Entscheidungsgründe

5

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

6

1. a) Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Außerdem muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärbar sein (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 11. Dezember 2013 V B 36/13, BFH/NV 2014, 680; vom 3. Februar 2014 VI B 111/13, BFH/NV 2014, 696; vom 18. Juli 2014 XI B 37/14, BFH/NV 2014, 1779).

7

b) Für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung muss der Beschwerdeführer eine konkrete Rechtsfrage formulieren und substantiiert auf ihre Klärungsbedürftigkeit, ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung sowie darauf eingehen, weshalb von der Beantwortung der Rechtsfrage die Entscheidung über die Rechtssache abhängt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 16. Mai 2008 VII B 118/07, BFH/NV 2008, 1440; vom 21. Mai 2013 III B 59/12, BFH/NV 2013, 1447). Hat der BFH die Rechtsfrage noch nicht entschieden, muss der Beschwerdeführer darlegen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen sie umstritten ist (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2013, 1447; vom 22. Juli 2014 XI B 29/14, BFH/NV 2014, 1780). Macht ein Beschwerdeführer mit der Nichtzulassungsbeschwerde --wie hier-- verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine gesetzliche Regelung geltend, so ist darüber hinaus eine substantiierte, an den Vorgaben des Grundgesetzes und der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des BFH orientierte Auseinandersetzung mit der Problematik erforderlich (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom 9. April 2014 III B 143/13, BFH/NV 2014, 1083; vom 9. April 2014 XI B 128/13, BFH/NV 2014, 1224).

8

2. Die vom Kläger für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Frage, ob § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG auch den Fall umfasse, dass eine Berufsausbildung deshalb nicht begonnen werden kann, weil das ausbildungswillige Kind wegen einer Behinderung, die seine Leistungsfähigkeit erheblich einschränkt, keinen Ausbildungsplatz finden kann, ist im Streitfall nicht klärbar.

9

a) Dabei kann sowohl offen bleiben, ob der Senat der Auffassung des FG unter 1. seiner Gründe in vollem Umfang folgen könnte. Ebenso bedarf keiner Prüfung, ob die tatsächlichen Feststellungen des FG, das weder festgestellt hat, welcher Art die Behinderung des X ist, noch festgestellt hat, welche Ausbildung X anstrebt, seine Würdigung unter 1. der Gründe tragen könnten, X finde aufgrund seiner Behinderung keinen Ausbildungsplatz.

10

b) Die Entscheidung des Streitfalls hängt nämlich aus anderen Gründen nicht von der Beantwortung der vom Kläger aufgeworfenen Frage ab. Jedenfalls kommt im Streitfall eine Berücksichtigung des X als ausbildungsplatzsuchendes Kind i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG schon deshalb nicht in Betracht, weil hierfür nach ständiger Rechtsprechung des BFH erforderlich ist, dass sich das Kind ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht (vgl. BFH-Urteile vom 19. Juni 2008 III R 66/05, BFHE 222, 343, BStBl II 2009, 1005, und vom 22. September 2011 III R 30/08, BFHE 235, 327, BStBl II 2012, 411). Das Bemühen um einen Ausbildungsplatz ist glaubhaft zu machen (BFH-Urteile vom 22. September 2011 III R 35/08, BFH/NV 2012, 232; vom 26. August 2014 XI R 14/12, BFH/NV 2015, 322). Dies ist vorliegend nicht geschehen und wird vom Kläger auch nicht behauptet, so dass schon aus diesem Grund keine Berücksichtigung des X gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG möglich ist.

11

3. Mit dem Hinweis, es sei grundsätzlich bedeutsam, ob § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG im Wege verfassungskonformer Auslegung so zu interpretieren sei, dass körperlich behinderte Kinder, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und aufgrund 100%iger Erwerbsminderung nicht in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen, als kindergeldberechtigte Kinder zu berücksichtigen sind, ohne dass es im Einzelfall darauf ankommt, ob Einkommen oder sonstige Bezüge die Unterhaltsbedürftigkeit ausschließen, hat der Kläger die grundsätzliche Bedeutung nicht hinreichend dargelegt.

12

a) Der Kläger hat sich zunächst nicht mit der zu dieser Frage ergangenen Rechtsprechung (FG des Saarlands, Urteil vom 13. November 2013  2 K 1224/13, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2014, 658; FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 8. April 2014  4 K 1218/12, EFG 2014, 1492), die dieselbe Auffassung wie die Vorentscheidung vertreten, befasst.

13

b) Weiter hat sich der Kläger nicht mit der in der Vorentscheidung und dem Urteil des FG des Saarlands in EFG 2014, 658 angeführten höchstrichterlichen Rechtsprechung auseinander gesetzt.

14

aa) Dazu hätte schon deshalb Anlass bestanden, weil nach der Rechtsprechung des BVerfG beim Kindergeld, soweit es als Sozialleistung zu den Maßnahmen der darreichenden Verwaltung gehört, eine weitgehende Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers besteht; bei der Überprüfung eines Gesetzes auf Übereinstimmung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz ist nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat (vgl. BVerfG-Beschluss vom 8. Juni 2004  2 BvL 5/00, BVerfGE 110, 412, BFH/NV Beilage 2005, 33, unter C.II.3.a, m.w.N.; s. auch BVerfG-Beschluss vom 6. April 2011  1 BvR 1765/09, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2011, 812, unter IV.2.a).

15

bb) Weiter bestand Anlass für eine solche Erörterung, weil es verfassungsgemäß ist, die Gewährung des Kindergelds davon abhängig zu machen, dass das Existenzminimum des Kindes nicht durch eigene Einkünfte und Bezüge gedeckt ist (BVerfG-Beschluss vom 27. Juli 2010  2 BvR 2122/09, HFR 2010, 1109, unter II.1.). Das Kindergeld dient dazu, die wirtschaftliche Belastung, die Eltern durch die Sorge für ihre Kinder entsteht, auszugleichen (vgl. BFH-Urteil vom 9. Februar 2009 III R 37/07, BFHE 224, 290, BStBl II 2009, 928, unter II.3.a; Urteil des Bundessozialgerichts vom 19. Februar 2009 B 10 Kg 2/07 R, Sozialrecht 4-5870 § 1 Nr. 2, juris, Rz 26). Der Anspruch auf Kindergeld entfällt, wenn das behinderte Kind auf elterliche Unterstützung nicht mehr angewiesen ist (vgl. BFH-Urteil vom 15. Oktober 1999 VI R 182/98, BFHE 189, 457, BStBl II 2000, 79, unter II.4.a).

16

cc) Zudem hätte der Kläger dem Umstand Beachtung schenken müssen, dass auch § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG n.F. eine (widerlegbare) Vermutung aufstellt, dass das Kind (erst) nach Abschluss der Erstausbildung in der Lage ist, sich selbst zu unterhalten (BTDrucks 17/5125, S. 41, linke Spalte, unten), und eine Änderung der Regelungen für behinderte Kinder nicht beabsichtigt war (a.a.O., rechte Spalte, a.E.).

17

c) Angesichts dessen hätte der Kläger begründen müssen, wieso in seiner Person eine verfassungswidrige Benachteiligung gegenüber Eltern nicht behinderter Kinder vorliegen soll, obwohl diese in vergleichbarer Situation ebenfalls kein Kindergeld erhalten. Eltern nicht behinderter Kinder, die das 21. Lebensjahr, aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, --wie X-- keinen Ausbildungsplatz haben, sich --wie X-- nicht in einer Übergangszeit befinden, und sich --wie X-- nicht um einen Ausbildungsplatz bemühen, erhalten --wie der Kläger-- ebenfalls kein Kindergeld.

18

4. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

19

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Bei der Ermittlung oder Anrechnung von Einkommen, sonstigen Einnahmen und Vermögen nach anderen Gesetzen, insbesondere dem Zweiten, Dritten, Fünften, Neunten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch und dem Bürgerlichen Gesetzbuch, bleiben Leistungen nach diesem Gesetz außer Betracht.

(2) Verpflichtungen Anderer, insbesondere Unterhaltspflichtiger und der Träger der Sozialhilfe oder anderer Sozialleistungen, werden durch dieses Gesetz nicht berührt. Der Übergang der Unterhaltsansprüche der leistungsberechtigten Person gegenüber ihrem Ehegatten, ihrem Lebenspartner, ihren Kindern oder ihren Eltern nach § 94 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch bedeutet eine unbillige Härte nach § 94 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch. Bei der Hilfe nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch ist der leistungsberechtigten Person und ihrem nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen nach § 19 Absatz 3, § 87 Absatz 1 und § 88 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch nicht zuzumuten. Der Einsatz des Vermögens der leistungsberechtigten Person und ihres nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners nach § 19 Absatz 3, § 90 Absatz 3 Satz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch stellt eine Härte dar. Für Eingliederungshilfebezieher nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch wird ein Beitrag nach § 92 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch nicht erhoben. Das gilt auch für die nach diesem Gesetz leistungsberechtigten Personen, die nach Inkrafttreten des Bundesteilhabegesetzes Leistungen nach § 103 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch erhalten. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer Stellen, auf die kein Anspruch besteht, dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach diesem Gesetz Leistungen vorgesehen sind.

(1) Als Kinder werden auch berücksichtigt

1.
vom Berechtigten in seinen Haushalt aufgenommene Kinder seines Ehegatten oder Lebenspartners,
2.
Pflegekinder (Personen, mit denen der Berechtigte durch ein familienähnliches, auf Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken in seinen Haushalt aufgenommen hat und das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht),
3.
vom Berechtigten in seinen Haushalt aufgenommene Enkel.

(2) Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wird berücksichtigt, wenn es

1.
noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitssuchender gemeldet ist oder
2.
noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und
a)
für einen Beruf ausgebildet wird oder
b)
sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes, einer vom Wehr- oder Zivildienst befreienden Tätigkeit als Entwicklungshelfer oder als Dienstleistender im Ausland nach § 14b des Zivildienstgesetzes oder der Ableistung des freiwilligen Wehrdienstes nach § 58b des Soldatengesetzes oder der Ableistung eines freiwilligen Dienstes im Sinne des Buchstaben d liegt, oder
c)
eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann oder
d)
einen der folgenden freiwilligen Dienste leistet:
aa)
ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
bb)
ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
cc)
einen Bundesfreiwilligendienst im Sinne des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
dd)
eine Freiwilligentätigkeit im Rahmen des Europäischen Solidaritätskorps im Sinne der Verordnung (EU) 2021/888 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2021 zur Aufstellung des Programms für das Europäische Solidaritätskorps und zur Aufhebung der Verordnungen (EU) 2018/1475 und (EU) Nr. 375/2014 (ABl. L 202 vom 8.6.2021, S. 32),
ee)
einen anderen Dienst im Ausland im Sinne von § 5 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
ff)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts“ im Sinne der Förderleitlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. Januar 2016,
gg)
einen Freiwilligendienst aller Generationen im Sinne von § 2 Absatz 1a des Siebten Buches Sozialgesetzbuch oder
hh)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 4. Januar 2021 (GMBl S. 77) oder
3.
wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten; Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.
Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind in den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 nur berücksichtigt, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der §§ 8 und 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind unschädlich.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 Buchstabe a und b wird ein Kind, das

1.
den gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst geleistet hat oder
2.
sich an Stelle des gesetzlichen Grundwehrdienstes freiwillig für die Dauer von nicht mehr als drei Jahren zum Wehrdienst verpflichtet hat oder
3.
eine vom gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst befreiende Tätigkeit als Entwicklungshelfer im Sinne des § 1 Absatz 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes ausgeübt hat,
für einen der Dauer dieser Dienste oder der Tätigkeit entsprechenden Zeitraum, höchstens für die Dauer des inländischen gesetzlichen Grundwehrdienstes, bei anerkannten Kriegsdienstverweigerern für die Dauer des inländischen gesetzlichen Zivildienstes über das 21. oder 25. Lebensjahr hinaus berücksichtigt. Wird der gesetzliche Grundwehrdienst oder Zivildienst in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, geleistet, so ist die Dauer dieses Dienstes maßgebend. Absatz 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(4) Kinder, für die einer anderen Person nach dem Einkommensteuergesetz Kindergeld oder ein Kinderfreibetrag zusteht, werden nicht berücksichtigt. Dies gilt nicht für Kinder, die in den Haushalt des Anspruchsberechtigten nach § 1 aufgenommen worden sind oder für die dieser die höhere Unterhaltsrente zahlt, wenn sie weder in seinen Haushalt noch in den Haushalt eines nach § 62 des Einkommensteuergesetzes Anspruchsberechtigten aufgenommen sind.

(5) Kinder, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, werden nicht berücksichtigt. Dies gilt nicht gegenüber Berechtigten nach § 1 Absatz 1 Nummer 2 und 3, wenn sie die Kinder in ihren Haushalt aufgenommen haben.

(6) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu bestimmen, dass einem Berechtigten, der in Deutschland erwerbstätig ist oder sonst seine hauptsächlichen Einkünfte erzielt, für seine in Absatz 5 Satz 1 bezeichneten Kinder Kindergeld ganz oder teilweise zu leisten ist, soweit dies mit Rücksicht auf die durchschnittlichen Lebenshaltungskosten für Kinder in deren Wohnland und auf die dort gewährten dem Kindergeld vergleichbaren Leistungen geboten ist.

(1) Bei der Ermittlung oder Anrechnung von Einkommen, sonstigen Einnahmen und Vermögen nach anderen Gesetzen, insbesondere dem Zweiten, Dritten, Fünften, Neunten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch und dem Bürgerlichen Gesetzbuch, bleiben Leistungen nach diesem Gesetz außer Betracht.

(2) Verpflichtungen Anderer, insbesondere Unterhaltspflichtiger und der Träger der Sozialhilfe oder anderer Sozialleistungen, werden durch dieses Gesetz nicht berührt. Der Übergang der Unterhaltsansprüche der leistungsberechtigten Person gegenüber ihrem Ehegatten, ihrem Lebenspartner, ihren Kindern oder ihren Eltern nach § 94 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch bedeutet eine unbillige Härte nach § 94 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch. Bei der Hilfe nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch ist der leistungsberechtigten Person und ihrem nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen nach § 19 Absatz 3, § 87 Absatz 1 und § 88 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch nicht zuzumuten. Der Einsatz des Vermögens der leistungsberechtigten Person und ihres nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners nach § 19 Absatz 3, § 90 Absatz 3 Satz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch stellt eine Härte dar. Für Eingliederungshilfebezieher nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch wird ein Beitrag nach § 92 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch nicht erhoben. Das gilt auch für die nach diesem Gesetz leistungsberechtigten Personen, die nach Inkrafttreten des Bundesteilhabegesetzes Leistungen nach § 103 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch erhalten. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer Stellen, auf die kein Anspruch besteht, dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach diesem Gesetz Leistungen vorgesehen sind.

(1) Als Kinder werden auch berücksichtigt

1.
vom Berechtigten in seinen Haushalt aufgenommene Kinder seines Ehegatten oder Lebenspartners,
2.
Pflegekinder (Personen, mit denen der Berechtigte durch ein familienähnliches, auf Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken in seinen Haushalt aufgenommen hat und das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht),
3.
vom Berechtigten in seinen Haushalt aufgenommene Enkel.

(2) Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wird berücksichtigt, wenn es

1.
noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitssuchender gemeldet ist oder
2.
noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und
a)
für einen Beruf ausgebildet wird oder
b)
sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes, einer vom Wehr- oder Zivildienst befreienden Tätigkeit als Entwicklungshelfer oder als Dienstleistender im Ausland nach § 14b des Zivildienstgesetzes oder der Ableistung des freiwilligen Wehrdienstes nach § 58b des Soldatengesetzes oder der Ableistung eines freiwilligen Dienstes im Sinne des Buchstaben d liegt, oder
c)
eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann oder
d)
einen der folgenden freiwilligen Dienste leistet:
aa)
ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
bb)
ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
cc)
einen Bundesfreiwilligendienst im Sinne des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
dd)
eine Freiwilligentätigkeit im Rahmen des Europäischen Solidaritätskorps im Sinne der Verordnung (EU) 2021/888 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2021 zur Aufstellung des Programms für das Europäische Solidaritätskorps und zur Aufhebung der Verordnungen (EU) 2018/1475 und (EU) Nr. 375/2014 (ABl. L 202 vom 8.6.2021, S. 32),
ee)
einen anderen Dienst im Ausland im Sinne von § 5 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
ff)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts“ im Sinne der Förderleitlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. Januar 2016,
gg)
einen Freiwilligendienst aller Generationen im Sinne von § 2 Absatz 1a des Siebten Buches Sozialgesetzbuch oder
hh)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 4. Januar 2021 (GMBl S. 77) oder
3.
wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten; Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.
Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind in den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 nur berücksichtigt, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der §§ 8 und 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind unschädlich.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 Buchstabe a und b wird ein Kind, das

1.
den gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst geleistet hat oder
2.
sich an Stelle des gesetzlichen Grundwehrdienstes freiwillig für die Dauer von nicht mehr als drei Jahren zum Wehrdienst verpflichtet hat oder
3.
eine vom gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst befreiende Tätigkeit als Entwicklungshelfer im Sinne des § 1 Absatz 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes ausgeübt hat,
für einen der Dauer dieser Dienste oder der Tätigkeit entsprechenden Zeitraum, höchstens für die Dauer des inländischen gesetzlichen Grundwehrdienstes, bei anerkannten Kriegsdienstverweigerern für die Dauer des inländischen gesetzlichen Zivildienstes über das 21. oder 25. Lebensjahr hinaus berücksichtigt. Wird der gesetzliche Grundwehrdienst oder Zivildienst in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, geleistet, so ist die Dauer dieses Dienstes maßgebend. Absatz 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(4) Kinder, für die einer anderen Person nach dem Einkommensteuergesetz Kindergeld oder ein Kinderfreibetrag zusteht, werden nicht berücksichtigt. Dies gilt nicht für Kinder, die in den Haushalt des Anspruchsberechtigten nach § 1 aufgenommen worden sind oder für die dieser die höhere Unterhaltsrente zahlt, wenn sie weder in seinen Haushalt noch in den Haushalt eines nach § 62 des Einkommensteuergesetzes Anspruchsberechtigten aufgenommen sind.

(5) Kinder, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, werden nicht berücksichtigt. Dies gilt nicht gegenüber Berechtigten nach § 1 Absatz 1 Nummer 2 und 3, wenn sie die Kinder in ihren Haushalt aufgenommen haben.

(6) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu bestimmen, dass einem Berechtigten, der in Deutschland erwerbstätig ist oder sonst seine hauptsächlichen Einkünfte erzielt, für seine in Absatz 5 Satz 1 bezeichneten Kinder Kindergeld ganz oder teilweise zu leisten ist, soweit dies mit Rücksicht auf die durchschnittlichen Lebenshaltungskosten für Kinder in deren Wohnland und auf die dort gewährten dem Kindergeld vergleichbaren Leistungen geboten ist.

(1) Kinder sind

1.
im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandte Kinder,
2.
Pflegekinder (Personen, mit denen der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken in seinen Haushalt aufgenommen hat und das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht).

(2)1Besteht bei einem angenommenen Kind das Kindschaftsverhältnis zu den leiblichen Eltern weiter, ist es vorrangig als angenommenes Kind zu berücksichtigen.2Ist ein im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandtes Kind zugleich ein Pflegekind, ist es vorrangig als Pflegekind zu berücksichtigen.

(3) Ein Kind wird in dem Kalendermonat, in dem es lebend geboren wurde, und in jedem folgenden Kalendermonat, zu dessen Beginn es das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, berücksichtigt.

(4)1Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wird berücksichtigt, wenn es

1.
noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist oder
2.
noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und
a)
für einen Beruf ausgebildet wird oder
b)
sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes, einer vom Wehr- oder Zivildienst befreienden Tätigkeit als Entwicklungshelfer oder als Dienstleistender im Ausland nach § 14b des Zivildienstgesetzes oder der Ableistung des freiwilligen Wehrdienstes nach § 58b des Soldatengesetzes oder der Ableistung eines freiwilligen Dienstes im Sinne des Buchstaben d liegt, oder
c)
eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann oder
d)
einen der folgenden freiwilligen Dienste leistet:
aa)
ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
bb)
ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
cc)
einen Bundesfreiwilligendienst im Sinne des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
dd)
eine Freiwilligentätigkeit im Rahmen des Europäischen Solidaritätskorps im Sinne der Verordnung (EU) 2021/888 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2021 zur Aufstellung des Programms für das Europäische Solidaritätskorps und zur Aufhebung der Verordnungen (EU) 2018/1475 und (EU) Nr. 375/2014 (ABl. L 202 vom 8.6.2021, S. 32),
ee)
einen anderen Dienst im Ausland im Sinne von § 5 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
ff)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts“ im Sinne der Förderleitlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. Januar 2016,
gg)
einen Freiwilligendienst aller Generationen im Sinne von § 2 Absatz 1a des Siebten Buches Sozialgesetzbuch oder
hh)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 4. Januar 2021 (GMBl S. 77) oder
3.
wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten; Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.
2Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind in den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 nur berücksichtigt, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit nachgeht.3Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der §§ 8 und 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind unschädlich.

(5)1In den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 Buchstabe a und b wird ein Kind, das

1.
den gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst geleistet hat, oder
2.
sich anstelle des gesetzlichen Grundwehrdienstes freiwillig für die Dauer von nicht mehr als drei Jahren zum Wehrdienst verpflichtet hat, oder
3.
eine vom gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst befreiende Tätigkeit als Entwicklungshelfer im Sinne des § 1 Absatz 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes ausgeübt hat,
für einen der Dauer dieser Dienste oder der Tätigkeit entsprechenden Zeitraum, höchstens für die Dauer des inländischen gesetzlichen Grundwehrdienstes oder bei anerkannten Kriegsdienstverweigerern für die Dauer des inländischen gesetzlichen Zivildienstes über das 21. oder 25. Lebensjahr hinaus berücksichtigt.2Wird der gesetzliche Grundwehrdienst oder Zivildienst in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, geleistet, so ist die Dauer dieses Dienstes maßgebend.3Absatz 4 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(6)1Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer wird für jedes zu berücksichtigende Kind des Steuerpflichtigen ein Freibetrag von 3 012 Euro für das sächliche Existenzminimum des Kindes (Kinderfreibetrag) sowie ein Freibetrag von 1 464 Euro für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vom Einkommen abgezogen.2Bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, verdoppeln sich die Beträge nach Satz 1, wenn das Kind zu beiden Ehegatten in einem Kindschaftsverhältnis steht.3Die Beträge nach Satz 2 stehen dem Steuerpflichtigen auch dann zu, wenn

1.
der andere Elternteil verstorben oder nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder
2.
der Steuerpflichtige allein das Kind angenommen hat oder das Kind nur zu ihm in einem Pflegekindschaftsverhältnis steht.
4Für ein nicht nach § 1 Absatz 1 oder 2 unbeschränkt einkommensteuerpflichtiges Kind können die Beträge nach den Sätzen 1 bis 3 nur abgezogen werden, soweit sie nach den Verhältnissen seines Wohnsitzstaates notwendig und angemessen sind.5Für jeden Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen für einen Freibetrag nach den Sätzen 1 bis 4 nicht vorliegen, ermäßigen sich die dort genannten Beträge um ein Zwölftel.6Abweichend von Satz 1 wird bei einem unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Elternpaar, bei dem die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 nicht vorliegen, auf Antrag eines Elternteils der dem anderen Elternteil zustehende Kinderfreibetrag auf ihn übertragen, wenn er, nicht jedoch der andere Elternteil, seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind für das Kalenderjahr im Wesentlichen nachkommt oder der andere Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist; die Übertragung des Kinderfreibetrags führt stets auch zur Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf.7Eine Übertragung nach Satz 6 scheidet für Zeiträume aus, für die Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gezahlt werden.8Bei minderjährigen Kindern wird der dem Elternteil, in dessen Wohnung das Kind nicht gemeldet ist, zustehende Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf auf Antrag des anderen Elternteils auf diesen übertragen, wenn bei dem Elternpaar die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 nicht vorliegen.9Eine Übertragung nach Satz 8 scheidet aus, wenn der Übertragung widersprochen wird, weil der Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, Kinderbetreuungskosten trägt oder das Kind regelmäßig in einem nicht unwesentlichen Umfang betreut.10Die den Eltern nach den Sätzen 1 bis 9 zustehenden Freibeträge können auf Antrag auch auf einen Stiefelternteil oder Großelternteil übertragen werden, wenn dieser das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat oder dieser einer Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind unterliegt.11Die Übertragung nach Satz 10 kann auch mit Zustimmung des berechtigten Elternteils erfolgen, die nur für künftige Kalenderjahre widerrufen werden kann.12Voraussetzung für die Berücksichtigung des Kinderfreibetrags sowie des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes ist die Identifizierung des Kindes durch die an dieses Kind vergebene Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung).13Ist das Kind nicht nach einem Steuergesetz steuerpflichtig (§ 139a Absatz 2 der Abgabenordnung), ist es in anderer geeigneter Weise zu identifizieren.14Die nachträgliche Identifizierung oder nachträgliche Vergabe der Identifikationsnummer wirkt auf Monate zurück, in denen die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung des Kinderfreibetrags sowie des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vorliegen.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 10. Dezember 2014 3 K 361/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist die Mutter des im Jahr 1960 geborenen Sohnes V. Der unbefristet gültige Schwerbehindertenausweis vom April 2013 weist V einen Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen ″G″, ″B″ und ″H″ zu. V wohnt seit dem 1. Dezember 2007 in einem eigenen Haushalt in einem Rehabilitationszentrum.

2

V erhält seit April 2013 nach Abzug eines Pflegeversicherungsbeitrags von 1,35 € einen monatlichen Lohn in Höhe von 170,65 €. Weiter erhält er aufgrund eines Haftpflichtschadens aus dem Jahr 1977 monatlich eine Ersatzleistung für fiktiven Verdienstausfall in Höhe von 772,32 € und eine Schmerzensgeldrente in Höhe von 204,52 €.

3

Die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) hob mit Bescheid vom 28. August 2013 gegenüber der Klägerin die Kindergeldfestsetzung für V ab Oktober 2013 auf, weil V aufgrund der eigenen verfügbaren Mittel in der Lage sei, seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies die Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom 12. Februar 2014 als unbegründet zurück.

4

Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen erhobenen Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 931 veröffentlichten Urteil statt. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, V sei aufgrund seiner Behinderung außerstande gewesen, sich selbst zu unterhalten. Die ihm zur Verfügung stehenden Mittel seien in allen Monaten des Klagezeitraums niedriger als der Bedarf. Die Schmerzensgeldrente in Höhe von 204,52 € gehöre nicht zu den anzusetzenden finanziellen Mitteln.

5

Mit der Revision rügt die Familienkasse die fehlerhafte Auslegung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes in der in dem Streitzeitraum geltenden Fassung (EStG).

6

Die Familienkasse beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Schmerzensgeldrente bei der Ermittlung der V zur Verfügung stehenden Mittel nicht zu berücksichtigen ist.

9

1. Gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG besteht für ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, ein Anspruch auf Kindergeld, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, sofern die Behinderung --wie im Streitfall-- vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.

10

2. Das Tatbestandsmerkmal "außerstande ist, sich selbst zu unterhalten" ist im Gesetz nicht näher umschrieben. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist ein behindertes Kind dann außerstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten kann (z.B. Senatsurteile vom 19. November 2008 III R 105/07, BFHE 223, 365, BStBl II 2010, 1057, unter II.1.a; vom 11. April 2013 III R 35/11, BFHE 241, 499, BStBl II 2013, 1037, Rz 14; vom 5. Februar 2015 III R 31/13, BFHE 249, 144, BStBl II 2015, 1017, Rz 13; BFH-Urteile vom 15. Oktober 1999 VI R 183/97, BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, unter 1.b, und vom 24. August 2004 VIII R 83/02, BFHE 207, 244, BStBl II 2007, 248, unter II.1.b). Ist das Kind hingegen trotz seiner Behinderung in der Lage, selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, kommt der Behinderung keine Bedeutung zu (z.B. Senatsurteil in BFHE 241, 499, BStBl II 2013, 1037, Rz 14, und BFH-Urteil in BFHE 207, 244, BStBl II 2007, 248, unter II.1.b, m.w.N.). Die Fähigkeit des Kindes zum Selbstunterhalt ist anhand eines Vergleichs zweier Bezugsgrößen zu prüfen, nämlich des gesamten existenziellen Lebensbedarfs des Kindes einerseits und seiner finanziellen Mittel andererseits (z.B. Senatsurteile in BFHE 241, 499, BStBl II 2013, 1037, unter II.2.a; vom 8. August 2013 III R 30/12, BFH/NV 2014, 498, Rz 15; BFH-Urteile in BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, unter 1.c, und vom 20. März 2013 XI R 51/10, BFH/NV 2013, 1088, Rz 12).

11

3. Der gesamte Lebensbedarf eines behinderten Kindes setzt sich aus dem Grundbedarf und dem individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf zusammen (z.B. Senatsurteile in BFHE 223, 365, BStBl II 2010, 1057, unter II.1.a; in BFHE 249, 144, BStBl II 2015, 1017, Rz 13; BFH-Urteile in BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, unter 1.c, und vom 14. Dezember 2004 VIII R 59/02, BFH/NV 2005, 1090, unter II.1.a).

12

Der Grundbedarf eines behinderten Kindes kann sich nach Wegfall des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG in der bis zum 31. Dezember 2011 gültigen Fassung (EStG a.F.) ab dem Jahr 2012 zwar nicht mehr an dem für die eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes maßgeblichen Jahresgrenzbetrag orientieren. Da bei dem behinderten Kind aber --auch weiterhin-- ein am Existenzminimum orientierter Betrag als allgemeiner Unterhaltsbedarf anerkannt werden muss (BFH-Urteile vom 15. Oktober 1999 VI R 182/98, BFHE 189, 457, BStBl II 2000, 79, unter II.2.c, und in BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, unter 1.c), ist zur Bemessung des Grundbedarfs an den Grundfreibetrag i.S. des § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG anzuknüpfen (vgl. auch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juli 2010  2 BvR 2122/09, BFH/NV 2010, 1994, unter II.1., zu § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F.). Davon gehen im Ergebnis auch das Schrifttum und die Verwaltung aus (vgl. z.B. Grönke-Reimann in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32 EStG Rz 118; Seiler in Kirchhof, EStG, 15. Aufl., § 32 Rz 21; Pust in Littmann/Bitz/ Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 32 Rz 482; Schmidt/Loschelder, EStG, 35. Aufl., § 32 Rz 40; Blümich/ Selder, § 32 EStG Rz 114, 116; ebenso die Verwaltung, Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes, Stand 2013, DA 63.3.6.4 Abs. 1 Satz 3, ersetzt durch Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz, Stand 2015, A 18.4 Abs. 2 Satz 2).

13

Der behinderungsbedingte Mehrbedarf umfasst Aufwendungen, die gesunde Kinder nicht haben. Werden die behinderungsbedingten Mehraufwendungen nicht im Einzelnen nachgewiesen, kann der maßgebliche Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Abs. 1 bis 3 EStG als Anhalt für den Mehrbedarf dienen (Senatsurteile in BFHE 223, 365, BStBl II 2010, 1057, Rz 16, m.w.N., und vom 22. Oktober 2009 III R 50/07, BFHE 228, 17, BStBl II 2011, 38, Rz 10).

14

4. Nach der Ermittlung des gesamten Lebensbedarfs des behinderten Kindes ist weiter zu prüfen, ob das Kind über hinreichende finanzielle Mittel verfügt, die zur Bestreitung seines persönlichen Unterhalts ausreichen. Ergibt sich eine ausreichende Leistungsfähigkeit des Kindes, kann davon ausgegangen werden, dass den Eltern kein zusätzlicher Aufwand erwächst, der ihre steuerliche Leistungsfähigkeit mindert. Dann ist es auch gerechtfertigt, für behinderte Kinder kein Kindergeld oder keinen Kinderfreibetrag zu gewähren (z.B. Senatsurteil in BFH/NV 2014, 498, Rz 15, m.w.N.; BFH-Urteile in BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, unter II.1.c, und vom 4. November 2003 VIII R 43/02, BFHE 204, 120, BStBl II 2010, 1046, unter II.1.c).

15

a) Zu den finanziellen Mitteln des behinderten volljährigen Kindes gehören seine Einkünfte und Bezüge (vgl. z.B. Senatsurteile in BFHE 241, 499, BStBl II 2013, 1037, Rz 14, und in BFHE 249, 144, BStBl II 2015, 1017, Rz 13). Mangels sachlicher Änderung von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG gilt dies --anders als die Revision meint-- auch nach Wegfall des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. (vgl. z.B. Grönke-Reimann in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 32 EStG Rz 118; Schmidt/Loschelder, EStG, 35. Aufl., § 32 Rz 44; Blümich/Selder, § 32 EStG Rz 116).

16

b) Eine Schmerzensgeldrente ist bei der Ermittlung der dem Kind zur Verfügung stehenden Mittel nicht zu berücksichtigen, da sie nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts des Kindes bestimmt oder geeignet ist.

17

aa) Soweit die Familienkasse meint, bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit eines behinderten Kindes komme es generell auf die Herkunft der zur Verfügung stehenden eigenen finanziellen Mittel und ihre Zweckbestimmung nicht an (vgl. auch Helmke/ Bauer, Familienleistungsausgleich, Kommentar, Fach A, I. Kommentierung, § 32 Rz 116, und Pust in Littmann/Bitz/Pust, a.a.O., § 32 Rz 488), kann der Senat dem nicht beitreten. Nur solche Einkünfte und Bezüge eines behinderten Kindes sind bei der Beurteilung seiner Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen, die zur Bestreitung seines Lebensunterhalts bestimmt oder geeignet sind (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, unter 3., m.w.N., und vom 19. August 2002 VIII R 17/02, BFHE 200, 219, BStBl II 2003, 88, unter II.2.). Hieran hält der Senat fest. Denn allein durch den Wegfall des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. hat sich der § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG zugrunde liegende Rechtsgedanke der Anerkennung eines am Existenzminimum des behinderten Kindes orientierten Betrags unter Berücksichtigung des behinderungsbedingten Mehrbedarfs nicht geändert.

18

Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Senatsurteil vom 9. Februar 2012 III R 53/10 (BFHE 236, 417, BStBl II 2014, 391, Rz 11) und dem BFH-Urteil vom 12. Dezember 2012 VI R 101/10 (BFHE 240, 50, BStBl II 2015, 651, Rz 12). Dort ging es um die Frage, ob Eingliederungshilfen gemäß §§ 53 f. des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) zu den dem behinderten Kind zur Verfügung stehenden eigenen finanziellen Mitteln gehören. Nur "in diesem Zusammenhang" hatte der Senat ausgeführt, dass es auf Herkunft und Zweckbestimmung der Mittel nicht ankomme.

19

bb) Das Schmerzensgeld nimmt --unabhängig davon, ob es in einem Einmalbetrag oder in Rentenform gezahlt wird-- eine Sonderstellung innerhalb der sonstigen Einkommens- und Vermögensarten ein (vgl. BVerfG-Beschluss vom 11. Juli 2006  1 BvR 293/05, BVerfGE 116, 229, unter B.I.2.b). Dementsprechend ist grundsätzlich Schmerzensgeld bei der Beurteilung der finanziellen Leistungsfähigkeit des behinderten Kindes nicht zu berücksichtigen.

20

Denn nach der Grundsatzentscheidung des Großen Senats für Zivilsachen des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 6. Juli 1955 GSZ 1/55 (BGHZ 18, 149) hat das Schmerzensgeld rechtlich eine doppelte Funktion. Es soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für solche Schäden und Lebenshemmungen bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind. Es soll aber zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten für das, was er ihm angetan hat, Genugtuung schuldet. Dabei steht der Entschädigungs- oder Ausgleichsgedanke im Vordergrund. Der Zweck des Anspruchs ist der Ausgleich für die erlittene Beeinträchtigung. Der BGH hat den zugrunde liegenden Gedanken dahin formuliert, dass der Schädiger, der dem Geschädigten über den Vermögensschaden hinaus das Leben schwer gemacht hat, nun durch seine Leistung dazu helfen soll, es ihm im Rahmen des Möglichen wieder leichter zu machen (BGH-Be-schluss in BGHZ 18, 149, unter I.3.). Schmerzensgeld bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit eines behinderten Kindes zu berücksichtigen, stünde mithin in Widerspruch zu seiner Sonderfunktion, immaterielle Schäden abzumildern. Entsprechendes gilt für die Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes. Denn es hat auch insoweit gerade nicht die Funktion, zur materiellen Existenzsicherung beizutragen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 116, 229, unter B.I.3.a).

21

c) Der Sonderstellung des Schmerzensgeldes wird auch in anderen Bereichen Rechnung getragen. So ist im Sozialrecht die Schmerzensgeldrente nicht bei der Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 11a Abs. 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und auch nicht im Rahmen der Sozialhilfe nach § 83 Abs. 2 SGB XII als Einkommen zu berücksichtigen. Nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) ist eine Entschädigung nach § 253 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ebenfalls nicht als Einkommen bei der Bestimmung des Leistungsumfangs der Kriegsopferfürsorge anzurechnen (§ 25d Abs. 4 Satz 2 BVG).

22

Ein abweichendes Ergebnis ergibt sich auch nicht aus einer Berücksichtigungsfähigkeit des Schmerzensgeldanspruchs i.R. des § 1602 BGB (für Anrechnung von Schmerzensgeld etwa Bamberger/Roth/Reinken, BGB, 3. Aufl., § 1602 Rz 31d; ebenso Erman/Hammermann, BGB, 14. Aufl., § 1602 Rz 68d; gegen Anrechnung von Schmerzensgeld dagegen Mutschler in BGB-RGRK, 12. Aufl., § 1602 Rz 8). Denn diese zivilrechtliche Unterhaltsregelung kann für die Auslegung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG nach der Rechtsprechung des BFH in BFHE 200, 219, BStBl II 2003, 88, unter II.4.a, vom 19. August 2002 VIII R 51/01 (BFHE 200, 212, BStBl II 2003, 91, unter II.4.a) und vom 14. Oktober 2002 VIII R 55/01 (BFH/NV 2003, 308, unter II.4.) nicht herangezogen werden. Auf die Begründung dieser Entscheidungen nimmt der Senat insoweit Bezug.

23

5. In Anwendung der vorstehenden Grundsätze hat das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise in der Vorentscheidung angenommen, dass V im Streitzeitraum nicht über ausreichende Mittel verfügte, um seinen gesamten existentiellen Lebensbedarf zu decken.

24

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 164/14
vom
16. Juli 2014
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Versorgungsausgleich zugunsten eines contergangeschädigten Ehegatten
kann nicht nach § 27 VersAusglG mit der Begründung ausgeschlossen werden,
dass der Ausgleichsberechtigte wegen seiner Conterganrente auf die Durchführung
des Versorgungsausgleichs nicht angewiesen sei.
BGH, Beschluss vom 16. Juli 2014 - XII ZB 164/14 - OLG Bamberg
AG Schweinfurt
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Juli 2014 durch den
Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Schilling, Dr. Günter, Dr. NeddenBoeger
und Dr. Botur

beschlossen:
Der Antrag der Antragstellerin auf Verfahrenskostenhilfe wird abgelehnt , weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

Gründe:

I.

1
Die beteiligten Eheleute streiten im Scheidungsverbund um Versorgungsausgleich.
2
Der 1961 geborene Ehemann war in der Ehezeit als Garten- und Landschaftsbauarchitekt selbständig; sein Unternehmen ist mittlerweile insolvent. Zuvor hatte er im Rahmen eines erfolglosen Sanierungsversuchs seine private Altersvorsorge aufgelöst und in das Unternehmen eingebracht. Sonstige Versorgungsanrechte hat der Ehemann in der Ehezeit nicht erworben. Der Ehemann ist Contergangeschädigter und bezieht eine steuer- und sozialabgabenfreie Conterganrente von der Beteiligten zu 3 (Contergan-Stiftung), deren Höhe zunächst monatlich 1.116 € betrug und die im Zuge einer erheblichen Anhebung des Rentenniveaus im Jahre 2013 auf mittlerweile monatlich 3.686 € (zuzüglich einer jährlichen Sonderzahlung in Höhe von 1.840 €) erhöht wurde. Ausgezahlt wird dem Ehemann bis Ende Januar 2016 lediglich ein um monat- lich 523,56 € gekürzter Betrag, weil er sich diesen Teilbetrag seiner Rente Anfang der 2000er Jahre kapitalisieren ließ.
3
Die 1966 geborene Ehefrau ist Krankenschwester. Sie ist schwerbehindert und bezieht neben Erwerbseinkünften aus einer Teilzeitbeschäftigung (15 Wochenstunden) eine gesetzliche Rente wegen voller Erwerbsminderung. Sie hat in der Ehezeit Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Anrechte in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes erworben.
4
Das Amtsgericht hat den Versorgungsausgleich nach § 27 VersAusglG ausgeschlossen, weil die Ehefrau auf ihre Versorgungsanrechte dringend angewiesen sei und sich die Versorgungssituation des Ehemannes in Ansehung seiner Conterganrente nicht wesentlich verbessern würde. Auf die Beschwerde des Ehemannes hat das Beschwerdegericht die Entscheidung abgeändert und den Versorgungsausgleich durch interne Teilung der Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung und der Zusatzversorgung zu Lasten der Ehefrau durchgeführt.
5
Die Ehefrau begehrt Verfahrenskostenhilfe für die Durchführung der zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

6
Die für die Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens beantragte Verfahrenskostenhilfe ist nicht zu bewilligen, weil die Rechtsverfolgung der Antragsgegnerin keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 76 Abs. 1 FamFG iVm § 114 ZPO) verspricht.
7
1. Unbeschadet der für den Senat bindenden Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Beschwerdegericht stellen sich im vorliegenden Fall keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung (§ 70 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 FamFG). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Sache, wenn sie eine entscheidungserhebliche , klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann (Senatsbeschluss vom 24. April 2013 - XII ZR 159/12 - FamRZ 2013, 1199 Rn. 4 mwN). Klärungsbedürftig sind solche Rechtsfragen, deren Beantwortung zweifelhaft oder schwierig ist oder zu denen unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und die noch nicht oder nicht hinreichend höchstrichterlich geklärt sind (vgl. BVerfG FamRZ 2010, 1235, 1236).
8
So liegt der Fall hier nicht.
9
a) Die Conterganrente gehört - was nicht in Zweifel gezogen wird - nicht zu den gemäß § 2 Abs. 2 VersAusglG in den Versorgungsausgleich einzubeziehenden Anrechten, weil sie aus Entschädigungsgründen gezahlt wird und weder durch Arbeit noch durch Vermögen erworben worden ist. Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde deswegen auch lediglich wegen der Frage zugelassen, ob der Bezug einer Conterganrente im Rahmen des § 27 VersAusglG bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Ausgleichsberechtigten berücksichtigt werden dürfe.
10
b) Dieser Rechtsfrage kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil sie nach dem geltenden Recht eindeutig zu beantworten ist.
11
aa) Gemäß § 18 Abs. 1 ContStifG bleiben Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz bei der Ermittlung oder Anrechnung von Einkommen, sonstigen Einnahmen und Vermögen nach anderen Gesetzen, insbesondere dem Zweiten, Dritten, Fünften und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch und dem Bürger- lichen Gesetzbuch, außer Betracht. Die Aufzählung dieser Gesetze ist - wie die Formulierung "insbesondere" verdeutlicht - nicht abschließend (vgl. BT-Drucks. 15/5654, S. 13) und schließt deshalb das Versorgungsausgleichsgesetz nicht aus. § 18 Abs. 2 Satz 1 ContStifG bestimmt darüber hinaus, dass Verpflichtungen Anderer, insbesondere Unterhaltspflichtiger und der Träger der Sozialhilfe oder anderer Sozialleistungen, durch das Conterganstiftungsgesetz nicht berührt werden. Im Versorgungsausgleich würde die Ausgleichspflicht des Ehegatten mit den höheren Versorgungsanrechten jedoch durchaus berührt, wenn man (auch) die dem ausgleichsberechtigten Ehegatten gewährten Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz zum Anlass nehmen würde, den auf § 1 Abs. 1 VersAusglG beruhenden Anspruch des Contergangeschädigten auf Halbteilung der in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte nach § 27 VersAusglG herabzusetzen oder auszuschließen. Zwingende gesetzessystematische Gründe, welche die Schlussfolgerung nahelegen könnten, dass § 18 ContStifG der Berücksichtigung von Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz zumindest bei der Anwendung von Härte- oder Billigkeitsregelungen des bürgerlichen Rechts nicht entgegenstünde, bestehen nicht. Hätte der Gesetzgeber dies gewollt, hätte er es - wie beispielsweise in § 11 Satz 4 BEEG und der dort enthaltenen Bezugnahme auf §§ 1579, 1611 Abs. 1 BGB - ausdrücklich anordnen können.
12
bb) Im Übrigen gehört die Conterganrente nach allgemeiner Auffassung (Palandt/Brudermüller BGB 73. Aufl. § 1610 a Rn. 3; MünchKommBGB/Born 6. Aufl. § 1610 a Rn. 10; Soergel/Seibl BGB 13. Aufl. § 1610 a Rn. 5; Erman/ Hammermann BGB 13. Aufl. § 1610 a Rn. 6; Botur in Büte/Poppen/Menne Unterhaltsrecht 2. Aufl. § 1610 a BGB Rn. 5; NK-BGB/Kath-Zurhorst/Reuter 3. Aufl. § 1610 a Rn. 4; Heiß/Heiß in Heiß/Born Unterhaltsrecht [Bearbeitungsstand : 2014] 3. Kap. Rn. 111; Breuer/Louis MedR 2007, 223, 226; vgl. auch BT-Drucks. 15/5654, S. 13) zu den Sozialleistungen, die für Aufwendungen in- folge eines Körper- oder Gesundheitsschadens gewährt werden und bei denen gemäß § 1610 a BGB bei der Feststellung eines Unterhaltsanspruches vermutet wird, dass die Kosten der Aufwendungen nicht geringer sind als die Höhe dieser Sozialleistungen. Auch wenn die Vorschriften des Versorgungsausgleichsrechts keine unmittelbare Verweisung auf § 1610 a BGB enthalten, werden die Grundsätze des § 1610 a BGB auch im Rahmen des § 27 VersAusglG bei der Beurteilung der Frage zu berücksichtigen sein, ob der Unterhalt des ausgleichsberechtigten Ehegatten durch anderweitige Einkünfte gedeckt ist (vgl. auch OLG Düsseldorf FamRZ 1995, 1277, 1278). Denn wenn und soweit eine dem Ausgleichsberechtigten aus Entschädigungsgründen gezahlte Sozialleistung lediglich schadensbedingten Mehraufwand abdecken soll, bezweckt sie keine soziale Absicherung für Alter oder Invalidität und kann daher auch keinen Ausschluss des Versorgungsausgleichs rechtfertigen (vgl. bereits Staudinger/ Rehme BGB [2000] § 1587 c Rn. 22; Soergel/Lipp BGB 13. Aufl. § 1587 c Rn. 13).
13
Zwar stellt § 1610 a BGB lediglich eine widerlegbare gesetzliche Vermutung auf, so dass die ausgleichspflichtige Person den Gegenbeweis dafür führen könnte, dass die ausgleichsberechtigte Person, die eine Conterganrente bezieht, in voller Höhe ihrer Rente tatsächlich keinen durch Körper- und Gesundheitsschaden bedingten Mehrbedarf hat. Gerade diesen Gegenbeweis wollte der Gesetzgeber aber durch die Fassung des § 18 ContStifG ausschließen; es sollte ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfes klargestellt werden, dass die Leistungen nach dem neuen Conterganstiftungsgesetz "als echte Zusatzleistungen" erhalten bleiben (BT-Drucks. 15/5654, S. 13). Nach diesen Intentionen des Gesetzgebers ist es - trotz der mittlerweile nicht unerheblichen Höhe der Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz - nicht möglich, von der Durchführung des Versorgungsausgleichs mit der Begründung abzusehen, die ausgleichsberechtigte Person sei bereits mit ihrer Conterganrente ausreichend versorgt.
14
2. Ergeben sich somit keine Rechtsfragen, die einer Klärung durch höchstrichterliche Entscheidung bedürften, kommt es für die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe in der Rechtsbeschwerdeinstanz allein auf die Erfolgsaussichten in der Sache an (Senatsbeschlüsse vom 24. April 2013 - XII ZR 159/12 - FamRZ 2013, 1199 Rn. 9 und vom 16. Oktober 2013 - XII ZB 176/12 - FamRZ 2014, 105 Rn. 36). Diese bestehen nicht.
Dose Schilling Günter Nedden-Boeger Botur
Vorinstanzen:
AG Schweinfurt, Entscheidung vom 07.06.2013 - 3 F 369/12 -
OLG Bamberg, Entscheidung vom 24.02.2014 - 7 UF 188/13 -

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 10. Dezember 2014 3 K 361/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist die Mutter des im Jahr 1960 geborenen Sohnes V. Der unbefristet gültige Schwerbehindertenausweis vom April 2013 weist V einen Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen ″G″, ″B″ und ″H″ zu. V wohnt seit dem 1. Dezember 2007 in einem eigenen Haushalt in einem Rehabilitationszentrum.

2

V erhält seit April 2013 nach Abzug eines Pflegeversicherungsbeitrags von 1,35 € einen monatlichen Lohn in Höhe von 170,65 €. Weiter erhält er aufgrund eines Haftpflichtschadens aus dem Jahr 1977 monatlich eine Ersatzleistung für fiktiven Verdienstausfall in Höhe von 772,32 € und eine Schmerzensgeldrente in Höhe von 204,52 €.

3

Die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) hob mit Bescheid vom 28. August 2013 gegenüber der Klägerin die Kindergeldfestsetzung für V ab Oktober 2013 auf, weil V aufgrund der eigenen verfügbaren Mittel in der Lage sei, seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies die Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom 12. Februar 2014 als unbegründet zurück.

4

Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen erhobenen Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 931 veröffentlichten Urteil statt. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, V sei aufgrund seiner Behinderung außerstande gewesen, sich selbst zu unterhalten. Die ihm zur Verfügung stehenden Mittel seien in allen Monaten des Klagezeitraums niedriger als der Bedarf. Die Schmerzensgeldrente in Höhe von 204,52 € gehöre nicht zu den anzusetzenden finanziellen Mitteln.

5

Mit der Revision rügt die Familienkasse die fehlerhafte Auslegung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes in der in dem Streitzeitraum geltenden Fassung (EStG).

6

Die Familienkasse beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Schmerzensgeldrente bei der Ermittlung der V zur Verfügung stehenden Mittel nicht zu berücksichtigen ist.

9

1. Gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG besteht für ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, ein Anspruch auf Kindergeld, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, sofern die Behinderung --wie im Streitfall-- vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.

10

2. Das Tatbestandsmerkmal "außerstande ist, sich selbst zu unterhalten" ist im Gesetz nicht näher umschrieben. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist ein behindertes Kind dann außerstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten kann (z.B. Senatsurteile vom 19. November 2008 III R 105/07, BFHE 223, 365, BStBl II 2010, 1057, unter II.1.a; vom 11. April 2013 III R 35/11, BFHE 241, 499, BStBl II 2013, 1037, Rz 14; vom 5. Februar 2015 III R 31/13, BFHE 249, 144, BStBl II 2015, 1017, Rz 13; BFH-Urteile vom 15. Oktober 1999 VI R 183/97, BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, unter 1.b, und vom 24. August 2004 VIII R 83/02, BFHE 207, 244, BStBl II 2007, 248, unter II.1.b). Ist das Kind hingegen trotz seiner Behinderung in der Lage, selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, kommt der Behinderung keine Bedeutung zu (z.B. Senatsurteil in BFHE 241, 499, BStBl II 2013, 1037, Rz 14, und BFH-Urteil in BFHE 207, 244, BStBl II 2007, 248, unter II.1.b, m.w.N.). Die Fähigkeit des Kindes zum Selbstunterhalt ist anhand eines Vergleichs zweier Bezugsgrößen zu prüfen, nämlich des gesamten existenziellen Lebensbedarfs des Kindes einerseits und seiner finanziellen Mittel andererseits (z.B. Senatsurteile in BFHE 241, 499, BStBl II 2013, 1037, unter II.2.a; vom 8. August 2013 III R 30/12, BFH/NV 2014, 498, Rz 15; BFH-Urteile in BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, unter 1.c, und vom 20. März 2013 XI R 51/10, BFH/NV 2013, 1088, Rz 12).

11

3. Der gesamte Lebensbedarf eines behinderten Kindes setzt sich aus dem Grundbedarf und dem individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf zusammen (z.B. Senatsurteile in BFHE 223, 365, BStBl II 2010, 1057, unter II.1.a; in BFHE 249, 144, BStBl II 2015, 1017, Rz 13; BFH-Urteile in BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, unter 1.c, und vom 14. Dezember 2004 VIII R 59/02, BFH/NV 2005, 1090, unter II.1.a).

12

Der Grundbedarf eines behinderten Kindes kann sich nach Wegfall des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG in der bis zum 31. Dezember 2011 gültigen Fassung (EStG a.F.) ab dem Jahr 2012 zwar nicht mehr an dem für die eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes maßgeblichen Jahresgrenzbetrag orientieren. Da bei dem behinderten Kind aber --auch weiterhin-- ein am Existenzminimum orientierter Betrag als allgemeiner Unterhaltsbedarf anerkannt werden muss (BFH-Urteile vom 15. Oktober 1999 VI R 182/98, BFHE 189, 457, BStBl II 2000, 79, unter II.2.c, und in BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, unter 1.c), ist zur Bemessung des Grundbedarfs an den Grundfreibetrag i.S. des § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG anzuknüpfen (vgl. auch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juli 2010  2 BvR 2122/09, BFH/NV 2010, 1994, unter II.1., zu § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F.). Davon gehen im Ergebnis auch das Schrifttum und die Verwaltung aus (vgl. z.B. Grönke-Reimann in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32 EStG Rz 118; Seiler in Kirchhof, EStG, 15. Aufl., § 32 Rz 21; Pust in Littmann/Bitz/ Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 32 Rz 482; Schmidt/Loschelder, EStG, 35. Aufl., § 32 Rz 40; Blümich/ Selder, § 32 EStG Rz 114, 116; ebenso die Verwaltung, Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes, Stand 2013, DA 63.3.6.4 Abs. 1 Satz 3, ersetzt durch Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz, Stand 2015, A 18.4 Abs. 2 Satz 2).

13

Der behinderungsbedingte Mehrbedarf umfasst Aufwendungen, die gesunde Kinder nicht haben. Werden die behinderungsbedingten Mehraufwendungen nicht im Einzelnen nachgewiesen, kann der maßgebliche Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Abs. 1 bis 3 EStG als Anhalt für den Mehrbedarf dienen (Senatsurteile in BFHE 223, 365, BStBl II 2010, 1057, Rz 16, m.w.N., und vom 22. Oktober 2009 III R 50/07, BFHE 228, 17, BStBl II 2011, 38, Rz 10).

14

4. Nach der Ermittlung des gesamten Lebensbedarfs des behinderten Kindes ist weiter zu prüfen, ob das Kind über hinreichende finanzielle Mittel verfügt, die zur Bestreitung seines persönlichen Unterhalts ausreichen. Ergibt sich eine ausreichende Leistungsfähigkeit des Kindes, kann davon ausgegangen werden, dass den Eltern kein zusätzlicher Aufwand erwächst, der ihre steuerliche Leistungsfähigkeit mindert. Dann ist es auch gerechtfertigt, für behinderte Kinder kein Kindergeld oder keinen Kinderfreibetrag zu gewähren (z.B. Senatsurteil in BFH/NV 2014, 498, Rz 15, m.w.N.; BFH-Urteile in BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, unter II.1.c, und vom 4. November 2003 VIII R 43/02, BFHE 204, 120, BStBl II 2010, 1046, unter II.1.c).

15

a) Zu den finanziellen Mitteln des behinderten volljährigen Kindes gehören seine Einkünfte und Bezüge (vgl. z.B. Senatsurteile in BFHE 241, 499, BStBl II 2013, 1037, Rz 14, und in BFHE 249, 144, BStBl II 2015, 1017, Rz 13). Mangels sachlicher Änderung von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG gilt dies --anders als die Revision meint-- auch nach Wegfall des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. (vgl. z.B. Grönke-Reimann in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 32 EStG Rz 118; Schmidt/Loschelder, EStG, 35. Aufl., § 32 Rz 44; Blümich/Selder, § 32 EStG Rz 116).

16

b) Eine Schmerzensgeldrente ist bei der Ermittlung der dem Kind zur Verfügung stehenden Mittel nicht zu berücksichtigen, da sie nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts des Kindes bestimmt oder geeignet ist.

17

aa) Soweit die Familienkasse meint, bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit eines behinderten Kindes komme es generell auf die Herkunft der zur Verfügung stehenden eigenen finanziellen Mittel und ihre Zweckbestimmung nicht an (vgl. auch Helmke/ Bauer, Familienleistungsausgleich, Kommentar, Fach A, I. Kommentierung, § 32 Rz 116, und Pust in Littmann/Bitz/Pust, a.a.O., § 32 Rz 488), kann der Senat dem nicht beitreten. Nur solche Einkünfte und Bezüge eines behinderten Kindes sind bei der Beurteilung seiner Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen, die zur Bestreitung seines Lebensunterhalts bestimmt oder geeignet sind (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, unter 3., m.w.N., und vom 19. August 2002 VIII R 17/02, BFHE 200, 219, BStBl II 2003, 88, unter II.2.). Hieran hält der Senat fest. Denn allein durch den Wegfall des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. hat sich der § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG zugrunde liegende Rechtsgedanke der Anerkennung eines am Existenzminimum des behinderten Kindes orientierten Betrags unter Berücksichtigung des behinderungsbedingten Mehrbedarfs nicht geändert.

18

Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Senatsurteil vom 9. Februar 2012 III R 53/10 (BFHE 236, 417, BStBl II 2014, 391, Rz 11) und dem BFH-Urteil vom 12. Dezember 2012 VI R 101/10 (BFHE 240, 50, BStBl II 2015, 651, Rz 12). Dort ging es um die Frage, ob Eingliederungshilfen gemäß §§ 53 f. des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) zu den dem behinderten Kind zur Verfügung stehenden eigenen finanziellen Mitteln gehören. Nur "in diesem Zusammenhang" hatte der Senat ausgeführt, dass es auf Herkunft und Zweckbestimmung der Mittel nicht ankomme.

19

bb) Das Schmerzensgeld nimmt --unabhängig davon, ob es in einem Einmalbetrag oder in Rentenform gezahlt wird-- eine Sonderstellung innerhalb der sonstigen Einkommens- und Vermögensarten ein (vgl. BVerfG-Beschluss vom 11. Juli 2006  1 BvR 293/05, BVerfGE 116, 229, unter B.I.2.b). Dementsprechend ist grundsätzlich Schmerzensgeld bei der Beurteilung der finanziellen Leistungsfähigkeit des behinderten Kindes nicht zu berücksichtigen.

20

Denn nach der Grundsatzentscheidung des Großen Senats für Zivilsachen des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 6. Juli 1955 GSZ 1/55 (BGHZ 18, 149) hat das Schmerzensgeld rechtlich eine doppelte Funktion. Es soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für solche Schäden und Lebenshemmungen bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind. Es soll aber zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten für das, was er ihm angetan hat, Genugtuung schuldet. Dabei steht der Entschädigungs- oder Ausgleichsgedanke im Vordergrund. Der Zweck des Anspruchs ist der Ausgleich für die erlittene Beeinträchtigung. Der BGH hat den zugrunde liegenden Gedanken dahin formuliert, dass der Schädiger, der dem Geschädigten über den Vermögensschaden hinaus das Leben schwer gemacht hat, nun durch seine Leistung dazu helfen soll, es ihm im Rahmen des Möglichen wieder leichter zu machen (BGH-Be-schluss in BGHZ 18, 149, unter I.3.). Schmerzensgeld bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit eines behinderten Kindes zu berücksichtigen, stünde mithin in Widerspruch zu seiner Sonderfunktion, immaterielle Schäden abzumildern. Entsprechendes gilt für die Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes. Denn es hat auch insoweit gerade nicht die Funktion, zur materiellen Existenzsicherung beizutragen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 116, 229, unter B.I.3.a).

21

c) Der Sonderstellung des Schmerzensgeldes wird auch in anderen Bereichen Rechnung getragen. So ist im Sozialrecht die Schmerzensgeldrente nicht bei der Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 11a Abs. 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und auch nicht im Rahmen der Sozialhilfe nach § 83 Abs. 2 SGB XII als Einkommen zu berücksichtigen. Nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) ist eine Entschädigung nach § 253 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ebenfalls nicht als Einkommen bei der Bestimmung des Leistungsumfangs der Kriegsopferfürsorge anzurechnen (§ 25d Abs. 4 Satz 2 BVG).

22

Ein abweichendes Ergebnis ergibt sich auch nicht aus einer Berücksichtigungsfähigkeit des Schmerzensgeldanspruchs i.R. des § 1602 BGB (für Anrechnung von Schmerzensgeld etwa Bamberger/Roth/Reinken, BGB, 3. Aufl., § 1602 Rz 31d; ebenso Erman/Hammermann, BGB, 14. Aufl., § 1602 Rz 68d; gegen Anrechnung von Schmerzensgeld dagegen Mutschler in BGB-RGRK, 12. Aufl., § 1602 Rz 8). Denn diese zivilrechtliche Unterhaltsregelung kann für die Auslegung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG nach der Rechtsprechung des BFH in BFHE 200, 219, BStBl II 2003, 88, unter II.4.a, vom 19. August 2002 VIII R 51/01 (BFHE 200, 212, BStBl II 2003, 91, unter II.4.a) und vom 14. Oktober 2002 VIII R 55/01 (BFH/NV 2003, 308, unter II.4.) nicht herangezogen werden. Auf die Begründung dieser Entscheidungen nimmt der Senat insoweit Bezug.

23

5. In Anwendung der vorstehenden Grundsätze hat das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise in der Vorentscheidung angenommen, dass V im Streitzeitraum nicht über ausreichende Mittel verfügte, um seinen gesamten existentiellen Lebensbedarf zu decken.

24

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Zweck der Stiftung ist es, Menschen mit Behinderung, deren Fehlbildungen mit der Einnahme thalidomidhaltiger Präparate der Grünenthal GmbH, Aachen (früher Chemie Grünenthal GmbH in Stolberg), durch die Mutter während der Schwangerschaft in Verbindung gebracht werden können,

1.
Leistungen zu erbringen und
2.
ihnen durch die Förderung oder Durchführung von Forschungs- und Erprobungsvorhaben Hilfe zu gewähren, um ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu unterstützen und die durch Spätfolgen hervorgerufenen Beeinträchtigungen zu mildern.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von der beklagten Conterganstiftung für vergangene Zeiträume höhere Leistungen (laufende Rentenzahlung; jährliche Sonderzahlung) als nach dem Conterganstiftungsgesetz (ContStifG) vorgesehen; der Sache nach steht auch die Verfassungsmäßigkeit dieses Gesetzes bzw. dessen Vorgängerregelung, des Gesetzes über die Errichtung einer Stiftung "Hilfswerk für behinderte Kinder" im Streit.

2

1. Der 1961 geborene Kläger kam mit Fehlbildungen an allen vier Gliedmaßen (sog. Dysmelie) und Schädigungen an inneren Organen zur Welt; in der Folgezeit zeigten sich weitere Schäden, u.a. Arterienanomalien. Seine Mutter hatte während der Schwangerschaft das Schlaf- und Beruhigungsmittel Contergan eingenommen. Der in diesem von der Firma Grünenthal GmbH vertriebenen, rezeptfrei erhältlichen Medikament enthaltene Wirkstoff Thalidomid führte bei Einnahme während der Schwangerschaft zu schweren und irreversiblen vorgeburtlichen Schäden. Art und Umfang der Schädigung hingen vor allem vom Stadium der Schwangerschaft bei Einnahme des Mittels ab. Zwischen dem 1. Halbjahr 1958 und dem 2. Halbjahr 1962 kamen so weltweit etwa 10 000 contergangeschädigte Kinder zur Welt, die Hälfte davon in Deutschland, von denen heute noch etwa 2 600 Personen im Bundesgebiet leben.

3

Im April 1970 verpflichtete sich die Firma Grünenthal GmbH in einem Vertrag, "zur vergleichsweisen Regelung aller denkbaren Ansprüche, die von Kindern und deren Eltern wegen Fehlbildungen des Kindes gegen die Chemie Grünenthal GmbH ... geltend gemacht werden können", 100 Mio. DM zu zahlen, sofern die Eltern auf alle weiteren Ansprüche ihres Kindes gegen die Firma Grünenthal GmbH verzichteten. Der Vergleich gelangte indes nicht zur Durchführung. Um den Geschädigten eine schnelle und wirksame finanzielle Hilfe zur Verfügung zu stellen, errichtete der Gesetzgeber durch das "Gesetz über die Errichtung einer Stiftung 'Hilfswerk für behinderte Kinder'" (StHG) vom 17. Dezember 1971 (BGBl I S. 2018) eine Stiftung zur Erbringung von Leistungen an Contergangeschädigte und Förderungsmaßnahmen zur Eingliederung von Behinderten, vor allem solchen unter 21 Jahren, in die Gesellschaft (§ 2 StHG), in die neben dem Vergleichsbetrag von 100 Mio. DM ein Betrag in gleicher Höhe aus Haushaltsmitteln eingebracht wurde. Die Leistungen in Contergan-Schadensfällen bestanden aus einer Einmalzahlung sowie aus laufenden Rentenzahlungen, die unter bestimmten Voraussetzungen kapitalisiert werden konnten. Die Höhe der Leistungen richtete sich in dem durch das Gesetz gezogenen finanziellen Rahmen nach der Schwere des Körperschadens und der hierdurch hervorgerufenen Körperfunktionsstörungen. Die Einzelheiten, insbesondere die Maßstäbe der Leistungsbemessung sind durch vom Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit zu erlassende Richtlinien zu regeln. Nach den in der Folgezeit erlassenen Richtlinien wurden die Körperschäden nach einem Punktesystem bewertet; die gesetzliche Höchstrente wurde ab einer Bewertung der Schädigung mit 45 (von 100) Punkten gezahlt. Alle Ansprüche gegen die Firma Grünenthal GmbH erlöschen (§ 23 Abs. 1 StHG).

4

Die Mutter des Klägers widersprach in der Folgezeit der Einbringung des Geldes aus dem mit der Firma Grünenthal GmbH geschlossenen Vergleich in die Stiftung und beantragte die Auszahlung des anteiligen Betrages für den Kläger; zugleich begehrte sie Kapitalentschädigung und Rente aus den staatlicherseits eingebrachten Mitteln. Die auf Auszahlung der Vergleichssumme gerichtete Klage blieb erfolglos. Der Bundesgerichtshof entschied, dass die Entschädigungsansprüche contergangeschädigter Kinder aus dem mit der Firma Grünenthal GmbH geschlossenen Vergleich durch Leistungsansprüche aus dem Gesetz über die Errichtung einer Stiftung "Hilfswerk für behinderte Kinder" ersetzt worden seien und diese Regelung mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Die (auch) von dem Kläger erhobene Verfassungsbeschwerde wies das Bundesverfassungsgericht als unbegründet zurück (Urteil vom 8. Juli 1976 - 1 BvL 19/75 u.a. - BVerfGE 42, 263). Die Umgestaltung der privatrechtlichen Ansprüche aus dem Vergleich in gesetzliche Leistungsansprüche unter Überführung der Vergleichssumme in das Stiftungsvermögen sei verfassungsgemäß; auch sei die inhaltliche Ausgestaltung der einzelnen Vorschriften des Stiftungsgesetzes, soweit sie zur verfassungsgerichtlichen Prüfung gestellt worden seien, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

5

Das Stiftungsgesetz wurde in der Folgezeit mehrfach geändert. Die ersten Änderungsgesetze beschränkten sich im Kern darauf, die laufenden Conterganrenten mit Blick auf den Anstieg der Lebenshaltungskosten und die Entwicklung der Nettoeinkommen linear zu erhöhen. Durch das Gesetz über die Conterganstiftung für behinderte Menschen (Conterganstiftungsgesetz - ContStifG - vom 13. Oktober 2005, BGBl I S. 2967) wurde u.a. die Stiftung umbenannt in "Conterganstiftung für behinderte Menschen" und der Stiftungszweck auf die Leistungserbringung und Hilfe an diesen Personenkreis beschränkt. Durch das Erste Gesetz zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes vom 26. Juni 2008 (BGBl I S. 1078) wurden die monatlichen Conterganrenten verdoppelt und der Höchstbetrag auf nunmehr 1 090 € monatlich festgesetzt. Das Zweite Gesetz zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes vom 25. Juni 2009 (BGBl I S. 1534) konkretisierte u.a. den Stiftungszweck dahin, dass auch die Hilfestellung durch Förderung von Forschungs- und Erprobungsvorhaben nur den durch Contergan geschädigten Menschen zugute kommen solle, führte eine nach der Schwere der Schädigung gestaffelte jährliche Sonderzahlung ein, deren Höchstbetrag nach den Leistungsrichtlinien 3 680 € jährlich beträgt, und koppelte die Erhöhung der monatlichen Conterganrente an die Rentenanpassungen in der gesetzlichen Rentenversicherung. Im Zusammenhang mit dieser Gesetzesänderung wurden die Richtlinien für die Gewährung von Leistungen wegen Contergan-Schadensfällen neu gefasst. Verfassungsbeschwerden gegen das Erste und das Zweite Gesetz zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes mit dem Ziel der Erhöhung der Leistungen nahm das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 26. Februar 2010 - 1 BvR 1541, 2685/09 - NJW 2010, 1943) nicht zur Entscheidung an.

6

Durch das erst während des Revisionsverfahrens in Kraft getretene Dritte Gesetz zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes vom 26. Juni 2013 (BGBl I S. 1847) wurden zum 1. Januar 2013 die monatlichen Conterganrenten nahezu verfünffacht, und zwar auf einen Höchstbetrag von 6 912 € monatlich, Leistungen zur Deckung spezifischer Bedarfe eingeführt, für die Mittel in Höhe von bis zu 30 Mio. € jährlich bereitgestellt wurden. Weiterhin wurde der sozialhilferechtliche Übergang von Unterhaltsansprüchen der leistungsberechtigten Person sowie der Einsatz von Vermögen beschränkt.

7

2. Dem Kläger, dessen Fehlbildungen mit zunächst 85,94 (20. April 1974), dann mit 89,56 (Bescheid vom 16. Juni 1981) und zuletzt mit 97,39 Punkten (Bescheid vom 4. November 2010) bewertet wurden, wurde neben der Kapitalentschädigung eine monatliche Rente in Höhe des jeweiligen gesetzlichen Höchstbetrages gezahlt.

8

Unter Bezugnahme auf den Ende 2003 verbreiteten Dokumentarfilm "Contergan: Die Eltern" wandte sich die Mutter des Klägers mit Schreiben vom 22. Juni 2004 erstmals an das Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und beanstandete eine unzureichende Differenzierung zwischen Schwerstgeschädigten und weiteren Geschädigten, mahnte die Orientierung der Leistungen an der Bemessung von Schmerzensgeld an und forderte eine Nachbesserung der Leistungen an die Schwerstgeschädigten. Gegen einen Bescheid der Stiftung vom 4. November 2010, durch den der Grad der Schädigung auf 97,39 Punkte festgestellt worden war, legte der Kläger am 7. Dezember 2010 Widerspruch ein, soweit durch diesen Bescheid die monatliche Rente und die jährliche Sonderzahlung nicht erhöht worden waren, und beantragte in der Folgezeit u.a. eine Verdoppelung seiner Rentenzahlung sowie der jährlichen Sonderzahlung, eine Dynamisierung der Rente in Abhängigkeit von der Inflationsrate sowie die Feststellung, dass diese bei der Inanspruchnahme von Sozialleistungen anrechnungsfrei bleiben solle.

9

Zur Begründung machte er insbesondere geltend, dass die undifferenzierte Zahlung der Höchstrente an alle Contergangeschädigten mit einer Schädigung, die mit 45 Punkten und mehr bewertet worden sei, rechtswidrig sei. Spätestens seit dem Film "Contergan: Die Eltern" sei bekannt, dass sich die Lebenssituation der Contergangeschädigten mit einer Bepunktung bis zu 79,99 fundamental von der Lebens- und Hilfebedarfssituation der schwerst- und insbesondere vierfach Contergangeschädigten unterscheide und daher eine weitere Differenzierung vorgenommen werden müsse. Die undifferenzierte Leistungsgewährung widerspreche insbesondere der Verteilung der Leistungen nach Schmerzensgeldkriterien. Der Anspruch auf Leistungserhöhung folge aus dem Stiftungszweck der Beklagten, eine dauerhafte, wirksame Hilfe auf Lebenszeit zu gewährleisten sowie die Contergangeschädigten gegenüber dem Vergleich mit der Firma Grünenthal GmbH besserzustellen. Für die Schwerstgeschädigten ab 80 Punkten sei dieser Stiftungszweck nicht erreicht worden; er - der Kläger - habe vielmehr von der Stiftung weniger an Leistungen erhalten als er bei einer Einmalzahlung aus dem mit der Firma Grünenthal GmbH geschlossenen Vergleich hätte erwirtschaften können.

10

Undifferenziert und daher willkürlich sei auch die Bemessung der jährlichen Sonderzahlungen, welche der Linderung von Folge- und Spätschäden dienen sollten, die bei den einzelnen Geschädigtengruppen durchaus unterschiedlich ausfielen. Die Leistungen bewirkten keinen Ausgleich für die Vielzahl der Beeinträchtigungen in allen Lebensbereichen; durch die Zahlungen einschließlich der Leistungen der gesetzlichen Pflegegeldzahlungen sei gerade an der untersten Grenze sichergestellt, dass Pflege und Betreuung einschließlich der Haushaltsführung durch einen fremden Dritten finanzierbar seien. Der Kläger kritisierte weiterhin, dass die Richtlinienkompetenz für die Umsetzung des Stiftungszweckes stiftungsrechtswidrig bei der ministerialen Aufsichtsbehörde und nicht bei der Beklagten selbst liege; damit fungiere die Aufsichtsbehörde quasi selbst als Stiftung.

11

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 2011 als unbegründet zurück, weil allein eine Erhöhung der finanziellen Leistungen über das in den Stiftungsrichtlinien vorgeschriebene Maß hinaus erstrebt werde, wofür nach der Gesetzeslage kein Raum bestehe.

12

3. Der Kläger hat am 2. August 2011 Klage gegen die Beklagte und die Bundesrepublik Deutschland erhoben, mit der er seine Begehren aus dem Verwaltungsverfahren weiterverfolgt hat. Zur Begründung hat er sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und vertieft. Stiftungsrechtswidrig gebe das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend der hiernach nicht wirklich autonomen Beklagten Anweisung, eine ausgehend vom Stiftungszweck zu geringe Leistung auszubezahlen. Der Stiftungszweck könne nicht durch Richtlinien als Verwaltungsanweisungen eingeengt werden. Wegen der undifferenzierten Leistungsgewährung hätten die Schwerstgeschädigten die weniger Geschädigten, die gleichwohl die Höchstrente erhalten hätten, aus ihrem Anteil mitfinanziert; dies verstoße gegen Art. 3 und 14 GG.

13

Das Verwaltungsgericht hat das Verfahren hinsichtlich der geltend gemachten Schadensersatzforderungen abgetrennt und auf den ordentlichen Rechtsweg verwiesen. Es hat weiter Ansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland abgetrennt und an das Verwaltungsgericht Berlin verwiesen. Hinsichtlich des verbliebenen Streitgegenstandes hat es mit Urteil vom 17. Januar 2013 die Klage gegen die Beklagte in Bezug auf Begehren mit Bezug zu künftigen Gesetzesänderungen als unzulässig und im Übrigen als unbegründet abgewiesen. Dem Kläger stünden die begehrten Ansprüche auf Erhöhung der laufenden Rentenzahlungen, der jährlichen Sonderzahlung und eine an der Inflationsrate ausgerichtete Dynamisierung der Rente nicht zu. Zwischen den Beteiligten stehe nicht im Streit, dass dem Kläger sowohl die nach dem Gesetz mögliche Höchstzahlung in Bezug auf die monatliche Rente als auch der in den Richtlinien festgesetzte Höchstbetrag der jährlichen Sonderzahlung bewilligt worden seien.

14

Die gesetzlichen Bestimmungen verstießen nicht gegen das Grundgesetz. Selbst bei einem angenommenen Grundrechtsverstoß sei die Rechtsfolge nicht die begehrte Verpflichtung der Beklagten, weil bei Verfassungswidrigkeit der stiftungsrechtlichen Regelungen keine Rechtsgrundlage für Zahlungen an den Kläger bestehe. Dem Differenzierungsgebot des Art. 3 GG könne der Gesetzgeber dann neben der begehrten Erhöhung der Rentenzahlungen an Personen, deren Schädigung mit mehr als 80 Punkten bewertet worden sei, auch durch eine Absenkung von Zahlungen an die geringer geschädigten Personen Rechnung tragen. Bei der verfassungsrechtlichen Bewertung verwies das Verwaltungsgericht auf die zu dem Gesetz ergangenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und gelangte auch in Ansehung der tiefgreifenden Lebensbeeinträchtigungen der durch Contergan schwerstgeschädigten Menschen, ausgehend von der Entstehungsgeschichte und dem Regelungszweck der angegriffenen Bestimmung sowie mit Blick auf mögliche weitere Sozialleistungen zum Ergebnis, dass die angegriffenen Normen mit der Verfassung, insbesondere mit Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 sowie Art. 20 Abs. 3 GG vereinbar seien. In Bezug auf die Gleichheitskonformität des Verteilungsmaßstabs nach § 13 Abs. 2 ContStifG (i.V.m. den Richtlinien) hätten die Ergebnisse eines Anfang 2009 initiierten und Mitte 2010 in Auftrag gegebenen Forschungsprojektes zur Lebens- und Versorgungslage der durch Contergan Geschädigten abgewartet werden dürfen. Eine evidente Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG liege nicht vor. Die Stiftungsleistungen überschritten bereits heute die nach dem Vergleich bereitgestellten Mittel um ein Vielfaches. Es sei zu einer deutlichen wirtschaftlichen Besserstellung der Conterganopfer gekommen. Auch unter Berücksichtigung der geltend gemachten Spät- und Folgeschäden sei kein Verstoß gegen Art. 14 GG erkennbar. Aus der Zielsetzung des Gesetzgebers, auf diese Schäden zu reagieren, könne keine verfassungsrechtliche Verpflichtung nach Art. 14 Abs. 1 GG zu einem bestimmten Leistungsumfang abgeleitet werden. Das Untermaßverbot sei nicht wegen einer Leistungsdifferenzierung zwischen den schwerstgeschädigten Conterganopfern und den contergangeschädigten Menschen, deren Schädigung mit einer Punktzahl von 45 bis 79,99 Punkten bewertet worden sei, bzw. zu geringer Leistungen an schwerstgeschädigte Conterganopfer verletzt. Inzwischen gebe es eine Differenzierung nicht nur bei der Höhe der Kapitalentschädigung, sondern auch bei der jährlichen Sonderzahlung. Hinsichtlich weiterer Verbesserungen sei das Ergebnis des 2009 angestoßenen Forschungsprogramms abzuwarten gewesen. Selbst bei einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG durch eine sachlich nicht gerechtfertigte Gleichbehandlung von Ungleichem sei Rechtsfolge nicht die Gewährung der begehrten weiteren Leistungen, weil dem Gesetzgeber unterschiedliche Alternativen offenstünden, um eine dem Gleichheitsgrundsatz entsprechende Verteilung zu erreichen. Bei der Festlegung der für die Anspruchshöhe maßgeblichen Punktzahl fänden Spätschäden ohnehin Berücksichtigung. Die Regelung zur Anpassung der Conterganrenten nach Maßgabe der Anpassung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung sei unbedenklich und gehe über das Gebotene hinaus; der Vergleich habe keine Dynamisierung vorgesehen.

15

Ein Anspruch auf Zahlung der begehrten Beträge ergebe sich auch nicht unmittelbar aus Stiftungsrecht. Es sei schon zweifelhaft, ob sich der Stiftungszweck tatsächlich mit dem Ziel der dauerhaften wirksamen Hilfe für Contergangeschädigte, ihre Besserstellung gegenüber dem Grünenthal-Vergleich umschreiben lasse. Das hinter dem Conterganstiftungsgesetz stehende politische Ziel müsse nicht zwangsläufig mit dem Stiftungszweck identisch sein. Relevant seien solche Motive nur dann, wenn sie in Stiftungsgeschäft und Satzung als Stifterwille objektiviert seien. Dies sei angesichts der gesetzlichen Definition des Stiftungszwecks nicht der Fall. Der allgemeine Zweck, Leistungen zu erbringen, enthalte aber keine Vorgaben zur Höhe oder Art der Leistungen. Ein als gegeben unterstellter Stiftungszweck wirksamer und dauerhafter Hilfe sei jedenfalls unter Berücksichtigung der dafür zur Verfügung stehenden beschränkten Mittel zu interpretieren; die unmittelbaren Stiftungsmittel seien aber seit 1997 aufgebraucht.

16

4. Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Sprungrevision rügt der Kläger u.a. eine Verletzung der Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 GG sowie des Stiftungszwecks. Zur Begründung wiederholt und vertieft der Kläger sein Vorbringen aus dem Verwaltungs- und dem Klageverfahren und hebt u.a. hervor, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass die Richtlinien rechtswidrig seien, weil sie die Erfüllung des Stiftungszwecks unmöglich machten. Die Beklagte sei ohne neutrale und unabhängige Aufsichtsbehörde, wenn die Aufsichtsbehörde zugleich die Richtlinienbefugnis besitze. Sie habe auch den Stiftungszweck Förderung und Forschung bislang unzureichend erfüllt. Der Forschungsauftrag 2009 sei zu spät erteilt und verzögert ausgeführt worden. Die seit 2004 bekannten Spät- und Folgeschäden seien weiterhin ungeregelt. Nach Inkrafttreten des Dritten Gesetzes zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes hat der Kläger den Rechtsstreit hinsichtlich seiner auf die Zeit ab dem 1. Januar 2013 bezogenen Begehren für erledigt erklärt.

17

Die Beklagte hat sich der Teilerledigungserklärung angeschlossen und verteidigt im Übrigen das angefochtene Urteil. Für die vom Kläger weiterhin verfolgten Ansprüche enthielten das Conterganstiftungsgesetz oder die Stiftungssatzung keine bundesgesetzliche Anspruchsgrundlage; eine anderweitige Anspruchsgrundlage sei nicht ersichtlich. Aus dem vom Kläger angenommenen Stiftungszweck folge kein Anspruch auf die konkret geforderten Leistungen, deren Höchstbeträge im Gesetz festgelegt seien. Die Verwirklichung des Stiftungszwecks stehe unter dem Vorbehalt des vorhandenen Stiftungsvermögens. Die Regelungen des Stiftungsgesetzes und ihre Anwendung verstießen auch nicht gegen das Grundgesetz. Art. 14 Abs. 1 GG sei nicht verletzt. Die Vergleichsberechnung des Klägers vernachlässige, dass auch die Stiftungsleistungen für den Vergleich kapitalisiert werden müssten. Art. 3 Abs. 1 GG sei ebenfalls nicht verletzt. Die Nichtberücksichtigung von Folgeschäden könne schon deswegen nicht anspruchsbegründend wirken, weil der Kläger bereits in die Gruppe der Schwerstgeschädigten mit den höchsten Leistungen eingeordnet sei. Bei unterstellter Pflicht zum Tätigwerden aufgrund neuer Erkenntnisse müsse dem Gesetzgeber zudem ein angemessener Zeitraum verbleiben, um Erfahrungen zu sammeln, Klarheit zu gewinnen und die ggf. notwendigen Abhilfemöglichkeiten zu prüfen und vorzubereiten. Zunächst sei er gehalten gewesen, umfassende, wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse über die Lebenssituation und die Bedarfe der ganz unterschiedlich beeinträchtigten, durch Contergan Geschädigten zu erhalten. Dem sei er im Anschluss an die Sitzung des Familien-Ausschusses Ende Mai 2008 durch den gemeinsamen Antrag vom 3. Dezember 2008, einen entsprechenden Forschungsauftrag zu vergeben, die Annahme dieses Antrages im Plenum des Deutschen Bundestages am 22. Januar 2009, die nach europaweiter Ausschreibung erfolgte Vergabe des Forschungsauftrages im Sommer 2010 durch die Beklagte, die Durchführung des Forschungsvorhabens in den Jahren 2010 bis 2012, die Übergabe des Endberichtes Ende 2012 und das nachfolgende Gesetzgebungsverfahren für ein Drittes Gesetz zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes nachgekommen.

18

Unabhängig davon hätten die Regelungen des Conterganstiftungsgesetzes nicht wesentlich Ungleiches verfassungswidrig gleich behandelt. Eine Unterscheidung der Anspruchsberechtigung für die Sonderzahlung über die durch Verwaltungsvorschrift vorgegebenen acht Stufen hinaus sei aus Gleichheitsgründen nicht geboten gewesen. Mit der unterschiedslosen Zahlung der Höchstrente an alle Contergangeschädigten ab 45 Punkten trotz unterschiedlicher Missbildungen seien auch nach den neueren Erkenntnissen bestehende Unterschiede nicht willkürlich nivelliert worden.

19

Das Vorbringen des Klägers zu "grundlegenden Strukturfehlern" sei - seine Richtigkeit unterstellt - nicht geeignet, die geltend gemachten weiteren Ansprüche zu begründen.

Entscheidungsgründe

20

Soweit die Beteiligten die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war das Verfahren einzustellen. Im Übrigen ist die Revision des Klägers nicht begründet. Die Abweisung der auf zusätzliche Leistungen der Beklagten gerichteten Klage durch das Verwaltungsgericht verstößt nicht gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO).

21

Die Sprungrevision des Klägers ist zulässig. Die sich aus § 134 Abs. 1 VwGO ergebenden Formerfordernisse sind gewahrt. Namentlich durfte die Zustimmung zur Einlegung der Sprungrevision in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll erklärt werden (dazu Urteil vom 10. Dezember 2013 - BVerwG 1 C 1.13 - BVerwGE 148, 297 Rn. 8).

22

Die Revision ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf eine Erhöhung bzw. Verdoppelung seiner laufenden Conterganrente (dazu A.) oder deren Dynamisierung nach Maßgabe der Inflationsrate (dazu C.) noch auf eine Verdoppelung der jährlichen Sonderzahlung (dazu B.).

23

A. Für das Begehren des Klägers auf zusätzliche Rentenzahlungen fehlt es an der erforderlichen Rechtsgrundlage. Dem Gesetz über die Conterganstiftung für behinderte Menschen (Conterganstiftungsgesetz - ContStifG - vom 13. Oktober 2005 - BGBl I S. 2967) lässt sich ein solcher Anspruch nicht entnehmen (1.); er folgt insbesondere auch nicht aus dem Zweck der Stiftung, den durch Contergan Geschädigten eine Unterstützung und Hilfe zu gewähren (2.). Die insoweit abschließenden Regelungen des Conterganstiftungsgesetzes sind auch verfassungsgemäß (3.).

24

1. Nach den Bestimmungen des Conterganstiftungsgesetzes ergibt sich kein Anspruch des Klägers auf zusätzliche Rentenleistungen.

25

Nach § 13 Abs. 1 ContStifG steht den durch Contergan geschädigten Personen (§ 12 ContStifG) neben einer Kapitalentschädigung, die hier nicht im Streit steht, eine lebenslängliche Rente zu. § 13 Abs. 2 Satz 1 ContStifG bestimmt für die Höhe dieser Rente, dass sie sich nach der Schwere des Körperschadens und der hierdurch hervorgerufenen Körperfunktionsstörungen richtet. § 13 Abs. 2 Satz 2 ContStifG regelt für die monatliche Rente einen Mindest- und einen Höchstbetrag. Nach § 13 Abs. 6 Satz 4 ContStifG wird der so gezogene Rahmen durch Richtlinien ausgefüllt, die das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erlässt. Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz werden grundsätzlich nicht auf andere Sozialleistungen angerechnet (§ 18 Abs. 1 ContStifG; enger noch § 18 ContStifG; § 21 Abs. 2 StHG).

26

Zwischen den Beteiligten steht außer Streit, dass der Kläger seit Errichtung der Stiftung wegen der Schwere seines Körperschadens in die Gruppe derjenigen Leistungsempfänger eingeordnet war, für die der Höchstbetrag der monatlichen Rente zu gewähren war, und dass er diese Leistungen auch tatsächlich erhalten hatte. Eine weitere Erhöhung dieser Rentenleistungen oder eine Befugnis zur Abweichung von dem durch den Gesetzgeber betragsmäßig gezogenen Rahmen in Härte- oder Sonderfällen sieht das Conterganstiftungsgesetz nicht vor.

27

2. Der Zweck der Stiftung oder allgemeine Grundsätze des Stiftungsrechts bilden keine Rechtsgrundlage für zusätzliche Leistungen, welche den gesetzlich festgelegten Höchstbetrag überschreiten.

28

Die "Conterganstiftung für behinderte Menschen" (bis Oktober 2005: Stiftung "Hilfswerk für behinderte Kinder") ist eine durch Gesetz errichtete Stiftung öffentlichen Rechts, deren Zweck es u.a. ist, Leistungen an behinderte Menschen zu erbringen (§ 2 Nr. 1 ContStifG). Diese Zweckbestimmung ist keine selbständige Anspruchsgrundlage. Der allgemeine Stiftungszweck wird durch die Regelungen des Stiftungsgesetzes zu den Leistungen wegen Contergan-Schadensfällen (§§ 11 ff. ContStifG) konkretisiert und nach der Gesetzessystematik abschließend ausgeformt. Der im Gesetz niedergelegte Stiftungszweck prägt zwar die Auslegung und Anwendung der stiftungsgesetzlichen Regelungen, soweit diese auslegungsbedürftig und -fähig sind. Er kann aber keinen Anspruch auf Leistungen jenseits oder gegen die diese ausdrücklich gesetzlich regelnden Bestimmungen begründen. Der gesetzlich bestimmte Stiftungszweck und das der Stiftung gewidmete Vermögen bilden den Rahmen, der durch Entscheidungen zur Umsetzung des Stiftungszwecks (und durch eine geeignete Stiftungsorganisation) auszufüllen ist (vgl. Stober/Kluth, Verwaltungsrecht II, 7. Aufl. 2010, § 87 Rn. 11; v. Campenhausen/Stumpf, in: v. Campenhausen/Richter, Stiftungsrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2014, § 17 Rn. 5 und § 20 Rn. 1 f.). Auch der Grundsatz der Stiftungsautonomie gestattet es bei einer Stiftung des öffentlichen Rechts den an Gesetz und Recht gebundenen (Art. 20 Abs. 3 GG) Stiftungsorganen nicht, unter Berufung auf den Stiftungszweck von den Bestimmungen des Stiftungsgesetzes abzuweichen; der mögliche Ausnahmefall der Verfassungswidrigkeit der stiftungsgesetzlichen Regelungen liegt hier nicht vor (s.u. 3).

29

Keine andere Beurteilung rechtfertigt die Berufung des Klägers auf einen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entnommenen Stiftungszweck, den durch Contergan Geschädigten eine dauerhafte und wirksame Hilfe zu gewähren, die an Schmerzensgeldkriterien und damit an dem jeweiligen Hilfebedürftigkeitsgrad ausgerichtet sei, und die mit dem Stiftungsgesetz übernommene sozialstaatliche Verantwortung des Gesetzgebers. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zur Verfassungsmäßigkeit des ursprünglichen Stiftungsgesetzes (Gesetz über die Errichtung einer Stiftung "Hilfswerk für behinderte Kinder" vom 17. Dezember 1971, BGBl I S. 2018 ) ausgeführt, die am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten hätten zum Ausdruck gebracht, "daß zu gegebener Zeit geprüft werden müsse, ob die Leistungen noch mit dem Ziel des Stiftungsgesetzes, den Kindern eine wirksame und dauerhafte Hilfe zu gewähren, vereinbar seien", und seiner Auffassung Ausdruck verliehen, es obliege dem Gesetzgeber, "auch in Zukunft darüber zu wachen, daß die Leistungen der Stiftung - sei es in Form von Rentenerhöhungen oder in sonstiger Weise - der übernommenen Verantwortung gerecht werden" (BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1976 - 1 BvL 19/75 u.a. - BVerfGE 42, 263 <311, 312>). Es handelt sich indes nicht um die Entscheidung tragende Ausführungen, welche den Stiftungszweck unabhängig von der - vom Bundesverfassungsgericht im Übrigen gebilligten - Ausgestaltung durch den Gesetzgeber mit Rechtskraft- oder Bindungswirkung (§ 31 BVerfGG) festlegen. Sie betonen vielmehr die allgemeine Einstandspflicht des Staates für die soziale Fürsorge und das Gebot der sozialen Solidarität (s.a. ebd. S. 298), für die dem Gesetzgeber ein grundsätzlich weiter Gestaltungsspielraum zuzubilligen ist. Eine Verletzung von Geboten der sozialen Solidarität durch (evident) unzureichende Leistungen an die durch Contergan Geschädigten würde einen entsprechenden Nachbesserungsbedarf des Gesetzgebers bewirken; dieser folgte aber aus der Verfassung und nicht aus der Nichterfüllung eines gesetzlich festgelegten Stiftungszweckes.

30

Aus den stiftungsrechtlichen Erwägungen lässt sich kein Anspruch auf Rentenzahlungen ableiten, die die gesetzliche Höchstgrenze überschreiten. Ein solcher ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen des Klägers, der Stiftung fehle es an der erforderlichen Autonomie und Aufsicht, weil das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend durch den Erlass der Richtlinie bestimmend auf die Leistungshöhe einwirke, oder dass die Stiftung ihre sonstigen Aufgaben, insbesondere bei der Forschung und der Beratung, nicht ausreichend erfüllt habe. Abgesehen davon, dass das Bundesverfassungsgericht die Grundstrukturen der Stiftungsorganisation, zu der bereits in § 14 Abs. 6 StHG die Richtlinienbefugnis des Bundesministeriums rechnete, als verfassungsgemäß gesehen hat (BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1976 a.a.O. <305 ff.>) und es für grobe Versäumnisse der Stiftung an entsprechenden tatrichterlichen Feststellungen fehlt (§ 137 Abs. 2 VwGO), berechtigte dieses Vorbringen des Klägers selbst dann, wenn es als zutreffend unterstellt würde, die beklagte Stiftung nicht zu höheren Leistungen.

31

3. Die stiftungsrechtlichen Bestimmungen zur Rentenhöhe stehen im Einklang mit dem Grundgesetz. Insbesondere sind sie mit dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) (3.1) und dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) (3.2) vereinbar und verletzen den Kläger auch nicht in seinem Eigentumsgrundrecht (Art. 14 Abs. 1 GG) (3.3) oder weiteren grundgesetzlich verbürgten Rechten (3.4).

32

3.1 Das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) des Grundgesetzes wird durch die Festlegung einer Höchstrente durch den Gesetzgeber nicht verletzt.

33

3.1.1 Das Sozialstaatsprinzip begründet die Pflicht des Staates, für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Januar 1982 - 1 BvR 848/77 u.a. - BVerfGE 59, 231) und die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein seiner Bürger zu schaffen (BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1990 - 1 BvL 20/86 u.a. - BVerfGE 82, 60 <80>). Die soziale Hilfe für die Mitbürger, die wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen an ihrer persönlichen und sozialen Entfaltung gehindert und außerstande sind, sich selbst zu unterhalten, gehört zu den selbstverständlichen Pflichten des Sozialstaates. Dem Gesetzgeber steht ein weiter Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum zu, ob und in welchem Umfang soziale Hilfe unter Berücksichtigung der vorhandenen Mittel und anderer gleichrangiger Staatsaufgaben gewährt werden kann und soll (BVerfG, Beschluss vom 18. Juni 1975 - 1 BvL 4/74 - BVerfGE 40, 121 <133>). Bei Verwirklichung seines Schutzauftrages, durch soziale Hilfen wegen körperlicher Gebrechen an ihrer persönlichen und sozialen Entfaltung gehinderte Menschen soweit als möglich in die Gesellschaft einzugliedern, ihre angemessene Betreuung in der Familie oder durch Dritte zu fördern sowie die notwendigen Pflegeeinrichtungen zu schaffen, liegt es indes grundsätzlich in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, den ihm geeignet erscheinenden Weg zu bestimmen. Er hat zu entscheiden, inwieweit er die erforderliche Hilfe durch besondere Leistungssysteme des sozialen Entschädigungsrechts, über Versicherungsleistungen oder durch Fürsorgeleistungen gewährleistet (BVerfG, Beschluss vom 18. Juni 1975 a.a.O.).

34

Höhe und Zusammensetzung der Stiftungsleistungen sind allerdings nicht an dem Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG; dazu BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - BVerfGE 125, 175; vom 18. Juli 2012 - 1 BvL 10/10, 1 BVL 2/11 - BVerfGE 132, 134) zu messen. Als besondere Leistungen der sozialen Entschädigung haben sie nicht die Funktion, den notwendigen Lebensunterhalt für Personen sicherzustellen, die hierzu nicht aus eigenen Kräften und Mitteln in der Lage sind. Sie stehen neben der Grundsicherung, haben nicht in erster Linie Versorgungscharakter und gewähren insoweit Zusatzleistungen (BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1976 a.a.O. <311>). Bei der Ermittlung von Einkommen und Vermögen bei der Existenzsicherung dienenden Leistungen, insbesondere den Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz bzw. jenen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) oder der Sozialhilfe (SGB XII), blieben die monatlichen Rentenzahlungen bis zum 30. Juni 2008 in Höhe der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (§ 21 Abs. 2 Satz 2 StHG; § 18 Abs. 1 Satz 2 ContStifG) und seitdem in vollem Umfang außer Betracht (§ 18 Abs. 1 ContStifG).

35

In seinem Beschluss zum Ersten und Zweiten Conterganstiftungsänderungsgesetz hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2010 - 1 BvR 1541, 2685/09 - NJW 2010, 1943 Rn. 20) die Grundsätze, an denen eine etwa unzureichende gesetzliche Schutzgewähr zu messen ist, wie folgt zusammengefasst:

36

"Nur in seltenen Ausnahmefällen lassen sich der Verfassung konkrete Pflichten entnehmen, die den Gesetzgeber zu einem bestimmten Tätigwerden zwingen. Ansonsten bleibt die Aufstellung und normative Umsetzung eines Schutzkonzepts dem Gesetzgeber überlassen. Ihm kommt ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfGE 77, 170 <214>; 79, 174 <202>; 88, 203 <262>; 96, 56 <64>; 106, 166 <177>; 121, 317 <356>). Nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung und dem demokratischen Prinzip der Verantwortung des vom Volk unmittelbar legitimierten Gesetzgebers muss dieser die regelmäßig höchst komplexe Frage entscheiden, wie eine aus der Verfassung herzuleitende Schutzpflicht verwirklicht werden soll (vgl. BVerfGE 56, 54 <81>). Die Entscheidung, welche Maßnahmen geboten sind, kann vom Bundesverfassungsgericht nur begrenzt nachgeprüft werden. Das Bundesverfassungsgericht kann erst dann eingreifen, wenn der Gesetzgeber seine Pflicht evident verletzt hat (vgl. BVerfGE 56, 54, <80 f.>; 77, 170 <214 f.>; 79, 174 <202>; 85, 191 <212>; 92, 26 <46>; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 26. Mai 1998 - 1 BvR 180/88 -; NJW 1998, S. 3264 ff.; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. Juli 2009 - 1 BvR 1606/08 -, juris, Rn. 12). Einen Verfassungsverstoß durch unterlassene Nachbesserung eines Gesetzes kann das Bundesverfassungsgericht insbesondere erst dann feststellen, wenn evident ist, dass eine ursprünglich rechtmäßige Regelung wegen zwischenzeitlicher Änderung der Verhältnisse verfassungsrechtlich untragbar geworden ist, und wenn der Gesetzgeber gleichwohl weiterhin untätig geblieben ist oder offensichtlich fehlsame Nachbesserungsmaßnahmen getroffen hat (vgl. BVerfGE 56, 54 <81 f.>)." Dem folgt der erkennende Senat. Dem Gesetzgeber ist weiterhin ein hinreichender Zeitraum zur Anpassung seiner Regelungen an eine sich verändernde Sachlage unter vorheriger Aufklärung von Art und Umfang des Anpassungsbedarfs zuzubilligen (s. nur BVerfG, Urteil vom 10. April 1997 - 2 BvF 1/95 - BVerfGE 95, 335 <405>; Beschluss vom 15. Dezember 1999 - 1 BvR 1904/95 u.a. - BVerfGE 101, 331 <350 f.>).

37

3.1.2 Nach diesen Grundsätzen kann nicht festgestellt werden, dass das Leistungssystem des Conterganstiftungsgesetzes bis zum 31. Dezember 2012 verfassungswidrig gewesen ist.

38

Das Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 8. Juli 1976 - 1 BvL 19/75 u.a. - BVerfGE 42, 263) hatte das Leistungssystem des ursprünglichen Stiftungserrichtungsgesetzes als verfassungsgemäß bestätigt und dabei auch die Gleichbehandlung aller geschädigten Personen mit einer Schädigung, die mit mehr als 45 Punkten bewertet worden war, trotz unterschiedlicher Schädigung, und das Fehlen einer gesetzlichen Bestimmung zur Dynamisierung der monatlichen Renten verfassungsrechtlich nicht beanstandet (ebd. 309, 311). Es lässt sich nicht feststellen, dass der Gesetzgeber in der Folgezeit untätig geblieben ist oder offensichtlich fehlsame Nachbesserungsmaßnahmen getroffen hat, obwohl die ursprünglich verfassungsgemäße Regelung wegen der zwischenzeitlichen Veränderung der Verhältnisse verfassungsrechtlich untragbar geworden und dies auch evident gewesen ist.

39

3.1.2.1 Der Gesetzgeber ist bis zur Neufassung des Errichtungsgesetzes durch das Conterganstiftungsgesetz im Jahr 2005 nicht untätig geblieben. Er hat in insgesamt neun Änderungsgesetzen zum Stiftungsgesetz die Rentenmindest- und -höchstwerte linear erhöht (vor 2005 zuletzt durch das Neunte Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung einer Stiftung "Hilfswerk für behinderte Kinder" vom 21. Juni 2002, BGBl I S. 2190). Auch soweit hierdurch - bezogen auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes - kein vollständiger Ausgleich der gestiegenen Lebenshaltungskosten herbeigeführt worden sein sollte und die Erhöhungen erst nachträglich bewirkt wurden, ist weder eine faktische Entwertung der monatlichen Rentenzahlungen noch sonst eine unzureichende Anpassung festzustellen. Den Materialien zu dem Conterganstiftungsgesetz (BTDrucks 15/5654 ; 15/5851 ) lassen sich keine Hinweise auf eine qualitativ oder quantitativ erheblich veränderte Bedarfslage der durch Contergan Geschädigten entnehmen, die den Gesetzgeber hätten veranlassen müssen, substantielle Leistungsverbesserungen zu erwägen.

40

3.1.2.2 Eine sozialstaatswidrige Unterversorgung insbesondere der Gruppe der durch Contergan Schwerstgeschädigten, der auch der Kläger angehört, ist auch nicht durch den Dokumentarfilm "Contergan: Die Eltern" und das hierzu erschienene Begleitbuch hervorgetreten. Hierdurch mag zwar - auch dies hat das Verwaltungsgericht tatrichterlich nicht festgestellt - evident geworden sein, dass sich die Lebenslagen der Betroffenen, ihre Chancen zur Teilhabe in Beruf, Gesellschaft und Privatbereich und die Einschränkungen durch schädigungsbedingte Funktionseinbußen je nach der Körperschädigung teils nachhaltig unterschieden haben und die Annahme (auch) des Bundesverfassungsgerichts zumindest relativierungsbedürftig geworden war, ab einer mit 45 Punkten und mehr bewerteten Schädigung würden die Betroffenen "sich ohne ständige fremde Hilfe im Leben nicht … behaupten können" (BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1976 - 1 BvL 19/75 u.a. - BVerfGE 42, 263 <309>). Der sozialgestaltende Gesetzgeber hätte in Bezug auf den gesetzlichen Rentenrahmen aber nur und erst dann tätig werden müssen, wenn hierdurch zumindest für die schwerstgeschädigten Personen auch eine sozialstaatswidrige Unterversorgung hervorgetreten wäre, weil die Zusatzbelastungen nicht oder nicht hinreichend durch Leistungen etwa der Krankenversicherung, der Pflegeversicherung oder der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen ausgeglichen wurden. Hierfür fehlt jeder Anhalt. Der Kläger selbst hatte Mitte 2004 sein (nicht beziffertes) Begehren nach Rentenerhöhung, Zusatzrente oder einmalige nachträgliche weitere Kapitalentschädigung nicht mit einer sozialstaatswidrigen Unterversorgung, sondern damit begründet, dass die Schwerstgeschädigten (ab 80 Punkten) wegen ihrer schweren Situation im Vergleich zu den weniger Geschädigten zu geringe Leistungen erhielten, den weniger Geschädigten im Bereich von 45 bis 80 Punkten aber aus Besitzstandsgründen die Renten nicht genommen werden könnten.

41

Auch sonst lässt sich in diesem Zeitraum weder den allgemeinkundigen Quellen noch - ihre revisionsrechtliche Berücksichtigungsfähigkeit unterstellt - den vom Kläger beigebrachten oder benannten Unterlagen und Quellen (z.B. W. Freitag, Contergan. Eine genealogische Studie des Zusammenhangs wissenschaftlicher Diskurse und biographischer Erfahrungen, 2005; Zichner/Rauschmann/Thomann , Die Contergankatastrophe - Eine Bilanz nach 40 Jahren, 2005) entnehmen, dass die durch Contergan Geschädigten insgesamt oder doch bestimmte Teilgruppen, z.B. die Schwerst- und Mehrfachgeschädigten, auch im Zusammenwirken der verschiedenen sozialstaatlichen Hilfesysteme in einem Umfange von sozialstaatlich gebotenen Hilfeleistungen abgeschnitten gewesen wären, dass der Gesetzgeber des Conterganstiftungsgesetzes umgehend hätte tätig werden müssen. Im Lichte neuerer Erkenntnisse, insbesondere der Studie der Universität Heidelberg (Institut für Gerontologie der Ruprecht Karls Universität Heidelberg, Contergan. Wiederholt durchzuführende Befragungen zu Problemen, speziellen Bedarfen und Versorgungsdefiziten von contergangeschädigten Menschen. Endbericht an die Conterganstiftung für behinderte Menschen, 2012) mag allenfalls im Rückblick anzunehmen sein, dass bei einer genaueren Betrachtung der sozialen, insbesondere beruflichen und gesundheitlichen Situation der durch Contergan Geschädigten eine bestehende bzw. sich abzeichnende Unterversorgung früher hätte erkannt werden können. Auch dies ist indes nicht evident.

42

3.1.2.3 Der Gesetzgeber hat auf den Erkenntnisfortschritt in den Folgejahren, aber auch die öffentliche Thematisierung der Verantwortung der Firma Grünenthal GmbH durch einen im November 2007 ausgestrahlten Fernsehfilm mit einer Verdoppelung der Mindest- und Höchstwerte für die monatliche Rente zum 1. Juli 2008 reagiert (Erstes Gesetz zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes vom 26. Juni 2008, BGBl I S. 1078). Der Gesetzentwurf der seinerzeitigen Koalitionsfraktionen (BTDrucks 16/8743 S. 4) begründete diese Verdoppelung damit, dass diese "(a)ngesichts des Umfangs der Beeinträchtigung der Betroffenen insbesondere durch die Folge- und Spätschäden, die weder durch die Leistungen der Conterganstiftung noch durch ergänzende Sozialgesetze ausreichend abgefangen werden können (z.B. Haushaltshilfe, vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben, Renteneinbußen usw.)", sachgerecht und begründet sei, nachdem der vorangehende Gesetzentwurf der Bundesregierung (BTDrucks 16/8653) noch lediglich eine moderate Erhöhung der Conterganrente mit Rücksicht auf die Entwicklung der Lebenshaltungskosten und der Nettoeinkommen um linear 5 v.H. vorgesehen hatte. Auch dem Koalitionsentwurf lag aber keine Bedarfsanalyse zugrunde, aus der die Leistungserhöhung nach Struktur, Art und Höhe gezielt abgeleitet worden wäre; sie lässt sich auch nicht den Stellungnahmen der Sachverständigen in der im zeitlichen Umfeld dieses Gesetzentwurfes durchgeführten Anhörung entnehmen (Deutscher Bundestag - Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend -, Protokoll Nr. 16/57 der öffentlichen Anhörung vom 28. Mai 2008 zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD "Angemessene und zukunftsorientierte finanzielle Unterstützung der Contergangeschädigten sicherstellen", BTDrucks 16/8754, und zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen "Für einen umfassenden Ansatz beim Umgang mit den Folgen des Contergan-Medizinskandals", BTDrucks 16/8748). Beide Gesetzentwürfe zielten ausweislich ihrer Begründung auch nicht auf die Beseitigung oder Abwendung einer verfassungsrechtlich bedenklichen Unterversorgungslage; Ziel war die Ausfüllung sozialstaatlicher Verantwortung für die durch Contergan Geschädigten. Gegen eine evidente Unterschreitung seiner sozialstaatlichen Schutzpflichten durch den Gesetzgeber streitet auch der zu diesem Gesetz ergangene Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2010 - 1 BvR 1541, 2685/09 - NJW 2010, 1943).

43

Die Einführung einer jährlichen Sonderzahlung, die erstmals für das Jahr 2009 gewährt worden ist (Zweites Gesetz zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes vom 25. Juni 2009, BGBl I S. 1534), weist ebenfalls nicht auf eine (evidente) verfassungsrechtlich bedenkliche, sozialstaatswidrige Unterversorgung. Diese Sonderzahlung, für die die Mittel aus einer freiwilligen Zahlung der Firma Grünenthal GmbH zur Verbesserung der Lebenssituation der contergangeschädigten Menschen in Höhe von 50 Mio. € sowie Mittel in gleicher Höhe aus dem Kapitalstock der Stiftung stammen, dient der Verbesserung der Lebenssituation der Geschädigten und soll die besonderen Bedarfe der contergangeschädigten Menschen abdecken (Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, BTDrucks 16/12413 S. 1, 7). Die Begründung des Gesetzentwurfes geht zwar davon aus, dass die Lebenssituation der contergangeschädigten Menschen zunehmend durch die sehr schmerzhaften Auswirkungen ihrer Behinderung sowie die Spät- und Folgeschäden geprägt und ihre Lebensqualität erheblich gefährdet oder eingeschränkt sei (BTDrucks 12/12413 S. 7). Die Bedarfe, welche durch die jährliche Sonderzahlung (ganz oder teilweise) gedeckt werden sollen, werden aber nach Art oder Höhe nicht bezeichnet; dies hindert Rückschlüsse auf eine (evidente) Unterversorgung. Die durch das Zweite Änderungsgesetz eingeführte Dynamisierung der monatlichen finanziellen Unterstützung nach Maßgabe der Entwicklung der gesetzlichen Renten sieht der Gesetzentwurf ebenfalls lediglich als sinnvoll und systemgerecht, nicht aber zur Abwendung eines Verfassungsverstoßes als geboten (BTDrucks 16/12413 S. 11).

44

3.1.2.4 Auch die Ergebnisse einer im Januar 2012 vorgelegten, im Auftrag der Beklagten erstellten Internationalen Studie zu Leistungen und Ansprüchen thalidomidgeschädigter Menschen in 21 Ländern (erstellt durch die Rechtsanwaltskanzlei DLA Pieper) mussten den Gesetzgeber nicht zum Tätigwerden veranlassen. Art und Höhe der jeweils gewährten Leistungen in anderen Ländern und ihre Einbettung in das allgemeine Leistungssystem sind derart heterogen, dass es bereits schwerfällt, die von der Studie angestrebte Vergleichbarkeit mit den entsprechenden Leistungen in Deutschland herzustellen. Auch soweit in anderen Ländern den Geschädigten in der Gesamtschau aller Sicherungssysteme nominal höhere Leistungen gewährt worden sein sollten, würde dies für sich allein zudem nicht den Schluss rechtfertigen, dass in der Bundesrepublik Deutschland die verfassungsrechtlich geforderte Grundversorgung nicht gewährleistet (gewesen) sei.

45

3.1.2.5 Art und Umfang der Leistungsverbesserungen, die der Gesetzgeber - teils rückwirkend zum 1. Januar 2013 - mit dem Dritten Gesetz zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes (Gesetz vom 26. Juni 2013, BGBl I S. 1847) u.a. durch die deutliche Erhöhung der Rentenobergrenze und die Einführung von Leistungen zur Deckung spezifischer Bedarfe bewirkt hat, weisen nicht darauf, dass Veränderungen in der Lebenssituation der contergangeschädigten Menschen und veränderte Hilfebedarfe den Gesetzgeber zu einem (deutlich) früheren Zeitpunkt zum Handeln hätten veranlassen müssen.

46

Mit den Leistungsverbesserungen hat der Gesetzgeber auf den Erkenntnisfortschritt reagiert, der sich durch die Ergebnisse der vom Institut für Gerontologie der Universität Heidelberg durchgeführten Studie "Wiederholt durchzuführende Befragungen zu Problemen, speziellen Bedarfen und Versorgungsdefiziten von contergangeschädigten Menschen" ergeben hat. Der Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP (BTDrucks 17/12678 S. 1) geht - gestützt auf die Ergebnisse dieser Studie - davon aus, dass die Lebenssituation der contergangeschädigten Menschen durch die sehr schmerzhaften Auswirkungen ihrer Behinderung mit Folge- und Spätschäden geprägt sei und dringender Handlungsbedarf für die Sicherstellung einer angemessenen und zukunftsorientierten Unterstützung der älter werdenden Betroffenen bestehe. Der Gesetzentwurf greift damit die sozialpolitischen, auf eine Verbesserung bzw. Optimierung der Versorgung und Unterstützung zielenden Handlungsempfehlungen des Gutachtens auf. Der Endbericht des Gutachtens selbst enthält sich verfassungsrechtlicher Bewertungen und in Bezug auf die Quantifizierung zusätzlicher Leistungen eindeutiger Aussagen; dies gilt auch für den im Frühjahr 2012 vorgelegten "Zusammenfassenden Bericht über die ersten Untersuchungsergebnisse und Ableitung erster Handlungsempfehlungen", der allerdings Angaben zu ungedeckten finanziellen Belastungen in verschiedenen Bedarfsbereichen mit teils erheblicher Schwankungsbreite enthält. In dem Gesetzentwurf finden sich indes keine hinreichenden Hinweise, dass die vorgenommenen Änderungen vom Gesetzgeber nach Art und Umfang als erforderlich angesehen worden sind, um einen Verfassungsverstoß abzuwenden. Der Gesetzentwurf weist - ebenfalls im Anschluss an die Ergebnisse des Gutachtens - darauf hin, dass in den letzten fünf Jahren bei den Folgeschäden als Folge der Abnutzungserscheinungen und Veränderungen des Bewegungsapparates erhebliche Verschlechterungen eingetreten seien. Die deutliche Verschlechterung der gesundheitlichen Lage der durch Contergan Geschädigten gerade in den letzten Jahren, die auch in dem Gutachten selbst mehrfach betont wird, spricht dagegen, die Ergebnisse des Gutachtens in vollem Umfang auch auf die Vergangenheit zu beziehen.

47

Der Gesetzgeber selbst hat auch dadurch, dass er sich einen Vorstoß zu einer Erhöhung der monatlichen Rentenleistungen rückwirkend zum 1. Januar 2012 (Antrag der Fraktion Die Linke "Lebenssituation der durch Contergan geschädigten Menschen mit einem Dritten Conterganstiftungsänderungsgesetz und weiteren Maßnahmen spürbar verbessern" vom 17. Oktober 2010, BTDrucks 17/11041 S. 2) nicht zu eigen gemacht hat (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 24. April 2013, BTDrucks 17/13279 S. 3), zu erkennen gegeben, dass jedenfalls er keinen - gar verfassungsrechtlichen - Anpassungsbedarf auch für die Vergangenheit zu erkennen vermochte. Dies ist nach der Erkenntnislage verfassungsrechtlich auch nicht zu beanstanden. Dass ein entsprechender Erhöhungs- und Anpassungsbedarf für die Vergangenheit sich dem Gesetzgeber als evident hätte aufdrängen müssen, ergibt sich namentlich auch nicht aus dem Endbericht des Gutachtens bzw. dem Zwischenbericht; beide enthalten ungeachtet klarer Erkenntnisse zu bestehenden Unterversorgungslagen auch Differenzierungen, die einen Rückbezug der Erkenntnisse auf vergangene Zeiträume, insbesondere auch auf die Zeit ab 2004, ausschließen.

48

Nicht festzustellen ist, dass der Gesetzgeber sich ohne Weiteres zugänglichen Erkenntnisquellen zur Lage der durch Contergan Geschädigten verschlossen oder die erforderlichen Untersuchungen in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise verzögert hätte. Der Bundestag hatte allerdings bereits im Januar 2009 die Bundesregierung aufgefordert, einen Forschungsauftrag zu vergeben, der bestehende Versorgungsdefizite und künftige Unterstützungsbedarfe contergangeschädigter Menschen untersucht (BTDrucks 16/11223 ; BTProt 16/200 vom 22. Januar 2009 S. 21677 ), und damit weiteren Klärungsbedarf zu erkennen gegeben. Zwischen diesem Beschluss und der Vorlage der Endfassung des erst Mitte 2010 in Auftrag gegebenen Gutachtens lagen nahezu vier Jahre. Diese Dauer ist verfassungsrechtlich aber bereits angesichts der Komplexität und des Umfanges des Untersuchungsauftrages im Ergebnis nicht zu beanstanden, zumal der Gesetzgeber grundsätzlich davon ausgehen durfte, dass angesichts der grundsätzlichen Absicherung durch Contergan geschädigter Personen auch durch die allgemeinen Systeme der sozialen Sicherung substantielle Betreuungs- und Versorgungslücken jedenfalls nicht in einem Umfang bestanden, der nach der Verdoppelung der laufenden Conterganrenten zum 1. Juli 2008 eine deutliche Beschleunigung gefordert hätte.

49

3.2 Die gesetzliche Höchstgrenze für die laufende Rentenzahlung verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

50

3.2.1 Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 1998 - 1 BvR 1554/89 u.a. - BVerfGE 98, 365 <385>). Er ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (stRspr, BVerfG, Beschluss vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 - BVerfGE 129, 49 <68 f.>). Dies gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen (BVerfG, Beschluss vom 21. Juli 2010 - 1 BvR 611, 2464/07 - BVerfGE 126, 400 <416>). Der allgemeine Gleichheitssatz enthält indes kein verfassungsrechtliches Gebot, ähnliche Sachverhalte in verschiedenen Ordnungsbereichen mit anderen systematischen und sozialgeschichtlichen Zusammenhängen gleich zu regeln (BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2010 - 1 BvR 1541, 2685/09 - NJW 2010, 1943).

51

3.2.2 Nach diesem Maßstab scheidet eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG durch die gesetzliche Rentenobergrenze (§ 13 Abs. 2 ContStifG) im Verhältnis zu den Leistungen anderer Regelungen des sozialen Entschädigungsrechts aus. Der sozialstaatliche Gestaltungsauftrag des Gesetzgebers umfasst jenseits der Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums grundsätzlich auch die Entscheidung, an welche tatsächlichen Verhältnisse er Rechtsfolgen knüpft, wie er von Rechts wegen zu begünstigende Personengruppen definiert und in welchem Umfang er Leistungen gewährt. Diese Regelungen knüpfen an jeweils besondere Lebenslagen oder Schadensereignisse an, bei denen die staatliche Einstands- und Entschädigungspflicht jeweils an ein spezielles "Sonderopfer" anknüpft, das mit der Situation bei der Conterganstiftung nicht vergleichbar ist; namentlich ergibt sich aus einer möglichen Schutzpflichtverletzung durch eine etwa unzureichende Arzneimittelkontrolle in der 1950er Jahren keine gesteigerte Entschädigungs- oder sozialstaatliche Einstandspflicht des Gesetzgebers oder ein verfassungsrechtliches Gebot, die durch Contergan Geschädigten in Struktur und Höhe der Leistungen Personen gleichzustellen, die sich unter Geltung des aktuellen Arzneimittelhaftungsrechts (§§ 84 ff. AMG) ergäben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2010 a.a.O.).

52

3.2.3 Die gesetzliche Rentenobergrenze (§ 13 Abs. 2 ContStifG) verstößt auch nicht deswegen gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil bis zum 31. Dezember 2012 die Staffelung der Rentenhöhe in den Richtlinien des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend für die Gewährung von Leistungen wegen Contergan-Schadensfällen (s. für den streitbefangenen Zeitraum zuletzt Bekanntmachung der Neufassung der Richtlinien vom 30. Juni 2009, BAnz vom 3. Juli 2009 S. 2313) die Personengruppe in dem Punktzahlbereich von 45 bis 79,99 Punkten einerseits, oberhalb von 80 Punkten anderseits gleich behandelt hat, obgleich jedenfalls für diesen Personenkreis - so der Kläger - die schädigungsbedingten Funktionseinbußen qualitativ höher seien. Selbst wenn insoweit eine Verletzung des Untermaßverbotes durch eine unzureichende Differenzierung unterstellt wird, berührte dies allein die Richtlinien, nicht die gesetzliche Regelung selbst (s. bereits BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1976 - 1 BvL 19/75 u.a. - BVerfGE 42, 263 <309>). Ist eine Erhöhung der Rentenobergrenze aus sozialstaatlichen Gründen nicht erforderlich, obliegt es dem Richtliniengeber, einen etwaigen Gleichheitsverstoß bei der Rentenstaffelung in dem vom Gesetzgeber gezogenen Rahmen zu beseitigen, ohne dass der Gesetzgeber zur Erhöhung der Rentenobergrenze gehalten wäre.

53

Unabhängig davon liegt in der Gleichbehandlung aller Geschädigten ab 45 Punkten trotz unterschiedlicher Schädigung kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Gleichbehandlung in seinem Urteil vom 8. Juli 1976 (a.a.O.) mit der Erwägung gebilligt, dass die Rente nicht der Entschädigung für die erlittenen Missbildungen diene und bei der verfassungsrechtlich zulässigen generalisierenden und typisierenden gesetzlichen Regelung alle Geschädigten, die 45 Schadenspunkte oder mehr aufweisen, ohne Unterschied die Höchstrente erhielten, weil diese Geschädigten nach Auffassung der Sachverständigen sich ohne ständige fremde Hilfe im Leben nicht werden behaupten können. Zu Gunsten des Klägers können der Wegfall der grundsätzlichen Bindungswirkung (§ 31 BVerfGG) dieses Urteils durch neuere Erkenntnisse, eine unmittelbare Verantwortung des Gesetzgebers auch für die Rentenstaffelung sowie der vom Verwaltungsgericht tatrichterlich nicht festgestellte Umstand unterstellt werden, dass mit zunehmendem Umfang der Schädigung der Bedarf an Pflege, Assistenz sowie Heil- und Hilfsmitteln ansteigt und diese Steigerung nicht bei Erreichen einer Schädigungspunktzahl von 45 Punkten abbricht oder (wesentlich) abflacht. Jedenfalls bis zu der Vorlage der Berichte zu dem Forschungsvorhaben der Universität Heidelberg fehlte es aber an hinreichend gefestigten Erkenntnissen, dass sich die evidenten Unterschiede der Körperschäden und der damit verbundenen Funktionseinbußen auch mit erheblichem Gewicht ausgewirkt haben auf die Hilfe-, Bedarfs- und damit potentiellen Unterversorgungslagen, die unter Berücksichtigung der durch Hilfe- und Unterstützungsleistungen aus anderen Leistungssystemen, z.B. der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen (§§ 39 ff. BSHG; §§ 53 ff. SGB XII), der Hilfen nach dem SGB IX (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen) oder der sozialen Pflegeversicherung (SGB XI) bzw. der Hilfe zur Pflege (§§ 68 ff. BSHG; §§ 61 ff. SGB XII), verblieben sind. Auch bei einer am Verhältnismäßigkeitsprinzip orientierten Gleichheitsprüfung ließe sich ein Verstoß gegen ein verfassungsrechtliches Gebot weiterer Differenzierung indes nur bei erheblichen Unterschieden auch im anderweitigen ungedeckten Hilfe- und Unterstützungsbedarf ausmachen.

54

3.3 Die gesetzliche Rentenobergrenze und das Leistungssystem des § 13 ContStifG stehen auch mit der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) im Einklang.

55

Die Ansprüche, welche das Conterganstiftungsgesetz infolge der eigentumsrechtlich unbedenklichen (BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1976 - 1 BvL 19/75 u.a. - BVerfGE 42, 263) Umwandlung der Ansprüche aus dem Vergleich mit der Firma Grünenthal GmbH gewährt, genießen dem Grunde nach ebenfalls den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG (BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2010 - 1 BvR 1541, 2685/09 - NJW 2010, 1943 Rn. 31). Dieser Schutz mag zwar auch nach dem rechnerischen Verbrauch der von der Firma Grünenthal GmbH eingebrachten Mittel durch Stiftungsleistungen einer ersatzlosen Aufhebung des Conterganstiftungsgesetzes oder einer substantiellen Absenkung des Leistungsniveaus entgegenstehen. Bereits ein Anspruch auf Dynamisierung der laufenden Renten kann indes aus Art. 14 Abs. 1 GG nicht hergeleitet werden (vgl. BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1976 a.a.O. <311>). Erst recht umfasst der grundrechtliche Eigentumsschutz nicht eine aus Steuermitteln finanzierte, vom Sozialstaatsgrundsatz nicht geforderte Leistungserhöhung oder ein Leistungsniveau, das - aus Sicht des Klägers - das politische Ziel, den Geschädigten eine wirksame und dauerhafte Hilfe zu gewähren, unabhängig von dem Verbrauch der aus dem privatrechtlichen Vergleich stammenden Mittel nachhaltig umsetzt. Nach den vom Verwaltungsgericht übernommenen (UA S. 5) Feststellungen des Entwurfes eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes (BTDrucks 16/12413 S. 7) werden dabei seit 1997 die mehrfach angehobenen Renten aus Bundeshaushaltsmitteln finanziert, da der für individuelle Leistungen - also Renten und Kapitalentschädigung - vorgesehene Restbetrag des Stiftungsvermögens bis dahin aufgebraucht worden war.

56

Auch aus dem vom Kläger vorgenommenen Vergleich seiner Vermögenslage bei einer hypothetischen Anlage des Betrages, den er aus dem privatrechtlichen Vergleich erlangt hätte, mit den tatsächlich von der Stiftung erhaltenen Leistungen lässt sich kein Anspruch auf höhere Leistungen ableiten. Er vernachlässigt bereits, dass für die eigentumsrechtliche Umgestaltung der privatrechtlichen Ansprüche eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen ist, bei der gewisse Nachteile, die für Einzelne auftreten mögen, gegen die insgesamt erzielten Vorteile abzuwägen sind (BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1976 a.a.O. <302>). Bei seinen Berechnungen vergleicht der Kläger zudem den Vermögensstand, der sich bei Ansparung der Vergleichssumme und darauf entfallender hypothetischer Zinsen (inkl. Zinseszinsen) ergeben hätte, mit der Summe der laufenden Zahlungen durch die Stiftung, ohne diese in vergleichbarer Weise hypothetisch zu verzinsen. Dass auch bei vergleichbarer Berechnungsweise die thesaurierten Stiftungsleistungen hinter dem angesparten Betrag aus dem Vergleich (deutlich) zurückbleiben, ist vom Verwaltungsgericht tatrichterlich nicht festgestellt, vom Kläger nicht dargelegt und erscheint wegen des langjährigen Vergleichszeitraums und des hohen Zinsansatzes ausgeschlossen.

57

3.4 Die gesetzliche Rentenobergrenze und das Leistungssystem des § 13 ContStifG sind auch sonst mit dem Grundgesetz vereinbar.

58

3.4.1 Eine Verletzung staatlicher Pflichten aus Art. 2 Abs. 2 GG, sich schützend vor das Leben des Einzelnen zu stellen und auch Risikovorsorge gegen Gesundheitsgefährdungen zu treffen, durch die Regelungen zur Rentenhöhe ist ebenfalls nicht zu erkennen und wird von dem Kläger substantiiert auch nicht vorgetragen. Aus Art. 2 Abs. 2 GG folgt ohnehin regelmäßig kein verfassungsrechtlicher Anspruch auf Bereitstellung bestimmter Gesundheitsleistungen (BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 2005 - 1 BvR 347/98 - BVerfGE 115, 25 <44>). Das Vorbringen des Klägers zu den aus seiner Sicht unzureichenden Aktivitäten der Stiftung im Bereich der Erforschung der gesundheitlichen Spät- und Folgeschäden sowie der Information über erkannte Gesundheitsrisiken betrifft nicht Art und Höhe der laufenden Rentenleistungen an die Geschädigten.

59

3.4.2 Soweit der Kläger aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG u.a. den Zweck der Stiftung, dauerhaft und wirksam Hilfe für die contergangeschädigten Menschen zu gewähren, bestimmte Anforderungen an die Autonomie und Ausgestaltung der Stiftung oder einen Anspruch auf deren aufgabengerechte Ausstattung mit Finanzmitteln herleitet, kann er damit nicht durchdringen. Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG ist eine Kompetenznorm, die den Bundesgesetzgeber ermächtigt, auf dem Gebiet der öffentlichen Fürsorge Bundesgesetze zu erlassen. Allein aus dieser Gesetzgebungszuständigkeit folgen indes bereits objektivrechtlich keine Gesetzgebungspflichten oder -aufträge und erst recht keine subjektiv-öffentlichrechtlichen Leistungsansprüche oder Rechte auf Normerlass (s. statt vieler Seiler, in: Epping/Hillgruber, GG-Kommentar, 2009 Art. 70 Rn. 4; Jarass/Pieroth, GG-Kommentar 13. Aufl. 2014, Art. 70 Rn. 22).

60

4. Soweit der Kläger höhere Leistungen für die Zeit begehrt, in der noch das Gesetz über die Errichtung einer Stiftung "Hilfswerk für behinderte Kinder" anzuwenden war (Januar 2004 bis Oktober 2005), gelten die vorstehenden Erwägungen entsprechend. Insbesondere enthielt auch § 14 Abs. 2 StHG einen Höchstbetrag für die monatliche Rente.

61

B. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die begehrte Verdoppelung der jährlichen Sonderzahlung für die Zeit vom 1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2012 oder zumindest deren Erhöhung. Die einfachgesetzlichen Regelungen des Conterganstiftungsgesetzes sehen keine weitergehenden Leistungen vor (1.); sie verstoßen nicht gegen höherrangiges Recht (2.).

62

1. Aus dem Stiftungsgesetz oder den Leistungsrichtlinien ergibt sich kein Verdoppelungs- oder Erhöhungsanspruch zu Gunsten des Klägers.

63

1.1 Rechtsgrundlage für die jährliche Sonderzahlung ist § 13 ContStifG in der Fassung, die diese Regelung durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes (Gesetz vom 25. Juni 2009, BGBl I S. 1534 ) erhalten hat. Hiernach erhalten die leistungsberechtigten Personen eine jährliche Sonderzahlung, soweit dafür Mittel nach § 11 Satz 2 Nr. 1 im Stiftungsvermögen vorhanden sind (§ 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 ContStifG), deren Höhe sich nach der Schwere des Körperschadens und der hierdurch hervorgerufenen Funktionsstörungen richtet. Das Nähere regeln die nach § 13 Abs. 6 ContStifG von dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu erlassenden Richtlinien. In dem streitbefangenen Zeitraum legt die "Tabelle der jährlichen Sonderzahlungen ab 2009" (Anlage 4 der Neufassung der Richtlinien für die Gewährung von Leistungen wegen Contergan-Schadensfällen vom 30. Juni 2009, BAnz vom 3. Juli 2009 S. 2313 ) die Höhe der jährlichen Sonderzahlung fest, und zwar in acht Schädigungsstufen, die nach dem Grad der durch Schädigungspunkte bewerteten Schwere des Körperschadens gestaffelt sind (erste Stufe, für die eine jährliche Sonderzahlung gewährt wird: 10 - 19,99 Schädigungspunkte). Der Kläger erhält den Höchstbetrag der nach der Tabelle vorgesehenen Sonderzahlung in Höhe von 3 680 €, die bei einer mit 80 und mehr Punkten bewerteten Schädigung gezahlt wird. Er macht auch nicht geltend, dass ihm nach ausdrücklichen Regelungen des Stiftungsgesetzes oder der Richtlinien weitergehende Leistungen zustünden.

64

1.2 Der Kläger hat aus dem Stiftungszweck oder allgemeinen Grundsätzen des Stiftungsrechts keinen Anspruch auf eine jährliche Sonderzahlung, die über die ihm nach § 13 Abs. 1, 2 und 6 ContStifG i.V.m. Anlage 4 der Richtlinien gewährten Leistungen hinausgeht. Diese Bestimmungen konkretisieren den Leistungsumfang ohne Rechtsverstoß gegen das Stiftungsrecht.

65

1.2.1 Der Stiftungszweck des § 2 Abs. 1 Nr. 1 ContStifG, durch Contergan Geschädigten Leistungen zu erbringen, wird auch für die jährliche Sonderzahlung durch die weiteren Regelungen des Gesetzes, insbesondere zum Stiftungsvermögen (§ 4 Abs. 1 ContStifG) und dessen Verwendung (§ 11 Satz 2 Nr. 1 ContStifG), zu Art und Umfang der Leistungen (§ 13 Abs. 1 und 2 ContStifG) und die Ermächtigung zu deren Konkretisierung durch die Leistungsrichtlinien (§ 13 Abs. 6 ContStifG) durch den Gesetzgeber konkretisiert. Diese Bestimmungen begrenzen wegen des Vorrangs des Gesetzes den Rückgriff auf allgemeine, übergreifende Grundsätze des Stiftungsrechts und schließen es auch aus, Art oder Umfang der Leistungsgewährung unmittelbar aus dem Stiftungszweck herzuleiten. Nicht zu vertiefen ist dabei, inwieweit dies bei Stiftungen des privaten Rechts möglich wäre. Die Beklagte jedenfalls ist eine Stiftung öffentlichen Rechts, bei der der Gesetzgeber befugt ist, den Stiftungszweck festzulegen und die Mittel und Wege seiner Verwirklichung zu konkretisieren. Für einen übergreifenden, auch den Gesetzgeber selbst bindenden Stiftungszweck, nach dem nicht nur die gesetzlich vorgesehenen, sondern kraft allgemeinen Stiftungsrechts gesetzesunabhängig alle für eine wirksame und dauerhafte Hilfe aus Sicht einzelner Betroffener erforderlichen Leistungen zu erbringen sind, ist bereits deswegen kein Raum; dafür gibt auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Stiftungsgesetz 1974 (BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1976 - 1 BvL 19/75 u.a. - BVerfGE 42, 263) keinen Anhalt.

66

1.2.2. Mit Stiftungsrecht vereinbar ist auch die Ermächtigung an das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, auf der Grundlage der zur Verfügung stehenden Mittel die Maßstäbe zur Bemessung der Leistungen festzulegen (§ 13 Abs. 6 Satz 2 ContStifG). Das umfangreiche Vorbringen des Klägers zu der aus seiner Sicht unzureichenden Autonomie der Stiftung sowie einer Vermischung von Steuerungs- und Aufsichtsfunktionen geht daran vorbei, dass diese vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1976 a.a.O.) nicht beanstandete Richtlinienbefugnis vom Gesetzgeber selbst eingeräumt worden ist, dem bei der Ausgestaltung einer öffentlich-rechtlichen Stiftung ein weiter Spielraum zuzubilligen ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1959 - 2 BvF 1/58 - BVerfGE 10, 20 <45 ff., 49 ff.>). Für einen Missbrauch der Stiftungsform durch den Gesetzgeber ist hier nichts ersichtlich. Die Festlegung der genauen Höhe der Leistungen obliegt nach § 13 Abs. 6 ContStifG einem demokratisch unmittelbar verantwortlichen Ministerium. Die Stiftungen zukommende Autonomie ist aber bei Stiftungen des öffentlichen Rechts, die - wie hier die Beklagte - für die Leistungen in nicht unerheblichem Umfang auch Steuermittel verwenden, in Ausgleich zu bringen mit der demokratischen Kontrolle und Steuerung durch parlamentarisch verantwortliche Instanzen. Die Ermächtigung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ist hierfür ein jedenfalls rechtlich zulässiges Mittel.

67

1.2.3 Die Festlegung der gestaffelten Leistungshöhe durch die Richtlinien, deren genaue Rechtsnatur hier nicht abschließend zu bestimmen ist, verstößt auch nicht gegen den sozialrechtlichen Gesetzesvorbehalt. Ungeachtet der Bedeutung, welche die Stiftungsleistungen insgesamt, aber auch die jährliche Sonderzahlung für die betroffenen Geschädigten haben, handelt es sich jedenfalls nicht um Leistungen zur Sicherung des Grundrechts auf ein menschenwürdiges Existenzminimum, die durch den Gesetzgeber selbst in einem transparenten, rationalen Verfahren auf der Grundlage nachvollziehbarer Bedarfsermittlungen festzulegen sind (BVerfG, Urteile vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - BVerfGE 125, 175 und vom 18. Juli 2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134; s.a. oben Rn. 33 ff.). Überdies hat der Gesetzgeber für die jährliche Sonderzahlung das zur Verfügung stehende Gesamtvolumen (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 und 3 i.V.m. § 11 Satz 2 Nr. 1 ContStifG) und den Verteilungsschlüssel (§ 13 Abs. 2 Satz 1 ContStifG) (Schwere des Körperschadens und dadurch hervorgerufene Körperfunktionsstörungen) hinreichend bestimmt festgelegt und so die dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend verliehene Konkretisierungsbefugnis hinreichend bestimmt.

68

1.2.4 Die in der Tabelle zur jährlichen Sonderzahlung (Anlage 4 der Richtlinie) vorgenommene Staffelung der Leistung füllt den vom Gesetz gezogenen Rahmen in zumindest vertretbarer Weise aus. Nicht zu prüfen ist, ob dies die gerechteste und zweckmäßigste Lösung ist oder auch eine andere, aus Sicht des Klägers möglicherweise vorzugswürdigere Ausgestaltung rechtlich nicht zu beanstanden gewesen wäre. Der Richtliniengeber hat sich für die Leistungsbemessung ersichtlich an der Begründung des Entwurfes für ein Zweites Gesetz zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes (BTDrucks 16/12413 S. 11) orientiert, nach dem sich die Höhe der Sonderzahlungen im Einzelfall ergibt aus dem zur Verfügung stehenden Betrag von insgesamt 100 Mio. €, aus den künftig hieraus erwirtschafteten Erträgen, aus der Anzahl der leistungsberechtigten Personen, der Laufzeit der Sonderzahlungen von 25 Jahren sowie einer Punktetabelle, die sich an der Punktetabelle für Kapitalentschädigung orientiert und durch die im Vergleich zur Conterganrente stärkere Differenzierung eine gerechtere Verteilung anstrebt. Diese Faktoren berücksichtigen vertretbar auch die gesetzlichen Verteilungsvorgaben.

69

1.2.5 Die in der Richtlinie für den Kläger festgelegte Höhe der jährlichen Sonderzahlung verstößt auch weder gegen den allgemeinen Gleichheitssatz noch das Gebot des § 13 Abs. 2 Satz 1 ContStifG, die Leistung an der Schwere des Körperschadens und der hierdurch hervorgerufenen Körperfunktionsstörungen auszurichten.

70

Der Richtliniengeber hat bei der jährlichen Sonderzahlung deutlich stärker differenziert als bei der Conterganrente und insbesondere die dort vom Kläger beanstandete Gleichstellung aller Geschädigten, deren Schädigung mit mehr als 45 Punkten bewertet worden ist, nicht übernommen. Es ist vom Verwaltungsgericht tatrichterlich nicht festgestellt, nicht erkennbar und vom Kläger auch nicht substantiiert vorgetragen, dass innerhalb der Gruppe der Schwerstgeschädigten, deren Schädigung mit mehr als 80 Punkten bewertet worden ist, in Bezug auf die Bedarfs- und Unterversorgungslagen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht erkennbar waren oder sind, dass zur Wahrung des aus dem Gleichheitssatz folgenden Untermaßverbotes eine weitergehende Differenzierung angezeigt gewesen wäre. Demgegenüber greift auch der Hinweis des Klägers nicht durch, die Mehrleistungen im Vergleich zur Gruppe mit bis zu 80 Schädigungspunkten von 460 € jährlich erlaube bei einer auf den wöchentlichen Pflegebedarf bezogenen Berechnung eine allenfalls geringfügige Verbesserung der Betreuungssituation. Die jährliche Sonderzahlung hat schon wegen der für sie zur Verfügung stehenden begrenzten Mittel allenfalls Ergänzungsfunktion und ist nicht bestimmt oder geeignet (gewesen), etwa bestehende Unterversorgungslagen vollständig auszugleichen.

71

Auch der allgemeine Zweck der jährlichen Sonderzahlung, die besonderen Bedarfe der contergangeschädigten Menschen in Zukunft abzudecken und die Lebenssituation der leistungsberechtigten Personen zu verbessern (BTDrucks 16/12413 S. 1 und 7), gebietet schon deswegen nicht eine weitere "Spreizung" durch die Einführung einer Empfängergruppe im Bereich jenseits von 80 Schädigungspunkten oder eine exponentielle Steigerung der Sonderzahlung, weil bei Erlass des Gesetzes klare, differenzierte Erkenntnisse zu den Bedarfs- und Unterversorgungslagen fehlten und mit Blick auf den bereits eingeleiteten Maßnahmen zur Aufklärung der Lebens- und Versorgungslage der Geschädigten auch kein Ermittlungsdefizit bestand (s.a. oben Rn. 42 f.).

72

2. Die Regelungen des Conterganstiftungsgesetzes zur jährlichen Sonderzahlung sind mit dem Grundgesetz auch insoweit vereinbar, als sie der vom Kläger begehrten Verdoppelung bzw. Erhöhung der Sonderzahlung entgegenstehen.

73

2.1 Das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) gebot keine Verdoppelung der jährlichen Sonderzahlung für die Zeit vom 1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2012; vom Kläger nicht substantiiert angegriffen ist dabei, dass der Gesetzgeber diese besonderen Leistungen erst rückwirkend zum 1. Januar 2009 eingeführt hat.

74

Der Gesetzgeber hat mit der Einführung der jährlichen Sonderzahlung durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes (Gesetz vom 25. Juni 2009, BGBl I S. 1534) im Anschluss an die Verdoppelung der gesetzlichen Mindest- und Höchstwerte für die Conterganrenten zum 1. Juli 2008 durch das Erste Gesetz zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes (Gesetz vom 26. Juni 2008, BGBl I S. 1078) die Lebenssituation der contergangeschädigten Menschen verbessern wollen (BTDrucks 16/12413 S. 1). Unmittelbarer Anstoß für die Einführung der jährlichen Sonderzahlung war dabei die Bereitschaft der Firma Grünenthal GmbH, zu diesem Zweck einen Betrag in Höhe von 50 Mio. € über die Conterganstiftung zur Verfügung zu stellen. Weder dieser Zahlung der Firma Grünenthal GmbH noch der Entscheidung, weitere Mittel in gleicher Höhe aus dem Kapitalstock der Stiftung an die leistungsberechtigten Personen auszuzahlen, um die besonderen Bedarfe der contergangeschädigten Menschen in Zukunft abzudecken, lag indes ein klare, differenzierte und auch nach dem Grad der Schädigung differenzierende Betrachtung dieser besonderen Bedarfslagen oder der Unterversorgungslagen zugrunde, die sich aus rechtlichen Leistungsbegrenzungen oder systematischen Umsetzungsschwierigkeiten bei den anderen sozialen Sicherungssystemen ergeben. Diese Erkenntnisse sind erstmals mit den Ergebnissen der Studie der Universität Heidelberg in einer Weise gewonnen worden, die dem Gesetzgeber nach Art und Umfang eine zielgerichtete und passgenauere Anpassung des Leistungssystems des Conterganstiftungsgesetzes ermöglichte. Bei der bestehenden Erkenntnislage bestand nach den vom Bundesverfassungsgericht für die Anpassung sozialstaatlicher Leistungen entwickelten Grundsätzen (s.o. Rn. 33 ff.) kein Anlass für eine weitere Erhöhung des für die jährliche Sonderzahlung zur Verfügung stehenden Finanzvolumens aus dem Kapitalstock der Stiftung bzw. aus Haushaltsmitteln oder eine Konzentration dieser Mittel auf die besonders schwer geschädigten Personen.

75

2.2 Für die Verfassungskonformität im Übrigen wird auf die Gründe verwiesen, aus denen die gesetzliche Rentenobergrenze mit der Verfassung im Einklang steht (s.o. Rn. 31). Sie gelten für die gesetzliche Ausgestaltung der jährlichen Sonderzahlung zumindest entsprechend. Nicht zu vertiefen ist dabei, ob auch der von der Firma Grünenthal GmbH in die Stiftung eingebrachte, vom Gesetzgeber für die jährliche Sonderzahlung bestimmte Betrag durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Leistungsansprüche ausgelöst hat.

76

C. Dem Kläger steht auch der geltend gemachte Anspruch auf Anpassung der laufenden Rentenleistungen nach Maßgabe der Inflationsrate nicht zu.

77

1. Es ist nicht erkennbar und wird von dem Kläger auch nicht geltend gemacht, dass ihm die Erhöhungen der Conterganrente, die sich aus der zum 1. Juli 2009 in § 13 Abs. 2 Satz 4 ContStifG eingefügten Anpassungsklausel nach Maßgabe der Entwicklung der Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung ergeben hatten, nicht gewährt worden wären. Dagegen spricht durchgreifend die Fassung des Revisionsantrages zu 1.

78

Einem Anspruch auf eine weitergehende Anpassung der Conterganrente (Differenz zwischen einer Rentenerhöhung und der Inflationsrate) und eine formelgebundene Dynamisierung auch für vorangehende Zeiträume fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage. Aus dem vom Kläger herangezogenen Stiftungszweck einer wirksamen und dauerhaften Hilfe kann ein solcher Anspruch für den Kläger schon deswegen nicht folgen, weil er für die Zeit bis zum 30. Juni 2009 einen Verstoß gegen die gesetzlich festgelegte Rentenobergrenze bewirkt hätte und für die Zeit ab dem 1. Juli 2009 die ausdrückliche gesetzliche Anpassungsregelung des § 13 Abs. 2 Satz 4 ContStifG entgegensteht.

79

2. Sowohl das Fehlen einer formelgebundenen Rentenanpassungsregelung (bis 30. Juni 2009) als auch die zum 1. Juli 2009 in das Gesetz eingefügte Erhöhungsregelung des § 13 Abs. 2 Satz 4 ContStifG sind mit dem Grundgesetz vereinbar.

80

Das Bundesverfassungsgericht hat den Einwand fehlender Dynamisierung der Renten ausdrücklich als nicht gerechtfertigt zurückgewiesen (BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1976 - 1 BvL 19/75 u.a. - BVerfGE 42, 263 <311>) und dabei darauf verwiesen, dass die Renten nach dem Stiftungsgesetz nicht in erster Linie Versorgungscharakter hätten, sondern Zusatzleistungen gewährten. Die nachfolgende Wiedergabe von Äußerungen der am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten, dass zu gegebener Zeit geprüft werden müsse, ob die Leistungen noch mit dem Ziel des Stiftungsgesetzes, den Geschädigten eine wirksame und dauerhafte Hilfe zu gewähren, vereinbar seien, und der Gesetzgeber, sobald dies nicht mehr der Fall sei, nicht umhin komme, die Leistungen angemessen zu erhöhen oder die Rente zu dynamisieren, legt weder den Stiftungszweck - gar mit verfassungsgerichtlicher Bindungswirkung - für Gesetzgeber oder Gerichte fest noch enthält sie einen verfassungsrechtlichen Dynamisierungsauftrag. Das Referat dieser Äußerungen enthält vielmehr einen Appell des Bundesverfassungsgerichts, dass sich der Gesetzgeber seiner sozialpolitischen Verantwortung für den betroffenen Personenkreis bewusst sein und entsprechend handeln werde. Art und Umfang bindender verfassungsrechtlicher Pflichten des Gesetzgebers erweitert dies nicht; namentlich folgt hieraus kein Anspruch auf eine bestimmte Berechnung periodischer Rentenerhöhungen oder einen vollständigen, anderen Empfängern von Leistungen nicht gewährten Inflationsausgleich. Jedenfalls seit dem Zeitpunkt, zu dem die laufenden Conterganrenten nach Verbrauch des Stiftungskapitals durch Zuwendungen aus dem Bundeshaushalt finanziert werden, scheidet durch die Nichtdynamisierung auch ein Substanzverlust der im Stiftungsgesetz eingeräumten, eigentumsrechtlich geschützten Ansprüche aus (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2010 - 1 BvR 1541, 2685/09 - NJW 2010, 1943 Rn. 31).

81

D. Soweit die Revision des Klägers zurückgewiesen worden ist, folgt die Kostenentscheidung aus § 154 Abs. 2 VwGO. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt haben, entspricht es billigem Ermessen (§ 161 Abs. 2 VwGO), dem Kläger die Kosten aufzuerlegen, weil er unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes auch insoweit unterlegen gewesen wäre. In Bezug auf die Begehren auf zusätzliche Leistungen (laufende Rentenzahlung; jährliche Sonderzahlung) war im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Dritten Gesetzes zu Änderung des Conterganstiftungsgesetzes (Gesetz vom 26. Juni 2013, BGBl I S. 1847), das zum 1. Januar 2013 substantielle Leistungserhöhungen bewirkt hat, offenkundig der Zeitraum noch nicht abgelaufen, der dem Gesetzgeber für die Auswertung der durch die Studien der Universität Heidelberg gewonnenen Erkenntnisse zu Bedarfs- und Unterversorgungslagen der durch Contergan geschädigten Menschen zuzubilligen ist. In Bezug auf die Gewährung durch künftige Gesetze geregelte Leistungserhöhungen und deren Nichtanrechnung auf anderweitige Sozialleistungen wird auf die zutreffenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts verwiesen.

(1) Den in § 12 genannten leistungsberechtigten Personen stehen als Leistungen zu:

1.
eine einmalige Kapitalentschädigung,
2.
eine lebenslängliche Conterganrente vorbehaltlich des Absatzes 2 Satz 3,
3.
jährliche Leistungen zur Deckung spezifischer Bedarfe und
4.
eine jährliche Sonderzahlung, die erstmals für das Jahr 2009 und letztmalig für das Jahr 2022 gewährt wird.
Die jährlichen Leistungen zur Deckung spezifischer Bedarfe, zur Förderung multidisziplinärer medizinischer Kompetenzzentren und die jährlichen Sonderzahlungen werden nur geleistet, soweit dafür Mittel nach § 11 Satz 2 Nummer 1 und 2 im Stiftungsvermögen vorhanden sind. Als jährliche Sonderzahlung werden im Jahr 2022 die gemäß § 11 Satz 2 Nummer 1 insgesamt für die jährlichen Sonderzahlungen zur Verfügung stehenden Mittel bis einschließlich 30. Juni 2022 an die leistungsberechtigten Personen ausgezahlt.

(2) Die Höhe der in Absatz 1 genannten Leistungen richtet sich nach der Schwere des Körperschadens und der hierdurch hervorgerufenen Körperfunktionsstörungen und liegt

1.
bei der einmaligen Kapitalentschädigung zwischen 1 278 Euro und 12 782 Euro,
2.
bei der monatlichen Conterganrente zwischen 662 Euro und 7 480 Euro,
3.
bei den jährlichen Leistungen zur Deckung spezifischer Bedarfe zwischen 876 Euro und 9 900 Euro. Zusätzlich erhält jede leistungsberechtigte Person einen jährlichen Sockelbetrag von 4 800 Euro.
In leichten Fällen sind die Leistungen auf die Kapitalentschädigung zu beschränken. Die Höhe der Conterganrente wird durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend jeweils entsprechend dem Prozentsatz angepasst, um den sich die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung verändern. Die Anpassung nach Satz 4 erfolgt jeweils zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst werden.

(3) Auf Antrag ist die Conterganrente zu kapitalisieren, soweit der Betrag zum Erwerb oder zur wirtschaftlichen Stärkung eigenen Grundbesitzes zu eigenen Wohnzwecken verwendet wird. Die §§ 72, 73, 74 Abs. 3 Satz 1, §§ 75, 76 und 77 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 3 des Bundesversorgungsgesetzes finden entsprechende Anwendung. § 75 Abs. 1 Satz 2 des Bundesversorgungsgesetzes findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die Veräußerung und Belastung des mit der Kapitalabfindung erworbenen oder wirtschaftlich gestärkten Grundstücks, Erbbaurechts, Wohnungseigentums oder Wohnungserbbaurechts innerhalb der Frist, für die die Conterganrente kapitalisiert wurde, nur mit Genehmigung der Stiftung zulässig sind. Die Kosten der Eintragung einer Verfügungsbeschränkung gemäß § 75 Abs. 1 Satz 2 bis 4 des Bundesversorgungsgesetzes in das Grundbuch trägt die leistungsberechtigte Person. Darüber hinaus ist die Conterganrente auf Antrag zu kapitalisieren, wenn dies im berechtigten wirtschaftlichen Interesse der leistungsberechtigten Person liegt. Im Übrigen kann die Conterganrente auf Antrag teilweise kapitalisiert werden, wenn dies im Interesse der leistungsberechtigten Person liegt. Die Kapitalisierung ist auf die für einen Zeitraum von höchstens zehn Jahren zustehende Conterganrente beschränkt. Der Anspruch auf Conterganrente, an deren Stelle die Kapitalabfindung tritt, erlischt für die Dauer des Zeitraumes, für den die Kapitalabfindung gewährt wird, mit Ablauf des Monats, der auf den Monat der Auszahlung der Abfindung folgt.

(4) Die Zahlungen der Conterganrente beginnen frühestens mit dem Antragsmonat. Wird der Antrag innerhalb von drei Monaten nach dem Inkrafttreten des Errichtungsgesetzes gestellt, so wird die Conterganrente vom Zeitpunkt des Inkrafttretens an gewährt. Die jährlichen Sonderzahlungen beginnen nach Maßgabe des Absatzes 1 Satz 1 mit dem Jahr, in dem der Antrag auf Conterganrente gestellt worden ist. Für die Auszahlung der Mittel für die jährlichen Sonderzahlungen nach Absatz 1 Satz 3 werden Anträge auf Leistungen nach diesem Gesetz oder Anträge auf Erhöhung der Leistungen nach diesem Gesetz berücksichtigt, die bis einschließlich 31. Dezember 2021 gestellt worden sind. Die Zahlung der jährlichen Leistungen zur Deckung spezifischer Bedarfe nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 beginnt ab dem 1. Januar 2017.

(5) Die Ansprüche auf die in Absatz 1 genannten Leistungen können nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden. Vererblich sind lediglich Ansprüche auf Kapitalentschädigung, auf Conterganrente und auf die jährliche Sonderzahlung, die im Zeitpunkt des Todes der leistungsberechtigten Person bereits fällig geworden sind, und zwar nur dann, wenn die Person von ihrem Ehegatten, ihrer Lebenspartnerin oder ihrem Lebenspartner, ihren Kindern oder ihren Eltern beerbt wird.

(6) Das Nähere regeln die Satzung und die Richtlinien. Die Satzung trifft insbesondere Bestimmungen über die Voraussetzungen und den Umfang der Kapitalisierung der Conterganrente nach Absatz 3 Satz 5 und 6 sowie über die Art der Berechnung des Kapitalbetrages. In den Richtlinien ist insbesondere zu regeln, nach welchen Maßstäben auf der Grundlage der zur Verfügung stehenden Mittel Leistungen nach diesem Abschnitt zu bemessen sind und wie das Verfahren zur Gewährung von Leistungen zur Deckung spezifischer Bedarfe auszugestalten ist; diese Richtlinien erlässt das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

(7) An Erhöhungen der Conterganrente nehmen auch leistungsberechtigte Personen teil, deren Conterganrente nach Absatz 3 kapitalisiert worden ist.

(8) Für die Rückforderung zu Unrecht erbrachter Leistungen gelten die Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes entsprechend. § 118 Abs. 3 und 4 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch ist entsprechend anwendbar.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 23. Mai 2013  14 K 2164/11 Kg aufgehoben.

Die Sache wird an das Finanzgericht Düsseldorf zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Die im Jahr 1989 geborene Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist mit einem Grad der Behinderung von 100 schwerbehindert (Merkzeichen Bl, H, G und B). Sie ist Mutter von drei Kindern, die im Februar 2010, Februar 2011 und Oktober 2012 geboren sind. Sie bezog Blindengeld, Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) sowie Elterngeld nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz in der für die Jahre 2010 und 2011 geltenden Fassung (BEEG). Letzteres belief sich zunächst auf 300 € und nach der Geburt des zweiten Kindes auf 375 €. Der Beigeladene, der Vater der Klägerin, beantragte für diese Kindergeld. Die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) lehnte den Antrag mit Bescheid vom 16. November 2010 ab, weil die Behinderung der Klägerin nicht ursächlich dafür sei, dass sie sich nicht selbst unterhalten könne. Einen Abdruck des Ablehnungsbescheides übersandte die Familienkasse der Klägerin. Diese legte gegen den Bescheid Einspruch ein. Sie war der Ansicht, sie sei wegen ihrer Sehbehinderung nicht dazu in der Lage, sich selbst zu unterhalten.

2

Der Rechtsbehelf hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 23. Mai 2011), ebenso wenig die Klage, durch welche die Familienkasse verpflichtet werden sollte, Kindergeld ab Mai 2010 festzusetzen (Urteil des Finanzgerichts --FG-- Düsseldorf vom 23. Mai 2013  14 K 2164/11 Kg, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2013, 1243). Das FG war der Ansicht, die Klägerin sei als Abzweigungsberechtigte zugunsten des Beigeladenen einspruchs- und klagebefugt. Sie sei zwar nicht imstande, sich selbst zu unterhalten, jedoch sei die Behinderung hierfür nicht ursächlich. Das Blindengeld von jährlich 7.307,52 € decke den behinderungsbedingten Mehrbedarf in vollem Umfang ab; einen darüber hinausgehenden Mehrbedarf habe die Klägerin nicht nachgewiesen. Die Leistungen nach dem SGB II, welche die Klägerin bezogen habe und die sich zwischen monatlich 310,52 € und 534,60 € bewegt hätten, lägen unter dem Grundbedarf von monatlich 667 €. Das Elterngeld von 300 € bzw. 375 € sei nicht bei den Bezügen zu berücksichtigen. Somit sei die Klägerin nicht dazu imstande, sich selbst zu unterhalten. Ihre Behinderung sei hierfür jedoch nicht ursächlich. Das FG stützte seine Auffassung auf ein von ihm eingeholtes Sachverständigengutachten. Es war der Ansicht, wegen der gutachterlich festgestellten Möglichkeit einer vollschichtigen Berufstätigkeit sei die Annahme ausgeschlossen, die Behinderung sei eine erhebliche Ursache für die fehlende Möglichkeit zum Selbstunterhalt.

3

Zur Begründung der Revision verweist die Klägerin auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 31. August 2006 III R 71/05 (BFHE 214, 544, BStBl II 2010, 1054), in dem Kindergeld für ein blindes Kind zugesprochen worden sei. Im Urteil vom 19. November 2008 III R 105/07 (BFHE 223, 365, BStBl II 2010, 1057) habe der BFH bei einem Grad der Behinderung von 100 mit dem Merkzeichen H von einer Kausalitätsregel gesprochen und außerdem entschieden, dass eine gutachterlich bestätigte Möglichkeit, eine vollschichtige Tätigkeit auszuüben, allein nicht geeignet sei, die Ursächlichkeit der Behinderung auszuschließen.

4

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil, den Ablehnungsbescheid vom 16. November 2010 sowie die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 23. Mai 2011 aufzuheben und die Familienkasse zu verpflichten, gegenüber dem Beigeladenen Kindergeld ab Mai 2010 in gesetzlicher Höhe festzusetzen.

5

Die Familienkasse beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

6

Der Beigeladene hat sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.

7

Der Beigeladene hat nicht auf mündliche Verhandlung verzichtet. Dem Senat erscheint es sachgerecht, durch Gerichtsbescheid zu erkennen (§ 90a Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Streitsache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).

9

1. Die Klägerin ist befugt, in eigenem Namen im Klagewege die Festsetzung von Kindergeld zugunsten des Beigeladenen zu betreiben.

10

Nach § 67 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für die Jahre 2010 und 2011 geltenden Fassung kann außer dem Berechtigten auch derjenige einen Antrag auf Kindergeld stellen, der ein berechtigtes Interesse an der Leistung des Kindergeldes hat. Das kann gemäß § 74 Abs. 1 Satz 1 und 3 EStG auch ein Kind sein, wenn der Kindergeldberechtigte dem Kind gegenüber mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltsverpflichtet ist (Senatsurteil vom 26. November 2009 III R 67/07, BFHE 228, 42, BStBl II 2010, 476). Diese Voraussetzungen hat das FG bejaht. Aus der Antragsbefugnis der Klägerin folgt zugleich die Klagebefugnis in einem finanzgerichtlichen Verfahren, in dem die Rechtmäßigkeit eines Kindergeld-Ablehnungsbescheides streitig ist (Senatsbeschluss vom 30. Oktober 2008 III R 105/07, BFH/NV 2009, 193).

11

2. Das FG hat zu Unrecht die Leistungen nach dem BEEG, welche die Klägerin für die Betreuung und Erziehung von zunächst einem und später von zwei Kindern erhalten hat, bei der Prüfung einer (Un-)Fähigkeit zum Selbstunterhalt außer Betracht gelassen. Darüber hinaus hat es rechtsfehlerhaft aus dem Umstand, dass in einem Gutachten eine vollschichtige Tätigkeit der Klägerin für möglich gehalten wird, den Schluss gezogen, die Behinderung der Klägerin sei nicht ursächlich für deren mangelnde Fähigkeit, sich selbst zu unterhalten.

12

3. Nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG wird Kindergeld für ein Kind gewährt, das wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, sofern die Behinderung --wie im Streitfall-- vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.

13

a) Ein Kind ist außerstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten kann. Der gesamte Lebensbedarf eines behinderten Kindes setzt sich aus dem Grundbedarf und dem individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf zusammen (BFH-Urteil vom 15. Oktober 1999 VI R 183/97, BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72). Der Grundbedarf orientiert sich in den Jahren 2010 und 2011 am Jahresgrenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG von 8.004 € (vgl. BFH-Urteil vom 14. Dezember 2004 VIII R 59/02, BFH/NV 2005, 1090), welcher der Höhe nach dem Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG entspricht. Er beläuft sich monatlich auf 667 €. Die Prüfung des Imstandeseins zum Selbstunterhalt ist für jeden einzelnen Monat durchzuführen (BFH-Urteil vom 4. November 2003 VIII R 43/02, BFHE 204, 120, BStBl II 2010, 1046; Senatsurteil vom 11. April 2013 III R 35/11, BFHE 241, 499, BStBl II 2013, 1037). Erreichen die Einkünfte und Bezüge des Kindes die Summe aus Grundbedarf und behinderungsbedingtem Mehrbedarf, so kann das Kind sich selbst unterhalten.

14

b) Das FG hat im Streitfall zutreffend angenommen, dass das Blindengeld von monatlich 608,96 € den durch die Blindheit verursachten Mehrbedarf der Klägerin auch insoweit abdeckt, als es den anteiligen Pauschbetrag nach § 33b Abs. 3 Satz 3 EStG von monatlich 308,33 € übersteigt. Denn nach dem Senatsurteil in BFHE 214, 544, BStBl II 2010, 1054, an dem der Senat festhält, ist zu vermuten, dass in Höhe des tatsächlich ausgezahlten Blindengeldes ein behinderungsbedingter Mehraufwand besteht. Weiterer behinderungsbedingter Mehrbedarf ist nach den Feststellungen des FG nicht anzusetzen.

15

c) Zu den Bezügen, mit deren Hilfe die Klägerin ihren existenziellen Grundbedarf abdecken kann, gehören auch die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und für die Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II (vgl. BFH-Urteile vom 26. November 2003 VIII R 32/02, BFHE 204, 454, BStBl II 2004, 588, zu Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz, und vom 20. März 2013 XI R 51/10, BFH/NV 2013, 1088, zur Grundsicherung nach §§ 41 ff. des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch; Senatsurteil vom 8. August 2013 III R 30/12, BFH/NV 2014, 498). Aus den in den Akten enthaltenen Bewilligungsbescheiden, auf die sich das FG in den Entscheidungsgründen seines Urteils bezogen hat, geht hervor, dass sich diese Leistungen im streitigen Zeitraum (Mai 2010 bis Mai 2011) auf mindestens 310,52 € (April 2011) und höchstens 534,60 € beliefen (Monate November und Dezember 2010).

16

d) Entgegen der Rechtsauffassung des FG zählt auch das Elterngeld zu den Bezügen der Klägerin und ist daher bei der Prüfung der (Un-)Fähigkeit zum Selbstunterhalt einzubeziehen.

17

aa) Das FG war der Ansicht, nur Elterngeld, das den Betrag von 300 € überschreitet, führe zu anzusetzenden Bezügen. Es bezog sich hierzu auf die zur Einkünfte- und Bezügegrenze des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ergangene Verwaltungsanweisung nach Abschn. 63.4.2.3.1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes (DA-FamEStG 2009, BStBl I 2009, 1033).

18

bb) Als Grund für diese Verwaltungsreglung kommt § 10 Abs. 1 BEEG in Betracht, der bestimmt, dass das Elterngeld bei Sozialleistungen, deren Zahlung von anderen Einkommen abhängig ist, bis zu einer Höhe von insgesamt 300 € im Monat unberücksichtigt bleibt. Die Vorschrift ist bei der Prüfung der (Un-) Fähigkeit zum Selbstunterhalt eines Kindes, für das Kindergeld nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG begehrt wird, jedoch schon deshalb nicht anwendbar, weil der Anspruch auf Kindergeld originär dem Kindergeldberechtigten --in der Regel einem Elternteil-- zusteht und nicht dem Kind, das wegen eines eigenen Kindes Elterngeld bezieht.

19

cc) In den neueren Verwaltungsanweisungen wird das Elterngeld in vollem Umfang in die Ermittlung der Bezüge eines behinderten Kindes einbezogen (s. zuletzt Kap. A 18.5.2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem EStG, Stand 2014, BStBl I 2014, 918; zuvor Abschn. 63.3.6.4 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Abschn. 31.2.4.2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 DA-FamEStG, Stand 2012, BStBl I 2012, 739).

20

4. Die Sache ist nicht spruchreif.

21

a) Aus den Feststellungen des FG geht zwar hervor, dass die Klägerin Elterngeld bezogen hat, nicht aber, ob dieses in allen Monaten des Streitzeitzeitraums bei ihren Bezügen zu berücksichtigen ist. Aus den Bescheiden über die Festsetzung von Leistungen nach dem SGB II ist zu ersehen, dass das Elterngeld in einzelnen Zeiträumen des Jahres 2011, in dem es nach § 10 Abs. 5 BEEG auf die Leistungen nach dem SGB II anzurechnen war, als Einkommen angesetzt worden ist und in anderen nicht. Dies könnte darauf hindeuten, dass das Elterngeld der Klägerin nicht laufend zugeflossen ist. Das FG wird im zweiten Rechtsgang die entsprechenden Feststellungen nachzuholen haben.

22

b) Auch hinsichtlich des Monats Januar 2011 besteht keine Spruchreife. Zwar liegt in diesem Monat die Summe aus den Leistungen nach dem SGB II (334,62 €) und nach dem BEEG (300 €) unter dem Grundbedarf von 667 €. In diesem Monat war die Klägerin nicht dazu imstande, sich selbst zu unterhalten. Dennoch ist die Streitsache auch insoweit nicht entscheidungsreif, da die Frage, ob die Behinderung der Klägerin ursächlich für die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt ist, nicht geklärt ist. Nach der Senatsrechtsprechung genügt die von einem Gutachter bestätigte Möglichkeit, eine vollschichtige Tätigkeit auszuüben, allein noch nicht, um die Ursächlichkeit auszuschließen (Senatsurteil in BFHE 223, 365, BStBl II 2010, 1057). In Widerspruch hierzu hat das FG gemeint, wegen der gutachterlich festgestellten Möglichkeit einer vollschichtigen Berufstätigkeit sei die Annahme ausgeschlossen, die Behinderung sei eine erhebliche Ursache für die fehlende Möglichkeit zum Selbstunterhalt. Die vom FG in Betracht gezogene Beschäftigung der Klägerin als Telefonistin ist aus der Sicht des Senats eher von theoretischer Natur.

23

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

Werden für Aufwendungen infolge eines Körper- oder Gesundheitsschadens Sozialleistungen in Anspruch genommen, wird bei der Feststellung eines Unterhaltsanspruchs vermutet, dass die Kosten der Aufwendungen nicht geringer sind als die Höhe dieser Sozialleistungen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 164/14
vom
16. Juli 2014
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Versorgungsausgleich zugunsten eines contergangeschädigten Ehegatten
kann nicht nach § 27 VersAusglG mit der Begründung ausgeschlossen werden,
dass der Ausgleichsberechtigte wegen seiner Conterganrente auf die Durchführung
des Versorgungsausgleichs nicht angewiesen sei.
BGH, Beschluss vom 16. Juli 2014 - XII ZB 164/14 - OLG Bamberg
AG Schweinfurt
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Juli 2014 durch den
Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Schilling, Dr. Günter, Dr. NeddenBoeger
und Dr. Botur

beschlossen:
Der Antrag der Antragstellerin auf Verfahrenskostenhilfe wird abgelehnt , weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

Gründe:

I.

1
Die beteiligten Eheleute streiten im Scheidungsverbund um Versorgungsausgleich.
2
Der 1961 geborene Ehemann war in der Ehezeit als Garten- und Landschaftsbauarchitekt selbständig; sein Unternehmen ist mittlerweile insolvent. Zuvor hatte er im Rahmen eines erfolglosen Sanierungsversuchs seine private Altersvorsorge aufgelöst und in das Unternehmen eingebracht. Sonstige Versorgungsanrechte hat der Ehemann in der Ehezeit nicht erworben. Der Ehemann ist Contergangeschädigter und bezieht eine steuer- und sozialabgabenfreie Conterganrente von der Beteiligten zu 3 (Contergan-Stiftung), deren Höhe zunächst monatlich 1.116 € betrug und die im Zuge einer erheblichen Anhebung des Rentenniveaus im Jahre 2013 auf mittlerweile monatlich 3.686 € (zuzüglich einer jährlichen Sonderzahlung in Höhe von 1.840 €) erhöht wurde. Ausgezahlt wird dem Ehemann bis Ende Januar 2016 lediglich ein um monat- lich 523,56 € gekürzter Betrag, weil er sich diesen Teilbetrag seiner Rente Anfang der 2000er Jahre kapitalisieren ließ.
3
Die 1966 geborene Ehefrau ist Krankenschwester. Sie ist schwerbehindert und bezieht neben Erwerbseinkünften aus einer Teilzeitbeschäftigung (15 Wochenstunden) eine gesetzliche Rente wegen voller Erwerbsminderung. Sie hat in der Ehezeit Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Anrechte in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes erworben.
4
Das Amtsgericht hat den Versorgungsausgleich nach § 27 VersAusglG ausgeschlossen, weil die Ehefrau auf ihre Versorgungsanrechte dringend angewiesen sei und sich die Versorgungssituation des Ehemannes in Ansehung seiner Conterganrente nicht wesentlich verbessern würde. Auf die Beschwerde des Ehemannes hat das Beschwerdegericht die Entscheidung abgeändert und den Versorgungsausgleich durch interne Teilung der Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung und der Zusatzversorgung zu Lasten der Ehefrau durchgeführt.
5
Die Ehefrau begehrt Verfahrenskostenhilfe für die Durchführung der zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

6
Die für die Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens beantragte Verfahrenskostenhilfe ist nicht zu bewilligen, weil die Rechtsverfolgung der Antragsgegnerin keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 76 Abs. 1 FamFG iVm § 114 ZPO) verspricht.
7
1. Unbeschadet der für den Senat bindenden Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Beschwerdegericht stellen sich im vorliegenden Fall keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung (§ 70 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 FamFG). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Sache, wenn sie eine entscheidungserhebliche , klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann (Senatsbeschluss vom 24. April 2013 - XII ZR 159/12 - FamRZ 2013, 1199 Rn. 4 mwN). Klärungsbedürftig sind solche Rechtsfragen, deren Beantwortung zweifelhaft oder schwierig ist oder zu denen unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und die noch nicht oder nicht hinreichend höchstrichterlich geklärt sind (vgl. BVerfG FamRZ 2010, 1235, 1236).
8
So liegt der Fall hier nicht.
9
a) Die Conterganrente gehört - was nicht in Zweifel gezogen wird - nicht zu den gemäß § 2 Abs. 2 VersAusglG in den Versorgungsausgleich einzubeziehenden Anrechten, weil sie aus Entschädigungsgründen gezahlt wird und weder durch Arbeit noch durch Vermögen erworben worden ist. Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde deswegen auch lediglich wegen der Frage zugelassen, ob der Bezug einer Conterganrente im Rahmen des § 27 VersAusglG bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Ausgleichsberechtigten berücksichtigt werden dürfe.
10
b) Dieser Rechtsfrage kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil sie nach dem geltenden Recht eindeutig zu beantworten ist.
11
aa) Gemäß § 18 Abs. 1 ContStifG bleiben Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz bei der Ermittlung oder Anrechnung von Einkommen, sonstigen Einnahmen und Vermögen nach anderen Gesetzen, insbesondere dem Zweiten, Dritten, Fünften und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch und dem Bürger- lichen Gesetzbuch, außer Betracht. Die Aufzählung dieser Gesetze ist - wie die Formulierung "insbesondere" verdeutlicht - nicht abschließend (vgl. BT-Drucks. 15/5654, S. 13) und schließt deshalb das Versorgungsausgleichsgesetz nicht aus. § 18 Abs. 2 Satz 1 ContStifG bestimmt darüber hinaus, dass Verpflichtungen Anderer, insbesondere Unterhaltspflichtiger und der Träger der Sozialhilfe oder anderer Sozialleistungen, durch das Conterganstiftungsgesetz nicht berührt werden. Im Versorgungsausgleich würde die Ausgleichspflicht des Ehegatten mit den höheren Versorgungsanrechten jedoch durchaus berührt, wenn man (auch) die dem ausgleichsberechtigten Ehegatten gewährten Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz zum Anlass nehmen würde, den auf § 1 Abs. 1 VersAusglG beruhenden Anspruch des Contergangeschädigten auf Halbteilung der in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte nach § 27 VersAusglG herabzusetzen oder auszuschließen. Zwingende gesetzessystematische Gründe, welche die Schlussfolgerung nahelegen könnten, dass § 18 ContStifG der Berücksichtigung von Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz zumindest bei der Anwendung von Härte- oder Billigkeitsregelungen des bürgerlichen Rechts nicht entgegenstünde, bestehen nicht. Hätte der Gesetzgeber dies gewollt, hätte er es - wie beispielsweise in § 11 Satz 4 BEEG und der dort enthaltenen Bezugnahme auf §§ 1579, 1611 Abs. 1 BGB - ausdrücklich anordnen können.
12
bb) Im Übrigen gehört die Conterganrente nach allgemeiner Auffassung (Palandt/Brudermüller BGB 73. Aufl. § 1610 a Rn. 3; MünchKommBGB/Born 6. Aufl. § 1610 a Rn. 10; Soergel/Seibl BGB 13. Aufl. § 1610 a Rn. 5; Erman/ Hammermann BGB 13. Aufl. § 1610 a Rn. 6; Botur in Büte/Poppen/Menne Unterhaltsrecht 2. Aufl. § 1610 a BGB Rn. 5; NK-BGB/Kath-Zurhorst/Reuter 3. Aufl. § 1610 a Rn. 4; Heiß/Heiß in Heiß/Born Unterhaltsrecht [Bearbeitungsstand : 2014] 3. Kap. Rn. 111; Breuer/Louis MedR 2007, 223, 226; vgl. auch BT-Drucks. 15/5654, S. 13) zu den Sozialleistungen, die für Aufwendungen in- folge eines Körper- oder Gesundheitsschadens gewährt werden und bei denen gemäß § 1610 a BGB bei der Feststellung eines Unterhaltsanspruches vermutet wird, dass die Kosten der Aufwendungen nicht geringer sind als die Höhe dieser Sozialleistungen. Auch wenn die Vorschriften des Versorgungsausgleichsrechts keine unmittelbare Verweisung auf § 1610 a BGB enthalten, werden die Grundsätze des § 1610 a BGB auch im Rahmen des § 27 VersAusglG bei der Beurteilung der Frage zu berücksichtigen sein, ob der Unterhalt des ausgleichsberechtigten Ehegatten durch anderweitige Einkünfte gedeckt ist (vgl. auch OLG Düsseldorf FamRZ 1995, 1277, 1278). Denn wenn und soweit eine dem Ausgleichsberechtigten aus Entschädigungsgründen gezahlte Sozialleistung lediglich schadensbedingten Mehraufwand abdecken soll, bezweckt sie keine soziale Absicherung für Alter oder Invalidität und kann daher auch keinen Ausschluss des Versorgungsausgleichs rechtfertigen (vgl. bereits Staudinger/ Rehme BGB [2000] § 1587 c Rn. 22; Soergel/Lipp BGB 13. Aufl. § 1587 c Rn. 13).
13
Zwar stellt § 1610 a BGB lediglich eine widerlegbare gesetzliche Vermutung auf, so dass die ausgleichspflichtige Person den Gegenbeweis dafür führen könnte, dass die ausgleichsberechtigte Person, die eine Conterganrente bezieht, in voller Höhe ihrer Rente tatsächlich keinen durch Körper- und Gesundheitsschaden bedingten Mehrbedarf hat. Gerade diesen Gegenbeweis wollte der Gesetzgeber aber durch die Fassung des § 18 ContStifG ausschließen; es sollte ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfes klargestellt werden, dass die Leistungen nach dem neuen Conterganstiftungsgesetz "als echte Zusatzleistungen" erhalten bleiben (BT-Drucks. 15/5654, S. 13). Nach diesen Intentionen des Gesetzgebers ist es - trotz der mittlerweile nicht unerheblichen Höhe der Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz - nicht möglich, von der Durchführung des Versorgungsausgleichs mit der Begründung abzusehen, die ausgleichsberechtigte Person sei bereits mit ihrer Conterganrente ausreichend versorgt.
14
2. Ergeben sich somit keine Rechtsfragen, die einer Klärung durch höchstrichterliche Entscheidung bedürften, kommt es für die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe in der Rechtsbeschwerdeinstanz allein auf die Erfolgsaussichten in der Sache an (Senatsbeschlüsse vom 24. April 2013 - XII ZR 159/12 - FamRZ 2013, 1199 Rn. 9 und vom 16. Oktober 2013 - XII ZB 176/12 - FamRZ 2014, 105 Rn. 36). Diese bestehen nicht.
Dose Schilling Günter Nedden-Boeger Botur
Vorinstanzen:
AG Schweinfurt, Entscheidung vom 07.06.2013 - 3 F 369/12 -
OLG Bamberg, Entscheidung vom 24.02.2014 - 7 UF 188/13 -

(1)1Das für ein Kind festgesetzte Kindergeld nach § 66 Absatz 1 kann an das Kind ausgezahlt werden, wenn der Kindergeldberechtigte ihm gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt.2Kindergeld kann an Kinder, die bei der Festsetzung des Kindergeldes berücksichtigt werden, bis zur Höhe des Betrags, der sich bei entsprechender Anwendung des § 76 ergibt, ausgezahlt werden.3Dies gilt auch, wenn der Kindergeldberechtigte mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist oder nur Unterhalt in Höhe eines Betrags zu leisten braucht, der geringer ist als das für die Auszahlung in Betracht kommende Kindergeld.4Die Auszahlung kann auch an die Person oder Stelle erfolgen, die dem Kind Unterhalt gewährt.

(2) Für Erstattungsansprüche der Träger von Sozialleistungen gegen die Familienkasse gelten die §§ 102 bis 109 und 111 bis 113 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend.

Gründe

Finanzgericht München

Az.: 7 K 2184/13

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

Stichwort: Abzweigung Kindergeld

In der Streitsache

wegen Kindergeld

hat der 7. Senat des Finanzgerichts München durch ... aufgrund der mündlichen Verhandlung

vom 29. Juni 2015

für Recht erkannt:

1. Unter Aufhebung des Bescheids vom 23. Oktober 2012 und der Einspruchsentscheidung vom 12. Juli 2013 wird die Familienkasse verpflichtet, das Kindergeld für A ab Oktober 2012 an die Gemeinde B auszuzahlen.

2. Die Familienkasse trägt die Kosten des Verfahrens. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Rechtsmittelbelehrung

Die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil kann durch Beschwerde angefochten werden.

Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Abschrift oder Ausfertigung des angefochtenen Urteils beigefügt werden. Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen.

Rechtsmittel können auch über den elektronischen Gerichtsbriefkasten des Bundesfinanzhofs eingelegt und begründet werden, der über die vom Bundesfinanzhof zur Verfügung gestellte Zugangs- und Übertragungssoftware erreichbar ist. Die Software kann über die Internetseite „www.bundesfinanzhof.de“ lizenzkostenfrei heruntergeladen werden. Hier befinden sich auch weitere Informationen über die Einzelheiten des Verfahrens, das nach der Verordnung der Bundesregierung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof vom 26. November 2004 (BGBl. I S. 3091) einzuhalten ist.

Vor dem Bundesfinanzhof müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesfinanzhof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer zugelassen; zur Vertretung berechtigt sind auch Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie Partnerschaftsgesellschaften, deren Partner ausschließlich Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer sind. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe des vorhergehenden Satzes zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Der Bundesfinanzhof hat die Postanschrift: Postfach 86 02 40, 81629 München, und die Hausanschrift: Ismaninger Str. 109, 81675 München, sowie den Telefax-Anschluss: 089 /

92 31-201.

Lässt der Bundesfinanzhof aufgrund der Beschwerde die Revision zu, so wird das Verfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses des Bundesfinanzhofs über die Zulassung der Revision ist jedoch bei dem Bundesfinanzhof eine Begründung der Revision einzureichen. Die Beteiligten müssen sich auch im Revisionsverfahren nach Maßgabe des vierten Absatzes dieser Belehrung vertreten lassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Abzweigung von Kindergeld.

A, geboren am 27. November 1989, ist aufgrund einer angeborenen geistigen Behinderung dauerhaft voll erwerbsgemindert i. S. d. § 43 Abs. 2 SGB VI (GdB 70 B G, Bl. 75 ff und Bl. 87 ff FK-Akte) und bezieht seit dem 1. Oktober 2009 Grundsicherungsleistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII durch die Klägerin. Die Kosten seiner Unterkunft übernimmt die Klägerin entsprechend seinem Wohnanteil zu einem Drittel. A lebt bei seiner Großmutter, der Beigeladenen, die ihrerseits SGB II - Leistungen durch das Jobcenter erhält und Kindergeldberechtigte ist. Die Mutter von A ist nicht in der Lage, ihrem Sohn Unterhalt zu gewähren, der Aufenthalt des Vaters ist unbekannt.

Die Beigeladene erklärte mit Schreiben vom 20. Januar 2011 gegenüber der Familienkasse, dass sie das Kindergeld für ihren Enkel verwalte und für ihn ausgebe. Sie kaufe Kleidung, Schuhe und bezahle für Sport und sonstige Freizeitgestaltung.

Am 2. Oktober 2012 beantragte die Klägerin die Abzweigung des Kindergelds gemäß § 74 Abs. 1 Satz 4 Einkommensteuergesetz (EStG), da die Beigeladene das Kindergeld nicht an ihren Enkel weiterleite, so dass eine Anrechnung des Kindergelds als Einkommen des A nicht möglich sei. Mit Bescheid der Familienkasse vom 23. Oktober 2012 wurde der Antrag abgelehnt. Der dagegen gerichtete Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 12. Juli 2013 als unbegründet zurückgewiesen.

Mit der hiergegen eingelegten Klage macht die Klägerin weiterhin geltend, dass die Voraussetzungen für eine Überleitung nach § 74 Abs. 1 Satz 4 EStG vorlägen. Die Beigeladene sei ihrem Enkel gemäß § 1607 Abs. 1 i. V. m. § 1601 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zum Unterhalt verpflichtet. Da sie als SGB-Leistungsempfängerin hierzu nicht in der Lage sei, werde der gesamte Lebensunterhalt von A durch die Klägerin bestritten. Aufgrund der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) seien als Unterhaltsleistungen nur tatsächliche Aufwendungen, nicht jedoch Sach- und Betreuungsleistungen zu berücksichtigen. Mit dem Geld, das die Beigeladene vom Jobcenter München beziehe, könne sie gerade ihren eigenen Lebensunterhalt bestreiten, Unterhaltsleistungen an den Enkel könne sie davon nicht erbringen. Aufgrund der dauernden Erwerbsminderung von A bilde dieser auch keine Bedarfsgemeinschaft mit seiner Großmutter (§ 7 Abs. 2 SGB II), so dass das Kindergeld bei der Beigeladenen als der Kindergeldberechtigten bedarfsmindernd nach § 11 SGB II als Einkommen berücksichtig werde. Das bedeute, dass die Beigeladene nur mithilfe des Kindergeldes in der Lage sei, ihren eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten, der Bedarf des Enkels könne daraus nicht gedeckt werden. Dies sei auch nicht erforderlich, weil dessen Lebensunterhalt von der Klägerin bezahlt werde. Nutznießerin sei somit das Jobcenter München, das sich durch die Einkommensanrechnung nach § 11 SGB II Aufwendungen für die Beigeladene in Höhe des Kindergeldes erspare. Die Klägerin werde dagegen ungerechtfertigt benachteiligt, da sie für den Unterhalt für A aufkomme, ohne dass ein Ausgleich durch das Kindergeld geschaffen werde. Dieser Ausgleich könne nur mithilfe der für diese Fälle vorgesehenen Überleitung nach § 74 Abs. 1 Satz 4 EStG geschaffen werden. Im Hinblick auf die Höhe der Abzweigung sei das Ermessen auf Null reduziert, nachdem tatsächliche Aufwendungen der Beigeladenen nicht nachgewiesen worden seien und infolge des Bezugs von SGB II-Leistungen nicht erwartet werden könnten.

Die Klägerin beantragt,

die Familienkasse unter Aufhebung des Bescheids vom 23. Oktober 2012 und der Einspruchsentscheidung vom 12. Juli 2013 zu verpflichten, das Kindergeld für A ab Oktober 2012 an die Klägerin auszuzahlen.

Die Familienkasse beantragt, die Klage abzuweisen.

Ergänzend zur Einspruchsentscheidung trägt sie vor, dass die Voraussetzungen für eine Abzweigung nicht vorlägen, da die Kindergeldberechtigte (Beigeladene) gemäß der abgegebenen Erklärung das an sie ausbezahlte Kindergeld tatsächlich ihrem Enkelkind zukommen lasse. Als Unterhaltsleistungen seien nicht nur Geldzahlungen, sondern auch Sach- und Betreuungsleistungen zu berücksichtigen.

Mit Beschluss vom 21. April 2006 ist die Kindergeldberechtigte zum Verfahren beigeladen worden (§ 60 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung - FGO).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten der Familienkasse, die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

II.

Die Klage ist begründet, die Voraussetzungen für eine Abzweigung liegen vor.

1. Die Entscheidung der Familienkasse über eine Abzweigung nach § 74 Abs. 1 EStG ist eine Ermessensentscheidung. Nach § 102 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht eine Ermessensentscheidung nur darauf hin überprüfen, ob die Behörde die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zwecke der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Gleichwohl kann das Gericht ausnahmsweise eine Verpflichtung der Behörde zur Abzweigung aussprechen (vgl. § 101 FGO), wenn der Ermessensspielraum im konkreten Fall derart eingeengt ist, dass nur eine Entscheidung als ermessensgerecht in Betracht kommt (vgl. zur sog. Ermessensreduzierung auf Null Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20. Mai 2010 V R 42/08, BStBl II 2010, 955 m. w. N.). Das war hier der Fall.

Im Streitfall hat die Familienkasse bei seiner Ermessensentscheidung, ob und in welcher Höhe das Kindergeld an den Sozialleistungsträger abzuzweigen ist, nicht berücksichtigt, dass dem Kind Unterhalt nicht durch die Kindergeldberechtigte, sondern durch die Klägerin gewährt wird. Denn die Voraussetzungen des § 74 Abs. 1 Satz 4 i. V. m. Satz 1 und 3 EStG für eine Abzweigung des Kindergeldes an den Sozialleistungsträger sind grundsätzlich auch dann erfüllt, wenn der Kindergeldberechtigte nicht zum Unterhalt seines volljährigen, behinderten (Enkel-)Kindes verpflichtet ist, weil es Grundsicherungsleistungen nach § 41 ff. SGB XII erhält (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. Dezember 2008 III R 6/07, BStBl II 2009, 926).

Nach § 74 Abs. 1 Satz 4 i. V. m. Sätze 1 und 3 EStG kann das für ein Kind festgesetzte Kindergeld nach § 66 Abs. 1 EStG auch an die Person oder Stelle ausgezahlt werden, die dem Kind Unterhalt gewährt, wenn der Kindergeldberechtigte seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt, mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist oder nur Unterhalt in Höhe eines Betrages zu leisten braucht, der geringer ist als das für die Auszahlung in Betracht kommende Kindergeld.

Nach § 1601 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sind Verwandte in gerader Linie (§ 1589 Abs. 1 Satz 1 BGB) verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren. Zwar haften unter den Verwandten in aufsteigender Linie die näheren Verwandten vor den Entfernteren, d. h. grundsätzlich sind die Eltern im Verhältnis zu den Großeltern gemäß § 1606 Abs. 2 BGB vorrangig zum Unterhalt verpflichtet. Soweit ein vorrangiger Verwandter jedoch nach § 1603 BGB außerstande ist, Unterhalt zu gewähren oder soweit die Rechtsverfolgung gegen einen Verwandten im Inland ausgeschlossen oder erheblich erschwert ist (§ 1607 Abs. 2 BGB), ist der nach ihm haftende Verwandte zum Unterhalt verpflichtet (§ 1607 Abs. 1 BGB). Im Streitfall kann die Mutter des Kindes nach den unwidersprochenen Angaben der Klägerin aufgrund ihrer finanziellen Situation nicht zum Unterhalt herangezogen werden, der Aufenthalt des Vaters des Kindes ist unbekannt. Es besteht daher grundsätzlich eine Unterhaltspflicht der Beigeladenen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind zwar bei der Ausübung des Ermessens, ob und in welcher Höhe das Kindergeld an den -dem Kind anstelle des Kindergeldberechtigten Unterhalt gewährenden- Sozialleistungsträger abzuzweigen ist, auch geringe Unterhaltsleistungen der (Groß-)Eltern zu berücksichtigen. Sind die Leistungen mindestens so hoch wie das Kindergeld, wird eine Abzweigung nicht als ermessensgerecht angesehen (BFH-Urteil vom 23. Februar 2006 III R 65/04, BStBl II 2008, 753, m. w. N.).

2. Durch die Aufnahme ihres Enkels in ihren Haushalt hat die Beigeladene jedoch keine Unterhaltsleistungen mindestens in Höhe des Kindergeldes erbracht hat, die eine Abzweigung an die Klägerin ausschließen würden. Da die Klägerin den Unterhalt für A durch die Leistungen der von der Klägerin geleisteten Grundsicherung, die auch Unterkunft und Verpflegung umfassten, erbracht hat, kann in der Haushaltsaufnahme von A durch die Kindergeldberechtigte grundsätzlich keine Leistungsgewährung gesehen werden (vgl. auch BFH-Urteile vom 17. Oktober 2013 III R 24/13, BFH/NV 2014, 504 und vom 26. Februar 2015 III B 124/14, BFH/NV 2015, 837). Die Beigeladene erhält ebenfalls eine Grundsicherung, die jedoch nur Regelleistungen sowie Unterkunft und Heizung für ihren eigenen Bedarf umfasst. Da A volljährig ist und selbst Leistungen der Grundsicherung bezieht, enthält die Grundsicherung für die Beigeladene keinen Zuschlag für Kinder. Somit kann die Beigeladene aus ihren Leistungen nach dem SGB II keine Unterhaltsleistungen für das -über eigene Mittel verfügende-Kind erbringen, sie verfügt nur über die für ihren Unterhalt notwendigen finanziellen Mittel. Es ist daher davon auszugehen, dass die Beigeladene den Unterhalt für ihren Enkel und sich aus den erhaltenen Mitteln (Grundsicherungsleistungen für A und Leistungen nach SGB II für sich) bestreitet („Haushalten aus einem Topf“) und daraus auch - wie der Familienkasse gegenüber vorgetragen - Kleidung besorgt und die Kosten für Freizeitgestaltung (Sport) trägt. Betreuungsleistungen, die als Unterhaltsleistungen zu berücksichtigen sind, soweit dem Kindergeldberechtigten Aufwendungen entstanden sind, wurden nicht erbracht (vgl. BFH-Urteil vom 17. Oktober 2013 III R 24/13, BFH/NV 2014, 504).

Der Zweck der Regelung des § 74 Abs. 1 Satz 4 EStG besteht darin, das Kindergeld an die Person oder Einrichtung auszuzahlen, die anstelle des Kindergeldberechtigten die Kosten des Unterhalts trägt (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 2009, 926). Da vorliegend unstreitig die Klägerin die Kosten des Unterhalts von A in vollem Umfang trägt, ist der Ermessensspielraum im Streitfall derart eingeengt, dass nur eine Entscheidung als ermessensgerecht in Betracht kommt, nämlich die Abzweigung des Kindergelds in voller Höhe an die Klägerin.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 1 i. V. m. § 135 Abs. 1 und 3 der Finanzgerichtsordnung. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht nach § 139 Abs. 4 FGO erstattungsfähig, da die Beigeladene weder Sachanträge gestellt noch im finanzgerichtlichen Verfahren wesentlich mitgewirkt und Prozesserklärungen abgegeben hat (vgl. BFH-Beschluss vom 27. Dezember 2006 IX B 199/05, BFH/NV 2007, 1140).

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist die Mutter einer körperlich und geistig behinderten Tochter (Grad der Behinderung: 100 %), die auf Kosten des Landratsamts ... (Beigeladener) vollstationär in einer Pflegeeinrichtung untergebracht ist. Sie bezog von der Beklagten und Revisionsbeklagten (Familienkasse) für ihre Tochter Kindergeld. Zu den Kosten der Unterbringung entrichtete sie einen Beitrag von 26 € monatlich. Zusätzlich erbrachte sie für ihre Tochter weitere Unterhaltsleistungen. Der Gesamtbetrag ihrer Leistungen wird von ihr mit rund 1.700 € jährlich beziffert. Der Beigeladene bestreitet, dass Aufwendungen in dieser Höhe anfielen.

2

Auf den Antrag des Beigeladenen verfügte die Familienkasse die Abzweigung des Kindergelds in Höhe von 128 € monatlich an den Beigeladenen ab Juli 2007. Aufgrund des Einspruchs der Klägerin wurde die Abzweigung auf 77 € monatlich ab Dezember 2007 reduziert. Die auf die vollständige Aufhebung der Abzweigung gerichtete Klage hatte überwiegend keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, dass es lediglich ermessensfehlerhaft gewesen sei, die Abzweigung nicht bereits ab Juli 2007 auf 77 € monatlich zu beschränken. Im Übrigen wies es die Klage ab.

3

Zur Begründung führte das FG dazu aus, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen der Abzweigung vorgelegen hätten, da die Klägerin ihrer gesetzlichen Unterhaltspflicht für ihre Tochter insoweit nicht nachgekommen sei, als sie die Kosten der Unterbringung nicht übernommen habe. Außerdem habe die Familienkasse die Entscheidung über die Abzweigung in weiten Teilen ermessensfehlerfrei getroffen. Diese Entscheidung hänge davon ab, in welcher Höhe dem Kindergeldberechtigten Aufwendungen für das Kind entstanden seien. Wenn die Aufwendungen geringer als das Kindergeld oder nicht mehr ermittelbar seien, komme eine teilweise Abzweigung in Betracht. Die Aufwendungen der Klägerin seien jedenfalls geringer als das Kindergeld, wobei es auf die genaue Höhe nicht ankomme. Es sei jedoch keine Begründung dafür ersichtlich, dass die Beschränkung der Abzweigung auf monatlich 77 € erst ab Dezember 2007 erfolgt sei.

4

Zur Begründung der Revision macht die Klägerin geltend, eine Abzweigung sei nur in dem Umfang zulässig, in dem die Aufwendungen des Kindergeldberechtigten für das Kind hinter dem Kindergeld zurückblieben.

5

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das FG-Urteil sowie die Abzweigungsentscheidung vom 27. Juni 2007 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 14. Dezember 2007 insoweit aufzuheben, als die Abzweigung den Betrag von 12,12 € monatlich überschreitet, und die Abzweigung des Kindergelds unter Abänderung der Abzweigungsentscheidung vom 27. Juni 2007 auf 12,12 € monatlich herabzusetzen.

6

Die Familienkasse beantragt, die Revision zurückzuweisen.

7

Nach Auffassung der Familienkasse ist die Entscheidung über die Abzweigung ermessensgerecht, da die genaue Höhe der Unterhaltsleistungen der Klägerin nicht zu ermitteln sei.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Familienkasse ... der Bundesagentur für Arbeit ist aufgrund eines Organisationsaktes (Beschluss des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit Nr. 21/2013 vom 18. April 2013 gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 des Finanzverwaltungsgesetzes, Amtliche Nachrichten der Bundesagentur für Arbeit, Ausgabe Mai 2013, S. 6 ff.) im Wege des gesetzlichen Parteiwechsels in die Beteiligtenstellung der Agentur für Arbeit ... --Familienkasse-- eingetreten (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. August 2007 X R 2/04, BFHE 218, 533, BStBl II 2009, 109, unter II.1.).

III.

9

Die Revision der Klägerin ist teilweise erfolgreich. Das FG-Urteil sowie der Bescheid über die Abzweigung des Kindergeldes und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung werden aufgehoben, soweit die Abzweigung den Betrag von 12,12 € monatlich überschreitet (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Im Übrigen ist die Revision als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

10

1. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass im Streitzeitraum Juli 2007 bis Dezember 2007 die Voraussetzungen für eine Abzweigung des Kindergeldes an den Beigeladenen dem Grunde nach vorliegen (zur Bestimmung des Klagezeitraums vgl. Senatsurteil vom 17. Oktober 2013 III R 23/13, BFHE 243, 250).

11

Gemäß § 74 Abs. 1 Sätze 1 und 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) kann das für ein Kind festgesetzte Kindergeld u.a. an die Stelle ausgezahlt werden, die dem Kind Unterhalt gewährt, wenn der Kindergeldberechtigte dem Kind gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt.

12

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Das FG hat festgestellt, dass die Klägerin ihrer gesetzlichen Unterhaltspflicht (vgl. §§ 1601 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs) nicht i.S. des § 74 Abs. 1 Satz 1 EStG nachgekommen ist, weil sie die laufenden Kosten für die Unterbringung ihrer Tochter in der Pflegeeinrichtung --mit Ausnahme des von ihr entrichteten Kostenbeitrags (vgl. dazu § 94 Abs. 2 Satz 1 des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch)-- nicht getragen hat (vgl. Senatsurteil vom 9. Februar 2009 III R 37/07, BFHE 224, 290, BStBl II 2009, 928).

13

2. Da die Voraussetzungen für eine Abzweigung dem Grunde nach vorliegen, hängt die Rechtmäßigkeit des Abzweigungsbescheids davon ab, ob die Entscheidung der Familienkasse über die Abzweigung sachgerechtem Ermessen entspricht.

14

a) Die nach § 74 Abs. 1 EStG im Ermessen der Familienkasse stehende Entscheidung, ob und in welcher Höhe das Kindergeld abgezweigt wird, ist gerichtlich nur auf Ermessensfehler überprüfbar (§ 102 FGO). Stellt das Gericht einen Ermessensfehler fest, kann es nicht selbst das Ermessen ausüben, sondern ist darauf beschränkt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Lediglich dann, wenn nur eine Entscheidung ermessensgerecht erscheint (sog. Ermessensreduzierung auf null), ist das Gericht befugt, seine Entscheidung an die Stelle der Ermessensentscheidung der Familienkasse zu setzen (Senatsurteil in BFHE 224, 290, BStBl II 2009, 928, m.w.N.).

15

b) Nach § 5 der Abgabenordnung hat die Finanzbehörde das ihr eingeräumte Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Zur Ausübung des Ermessens bei der Abzweigung von Kindergeld für Kinder, die auf Kosten des Sozialleistungsträgers vollstationär untergebracht sind, hat der BFH folgende Grundsätze aufgestellt:

16

aa) Trägt der Kindergeldberechtigte überhaupt keine Aufwendungen für den Unterhalt des Kindes, soll das gesamte Kindergeld nicht ihm, sondern entweder dem Kind selbst oder demjenigen zugutekommen, der dem Kind tatsächlich Unterhalt gewährt (Senatsurteil vom 15. Juli 2010 III R 89/09, BFHE 231, 52, BStBl II 2013, 695).

17

bb) Entstehen dem Kindergeldberechtigten hingegen Unterhaltsaufwendungen mindestens in Höhe des Kindergeldes, ist allein die Auszahlung des vollen Kindergeldes an den Kindergeldberechtigten ermessensgerecht (Senatsurteil in BFHE 224, 290, BStBl II 2009, 928, m.w.N.).

18

cc) Unterhaltsleistungen, die nicht die Höhe des Kindergeldes erreichen, sind bei der Ermessensausübung zu berücksichtigen (Senatsurteil vom 23. Februar 2006 III R 65/04, BFHE 212, 481, BStBl II 2008, 753). Dies gilt auch für regelmäßige geringe Unterhaltsleistungen des Kindergeldberechtigten. Dabei erscheint es in solchen Fällen ermessensgerecht, das Kindergeld abzüglich der Unterhaltsleistungen des Kindergeldberechtigten abzuzweigen, so dass es dem Kindergeldberechtigten in Höhe der von ihm erbrachten Leistungen verbleibt (BFH-Urteil vom 17. November 2004 VIII R 30/04, BFH/NV 2005, 692). In Ausnahmefällen kann aber auch eine hiervon abweichende Bestimmung des Abzweigungsbetrags ermessensgerecht sein.

19

dd) Eine sachgerechte Ermessensentscheidung setzt voraus, dass die vom Kindergeldberechtigten erbrachten Unterhaltsleistungen vollständig erfasst und der Höhe nach beziffert werden. Erst wenn sich die Höhe der vom Kindergeldberechtigten tatsächlich erbrachten Unterhaltsleistungen nicht mehr --auch nicht durch Schätzung-- ermitteln lässt, kann es zulässig sein, diese Leistungen pauschal zu bewerten und das Kindergeld z.B. in hälftiger Höhe abzuzweigen (vgl. dazu Senatsurteile in BFHE 224, 290, BStBl II 2009, 928; in BFHE 212, 481, BStBl II 2008, 753).

20

3. Die Revision ist insoweit begründet, als die Klägerin die Aufhebung des FG-Urteils, der Abzweigungsentscheidung und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung begehrt, soweit die Abzweigung ab Juli 2007 den Betrag von 12,12 € monatlich überschreitet. Es liegt ein Ermessensfehlgebrauch vor, weil die Familienkasse die von der Klägerin erbrachten Unterhaltsleistungen weder im Abzweigungsbescheid noch in der Einspruchsentscheidung vollständig ermittelt und der Höhe nach beziffert hat.

21

a) Die Familienkasse ist bei der Ermessensausübung ersichtlich davon ausgegangen, dass die von der Klägerin erbrachten Unterhaltsleistungen die Höhe des Kindergeldes nicht erreichen. So hat die Familienkasse in der Einspruchsentscheidung vom 14. Dezember 2007 ausgeführt, dass die Klägerin ihre Unterhaltspflicht lediglich mit einem Betrag erfülle, der geringer sei als die Höhe des Kindergeldes. Hiervon ausgehend hat es die Familienkasse als zulässig erachtet, die Unterhaltsleistungen pauschal zu berücksichtigen und das Kindergeld in hälftiger Höhe abzuzweigen.

22

Das FG hat sich bei der Überprüfung der Ermessensausübung im Ergebnis von den gleichen Überlegungen leiten lassen. Es hat in seinem Urteil ausgeführt, die Klägerin habe keine Unterhaltsleistungen in Höhe des Kindergeldes erbracht. Auf der Grundlage der bezifferten Angaben der Klägerin ergäben sich für das Jahr 2007 höchstens Unterhaltsleistungen in Höhe von 1.702,74 €. Danach sei eine Abzweigung des Kindergeldes in hälftiger Höhe nicht zu beanstanden. Auch sei es nicht entscheidungserheblich, dass sich der Beigeladene gegen die Höhe der von der Klägerin geltend gemachten Unterhaltsleistungen gewandt habe. Ermessensfehlerhaft sei allein, dass die Familienkasse die Abzweigung nicht bereits ab dem Monat Juli 2007 auf 77 € monatlich reduziert habe.

23

b) Sowohl die Familienkasse als auch das FG haben hierbei nicht hinreichend beachtet, dass eine hälftige Abzweigung in der von ihnen angenommenen Fallkonstellation --die Unterhaltsleistungen des Kindergeldberechtigten erreichen nicht die Höhe des Kindergeldes-- nur dann sachgerechtem Ermessen entsprechen kann, wenn sich die Höhe der vom Berechtigten erbrachten Unterhaltsleistungen nicht mehr --auch nicht durch Schätzung-- ermitteln lässt. Eine solche Situation hat aber weder die Familienkasse noch das FG festgestellt. Das FG hat sich in dem Urteil letztendlich mit der Feststellung begnügt, dass --auf Grundlage der Angaben der Klägerin-- die Unterhaltsleistungen die Höhe des Kindergeldes nicht erreicht hätten. Wie hoch diese Unterhaltsleistungen tatsächlich waren, hat es jedoch nicht abschließend festgestellt. Allerdings deuten die Ausführungen des FG darauf hin, dass sich die Höhe der Unterhaltsleistungen ermitteln lässt.

24

4. Die Revision ist als unbegründet zurückzuweisen, soweit die Klägerin die Herabsetzung der Abzweigung auf monatlich 12,12 € beantragt.

25

Die Revision hätte insoweit nur dann Erfolg haben können, wenn es in Fällen, in denen die bezifferbaren Unterhaltsleistungen die Höhe des Kindergeldes nicht erreichen, allein rechtmäßig wäre, den Unterschiedsbetrag zwischen dem Kindergeld und den Unterhaltsleistungen abzuzweigen (Ermessensreduzierung auf null). Da jedoch in dieser Konstellation (ausnahmsweise) auch eine hiervon abweichende Bestimmung des Abzweigungsbetrags ermessensgerecht sein kann (dazu oben 2.b cc), scheidet insoweit eine Aufhebung und Zurückverweisung der Sache zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen aus (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).

26

5. Beim Erlass eines erneuten Abzweigungsbescheids und bei erneuter Ausübung des Ermessens sind folgende Gesichtspunkte zu beachten:

27

a) Vorab erscheint es zweckmäßig, dass die Familienkasse den für die Abzweigung maßgeblichen Zeitraum ermittelt.

28

b) Aus Vereinfachungsgründen wäre es nicht zu beanstanden, wenn die Familienkasse der Abzweigungsentscheidung für den Zeitraum Juli 2007 bis Dezember 2007 eine einheitliche Quote zugrunde legt, die sich daraus ergibt, dass die Summe der von der Klägerin im Zeitraum Juli 2007 bis Dezember 2007 getragenen Unterhaltsleistungen in das Verhältnis zu dem (anteiligen) Jahresbetrag des Kindergeldes gesetzt wird (z.B. Summe der Unterhaltsleistungen Juli bis Dezember 2007: 800 €; anteiliger Jahresbetrag 6 x 154 € = 924 €; beim Kindergeldberechtigten verbleiben: 800/924; Abzweigung: 124/924). Diese Methode ließe sich auch auf weitere Zeiträume übertragen.

29

c) Weiter ist zu berücksichtigen, dass im Rahmen der Abzweigungsentscheidung keine fiktiven Kosten für die Betreuung des Kindes, sondern nur tatsächlich entstandene Aufwendungen berücksichtigt werden können (Senatsurteil in BFHE 224, 290, BStBl II 2009, 928). Zu den tatsächlich entstandenen Aufwendungen können aber auch anteilige Mietkosten für ein Zimmer gehören, das für das behinderte Kind in der Mietwohnung des Kindergeldberechtigten bereitgehalten wird. Die vollstationäre Unterbringung des behinderten Kindes schließt es nicht aus, dass das behinderte Kind auch im Haushalt des Kindergeldberechtigten betreut wird. Dies setzt jedoch voraus, dass die Aufenthalte in dem bereitgehaltenen Zimmer über reine Besuchszwecke hinausgehen und der Erbringung von Betreuungsleistungen dienen. Sollte der Kindergeldberechtigte hierfür von dritter Seite eine Kostenerstattung erhalten, müsste diese wieder von den Unterhaltsleistungen des Kindergeldberechtigten abgezogen werden.

30

d) Sollte die erneute Entscheidung über den Abzweigungsantrag ergeben, dass aufgrund der von der Klägerin erbrachten Unterhaltsleistungen eine Abzweigung insgesamt unterbleiben müsste oder nur ein geringerer Betrag als 12,12 € abgezweigt werden dürfte, so bliebe zu berücksichtigen, dass die Abzweigungsentscheidung für den Zeitraum Januar 2007 bis Dezember 2007 bereits teilweise rechtskräftig ist. Die Klägerin hat mit ihrem Revisionsbegehren die Abzweigung nur noch angegriffen, soweit sie den Betrag von monatlich 12,12 € übersteigt.

31

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 1 i.V.m. § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Da sich der Streitwert im Revisionsverfahren gegenüber dem Klageverfahren verringert hat, ist eine Kostenentscheidung nach Verfahrensabschnitten angemessen (vgl. BFH-Urteil vom 5. November 2009 IV R 99/06, BFHE 228, 98, BStBl II 2010, 593; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 136 FGO Rz 4). Soweit die Kosten auf den zuletzt nicht mehr angegriffenen Teilbetrag der Abzweigung von 12,12 € entfallen, waren sie der Klägerin aufzuerlegen. Da hinsichtlich des 12,12 € übersteigenden Teilbetrags nicht abzusehen ist, inwieweit die Klägerin endgültig mit ihrem Begehren Erfolg haben wird, ist es sachgerecht, der Klägerin und der Familienkasse die Kosten insoweit je zur Hälfte aufzuerlegen. Dies führt dazu, dass die Kosten des Klageverfahrens die Klägerin zu 58 v.H., die Familienkasse zu 42 v.H. zu tragen hat. Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Klägerin und die Familienkasse jeweils zur Hälfte zu tragen.

32

Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen der Klägerin nach § 139 Abs. 4 FGO zu einem Viertel aufzuerlegen. Voraussetzung für eine Billigkeitsentscheidung nach dieser Vorschrift ist, dass der Beigeladene den obsiegenden Beteiligten unterstützt hat (BFH-Urteil vom 4. Mai 2000 IV R 10/99, BFHE 191, 529, BStBl II 2002, 850). Da vorliegend die von dem Beigeladenen unterstützte Familienkasse zur Hälfte obsiegt hat, im Übrigen ein verfahrensförderndes Verhalten des Beigeladenen insbesondere darin zu sehen ist, dass er im Revisionsverfahren (nicht bereits im Klageverfahren) auf eine mündliche Verhandlung verzichtet hat, entspricht es der Billigkeit, dass die Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu einem Viertel trägt.

(1)1Das für ein Kind festgesetzte Kindergeld nach § 66 Absatz 1 kann an das Kind ausgezahlt werden, wenn der Kindergeldberechtigte ihm gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt.2Kindergeld kann an Kinder, die bei der Festsetzung des Kindergeldes berücksichtigt werden, bis zur Höhe des Betrags, der sich bei entsprechender Anwendung des § 76 ergibt, ausgezahlt werden.3Dies gilt auch, wenn der Kindergeldberechtigte mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist oder nur Unterhalt in Höhe eines Betrags zu leisten braucht, der geringer ist als das für die Auszahlung in Betracht kommende Kindergeld.4Die Auszahlung kann auch an die Person oder Stelle erfolgen, die dem Kind Unterhalt gewährt.

(2) Für Erstattungsansprüche der Träger von Sozialleistungen gegen die Familienkasse gelten die §§ 102 bis 109 und 111 bis 113 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Soll gegen den Bund, ein Land, einen Gemeindeverband, eine Gemeinde, eine Körperschaft, eine Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts vollstreckt werden, so gilt für die Zwangsvollstreckung das Achte Buch der Zivilprozessordnung sinngemäß; § 150 bleibt unberührt. Vollstreckungsgericht ist das Finanzgericht.

(2) Vollstreckt wird

1.
aus rechtskräftigen und aus vorläufig vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidungen,
2.
aus einstweiligen Anordnungen,
3.
aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen.

(3) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(4) Für die Vollstreckung können den Beteiligten auf ihren Antrag Ausfertigungen des Urteils ohne Tatbestand und ohne Entscheidungsgründe erteilt werden, deren Zustellung in den Wirkungen der Zustellung eines vollständigen Urteils gleichsteht.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.