| Die Klage ist unbegründet. |
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| a) Mit dem "Hausstand" ist der Ort umschrieben, an dem sich der Arbeitnehmer - abgesehen von den Zeiten der Arbeitstätigkeit und ggf. Urlaubsfahrten - regelmäßig aufhält, den er fortwährend nutzt und von dem aus er sein Privatleben führt, also seinen Lebensmittelpunkt hat. Das Vorhalten einer Wohnung außerhalb des Beschäftigungsortes für gelegentliche Besuche oder für Ferienaufenthalte ist dagegen nicht als Unterhalten eines Hausstandes zu werten. Die Entscheidung über die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung ist anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles zu treffen (Beschluss des Bundesfinanzhof - BFH- vom 2. Dezember 2009 VI B 124/08, BFH/NV 2010, 638). Bei dieser Beurteilung ist die Lebensführung des Steuerpflichtigen am Beschäftigungsort einkommensteuerrechtlich grundsätzlich unerheblich. Erst wenn sich der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen vom eigenen Hausstand an den Beschäftigungsort verlagert und die Wohnung dort zum Ort der eigentlichen Haushaltsführung wird, entfällt deren berufliche Veranlassung als Wohnung am Beschäftigungsort (BFH-Urteil vom 28. März 2012 VI R 25/11, BFHE 237, 429, BStBl II 2012, 831). |
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| b) Der Senat zweifelt nicht daran, dass der Kläger seinen Lebensmittelpunkt auch nach der Anmietung der Wohnung in C, ... straße weiterhin in A, zunächst in der ... Allee, später ... straße, hatte. |
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| Die Zeugen haben übereinstimmend ausgesagt, dass der Kläger gemeinsam mit der Klägerin in die Wohnung ... straße,, A einzog und dort an den Wochenenden lebte. So sagte der Zeuge Z 2 aus, dass er den Kläger regelmäßig am Morgen beim Bäcker getroffen habe. Er sei „ständig“ - wenn er nicht in B gearbeitet hätte - in der Wohnung der Klägerin gewesen. Die Familie habe am Wochenende Ausflüge unternommen. Zudem sei aus seiner Sicht die Drei-Zimmerwohnung für die Kläger und die beiden Kinder der Klägerin etwas zu eng gewesen. Deshalb sei es auch manchmal laut gewesen. Die Abstellmöglichkeiten für die Fahrräder hätten kaum ausgereicht. |
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| Dies deckt sich im Wesentlichen mit der Aussage der Zeugin T V. Diese sagte zwar aus, dass sie zunächst davon ausgegangen sei, dass die Klägerin für sich und die beiden Kinder eine Wohnung gesucht habe. Andererseits sei der Kläger aber beim Besichtigungstermin dabei gewesen. Zudem sei die erste Nebenkostenabrechnung wesentlich höher ausgefallen als erwartet, so dass sie die Abschlagszahlungen hätten anpassen müssen. Bei Telefonaten mit der Klägerin, die sie, die Zeugin, zur Unterstützung ihrer eigentlich vermietenden Mutter geführt habe, habe sie, die Zeugin, die Stimme des Klägers immer im Hintergrund vernommen. Dass sich die Kläger im Streitjahr angeblich getrennt und später wieder versöhnt hätten, sei nur eine Vermutung, die sich auf eine entsprechende Andeutung ihrer besten Freundin, einer F, stütze. Dazu, ob diese Vermutung zutreffend sei, konnte sie allerdings nichts sagen. |
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| Auch die Tochter des Klägers, die Zeugin K 1, sagte aus, dass der Kläger dauerhaft in der Wohnung ... straße,, A gelebt habe. Er habe gemeinsam mit Klägerin auf einer ausziehbaren Couch im Wohnzimmer übernachtet. Die beiden weiteren Zimmer seien von den Kindern der Klägerin bewohnt worden. Der Kläger habe sich aufgrund von gesundheitlichen Problemen - bedingt durch das Berufspendeln - eine Wohnung an seinem Arbeitsplatz in B gesucht. Entsprechendes bestätigt auch die Zeugin Z 1. |
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| Demzufolge ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die Kläger ihren gemeinsamen Hausstand im Streitjahr in A hatten. Diesem Umstand entnimmt der Senat zugleich, dass sich der Kläger die Wohnung ... straße, C aus beruflichen Gründen gesucht hat. |
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| 2. Dennoch war der Klage der Erfolg zu versagen, denn als weitere Voraussetzung einer doppelten Haushaltsführung müssen der Ort des eigenen Hausstandes und des Beschäftigungsortes i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG auseinanderfallen. |
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| a) Dabei ist unter Beschäftigungsort nicht die jeweilige politische Gemeinde zu verstehen, sondern der Bereich, der zu der konkreten Anschrift der Arbeitsstätte noch als Einzugsgebiet anzusehen ist (Finanzgericht -FG- Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16. Dezember 2015 7 K 7366/13, Revision eingelegt, Az. des BFH: VI R 2/16; FG Hamburg, Urteile vom 26. Februar 2014 1 K 234/12, rkr., EFG 2014, 1185 und vom 17. Dezember 2014 2 K 113/14, rkr., EFG 2015, 808; FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. Juli 1985 VIII 221/84, rkr., EFG 1986, 286). |
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| Ein Arbeitnehmer wohnt deshalb bereits dann am Beschäftigungsort, wenn er von seiner Wohnung aus ungeachtet von Gemeinde- und Landesgrenzen seine Arbeitsstätte in zumutbarer Weise täglich aufsuchen kann (Loschelder in Schmidt, EStG, 35. Aufl., 2016, § 9 Rn. 212 m.w.N.). Denn dann ist der Arbeitnehmer nicht i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG „außerhalb des Ortes“, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, sondern bereits am Ort des eigenen Hausstandes beschäftigt. Dies schließt eine doppelte Haushaltsführung aus. |
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| Ausschlaggebend ist insoweit nicht allein die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Es ist vielmehr auf alle wesentlichen Umstände des Einzelfalls abzustellen und neben der Entfernung auch auf die Verkehrsanbindung mit privaten und öffentlichen Verkehrsmitteln, die Erreichbarkeit dieser Verkehrsmittel bei Arbeitsbeginn und -ende sowie eventuelle besondere Umstände beim Arbeitsablauf abzustellen. Eine Wohnung am Beschäftigungsort kann danach regelmäßig angenommen werden, wenn sie in einem Bereich liegt, von dem aus der Arbeitnehmer üblicherweise täglich zu diesem Ort fahren kann. Dabei liegen Fahrzeiten von etwa einer Stunde für die einfache Strecke noch in einem zeitlichen Rahmen, in dem es einem Arbeitnehmer zugemutet werden kann, von seinem Hausstand die Arbeitsstätte aufzusuchen. Zur Ermittlung der Fahrzeiten kann der Senat auf die Daten von Routenplanern zurückgreifen (FG Hamburg, Urteil vom 9. Oktober 2008 5 K 33/08, rkr., EFG 2009, 244). |
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| Für das Streitjahr hat der Kläger in seiner Einkommensteuererklärung erklärt, an 42 Tagen mit dem eigenen oder zur Nutzung überlassenen Pkw 47 km und an 178 Tagen 10 km zur regelmäßigen Arbeitsstätte zurückgelegt zu haben. Bei der Bestimmung des täglich zumutbaren Weges zur Arbeit muss deshalb im konkreten Sachverhalt von der Erreichbarkeit mit dem Pkw ausgegangen werden. Nach dem Routenplaner www.google.de/maps lässt sich der einfache Arbeitsweg von A, ... straße, nach B, von 36 km in 34 Minuten bewältigen. Aufgrund von Staulagen zu den Hauptverkehrszeiten ist zur Bestimmung der tatsächlichen arbeitstäglichen Fahrzeit ein Zuschlag von täglich rund 20 bis 30 Minuten je einfache Fahrt zu machen. Unter Berücksichtigung dieses Zeitzuschlages ist mithin davon auszugehen, dass die Fahrzeit für eine einfache Strecke im Bereich von einer Stunde liegt. Selbst wenn man öffentliche Verkehrsmitteln einbezieht, ergibt sich ein vergleichbares Bild, denn der klägerische Arbeitsplatz ist von A, ... straße, nach der elektronischen Auskunft des Verkehrs- und Tarifverbund B durchschnittlich in 1:05 Stunden bis 1:11 Stunden erreichbar. |
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| Unter den Bedingungen einer Großstadt, in der sich schon aufgrund des im Innenstadtbereich herrschenden Preisniveaus typischerweise die Wohnstätten der Beschäftigten in Randbereiche und auch über die politischen Grenzen einer Gemeinde hinaus verlagern, sind solche Fahrzeiten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von etwa einer Stunde üblich und ohne weiteres zumutbar. Dies gilt insbesondere dann, wenn es - so wie hier - ein ausgebautes Straßennetz sowie gut erreichbare öffentliche Nahverkehrsverbindungen gibt (so auch FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16. Dezember 2015 7 K 7366/13, nrkr.; FG Hamburg, Urteil vom 17. Dezember 2014 2 K 113/14, rkr., EFG 2015, 808, a.A. FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. Juli 1985 VIII 221/84, rkr., EFG 1986, 286, das auf den „Radius“ eines üblichen Haushalts für Besorgungen und Aktivitäten wie Spaziergänge abstellt). |
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| b) Bei der Beurteilung der Gesamtumstände kommt es nach Auffassung des Senats nicht darauf an, ob eine tägliche Fahrzeitverkürzung von mindestens einer Stunde eintritt. Denn diese Voraussetzung besteht nur bei der Frage der steuerlichen Berücksichtigung von Umzugskosten (vgl. BFH-Urteil vom 23. März 2001 VI R 189/97, BFHE 196, 478, BStBl II 2002, 56; zuletzt BFH-Urteil vom 7. Mai 2015 VI R 73/13, HFR 2015, 1025). |
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| Überdies liegt die tägliche Zeitersparnis beim Aufsuchen des Arbeitsortes durch die Nutzung der Wohnung in der ... straße, C nicht bei mindestens einer Stunde. Von seiner Wohnung in der ... straße, C benötigt der Kläger - wie in der Einkommensteuererklärung angegeben mit dem eigenen oder zur Nutzung überlassenen Pkw - laut www.google.de/maps zwar 15 Minuten für eine einfache Fahrt von 7 km. Im innerstädtischen Bereich muss aber auch hier ein staubedingter Zuschlag von 20 bis 30 Minuten vorgenommen werden. Dies berücksichtigend verbleibt ein täglicher Zeitvorteil von etwa 40 bis 50 Minuten. |
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| 4. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen. Die Frage, inwieweit Wohnungen als noch zum Beschäftigungsort gehörend anzusehen sind, ist derzeit ungeklärt. Zu dieser Frage ist überdies ein Revisionsverfahren anhängig (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16. Dezember 2015, 7 K 7366/13, Revision eingelegt, Az. des BFH: VI R 2/16). |
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