Tatbestand

1

Die Klägerin, die ein Kalkwerk im Gebiet der beklagten Gemeinde betreibt, wendet sich gegen die Heranziehung zu Abwasserbeiträgen durch die Beklagte.

2

Mit zwei Bescheiden vom 27. Dezember 2006 setzte die Beklagte Abwasserbeiträge in Höhe von insgesamt 1 004 000,45 € fest. Adressiert waren die Beitragsbescheide unter der Anschrift der Klägerin an die "... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH". Als Beitragsschuldner wird "die in der Anschrift genannte Person" bezeichnet. In einem der Bescheide brachte die Beklagte 127 822,97 € Vorausleistung in Abzug, die von der "... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH" aufgrund eines an sie adressierten Vorausleistungsbescheides vom 14. Dezember 2001 entrichtet worden waren.

3

Die "... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH" wurde mit Verschmelzungsvertrag vom 28. August 2001 gemeinsam mit (vier) weiteren Gesellschaften der ...-Gruppe zum 27. Dezember 2001 durch Eintragung in das Handelsregister mit der "Heidelberger ... GmbH" als übernehmendem Rechtsträger verschmolzen. Die Beklagte teilte der "Heidelberger ... GmbH" unter dem 28. August 2002 mit, dass die Bauarbeiten zum Anschluss der M. Schmutzwasserentsorgung an die Kläranlage des örtlichen Zweckverbandes abgeschlossen seien und es daher möglich sei, die Grundstücke der "Heidelberger ... GmbH" an den öffentlichen Schmutzwasserkanal anzuschließen. Ferner enthält das Schreiben einen Hinweis, dass über die zu entrichtenden Beiträge gesonderte Bescheide ergehen werden. Die Firma der "Heidelberger ... GmbH" wurde im Dezember 2002 in "... Deutschland GmbH" geändert. Die Klägerin ist im Wege einer weiteren Verschmelzung am 20. Juli 2009 als übernehmender Rechtsträger Rechtsnachfolgerin der "... Deutschland GmbH" und damit Eigentümerin der beitragspflichtigen Grundstücke geworden.

4

Der von der "... Deutschland GmbH" gegen die Bescheide eingelegte Widerspruch wurde zurückgewiesen. Die daraufhin erhobene Klage hatte vor dem Verwaltungsgericht Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof hat die erstinstanzliche Entscheidung mit Urteil vom 28. April 2010 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die angegriffenen Bescheide seien inhaltlich hinreichend bestimmt. Aus den Bescheiden ergebe sich insbesondere eindeutig, an wen sie sich richteten; danach schulde die "... Deutschland GmbH" die festgesetzten Abwasserbeiträge und nicht deren im Zeitpunkt des Erlasses der Bescheide erloschene Rechtsvorgängerin. Die Bescheide führten zwar im Adressfeld die "... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH" als Adressatin auf, die lediglich bis zum 27. Dezember 2001 Eigentümerin der im Bescheid genannten Grundstücke des Kalkwerks gewesen sei. Im Zeitpunkt des Zugangs der Bescheide hätten die Organe der "... Deutschland GmbH" die Bescheide auf Grundlage der für sie ohne Weiteres erkennbaren Umstände des Einzelfalls und unter Berücksichtigung von Treu und Glauben aber nur so verstehen können, dass die "... Deutschland GmbH" als aktuelle Eigentümerin der Grundstücke des Kalkwerks zum Beitrag herangezogen werden sollte. Eine andere Entscheidung rechtfertige auch nicht die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, wonach ein Verwaltungsakt unwirksam sei, wenn er sich gegen ein nicht oder nicht mehr existentes Steuersubjekt richte. Ob sich ein Verwaltungsakt gegen ein nicht existentes Steuersubjekt richte, könne erst nach erfolgter Auslegung und damit nicht allein aufgrund des Wortlauts des Adressfeldes gesagt werden.

5

Mit ihrer vom Senat mit Beschluss vom 28. April 2011 zugelassenen Revision macht die Klägerin in erster Linie geltend: Die Beitragsbescheide seien inhaltlich unbestimmt und damit nichtig, da vor ihrem Erlass das Vermögen der "... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH" einschließlich der beitragspflichtigen Grundstücke durch Verschmelzung auf die Rechtsvorgängerin der Klägerin übergegangen und die "... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH" erloschen sei. Darauf, ob die Rechtsvorgängerin der Klägerin hätte wissen müssen, dass die Bescheide an sie gerichtet gewesen seien, komme es nicht an. Der Verwaltungsgerichtshof habe durch seine Auslegung die Bescheide in Wahrheit umgedeutet und deren Unbestimmtheit erst herbeigeführt. Tatsächlich habe seitens der Beklagten auch kein Erklärungsirrtum vorgelegen, da der Sachbearbeiter den Bescheid bewusst an die noch im Grundbuch als Eigentümerin eingetragene "... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH" adressiert habe.

6

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 28. April 2010 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 29. April 2009 zurückzuweisen.

7

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

8

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Die Bescheide seien auslegungsfähig. Dabei komme es nicht darauf an, wie ein außenstehender Dritter, sondern allein wie der Betroffene sie nach den ihm bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen musste. Der Klägerin sei sofort klar gewesen, dass sie die Adressatin der Bescheide und Beitragsschuldnerin gewesen sei. Aus der den Bescheiden beigefügten Liste der der Beitragspflicht unterliegenden Grundstücke und der Vorkorrespondenz hätte sie dies jedenfalls ohne Weiteres erkennen können und müssen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin, auf die das Abgabenschuldverhältnis im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergegangen ist (§ 45 Abs. 1 Satz 1 AO) und die das Verfahren ihrer Rechtsvorgängerin aufgenommen hat (§ 173 VwGO i.V.m. den entsprechend anwendbaren §§ 239 ff. ZPO), ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil ist mit Bundesrecht vereinbar (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

10

Die vom Verwaltungsgerichtshof vertretene Auffassung, die Beitragsbescheide der Beklagten, die an eine schon mehrere Jahre zuvor durch gesellschaftsrechtliche Verschmelzung erloschene und damit als Rechtssubjekt nicht mehr existente GmbH adressiert sind, seien inhaltlich hinreichend bestimmt, weil sich die Rechtsnachfolgerin der Gesellschaft als Inhaltsadressatin ansehen musste, betrifft im Ausgangspunkt irrevisibles Landesrecht. Denn die Anforderungen an die Bestimmtheit von Heranziehungsbescheiden zu Abwasserbeiträgen ergeben sich hier zunächst aus § 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b, Nr. 4 Buchst. c des baden-württembergischen Kommunalabgabengesetzes in Verbindung mit § 119 Abs. 1, § 157 Abs. 1 Satz 2 der kraft Verweisung im Kommunalabgabengesetz ebenfalls nur als Landesrecht zur Anwendung kommenden Abgabenordnung (stRspr; vgl. Beschlüsse vom 2. Juli 1990 - BVerwG 5 B 37.90 - Buchholz 310 § 137 VwGO Nr. 160 S.10 und vom 25. März 1996 - BVerwG 8 B 48.96 - Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 79 S. 53; Urteil vom 19. März 2009 - BVerwG 9 C 10.08 - Buchholz 406.11 § 133 BauGB Nr. 135 Rn. 9). Unter bundesrechtlichen und damit revisiblen Gesichtspunkten ist deshalb lediglich fraglich, ob die Auslegung und Anwendung von Landesrecht mit den Anforderungen, die das allgemeine Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) an die Bestimmtheit von Abgabenbescheiden stellt, vereinbar ist. Dies ist der Fall.

11

1. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass der Adressat eines Verwaltungsakts zwar einerseits hinreichend bestimmt bezeichnet sein muss, dass aber andererseits ein Verwaltungsakt mit Blick auf die Bezeichnung des Inhaltsadressaten auslegungsfähig sein und die Auslegung etwaige Zweifel an der Bestimmtheit beseitigen kann. Dabei kommt es nicht darauf an, wie ein außenstehender Dritter, sondern allein wie der Betroffene selbst nach den ihm bekannten Umständen den Verwaltungsakt unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen musste. Die Annahme der Nichtigkeit eines Abgabenbescheides wegen Unbestimmtheit scheidet danach aus, wenn die (vorrangige) Auslegung des Bescheides etwaige Zweifel an der Bestimmtheit beseitigt (Urteil vom 25. Februar 1994 - BVerwG 8 C 2.92 - Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 68 S. 4; Beschlüsse vom 25. März 1996 a.a.O. S. 53 f. und vom 6. September 2008 - BVerwG 7 B 10.08 - juris Rn. 24). Diese Auslegungsgrundsätze hat das Berufungsgericht seinem Urteil zugrunde gelegt.

12

Weiter gehende Anforderungen an die Auslegung von Bescheiden aufgrund des rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebots folgen nicht aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Unbestimmtheit und Nichtigkeit von an den nicht mehr existenten Rechtsvorgänger des Steuerschuldners adressierten Steuerbescheiden. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geht der Bundesfinanzhof davon aus, dass konstituierender Bestandteil jedes Verwaltungsakts die Angabe des Inhaltsadressaten ist, d.h. desjenigen, dem gegenüber der Einzelfall geregelt werden soll (BFH, Urteil vom 13. Dezember 2007 - IV R 91/05 - juris Rn. 14). Weiterhin in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Bestimmtheit von Verwaltungsakten lässt der Bundesfinanzhof es grundsätzlich genügen, wenn die Identität des Inhaltsadressaten eines Steuerverwaltungsakts durch Auslegung anhand der dem Betroffenen bekannten Umstände einschließlich dem Bescheid beigefügten Unterlagen und zeitlich vorhergehender Bescheide hinreichend sicher bestimmt werden kann (BFH, Beschluss vom 29. Juni 1988 - IV B 70/88 - juris Rn. 22 und Urteil vom 1. Dezember 2004 - II R 10/02 - juris Rn. 9 m.w.N. ). Diese Grundsätze erfahren nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs jedoch dann eine Einschränkung, wenn sich der in seiner Bezeichnung des Adressaten eindeutige Abgabenbescheid gegen ein nicht oder nicht mehr existierendes Steuersubjekt richtet. Das ist unter anderem dann der Fall, wenn der Adressat des Abgabenbescheides eine Gesellschaft ist, die bei Erlass des Bescheides durch Umwandlung erloschen war (BFH, Großer Senat, Beschluss vom 21. Oktober 1985 - GrS 4/84 - BFHE 145, 110, BStBl II 1986, 230; Urteil vom 25. Januar 2006 - I R 52/05 - juris Rn. 9, 13). Ferner können nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs Fehler in der Bezeichnung des Steuerschuldners im Fall der Rechtsnachfolge im weiteren Verfahren nicht geheilt werden (BFH, Großer Senat, Beschluss vom 21. Oktober 1985 a.a.O.). Die Tatsache, dass sich der Empfänger eines Bescheides mit unrichtiger Bezeichnung des Steuerschuldners als Adressat angesehen hat, sei unbeachtlich, weil die objektive Richtigkeit oder Unrichtigkeit eines Bescheides nicht vom Verhalten der Beteiligten abhängen könne. Eine Auslegung eines Steuerbescheides hinsichtlich des Inhaltsadressaten kommt danach nur dann in Betracht, wenn dessen Bezeichnung im Bescheid selbst mehrdeutig ist (BFH, Urteil vom 13. Dezember 2007 a.a.O. Rn. 16, 19).

13

Die Frage, ob das Berufungsgericht bei seiner Auslegung diesen vom Bundesfinanzhof für die Fälle der Rechtsnachfolge entwickelten Grundsätzen gerecht geworden ist, stünde einer revisionsgerichtlichen Überprüfung nur dann offen, wenn die vom Bundesfinanzhof vorgenommenen Einschränkungen der allgemeinen Auslegungsregeln bei der Ermittlung des Inhaltsadressaten eines Abgabenverwaltungsakts durch den rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatz geboten und damit Teil des Bundesrechts (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) wären. Dies ist nicht der Fall.

14

Das Bundesverfassungsgericht hat das im allgemeinen Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) wurzelnde, der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit dienende Bestimmtheitsgebot vor allem im Zusammenhang mit der hinreichenden Bestimmtheit von Gesetzen konturiert. Danach sind gesetzliche Tatbestände so zu fassen, dass die Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach ausrichten können. Welche Anforderungen an die Bestimmtheit zu stellen sind, lässt sich indes nicht generell und abstrakt festlegen, sondern hängt auch von der Eigenart des zu ordnenden Lebenssachverhalts und dem Zweck der betroffenen Norm (BVerfG, Beschlüsse vom 17. Juli 2003 - 2 BvL 1/99 u.a. - BVerfGE 108, 186 <235> und vom 18. Mai 2004 - 2 BvR 2374/99 - BVerfGE 110, 370 <396 f.>) sowie den jeweiligen Grundrechtsauswirkungen und der Art und Intensität des zugelassenen behördlichen Eingriffs ab (BVerfG, Beschluss vom 24. November 1981 - 2 BvL 4/80 - BVerfGE 59, 104 <114>; Urteil vom 27. Juli 2005 - 1 BvR 668/04 - BVerfGE 113, 348 <375 f.>; BVerwG, Beschluss vom 20. August 1997 - BVerwG 8 B 170.97 - BVerwGE 105, 144 <147>). Auch bei öffentlich-rechtlichen Abgaben kommt es für die hinreichende Bestimmtheit des Gesetzes auf die Eigenart des geregelten Sachbereichs wie auf das Betroffensein von Grundrechten an. Für alle Abgaben gilt als allgemeiner Grundsatz, dass abgabenbegründende Tatbestände so bestimmt sein müssen, dass der Abgabenpflichtige die auf ihn entfallende Abgabe in gewissem Umfang vorausberechnen kann. Dabei genügt es im Bereich des Gebühren- und Beitragsrechts, dass für den Abgabenschuldner die Höhe der zu erwartenden Abgabe im Wesentlichen abschätzbar ist, so dass für ihn unzumutbare Unsicherheiten nicht entstehen können (BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 2003 a.a.O. S. 236; BVerwG, Beschluss vom 20. August 1997 a.a.O. S. 148 f.).

15

Aus diesen Grundsätzen lassen sich Rückschlüsse auf die verfassungsrechtlich gebotene Bestimmtheit von Verwaltungsakten ziehen. Auch bei ihnen dient das Bestimmtheitsgebot der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit und verlangt, dass ein rechtsstaatlicher Mindeststandard eingehalten wird (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl. 2011, § 37 Rn. 2). Der Adressat muss in der Lage sein zu erkennen, was von ihm gefordert wird; zudem muss der Verwaltungsakt geeignete Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein können. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit eines Verwaltungsakts nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt umzusetzenden materiellen Rechts (vgl. Urteil vom 18. April 1997 - BVerwG 8 C 43.95 - BVerwGE 104, 301 = Buchholz 401.0 § 191 AO Nr. 7). Dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot lässt sich von daher nicht entnehmen, dass es in Fällen der Rechtsnachfolge von Verfassungs wegen ausgeschlossen ist, einen an ein erloschenes Rechtssubjekt als Beitragsschuldner adressierten Abgabenbescheid im Wege der Auslegung als an den Rechtsnachfolger des Adressaten gerichtet zu verstehen. Bei Beachtung der anerkannten Auslegungsgrundsätze ist auch in diesen Fällen in einer dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot genügenden Weise gesichert, dass für den durch Auslegung des Bescheides ermittelten Inhaltsadressaten keine unzumutbaren Unsicherheiten über seine Betroffenheit sowie über Grund, Höhe und Fälligkeit der Abgabenschuld entstehen. Die von dem Bundesfinanzhof in Auslegung einfach-rechtlicher Normen der Abgabenordnung vertretene Auffassung, ein im Fall der Rechtsnachfolge an den Rechtsvorgänger gerichteter Abgabenbescheid sei unwirksam und könne nicht dahin ausgelegt werden, dass Inhaltsadressat der Rechtsnachfolger sei, geht mithin über das durch Bundes(verfassungs)recht Gebotene hinaus und ist damit einer revisionsgerichtlichen Überprüfung hier entzogen.

16

2. Die Auslegung der angefochtenen Beitragsbescheide durch das Berufungsgericht hält einer revisionsgerichtlichen Überprüfung ebenfalls stand. Dabei kann offen bleiben, ob das Revisionsgericht zur selbständigen Auslegung von Verwaltungsakten befugt ist (so Urteile vom 14. Dezember 2005 - BVerwG 10 C 6.04 - BVerwGE 125, 9 Rn. 19 und vom 25. Februar 1994 a.a.O.) oder ob es jedenfalls dann, wenn das Berufungsgericht ein Auslegungsergebnis - wie hier - näher begründet hat, darauf beschränkt ist, die Auslegung des Tatrichters daraufhin zu überprüfen, ob sie auf einem Rechtsirrtum beruht oder ob sie einen Verstoß gegen allgemeine Erfahrungssätze, Denkgesetze oder Auslegungsregeln erkennen lässt oder einen umstrittenen Prozessstoff zu Unrecht unberücksichtigt gelassen hat (Urteil vom 4. Dezember 2001 - BVerwG 4 C 2.00 - BVerwGE 115, 274 <280>; vgl. auch Neumann, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 3. Aufl. 2010, § 137 Rn. 166 ff.). Denn die Vorinstanz ist ohne Verstoß gegen die anerkannten Auslegungsregeln oder einen sonstigen Rechtsverstoß zu einer Auslegung der angegriffenen Beitragsbescheide gelangt, die der Senat teilt.

17

Die Rüge der Revision, die Bescheide seien aufgrund der Adressierung an die "... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH" hinsichtlich ihres Inhaltsadressaten eindeutig und daher nicht der Auslegung zugänglich, übersieht, dass nach der Ermittlung des Wortlauts einer Erklärung in einem zweiten Schritt auch die außerhalb der Begleitumstände liegenden Umstände in die Auslegung einzubeziehen sind, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Selbst ein klarer Wortlaut einer Erklärung stellt keine Grenze für die Auslegung anhand der Gesamtumstände dar. Die Feststellung, dass eine Erklärung eindeutig ist, lässt sich erst durch eine alle Umstände berücksichtigende Auslegung treffen (BGH, Urteile vom 19. Januar 2000 - VIII ZR 275/98 - NJW-RR 2000, 1002 <1003> und vom 19. Dezember 2001 - XII ZR 281/99 - NJW 2002, 1260 <1261>). Eine solche umfassende Auslegung hat der Verwaltungsgerichtshof vorgenommen, indem er berücksichtigt hat, dass der Klägerin ihre Eigentümerstellung hinsichtlich der in der Anlage zu den Bescheiden genau bezeichneten Grundstücke ebenso bekannt war wie ihre Beitragspflicht aufgrund des Anschlusses ihres Betriebs an die neu errichtete Schmutzwasserentsorgungsanlage der Beklagten. Als weiteren wesentlichen und der Klägerin bekannten Teil der Vorgeschichte der Bescheide hat der Verwaltungsgerichtshof den an die "... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH" gerichteten und beglichenen Vorausleistungsbescheid vom 14. Dezember 2001 und insbesondere das nach Erlöschen der "... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH" an deren Rechtsnachfolgerin gerichtete Schreiben der Beklagten vom 28. August 2002, mit dem die Klägerin als Grundstückseigentümerin über ihre bevorstehende Heranziehung zu den Kosten des Klärwerks informiert wurde, angesehen. Die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, der Rechtsvorgängerin der Klägerin habe aufgrund dieser Umstände bei Erhalt der Bescheide "auf den ersten Blick" klar sein müssen, dass sie selbst als aktuelle Eigentümerin der Grundstücke des Kalkwerks und nicht die bereits seit Jahren erloschene "... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH" herangezogen werden sollte und lediglich die Adressierung versehentlich fehlerhaft war, weist einen Rechtsfehler nicht auf.

18

Die Rüge der Klägerin, bei einer eindeutigen Adressierung eines Bescheides könne sich aus einem zeitlich vorangehenden Bescheid allenfalls ergeben, dass unklar sei, welches Rechtssubjekt der später ergangene Bescheid betreffe, übersieht, dass die Auslegung stets einer Gesamtbetrachtung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls bedarf und das Berufungsgericht gerade nicht nur auf die Ankündigung der Beklagten, die Rechtsvorgängerin der Klägerin heranziehen zu wollen, sondern zusätzlich darauf abgestellt hat, dass für die Klägerin ohne Weiteres erkennbar war, dass sie für den ihr gewährten Vorteil des Anschlusses an die kommunale Kläranlage beitragspflichtig und daher Adressatin der Beitragsforderung war. Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge der Klägerin, bei einer Auslegung nach § 133 BGB sei der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen und der Sachbearbeiter der Beklagten habe nach den tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts in den Bescheiden bewusst und gewollt die "... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH" als Adressatin bezeichnet. Entsprechend den zu empfangsbedürftigen Willenserklärungen im Zivilrecht entwickelten Grundsätzen ist bei Verwaltungsakten nicht auf den wirklichen Willen des Erklärenden (sog. natürliche Auslegung), sondern - wie oben dargelegt - auf die objektive Erklärungsbedeutung (sog. normative Auslegung), wie sie der Empfänger verstehen musste, abzustellen (stRspr, Urteil vom 2. September 1999 - BVerwG 2 C 22.98 - BVerwGE 109, 283 <286>; BFH, Urteil vom 26. August 1982 - IV R 31/82 - BFHE 136, 351 m.w.N; vgl. zum Zivilrecht Ellenberger, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 71. Aufl. 2012, § 133 Rn. 7, 9). Dass der Abgabenbescheid Grundlage für die Zwangsvollstreckung gegen den Abgabenschuldner ist, führt zu keiner anderen Beurteilung. Soweit die Klägerin unter Hinweis auf zivilrechtliche Grundsätze geltend macht, aufgrund der Formenstrenge des Zwangsvollstreckungsverfahrens komme eine Auslegung eines Titels durch außerhalb des Titels liegende Umstände nicht in Betracht, übersieht sie, dass auch im Zivilrecht Umstände außerhalb des Titels berücksichtigt werden können, wenn dem nicht berechtigte Schutzinteressen des Vollstreckungsschuldners entgegenstehen. Solche verneint der Bundesgerichtshof dann, wenn Prozess- und Vollstreckungsgericht identisch sind und daher auch das Vollstreckungsgericht über die für die Auslegung des Titels erforderlichen Kenntnisse verfügt (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2003 - I ZB 45/02 - BGHZ 156, <339>). Hiermit vergleichbar ist die Situation bei der zwangsweisen Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Abgaben durch die den Abgabenbescheid erlassende Behörde, die zudem bei der Vollstreckung weitergehenden rechtlichen Bindungen als ein privater Gläubiger unterworfen ist.

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(1) Bei Gesamtrechtsnachfolge gehen die Forderungen und Schulden aus dem Steuerschuldverhältnis auf den Rechtsnachfolger über. Dies gilt jedoch bei der Erbfolge nicht für Zwangsgelder.

(2) Erben haben für die aus dem Nachlass zu entrichtenden Schulden nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten einzustehen. Vorschriften, durch die eine steuerrechtliche Haftung der Erben begründet wird, bleiben unberührt.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das angefochtene Urteil auf der Verletzung

1.
von Bundesrecht oder
2.
einer Vorschrift des Verwaltungsverfahrensgesetzes eines Landes, die ihrem Wortlaut nach mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes übereinstimmt,
beruht.

(2) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(3) Wird die Revision auf Verfahrensmängel gestützt und liegt nicht zugleich eine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 vor, so ist nur über die geltend gemachten Verfahrensmängel zu entscheiden. Im übrigen ist das Bundesverwaltungsgericht an die geltend gemachten Revisionsgründe nicht gebunden.

(1) Der Beitragspflicht unterliegen Grundstücke, für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung festgesetzt ist, sobald sie bebaut oder gewerblich genutzt werden dürfen. Erschlossene Grundstücke, für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung nicht festgesetzt ist, unterliegen der Beitragspflicht, wenn sie nach der Verkehrsauffassung Bauland sind und nach der geordneten baulichen Entwicklung der Gemeinde zur Bebauung anstehen. Die Gemeinde gibt bekannt, welche Grundstücke nach Satz 2 der Beitragspflicht unterliegen; die Bekanntmachung hat keine rechtsbegründende Wirkung.

(2) Die Beitragspflicht entsteht mit der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlagen, für Teilbeträge, sobald die Maßnahmen, deren Aufwand durch die Teilbeträge gedeckt werden soll, abgeschlossen sind. Im Falle des § 128 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 entsteht die Beitragspflicht mit der Übernahme durch die Gemeinde.

(3) Für ein Grundstück, für das eine Beitragspflicht noch nicht oder nicht in vollem Umfang entstanden ist, können Vorausleistungen auf den Erschließungsbeitrag bis zur Höhe des voraussichtlichen endgültigen Erschließungsbeitrags verlangt werden, wenn ein Bauvorhaben auf dem Grundstück genehmigt wird oder wenn mit der Herstellung der Erschließungsanlagen begonnen worden ist und die endgültige Herstellung der Erschließungsanlagen innerhalb von vier Jahren zu erwarten ist. Die Vorausleistung ist mit der endgültigen Beitragsschuld zu verrechnen, auch wenn der Vorausleistende nicht beitragspflichtig ist. Ist die Beitragspflicht sechs Jahre nach Erlass des Vorausleistungsbescheids noch nicht entstanden, kann die Vorausleistung zurückverlangt werden, wenn die Erschließungsanlage bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht benutzbar ist. Der Rückzahlungsanspruch ist ab Erhebung der Vorausleistung mit 2 vom Hundert über dem Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs jährlich zu verzinsen. Die Gemeinde kann Bestimmungen über die Ablösung des Erschließungsbeitrags im Ganzen vor Entstehung der Beitragspflicht treffen.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das angefochtene Urteil auf der Verletzung

1.
von Bundesrecht oder
2.
einer Vorschrift des Verwaltungsverfahrensgesetzes eines Landes, die ihrem Wortlaut nach mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes übereinstimmt,
beruht.

(2) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(3) Wird die Revision auf Verfahrensmängel gestützt und liegt nicht zugleich eine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 vor, so ist nur über die geltend gemachten Verfahrensmängel zu entscheiden. Im übrigen ist das Bundesverwaltungsgericht an die geltend gemachten Revisionsgründe nicht gebunden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner), kann durch Haftungsbescheid, wer kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, kann durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden. Die Anfechtung wegen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis außerhalb des Insolvenzverfahrens erfolgt durch Duldungsbescheid, soweit sie nicht im Wege der Einrede nach § 9 des Anfechtungsgesetzes geltend zu machen ist; bei der Berechnung von Fristen nach den §§ 3 und 4 des Anfechtungsgesetzes steht der Erlass eines Duldungsbescheids der gerichtlichen Geltendmachung der Anfechtung nach § 7 Abs. 1 des Anfechtungsgesetzes gleich. Die Bescheide sind schriftlich oder elektronisch zu erteilen.

(2) Bevor gegen einen Rechtsanwalt, Patentanwalt, Notar, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer wegen einer Handlung im Sinne des § 69, die er in Ausübung seines Berufs vorgenommen hat, ein Haftungsbescheid erlassen wird, gibt die Finanzbehörde der zuständigen Berufskammer Gelegenheit, die Gesichtspunkte vorzubringen, die von ihrem Standpunkt für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Die Vorschriften über die Festsetzungsfrist sind auf den Erlass von Haftungsbescheiden entsprechend anzuwenden. Die Festsetzungsfrist beträgt vier Jahre, in den Fällen des § 70 bei Steuerhinterziehung zehn Jahre, bei leichtfertiger Steuerverkürzung fünf Jahre, in den Fällen des § 71 zehn Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Tatbestand verwirklicht worden ist, an den das Gesetz die Haftungsfolge knüpft. Ist die Steuer, für die gehaftet wird, noch nicht festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist für den Haftungsbescheid nicht vor Ablauf der für die Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist; andernfalls gilt § 171 Abs. 10 sinngemäß. In den Fällen der §§ 73 und 74 endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt (§ 228) ist.

(4) Ergibt sich die Haftung nicht aus den Steuergesetzen, so kann ein Haftungsbescheid ergehen, solange die Haftungsansprüche nach dem für sie maßgebenden Recht noch nicht verjährt sind.

(5) Ein Haftungsbescheid kann nicht mehr ergehen,

1.
soweit die Steuer gegen den Steuerschuldner nicht festgesetzt worden ist und wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist auch nicht mehr festgesetzt werden kann,
2.
soweit die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt ist oder die Steuer erlassen worden ist.
Dies gilt nicht, wenn die Haftung darauf beruht, dass der Haftungsschuldner Steuerhinterziehung oder Steuerhehlerei begangen hat.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 281/99 Verkündet am:
19. Dezember 2001
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGB §§ 133 B, 157 D
Zu den Voraussetzungen einer ergänzenden Vertragsauslegung.
BGH, Urteil vom 19. Dezember 2001 - XII ZR 281/99 - KG Berlin
LG Berlin
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. Dezember 2001 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die
Richter Gerber, Prof. Dr. Wagenitz, Fuchs und Dr. Vézina

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerinnen wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 2. September 1999 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Das beklagte Land Berlin (im folgenden: der Beklagte) faßte 1992 den Entschluß, auf einer als "L. II" bezeichneten Fläche in B. ein Bauabfall-Recycling-Zentrum zu errichten. Es sollte sich um ein sogenanntes Vorzeigeobjekt handeln. Die Klägerinnen, drei Berliner Baugesellschaften , schlossen sich in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammen und boten sich dem Beklagten als Investoren und als Träger des geplanten Recycling-Zentrums an. Am 19. Mai 1993 schlossen die Klägerinnen als Mieter und der Beklagte als Vermieter über die
Grundstücke L. II einen schriftlichen Mietvertrag ab. Die Mieter verpflichteten sich unter anderem, alle erforderlichen Bauarbeiten auf eigene Kosten auszuführen (§ 9) und Baumischabfälle anzunehmen und zu sortieren sowie Reststoffe ordnungsgemäû zu entsorgen (§ 3). Der Mietzins sollte - zunächst - eine 1 DM pro Quadratmeter und Monat betragen, auûerdem sollte der Vermieter als "Nutzungsentgelt" 10 % vom Rohertrag des Betreibers erhalten (§ 6). § 1 Abs. 4 lautet: "Der Mieter übernimmt sämtliche Kosten für alle erforderlichen Planungen und Genehmigungen im Falle des positiven Abschlusses." In einer von beiden Parteien unterzeichneten ergänzenden Vereinbarung zum Mietvertrag erläuterten die Parteien, was mit einigen Regelungen des Mietvertrages gemeint sei. Zu § 1 Abs. 4 heiût es, gemeint sei: "Der Vermieter übernimmt alle notwendigen nachgewiesenen Kosten, wenn wider Erwarten die Genehmigungen nicht erteilt werden." Die Klägerinnen haben die erforderlichen Genehmigungsunterlagen erarbeiten lassen und das Genehmigungsverfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz eingeleitet. Gegen den Plan, auf dem Gelände L. II die Anlage zu errichten, erhoben sich erhebliche Widerstände in der Bevölkerung, über die auch in der Presse berichtet wurde. Auch das zuständige Bezirksamt P. , das an dem Genehmigungsverfahren zu beteiligen war, war gegen diesen Plan. Der Beklagte schlug den Klägerinnen deshalb vor, die Anlage zu veränderten Bedingungen auf dem Gelände L. I zu errichten. Die Kläger beantragten daher am 30. Januar 1995 zunächst das Ruhen des Genehmigungsverfahrens für das Gelände L. II. Mit Schreiben vom 25. August
1995 teilte der Beklagte (Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen) den Klägerinnen mit, es sei "in unserem Hause" entschieden worden, den Standort L. II nicht weiter zu verfolgen und die geplante Anlage statt dessen auf der Fläche L. I zu errichten. Weiter heiût es in diesem Schreiben: "Aus diesem Grunde lösen wir im gegenseitigen Einvernehmen obigen Vertrag ... auf, um einen modifizierten Vertrag hinsichtlich des neuen Standorts ... zu vereinbaren." Die Klägerinnen widersprachen der Auflösung des alten Mietvertrages, weil sie mit verschiedenen Regelungen des vom Beklagten für L. I vorgelegten Vertragsentwurfs nicht einverstanden waren. Die Verhandlungen hierüber scheiterten. Die Klägerinnen nahmen später den Genehmigungsantrag zurück. Mit der vorliegenden Klage verlangen sie die Erstattung der bei ihnen angefallenen Planungskosten. Sie machen geltend, bei der Vertragsverhandlung am 18. Dezember 1992 hätten sie ausdrücklich gefordert, daû ihnen im Falle der Nichtdurchführbarkeit des Vorhabens die Planungskosten erstattet werden müûten. Die Vertreter des Beklagten hätten daraufhin versichert, das Vorhaben könne an dem vorgesehenen Standort unzweifelhaft durchgeführt werden, die Senatsverwaltung für Bauen werde sich gegenüber dem Bezirksamt durchsetzen. Irgendwelche Kosten müûten die Klägerinnen nur selbst tragen , wenn ihnen die erforderlichen Genehmigungen auch erteilt würden. Als Ergebnis dieser Erörterung sei § 1 Abs. 4 in den Mietvertrag aufgenommen worden.
Den Genehmigungsantrag hätten sie zurückgenommen, nachdem die zuständige Genehmigungsbehörde ihnen unmiûverständlich erklärt habe, unter den gegebenen Umständen komme eine Genehmigung nicht in Frage. Das Landgericht hat durch Grundurteil die Klage für dem Grunde nach gerechtfertigt erklärt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Kammergericht unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerinnen, mit der sie die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen wollen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. 1. Das Berufungsgericht führt aus, nach § 1 Abs. 4 des schriftlichen Mietvertrages hätten die Klägerinnen als Mieter "im Falle des positiven Abschlusses" alle Planungs- und Genehmigungskosten zu tragen. In der schriftlichen Zusatzvereinbarung hätten die Parteien diese Regelung dahin erläutert, daû der Beklagte als Vermieter die entsprechenden Kosten übernehmen müsse , wenn wider Erwarten die Genehmigungen nicht erteilt würden. Der Wortlaut dieser Vereinbarung sei eindeutig und enthalte keine Regelungslücke, deshalb sei er einer ergänzenden Vertragsauslegung nicht zugänglich. Den Klägerinnen sei unstreitig spätestens seit Dezember 1992 - also Monate vor Vertragsschluû - bekannt gewesen, daû Bürgerinitiativen die geplante Anlage verhindern wollten. Das damit verbundene Risiko sei nach dem Vortrag der Klägerin-
nen bei den Vertragsverhandlungen erörtert worden. Dennoch sei in den Vertrag nicht aufgenommen worden, der Beklagte müsse die Planungskosten auch dann tragen, wenn die Verwirklichung des Projekts L. II wegen der Aktivitäten der Bürgerinitiative aus politischen Gründen verhindert werde. Ob das Fehlen einer solchen vertraglichen Regelung auf einer Fehleinschätzung dieses Risikos beruhe - so die Behauptung der Klägerinnen -, sei unerheblich. Es könne auch dahingestellt bleiben, ob die Vertreter des Beklagten bei den Vertragsverhandlungen - wie von den Klägerinnen behauptet - zur Beruhigung der Klägerinnen die Meinung vertreten hätten, sie - die Klägerinnen - müûten irgendwelche Kosten nur tragen, wenn die erforderlichen Genehmigungen erteilt worden seien. Die Vertragsurkunde habe die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich. Diese Vermutung könne nur entkräftet werden, wenn der Nachweis erbracht werde, daû die Parteien bei Errichtung der Urkunde eine Nebenabrede getroffen hätten. Daû während der vorausgegangenen Vertragsverhandlungen über einen bestimmten Punkt Einigkeit bestanden habe, sei dazu nicht ausreichend. Eine Verpflichtung des Beklagten, den Klägerinnen die Planungskosten zu ersetzen, würde deshalb nur dann bestehen, wenn die Genehmigung nicht erteilt worden wäre. Über den Genehmigungsantrag sei aber nicht entschieden worden, weil die Klägerinnen das Verfahren nicht weiter betrieben hätten. Dahingestellt bleiben könne auch, ob den Klägerinnen - wie von ihnen behauptet - von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz erklärt worden sei, der gestellte Antrag könne sowieso nicht genehmigt werden. Die Klägerinnen seien verpflichtet gewesen, zunächst einen schriftlichen und begründeten Bescheid abzuwarten und gegen diesen Bescheid notfalls Rechtsmittel einzulegen.
Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. 2. Die Revision rügt mit Erfolg die Auslegung des zwischen den Parteien abgeschlossenen Vertrages durch das Berufungsgericht. Zwar unterliegt die Auslegung eines Vertrages als tatrichterliche Würdigung der revisionsgerichtlichen Überprüfung nur darauf, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln , die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt sind oder ob sie auf Verfahrensfehlern beruht (st.Rspr. des Bundesgerichtshofs, vgl. nur BGH, Urteil vom 25. Februar 1992 - X ZR 88/90 - NJW 1992, 1967 m.w.N.). Die Auslegung des Berufungsgerichts verletzt jedoch allgemein anerkannte Auslegungsregeln. Das Berufungsgericht stellt bei seiner Auslegung ausschlieûlich auf den Wortlaut ab, und zwar nicht einmal auf den Wortlaut des Vertrages selbst (§ 1 Abs. 4), der der Auslegung des Berufungsgerichts sogar entgegenstehen könnte, sondern auf den Wortlaut einer schriftlichen Erläuterung, die die Parteien zu dieser Klausel abgegeben haben. Es meint, dieser Wortlaut sei eindeutig und deshalb komme eine weitere Auslegung des Vertrages - auch eine ergänzende Vertragsauslegung - nicht in Betracht. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts verstoûen gegen das sich aus den §§ 133, 157 BGB ergebende Verbot einer sich ausschlieûlich am Wortlaut orientierenden Interpretation. Es kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben, ob der Wortlaut der Erläuterung zu § 1 Abs. 4 des Mietvertrages in Verbindung mit der Vertragsklausel selbst so eindeutig ist, wie das Berufungsgericht annimmt. Auch ein klarer und eindeutiger Wortlaut einer Erklärung bildet keine Grenze für die Auslegung an Hand der Gesamtumstände, und zwar weder bei der einfachen Auslegung noch bei der ergänzenden Auslegung eines lückenhaften Rechts-
geschäfts. Das Berufungsgericht verkennt, daû sich die Feststellung, ob eine Erklärung eindeutig ist oder nicht, erst durch eine alle Umstände berücksichtigende Auslegung treffen läût (BGHZ 86, 41, 47; Soergel/Hefermehl, BGB 12. Aufl. § 133 Rdn. 27, jeweils m.w.N.). Das Berufungsgericht führt weiter aus, die von den Klägerinnen behaupteten Absprachen bei den vorvertraglichen Verhandlungen seien ohne Bedeutung, weil sie keinen Niederschlag in der schriftlichen Vertragsurkunde gefunden hätten und weil eine Vermutung für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Vertragsurkunde spreche. Dabei übersieht das Berufungsgericht, daû der Inhalt der vorvertraglichen Verhandlungen entscheidende Bedeutung haben kann für die Auslegung eines Vertrages (BGHZ 86 aaO; Bundesarbeitsgericht , Urteil vom 10. Januar 1975 - 3 AZR 70/74 - Der Betrieb 1975, 1368 f.; MünchKommBGB/Mayer-Maly, 3. Aufl. § 133 Rdn. 44 m.N.). Da jedenfalls nicht auszuschlieûen ist, daû das von dem Berufungsgericht gefundene Auslegungsergebnis auf diesen Auslegungsfehlern beruht, kann die Auslegung des Berufungsgerichts keinen Bestand haben. 3. Der Senat ist nicht in der Lage, die Auslegung selbst vorzunehmen (vgl. hierzu Zöller/Gummer, ZPO 22. Aufl. § 550 Rdn. 10 m.N. aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs), weil die für die Auslegung maûgeblichen Gesamtumstände nicht hinreichend aufgeklärt sind. Der Senat ist deshalb auch nicht in der Lage, selbst abschlieûend zu entscheiden (§ 565 Abs. 3 ZPO). Die Sache muû vielmehr an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, damit es - eventuell nach ergänzendem Vortrag der Parteien - die für die Auslegung notwendigen Feststellungen nachholen kann.

a) Nach § 1 Abs. 4 des Mietvertrages sollten die Klägerinnen die Kosten für alle erforderlichen Planungen und Genehmigungen (nur) tragen "im Falle des positiven Abschlusses". Diese Formulierung würde auf Anhieb dafür sprechen , daû der Beklagte die Planungskosten tragen muû, wenn das Projekt - aus welchen Gründen auch immer - nicht durchgeführt werden kann. In den Erläuterungen zu dieser Bestimmung haben die Parteien aber klargestellt, gemeint sei, daû der Beklagte diese Kosten tragen müsse, wenn wider Erwarten die Genehmigungen nicht erteilt würden. Diese von den Vertragsschlieûenden gegebene Erläuterung der Vertragsklausel kann unterschiedliche Bedeutungen haben. Sie kann einmal lediglich die Klarstellung bedeuten, daû der Beklagte die Planungskosten zu tragen habe, wenn es nicht zu einem "positiven Abschluû" komme und, daû die - von den Parteien unstreitig als einziges ernst zu nehmendes Hindernis für die Durchführung des Projekts angesehene - Verweigerung der Genehmigung einer der Fälle sein sollte, in denen die Planungskosten von dem Beklagten zu übernehmen seien. Für diese Auslegung würde es entscheidend sprechen, wenn die Darstellung der Klägerinnen richtig ist, bei den Vertragsverhandlungen hätten die Vertreter des Beklagten erklärt, das Projekt würde auf jeden Fall durchgeführt, es handele sich um ein Prestigeobjekt des Landes Berlin, die Klägerinnen brauchten sich um nutzlose Planungskosten keine Sorgen zu machen, weil sie diese nur tragen müûten, wenn die Anlage genehmigt werde. Hierzu hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen.
b) Der Text der Erläuterung zu § 1 Abs. 4 des Mietvertrages läût allerdings auch die - vom Berufungsgericht vertretene - Deutung zu, die Planungskosten sollten nur dann von dem Beklagten getragen werden, wenn die Genehmigung nicht erteilt werde. Für eine solche Auslegung könnte es sprechen, wenn die Darstellung der Klägerinnen über die vorvertraglichen Verhandlungen
unrichtig ist und auûerdem die Anregung, die geschilderte Erläuterung zu § 1 Abs. 4 des Mietvertrages abzugeben, nicht von den Klägerinnen, sondern von dem Beklagten ausgegangen ist. Auch hierzu fehlen Feststellungen des Berufungsgerichts.
c) Schlieûlich besteht die - nicht fernliegende - Möglichkeit, daû die Parteien Hindernisse für die erfolgreiche Durchführung des Projekts nur im Zusammenhang mit der erforderlichen Genehmigung gesehen haben und daû sie deshalb nur den Fall geregelt haben, daû diese Genehmigung nicht erteilt werde. In diesem Falle käme eine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts scheidet eine ergänzende Vertragsauslegung nicht deshalb aus, weil den Klägerinnen von vornherein bekannt war, daû eine Bürgerinitiative das Projekt verhindern wollte und daû deshalb mit politischen Widerständen zu rechnen war. Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt nicht nur in Betracht, wenn die Parteien einen Punkt übersehen haben, sondern auch dann, wenn sie ihn offengelassen haben, weil sie - aus welchen Gründen auch immer - eine Regelung dieses Punktes für nicht erforderlich hielten (BGH, Urteil vom 13. Juli 1967 - VII ZR 128/65 - WM 1967, 1147, 1148; Staudinger/Dilcher, BGB 12. Aufl. §§ 133, 157 Rdn. 41 m.w.N.). Dieser Ansicht steht die Entscheidung des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 10. Juni 1965 (II ZR 6/63 - NJW 1965, 1960) nicht entgegen. In dem vom II. Zivilsenat entschiedenen Fall hatten die Vertragsschlieûenden erwogen, ob sie für einen Angestellten im Falle günstiger Geschäftsentwicklung eine erhöhte Tätigkeitsvergütung vorsehen sollten und hatten dann von einer entsprechenden Regelung in dem Vertrag abgesehen, weil sie eine solche Erhöhung nicht vereinbaren wollten. Sie haben also eine vertragliche Regelung für eine bestimmte Entwicklung nicht offengelassen, sondern sie haben bewuût eine "negative Entscheidung" getroffen. In einem solchen Falle enthält
der Vertrag selbstverständlich keine Lücke, die durch eine ergänzende Vertragsauslegung auszufüllen wäre. Sollte eine solche ergänzende Vertragsauslegung in Betracht kommen, so könnten für die Ausfüllung der Vertragslücke die von den Klägerinnen behaupteten Absprachen bei den Vertragsverhandlungen ebenfalls entscheidende Bedeutung haben. 4. Falls sich ein Anspruch der Klägerinnen auf Ersatz der Planungskosten nicht unmittelbar aus den getroffenen Vereinbarungen ergeben sollte, wird das Berufungsgericht erneut zu prüfen haben, ob den Klägerinnen ein entsprechender Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung oder Verschulden beim Vertragsschluû zusteht. Die Zurückverweisung gibt den Klägerinnen die Gelegenheit, ihre hierzu in der Revisionsbegründung geltend gemachte Rüge dem Berufungsgericht erneut vorzutragen. Hahne Gerber Wagenitz Fuchs Vézina

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 45/02 Verkündet am:
23. Oktober 2003
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Zwangsvollstreckungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Euro-Einführungsrabatt
Bei der - gegebenenfalls durch Auslegung vorzunehmenden - Feststellung,
gegen wen sich ein im Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung erwirkter
Unterlassungstitel richtet, können grundsätzlich auch Umstände außerhalb
des Titels berücksichtigt werden, wenn dem nicht berechtigte Schutzinteressen
des Antragsgegners entgegenstehen.
Die kumulative Androhung von Ordnungsgeld und Ordnungshaft widerspricht
zwar der Vorschrift, daß Ordnungsgeld und Ordnungshaft nur alternativ angedroht
werden dürfen, ist aber als Voraussetzung für die Festsetzung von Ordnungsmitteln
wirksam.

a) Wird die Hauptsache übereinstimmend und uneingeschränkt für erledigt erklärt
, hat dies zur Folge, daß ein im Verfahren erlassener, noch nicht rechtskräftig
gewordener Unterlassungstitel ohne weiteres entfällt. Der Titel kann
danach auch dann keine Grundlage für Vollstreckungsmaßnahmen mehr
sein, wenn die Zuwiderhandlung gegen das ausgesprochene Unterlassungsgebot
zuvor begangen worden ist.

b) Ein Gläubiger kann jedoch seine Erledigterklärung auf die Zeit nach dem
erledigenden Ereignis beschränken, wenn ein bereits erstrittener Unterlassungstitel
weiterhin als Grundlage für Vollstreckungsmaßnahmen wegen
Zuwiderhandlungen, die vor dem erledigenden Ereignis begangen worden
sind, aufrechterhalten bleiben soll.
Zur Frage der Bemessung von Ordnungsmitteln.
BGH, Beschl. v. 23. Oktober 2003 - I ZB 45/02 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 23. Oktober 2003 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Ullmann und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Starck, Pokrant und
Dr. Büscher

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 29. Oktober 2002 wird auf Kosten der Schuldnerin zurückgewiesen.
Der Wert des Gegenstands der Rechtsbeschwerde wird auf 200.000 stgesetzt.

Gründe:


A. Die Schuldnerin vertreibt in ihren 184 Warenhäusern vor allem Bekleidung. Am 2. Januar 2002 warb sie aus Anlaß der Einführung des Euro bundesweit in großformatigen Zeitungsanzeigen damit, sie werde in der Zeit vom 2. bis 5. Januar 2002 bei Zahlung mit EC- oder Kreditkarte einen Rabatt von 20 % gewähren. Gegen diese Werbung erwirkten der Gläubiger und ein Dritter einstweilige Verfügungen, die der Schuldnerin am 3. Januar 2002 zugestellt wurden. Als Reaktion darauf beschloß die Schuldnerin, ihre Preise an den bei-
den folgenden Tagen (am 4. und 5.1.2002) für alle Kunden unabhängig von der Art der Bezahlung um 20 % herabzusetzen.
Wegen dieser Aktion erwirkte der Gläubiger am 4. Januar 2002 die dem vorliegenden Zwangsvollstreckungsverfahren zugrundeliegende einstweilige Verfügung. Diese erging nach ihrem Rubrum gegen die "C. Mode, ges. vertreten durch ihre Geschäftsführer, B. straße , D. ". Durch den Beschluß wurde der Schuldnerin untersagt,
"im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken anzukündigen , daß auf alle Einkäufe 20 % Rabatt gegeben werden, wenn dies innerhalb eines Zeitraums erfolgt, bezüglich dessen zuvor angekündigt wurde, daß bei Bezahlung mit Kredit- oder EC-Karte 20 % Rabatt gewährt würden, und/oder einen so angekündigten Verkauf durchzuführen". Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wurden der Schuldnerin zugleich "!# $ % & (' "Ordnungsgeld bis zu 250.000 onaten , und Ordnungshaft bis zu sechs Monaten" angedroht.
Die einstweilige Verfügung wurde der Schuldnerin am 4. Januar 2002 um 15.44 Uhr in ihrer D. Filiale zugestellt. Gleichwohl setzte die Schuldnerin am 4. und 5. Januar 2002 ihre Verkaufsaktivitäten fort. Der Gläubiger beantragte deshalb am 9. Januar 2002, gegen die Schuldnerin gemäß § 890 ZPO ein Ordnungsgeld zu verhängen.
Die Schuldnerin ist dem entgegengetreten und hat zugleich gegen die einstweilige Verfügung Widerspruch eingelegt.
Das Landgericht hat durch Beschluß vom 27. März 2002 gegen die Schuldnerin wegen Verstoßes gegen die einstweilige Verfügung ein Ord- ) * ,+ nungsgeld in Höhe von 200.000
Gegen diese Entscheidung hat die Schuldnerin sofortige Beschwerde eingelegt.
Am 8. Mai 2002 haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung des Verfügungsverfahrens die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt. Das Landgericht hat der Schuldnerin daraufhin gemäß § 91a ZPO die Kosten des Verfügungsverfahrens auferlegt. Die dagegen gerichteten Rechtsmittel der Schuldnerin blieben ohne Erfolg.
Das Beschwerdegericht hat die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Ordnungsgeldbeschluß des Landgerichts zurückgewiesen.
Mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Schuldnerin ihr Begehren weiter, den landgerichtlichen Beschluß abzuändern und den Antrag, ein Ordnungsgeld festzusetzen, zurückzuweisen.
B. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet, weil die angefochtene Entscheidung nicht auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§ 576 Abs. 1, 3 i.V. mit § 546 ZPO).
I. Das Beschwerdegericht hat zu Recht angenommen, daß mit der einstweiligen Verfügung vom 4. Januar 2002 ein wirksamer Titel vorliegt, auf dessen Grundlage gegen die Schuldnerin wegen Zuwiderhandlungen gegen die einstweilige Verfügung, die am 4. und 5. Januar 2002 begangen wurden, ein Ordnungsgeld festgesetzt werden konnte.
1. Die Schuldnerin ist, wie das Beschwerdegericht zutreffend dargelegt hat, in der Beschlußverfügung vom 4. Januar 2002 zweifelsfrei als Antragsgegnerin bezeichnet.

a) Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Beurteilung auf seinen im Verfügungsverfahren ergangenen Beschluß Bezug genommen, durch den es die Entscheidung des Landgerichts über die Kosten des Verfügungsverfahrens bestätigt hat.
Bei der Bezeichnung der Antragsgegnerin fehle zwar der Firmenzusatz "Kommanditgesellschaft" oder eine entsprechende Abkürzung; auch deute die Angabe "ges. vertreten durch ihre Geschäftsführer" für sich genommen auf eine GmbH hin. Gleichwohl habe nach den gegebenen Umständen kein Zweifel bestanden, daß mit der im Passivrubrum genannten "C. Mode, ges. vertreten durch ihre Geschäftsführer, B. straße , D. " die Schuldnerin gemeint gewesen sei. Diese habe ihren Sitz an der angegebenen Adresse und betreibe in D. (in der S. straße) eine Filiale, in der bei Antragstellung - in Reaktion auf die vom Landgericht erlassene einstweilige Verfügung vom 2. Januar 2002 - ein genereller (befristeter) Preisnachlaß von 20 % gewährt worden sei. Der vom Gläubiger erwirkten ersten einstweiligen Verfügung sei zudem eine Abmahnung vorausgegangen, die von der Rechts-
abteilung der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 2. Januar 2002 beantwortet worden sei. Der hier in Rede stehenden einstweiligen Verfügung sei ebenfalls ein Abmahnschreiben vorausgegangen, das an die "Firma C. Mode - Rechtsabteilung" und damit ersichtlich an die Rechtsabteilung der Schuldnerin gerichtet gewesen sei. Dementsprechend sei eindeutig gewesen, daß die einstweilige Verfügung gegen die Schuldnerin ergangen sei und nicht gegen die bereits seit Ende 1992 nicht mehr in D. , sondern in B. ansässige "C. Mode GmbH". Daran ändere nichts, daß diese Gesellschaft - wie die Schuldnerin angebe - in D. ihre Verwaltung und in dieser Stadt eine weitere Zustelladresse in der B. straße habe.

b) Diese Beurteilung wird von der Rechtsbeschwerde ohne Erfolg angegriffen.
aa) Die Zwangsvollstreckung aus einer einstweiligen Verfügung setzt voraus, daß Gläubiger und Schuldner in dem Titel so genau bezeichnet sind, daß sie sicher festgestellt werden können (§ 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dabei geht es bei einem Unterlassungstitel nicht nur darum, die Inanspruchnahme Unbeteiligter auszuschließen, sondern gegenüber dem Antragsgegner zweifelsfrei klarzustellen, daß sich die gerichtliche Anordnung gegen ihn richtet. Trotz der Formstrenge, die in der Zwangsvollstreckung herrscht, ist eine kleinliche Handhabung des § 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht angebracht (vgl. MünchKomm.ZPO/Heßler, 2. Aufl., § 750 Rdn. 52; Walker in Schuschke/Walker, ZPO, 3. Aufl., § 750 Rdn. 15). Es genügt, wenn durch eine Auslegung anhand des Titels ohne weiteres festgestellt werden kann, wer Partei des Verfügungsverfahrens ist. Dabei dürfen jedenfalls bei einem Unter-
lassungstitel, der durch das Prozeßgericht erster Instanz selbst zu vollstrecken ist (§ 890 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, § 802 ZPO), auch Umstände außerhalb des Titels berücksichtigt werden (vgl. MünchKomm.ZPO/Heßler aaO § 750 Rdn. 24 ff.; Musielak/Lackmann, ZPO, 3. Aufl., § 750 Rdn. 9; a.A. Baumbach /Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 61. Aufl., § 750 Rdn. 3; Thomas /Putzo, ZPO, 25. Aufl., Vor § 704 Rdn. 22, jeweils m.w.N.).
bb) Trotz der Ungenauigkeit der Bezeichnung der Antragsgegnerin im Rubrum besteht keine Unsicherheit darüber, daß sich die einstweilige Verfügung gegen die Schuldnerin richtet. Eine Auslegung der einstweiligen Verfügung dahin, daß die "C. Mode GmbH" betroffen ist, war schon im Zeitpunkt der Zustellung der einstweiligen Verfügung - auch aus der Sicht der Schuldnerin - bereits durch die nähere Bezeichnung der untersagten Handlung zweifelsfrei ausgeschlossen. Eine solche Verkaufsmaßnahme führte damals nur die Schuldnerin durch. Im Untersagungstenor ist auch ihre vorausgegangene Aktion angesprochen. Der Gläubiger hatte die Schuldnerin wegen dieser Aktion abgemahnt. Wie sich aus den Feststellungen des Beschwerdegerichts ergibt, hatte die Schuldnerin überdies wegen der Umstellung ihrer Verkaufsmaßnahmen am 4. Januar 2002 bereits eine Abmahnung mit Fristsetzung bis 14 Uhr erhalten und rechnete mit der Zustellung einer entsprechenden einstweiligen Verfügung.
2. Mit ihren Einwendungen gegen die sachliche Richtigkeit der einstweiligen Verfügung kann die Rechtsbeschwerde im vorliegenden Zwangsvollstrekkungsverfahren nicht gehört werden (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann aaO Vor § 704 Rdn. 16; Melullis, Handbuch des Wettbewerbsprozesses, 3. Aufl., Rdn. 929).

3. Wie das Beschwerdegericht weiter zu Recht angenommen hat, ist die Zwangsvollstreckung aus der einstweiligen Verfügung vom 4. Januar 2002 nicht deshalb unzulässig, weil der Schuldnerin darin Ordnungsgeld und Ordnungshaft kumulativ angedroht worden sind.
Die Festsetzung von Ordnungsmitteln ist nach § 890 Abs. 2 ZPO unzulässig , wenn nicht eine entsprechende Androhung vorausgegangen ist. Diese muß, um wirksam zu sein, Art und Höchstmaß des angedrohten hoheitlichen Zwangs bestimmt angeben (vgl. BGH, Urt. v. 6.7.1995 - I ZR 58/93, GRUR 1995, 744, 749 = WRP 1995, 923 - Feuer, Eis & Dynamit I [insoweit nicht in BGHZ 130, 205]; Großkomm.UWG/Jestaedt, Vor § 13 E Rdn. 17; Baumbach/ Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., Einl. UWG Rdn. 579; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl., Kap. 57 Rdn. 25, jeweils m.w.N.). Die kumulative Androhung von "Ordnungsgeld und Ordnungshaft" widerspricht zwar der Vorschrift, daß Ordnungsgeld und Ordnungshaft nur alternativ angedroht werden dürfen (§ 890 Abs. 1 und 2 ZPO), sie ist aber bestimmt und wirksam (a.A. Pastor/Ahrens/Jestaedt, Der Wettbewerbsprozeß, 4. Aufl., Kap. 39 Rdn. 13; Melullis aaO Rdn. 939). Die Androhung der Ordnungsmittel soll dem Schuldner die möglichen Folgen eines Verstoßes gegen das Unterlassungsgebot deutlich vor Augen führen. Eine Androhung von Ordnungsmitteln in einem Umfang, der den dafür vom Gesetz festgesetzten Rahmen übersteigt , wird dementsprechend als wirksam angesehen, weil in einem solchen Fall noch weniger als bei Androhung der vom Gesetz vorgesehenen Ordnungsmittel die Gefahr besteht, daß der Schuldner die Bedeutung der Ordnungsmittelandrohung unterschätzt (vgl. OLG Hamm GRUR 1983, 606, 607; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 21. Aufl., § 890 Rdn. 14; Schuschke in
Schuschke/Walker aaO § 890 Rdn. 16; Berneke, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 2. Aufl., Rdn. 164). Die Androhung von "Ordnungsgeld und Ordnungshaft" nebeneinander ist nur ein besonderer Fall einer Androhung von Ordnungsmitteln über das gesetzlich zulässige Maß hinaus. Auch in einem solchen Fall erfordert es kein Schutzinteresse des Schuldners, die Ordnungsmittelandrohung als unwirksam anzusehen.
4. Die Beschlußverfügung vom 4. Januar 2002 ist weiterhin dadurch, daß der Schuldnerin eine beglaubigte Abschrift einer Beschlußausfertigung im Parteibetrieb zugestellt wurde, vollzogen und dadurch wirksam geworden.
Die Zustellung war nach § 170 ZPO a.F. wirksam. Das zugestellte Schriftstück war eine beglaubigte Abschrift einer Ausfertigung der einstweiligen Verfügung. Der die Zustellung bewirkende Rechtsanwalt des Gläubigers konnte die Beglaubigung nach § 170 Abs. 2 ZPO a.F. selbst vornehmen. Diese war auch wirksam. Für die Beglaubigung ist keine besondere Form vorgeschrieben. Erforderlich ist jedoch, daß sich die Beglaubigung unzweideutig auf das gesamte Schriftstück erstreckt und dessen Blätter als Einheit derart verbunden sind, daß die körperliche Verbindung als dauernd gewollt erkennbar und nur durch Gewaltanwendung zu lösen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 27.5.1974 - VII ZB 5/74, NJW 1974, 1383, 1384). Dem genügte die zugestellte beglaubigte Abschrift. Die aus zwei Blättern bestehende Abschrift der Beschlußverfügung ist mit mehreren Heftklammern zusammengeheftet. Der Beglaubigungsvermerk befindet sich auf dem zweiten Blatt und bezieht sich damit auf das gesamte zugestellte Schriftstück; die Verbindung mit Heftklammern war als körperliche Verbindung der einzelnen Blätter der Abschrift ausreichend (vgl. BGH NJW 1974, 1383, 1384; OLG Celle OLG-Rep 1999, 328, 329; OLG Bamberg
OLG-Rep 2002, 239, 240; Zöller/Stöber, ZPO, 23. Aufl., § 169 Rdn. 8; Graf Lambsdorff, Handbuch des Wettbewerbsverfahrensrechts, 2000, Rdn. 269; Berneke aaO Rdn. 318).
5. Das Beschwerdegericht hat auch zu Recht entschieden, daß die Beschlußverfügung nicht nachträglich als Grundlage für Zwangsvollstreckungsmaßnahmen wegen Zuwiderhandlungen gegen die einstweilige Verfügung, die in der Zeit vom 4. bis 5. Januar 2002 begangen worden sind, entfallen ist.

a) Das Beschwerdegericht hat zur Begründung ausgeführt, aus einem Unterlassungsgebot, das im Wege der einstweiligen Verfügung ausgesprochen worden sei, könne auch nach einer uneingeschränkten übereinstimmenden Erledigterklärung vollstreckt werden, soweit es um Zuwiderhandlungen gegen das Unterlassungsgebot gehe, die vor dem erledigenden Ereignis begangen worden seien. Gerade der vorliegende Fall zeige, daß andernfalls nicht hinnehmbare Mißstände eintreten würden. Da die Schuldnerin die ihr verbotene Verkaufsaktion ausdrücklich aus Anlaß der Währungsumstellung durchgeführt habe, sei nach Einführung des Euro die Wiederholungsgefahr entfallen. Der Gläubiger habe deshalb das Verfügungsverfahren für erledigt erklären müssen, um der Zurückweisung seines Verfügungsantrags zu entgehen. Wäre es in derartigen Fällen ausgeschlossen, nach einer übereinstimmenden Erledigterklärung wegen zuvor begangener Zuwiderhandlungen gemäß § 890 ZPO Ordnungsmittel festzusetzen, würde diese Vorschrift nicht mehr ihren Zweck erfüllen können, die Durchsetzung gerichtlicher Unterlassungsgebote sicherzustellen.

b) Dieser Begründung kann nicht zugestimmt werden.

aa) Wird die Hauptsache übereinstimmend und uneingeschränkt für erledigt erklärt (§ 91a ZPO), hat dies zur Folge, daß ein im Verfahren erlassener Titel, über den noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist, ohne weiteres entfällt. Der Titel kann danach auch dann keine Grundlage für Vollstreckungsmaßnahmen mehr sein, wenn die Zuwiderhandlung gegen das ausgesprochene Unterlassungsgebot zuvor begangen worden ist (vgl. u.a. OLG Hamm WRP 1990, 423 mit Anm. Münzberg; Stein/Jonas/Brehm aaO § 890 Rdn. 27; Zöller/ Stöber aaO § 890 Rdn. 9a, 25; Schuschke in Schuschke/Walker aaO § 890 Rdn. 13; Teplitzky aaO Kap. 57 Rdn. 38; Melullis aaO Rdn. 955 ff.; Köhler /Piper, UWG, 3. Aufl., Vor § 13 Rdn. 389; Baumbach/Hefermehl aaO Einl. UWG Rdn. 587a; Fritzsche, Unterlassungsanspruch und Unterlassungsklage, 2000, S. 667 ff.; Ulrich, WRP 1992, 147 ff.).
bb) Die vom Beschwerdegericht vertretene Gegenmeinung (ebenso u.a. Großkomm.UWG/Jestaedt, Vor § 13 E Rdn. 46; Pastor/Ahrens aaO Kap. 63 Rdn. 16; Borck, WRP 1994, 656 ff.) ist mit §§ 775 Nr. 1, 776 ZPO nicht vereinbar. Die Festsetzung von Ordnungsmitteln setzt als Zwangsvollstreckung einen noch vollstreckbaren Titel voraus (vgl. OLG Hamm WRP 1990, 423, 424 mit Anm. Münzberg; KG NJW-RR 1999, 790 f.; Stein/Jonas/Brehm aaO § 890 Rdn. 27; Zöller/Vollkommer aaO § 91a Rdn. 12).
Das Erfordernis eines noch vollstreckbaren Titels ist auch bei der Vollstreckung zur Erzwingung von Unterlassungen gemäß § 890 ZPO unverzichtbar. Es stellt auch in diesem Bereich sicher, daß staatliche Zwangsmaßnahmen nur aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung ergehen, die rechtskräftig geworden ist oder deren Rechtmäßigkeit jedenfalls noch in dem dafür vorgese-
henen gerichtlichen Verfahren überprüft werden kann. Ohne Erfüllung dieser Voraussetzung wäre die Vollstreckung durch Anwendung staatlicher Zwangsmittel rechtsstaatswidrig (vgl. OLG Hamm WRP 1990, 423, 424 mit Anm. Münzberg).
Nach einer uneingeschränkten übereinstimmenden Erledigterklärung kann jedoch keine Entscheidung über den Streitgegenstand mehr ergehen (vgl. BGHZ 106, 359, 366; BGH, Beschl. v. 8.5.2003 - I ZB 40/02, GRUR 2003, 724 = WRP 2003, 895). Es ist nur noch nach billigem Ermessen eine Entscheidung über die Kosten zu treffen. Dabei genügt eine summarische Prüfung unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands. Die Ansicht des Beschwerdegerichts , daß gleichwohl aus einem Unterlassungstitel, der vor einer uneingeschränkten übereinstimmenden Erledigterklärung erwirkt worden ist, wegen bereits begangener Zuwiderhandlungen vollstreckt werden könne, hätte deshalb zur Folge, daß dem Schuldner die Verteidigungsmöglichkeiten gegen den Titel abgeschnitten würden, die ihm bei einer Fortsetzung des Verfahrens zugestanden hätten. Sogar aus einer Beschlußverfügung könnte nach dieser Ansicht noch vollstreckt werden, auch wenn der Schuldner niemals Gelegenheit hatte, Einwendungen vorzutragen.
cc) Die Ansicht, daß ein Unterlassungstitel als Grundlage der Zwangsvollstreckung wegfällt, wenn die Hauptsache uneingeschränkt übereinstimmend für erledigt erklärt wird, hat nicht zur Folge, daß gegebenenfalls auf eine wirksame Durchsetzung gerichtlicher Unterlassungsgebote verzichtet werden müßte. Der Gläubiger kann vielmehr seine Erledigterklärung auf die Zeit nach dem erledigenden Ereignis beschränken und damit verhindern, daß ein von ihm erwirkter Titel nicht bereits wegen der Erledigterklärung als Grundlage für
Vollstreckungsmaßnahmen wegen Zuwiderhandlungen, die vor dem erledigenden Ereignis begangen worden sind, entfällt.
(1) Eine solche beschränkte Erledigterklärung eines Verfahrens ist rechtlich möglich (vgl. OLG Hamm WRP 1990, 423, 424 mit Anm. Münzberg; KG NJW-RR 1999, 790, 791; Stein/Jonas/Brehm aaO § 890 Rdn. 28; Baumbach / Hefermehl aaO Einl. UWG Rdn. 587b; Köhler/Piper aaO Vor § 13 Rdn. 389; Teplitzky aaO Kap. 57 Rdn. 38; Melullis aaO Rdn. 957 ff.; Fritzsche aaO S. 667 f.; Grosch, Rechtswandel und Rechtskraft bei Unterlassungsurteilen, 2002, S. 134). Der Zeitablauf ist auch bei einem Unterlassungstitel, der von vornherein befristet war, oder dem nach den Umständen nur in einem bestimmten Zeitraum zuwidergehandelt werden konnte, kein erledigendes Ereignis (vgl. Stein/Jonas/Brehm aaO § 890 Rdn. 30; Pastor/Ahrens/Ulrich aaO Kap. 37 Rdn. 20 f.; Melullis aaO Rdn. 958; Grosch aaO S. 134; Münzberg, WRP 1990, 425, 426; a.A. Borck, WRP 1994, 656, 658). Über den prozessualen Anspruch kann vielmehr weiterhin entschieden werden, soweit es um die Möglichkeit geht, das in einem bereits erwirkten Titel ausgesprochene Unterlassungsgebot für die Vergangenheit durchzusetzen.
Dies gilt auch für Unterlassungstitel, die im Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung ergangen sind. Streitgegenstand eines auf ein Unterlassungsgebot gerichteten Verfügungsverfahrens ist der prozessuale Anspruch des Antragstellers auf Sicherung des materiell-rechtlichen Anspruchs (vgl. - zum Arrestverfahren - BGH, Beschl. v. 10.10.1979 - IV ARZ 52/79, NJW 1980, 191; vgl. weiter Berneke aaO Rdn. 90 m.w.N.). Nach einer auf die Zukunft beschränkten Erledigterklärung ist Gegenstand des anhängig gebliebe-
nen Teils des Verfahrens das Bestehen eines Anspruchs auf Sicherung des materiell-rechtlichen Unterlassungsanspruchs für die Zeit bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses. Die damit verbundene Möglichkeit, daß ein im Verfügungsverfahren erlassener Unterlassungstitel mit Wirkung für einen Zeitraum in der Vergangenheit von einer Erledigterklärung für die Zukunft - unbeschadet der Entscheidung über seine Aufrechterhaltung - unberührt bleibt, wird auch von Sinn und Zweck des Verfügungsverfahrens gefordert. Andernfalls könnte der Antragsgegner eine einstweilige Verfügung ohne weiteres dadurch rückwirkend hinfällig machen und Ordnungsmitteln wegen Verstößen gegen diese entgehen, daß er eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgibt und so eine übereinstimmende Erledigterklärung erzwingt. Die Erwirkung einstweiliger Verfügungen wegen Wettbewerbsverstößen wäre unter diesen Umständen vielfach sinnlos.
Auch das Erfordernis der Dringlichkeit steht der Aufrechterhaltung einer Unterlassungsverfügung für einen bereits abgelaufenen Zeitraum nicht entgegen (a.A. Ahrens/Spätgens, Einstweiliger Rechtsschutz und Vollstreckung in UWG-Sachen, 4. Aufl., Rdn. 726). Für die Beurteilung des für die Zeit bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses noch anhängigen Verfügungsantrags kommt es vielmehr nach dem Sicherungszweck des Verfügungsverfahrens allein darauf an, ob die Dringlichkeit für die Sicherung des materiell-rechtlichen Anspruchs in diesem Zeitraum gegeben war.
(2) Die Möglichkeit, daß aus einer einstweiligen Verfügung wegen Zuwiderhandlungen in der Vergangenheit noch vollstreckt werden kann, auch wenn diese mit Wirkung für die Zukunft entfallen ist, wird auch von Sinn und Zweck der nach § 890 ZPO zu verhängenden Ordnungsmittel gefordert. Neben ihrer
Funktion als zivilrechtliche Beugemaßnahmen zur Vermeidung künftiger Zuwiderhandlungen haben die Ordnungsmittel auch einen repressiven, strafähnlichen Sanktionscharakter (vgl. BVerfGE 58, 159, 162 f.; BGHZ 146, 318, 323 - Trainingsvertrag; BGH, Urt. v. 30.9.1993 - I ZR 54/91, GRUR 1994, 146, 147 = WRP 1994, 37 - Vertragsstrafebemessung; MünchKomm.ZPO/Schilken aaO § 890 Rdn. 21; Teplitzky aaO Kap. 57 Rdn. 24, jeweils m.w.N.). Sie sollen deshalb auch eine wirksame Durchsetzung von Unterlassungstiteln ermöglichen , die zeitlich befristet sind oder wegen eines später eingetretenen Ereignisses (nur) für die Zukunft nicht aufrechterhalten werden können.

c) Der Gläubiger hat hier, wie das Beschwerdegericht zutreffend dargelegt hat, die Erledigung der Hauptsache nur mit Wirkung für die Zukunft erklärt.
Gegen diese Auslegung spricht lediglich der Wortlaut der in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Erledigterklärung. Für die Auslegung ist jedoch nicht allein der Wortlaut maßgebend. Entscheidend ist der erklärte Wille, wie er auch aus den Begleitumständen und nicht zuletzt der Interessenlage hervorgehen kann. Im Zweifel gilt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht (vgl. BGH, Urt. v. 7.6.2001 - I ZR 21/99, GRUR 2001, 1036 = WRP 2001, 1231 - Kauf auf Probe; Urt. v. 14.11.2002 - I ZR 199/00, GRUR 2003, 231, 232 = WRP 2003, 279 - Staatsbibliothek, m.w.N.). Die Erklärung wurde hier - auch aus der Sicht der Schuldnerin - allein im Hinblick darauf abgegeben, daß nach Beendigung der beanstandeten Verkaufsveranstaltung die Wiederholungsgefahr entfallen sei. Es bestand kein Anhaltspunkt dafür, daß der bereits gestellte Ordnungsmittelantrag nicht weiterverfolgt werden sollte. Unter solchen Umständen wird ohnehin in der Regel davon auszugehen sein, daß eine Erledigt-
erklärung nur für die Zukunft gelten und einen bereits erwirkten Unterlassungstitel als Grundlage für die Vollstreckung wegen zurückliegender Zuwiderhandlungen nicht in Frage stellen soll. Hier kommt hinzu, daß der Gläubiger die Erledigterklärung in seinem Schriftsatz vom 13. März 2002 ausdrücklich nur mit Wirkung für die Zukunft abgegeben hatte.

d) Die einstweilige Verfügung ist wegen der zeitlichen Beschränkung der Erledigterklärung auch nach der im Verfügungsverfahren getroffenen Kostenentscheidung eine Grundlage für Vollstreckungsmaßnahmen wegen Zuwiderhandlungen vor der übereinstimmenden Erledigterklärung geblieben.
II. Das Beschwerdegericht hat weiter rechtsfehlerfrei festgestellt, daß die Schuldnerin dem Unterlassungsgebot der einstweiligen Verfügung vom 4. Januar 2002 vorsätzlich zuwidergehandelt hat.
1. Die tatrichterliche Feststellung des Beschwerdegerichts, daß die Schuldnerin am 4. und 5. Januar 2002 in ihren Filialen durch die Fortsetzung ihrer Aktion gegen die einstweilige Verfügung verstoßen hat, wird von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen.
2. Mit dem Beschwerdegericht ist von einem vorsätzlichen Verstoß gegen die einstweilige Verfügung auszugehen.

a) Das Beschwerdegericht hat dazu ausgeführt, die Schuldnerin habe ihre Hauptverwaltung in dem Bewußtsein, daß mit dem Erlaß und der Zustellung einer einstweiligen Verfügung zu rechnen sei, bereits um 15 Uhr geschlossen und sei danach bewußt untätig geblieben. Es könne letztlich offenbleiben, ob
zur Erfüllung des Unterlassungsgebots eine rechtzeitige Umstellung ihres EDVgestützten Kassensystems möglich gewesen wäre, weil die Schuldnerin der einstweiligen Verfügung auch in anderer Weise hätte entsprechen können und müssen. Das Kassenpersonal hätte jedenfalls nach der Zustellung der einstweiligen Verfügung bereits am 4. Januar 2002 die vom Kassensystem ausgewiesenen Preise mit Hilfe von Taschenrechnern ohne weiteres korrigieren können , falls die Waren nicht ohnehin noch mit den regulären Preisen ausgezeichnet gewesen sein sollten. Die Schuldnerin könne sich nicht mit Erfolg darauf berufen, daß ein solches Vorgehen zum Zusammenbruch der gesamten Kassenabwicklung geführt hätte. Zum einen hätte weit weniger Kundenandrang an den Kassen geherrscht, wenn die Schuldnerin ihre Waren zu den regulären Preisen angeboten hätte; zum anderen hätte die Schuldnerin zur Befolgung der gerichtlichen Verfügung ihren Verkauf notfalls einstellen müssen. Die Filialen der Schuldnerin hätten durch Telefon, Fax oder E-Mail über die einstweilige Verfügung unterrichtet werden können; diese hätte dann binnen einer Stunde umgesetzt werden können. Die Schuldnerin habe aber entsprechende Maßnahmen nicht eingeleitet, sondern ihre wettbewerbswidrige Aktion in Kenntnis des gerichtlichen Verbots weiter "durchgezogen".

b) Die dagegen gerichteten Rügen der Rechtsbeschwerde bleiben ohne Erfolg.
Die Feststellungen des Beschwerdegerichts widersprechen nicht der Lebenserfahrung. Danach kann keine Rede davon sein, daß der Schuldnerin neben der Zuwiderhandlung gegen die einstweilige Verfügung nur die Alternative offengestanden habe, den Verkauf insgesamt einzustellen. Unabhängig davon ist die Ansicht des Beschwerdegerichts, daß der Schuldnerin zur Ver-
meidung eines rechtswidrigen Verhaltens auch zuzumuten gewesen wäre, notfalls den Verkauf (ganz oder teilweise) einzustellen, rechtsfehlerfrei. -/. III. Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 200.000 ebenfalls der rechtlichen Nachprüfung stand.
1. Das Beschwerdegericht hat bei seiner Entscheidung berücksichtigt, daß die Schuldnerin vorsätzlich gegen die einstweilige Verfügung verstoßen hat. Es hat weiter ausgeführt, der Verstoß sei schwerwiegend, weil die Schuldnerin , ein marktstarkes Unternehmen, ihre Aktion bundesweit in 184 Filialen durchgeführt habe. Der Verstoß wiege um so schwerer, als sich die Schuldnerin durch die vorangegangene einstweilige Verfügung nicht habe beeindrucken lassen und mit ihrer Aktion versucht habe, diese zu umgehen. Die verbotswidrig fortgesetzte Sonderveranstaltung sei auch wirtschaftlich ein voller Erfolg gewesen. Nach dem Aufgreifen der Aktion in der Presse sei der Kundenansturm außerordentlich gewesen. Die eingeräumte Umsatzsteigerung für den Januar 2002 sei ausschließlich den vier Verkaufstagen vom 2. bis 5. Januar 2002 zuzuordnen. Ein anteiliger Betrag der auf diese Tage entfallenden Um- 0 1 .2. ( 3 4 5 - * %67 & satzsteigerung von mindestens 25 bis 50 Mio. hmittag und den Abend des 4. Januar sowie den 5. Januar 2002; dabei sei davon auszugehen, daß die Umsätze gerade an diesen Tagen besonders hoch gewesen seien. Demgegenüber hätte die überwiegende Zahl der Einzelhändler in dieser ohnehin umsatzschwachen Zeit infolge der Kaufzurückhaltung der Verbraucher bei der Euro-Umstellung beträchtliche Umsatzeinbußen hinnehmen müssen. Durch die Aktion habe die Schuldnerin zudem einen erheblichen Imagegewinn erzielt.
2. Die Angriffe der Rechtsbeschwerde gegen diese Beurteilung greifen nicht durch.

a) Bei der Wahl und Bemessung der Ordnungsmittel steht dem Tatrich- ter ein Ermessen zu (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann aaO § 890 Rdn. 17). Die getroffene Entscheidung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur darauf überprüft werden, ob alle wesentlichen Umstände rechtsfehlerfrei gewürdigt worden sind und ob von dem Ermessen gemäß dem Gesetzeszweck unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Gebrauch gemacht worden ist.
Ordnungsmittel im Sinne des § 890 ZPO sind im Hinblick auf ihren Zweck zu bemessen. Zu berücksichtigen sind deshalb bei der Festsetzung von Ordnungsmitteln insbesondere Art, Umfang und Dauer des Verstoßes, der Verschuldensgrad , der Vorteil des Verletzers aus der Verletzungshandlung und die Gefährlichkeit der begangenen und möglicher künftiger Verletzungshandlungen für den Verletzten. Eine Titelverletzung soll sich für den Schuldner nicht lohnen (vgl. BGH GRUR 1994, 146, 147 - Vertragsstrafebemessung; Köhler /Piper aaO Vor § 13 Rdn. 386).

b) Diese Grundsätze hat das Beschwerdegericht nicht verkannt. Die Aufhebung des Rabattgesetzes führt entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde schon deshalb nicht zu einer anderen Beurteilung, weil die einstweilige Verfügung nicht auf das Rabattgesetz gestützt war, sondern auf das weiterhin geltende Verbot von Sonderveranstaltungen (§ 7 Abs. 1 UWG). Das Beschwerdegericht hat zudem zu Recht einen schwerwiegenden vorsätzlichen Verstoß gegen die einstweilige Verfügung angenommen. Die Schuldnerin hat
die untersagte Verkaufsförderungsmaßnahme in Kenntnis und in Ausnutzung des großen Medienechos, das ihre vorausgegangene, ebenfalls durch eine einstweilige Verfügung untersagte Aktion ausgelöst hatte, eingeleitet. Die erreichte Umsatzsteigerung hat das Beschwerdegericht bei der Bemessung des Ordnungsgeldes zutreffend berücksichtigt. Die Frage, ob auch der Gewinn ein taugliches Kriterium für die Bemessung von Ordnungsmitteln sein kann (bejahend Köhler/Piper aaO Vor § 13 Rdn. 386; verneinend Teplitzky aaO Kap. 57 Rdn. 34, jeweils m.w.N.), stellt sich hier - anders als die Rechtsbeschwerde meint - nicht, weil das Beschwerdegericht nicht auf den erzielten Gewinn abgestellt hat. Die Höhe des festgesetzten Ordnungsgeldes ist auch unter Berücksichtigung des Umstands, daß der Tatrichter vom Wegfall der Wiederholungsgefahr ausgegangen ist, nicht unverhältnismäßig.
C. Die Rechtsbeschwerde war danach auf Kosten der Schuldnerin zurückzuweisen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Ullmann v. Ungern-Sternberg Starck
Pokrant Büscher