Bundesverwaltungsgericht Urteil, 20. Jan. 2016 - 9 C 1/15

ECLI:ECLI:DE:BVerwG:2016:200116U9C1.15.0
bei uns veröffentlicht am20.01.2016

Tatbestand

1

Die Kläger sind Miteigentümer von fünf Grundstücken, für die die Beklagte durch Bescheide vom 16. August 2005 Ausbaubeiträge in Höhe von insgesamt 4 472,65 € festsetzte; die Fälligkeit sollte binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Bescheide eintreten. Die Kläger legten gegen die Bescheide Widerspruch ein. Außerdem beantragten sie mit Schreiben vom 10. November 2005 und 26. Januar 2006 die Aussetzung der Vollziehung, was die Beklagte mit Schreiben vom 7. Februar 2006 ablehnte. Die von der Beklagten geforderten Ausbaubeiträge gingen bei ihr am 26. Oktober 2006 ein.

2

Auf die am 7. Mai 2007 gestellten Anträge ordnete das Verwaltungsgericht W. mit im Wesentlichen gleichlautenden Beschlüssen vom 18. März 2008 die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Kläger gegen die Festsetzungsbescheide an und gab der Beklagten auf, den Klägern den Beitrag zu erstatten. Dem kam die Beklagte nach.

3

Durch Widerspruchsbescheid vom 22. April 2009 wurden die Beitragsbescheide aufgehoben. Die Rückerstattung der Nebenleistungen (Säumniszuschläge, Mahnkosten, Pfändungsgebühren, Auslagen), die die Kläger zuvor an die Beklagte entrichtet hatten, lehnte diese allerdings mit Bescheid vom 2. März 2010 ab. Der dagegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos.

4

Auf die am 21. Februar 2011 erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht W. die Beklagte mit Urteil vom 14. Dezember 2011 verpflichtet, den Klägern Säumniszuschläge in Höhe von 565,50 € zu erstatten, und sie verurteilt, weitere 144,25 € nebst Zinsen daraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 21. Februar 2011 zu zahlen. Das Oberverwaltungsgericht hat die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die Kläger hätten einen Anspruch auf Erstattung der in Höhe von 565,50 € gezahlten Säumniszuschläge und 144,25 € weiteren Nebenforderungen nebst diesbezüglicher Prozesszinsen. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 1 VwGO suspendiere den angefochtenen Verwaltungsakt ab dem Zeitpunkt seines Erlasses. Dem Widerspruchsführer sollten aus dem Verwaltungsakt von Anfang an keine nachteiligen Konsequenzen erwachsen. Dieses Ziel lasse sich nur erreichen, wenn seit dem Eintritt der Fälligkeit der Abgabe verwirkte Säumniszuschläge sowie die angefallenen Nebenleistungen nachträglich entfielen.

5

Mit der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision macht die Beklagte eine Verletzung von § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO geltend: Die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen einen Abgabenbescheid lasse die Fälligkeit der Schuld unberührt. Die Behörde dürfe zwar keine Maßnahmen treffen, die rechtlich als Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts einzustufen seien. Die bis zum Eintritt der aufschiebenden Wirkung bereits entstandenen Rechtswirkungen bestünden dagegen fort. Die Säumniszuschläge entstünden kraft Gesetzes mit der Nichtzahlung zum Fälligkeitszeitpunkt; sie seien daher nicht als Vollstreckungsmaßnahme der Behörde zu qualifizieren. Ungeachtet der späteren Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts blieben entstandene Säumniszuschläge verwirkt. Die spätere Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs berühre die Entstehung der Mahnkosten, Pfändungsgebühren und Auslagen ebenfalls nicht.

6

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 8. Dezember 2014 sowie das Urteil des Verwaltungsgerichts W. vom 14. Dezember 2011 zu ändern und die Klage abzuweisen, soweit sie auf die Erstattung von Säumniszuschlägen in Höhe von 565,50 € und auf die Zahlung weiterer 144,25 € nebst Zinsen daraus in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 21. Februar 2011 gerichtet ist.

7

Die Kläger beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

8

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Berufungsurteil verstößt nicht gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

10

1. Das Berufungsgericht hat die Verpflichtung der Beklagten zur Erstattung der umstrittenen Säumniszuschläge auf § 15 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b ThürKAG in Verbindung mit § 37 Abs. 2 AO gestützt. Es hat angenommen, dass Säumniszuschläge gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b ThürKAG in Verbindung mit § 240 Abs. 1 AO nach Eintritt der Fälligkeit der Straßenausbaubeiträge am 20. September 2005 bis zum Eingang des von den Klägern überwiesenen Betrages von 4 472,65 € bei der Beklagten am 26. Oktober 2006 entstanden, jedoch rückwirkend in vollem Umfang infolge der angeordneten aufschiebenden Wirkung der Widersprüche der Kläger gegen die angefochtenen Straßenausbaubeitragsbescheide entfallen sind.

11

Diese Auffassung steht mit Bundesrecht in Einklang. Soweit das Berufungsgericht den Klageanspruch auf die kraft Verweisung im Kommunalabgabengesetz geltenden Vorschriften der Abgabenordnung stützt, kommen diese allerdings nur als Landesrecht zur Anwendung (stRspr, s. etwa BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2012 - 9 C 7.11 - BVerwGE 143, 222 Rn. 10 m.w.N.). Die Auslegung und Anwendung von Landesrecht durch das Oberverwaltungsgericht ist der revisionsgerichtlichen Prüfung durch das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich entzogen. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts ist jedoch der revisionsgerichtlichen Kontrolle insoweit unterworfen, als sie sich bei der Auslegung und Anwendung des Landesrechts auf Bundesrecht, hier auf § 80 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 5 VwGO stützt.

12

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verpflichtet die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage (§ 80 Abs. 1 VwGO) die Behörde, für die Dauer des durch die Anfechtung des Verwaltungsaktes herbeigeführten Schwebezustandes alle Maßnahmen zu unterlassen, die - in einem weiten, auch die Besonderheiten rechtsgestaltender und feststellender Verwaltungsakte (§ 80 Abs. 1 Satz 2 VwGO) berücksichtigenden Sinne - als Vollziehung zu qualifizieren sind, d.h. der Verwirklichung der mit dem Verwaltungsakt ausgesprochenen Rechtsfolge und der sich aus ihr ergebenden weiteren Nebenfolgen dienen (vgl. nur BVerwG, Urteile vom 21. Juni 1961 - 8 C 398.59 - BVerwGE 13, 1 <6>, vom 6. Juli 1973 - 4 C 79.69 - Buchholz 310 § 80 VwGO Nr. 23 S. 21, vom 27. Oktober 1982 - 3 C 6.82 - BVerwGE 66, 218 <222>, vom 17. August 1995 - 3 C 17.94 - BVerwGE 99, 109 <112> und vom 20. November 2008 - 3 C 13.08 - BVerwGE 132, 250 Rn. 7 ff.). Demgemäß ist der Behörde durch § 80 Abs. 1 VwGO untersagt, einstweilen solche Folgerungen aus dem Verwaltungsakt zu ziehen, die sie vermöge ihrer Sonderstellung als Hoheitsträger ziehen könnte. Die aufschiebende Wirkung lässt die Wirksamkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes jedoch unberührt (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. November 2008 - 3 C 13.08 - BVerwGE 132, 250 Rn. 9, 12).

13

In Fällen öffentlicher Abgaben, wie hier der Straßenausbaubeiträge, entfällt die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO); auf Antrag kann sie jedoch vom Gericht angeordnet werden (§ 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Erforderlich ist in diesem Fall regelmäßig ein vorheriger erfolgloser Aussetzungsantrag bei der Behörde (§ 80 Abs. 6 VwGO). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung schließt die Rechtsfolge der Ausnahmeregelung des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO aus und führt somit wieder zum Regelfall des § 80 Abs. 1 VwGO.

14

Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung wirkt generell auf den Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes zurück (BVerwG, Urteil vom 6. Juli 1973 - 4 C 79.69 - Buchholz 310 § 80 VwGO Nr. 23 S. 24; OVG Bautzen, Urteil vom 12. Oktober 2005 - 5 B 471/04 - NVwZ-RR 2007, 54 <55>; Finkelnburg, in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 6. Aufl. 2011, Rn. 658; Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Oktober 2015, § 80 Rn. 535; a.A. OVG Greifswald, Urteil vom 20. Mai 2003 - 1 L 137/02 - NVwZ-RR 2004, 212 <213>; OVG Koblenz, Urteil vom 8. November 1988 - 6 A 118/87 - NVwZ-RR 1989, 324; Sauthoff, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand März 2015, § 12 Rn. 82). Denn die gerichtliche Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO soll grundsätzlich die Rechtslage in Kraft setzen, die bestände, wenn die in § 80 Abs. 1 VwGO vorgesehene aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs nicht ausnahmsweise entfiele (BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 1987 - 1 C 19.85 - BVerwGE 78, 192 <209 f.>). Das Gericht kann allerdings im Rahmen seiner Ermessensausübung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die Rückwirkung zeitlich einschränken oder ausschließen, insbesondere die Wirkungen der Entscheidung nur für die Zukunft eintreten lassen (so zutreffend OVG Lüneburg, Urteil vom 14. März 1989 - 9 A 57/88 - NVwZ 1990, 270 <271>; Finkelnburg, Vorläufiger Rechtsschutz Rn. 658). Auf diese Weise kann dem Fall, dass etwa ein Abgabenpflichtiger bis zur Stellung des einstweiligen Rechtsschutzantrages bei Gericht eine unangemessene Zeit verstreichen lässt und dann bei einem Obsiegen bereits erfolgte Vollziehungsmaßnahmen aufgehoben wissen will (so das Argument des OVG Greifswald, Urteil vom 20. Mai 2003 - 1 L 137/02 - NVwZ-RR 2004, 212 <213>), Rechnung getragen werden. Ein Bedürfnis, einen uneingeschränkt stattgebenden Tenor "im Zweifel" dahin auszulegen, dass die aufschiebende Wirkung erst ab Antragstellung (so Sauthoff, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand März 2015, § 12 Rn. 82) oder erst ab Wirksamkeit des Beschlusses gilt, besteht danach nicht.

15

Daraus folgt, dass verwirkte Säumniszuschläge mit der uneingeschränkten Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Abgabenbescheid rückwirkend entfallen (so auch OVG Lüneburg, Urteil vom 14. März 1989 - 9 A 57/88 - NVwZ 1990, 270 <271>; OVG Bautzen, Urteil vom 12. Oktober 2005 - 5 B 471/04 - NVwZ-RR 2007, 54 f.; Jachmann/Kellerer/Braun, ThürVBl. 2005, 130 <131>; a.A. VGH München, Beschlüsse vom 25. August 1989 - 23 CS 89.02090 und 23 CS 89.02092 - NVwZ-RR 1990, 328 <330> und vom 8. Januar 2010 - 20 CS 09.2918 - juris Rn. 13; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl. 2012, § 24 Rn. 69). Das Oberverwaltungsgericht hat das Landesrecht insoweit - revisionsrechtlich nicht überprüfbar - übereinstimmend mit der finanzgerichtlichen Rechtsprechung dahin ausgelegt, dass es sich bei den Säumniszuschlägen zwar nicht um Vollstreckungsmaßnahmen handelt, weil sie kraft Gesetzes entstehen, wohl aber um ein Druckmittel eigener Art, das für die Dauer der gerichtlich angeordneten aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Abgabenbescheid seinen Zweck nicht erfüllen kann. Wirkt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung zurück, entfallen auch die Voraussetzungen für eine Druckausübung "rückwirkend".

16

Der Einwand der Revision, die aufschiebende Wirkung beseitige nicht die Fälligkeit als gesetzlichen Entstehungsvorgang der Säumniszuschläge greift nicht durch. Zwar bleibt ein Abgabenbescheid in seiner Wirksamkeit von der Anfechtung und der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs unberührt. Die aufschiebende Wirkung führt aber dazu, dass die Behörde gehindert ist, diese spezifische hoheitliche Regelung des Verwaltungsakts umzusetzen. Soweit die hoheitliche Regelung die Fälligstellung einer Forderung umfasst, wie dies insbesondere bei Abgabenbescheiden der Fall ist, hat die Anordnung der aufschiebenden Wirkung zur Folge, dass die Forderung für die Behörde und ihren Rechtsträger einstweilen als nicht fällig gilt (BVerwG, Urteil vom 20. November 2008 - 3 C 13.08 - BVerwGE 132, 250 Rn. 11 f. in teilweiser Abweichung von dem Urteil vom 27. Oktober 1982 - 3 C 6.82 - BVerwGE 66, 218 <221 f.>). Dann aber können Säumniszuschläge für diese Zeitspanne nicht anfallen. Dementsprechend nimmt der Bundesfinanzhof für verwirkte Säumniszuschläge an, dass diese durch Aufhebung der Vollziehung gemäß § 69 Abs. 3 FGO rückwirkend beseitigt werden (vgl. Beschlüsse vom 10. Dezember 1986 - I B 121/86 - BFHE 149, 6 <8 ff.> und vom 29. August 2012 - VIII B 45/12 - BFHE 238, 187 Rn. 12). Der Abgabenpflichtige muss in Anbetracht der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG im Stande sein, die Säumniszuschläge, deren Bestand von der endgültigen Aufhebung oder Änderung der Abgabenfestsetzung unabhängig ist (vgl. § 240 Abs. 1 Satz 4 AO), jedenfalls mithilfe des vorläufigen Rechtsschutzes abzuwehren (BVerfG, Kammerbeschluss vom 30. Januar 1986 - 2 BvR 1336/85 - DStZ/E 1986, 101; BFH, Urteil vom 20. Mai 2010 - V R 42/08 - BFHE 229, 83 Rn. 21).

17

2. Gleiches gilt für den Anspruch der Kläger auf Rückerstattung von Mahn- und Pfändungsgebühren sowie Auslagen, die ebenfalls nicht entstanden wären, wenn die aufschiebende Wirkung von vornherein bestanden hätte. Der Anspruch auf die Rechtshängigkeitszinsen ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

18

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das angefochtene Urteil auf der Verletzung

1.
von Bundesrecht oder
2.
einer Vorschrift des Verwaltungsverfahrensgesetzes eines Landes, die ihrem Wortlaut nach mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes übereinstimmt,
beruht.

(2) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(3) Wird die Revision auf Verfahrensmängel gestützt und liegt nicht zugleich eine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 vor, so ist nur über die geltend gemachten Verfahrensmängel zu entscheiden. Im übrigen ist das Bundesverwaltungsgericht an die geltend gemachten Revisionsgründe nicht gebunden.

(1) Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sind der Steueranspruch, der Steuervergütungsanspruch, der Haftungsanspruch, der Anspruch auf eine steuerliche Nebenleistung, der Erstattungsanspruch nach Absatz 2 sowie die in Einzelsteuergesetzen geregelten Steuererstattungsansprüche.

(2) Ist eine Steuer, eine Steuervergütung, ein Haftungsbetrag oder eine steuerliche Nebenleistung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrags. Dies gilt auch dann, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung oder Rückzahlung später wegfällt. Im Fall der Abtretung, Verpfändung oder Pfändung richtet sich der Anspruch auch gegen den Abtretenden, Verpfänder oder Pfändungsschuldner.

(1) Wird eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet, so ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 Prozent des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags zu entrichten; abzurunden ist auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag. Das Gleiche gilt für zurückzuzahlende Steuervergütungen und Haftungsschulden, soweit sich die Haftung auf Steuern und zurückzuzahlende Steuervergütungen erstreckt. Die Säumnis nach Satz 1 tritt nicht ein, bevor die Steuer festgesetzt oder angemeldet worden ist. Wird die Festsetzung einer Steuer oder Steuervergütung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, so bleiben die bis dahin verwirkten Säumniszuschläge unberührt; das Gleiche gilt, wenn ein Haftungsbescheid zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 berichtigt wird. Erlischt der Anspruch durch Aufrechnung, bleiben Säumniszuschläge unberührt, die bis zur Fälligkeit der Schuld des Aufrechnenden entstanden sind.

(2) Säumniszuschläge entstehen nicht bei steuerlichen Nebenleistungen.

(3) Ein Säumniszuschlag wird bei einer Säumnis bis zu drei Tagen nicht erhoben. Dies gilt nicht bei Zahlung nach § 224 Abs. 2 Nr. 1.

(4) In den Fällen der Gesamtschuld entstehen Säumniszuschläge gegenüber jedem säumigen Gesamtschuldner. Insgesamt ist jedoch kein höherer Säumniszuschlag zu entrichten als verwirkt worden wäre, wenn die Säumnis nur bei einem Gesamtschuldner eingetreten wäre.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.

Tatbestand

1

I. Die zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) waren Gesellschafter und Geschäftsführer der A GmbH und der B S.a.r.l. Anlässlich einer Außenprüfung bei den beiden Firmen für die Jahre 2002 bis 2004 gelangte die zuständige Prüferin zu der Auffassung, dass aufgrund überhöhter Verrechnungspreise eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) bei der A GmbH und aufgrund nicht betrieblich sondern gesellschaftsrechtlich veranlasster Ausgaben eine vGA bei der B S.a.r.l. vorliege. Die vGA wurden bei der A GmbH mit Körperschaftsteuerbescheid vom 28. April 2011 und bei der B S.a.r.l. mit Körperschaftsteuerbescheid vom 3. Mai 2011 für die Jahre 2002 bis 2004 berücksichtigt.

2

Bei den Antragstellern setzte der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) die vGA als Einnahmen aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes an und änderte für die Streitjahre 2002 bis 2004 mit Bescheiden vom 4. Juli 2011 unter Hinweis auf § 32a Abs. 1 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) die bestandskräftigen Einkommensteuerfestsetzungen. Dagegen legten die Antragsteller am 4. August 2011 Einspruch ein und begehrten gleichzeitig die Aussetzung der Vollziehung (AdV).

3

Über die Einsprüche hat das FA noch nicht entschieden. Den Antrag auf AdV der Bescheide hat es abgelehnt. Mit nach § 32a Abs. 1 Satz 1 KStG geänderten Einkommensteuerbescheiden vom 14. Dezember 2011 setzte das FA die Einkünfte der Antragsteller aus Kapitalvermögen unter Berücksichtigung einer der Höhe nach geringeren vGA für die Streitjahre herab.

4

Den am 5. Dezember 2011 nach § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestellten Antrag auf AdV lehnte das Finanzgericht (FG) ab (Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1392).

5

Zur Begründung der vom FG zugelassenen Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, beziehen sich die Antragsteller auf die bereits im FG-Verfahren vorgetragenen Gründe, die sie wie folgt ergänzen: Die Änderung der Einkommensteuerbescheide nach § 32a Abs. 1 Satz 1 KStG sei wegen Verstoßes gegen das Rückwirkungsverbot verfassungswidrig und daher unzulässig. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Änderungsbescheide am 4. Juli 2011 sei die Einkommensteuer für die Jahre 2002 bis 2004 bereits festsetzungsverjährt gewesen. Zwar sei bei Inkrafttreten der Regelung des § 32a KStG noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten, jedoch seien die Bescheide bestandskräftig gewesen. Die Durchbrechung der formellen Bestandskraft der Steuerbescheide führe zu einer unechten gesetzlichen Rückwirkung, die nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zwar nicht grundsätzlich unzulässig sei, aber erforderlich sein müsse. Die Enttäuschung des Vertrauens des Steuerpflichtigen in die alte Rechtslage sei nur für den Fall hinnehmbar, dass die öffentlichen Interessen unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit überwiegten. Das Ziel einer korrespondierenden Besteuerung auf Gesellschafts- und Gesellschafterebene reiche als sachlicher Grund für die belastende Änderung bestandskräftiger Bescheide jedoch nicht aus, da das Vertrauen in die Bestandskraft der Bescheide insoweit höher zu bewerten sei. Insoweit sei das dem FA aufgrund der Regelung des § 32a Abs. 1 KStG eingeräumte Ermessen auf Null reduziert, so dass Steuerbescheide, die zum Zeitpunkt der Einführung des § 32a KStG bereits bestandskräftig gewesen seien, nicht mehr geändert werden dürften. Da sich weder das FA noch das FG in ihren Entscheidungen mit den in der Literatur geäußerten Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 32a KStG bei Änderungen zu Lasten der Steuerpflichtigen auseinandergesetzt hätten, sei die Ablehnung der AdV rechtswidrig.

6

Die Antragsteller haben die aufgrund der geänderten Bescheide fällig gewordenen Einkommensteuernachzahlungen in voller Höhe gezahlt.

7

Die Antragsteller beantragen,
den Beschluss des FG des Saarlandes vom 29. Februar 2012 2 V 1406/11 und die Vollziehung der geänderten Einkommensteuerbescheide 2002 bis 2004 vom 14. Dezember 2011 sowie die Verwirkung von Säumniszuschlägen bis zum Ergehen der gerichtlichen Entscheidung über den Aussetzungsantrag aufzuheben.

8

Das FA beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die gemäß § 128 Abs. 3 FGO statthafte Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat zu Recht ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 32a KStG und an der Rechtmäßigkeit der geänderten Einkommensteuerbescheide für 2002 bis 2004 verneint. Die Aufhebung der Vollziehung der Steuerbescheide ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer unbilligen Härte der Vollstreckung geboten.

10

1. Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO kann das Gericht auf Antrag die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes aussetzen, soweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen oder seine Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

11

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn und soweit bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage aufgrund des unstreitigen Sachverhalts, der gerichtsbekannten Tatsachen und der präsenten Beweismittel erkennbar wird, dass aus gewichtigen Gründen Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen oder Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen besteht und sich bei abschließender Klärung dieser Fragen der Verwaltungsakt als rechtswidrig erweisen könnte (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Juni 2004 I B 44/04, BFHE 206, 284, BStBl II 2004, 882; vom 14. Februar 2006 VIII B 107/04, BFHE 212, 285, BStBl II 2006, 523, m.w.N.).

12

Unter den gleichen Voraussetzungen ist gemäß § 69 Abs. 3 Satz 3 FGO die Vollziehung aufzuheben, wenn der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung bereits vollzogen ist (BFH-Beschluss vom 10. Dezember 1986 I B 121/86, BFHE 149, 6, BStBl II 1987, 389). Insbesondere können bereits verwirkte Säumniszuschläge (§ 240 der Abgabenordnung --AO--) ab dem Zeitpunkt, ab dem ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides bestanden haben, rückwirkend durch Aufhebung der Vollziehung beseitigt werden (BFH-Beschluss vom 23. September 2008 I B 92/08, BFHE 223, 73, BStBl II 2009, 524).

13

2. Nach der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Betrachtung bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Korrektur der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2002 bis 2004 bzw. an der Verfassungsmäßigkeit der der Änderung zugrunde liegenden Regelung des § 32a KStG.

14

a) Nach § 32a Abs. 1 KStG kann ein Steuerbescheid oder ein Feststellungsbescheid gegenüber dem Gesellschafter, dem die vGA zuzurechnen ist, aufgehoben oder geändert werden, soweit gegenüber einer Körperschaft ein Steuerbescheid hinsichtlich der Berücksichtigung einer vGA erlassen, aufgehoben oder geändert wird. Diese Voraussetzungen für eine Änderung der Einkommensteuerfestsetzung waren in den Streitjahren 2002 bis 2004 erfüllt. Die Körperschaftsteuerbescheide der A GmbH wurden am 28. April 2011 und die der B S.a.r.l. am 3. Mai 2011 hinsichtlich der Berücksichtigung einer vGA geändert, so dass § 32a KStG gemäß § 34 Abs. 13c Satz 1 KStG Anwendung findet. Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 20. März 2009 VIII B 170/08 (BFHE 224, 439) geklärt hat, findet § 32a KStG auch auf die Änderung von Einkommensteuerbescheiden Anwendung. Gleichfalls geklärt wurde in diesem Beschluss, dass das der Finanzverwaltung eingeräumte Ermessen in den Fällen des § 32a KStG regelmäßig auf Null reduziert ist, wenn die Steuerfestsetzung für den Gesellschafter ohne die Änderung sachlich unrichtig wäre und daher jede andere Entscheidung als die der Änderung der unrichtigen Steuerfestsetzung als ermessenswidrig beurteilt werden müsste. Dies gilt entgegen der von den Antragstellern und in der Literatur vertretenen Auffassung (vgl. Kohlhaas, GmbH-Rundschau 2010, 748, 751 f. und Steuerberater Woche 2011, 650, 655 f.; Neumann, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2011, 689 f.) sowohl bei einer Änderung der Einkommensteuer zu Gunsten als auch zu Lasten des Steuerpflichtigen, da in dem vorliegenden Fall keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine Korrektur nach § 32a KStG bestehen (s. hierzu die Ausführungen unter II.2.b des Beschlusses). Es ist auch kein Ermessensfehler darin zu sehen, dass das FA in seiner Entscheidung über die Ablehnung der AdV auf die verfassungsrechtlichen Einwendungen der Antragsteller nicht eingegangen ist, da diese nicht erheblich sind.

15

b) Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Korrekturvorschrift des § 32a KStG. Die Anwendung der Rechtsnorm auf Einkommensteuerfestsetzungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelung zwar bestandskräftig aber noch nicht festsetzungsverjährt waren, führt nicht zu einer verfassungsrechtlich unzulässigen Rückwirkung. Weder kommt ein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) noch ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG in Betracht.

16

aa) Die Frage, ob ein rückwirkendes Gesetz mit den Anforderungen des GG vereinbar ist, richtet sich nach der Rechtsprechung des BVerfG nach folgenden Grundsätzen (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 7. Juli 2010  2 BvL 14/02, 2/04, 13/05, BVerfGE 127, 1; 2 BvL 1/03, 57/06, 58/06, BVerfGE 127, 31; 2 BvR 748/05, 753/05, 1738/05, BVerfGE 127, 61, m.w.N.): Wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolge eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert, bedarf dies einer besonderen Rechtfertigung vor dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten des GG, unter deren Schutz Sachverhalte "ins Werk gesetzt" worden sind. Die Grundrechte wie auch das Rechtsstaatsprinzip garantieren im Zusammenwirken die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und damit als eine Grundbedingung freiheitlicher Verfassungen. Es würde den Einzelnen in seiner Freiheit erheblich gefährden, dürfte die öffentliche Gewalt an sein Verhalten oder an ihn betreffende Umstände ohne Weiteres im Nachhinein belastendere Rechtsfolgen knüpfen, als sie zum Zeitpunkt seines rechtserheblichen Verhaltens galten.

17

Eine Rechtsnorm entfaltet "echte" Rückwirkung, wenn ihre Rechtsfolge mit belastender Wirkung schon vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung für bereits abgeschlossene Tatbestände gelten soll ("Rückbewirkung von Rechtsfolgen"). Das ist grundsätzlich verfassungsrechtlich unzulässig. Erst mit der Verkündung, d.h. mit der Ausgabe des ersten Stücks des Verkündungsblattes, ist eine Norm rechtlich existent. Bis zu diesem Zeitpunkt, zumindest aber bis zum endgültigen Gesetzesbeschluss, muss der von einem Gesetz Betroffene grundsätzlich darauf vertrauen können, dass seine auf geltendes Recht gegründete Rechtsposition nicht durch eine zeitlich rückwirkende Änderung der gesetzlichen Rechtsfolgenanordnung nachteilig verändert wird.

18

Soweit belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden ("tatbestandliche Rückanknüpfung"), liegt eine "unechte" Rückwirkung vor. Eine solche unechte Rückwirkung ist nicht grundsätzlich unzulässig, denn die Gewährung vollständigen Schutzes zu Gunsten des Fortbestehens der bisherigen Rechtslage würde den dem Gemeinwohl verpflichteten Gesetzgeber in wichtigen Bereichen lähmen und den Konflikt zwischen der Verlässlichkeit der Rechtsordnung und der Notwendigkeit ihrer Änderung im Hinblick auf einen Wandel der Lebensverhältnisse in nicht mehr vertretbarer Weise zu Lasten der Anpassungsfähigkeit der Rechtsordnung lösen. Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht insbesondere nicht so weit, den Staatsbürger vor jeder Enttäuschung zu bewahren. Soweit nicht besondere Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten, genießt die bloß allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde zukünftig unverändert fortbestehen, keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz.

19

Der Gesetzgeber muss aber, soweit er für künftige Rechtsfolgen an zurückliegende Sachverhalte anknüpft, dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz in hinreichendem Maß Rechnung tragen. Die Interessen der Allgemeinheit, die mit der Regelung verfolgt werden, und das Vertrauen des Einzelnen auf die Fortgeltung der Rechtslage sind abzuwägen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss gewahrt sein. Eine unechte Rückwirkung ist mit den Grundsätzen grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes daher nur vereinbar, wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt.

20

bb) Nach diesen Grundsätzen führt die Neueinführung der Hemmung der Festsetzungsfrist der Einkommensteuer bei der Änderung eines Körperschaftsteuerbescheides hinsichtlich der Berücksichtigung einer vGA und die korrespondierende Korrektur der Einkommensteuerfestsetzung nach § 32a KStG im Streitfall nicht zu einer verfassungsrechtlich unzulässigen Rückwirkung.

21

Die Korrekturvorschrift des § 32a KStG i.d.F. des Art. 4 Nr. 7 des Jahressteuergesetzes 2007 vom 13. Dezember 2006 (BGBl I 2006, 2878) führt hinsichtlich der Änderung der Einkommensteuerfestsetzungen für die Jahre 2002 bis 2004 zu einer unechten Rückwirkung. Die Regelung ist gemäß § 34 Abs. 13c KStG i.d.F. des Art. 2 Nr. 13 Buchst. k des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom 14. August 2007 (BGBl I 2007, 1912) erstmals anzuwenden, wenn nach dem 18. Dezember 2006 ein (Körperschaft-)Steuerbescheid erlassen, aufgehoben oder geändert worden ist. Gemäß § 32a Abs. 1 Satz 2 KStG endet die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach Unanfechtbarkeit des Steuerbescheides der Körperschaft. Die Korrekturvorschrift des § 32a KStG trat danach am 19. Dezember 2006 in Kraft. Die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer 2002 bis 2004 war zu diesem Zeitpunkt gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO noch nicht abgelaufen, so dass eine Korrektur der bestandskräftigen Einkommensteuerfestsetzungen nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d AO noch grundsätzlich möglich war, da diese gesetzlich zugelassen war. Die Hemmung der Festsetzungsfrist und Korrektur der Einkommensteuerfestsetzungen nach § 32a KStG hat somit Auswirkung auf einen hinsichtlich der Festsetzungsverjährung noch nicht abgeschlossenen Tatbestand, so dass ihre verfassungsrechtliche Zulässigkeit am Maßstab einer unechten Rückwirkung zu überprüfen ist.

22

Die unechte Rückwirkung des § 32a i.V.m. § 34 Abs. 13c KStG ist mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen vereinbar. Eine unechte Rückwirkung ist nicht grundsätzlich unzulässig. Indem der Gesetzgeber mit der Regelung des § 32a KStG der materiellen Richtigkeit der Besteuerung den Vorrang vor der Rechtssicherheit einräumt, überschreitet er unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutzes nicht die Grenze des ihm zukommenden Gestaltungsspielraums.

23

Voraussetzung für einen Vertrauensschutz ist regelmäßig, dass der Betroffene sein Vertrauen betätigt hat, d.h. sich in seinem Verhalten auf die Vertrauensbasis eingerichtet hat (BVerfG-Beschluss vom 18. Februar 1993  2 BvR 1196/88, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1993, 408). Im vorliegenden Fall ist bereits zweifelhaft, ob sich bei den Antragstellern ein schutzwürdiges Vertrauen auf eine Nichtberücksichtigung der bei der Körperschaft angesetzten vGA bei der Einkommensteuerfestsetzung bilden konnte. Eine Vertrauensschutz begründende Disposition wurde von den Antragstellern nicht dargelegt.

24

Unabhängig von einer konkreten Vertrauensposition der Antragsteller wiegt ein etwaiges Vertrauen Steuerpflichtiger darauf, dass der Gesetzgeber vor Ablauf der Festsetzungsfrist keine Regelung einführt, die zu einer Hemmung der Festsetzungsverjährung und Korrektur der Einkommensteuerfestsetzung führt, nicht so schwer, dass der Gesetzgeber an einer solchen Maßnahme gehindert wäre. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das BVerfG bei der Frage nach der Zulässigkeit der Aufhebung oder Änderung bestandskräftiger Verwaltungsentscheidungen stets die Befugnis des Gesetzgebers zur Ausgestaltung des hierbei jeweils auftretenden Konflikts zwischen Rechtssicherheit, Rechtsfrieden, Gerechtigkeit und Gesetzmäßigkeit der Verwaltung betont hat (vgl. BVerfG-Entscheidungen vom 14. März 1963  1 BvL 28/62, BVerfGE 15, 313, 319; vom 3. November 1965  1 BvR 62/61, BVerfGE 19, 150, 166; vom 17. Dezember 1969  2 BvR 23/65, BVerfGE 27, 297, 305 f., 309; vom 10. Juni 2009  1 BvR 571/07, Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts --BVerfGK-- 15, 545). Danach kann sich ein Steuerpflichtiger nicht auf Vertrauensschutz berufen, wenn sein Vertrauen auf den Fortbestand einer bestimmten Position eine Rücksichtnahme billigerweise nicht beanspruchen konnte. Dies ist vorliegend der Fall. § 32a KStG dient dem Ziel, die verfahrensrechtlichen Hemmnisse, die einer zutreffenden materiellen Besteuerung von Körperschaften und Anteilseignern entgegenstehen, zu beseitigen (BTDrucks 16/2712, S. 71). Die Regelung ist danach im Ergebnis auf die Kongruenz der Besteuerung der Ebenen der Gesellschaft bzw. des Anteilseigners angelegt (Senatsurteil vom 6. September 2011 VIII R 55/10, BFH/NV 2012, 269, 270). Der durch diese Vorschrift gewährte Vorrang einer materiell richtigen Einkommensteuerfestsetzung gegenüber dem Vertrauen des Steuerpflichtigen auf den Ablauf der Festsetzungsfrist gemäß §§ 169, 170 AO ist weder unverhältnismäßig noch unangemessen. Der Gesetzgeber ist danach nicht gehindert, dem Gedanken der Rechtsrichtigkeit und des Korrespondenzprinzips Vorrang gegenüber dem Vertrauensschutz des Steuerpflichtigen einzuräumen. Dies gilt umso mehr, als der Ausgewogenheit zwischen Vertrauensschutz und materieller Richtigkeit auch dadurch Rechnung getragen wird, dass eine Korrektur nach § 32a KStG nicht nur zu Lasten, sondern auch zu Gunsten des Steuerpflichtigen erfolgen kann (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGK 15, 545, 557 f.).

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Wird eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet, so ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 Prozent des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags zu entrichten; abzurunden ist auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag. Das Gleiche gilt für zurückzuzahlende Steuervergütungen und Haftungsschulden, soweit sich die Haftung auf Steuern und zurückzuzahlende Steuervergütungen erstreckt. Die Säumnis nach Satz 1 tritt nicht ein, bevor die Steuer festgesetzt oder angemeldet worden ist. Wird die Festsetzung einer Steuer oder Steuervergütung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, so bleiben die bis dahin verwirkten Säumniszuschläge unberührt; das Gleiche gilt, wenn ein Haftungsbescheid zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 berichtigt wird. Erlischt der Anspruch durch Aufrechnung, bleiben Säumniszuschläge unberührt, die bis zur Fälligkeit der Schuld des Aufrechnenden entstanden sind.

(2) Säumniszuschläge entstehen nicht bei steuerlichen Nebenleistungen.

(3) Ein Säumniszuschlag wird bei einer Säumnis bis zu drei Tagen nicht erhoben. Dies gilt nicht bei Zahlung nach § 224 Abs. 2 Nr. 1.

(4) In den Fällen der Gesamtschuld entstehen Säumniszuschläge gegenüber jedem säumigen Gesamtschuldner. Insgesamt ist jedoch kein höherer Säumniszuschlag zu entrichten als verwirkt worden wäre, wenn die Säumnis nur bei einem Gesamtschuldner eingetreten wäre.

Tatbestand

1

I. Streitig ist der Erlass von Säumniszuschlägen.

2

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) entwickelt Computerprogramme. In ihren Umsatzsteuervoranmeldungen für Januar bis Dezember 1998 sowie für Januar bis September 1999 meldete sie Umsätze zum ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c des Umsatzsteuergesetzes 1993/1999 (UStG) von 7 % an. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) unterwarf die Umsätze der Klägerin demgegenüber dem jeweiligen Regelsteuersatz und setzte die Umsatzsteuervorauszahlungen entsprechend fest. Auf Antrag der Klägerin setzte das FA die Vollziehung dieser Vorauszahlungsbescheide in Höhe des Unterschiedsbetrages aus, der sich zwischen der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes und der Anwendung des Regelsteuersatzes ergab.

3

In den Umsatzsteuerjahresbescheiden 1998 und 1999 hielt das FA an seiner Rechtsauffassung fest und unterwarf diese Umsätze der Klägerin dem Regelsteuersatz. Die festgesetzte Jahresumsatzsteuer entsprach der Summe der vom FA festgesetzten monatlichen Vorauszahlungen.

4

Nachdem das FA zunächst --wie in den Vorauszahlungsbescheiden für die Streitjahre-- auch die Vollziehung des Umsatzsteuerjahresbescheides 1998 in Höhe der Differenz zwischen der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes und der des Regelsteuersatzes ausgesetzt hatte, widerrief es mit Verfügung vom 9. Februar 2001 die Aussetzung der Vollziehung (AdV) des Jahressteuerbescheides für 1998 mit Wirkung zum 12. März 2001 und lehnte den Antrag auf AdV des Jahressteuerbescheides für 1999 am 7. Februar 2001 ab.

5

Auf Antrag der Klägerin setzte das Finanzgericht (FG) durch Beschluss vom 23. Mai 2001  5 V 124/01 ("Entscheidungen der Finanzgerichte" --EFG-- 2001, 1228) die Vollziehung der Umsatzsteuerjahresbescheide 1998 und 1999 in Höhe der Differenz zwischen der Anwendung des ermäßigten und der des Regelsteuersatzes aus. Auf Beschwerde des FA hob der Bundesfinanzhof (BFH) diese Entscheidung auf und lehnte den Antrag auf AdV ab (BFH-Beschluss vom 22. November 2001 V B 100/01, BFH/NV 2002, 519). Zur Begründung führte der Senat aus, die Beschränkung der Berechtigung zur AdV nach § 69 Abs. 2 Satz 8 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auch in den Fällen, in denen die festgesetzten Vorauszahlungen noch nicht entrichtet worden seien, sei verfassungsgemäß, denn der Gesetzgeber habe für Fälle, in denen durch die Vollziehung der angefochtenen Steuerbescheide die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Steuerpflichtigen unmittelbar und ausschließlich bedroht sei, Vorkehrungen getroffen. Eine hiergegen von der Klägerin erhobene Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 30. Januar 2002  1 BvR 66/02).

6

In der Hauptsache (Klage gegen die Jahressteuerfestsetzungen) hat der BFH der Klage stattgegeben, weil die Umsätze der Klägerin dem ermäßigten Steuersatz von 7 % unterliegen und hat die Umsatzsteuer entsprechend niedriger festgesetzt (BFH-Urteil vom 25. November 2004 V R 26/04, BFHE 208, 479, BStBl II 2005, 419).

7

Im Folgenden machte das FA Säumniszuschläge für den Zeitraum zwischen dem Widerruf bzw. der Ablehnung der AdV (1. März 2001 bzw. 12. März 2001) bis zum Zeitpunkt der Zahlung (9. Oktober 2002) in Höhe von 837.314,91 € geltend.

8

Den Antrag auf Erlass der Säumniszuschläge lehnte das FA unter Hinweis auf die zum BFH eingelegte Beschwerde gegen die Gewährung der AdV durch das FG ab. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies es nach Ergehen der Beschwerdeentscheidung zurück (BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 519).

9

Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Zur Begründung seines Urteils hat das FG im Wesentlichen ausgeführt, die Erhebung von Säumniszuschlägen widerspreche auch dann nicht der Billigkeit, wenn die Steuerforderung später aufgehoben worden sei, denn der Gesetzgeber habe in § 240 Abs. 1 Satz 4 der Abgabenordnung (AO) ausdrücklich geregelt, dass spätere Ermäßigungen der festgesetzten Steuer nicht zu berücksichtigen seien. Er habe damit in Kauf genommen, dass Säumniszuschläge auf unberechtigte Steuerforderungen zu zahlen seien. Etwas anderes gelte nach der Rechtsprechung des BFH nur dann, wenn das Rechtsmittel gegen die Steuerfestsetzung Erfolg gehabt habe und der Steuerpflichtige alles getan habe, um die AdV zu erreichen und diese von der Finanzbehörde "obwohl möglich und geboten" abgelehnt worden sei. Das sei jedoch nicht der Fall, denn --wie sich aus dem BFH-Beschluss über die Ablehnung der AdV ergebe-- sei eine AdV in Höhe der in den Vorauszahlungsbescheiden festgesetzten Steuer nach § 361 Abs. 2 Satz 4 FGO rechtlich nicht möglich gewesen.

10

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision. Ein Erlass gemäß § 227 AO sei geboten, weil die Steuerfestsetzung aufgehoben worden sei und sie, die Klägerin, alles getan habe, um die AdV zu erreichen. Es komme nicht darauf an, ob die Aussetzung rechtlich "möglich und geboten" gewesen sei. Entscheidend sei allein, dass die Steuerfestsetzungen schließlich aufgehoben worden seien. Zudem habe das FA zu Unrecht Säumniszuschläge auch für den Zeitraum berechnet, in dem das FG die Vollziehung der Jahresbescheide ausgesetzt hatte (BFH-Beschluss vom 14. September 1978 V R 35/72, BFHE 126, 9, BStBl II 1979, 58).

11

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das angefochtene Urteil aufzuheben und das FA zu verpflichten, unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 7. August 2001 sowie der Einspruchsentscheidung vom 12. April 2002 Säumniszuschläge in Höhe von 837.314,91 € zu erlassen,

12

hilfsweise,

das FA zu verpflichten, über den Erlassantrag ermessensfehlerfrei zu entscheiden.

13

Das FA erklärt sich bereit, den Differenzbetrag zwischen 837.314,91 € und 605.507,57 € zu erlassen und beantragt im Übrigen die Zurückweisung der Revision.

14

Säumniszuschläge, die auf den Zeitraum der durch das FG gewährten AdV entfallen (der Differenzbetrag zwischen 837.314,91 € und 605.507,57 € = 231.806,74 €) seien zu erlassen. Im Übrigen komme ein Erlass von Säumniszuschlägen nach Aufhebung der materiell rechtswidrigen Steuerforderung nur dann in Betracht, wenn eine AdV vom FA versagt worden war, obwohl diese "möglich und geboten" gewesen sei. Die Aussetzung im beantragten Umfang sei jedoch wegen der Regelung des § 361 Abs. 2 Satz 4 AO bzw. § 69 Abs. 2 Satz 8 FGO nicht möglich gewesen.

Entscheidungsgründe

15

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).

16

Das FG hat das Vorliegen der Voraussetzungen eines Erlasses der Säumniszuschläge nach § 227 AO zu Unrecht abgelehnt. Säumniszuschläge, die auf einer materiell rechtswidrigen und deswegen aufgrund eines Rechtsbehelfs des Steuerpflichtigen geänderten Jahressteuerfestsetzung beruhen, sind aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen, wenn der Steuerpflichtige insoweit die AdV der Vorauszahlungsbescheide erreicht hat und die --weitere-- AdV dieser Beträge nach Ergehen des Jahressteuerbescheides allein an den Regelungen der §§ 361 Abs. 2 Satz 4 AO und 69 Abs. 2 Satz 8 FGO scheitert.

17

1. Gemäß § 227 AO können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Zu diesen Ansprüchen gehören auch Ansprüche auf steuerliche Nebenleistungen einschließlich der nach § 240 Abs. 1 AO entstehenden Säumniszuschläge.

18

a) Die Entscheidung über ein Erlassbegehren ist eine Ermessensentscheidung, die von den Gerichten nur in den durch § 102 FGO gezogenen Grenzen überprüft werden kann (Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Oktober 1971 GmS-OGB 3/70, BFHE 105, 101, BStBl II 1972, 603). Nach dieser Vorschrift ist die gerichtliche Prüfung des den Erlass ablehnenden Bescheides und der hierzu ergangenen Beschwerdeentscheidung darauf beschränkt, ob die Behörde bei ihrer Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem ihr eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Gleichwohl kann das Gericht ausnahmsweise eine Verpflichtung des FA zum Erlass aussprechen (vgl. § 101 FGO), wenn der Ermessensspielraum im konkreten Fall derart eingeengt ist, dass nur eine Entscheidung als ermessensgerecht in Betracht kommt (vgl. zur sog. Ermessensreduzierung auf Null: z.B. BFH-Urteile vom 21. Januar 1992 VIII R 51/88, BFHE 168, 500, BStBl II 1993, 3; vom 11. Januar 2006 XI R 31/04, BFH/NV 2006, 943). Das war hier der Fall.

19

b) Ein Erlass von Säumniszuschlägen aus sachlichen Billigkeitsgründen ist geboten, wenn ihre Einziehung im Einzelfall, insbesondere mit Rücksicht auf den Zweck der Säumniszuschläge, nicht zu rechtfertigen ist, obwohl der Sachverhalt zwar den gesetzlichen Tatbestand erfüllt, die Erhebung der Säumniszuschläge aber den Wertungen des Gesetzgebers zuwiderläuft (BFH-Urteile vom 29. August 1991 V R 78/86, BFHE 165, 178, BStBl II 1991, 906; vom 16. Juli 1997 XI R 32/96, BFHE 184, 193, BStBl II 1998, 7; BFH-Beschluss vom 14. Mai 2008 II B 49/07, BFH/NV 2008, 1438). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

20

aa) § 240 Abs. 1 Satz 4 AO bestimmt u.a. für den Fall der Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung, dass bis dahin verwirkte Säumniszuschläge unberührt bleiben. Der Grundsatz der Akzessorietät, nach dem Säumniszuschläge als steuerliche Nebenleistungen (§ 3 Abs. 4 AO) grundsätzlich vom Bestehen der ihnen zugrunde liegenden Steuerschuld abhängig sind, wird durch diese Vorschrift nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers (vgl. BTDrucks 7/4292 S. 39) durchbrochen (z.B. Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 240 AO Rz 71, m.w.N.).

21

bb) Diese Regelung ist im Hinblick auf den Beschluss des Großen Senats des BFH vom 8. Dezember 1975 GrS 1/75 (BFHE 117, 352, BStBl II 1976, 262) geschaffen worden, wonach sich im Anwendungsbereich der Reichsabgabenordnung die verwirkten Säumniszuschläge ermäßigten, wenn in einem Rechtsbehelfsverfahren die für die Bemessung der Säumniszuschläge maßgebende Steuer herabgesetzt wurde. Der Gesetzgeber hat mit der Regelung in § 240 Abs. 1 Satz 4 AO daher zwar bewusst in Kauf genommen, dass Säumniszuschläge auch dann zu entrichten sind, wenn sich die Steuerfestsetzung später als unrechtmäßig erweist (BFH-Urteile vom 7. Juli 1999 X R 87/96, BFH/NV 2000, 161; vom 30. März 2006 V R 2/04, BFHE 212, 23, BStBl II 2006, 612, unter II.2.a). § 240 Abs. 1 Satz 4 AO ist aber --wie das BVerfG im Beschluss vom 30. Januar 1986  2 BvR 1336/85 (nur z.T. veröffentlicht in Deutsche Steuer-Zeitung/Eildienst 1986, 101) betont-- nur deshalb verfassungsgemäß, weil dem Rechtsschutzbedürfnis des Steuerpflichtigen durch die Möglichkeit des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Steuerfestsetzung selbst hinreichend Genüge getan ist.

22

c) Ein Erlass verwirkter Säumniszuschläge aus sachlichen Billigkeitsgründen kommt demnach nicht allein deshalb in Betracht, weil die Steuerfestsetzung zugunsten des Steuerpflichtigen herabgesetzt worden ist oder möglicherweise geändert werden wird (vgl. BFH-Urteile in BFHE 165, 178, BStBl II 1991, 906; in BFHE 212, 23, BStBl II 2006, 612). Dagegen ist nach ständiger Rechtsprechung die Erhebung der Säumniszuschläge dann eine unbillige Härte i.S. des § 227 AO, wenn das Rechtsmittel des Steuerpflichtigen gegen die Steuerfestsetzung Erfolg hatte und der Steuerpflichtige gegenüber der Finanzbehörde alles getan hat, um die AdV eines Steuerbescheids zu erreichen, und diese, obwohl an sich möglich und geboten, von der Finanzbehörde abgelehnt wurde (BFH-Urteil in BFHE 165, 178, BStBl II 1991, 906; BFH-Beschlüsse vom 4. Februar 1999 IX B 170/98, BFH/NV 1999, 908; vom 18. März 2003 X B 66/02, BFH/NV 2003, 886).

23

d) Aufgrund dieser Erwägungen ist im vorliegenden Fall die Entstehung von Säumniszuschlägen sachlich unbillig. Die Klägerin hat alles getan, um die AdV der rechtswidrigen Umsatzsteuerjahresbescheide zu erreichen. Sie hat sowohl --mit Erfolg-- die AdV der Vorauszahlungsbescheide für die Streitjahre in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen dem ermäßigten Steuersatz für ihre Umsätze und dem vom FA angewandten jeweiligen Regelsteuersatz wie auch in derselben Höhe --im Ergebnis erfolglos-- die AdV der Umsatzsteuerjahresbescheide beantragt. Deren Aussetzung war dem Grunde nach auch möglich und geboten. Denn im beantragten Umfang bestanden --wie der Erfolg ihrer Klage bestätigt-- weiterhin ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Anwendung des Regelsteuersatzes für ihre Umsätze und der darauf entfallenden Umsatzsteuer. Die AdV der Umsatzsteuerjahresbescheide ist allein deshalb nicht möglich gewesen, weil ihr die durch das Jahressteuergesetz 1997 (JStG) vom 20. Dezember 1996 (BGBl I 1996, 2049) eingeführte Regelung des § 361 Abs. 2 Satz 4 AO entgegenstand.

24

aa) Gemäß § 361 Abs. 2 Satz 4 AO sind bei Steuerbescheiden die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Einführung dieser verfassungsgemäßen Regelung (BFH-Beschluss vom 24. Januar 2000 X B 99/99, BFHE 192, 197, BStBl II 2000, 559) war eine Reaktion des Gesetzgebers auf den Beschluss des Großen Senats des BFH vom 3. Juli 1995 GrS 3/93 (BFHE 178, 11, BStBl II 1995, 730), wonach im Wege der Aufhebung der Vollziehung auch eine Auskehrung bereits einbehaltener oder vorausgezahlter Steuerbeträge zu erreichen sein sollte. Mit der Einführung des § 361 Abs. 2 Satz 4 AO wollte der Gesetzgeber der Gefahr von Steuerausfällen entgegentreten, die bei der Auskehrung von Steuerabzugsbeträgen nach gewährter Aufhebung der Vollziehung und einem späteren Misserfolg in der Hauptsache entstehen konnten (Begründung zum Entwurf einer Abgabenordnung, BTDrucks 13/5359 S. 131). Darüber hinaus wurde in der Gesetzesfassung nicht nur die Auskehrung tatsächlich gezahlter Vorauszahlungen über die Aufhebung der Vollziehung ausgeschlossen, sondern auf die festgesetzten Vorauszahlungen abgestellt, um eine Besserstellung derjenigen Steuerpflichtigen zu vermeiden, die ihre Vorauszahlungsschulden pflichtwidrig nicht getilgt hatten (eingehend zur Gesetzgebungsgeschichte der §§ 361 Abs. 2 Satz 4 AO und 69 Abs. 2 Satz 8 FGO vgl. BFH-Beschluss vom 2. November 1999 I B 49/99, BFHE 190, 59, BStBl II 2000, 57).

25

bb) Dieser Gesetzeszweck des § 361 Abs. 2 Satz 4 AO wird jedoch bei einer im Vorauszahlungsverfahren vom FA gewährten AdV nicht berührt; denn wegen der bereits gewährten AdV kann es zu einer --nach dem Gesetzeszweck zu vermeidenden-- Auskehrung von Steuervorauszahlungen nicht kommen. Auch handelt es sich --soweit Vorauszahlungsbescheide ausgesetzt worden sind (wie im Streitfall bei der Klägerin)-- nicht um einen säumigen Steuerpflichtigen, der seinen Zahlungspflichten zur Tilgung der Vorauszahlungsschuld pflichtwidrig nicht genügt hat und nach dem Regelungszweck keine Besserstellung gegenüber dem pünktlichen Steuerzahler erhalten sollte. Im Streitfall hatte das FA vielmehr die Vorauszahlungsschuld im streitigen Umfang ausgesetzt und hatte anschließend das FG im entsprechenden Umfang durch den Beschluss vom 23. Mai 2001  5 V 124/01 die Vollziehung der Umsatzsteuerjahresbescheide ausgesetzt. Zu einer Säumnis konnte es nur deshalb kommen, weil dieser Beschluss des FG durch den Beschluss des BFH in BFH/NV 2002, 519 mit Wirkung ex tunc aufgehoben worden ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 126, 9, BStBl II 1979, 58; BFH-Beschluss vom 14. Februar 1975 VI B 72/74, BFHE 115, 95, BStBl II 1975, 452). Unter diesen Umständen führt die Erhebung von Säumniszuschlägen, die nur auf einer zwar dem Wortlaut, nicht aber dem Sinn und Zweck des § 361 Abs. 2 Satz 4 AO entsprechenden Beschränkung der AdV bei Erlass eines Jahresbescheides zu einem Gesetzesüberhang, der für den Steuerpflichtigen einen Anspruch auf Erlass der Säumniszuschläge aus sachlichen Billigkeitsgründen begründet.

26

2. Unter den Umständen des Streitfalles sind die Säumniszuschläge in vollem Umfang zu erlassen.

27

a) Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Steuerpflichtige gemäß § 237 AO bei Gewährung einer AdV zwar grundsätzlich Aussetzungszinsen zu zahlen hat, dies jedoch nur dann gilt, wenn er mit seinem Rechtsbehelf im Ergebnis keinen Erfolg gehabt hat (§ 239 Abs. 1 Satz 1 AO). Ist er --wie im Streitfall die Klägerin-- in der Hauptsache erfolgreich, sodass sich die gewährte AdV als berechtigte Abwehr gegen eine rechtswidrige Steuerforderung erweist, hat er nach § 239 Abs. 1 Satz 1 AO keine Aussetzungszinsen zu tragen. Daraus ergibt sich, dass auch im Falle eines gesetzlichen Ausschlusses der AdV durch § 361 Abs. 2 Satz 4 AO, der aber zu einem mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht vereinbaren Gesetzesüberhang führt, der Steuerpflichtige so gestellt werden muss, als hätte er eine AdV nicht nur der Vorauszahlungen, sondern auch der Jahressteuerschuld in derselben Höhe erlangt (im Ergebnis so auch BFH-Urteil in BFHE 126, 9, BStBl II 1979, 58).

28

b) Der Senat kann über den beantragten Billigkeitserlass unabhängig davon entscheiden, ob möglicherweise in dem Zeitraum der vom FG gewährten vorübergehenden AdV (zwischen dem 23. Mai 2001 bis zum 19. Dezember 2001) die Säumniszuschläge bereits nicht entstanden sind (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 23. November 1994 V B 166/93, BFH/NV 1995, 662, m.w.N.; Rüsken in Klein, AO, 10. Aufl., § 240 Rz 18) und ob dieser Einwand statt im vorliegenden Erlassverfahren nicht vielmehr im Abrechnungsverfahren nach § 218 AO zu verfolgen wäre (vgl. nunmehr BFH-Urteil vom 18. April 2006 VII R 77/04, BFHE 212, 29, BStBl II 2006, 578, m.w.N.). Denn das Billigkeitsverfahren nach § 227 AO und das Abrechnungsverfahren nach § 218 AO stehen selbständig nebeneinander (BFH-Beschlüsse vom 31. Juli 2007 VIII B 42/05, BFH/NV 2007, 2305; vom 30. April 2003 XI B 175/02, BFH/NV 2003, 1393), deshalb muss das Billigkeitsverfahren auch nicht ausgesetzt werden, wenn möglicherweise die Säumniszuschläge aus anderen Gründen bereits nicht entstanden sind.

29

c) Durch die Erklärung des FA in der mündlichen Verhandlung, es sei bereit, Säumniszuschläge zu erlassen, soweit sie den Zeitraum der AdV durch das FG betreffen, hat sich der Rechtsstreit nicht teilweise erledigt. Abgesehen davon, dass eine teilweise Erledigung der Hauptsache nur hinsichtlich eines abtrennbaren Teils des Streitgegenstands eintreten und nur insoweit zur Beendigung des Verfahrens führen kann (BFH-Beschluss vom 5. März 1979 GrS 3/78, BFHE 127, 155, BStBl II 1979, 378) fehlt es im Streitfall bereits daran, dass kein Abhilfebescheid des FA vorliegt und im Hinblick auf die möglicherweise in der Erklärung zu sehende Zusage keine übereinstimmenden Erledigungserklärungen abgegeben worden sind.

30

d) Da das dem FA eingeräumte Ermessen nur in der Weise fehlerfrei ausgeübt werden kann, dass die verwirkten Säumniszuschläge zu erlassen sind (Ermessensreduzierung auf Null), war das FG-Urteil aufzuheben und das FA zum Erlass der Säumniszuschläge zu verpflichten.

Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.

*

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.