Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 22. Jan. 2016 - 5 PB 10/15

ECLI:ECLI:DE:BVerwG:2016:220116B5PB10.15.0
bei uns veröffentlicht am22.01.2016

Gründe

1

Die Beschwerden des Präsidenten der Universität Hamburg (Beteiligter zu 1) und der Dekanin der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität Hamburg (Beteiligte zu 2) sind unzulässig (1.). Die Beschwerde des Dekanats der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität Hamburg (Beteiligter zu 6) hat Erfolg (2.).

2

1. Der Beteiligte zu 1 und die Beteiligte zu 2 sind nicht beschwerdebefugt. Das Fehlen ihrer Rechtsmittel- bzw. Beschwerdebefugnis führt zur Verwerfung des Rechtsbehelfs als unzulässig (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 1970 - 8 C 84.69 - BVerwGE 37, 43 <44>; Beschluss vom 27. Juli 1979 - 6 P 46.78 - Buchholz 238.3A § 75 PersVG Nr. 12; Fischer/Goeres/Gronimus, in: Fürst, Gesamtkommentar öffentliches Dienstrecht (GKÖD), Bd. 5 - Personalvertretungsrecht des Bundes und der Länder (PVR), Stand Februar 2014, L § 83 ArbGG Rn. 124).

3

Die Rechtsmittel- bzw. Beschwerdebefugnis folgt auch im Beschlussverfahren der Beteiligungsbefugnis. Deshalb ist nur beschwerdebefugt, wer beteiligungsbefugt ist (BAG, Beschluss vom 20. März 1996 - 7 ABR 34/95 - AP Nr. 10 zu § 5 BetrVG 1972 Ausbildung). Die Beteiligungsbefugnis bzw. Beteiligungsfähigkeit hängt nicht von der Beteiligung durch die Vorinstanzen ab. Beteiligungs- und damit rechtsmittelbefugt kann auch eine von der Vorinstanz nicht beteiligte Stelle sein. Umgekehrt kann ein zu Unrecht zum Verfahren Hinzugezogener, da er die Stellung eines Beteiligten nicht hat, grundsätzlich nicht rechtsmittelbefugt sein (BVerwG, Beschlüsse vom 15. Dezember 1978 - 6 P 13.78 - PersV 1980, 145 <146> und vom 27. Juli 1979 - 6 P 46.78 - Buchholz 238.3A § 75 PersVG Nr. 12; BAG, Beschluss vom 8. August 2007 - 7 ABR 43/06 - juris Rn. 16 m.w.N.).

4

Maßgeblich für die Frage, wer im Beschlussverfahren zu beteiligen ist, ist die gemäß § 99 Abs. 2 HmbPersVG entsprechend anzuwendende Regelung des § 83 Abs. 3 Satz 1 ArbGG. Aus deren entsprechender Bezugnahme auf das Personalvertretungsrecht folgt, dass die Beteiligtenstellung materiellrechtlich determiniert ist und daher nicht vom Willen des Betroffenen oder von Handlungen des Gerichts abhängt. Die Beteiligtenstellung wird mithin weder durch Erklärungen des Antragstellers, wen er als Beteiligten ansehe, noch durch einen Akt des Gerichts begründet. Sie ergibt sich auch ungeachtet der Frage der Rechtsfähigkeit der in Betracht zu ziehenden Stellen allein aus dem materiellen Recht (BVerwG, Beschluss vom 9. März 1992 - 6 P 11.90 - BVerwGE 90, 76 <81>; BAG, Beschlüsse vom 20. April 1999 - 1 ABR 13/98 - BAGE 91, 235 <242> und vom 5. Dezember 2007 - 7 ABR 72/06 - BAGE 125, 100 <106>). Die Beteiligtenfähigkeit liegt vor, wenn die im Beschlussverfahren begehrte Entscheidung die sich aus dem Personalvertretungsrecht ergebende Rechtsstellung einer Person oder Stelle unmittelbar berührt (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 15. Dezember 1978 - 6 P 13.78 - PersV 1980, 145 <146> und vom 29. Januar 1996 - 6 P 1.93 - PersV 1996, 460 <461>, jeweils m.w.N.). Die Beteiligtenstellung ist in jeder Lage des Verfahrens bis hin zur Rechtsbeschwerdeinstanz von Amts wegen zu beachten (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 15. Mai 1991 - 6 P 15.89 - BVerwGE 88, 183 <185> und vom 22. September 2015 - 5 P 12.14 - juris Rn. 11; BAG, Beschluss vom 5. Dezember 2007 - 7 ABR 72/06 - BAGE 125, 100 <106>).

5

Nach diesen Grundsätzen fehlt es an der Beteiligten- und demgemäß an der Beschwerdebefugnis sowohl des als Beteiligten zu 1 geführten Präsidenten der Universität (a) als auch der als Beteiligte zu 2 geführten Dekanin der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität Hamburg (b).

6

a) Das Oberverwaltungsgericht hat bereits für das vorangegangene Beschwerdeverfahren die Beteiligten- und dementsprechend auch die Beschwerdebefugnis des Präsidenten der Universität zu Recht verneint. Dieser ist zwar vom Verwaltungsgericht auf Veranlassung des Antragstellers am Verfahren beteiligt worden. Dies geschah jedoch zu Unrecht, weil er durch die vom Antragsteller begehrte Entscheidung nicht in einer sich aus dem Personalvertretungsrecht ergebenden Rechtsstellung unmittelbar berührt wird. Aus diesem Grund ist er auch im vorliegenden Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht beschwerdebefugt.

7

Zwar beruhen die durch Rechte und Pflichten begründeten Rechtsbeziehungen zwischen den Personalvertretungen und der öffentlichen Verwaltung grundsätzlich auf der Partnerschaft des jeweiligen Personalrats mit der Dienststelle, bei der er gebildet ist, so dass dem Personalrat gemäß § 99 Abs. 2 HmbPersVG i.V.m. § 83 Abs. 3 ArbGG grundsätzlich der Leiter der Dienststelle (§§ 6, 8 HmbPersVG) als Beteiligter gegenübersteht (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 29. Januar 1996 - 6 P 1.93 - PersV 1996, 460 <461> m.w.N.). Unabhängig davon, ob der Präsident der Universität derjenige ist, der die Funktion als Dienstellenleiter wahrnimmt und demgemäß im Rahmen der ihm zugewiesenen Aufgaben in einem vom Antragsteller als Personalrat eingeleiteten Beschlussverfahren diesem grundsätzlich als "Partner" gegenübersteht, ist er hier nicht unmittelbar in seiner personalvertretungsrechtlichen Stellung berührt. Denn das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht darauf abgestellt, dass die Regelung des § 7 Abs. 2 Satz 1 HmbPersVG eingreift. Danach tritt in dem Fall, dass eine andere Verwaltungseinheit für eine Angelegenheit zuständig ist oder wird, diese an die Stelle der Dienststelle, wobei die Zuständigkeit der Personalvertretung hierdurch nicht berührt wird (§ 7 Abs. 2 Satz 2 HmbPersVG). Das Gesetz, das die Begriffe "Verwaltungseinheit" und "Dienststelle" deutlich unterscheidet (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 2 HmbPersVG), stellt in der Regelung des § 7 Abs. 2 Satz 1 HmbPersVG allein auf die Zuständigkeit einer anderen Verwaltungseinheit ab und lässt diese an die Stelle der Dienststelle treten. Ausweislich ihrer aus den Gesetzesmaterialien zu entnehmenden Zwecksetzung, mitbestimmungsfreie Räume in Einzelfällen zu verhindern, soll diese Vorschrift - wie der ursprünglichen Gesetzesbegründung ebenfalls zu entnehmen ist - unter anderem dann zur Anwendung kommen, wenn die Zuständigkeit der anderen Verwaltungseinheit auf einem entsprechenden Vorbehalt in einer Rechtsvorschrift beruht (vgl. die Begründung zu § 7 HmbPersVG 1972, Anlage 2 zur Drucks. VII/2366 S. 2).

8

Nach den einschlägigen hochschulrechtlichen Regelungen ist hier - wie das Oberverwaltungsgericht weiter zutreffend ausführt - ein Fall des § 7 Abs. 2 Satz 1 HmbPersVG gegeben, der zur Folge hat, dass nicht der Präsident der Universität, sondern das Dekanat als Leitungsorgan der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften unmittelbar in seiner personalvertretungsrechtlichen Rechtsstellung berührt und Beteiligter des Verfahrens ist. Die Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften stellt nämlich im Sinne dieser Vorschrift ungeachtet dessen, dass sie Teil der Universität Hamburg ist, eine andere Verwaltungseinheit dar, deren Leitung für die strittige Erhöhung der Lehrverpflichtung der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (§ 28 Abs. 2 HmbHG) zuständig ist. Denn nach § 89 Abs. 1 HmbHG gliedert sich die Universität Hamburg in Fakultäten, die auf ihren Gebieten die Aufgaben in Lehre, Forschung und Entwicklung und die dafür nötigen Verwaltungsaufgaben wahrnehmen und zu diesem Zwecke mit eigenen Verwaltungen ausgestattet sind. Die Fakultäten werden vom jeweiligen Dekanat geleitet, das aus einer Dekanin oder einem Dekan sowie den Prodekaninnen oder Prodekanen besteht (§ 90 Abs. 1 Satz 1 und 2 HmbHG). Die Entscheidung über die Lehrverpflichtung der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat das Dekanat zu treffen, ohne dass der Präsident der Universität in seine Willensbildung und Entscheidungsfindung eingebunden ist. Die diesbezügliche alleinige Zuständigkeit des Dekanats folgt aus § 90 Abs. 6 Nr. 4 HmbHG (bis zum 30. Juni 2014: § 90 Abs. 5 Nr. 4 HmbHG) und § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. c der Lehrverpflichtungsverordnung für die Hamburger Hochschulen vom 21. Dezember 2004 (HmbGVBl. S. 497) in der Fassung der Zweiten Änderungsverordnung vom 16. Dezember 2009 (HmbGVBl. S. 509).

9

b) Aus den vorstehenden Erwägungen erschließt sich zugleich, dass auch die als Beteiligte zu 2 geführte Dekanin der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität Hamburg als solche nicht beteiligtenfähig und daher auch nicht beschwerdebefugt ist. Da die Fakultät gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 HmbPersVG an die Stelle der Dienststelle tritt, ist im vorliegenden Zusammenhang deren Leitung - das Dekanat - in die personalvertretungsrechtliche Stellung des Dienstellenleiters eingerückt, weil es für die Maßnahme, deren Mitbestimmungspflichtigkeit im Streit steht, zuständig ist. Zuordnungssubjekt personalvertretungsrechtlicher Rechtssätze, die eine Pflicht oder ein Recht endgültig zuordnen, ist hier also eine Stelle, nämlich das Dekanat als Leitungsorgan der Fakultät, und nicht eine Person oder eine Personenmehrheit. Die Dekanin der Fakultät ist, obgleich sie Mitglied des Leitungsorgans Dekanat ist (§ 90 Abs. 1 Satz 1 und 2 HmbHG) und ihr bei der Wahrnehmung der Leitungsaufgaben die Richtlinienkompetenz zusteht (§ 90 Abs. 3 Satz 1 HmbHG), nicht mit diesem gleichzusetzen. Beteiligtenfähig gemäß der hier gemäß § 99 Abs. 2 HmbPersVG entsprechend heranzuziehenden Regelung des § 83 Abs. 3 ArbGG ist jeweils die als personalvertretungsrechtliches Zuordnungssubjekt maßgebliche Stelle als solche, nicht die Gesamtheit oder einzelne ihrer Mitglieder (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. März 1992 - 6 P 11.90 - BVerwGE 90, 76 <82>; Matthes/Schlewing, in: Germelmann/Matthes/Prütting, Arbeitsgerichtsgesetz, 8. Auflage 2013, § 10 Rn. 26 m.w.N.).

10

Die als Beteiligte zu 2 geführte Dekanin der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität Hamburg ist auch sonst nicht durch die angefochtene Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts beschwert. Zwar kann auch eine mangels materieller Betroffenheit zu Unrecht beteiligte Person durch eine Entscheidung beschwert sein, wenn ihr damit eine Verpflichtung auferlegt oder das Bestehen einer solchen Verpflichtung festgestellt wird (BVerwG, Beschlüsse vom 15. Dezember 1978 - 6 P 13.78 - PersV 1980, 145 <146 f.>). Allerdings trifft dies hier nicht zu. Das Oberverwaltungsgericht hat ausweislich des Tenors seiner Entscheidung nicht der Dekanin der Fakultät als solcher eine Verpflichtung auferlegt, sondern festgestellt, "dass die Rechte des Antragstellers verletzt worden sind, indem das Dekanat die Lehrverpflichtung für wissenschaftliche Mitarbeiter gemäß § 28 Abs. 2 HmbHG von bisher vier auf nunmehr fünf Lehrveranstaltungsstunden erhöht hat... ". In den Gründen seines Beschlusses geht das Oberverwaltungsgericht zwar auch davon aus, dass die Dekanin "in ihrer sich aus dem Personalvertretungsrecht ergebenden Rechtsstellung unmittelbar berührt" sei (BA S. 16). Tragend für seine Tenorierung ist jedoch seine ausführlich und zutreffend begründete Auffassung, dass die Fakultät als "andere Verwaltungseinheit" gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 HmbPersVG an die Stelle der Dienststelle tritt, "da allein ihre Leitung - das Dekanat - zur Entscheidung über die inmitten stehende Erhöhung der Lehrverpflichtung der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter berufen ist" (BA S. 16 f.).

11

2. Der Beschwerde des Dekanats der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität Hamburg (Beteiligte zu 6) gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde im Beschluss des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts ist stattzugeben. Die Verfahrensrüge des Dekanats, es sei im Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht zu Unrecht nicht beteiligt worden (§ 99 Abs. 2 HmbPersVG i.V.m. § 92 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG i.V.m. § 547 Nr. 4 ZPO), ist zulässig (a) und begründet (b). Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung an das Oberverwaltungsgericht (c).

12

a) Die Verfahrensrüge ist zulässig.

13

Das Dekanat der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität Hamburg (Beteiligter zu 6) ist im vorliegenden Verfahren beschwerdebefugt, obgleich es als solches von den Vorinstanzen nicht formell am Verfahren beteiligt worden ist. Ein Rechtsmittel kann auch derjenige einlegen, der nach § 83 Abs. 3 ArbGG von Amts wegen zu beteiligen war, jedoch zu Unrecht nicht am Verfahren der Vorinstanz beteiligt worden ist (BVerwG, Beschluss vom 6. April 2011 - 6 PB 20.10 - Buchholz 251.92 § 78 PersVG LSA Nr. 3 Rn. 3 f. m.w.N.). Dies trifft - wie aus den obigen Ausführungen (unter 1.) folgt - für den Beteiligten zu 6 zu.

14

b) Die Verfahrensrüge ist auch begründet.

15

Der vom Dekanat der Fakultät substantiiert geltend gemachte absolute Rechtsbeschwerdegrund des § 547 Nr. 4 ZPO i.V.m. § 99 Abs. 2 HmbPersVG, § 92 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG liegt vor. Nach § 547 Nr. 4 ZPO ist eine Entscheidung stets auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen, wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat. Diese Regelung ist auch auf den Fall anzuwenden, dass eine Prozesspartei überhaupt nicht zu dem Verfahren hinzugezogen wurde; denn wenn bereits bei nicht vorschriftsmäßiger Vertretung einer Partei ein absoluter Aufhebungsgrund vorliegt, muss dies erst recht gelten, wenn eine Partei überhaupt nicht zum Verfahren hinzugezogen wurde (BGH, Beschluss vom 28. Juni 1983 - KVR 7/82 - WM 1983, 1111 und Urteile vom 11. Juni 1992 - III ZR 102/91 - NJW 1992, 2636 <2637> und vom 27. März 2002 - XII ZR 203/99 - NJW 2002, 2109 <2110>; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 74. Aufl. 2016, § 547 Rn. 11 und 11a). Dementsprechend liegt hier wegen der unterbliebenen Beteiligung des Dekanats der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften ein Verstoß gegen die Verfahrensvorschrift des § 547 Nr. 4 ZPO vor. Zwar mag es aufgrund der Anhörung der Mitglieder dieser Stelle zweifelhaft sein, ob die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts auf diesem Verfahrensfehler beruht. Allerdings ist, wie bereits dem Wortlaut der Vorschrift deutlich zu entnehmen ist, das Merkmal des Beruhens bei Vorliegen dieses absoluten Revisions- bzw. Rechtsbeschwerdegrundes nicht zu prüfen (vgl. BGH, Urteile vom 11. Juni 1992 - III ZR 102/91 - NJW 1992, 2636 <2637> und vom 27. März 2002 - XII ZR 203/99 - NJW 2002, 2109 <2110>; BAG, Urteil vom 6. Dezember 2006 - 5 AZR 844/06 - juris Rn. 8 und Beschluss vom 9. Juni 2011 - 2 ABR 35/10 - NJW 2011, 3053 <3054>). Dass die gegen einen absoluten Revisions- bzw. Rechtsbeschwerdegrund verstoßende Entscheidung der Vorinstanz auf diesem Verfahrensfehler beruht, wird vielmehr unwiderleglich vermutet (BAG, Beschluss vom 18.Januar 2012 - 7 ABR 72/10 - NZA-RR 2013, 133 Rn. 58; BSG, Beschluss vom 2. März 2010 - B 5 R 440/09 B - juris Rn. 7).

16

c) Der Senat macht von seiner Befugnis Gebrauch, die Entscheidung der Vorinstanz aufzuheben und das Verfahren zur Anhörung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 99 Abs. 2 HmbPersVG i.V.m. § 72a Abs. 7 i.V.m. § 92a Satz 2 ArbGG). Die Möglichkeit der Zurückverweisung ist in entsprechender Anwendung des § 72a Abs. 7 ArbGG auch dann eröffnet, wenn ein absoluter Revisions- bzw. Rechtsbeschwerdegrund nach § 547 Nr. 1 bis 5 ZPO vorliegt. Der Senat schließt sich der diesbezüglichen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in Ergebnis und Begründung an (BAG, Beschluss vom 5. Juni 2014 - 6 AZN 267/14 - BAGE 148, 206 Rn. 35 ff.). Die Regelung des § 72a Abs. 7 ArbGG dient der Verfahrensbeschleunigung (BAG, Beschlüsse vom 10. Mai 2005 - 9 AZN 195/05 - NJW 2005, 2637 <2638> und vom 5. Juni 2014 - 6 AZN 267/14 - BAGE 148, 206 Rn. 41). Mit der vorliegenden Zurückverweisung der Sache im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde wird dem Umstand Rechnung getragen, dass das Vorliegen eines absoluten Revisions- bzw. Rechtsbeschwerdegrundes auch bei zugelassener und zulässig eingelegter Rechtsbeschwerde regelmäßig - und so auch hier - zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung der Vorinstanz führen würde (vgl. Mikosch, in: GK-ArbGG, Stand: September 2014, § 72a Rn. 26 und 83 m.w.N.).

17

3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 99 Abs. 2 HmbPersVG i.V.m. § 92a Satz 2 i.V.m. § 72a Abs. 5 Satz 5 Alt. 1 ArbGG abgesehen.

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(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt im Rahmen der gestellten Anträge von Amts wegen. Die am Verfahren Beteiligten haben an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken.

(1a) Der Vorsitzende kann den Beteiligten eine Frist für ihr Vorbringen setzen. Nach Ablauf einer nach Satz 1 gesetzten Frist kann das Vorbringen zurückgewiesen werden, wenn nach der freien Überzeugung des Gerichts seine Zulassung die Erledigung des Beschlussverfahrens verzögern würde und der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt. Die Beteiligten sind über die Folgen der Versäumung der nach Satz 1 gesetzten Frist zu belehren.

(2) Zur Aufklärung des Sachverhalts können Urkunden eingesehen, Auskünfte eingeholt, Zeugen, Sachverständige und Beteiligte vernommen und der Augenschein eingenommen werden.

(3) In dem Verfahren sind der Arbeitgeber, die Arbeitnehmer und die Stellen zu hören, die nach dem Betriebsverfassungsgesetz, dem Sprecherausschussgesetz, dem Mitbestimmungsgesetz, dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz, dem Drittelbeteiligungsgesetz, den §§ 177, 178 und 222 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, dem § 18a des Berufsbildungsgesetzes und den zu diesen Gesetzen ergangenen Rechtsverordnungen sowie nach dem Gesetz über Europäische Betriebsräte, dem SE-Beteiligungsgesetz, dem SCE-Beteiligungsgesetz, dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung und dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitendem Formwechsel und grenzüberschreitender Spaltung im einzelnen Fall beteiligt sind.

(4) Die Beteiligten können sich schriftlich äußern. Bleibt ein Beteiligter auf Ladung unentschuldigt aus, so ist der Pflicht zur Anhörung genügt; hierauf ist in der Ladung hinzuweisen. Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(5) Gegen Beschlüsse und Verfügungen des Arbeitsgerichts oder seines Vorsitzenden findet die Beschwerde nach Maßgabe des § 78 statt.

(1) Arbeitnehmer (Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer) im Sinne dieses Gesetzes sind Arbeiter und Angestellte einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten, unabhängig davon, ob sie im Betrieb, im Außendienst oder mit Telearbeit beschäftigt werden. Als Arbeitnehmer gelten auch die in Heimarbeit Beschäftigten, die in der Hauptsache für den Betrieb arbeiten. Als Arbeitnehmer gelten ferner Beamte (Beamtinnen und Beamte), Soldaten (Soldatinnen und Soldaten) sowie Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten, die in Betrieben privatrechtlich organisierter Unternehmen tätig sind.

(2) Als Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes gelten nicht

1.
in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist;
2.
die Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft oder die Mitglieder einer anderen Personengesamtheit, soweit sie durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit oder zur Geschäftsführung berufen sind, in deren Betrieben;
3.
Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient, sondern vorwiegend durch Beweggründe karitativer oder religiöser Art bestimmt ist;
4.
Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient und die vorwiegend zu ihrer Heilung, Wiedereingewöhnung, sittlichen Besserung oder Erziehung beschäftigt werden;
5.
der Ehegatte, der Lebenspartner, Verwandte und Verschwägerte ersten Grades, die in häuslicher Gemeinschaft mit dem Arbeitgeber leben.

(3) Dieses Gesetz findet, soweit in ihm nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, keine Anwendung auf leitende Angestellte. Leitender Angestellter ist, wer nach Arbeitsvertrag und Stellung im Unternehmen oder im Betrieb

1.
zur selbständigen Einstellung und Entlassung von im Betrieb oder in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt ist oder
2.
Generalvollmacht oder Prokura hat und die Prokura auch im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht unbedeutend ist oder
3.
regelmäßig sonstige Aufgaben wahrnimmt, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebs von Bedeutung sind und deren Erfüllung besondere Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzt, wenn er dabei entweder die Entscheidungen im Wesentlichen frei von Weisungen trifft oder sie maßgeblich beeinflusst; dies kann auch bei Vorgaben insbesondere aufgrund von Rechtsvorschriften, Plänen oder Richtlinien sowie bei Zusammenarbeit mit anderen leitenden Angestellten gegeben sein.
Für die in Absatz 1 Satz 3 genannten Beamten und Soldaten gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend.

(4) Leitender Angestellter nach Absatz 3 Nr. 3 ist im Zweifel, wer

1.
aus Anlass der letzten Wahl des Betriebsrats, des Sprecherausschusses oder von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer oder durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidung den leitenden Angestellten zugeordnet worden ist oder
2.
einer Leitungsebene angehört, auf der in dem Unternehmen überwiegend leitende Angestellte vertreten sind, oder
3.
ein regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt erhält, das für leitende Angestellte in dem Unternehmen üblich ist, oder,
4.
falls auch bei der Anwendung der Nummer 3 noch Zweifel bleiben, ein regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt erhält, das das Dreifache der Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch überschreitet.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt im Rahmen der gestellten Anträge von Amts wegen. Die am Verfahren Beteiligten haben an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken.

(1a) Der Vorsitzende kann den Beteiligten eine Frist für ihr Vorbringen setzen. Nach Ablauf einer nach Satz 1 gesetzten Frist kann das Vorbringen zurückgewiesen werden, wenn nach der freien Überzeugung des Gerichts seine Zulassung die Erledigung des Beschlussverfahrens verzögern würde und der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt. Die Beteiligten sind über die Folgen der Versäumung der nach Satz 1 gesetzten Frist zu belehren.

(2) Zur Aufklärung des Sachverhalts können Urkunden eingesehen, Auskünfte eingeholt, Zeugen, Sachverständige und Beteiligte vernommen und der Augenschein eingenommen werden.

(3) In dem Verfahren sind der Arbeitgeber, die Arbeitnehmer und die Stellen zu hören, die nach dem Betriebsverfassungsgesetz, dem Sprecherausschussgesetz, dem Mitbestimmungsgesetz, dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz, dem Drittelbeteiligungsgesetz, den §§ 177, 178 und 222 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, dem § 18a des Berufsbildungsgesetzes und den zu diesen Gesetzen ergangenen Rechtsverordnungen sowie nach dem Gesetz über Europäische Betriebsräte, dem SE-Beteiligungsgesetz, dem SCE-Beteiligungsgesetz, dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung und dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitendem Formwechsel und grenzüberschreitender Spaltung im einzelnen Fall beteiligt sind.

(4) Die Beteiligten können sich schriftlich äußern. Bleibt ein Beteiligter auf Ladung unentschuldigt aus, so ist der Pflicht zur Anhörung genügt; hierauf ist in der Ladung hinzuweisen. Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(5) Gegen Beschlüsse und Verfügungen des Arbeitsgerichts oder seines Vorsitzenden findet die Beschwerde nach Maßgabe des § 78 statt.

Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat;
5.
wenn die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
6.
wenn die Entscheidung entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht mit Gründen versehen ist.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt im Rahmen der gestellten Anträge von Amts wegen. Die am Verfahren Beteiligten haben an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken.

(1a) Der Vorsitzende kann den Beteiligten eine Frist für ihr Vorbringen setzen. Nach Ablauf einer nach Satz 1 gesetzten Frist kann das Vorbringen zurückgewiesen werden, wenn nach der freien Überzeugung des Gerichts seine Zulassung die Erledigung des Beschlussverfahrens verzögern würde und der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt. Die Beteiligten sind über die Folgen der Versäumung der nach Satz 1 gesetzten Frist zu belehren.

(2) Zur Aufklärung des Sachverhalts können Urkunden eingesehen, Auskünfte eingeholt, Zeugen, Sachverständige und Beteiligte vernommen und der Augenschein eingenommen werden.

(3) In dem Verfahren sind der Arbeitgeber, die Arbeitnehmer und die Stellen zu hören, die nach dem Betriebsverfassungsgesetz, dem Sprecherausschussgesetz, dem Mitbestimmungsgesetz, dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz, dem Drittelbeteiligungsgesetz, den §§ 177, 178 und 222 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, dem § 18a des Berufsbildungsgesetzes und den zu diesen Gesetzen ergangenen Rechtsverordnungen sowie nach dem Gesetz über Europäische Betriebsräte, dem SE-Beteiligungsgesetz, dem SCE-Beteiligungsgesetz, dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung und dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitendem Formwechsel und grenzüberschreitender Spaltung im einzelnen Fall beteiligt sind.

(4) Die Beteiligten können sich schriftlich äußern. Bleibt ein Beteiligter auf Ladung unentschuldigt aus, so ist der Pflicht zur Anhörung genügt; hierauf ist in der Ladung hinzuweisen. Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(5) Gegen Beschlüsse und Verfügungen des Arbeitsgerichts oder seines Vorsitzenden findet die Beschwerde nach Maßgabe des § 78 statt.

Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat;
5.
wenn die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
6.
wenn die Entscheidung entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht mit Gründen versehen ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 203/99 Verkündet am:
27. März 2002
Küpferle,
Justizamtsinspektorin,
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
ZPO § 640e Abs. 1; BGB § 1909 Abs. 1
In einem Statusverfahren, in dem eine allein sorgeberechtigte Mutter die Vaterschaft
ihres geschiedenen Ehemannes anficht, muß für das am Verfahren zu beteiligende
Kind (§ 640e Abs. 1 ZPO) - schon für die Zustellung der Klage und der Ladung zum
Termin - ein Ergänzungspfleger bestellt werden.
Die Anfechtungsfrist von zwei Jahren ab Kenntnis der Umstände, die gegen die Vaterschaft
sprechen, gilt auch in den Fällen, in denen die Mutter vor dem 1. Juli 1998
keine Anfechtungsklage erheben konnte, weil ihr Anfechtungsrecht erst zu diesem
Zeitpunkt durch das Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts eingeführt worden ist
BGH, Urteil vom 27. März 2002 - XII ZR 203/99 - OLG Stuttgart
AG Esslingen
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 27. März 2002 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter
Gerber, Prof. Dr. Wagenitz, Fuchs und Dr. Vézina

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 16. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 1. Juli 1999 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin, Mutter des beigeladenen Kindes, begehrt die Feststellung, daß das Kind nicht von dem Beklagten abstammt. Die am 21. Februar 1986 geschlossene Ehe der Parteien ist mit Urteil vom 29. September 1992, das seit diesem Tage rechtskräftig ist, geschieden worden. Während der Ehe - am 22. Juli (im Berufungsurteil zu Unrecht: Juni) 1986 - hat die Klägerin die Tochter M. zur Welt gebracht. Der vorliegenden Klage sind zwei weitere Statusverfahren bezüglich des beigeladenen Kindes vorausgegangen. Nach der Scheidung hat der Beklagte im Jahre 1993 - nach dem damals geltenden Recht - Ehelichkeitsanfechtungs-
klage erhoben. Das Familiengericht hat dieser Klage stattgegeben, nachdem ein ärztlicher Sachverständiger festgestellt hatte, der Beklagte sei aus genetischen Gründen als Vater auszuschließen. Auf die Berufung des Kindes hin hat das Oberlandesgericht durch rechtskräftiges Urteil vom 2. Dezember 1993 unter Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger des damaligen Verfahrens habe die Anfechtungsfrist versäumt. Im Jahre 1995 hat das Kind, vertreten durch seine Mutter (die Klägerin des vorliegenden Verfahrens), Klage erhoben mit dem Ziel, festzustellen, daß es nicht vom Beklagten abstamme. Durch Urteil vom 20. Juli 1995 hat das Familiengericht diese Klage abgewiesen, und zwar mit der Begründung, die Anfechtungsfrist sei versäumt, weil die gesetzliche Vertreterin des Kindes seit mehr als zwei Jahren Kenntnis von den Umständen habe, die gegen die Vaterschaft des Beklagten sprächen. Gegen dieses Urteil des Familiengerichts hat das Kind Berufung eingelegt. Das Oberlandesgericht hat den Antrag des Kindes , ihm zur Durchführung einer Berufung gegen dieses Urteil Prozeßkostenhilfe zu bewilligen, mangels Erfolgsaussicht zurückgewiesen. Über die Berufung ist nicht entschieden worden. Das Oberlandesgericht hat zunächst durch Beschluß vom 26. Oktober 1995 auf Antrag des Kindes das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Nachdem die Klägerin durch eine zum 1. Juli 1998 in Kraft getretene Gesetzesänderung als Mutter des Kindes selbst anfechtungsberechtigt geworden ist, hat sie im vorliegenden Verfahren mit einem am 26. November 1998 eingegangenen Schriftsatz Klage erhoben mit dem Antrag festzustellen, daß das Kind M. nicht das Kind des Beklagten sei. Der Beklagte ist der Klage nicht entgegengetreten. Das Familiengericht hat die Klage abgewiesen mit der Be-
gründung, auch der Klage der Mutter stehe die Versäumung der Anfechtungsfrist entgegen, da sie - die Mutter - mehr als zwei Jahre vor Klageerhebung Kenntnis von den Umständen gehabt habe, die für die Nichtehelichkeit des Kindes sprächen (§ 1600 b BGB). Daû die Klagebefugnis der Mutter vom Gesetzgeber erst zum 1. Juli 1998 eingeführt worden sei, bedeute nicht, daû ab diesem Zeitpunkt eine neue Anfechtungsfrist laufe. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit der zugelassenen Revision verfolgt sie ihren Feststellungsanspruch weiter. Nachdem der Senat die Parteien auf § 640 c Abs. 2 ZPO hingewiesen hatte, hat das Kind während des Revisionsverfahrens seine beim Oberlandesgericht anhängige, zum Ruhen gebrachte Klage mit Zustimmung des Prozeûgegners zurückgenommen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. 1. Das Berufungsgericht führt aus, da das Kind vor dem 1. Juli 1998 zur Welt gekommen sei, richte sich die Frage seiner Abstammung nach dem bis zum 30. Juni 1998 gültigen Recht (Art. 224 § 1 Abs. 1 EGBGB). Da das Kind während der Ehe der Parteien geboren worden sei, gelte es nach § 1591 BGB a.F. als Kind des Beklagten. Dieser Status des Kindes könne nur durch ein Anfechtungsverfahren beseitigt werden (§ 1593 BGB a.F.). Auf dieses Anfech-
tungsverfahren seien allerdings die am 1. Juli 1998 in Kraft getretenen neuen Bestimmungen anzuwenden (Art. 224 § 1 Abs. 2 EGBGB). Gemäû § 1600 BGB n.F. gehöre die Klägerin zu den anfechtungsberechtigten Personen. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts sind zutreffend und werden von der Revision auch nicht in Zweifel gezogen. 2. Weiter führt das Berufungsgericht aus, weder das in einem Vorprozeû rechtskräftig abgeschlossene Anfechtungsverfahren noch das (damals) noch nicht abgeschlossene zweite Anfechtungsverfahren stehe der Zulässigkeit der vorliegenden Klage entgegen. Werde ein klagabweisendes Urteil in einem Vaterschaftsanfechtungsverfahren darauf gestützt, daû der Kläger die Anfechtungsfrist versäumt habe, sei damit das Abstammungsverhältnis zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits nicht festgestellt. Ein solches Urteil könne deshalb die Klage "eines anderen Anfechtungsberechtigten mit gleichem Verfahrensziel nicht hindern." Die gemäû § 640 e ZPO an sich vorgesehene Beiladung des Kindes sei nicht erforderlich, weil die Wahrung seiner Rechte schon dadurch gewährleistet sei, daû seine gesetzliche Vertreterin als Prozeûpartei an dem Verfahren beteiligt sei. Das Familiengericht habe die Klage zu Recht abgewiesen, weil die Anfechtungsfrist versäumt sei. Das neu eingeführte Anfechtungsrecht der Mutter könne - wie auch das Anfechtungsrecht der anderen Anfechtungsberechtigten - nur binnen einer Frist von zwei Jahren ausgeübt werden, die mit dem Zeitpunkt beginne, in dem der Anfechtungsberechtigte von den Umständen erfahren habe , die gegen die Vaterschaft sprechen, frühestens mit der Geburt des Kindes (§ 1600 b Abs. 1 und Abs. 2 BGB n.F.). Bei Eingang der vorliegenden Klage
habe die Klägerin, wie die Berufung nicht in Zweifel ziehe, seit mehr als zwei Jahren Kenntnis von den entsprechenden Umständen gehabt. Zu Unrecht mache die Klägerin geltend, die zweijährige Anfechtungsfrist könne nicht vor dem 1. Juli 1998 zu laufen begonnen haben, weil sie - die Klägerin - vor der an diesem Tage in Kraft getretenen Neufassung des Gesetzes nicht anfechtungsberechtigt gewesen sei. Für diese Annahme der Klägerin finde sich weder im Gesetz selbst noch in den Materialien zu dem Gesetz eine Stütze. Die Materialien sprächen im Gegenteil dafür, daû der Gesetzgeber bewuût darauf verzichtet habe, für das neu eingeführte Anfechtungsrecht der Mutter hinsichtlich der Anfechtungsfrist eine entsprechende Übergangsregelung vorzusehen. 3. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten, soweit sie das Prozeûrecht betreffen, einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Annahme des Berufungsgerichts, die (damals andauernde) Rechtshängigkeit eines Statusverfahrens des Kindes gegen den Ehemann - den Beklagten auch des vorliegenden Verfahrens - habe der Zulässigkeit der vorliegenden Klage nicht entgegengestanden, beruht auf Rechtsirrtum. Nach dem zum 1. Juli 1998 - also vor Erhebung der vorliegenden Klage - in Kraft getretenen § 640 c Abs. 2 ZPO i.V.m. § 640 Abs. 2 Nr. 2 ZPO kann während der Dauer der Rechtshängigkeit einer Klage, mit der die Anfechtung der Vaterschaft eines Kindes geltend gemacht wird, keine "entsprechende Klage... anderweitig anhängig gemacht werden." In der Begründung des Regierungsentwurfs zu dieser Bestimmung heiût es ausdrücklich, durch die Regelung solle vermieden werden, daû verschiedene Klageberechtigte - gegebenenfalls an unterschiedlichen Gerichtsständen - entsprechende Anfechtungsklagen anhängig machten (BT-Drucks. 13/4899 S. 126). Unter "entsprechende Klage" ist ein weiteres Ab-
stammungsverfahren zu verstehen, das dasselbe Kind betrifft (Zöller/Philippi, ZPO 23. Aufl. § 640 c Rdn. 6). Mit Rücksicht auf den anhängigen Prozeû zur Klärung der Abstammung des Kindes war es nicht zulässig, einen neuen Statusprozeû anhängig zu machen, die Klägerin konnte lediglich dem bereits anhängigen Prozeû als Streitgenossin einer Partei beitreten (vgl. BT-Drucks. 13/4899 aaO). In den Vorinstanzen war die Klage deshalb unzulässig. Die "Rechtshängigkeitssperre" (vgl. Lüke in MünchKomm-ZPO 2. Aufl. § 261 Rdn. 52 m.w.N.) entfällt jedoch ex nunc, wenn die Rechtshängigkeit des anderen Prozesses fortfällt (Stein/Jonas/Schumann, ZPO 21. Aufl. § 261 Rdn. 51; Goldschmidt, Festschrift für Brunner - 1914 - S. 153 Fuûn. 4). Nachdem in dem parallel geführten Abstammungsprozeû die Klage wirksam zurückgenommen worden ist, ist die dortige Rechtshängigkeit entfallen mit der Folge, daû von diesem Zeitpunkt an die vorliegende Klage zulässig geworden ist. 4. Das Berufungsurteil muû jedoch aufgehoben und die Sache muû an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, weil das Verfahren der Vorinstanzen an einem von Amts wegen zu berücksichtigenden unheilbaren Verfahrensmangel leidet. Nach § 640 e Abs. 1 ZPO ist das Kind in einem Statusprozeû , an dem es - wie im vorliegenden Fall - nicht selbst als Partei beteiligt ist, in der Weise zu beteiligen, daû es unter Mitteilung der Klage zum Termin zur mündlichen Verhandlung zu laden ist. Es kann dann der einen oder der anderen Partei als Streitgenosse beitreten. Diese zwingend vorgeschriebene, von Amts wegen vorzunehmende Beiladung des Kindes (Musielak/Borth, ZPO 2. Aufl. § 640 e Rdn. 3; Coester-Waltjen in MünchKomm-ZPO 2. Aufl. § 640 e Rdn. 5) haben die Vorinstanzen unterlassen. Wird ein Dritter entgegen einer
zwingenden Vorschrift nicht am Verfahren beteiligt, stellt das in entsprechender Anwendung des § 551 Nr. 5 ZPO a.F. (= § 347 Nr. 4 ZPO n.F.) einen von Amts wegen zu berücksichtigenden absoluten Revisionsgrund dar, der die Zurückverweisung der Sache in jedem Fall erforderlich macht (BGH, Urteil vom 11. Juni 1992 - III ZR 102/91 - NJW 1992, 2636, 2637; Beschluû vom 28. Juni 1983 - KVR 7/82 - NJW 1984, 494 f.; Musielak/Borth aaO Rdn. 4; Wenzel in MünchKomm-ZPO aaO § 551 Rdn. 14). Da es sich um einen absoluten Revisionsgrund im Sinne des § 551 ZPO a.F. handelt, hat das Revisionsgericht nicht zu prüfen, ob das Berufungsurteil auf diesem Mangel beruht (BGH, Beschluû vom 28. Juni 1983 aaO S. 495). Im übrigen hat das Kind einen Anspruch darauf, schon in den Tatsacheninstanzen beteiligt zu werden. Der Mangel wird nicht dadurch geheilt, daû das Kind in der Revisionsinstanz beteiligt worden ist. Es ist zumindest nicht von vornherein auszuschlieûen, daû das Berufungsgericht andere oder ergänzende tatsächl iche Feststellungen getroffen hätte, die für die Entscheidung relevant sein könnten, wenn es das Kind ordnungsgemäû beteiligt hätte (vgl. BGH, Beschluû vom 28. Juni 1983 aaO). 5. Der Auffassung des Berufungsgerichts, von der an sich vorgeschriebenen Beiladung des Kindes könne im vorliegenden Rechtsstreit abgesehen werden, weil seine allein sorgeberechtigte Mutter - die Klägerin -, die seine Rechte im Falle eines Beitritts wahrzunehmen hätte, selbst Prozeûpartei sei und deshalb auf das Verfahren Einfluû nehmen könne, kann nicht gefolgt werden. Daû in einem Prozeû zwischen den Eltern, in dem es um den Status des Kindes geht, ein Elternteil allein oder beide Elternteile gemeinsam das Sorgerecht für das Kind haben, ist die Regel. Wenn der Gesetzgeber dennoch ohne
jede Einschränkung angeordnet hat, daû in einem solchen Prozeû das Kind zu beteiligen ist, kann nicht davon ausgegangen werden, die Beteiligung des Kindes sei nur ausnahmsweise notwendig, nämlich in den seltenen Fällen, in denen ein Dritter sorgeberechtigt ist. Die Argumentation des Berufungsgerichts, die Beteiligung des Kindes durch Zustellung der Klage an die allein sorgeberechtigte Klägerin sei eine überflüssige Formalie, ist schon deshalb unzutreffend, weil eine allein sorgeberechtigte Mutter, wenn sie Klägerin in einem Statusverfahren ist, das Kind im Rahmen seiner Beteiligung nach § 640 e Abs. 1 ZPO nicht im Prozeû vertreten kann. Es ist vielmehr erforderlich, für das Kind nach § 1909 Abs. 1 BGB einen Ergänzungspfleger zu bestellen (wie es in der Revisionsinstanz geschehen ist). Nach § 1629 Abs. 2 BGB können die Eltern ein Kind nicht vertreten, soweit ein Vormund nach § 1795 BGB von der Vertretung des Kindes ausgeschlossen ist. Nach § 1795 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 BGB ist ein Vormund in einem Rechtsstreit zwischen seinem Ehegatten, seinem Lebenspartner oder einem seiner Verwandten in gerader Linie einerseits und dem Mündel andererseits von der Vertretung des Mündels ausgeschlossen. Dieser Ausschluû gilt erst recht, wenn nicht nur der Ehegatte oder Verwandte des Vormunds, sondern der Vormund selbst Partei eines Rechtsstreits mit dem Mündel ist (Wagenitz in MünchKomm-BGB 4. Aufl. § 1795 Rdn. 35 m.N.). Zwar ist das Kind, solange es dem zwischen den Eltern geführten Statusprozeû nicht beigetreten ist, nicht Partei dieses Prozesses. § 640 e Abs. 1 ZPO räumt ihm aber eine parteiähnliche prozessuale Rolle ein, die es rechtfertigt , § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB auf diesen Fall analog anzuwenden. Durch § 640 e Abs. 1 ZPO soll das Kind, um dessen Status es geht, in die Lage versetzt werden, seine Interessen unabhängig von den Parteien des Statusverfah-
rens, also auch unabhängig von seiner allein sorgeberechtigten Mutter, zu vertreten. Die Interessen der Mutter und die Interessen des Kindes können durchaus voneinander abweichen. Die Mutter kann unter Hintanstellung anderer Gesichtspunkte in erster Linie daran interessiert sein, nachzuweisen, daû der Beklagte nicht der Vater ihres Kindes ist. Das Kind kann daran interessiert sein, daû soziale Bindungen, die es zu dem Beklagten aufgebaut hat, nicht beschädigt werden, insbesondere aber kann es darauf angewiesen sein, in dem Beklagten einen zahlungskräftigen Unterhaltsschuldner zu haben. Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich, daû der Gesetzgeber, als er das Anfechtungsrecht der Mutter eingeführt hat, ihr ganz bewuût das Recht eingeräumt hat, mit diesem Anfechtungsrecht ausschlieûlich eigene Interessen zu verfolgen ohne Rücksicht auf die Interessen des Kindes (vgl. BT-Drucks. 13/4899 S. 6; BT-Drucks. 13/4899 S. 148; BT-Drucks. 13/8511 S. 70 f.). Das bedeutet, daû das beizuladende Kind in einem von seiner allein sorgeberechtigten Mutter angestrengten Statusverfahren der Mutter in einer eigenständigen Position gegenübersteht, die es ihm ermöglichen soll, eigene Interessen auch gegen die Mutter geltend zu machen. Dies entspricht der Interessenkonstellation , für die § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB die Vertretungsbefugnis ausschlieût. Wie das Berufungsgericht - ohne die richtigen Schluûfolgerungen daraus zu ziehen - im Ansatz richtig sieht, wäre es nicht sinnvoll, zum Zwecke der Beteiligung des Kindes der allein sorgeberechtigten Klägerin ihre eigene Klage zuzustellen, um sie für das Kind entscheiden zu lassen, ob das Kind dem Rechtsstreit auf ihrer oder auf der Seite ihres Prozeûgegners beitreten soll (im Ergebnis wie hier OLG Celle, FamRZ 2001, 700, 702; Coester-Waltjen in MünchKomm-ZPO aaO § 640 e Rdn. 6).
6. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin: Das Berufungsgericht geht zu Recht und mit zutreffender Begründung davon aus, daû die zweijährige Frist für die Anfechtung der Vaterschaft - beginnend mit dem Zeitpunkt, in dem der Berechtigte von den Umständen erfährt, die gegen die Vaterschaft sprechen (§ 1600 b BGB) - auch in den Fällen uneingeschränkt gilt, in denen der Mutter mit dem Inkrafttreten des neuen Rechts zum 1. Juli 1998 erstmals ein Anfechtungsrecht eingeräumt worden ist. Das hat zur Folge, daû eine Anfechtung der Mutter ausgeschlossen ist, wenn sie vor dem 1. Juli 1996 Kenntnis von den gegen die Vaterschaft sprechenden Umständen hatte. Es ist der Revision einzuräumen, daû eine Klagefrist im Regelfall nicht abläuft, bevor der Kläger die rechtliche Möglichkeit hat, sie einzuhalten. Es ist jedoch zu berücksichtigen, daû es sich nicht um ein auf Dauer auftretendes und zu regelndes Problem handelt. Vielmehr taucht die Problematik nur in der Zeit vom 1. Juli 1998 bis zum 1. Juli 2000, und auch in dieser Zeit nur für Fälle auf, in denen die Mutter schon vor dem 1. Juli 1996 Kenntnis von den gegen die Vaterschaft sprechenden Umständen hatte. Der Gesetzgeber hatte bei Einführung des Anfechtungsrechts der Mutter zum 1. Juli 1998 zu entscheiden, ob die neue Anfechtungsmöglichkeit für alle Altfälle gelten sollte, unabhängig davon, wie alt das Kind inzwischen war, welche sozialen Bindungen es zu dem Mann aufgebaut hatte, der bisher als sein Vater galt, und wie lange die Mutter bereits Kenntnis davon hatte, daû das Kind wohl nicht von diesem Mann abstammt , oder ob die neue Anfechtungsmöglichkeit - jedenfalls im wesentlichen - nur für die Zukunft gelten sollte. Hätte der Gesetzgeber die neue Anfechtungsmöglichkeit für alle Altfälle eröffnen wollen, hätte es nahegelegen, in einer Übergangsvorschrift festzulegen , daû die Anfechtungsfrist für eine Anfechtung durch die Mutter nicht vor
dem 1. Juli 1998 beginnt. Entgegen der Annahme der Revision ist nicht davon auszugehen, daû der Gesetzgeber eine solche Übergangsregelung nur vergessen hat. Die übrigen Regelungen des neuen Rechts und die Materialien dazu sprechen vielmehr dafür, daû der Gesetzgeber eine solche Übergangsregelung bewuût nicht vorgesehen hat, weil er für Altfälle keine neue Anfechtungsmöglichkeit eröffnen wollte. Das Berufungsgericht weist zu Recht darauf hin, daû das neue Recht nicht nur ein Anfechtungsrecht der Mutter eingeführt, sondern auch das Anfechtungsrecht des (volljährigen) Kindes erweitert hat (§§ 1600, 1600 b Abs. 3 BGB n.F., § 1596 BGB a.F.). Der Gesetzgeber hat gesehen, daû die für die Anfechtung durch das volljährige Kind vorgesehene Frist (§ 1600 b Abs. 3 BGB) bei Einführung des neuen Rechts am 1. Juli 1998 bereits abgelaufen sein könnte und hat deshalb in einer Übergangsregelung (Art. 224 § 1 Abs. 4 EGBGB) bestimmt, daû die Verjährungsfrist für das volljährige Kind - jedenfalls in bestimmten Fällen - nicht vor dem Inkrafttreten des neuen Rechts (am 1. Juli 1998) zu laufen beginnt. Man kann ausschlieûen, daû er dieselbe Problematik bei der weit mehr im Vordergrund stehenden und diskutierten Einführung des Anfechtungsrechts der Mutter übersehen hat. Der Regierungsentwurf sah in § 1600 b Abs. 5 BGB vor, daû für alle Anfechtungsberechtigten - also auch für die Mutter - die Anfechtungsfrist erneut zu laufen beginnt, wenn der Berechtigte Kenntnis von Umständen erlangt, aufgrund derer die Folgen der Vaterschaft für ihn unzumutbar werden (BT-Drucks. 13/4899 S. 6). Der Bundesrat hat vorgeschlagen, § 1600 b Abs. 5 BGB des Entwurfs zu streichen (BT-Drucks. 13/4899 S. 148 f.). Entsprechend der Gegenäuûerung der Bundesregierung hat der Rechtsausschuû des Deutschen Bundestages vorgeschlagen, die Anwendung des § 1600 b Abs. 5 des
Entwurfs auf das Anfechtungsrecht des Kindes zu beschränken. Zur Begründung hat er ausgeführt: "Dieser Ausschluû wird in der Regel zur Folge haben, daû die Mutter von ihrem Anfechtungsrecht nur innerhalb der ersten zwei Lebensjahre des Kindes Gebrauch machen kann. Innerhalb dieses Zeitraums können sich persönliche Bindungen des Kindes zu seinem Vater noch nicht in einem solchen Maûe entwickeln, daû ein etwa vorhandenes Interesse des Kindes am Fortbestand der Vaterschaft das Anfechtungsinteresse der Mutter überwiegen könnte. Der Rechtsausschluû empfiehlt daher wie die Gegenäuûerung der Bundesregierung, die Anwendung des § 1600 b Abs. 5 BGB-E auf die Anfechtung durch den Vater oder die Mutter auszuschlieûen und auf das Anfechtungsrecht des Kindes zu beschränken. Insoweit hält der Rechtsausschuû die Beibehaltung der Regelung des § 1600 b Abs. 5 BGB-E für zwingend geboten und hält seine völlige Streichung, wie sie vom Bundesrat gefordert worden ist, im Hinblick auf das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung für verfassungsrechtlich bedenklich." Der Vorschlag des Rechtsausschusses ist Gesetz geworden (§ 1600 b Abs. 5 BGB). Daraus ergibt sich, daû der Gesetzgeber die Anfechtungsmöglichkeit der Mutter im Interesse des Kindes zeitlich eng begrenzen und von dieser Begrenzung möglichst keine Ausnahme zulassen wollte. Auch das spricht dafür, daû der Gesetzgeber die von der Revision vermiûte Übergangsregelung nicht vergessen, sondern bewuût nicht eingeführt hat. Hahne Gerber Wagenitz Fuchs Vézina

Tenor

1. Auf die Rechtsbeschwerden des Betriebsrats und des Beteiligten zu 3. wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 24. November 2009 - 2 TaBV 29/09 - aufgehoben.

2. Das Verfahren wird zur neuen Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Betriebsrat der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3. hätte zustimmen müssen.

2

Die Arbeitgeberin betreibt ein Fährunternehmen auf der Ostsee. Nicht festgestellt ist, ob es sich bei ihr um ein Seeschifffahrtsunternehmen iSv. § 114 Abs. 2 BetrVG handelt. Der Beteiligte zu 3. ist bei der Arbeitgeberin seit dem 15. Mai 1982 als Hotelmanager-Assistent beschäftigt und Mitglied des in einem ihrer Betriebe gebildeten Betriebsrats.

3

Die Arbeitgeberin hat den Betriebsrat mit Schreiben vom 17. Oktober 2008 um Zustimmung zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3. ersucht. Dieser habe entgegen ihrer Anweisung zollpflichtige Ware vom Schiff verbracht. Mit Schreiben vom 20. Oktober 2008 hat der Betriebsrat die Zustimmung verweigert. Am 22. Oktober 2008 hat die Arbeitgeberin das vorliegende Verfahren eingeleitet. Mit Schriftsatz vom 20. Februar 2009 hat sie weitere Vorwürfe in das Verfahren eingeführt, nachdem der Betriebsrat auch auf ein weiteres Ersuchen die Zustimmung zu der beabsichtigten Kündigung verweigert hatte.

4

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

        

die Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3. zu ersetzen.

5

Der Betriebsrat und der Beteiligte zu 3. haben beantragt, den Antrag abzuweisen.

6

Das Arbeitsgericht hat den Antrag der Arbeitgeberin abgewiesen. Auf deren Beschwerde hat das Landesarbeitsgericht die Zustimmung des Betriebsrats ersetzt. Das Beschwerdeverfahren ist beim Landesarbeitsgericht am 23. Juli 2009 nicht zusammen mit den übrigen an diesem Tage eingegangenen Verfahren in einem Turnus, sondern nach vorheriger Absonderung von diesen verteilt worden. Nr. 2.1 des am 24. November 2008 vom Präsidium des Landesarbeitsgerichts beschlossenen Geschäftsverteilungsplans für das Jahr 2009 (GVPl. 2009) lautete auszugsweise:

        

„Sa-, SaGa und SHa-Sachen, Ta-, TaBV-, TaBVGa und TaBVHa-Sachen:

        

Die in die Zuständigkeit der allgemeinen Kammer und der Fachkammer für den öffentlichen Dienst fallenden Sachen werden in der Reihenfolge ihres Eingangs auf die Kammern I. - VI. aufgeteilt.“

7

In Nr. 1.2 GVPl. 2009 war im Hinblick auf die Vertretung der nicht besetzten 1. Kammer des Landesarbeitsgerichts folgende Regelung enthalten:

        

„Für die Dauer der Vakanz der 1. Kammer erfolgt die Vertretung dieser Kammer wie folgt:

        

Die am 01.01.2009 anhängigen und noch bis zum 31.12.2008 eingehenden Sa-, SaGa-, Ta-, TaBV, TaBVGa- und TaBVHa-Verfahren werden jeweils, getrennt nach Verfahrensart, fortlaufend manuell mit den Zusatzbuchstaben a bis e versehen … [und] wie folgt vertreten:“

8

Mit ihren vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerden begehren der Betriebsrat und der Beteiligte zu 3., den erstinstanzlichen Beschluss wiederherzustellen.

9

B. Die Rechtsbeschwerden sind begründet. Es liegt der absolute Rechtsbeschwerdegrund der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts vor (§ 547 Nr. 1 ZPO iVm. § 92 Abs. 1 Satz 2, § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG). Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht.

10

I. Der Betriebsrat und der Beteiligte zu 3. haben die nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Landesarbeitsgerichts auch im Rechtsbeschwerdeverfahren ordnungsgemäß nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gerügt.

11

II. Der absolute Rechtsbeschwerdegrund des § 547 Nr. 1 ZPO iVm. § 92 Abs. 1 Satz 2, § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG ist gegeben.

12

1. Dies folgt nicht bereits daraus, dass der erkennende Senat gem. § 318 ZPO an die Begründung des Zulassungsbeschlusses des Dritten Senats vom 18. Mai 2010 - 3 ABN 7/10 - gebunden wäre.

13

a) Nach § 318 ZPO ist das Gericht an die Entscheidung, die in den von ihm erlassenen End- und Zwischenurteilen enthalten ist, gebunden. Dies gilt zwar grundsätzlich nicht für die Beschlüsse und Verfügungen eines Gerichts. Bindungswirkung nach § 318 ZPO entfalten aber ua. Beschlüsse im Verfahren um die Zulassung eines Rechtsmittels (vgl. Zöller/Vollkommer ZPO 28. Aufl. § 318 Rn. 9 mwN). Die Bindung nach § 318 ZPO führt zu einem Abänderungs- und Abweichungsverbot(Zöller/Vollkommer aaO Rn. 10, 11).

14

b) Gegenstand der Bindung nach § 318 ZPO ist jedoch lediglich der aus der Urteils- bzw. Beschlussformel und den Gründen zu ersehende Ausspruch des Gerichts, nicht die rechtliche Begründung oder eine tatsächliche Feststellung (BGH 13. Oktober 2000 - V ZR 356/99 - zu II 3 der Gründe, NJW 2001, 78; 11. Juli 1994 - II ZB 13/93 - zu II 1 der Gründe, NJW 1994, 1222; Musielak/Musielak ZPO 8. Aufl. § 318 Rn. 2; Zöller/Vollkommer ZPO 28. Aufl. § 318 Rn. 11). Damit ist der Senat zwar an die Beschlussformel - die Zulassung der Rechtsbeschwerde - gebunden, nicht aber an die Begründung, es liege der absolute Zulassungsgrund des § 547 Nr. 1 ZPO vor.

15

2. Der Betriebsrat und der Beteiligte zu 3. rügen auch im Rechtsbeschwerdeverfahren mit Erfolg, die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts sei nach § 547 Nr. 1 ZPO iVm. § 92 Abs. 1 Satz 2, § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen. Das erkennende Gericht war nicht vorschriftsmäßig besetzt. Der Zuteilung der Beschwerde gegen die erstinstanzliche Entscheidung lag eine objektiv willkürliche Anwendung von Nr. 2.1 GVPl. 2009 zugrunde.

16

a) § 547 Nr. 1 ZPO erfasst ua. diejenigen Fälle, in denen die Entscheidung durch andere als die gesetzlich berufenen Richter ergeht (vgl. BAG 26. September 2007 - 10 AZR 35/07 - Rn. 11, AP ZPO § 547 Nr. 7). Aus dem verfassungsrechtlichen Verbot, einem Verfahrensbeteiligten den gesetzlichen Richter zu entziehen (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) folgt, dass die Rechtsprechungsorgane nicht anders besetzt werden dürfen als es in den allgemeinen Normen der Gesetze und der Geschäftsverteilungspläne vorgesehen ist (BAG 16. Mai 2002 - 8 AZR 412/01 - zu II 3 der Gründe, BAGE 101, 145). Zwar ist nicht jeder Fehler bei der Geschäftsverteilung ein absoluter Revisionsgrund (vgl. BAG 23. März 2010 - 9 AZN 1030/09 - Rn. 13, AP GG Art. 101 Nr. 63 = EzA ArbGG 1979 § 72a Nr. 122). Eine nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts iSv. § 547 Nr. 1 ZPO liegt aber dann vor, wenn die Anwendung der Geschäftsverteilung auf den Einzelfall willkürlich erfolgt(vgl. Zöller/Heßler ZPO 28. Aufl. § 547 Rn. 2). Dabei ist auf einen objektiven Willkürmaßstab abzustellen (vgl. BVerwG 15. Mai 2008 - 2 B 77/07 - Rn. 6, NVwZ 2008, 1025; Musielak/Ball ZPO 8. Aufl. § 547 Rn. 4). Maßgeblich ist, ob sich das Gericht bei der Auslegung und Anwendung des Geschäftsverteilungsplans so weit vom Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt hat, dass dies nicht mehr zu rechtfertigen ist (vgl. BGH 9. März 1976 - X ZB 17/74 - zu II 2 der Gründe, NJW 1976, 1688), dh. bei verständiger Würdigung dieses Grundsatzes nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BGH 5. Oktober 1982 - X ZB 4/82 - zu 3 b der Gründe, BGHZ 85, 116).

17

b) Danach war die Anwendung von Nr. 2.1 GVPl. 2009 bei der Zuteilung des Beschwerdeverfahrens willkürlich.

18

aa) Nach dem Wortlaut von Nr. 2.1 GVPl. 2009 waren die eingehenden Verfahren ohne Rücksicht auf die Verfahrensart allein ihrem Eingang entsprechend auf die Kammern zu verteilen. Dies ergibt sich auch aus dem systematischen Zusammenhang. In Nr. 2.1 GVPl. 2009 ist - anders als bei der Regelung zur Vertretung der 1. Kammer in Nr. 1.2 GVPl. 2009 - eine jeweils nach Verfahrensart getrennte Verteilung gerade nicht angeordnet (so auch BAG 18. Mai 2010 - 3 ABN 7/10 - zu II 3 der Gründe). Aus dem Eingangssatz in Nr. 2.1 GVPl. 2009 ergibt sich nichts Anderes. Der dort enthaltenen Aufzählung der verschiedenen Verfahrensarten lässt sich nicht entnehmen, die Verteilung habe nach den einzelnen Verfahrensarten getrennt zu erfolgen. Die Aufzählung stellt lediglich klar, welche Verfahrensarten von der Regelung betroffen sind.

19

bb) Die nach Nr. 2.1 GVPl. 2009 fehlerhaft vorgenommene Verteilung getrennt nach Verfahrensarten ist bei objektiver Würdigung nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar.

20

(1) Abzustellen ist auf einen objektiven Willkürmaßstab. Bei Regelungen zur Geschäftsverteilung handelt es sich nicht um ein bloßes Internum der Gerichtsverwaltung. Es geht vielmehr darum, den „gesetzlichen Richter“ iSv. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG zu gewährleisten. Dies bedeutet, dass sich der für die einzelne Sache zuständige Richter im Voraus eindeutig aus einer allgemeinen Regelung ergeben muss (BAG 13. Oktober 2010 - 5 AZN 861/10 - Rn. 3, EzA ZPO 2002 § 547 Nr. 4; 26. September 2007 - 10 AZR 35/07 - Rn. 11, AP ZPO § 547 Nr. 7). Dies ist bei einer objektiv unverständlichen Anwendung einer Geschäftsverteilungsregelung nicht mehr gewährleistet. Mögliche subjektive Vorstellungen des Präsidiums, die in der Regelung keinen Niederschlag gefunden haben, sind ebenso unbeachtlich wie solche des entscheidenden Richters.

21

(2) Danach entfernt sich die Auslegung und Anwendung von Nr. 2.1 GVPl. 2009 bei der Verteilung der Beschwerde im vorliegenden Verfahren so weit von den Vorgaben des Geschäftsverteilungsplans, dass sie objektiv unhaltbar ist. Von einer den Anforderungen des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG genügenden Verteilung kann damit nicht ausgegangen werden. An Stelle der in Nr. 2.1 GVPl. 2009 beschlossenen Regelung wird eine inhaltlich gänzlich andere zugrunde gelegt, die mit den Regelungen des Geschäftsverteilungsplans offensichtlich nicht in Einklang zu bringen ist.

22

(3) Der Umstand, dass - so die Auskunft der Präsidentin des Landesarbeitsgerichts vom 15. März 2010 - die fehlerhafte Verteilungspraxis bei gleichlautenden Regelungen in den jeweiligen Geschäftsverteilungsplänen bereits seit vielen Jahren geübt wurde, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Sie entsprach damit zwar möglicherweise dem Willen des Präsidiums, dieser hat aber in der Regelung der Nr. 2.1 GVPl. 2009 objektiv keinen Niederschlag gefunden.

23

(4) Es bedarf keiner Klärung, ob die erkennende Kammer des Landesarbeitsgerichts irrtümlich ihre Zuständigkeit angenommen hat oder bewusst außerhalb der Geschäftsverteilung tätig geworden ist. Darauf kommt es für die Frage, ob die Auslegung und Anwendung einer Zuteilungsregelung objektiv noch verständlich erscheint, nicht an (vgl. aber Musielak/Ball ZPO 8. Aufl. § 547 Rn. 4; ErfK/Koch 11. Aufl. § 72 ArbGG Rn. 11; GK-ArbGG/Mikosch Stand April 2011 § 73 Rn. 50; Schwab/Weth/Ulrich 3. Aufl. ArbGG § 73 Rn. 37). Zwar hat das Bundesarbeitsgericht unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts angenommen, im Einzelfall müsse eine fehlerhafte Anwendung einer Parallelitätsregelung in einem Geschäftsverteilungsplan nicht zugleich einen Verstoß gegen Art. 101 GG darstellen(BAG 3. September 1991 - 3 AZR 369/90 - unter B der Gründe, BAGE 68, 248). Dies stellt aber nicht in Frage, dass für die Beurteilung ein objektiver Willkürmaßstab gilt. Es kommt hinzu, dass sich der erkennende Richter - möglicherweise anders als dann, wenn es um eine Geschäftsverteilung nach Sachgesichtspunkten geht - in aller Regel keine eigenen Vorstellungen über die Einhaltung einer im Geschäftsverteilungsplan vorgegebenen Zuteilungsreihenfolge machen wird.

24

III. Der absolute Rechtsbeschwerdegrund nach § 547 Nr. 1 ZPO iVm. § 92 Abs. 1 Satz 2, § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG führt zur Aufhebung des Beschlusses des Landesarbeitsgerichts und zur Zurückverweisung der Sache (vgl. BAG 22. März 2001 - 8 AZR 565/00 - zu A III der Gründe, AP GG Art. 101 Nr. 59 = EzA GG Art. 101 Nr. 5; Hauck in Hauck/Helml/Biebl ArbGG 4. Aufl. § 73 Rn. 13; ErfK/Koch 11. Aufl. § 73 ArbGG Rn. 11). § 561 ZPO findet bei absoluten Revisionsgründen keine Anwendung(Musielak/Ball ZPO 8. Aufl. § 547 Rn. 2; Zöller/Heßler ZPO 28. Aufl. § 561 Rn. 1; Müller-Glöge in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 7. Aufl. § 73 Rn. 40; Schwab/Weth/Ulrich 3. Aufl. ArbGG § 73 Rn. 63; im Grundsatz ebenso GK-ArbGG/Mikosch Stand April 2011 § 73 Rn. 91). Ebenso wenig ist § 563 Abs. 3 ZPO anwendbar. Ein nicht vom gesetzlichen Richter erlassenes Urteil ist in seiner Gesamtheit aufzuheben ( BAG 26. September 1996 - 8 AZR 126/95 - zu B der Gründe, BAGE 84, 189).

        

    Kreft    

        

    Koch    

        

    Rachor    

        

        

        

    Torsten Falke    

        

    Roeckl    

                 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1. und 2. gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 2. November 2010 - 2 TaBV 12/09 - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Parteien streiten im Rahmen der betriebsverfassungsrechtlichen Zuordnung von Betriebsstätten darüber, ob die zu 3. bis 6. beteiligten Arbeitgeberinnen einen gemeinsamen Betrieb führen.

2

Die Beteiligte zu 3. (Stilke) ist ein Unternehmen des Buch- und Zeitschrifteneinzelhandels auf Bahnhöfen und Flughäfen. Sie betreibt Verkaufsstellen in Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Dabei handelt es sich um die Filialen 101, 102, 103, 110, 120, 125, 130, 156, 159, 161, 163, 170, 171, 172, 173 und 181. Der zu 1. beteiligte Betriebsrat und Antragsteller wurde bei Stilke auf der Grundlage eines Zuordnungstarifvertrags nach § 3 BetrVG vom 18. Oktober 2001 gebildet (ZTV-Stilke), der von Stilke und der Gewerkschaft ver.di geschlossen wurde. Mit § 1 Nr. 2 ZTV-Stilke wurde das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in fünf Regionen aufgeteilt(Region 1: Hamburg, Niedersachsen, Bremen, Schleswig-Holstein, Region 2: Nordrhein-Westfalen, Region 3: Saarland, Rheinland-Pfalz und Hessen, Region 4: Bayern und Baden-Württemberg, Region 5: Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen). Nach § 2 Satz 1 ZTV-Stilke waren sich die Tarifvertragsparteien dessen bewusst, dass zunächst nur in der Region 1 eine erhebliche Anzahl von Arbeitnehmern beschäftigt war. Sobald in den anderen Regionen der Schwellenwert von 100 Arbeitnehmern überschritten war, sollte dort nach § 2 Satz 2 bis Satz 4 ZTV-Stilke ein eigener Betriebsrat gebildet werden. Der Beteiligte zu 1. ist der für die Region 1 gebildete Betriebsrat. Die zu 2. beteiligte weitere Antragstellerin ist die bei Stilke errichtete Schwerbehindertenvertretung.

3

Die Beteiligte zu 4. (BHG) ist ebenfalls ein Unternehmen des Buch- und Zeitschrifteneinzelhandels auf Bahnhöfen und Flughäfen. Sie betreibt Verkaufsstätten in Hamburg, Niedersachsen, Hessen und Nordrhein-Westfalen. Das sind ua. die Filialen 121, 137, 138, 147, 180, 183, 185, 186 und 187. Zumindest ein Teil der Verkaufsstellen der BHG ist nach § 1 Abs. 1 oder § 4 BetrVG betriebsratsfähig. Für die Verkaufsstellen 180 (Bahnhof Wolfsburg) und 187 (Bonn Hauptbahnhof) waren in der Vergangenheit Betriebsräte gewählt. Derzeit sind dort keine Betriebsräte gebildet. Die Beteiligte zu 5. (VRB) übernahm in den Jahren 2007 und 2008 verschiedene Filialen von Stilke in Hamburg und Schleswig-Holstein, ua. in Kiel und Neumünster. Es handelt sich um die Verkaufsstellen 128, 134, 144, 145, 152, 153, 157, 160 und 162. VRB hat eine befristete Erlaubnis zur gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung. Die Beteiligte zu 6. (VRCO) unterhält für die C GmbH Einzelhandelsfilialen in Hamburg, die Verkaufsstätten 104, 114, 115, 128, 134, 135, 143 und 144. Bis 31. Dezember 2008 wurden diese Filialen von Stilke betrieben. Der Beteiligte zu 7. ist der bei VRB gebildete Betriebsrat.

4

Die vier Arbeitgeberinnen Stilke, BHG, VRB und VRCO gehören zu dem Schweizer V-Konzern. Teil dieses Konzerns ist auch die V R S GmbH (VRS). Die Arbeitgeberinnen und VRS haben dieselben beiden Geschäftsführer G und B sowie dieselbe Prokuristin P. VRS erbringt Serviceleistungen - ua. Personaldienst- und Gebäudeunterhaltungsleistungen - für andere V-Unternehmen. Bei ihr werden die Personalakten und die Personalbuchhaltung für die Arbeitgeberinnen und andere Unternehmen des V-Konzerns geführt. Die Besetzungsdienstpläne werden nicht bei VRS, sondern in den einzelnen Filialen erstellt.

5

Die Prokuristin P ist für die personellen und sozialen Mitbestimmungstatbestände bei VRB und VRCO zuständig. Sie unterschrieb vereinzelt auch Kündigungen für Stilke und führte für diese Arbeitgeberin Betriebsratsanhörungen durch. Bewerbungen waren an sie zu richten. Frau P vertritt Stilke und VRB in arbeitsgerichtlichen Prozessen. Bei Stilke war der Regionalverkaufsleiter W angestellt. Er war jedenfalls dort für Einstellungen und Entlassungen zuständig. Er wählte zudem die Bewerber aus, war disziplinarischer Vorgesetzter und übte das Direktionsrecht aus. Zum 1. August 2010 wechselte er zu BHG. Der für Stilke tätige Hausmeister D nutzte ein von VRS zur Verfügung gestelltes Auto, um kleinere Reparaturarbeiten bei Stilke und BHG durchzuführen. Vom 21. bis 25. Juli 2008 arbeitete der von BHG beschäftigte Herr R in der Stilke-Filiale 102, am 26. Juli 2008 in der VRCO-Verkaufsstelle 104 und vom 28. bis 31. Juli 2008 wieder in der Stilke-Filiale 102. Während eines Streiks wurden am Gründonnerstag 2008 in den Stilke- und VRCO-Verkaufsstätten 101, 102 und 104 Arbeitnehmer von VRB eingesetzt. Ein Arbeitnehmer der VRB arbeitete vom 2. bis 5. Mai 2009, vom 7. bis 10. Mai 2009 und am 5. Juni 2009 in der Stilke-Filiale 173. Am 10. Juni 2009 erschien der damalige Regionalverkaufsleiter von Stilke W mit etwa zehn Arbeitnehmern der VRCO in den Stilke-Verkaufsstellen 101, 102 und 103, um die Arbeitnehmer dort während eines Streiks einzusetzen.

6

Stilke und BHG verwenden die Marke „k presse + buch“. Sie nutzen ein Warenwirtschaftssystem, das von VRS zur Verfügung gestellt wird. Mit dem System wird der gesamte Wareneingang und -ausgang abgewickelt. Mithilfe des gemeinsamen Warenwirtschaftssystems können bestimmte Daten filialübergreifend eingesehen werden. Die bei Stilke und BHG verwendeten Kassen sind an ein elektronisches Kassensystem angeschlossen. VRS stellt hierfür die Software zur Verfügung. Über VRS erscheint für die in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer des V-Konzerns die Zeitschrift „k-intern“. Darin finden sich zB Informationen über durchzuführende Werbeaktionen in den Filialen der vier Arbeitgeberinnen.

7

Die Antragsteller haben in dem am 5. Dezember 2008 eingeleiteten Beschlussverfahren die Auffassung vertreten, die Arbeitgeberinnen unterhielten einen gemeinsamen Betrieb. Das folge ua. aus dem unternehmensübergreifenden Einsatz des früheren Regionalverkaufsleiters W, der Prokuristin P in Personalsachen, der früheren Regionalverkaufsleiterin A und des Hausmeisters D. Die Arbeitnehmer der Arbeitgeberinnen würden einheitlich von einer gemeinsamen Personalabteilung bei VRS gesteuert und durch das Mitarbeitermagazin „k-intern“ gelenkt. Die Arbeitgeberinnen nutzten auch andere Betriebsmittel gemeinsam, ua. durch den Einsatz des gemeinsamen Warenwirtschaftssystems. Außerdem sei die Vermutung des § 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG eingetreten. Es genüge, dass Betriebsteile, die früher Stilke zugeordnet gewesen seien, anderen Unternehmen zugeordnet worden seien. Die Antragsteller seien auch deshalb für die im Antrag bezeichneten Verkaufsstellen zuständig, weil der ZTV-Stilke bei den Filialübertragungen durch Betriebsteilübergang nach § 613a BGB auf BHG, VRB und VRCO übergegangen sei. Bei einem Betriebs(-teil)übergang müsse sich der Rechtsnachfolger an einen Zuordnungstarifvertrag halten.

8

Die zu 1. und 2. beteiligten Antragsteller haben zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass die Filialen

                 

101     

(Hamburg-Hauptbahnhof, Medienzentrum),

                 

102     

(Hamburg-Hauptbahnhof, Buchexpress),

                 

103     

(Hamburg-Hauptbahnhof, Pressecenter),

                 

104     

(Hamburg-Hauptbahnhof, Süddurchgang U1/U3),

                 

110     

(Bahnhof Hamburg-Dammtor),

                 

111     

(Bahnhof Hamburg-Harburg),

                 

114     

(Hamburg, U-Bahnhof Jungfernstieg),

                 

115     

(Hamburg, U-Bahnhof Berliner Tor),

                 

120     

(Hamburg, S-Bahnhof Holstenstraße),

                 

121     

(Hamburg, S-Bahnhof Altona),

                 

125     

(Hamburg, S-Bahnhof Elbgaustraße),

                 

128     

(Hamburg, U-Bahnhof Hoheluftbrücke),

                 

130     

(Bahnhof Ahrensburg),

                 

134     

(Hamburg, S-Bahnhof Farmsen),

                 

135     

(Hamburg, U-Bahnhof Garstedt),

                 

137     

(Hamburg, Flughafen, Terminal 2, Abflug),

                 

138     

(Hamburg, Flughafen, Terminal 2, Ankunft),

                 

142     

(Hamburg, S-Bahnhof Bergedorf),

                 

143     

(Hamburg, U-Bahnhof Barmbek),

                 

144     

(Hamburg, U-Bahnhof Wandsbek-Markt),

                 

145     

(Hamburg, U-Bahnhof Billstedt),

                 

147     

(Hamburg, Flughafen, Terminal 2, Abflug Pier Süd),

                 

152     

(Bahnhof Rendsburg),

                 

153     

(Kiel Hauptbahnhof),

                 

156     

(Bahnhof Bad Oldesloe),

                 

157     

(Bahnhof Neumünster),

                 

159     

(Lübeck ZOB),

                 

160     

(Bahnhof Itzehoe),

                 

161     

(Bahnhof Elmshorn),

                 

162     

(Bahnhof Tornesch),

                 

163     

(Bahnhof Pinneberg),

                 

170     

(Bahnhof Cuxhaven),

                 

171     

(Bahnhof Stade),

                 

172     

(Bahnhof Lüneburg),

                 

173     

(Bahnhof Nienburg),

                 

180     

(Bahnhof Wolfsburg),

                 

181     

(Bahnhof Braunschweig),

                 

183     

(Fulda Hauptbahnhof),

                 

185     

(Recklinghausen),

                 

186     

(Gelsenkirchen Hauptbahnhof),

                 

187     

(Bonn Hauptbahnhof),

                 

222     

(Hamburg, Fernbahn Altona),

                 

224     

(Hamburg, S-Bahnhof Blankenese),

                 

312     

(Lübeck Hauptbahnhof, Haupteingang),

                 

313     

(Lübeck Hauptbahnhof, Convenience),

                 

337     

(Hamburg, Flughafen, Plaza S-Bahn),

                 

338     

(Hamburg, Flughafen, Plaza),

                 

339     

(Hamburg, Flughafen, Pier Nord)

                 

einen gemeinsamen Betrieb der Beteiligten zu 3., 4., 5. und 6. bilden, für den die Beteiligten zu 1. und 2. zuständig sind;

        

1a.     

hilfsweise zu 1.:

                 

festzustellen, dass die unter 1. genannten Filialen einen gemeinsamen Betrieb der Beteiligten zu 3., 4., 5. und 6. bilden, für den ein einziger Betriebsrat und eine einzige Schwerbehindertenvertretung zuständig sind;

        

2.    

festzustellen, dass die Beteiligten zu 1. und 2. für die unter 1. genannten Filialen zuständig sind.

9

Die zu 3. bis 6. beteiligten Arbeitgeberinnen haben beantragt, die Anträge abzuweisen. Sie haben gemeint, sie führten keinen gemeinsamen Betrieb. Der Beteiligte zu 1. verhalte sich widersprüchlich, weil er für die Filialen Kiel und Neumünster Wahlvorstände nach § 21a BetrVG bestellt habe, nachdem er dieses Verfahren eingeleitet habe. Die Übertragung von Verwaltungsvorgängen auf die VRS habe nicht zu einem gemeinsamen Betrieb geführt. Die VRS stelle keine Arbeitnehmer ein. Vielmehr seien die regionalen Verkaufsleiter zur Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern befugt. Frau P treffe keine Entscheidungen in wesentlichen personellen und sozialen Angelegenheiten. Soweit sie Arbeitsverträge unterzeichnet habe, sei sie als Prokuristin tätig geworden. Es gebe keinen regelmäßigen unternehmensübergreifenden Personaleinsatz. Der kurzzeitige Einsatz von Arbeitnehmern der VRCO in Filialen von Stilke am 10. Juni 2009 sei eine Ausnahme gewesen, um einen Streik abzuwehren. Die Einsätze von Arbeitnehmern der VRB in Filialen von Stilke und VRCO seien durch Arbeitnehmerüberlassung erfolgt. Die VRS erteile keine arbeitsrechtlichen Weisungen. Die Voraussetzungen der Vermutung des § 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG seien nicht erfüllt. Stilke habe ihr Unternehmen nicht gespalten. BHG, VRB und VRCO hätten lediglich nach § 613a BGB Betriebsteile übernommen. Stilke habe keine Gesellschaftsanteile dieser drei Unternehmen erhalten. Ein gemeinsamer Betrieb könne auch nicht aus dem Zuordnungstarifvertrag hergeleitet werden, weil die Bindung an einen Firmentarifvertrag nach einem Betriebsübergang ende.

10

Das Arbeitsgericht hat die Anträge abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Antragsteller mit am 2. November 2010 verkündetem Beschluss zurückgewiesen. Die vom Vorsitzenden und den ehrenamtlichen Richtern unterzeichnete Beschlussformel des Landesarbeitsgerichts trägt das Datum des 26. August 2010. An diesem Tag hat der zweite Anhörungstermin mit Beweisaufnahme vor dem Landesarbeitsgericht stattgefunden. Danach haben die Antragsteller einen weiteren Schriftsatz vom 17. September 2010 beim Landesarbeitsgericht eingereicht. Die ehrenamtlichen Richter haben diesen Schriftsatz ausweislich einer Verfügung des Vorsitzenden vom 25. Oktober 2010 auf dem Postweg zugeschickt bekommen. Eine gemeinsame Beratung ist in den Akten nicht dokumentiert. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgen die Antragsteller ihre Anträge mit Sach- und Verfahrensrügen weiter.

11

B. Die Rechtsbeschwerde der Antragsteller ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Anträge im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Anträge sind für den Beteiligten zu 1., den Betriebsrat von Stilke, zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Beschluss erweist sich jedenfalls aus anderen Gründen als den vom Landesarbeitsgericht angenommenen als richtig (§ 561 ZPO). Die Arbeitgeberinnen unterhalten keinen gemeinsamen Betrieb, weil zumindest einige der Filialen von Stilke, BHG und VRB betriebsratsfähig sind. Der absolute Rechtsbeschwerdegrund der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Landesarbeitsgerichts (§ 547 Nr. 1 ZPO) ist nicht dargelegt. Die weiteren erhobenen Verfahrensrügen greifen für die anderen Gründe iSv. § 561 ZPO nicht durch. Für die Beteiligte zu 2., die bei Stilke gebildete Schwerbehindertenvertretung, sind die Anträge zu 1. und 1a. bereits unzulässig. Sie ist insoweit nicht antragsbefugt. Der Antrag zu 2. der Schwerbehindertenvertretung ist unbegründet.

12

I. Die Anträge des Betriebsrats von Stilke sind zulässig, aber in der Sache erfolglos.

13

1. Der Antrag zu 1. ist zulässig, jedoch unbegründet.

14

a) Der Antrag zu 1. ist zulässig.

15

aa) Er ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Mit ihm soll festgestellt werden, dass alle in diesem Antrag genannten Filialen einen von den vier Arbeitgeberinnen gemeinsam geführten Betrieb bilden. Der Antrag kann nicht - hilfsweise - dahin verstanden werden, dass ein Teil der in ihm bezeichneten Filialen einen gemeinsamen Betrieb oder mehrere jeweils gemeinsame Betriebe bildet. Dazu hätte der Betriebsrat die von ihm hilfsweise als gemeinsamen Betrieb oder gemeinsame Betriebe reklamierten Kombinationen der zahlreichen Filialen genau angeben müssen. Ohne eine solche Angabe wäre sein Begehren nicht hinreichend bestimmt. Die Auswahl der Betriebe, die möglicherweise einen gemeinsamen Betrieb ausmachen, kann nicht dem Gericht überlassen werden.

16

bb) Der Antrag genügt den Erfordernissen des § 256 Abs. 1 ZPO. Er ist auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses gerichtet. Der Betriebsrat hat daran ein berechtigtes Interesse.

17

(1) Nach § 18 Abs. 2 BetrVG kann bei Zweifeln darüber, ob eine betriebsratsfähige Organisationseinheit vorliegt, ua. jeder beteiligte Betriebsrat eine Entscheidung des Arbeitsgerichts beantragen. Mit diesem Verfahren eröffnet das Gesetz die Möglichkeit, gerichtlich mit Bindungswirkung unabhängig von einer konkreten Betriebsratswahl klären zu lassen, ob eine Organisationseinheit betriebsratsfähig ist.

18

(a) Durch die ausdrückliche gesetzliche Regelung ist klargestellt, dass die Betriebsratsfähigkeit einer Organisationseinheit als Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO zu erachten ist, das gerichtlich gesondert festgestellt werden kann(vgl. BAG 9. Dezember 2009 - 7 ABR 38/08 - Rn. 18, AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 19 = EzA BetrVG 2001 § 1 Nr. 8 ; anders noch 9. April 1991 - 1 AZR 488/90 - zu II 2 c der Gründe, BAGE 68, 1: von § 18 Abs. 2 BetrVG ausnahmsweise ermöglichte Feststellung eines tatsächlichen Zustands).

19

(b) Mit der Feststellung können insbesondere Unsicherheiten über die Zuständigkeit eines gewählten oder noch zu wählenden Betriebsrats oder über den Umfang von Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechten, die teilweise von der Zahl der in dem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer abhängen, ausgeräumt werden. Außerdem dient das Verfahren dazu, die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße künftige Betriebsratswahl zu schaffen. Das Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG klärt daher eine für zahlreiche betriebsverfassungsrechtliche Fragestellungen bedeutsame Vorfrage, indem verbindlich festgelegt wird, welche Organisationseinheit als der Betrieb anzusehen ist, in dem ein Betriebsrat zu wählen ist und in dem er seine Beteiligungsrechte wahrnehmen kann(vgl. BAG 13. August 2008 - 7 ABR 21/07 - Rn. 16, NZA-RR 2009, 255; 17. Januar 2007 - 7 ABR 63/05 - Rn. 12 mwN, BAGE 121, 7). Für die Zulässigkeit eines Antrags nach § 18 Abs. 2 BetrVG kommt es nicht darauf an, in welchen betrieblichen Organisationseinheiten bereits Betriebsräte gewählt sind. Damit ist die betriebsverfassungsrechtliche Situation allenfalls für die laufende Amtszeit der Betriebsräte geklärt. Für künftige Betriebsratswahlen besteht nach wie vor ein Interesse an der Feststellung, in welcher Organisationseinheit ein Betriebsrat zu wählen ist (vgl. BAG 13. August 2008 - 7 ABR 21/07 - aaO). Der Betriebsrat hat das erforderliche Interesse an einer Feststellung nach § 18 Abs. 2 BetrVG ua. dann, wenn streitig ist, ob für mehrere Betriebsstätten des Unternehmens ein gemeinsamer Betriebsrat zu wählen ist oder ob die einzelnen Betriebsstätten für sich genommen betriebsratsfähig sind (vgl. BAG 9. Dezember 2009 - 7 ABR 38/08 - Rn. 18, AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 19 = EzA BetrVG 2001 § 1 Nr. 8).

20

(2) Danach hat der Betriebsrat von Stilke ein berechtigtes Interesse an der von den Arbeitgeberinnen bestrittenen Feststellung, dass die im Antrag zu 1. bezeichneten Filialen einen gemeinsamen Betrieb der zu 3., 4., 5. und 6. beteiligten Arbeitgeberinnen bilden.

21

(3) Die Antragsbefugnis des Betriebsrats von Stilke folgt ebenfalls aus § 18 Abs. 2 BetrVG.

22

b) Der Antrag zu 1. des Betriebsrats von Stilke ist unbegründet. Die vier Arbeitgeberinnen führen keinen gemeinsamen Betrieb mit den im Antrag zu 1. bezeichneten Filialen. Die erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.

23

aa) Betriebsratsfähige Organisationseinheiten iSv. § 18 Abs. 2 BetrVG liegen vor, wenn es sich bei den Einrichtungen um Betriebe iSv. § 1 Abs. 1 BetrVG, um selbständige Betriebsteile nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG oder um betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheiten iSv. § 3 Abs. 5 Satz 1 BetrVG handelt.

24

(1) Ein Betrieb iSv. § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist eine organisatorische Einheit, innerhalb derer der Arbeitgeber zusammen mit den von ihm beschäftigten Arbeitnehmern bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt(vgl. für die st. Rspr. BAG 9. Dezember 2009 - 7 ABR 38/08 - Rn. 22, AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 19 = EzA BetrVG 2001 § 1 Nr. 8; 13. August 2008 - 7 ABR 21/07 - Rn. 18 mwN, NZA-RR 2009, 255).

25

(2) Ein Betrieb kann auch von mehreren Arbeitgebern als gemeinsamer Betrieb geführt werden. Davon geht das Betriebsverfassungsgesetz in seinem § 1 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 in der seit 28. Juli 2001 geltenden Fassung des Gesetzes zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes vom 23. Juli 2001 aus. Nach der Senatsrechtsprechung vor dem Inkrafttreten von § 1 BetrVG in der jetzigen Fassung war von einem gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmen auszugehen, wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel für einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt wurden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wurde. Dazu mussten sich die beteiligten Unternehmen zumindest konkludent zu einer gemeinsamen Führung rechtlich verbunden haben. Diese einheitliche Leitung musste sich auf die wesentlichen Funktionen eines Arbeitgebers in sozialen und personellen Angelegenheiten erstrecken. Eine lediglich unternehmerische Zusammenarbeit genügte dagegen nicht. Vielmehr mussten die Funktionen des Arbeitgebers in den sozialen und personellen Angelegenheiten des Betriebsverfassungsgesetzes institutionell einheitlich für die beteiligten Unternehmen wahrgenommen werden (vgl. BAG 13. August 2008 - 7 ABR 21/07 - Rn. 19 mwN, NZA-RR 2009, 255). Daran hat sich durch das Betriebsverfassungsreformgesetz vom 23. Juli 2001 nichts geändert. Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze gelten weiter (vgl. BAG 13. August 2008 - 7 ABR 21/07 - Rn. 23 mwN, aaO).

26

(3) Ein Betriebsteil ist demgegenüber auf den Zweck des Hauptbetriebs ausgerichtet und in dessen Organisation eingegliedert. Er ist allerdings gegenüber dem Hauptbetrieb organisatorisch abgrenzbar und relativ verselbständigt. Für die Abgrenzung von Betrieb und Betriebsteil ist der Grad der Verselbständigung entscheidend, der im Umfang der Leitungsmacht zum Ausdruck kommt. Erstreckt sich die in der organisatorischen Einheit ausgeübte Leitungsmacht auf alle wesentlichen Funktionen des Arbeitgebers in personellen und sozialen Angelegenheiten, handelt es sich um einen eigenständigen Betrieb iSv. § 1 Abs. 1 BetrVG. Für einen Betriebsteil genügt ein Mindestmaß an organisatorischer Selbständigkeit gegenüber dem Hauptbetrieb. Dazu reicht es aus, dass in der organisatorischen Einheit überhaupt eine den Einsatz der Arbeitnehmer bestimmende Leitung institutionalisiert ist, die Weisungsrechte des Arbeitgebers ausübt (vgl. BAG 9. Dezember 2009 - 7 ABR 38/08 - Rn. 23, AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 19 = EzA BetrVG 2001 § 1 Nr. 8; 17. Januar 2007 - 7 ABR 63/05 - Rn. 15, BAGE 121, 7).

27

(4) § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 BetrVG enthält gesetzliche Fiktionen. § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG bestimmt, dass ein Betriebsteil als selbständiger Betrieb gilt, wenn er räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt(§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG) oder durch Aufgabenbereich und Organisation eigenständig ist (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BetrVG). Für einen solchen Betriebsteil ist grundsätzlich ein eigener Betriebsrat zu wählen, es sei denn, die Arbeitnehmer haben nach § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG beschlossen, an der Betriebsratswahl im Hauptbetrieb teilzunehmen. Die für einen selbständigen Betriebsteil nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BetrVG erforderliche relative Eigenständigkeit setzt keinen umfassenden eigenen Leitungsapparat voraus, erfordert aber, dass es in dem Betriebsteil eine eigenständige Leitung gibt, die in der Lage ist, die Arbeitgeberfunktionen in den wesentlichen Bereichen der betrieblichen Mitbestimmung wahrzunehmen(vgl. BAG 9. Dezember 2009 - 7 ABR 38/08 - Rn. 24 mwN, AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 19 = EzA BetrVG 2001 § 1 Nr. 8 ).

28

(5) Die Begriffe des Betriebs und des Betriebsteils sind unbestimmte Rechtsbegriffe. Bei der Beurteilung, ob eine Organisationseinheit ein Betrieb, ein selbständiger oder ein unselbständiger Betriebsteil ist, steht dem Gericht der Tatsacheninstanz ein Beurteilungsspielraum zu. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist in der Rechtsbeschwerdeinstanz nur darauf überprüfbar, ob es den Rechtsbegriff selbst verkannt, gegen Denkgesetze, anerkannte Auslegungsgrundsätze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Umstände außer Acht gelassen hat (vgl. BAG 9. Dezember 2009 - 7 ABR 38/08 - Rn. 25 mwN, AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 19 = EzA BetrVG 2001 § 1 Nr. 8 ).

29

bb) Es kann im Ergebnis dahinstehen, ob die Würdigung des Landesarbeitsgerichts diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab in vollem Umfang standhält. Das Landesarbeitsgericht hat allerdings zutreffend angenommen, dass die Voraussetzungen der Vermutung des § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG nicht erfüllt sind. Der Senat muss nicht abschließend entscheiden, ob das Landesarbeitsgericht den Inhalt und den Umfang der Vermutung des § 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG zutreffend bestimmt hat. Die Entscheidung erweist sich jedenfalls aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO).

30

(1) Wie das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen hat, sind die Voraussetzungen der Vermutung des § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG nicht erfüllt.

31

(a) Nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG wird ein gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen vermutet, wenn zur Verfolgung arbeitstechnischer Zwecke die Betriebsmittel sowie die Arbeitnehmer von den Unternehmen gemeinsam eingesetzt werden. In dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber den Begriff des gemeinsamen Betriebs mehrerer Unternehmen nicht eigenständig definiert, sondern den von der Rechtsprechung entwickelten Begriff zugrunde gelegt und geregelt, dass unter den genannten Voraussetzungen ein gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen vermutet wird. Die Vermutungstatbestände des § 1 Abs. 2 BetrVG dienen dem Zweck, Betriebsräten und Wahlvorständen den in der Praxis oft schwer zu erbringenden Nachweis einer Führungsvereinbarung zu ersparen(vgl. BT-Drucks. 14/5741 S. 33; BAG 13. August 2008 - 7 ABR 21/07 - Rn. 20, NZA-RR 2009, 255).

32

(b) Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Voraussetzungen der Vermutung des § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG nicht erfüllt sind.

33

(aa) Das Beschwerdegericht hat die Vermutung des § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG mit der Erwägung abgelehnt, dass jedenfalls kein Personal gemeinsam eingesetzt werde. Zugleich hat das Beschwerdegericht unterstellt, sächliche Betriebsmittel würden gemeinschaftlich genutzt. Das Landesarbeitsgericht ist vor allem davon ausgegangen, die von den Antragstellern angeführten Umstände und Indizien ließen nicht erkennen, dass Personal in für den gewöhnlichen Betriebsablauf charakteristischer Weise arbeitgeberübergreifend eingesetzt werde. Vor diesem Hintergrund hat das Landesarbeitsgericht die Einsätze des von Stilke beschäftigten Hausmeisters D bei BHG, des von BHG beschäftigten Herrn R bei Stilke und VRCO, verschiedener Arbeitnehmer der VRB am Gründonnerstag 2008 bei Stilke und VRCO, eines Arbeitnehmers der VRB im Mai und Juni 2009 bei Stilke sowie von ungefähr zehn Arbeitnehmern der VRCO zur Streikabwehr am 10. Juni 2009 bei Stilke als nicht charakteristisch für den gewöhnlichen Betriebsablauf gewürdigt.

34

(bb) Diese Würdigung ist rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht ist von dem zutreffenden Begriff der Führungsvereinbarung ausgegangen und hat alle wesentlichen Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt.

35

(aaa) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Kern der Arbeitgeberfunktionen in sozialen und personellen Angelegenheiten durch dieselbe institutionalisierte Leitung ausgeübt werden muss, um auf eine Führungsvereinbarung schließen zu können. Dabei kommt es darauf an, ob ein arbeitgeberübergreifender Personaleinsatz praktiziert wird, der charakteristisch für den normalen Betriebsablauf ist (vgl. BAG 22. Juni 2005 - 7 ABR 57/04 - zu B II 1 der Gründe mwN, AP BetrVG 1972 § 1 Gemeinsamer Betrieb Nr. 23 = EzA BetrVG 2001 § 1 Nr. 4).

36

(bbb) Das Landesarbeitsgericht ist ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass die Antragsteller im Streitfall keinen arbeitgeberübergreifenden Personaleinsatz dargelegt haben, der charakteristisch für den gewöhnlichen Betriebsablauf ist. Im Rahmen der auch im Beschlussverfahren bestehenden Mitwirkungspflicht muss derjenige, der sich darauf beruft, mehrere Unternehmen führten einen gemeinsamen Betrieb, Sachvortrag halten, der die Würdigung rechtfertigt, es finde ein arbeitgeberübergreifender Personaleinsatz in einem für den gewöhnlichen Betriebsablauf charakteristischen Umfang statt. Das hat das Landesarbeitsgericht aufgrund der hier gegebenen quantitativ geringen und situativ veranlassten unternehmensübergreifenden Personaleinsätze in rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstandender Weise verneint.

37

(2) Der Senat kann im Ergebnis offenlassen, ob das Landesarbeitsgericht Inhalt und Umfang des § 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG verkannt hat. Nach dieser Bestimmung wird ein gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen vermutet, wenn die Spaltung eines Unternehmens zur Folge hat, dass von einem Betrieb ein oder mehrere Betriebsteile einem an der Spaltung beteiligten anderen Unternehmen zugeordnet werden, ohne dass sich dabei die Organisation des betroffenen Betriebs wesentlich ändert.

38

(a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, eine Unternehmensspaltung iSv. § 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG erfordere stets, dass sich die Spaltung auf der Ebene des Rechtsträgers vollziehe. Der Streitfall verlangt keine abschließende Beurteilung, ob diese Annahme völlig uneingeschränkt zutrifft oder die Vermutung auch eingreifen kann, wenn ein Rechtsträger Betriebsteile ohne organisatorische Änderung auf der betrieblichen Ebene unabhängig von einer Spaltung seines Unternehmens auf einen anderen Rechtsträger überträgt (so ausdrücklich HWK/Gaul 4. Aufl. § 1 BetrVG Rn. 18; nicht ganz so eindeutig zB Fitting 25. Aufl. § 1 Rn. 92; Franzen GK-BetrVG 9. Aufl. § 1 Rn. 55; ErfK/Koch 12. Aufl. § 1 BetrVG Rn. 15; HSWGNR/Rose BetrVG 8. Aufl. § 1 Rn. 57; DKKW/Trümner 13. Aufl. § 1 Rn. 101; vgl. auch die Begründung des Regierungsentwurfs in BT-Drucks. 14/5741 S. 33).

39

(b) Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich jedenfalls aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Einem gemeinsamen Betrieb der mehreren Arbeitgeberinnen steht bereits der Umstand entgegen, dass es zumindest in den Unternehmen von Stilke, BHG und VRB jeweils mehrere betriebsratsfähige Einheiten gibt und § 1 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BetrVG nicht geeignet ist, mehrere betriebsratsfähige Einheiten eines Arbeitgebers zu einem Betrieb zu machen.

40

(aa) Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ist die Annahme eines Betriebs nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Betrieb nicht nur von einem, sondern von mehreren rechtlich selbständigen Unternehmen geführt wird. Dagegen lässt § 1 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BetrVG nicht das Erfordernis entfallen, dass es sich überhaupt um einen Betrieb handelt. Führen mehrere Unternehmen gemeinsam mehrere Betriebe, werden die Betriebe durch die gemeinsame Führung nicht zu einem einheitlichen Betrieb. Die Unternehmen führen dann vielmehr mehrere jeweils gemeinsame Betriebe. § 1 Abs. 1 Satz 2 BetrVG „überwindet“ in diesem Sinn zwar betriebsverfassungsrechtlich die Unternehmensgrenzen, hebt die Strukturen der gesetzlichen Betriebsverfassung im Übrigen aber nicht auf.

41

(bb) Danach führen die vier Arbeitgeberinnen schon deswegen keinen gemeinsamen Betrieb, weil nach dem unstreitigen, von den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts in Bezug genommenen Vorbringen der Beteiligten davon auszugehen ist, dass es jedenfalls in den Unternehmen von Stilke, BHG und VRB jeweils mehrere betriebsratsfähige Einheiten iSv. § 1 Abs. 1 Satz 1 oder § 4 Abs. 1 BetrVG gibt. Für zumindest selbständige, räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernte Betriebsteile iSd. Fiktion in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG spricht bereits die geographische Ausdehnung des Unternehmensgebiets der BHG, das sich über Hamburg, Niedersachsen, Hessen und Nordrhein-Westfalen erstreckt. Auch die Filialen von Stilke und VRB sind über mehrere Bundesländer verteilt. Für die Betriebsratsfähigkeit jedenfalls einiger Filialen spricht ferner, dass früher in den BHG-Filialen 180 (Bahnhof Wolfsburg) und 187 (Bonn Hauptbahnhof) Betriebsräte errichtet waren. Die Filialen haben auch die nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG erforderliche Mindestgröße, wie die Beteiligten in der Anhörung vor dem Senat bestätigt haben.

42

(cc) Dem steht nicht entgegen, dass der Betriebsrat von Stilke auf der Grundlage des Zuordnungstarifvertrags nach § 3 BetrVG vom 18. Oktober 2001 (ZTV-Stilke) gebildet wurde, Stilke an diesen Zuordnungstarifvertrag gebunden ist und sowohl VRB als auch VRCO in den Jahren 2007 und 2008 verschiedene Filialen von Stilke übernahmen.

43

(aaa) BHG, VRB und VRCO sind nicht nach § 3 Abs. 1 TVG an den ZTV-Stilke gebunden. Sie sind selbst nicht Vertragspartner.

44

(bbb) Eine Bindung von BHG, VRB und VRCO aufgrund von § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB mit der Folge, dass der Firmentarifvertrag normativ nach § 3 Abs. 1 TVG fortgilt, besteht nicht(aA für Firmentarifverträge Kempen/Zachert/Kempen TVG 4. Aufl. § 3 TVG Rn. 120). Der Gesetzgeber hat in § 613a Abs. 1 Satz 2 bis Satz 4 BGB eine besondere Regelung für die Transformation eines Tarifvertrags in die Arbeitsverhältnisse infolge eines Betriebs(-teil)übergangs getroffen. Für die Annahme, die Arbeitgeberstellung gehe über, fehlt eine planwidrige Regelungslücke (vgl. näher BAG 20. Juni 2001 - 4 AZR 295/00 - zu I 1 c cc der Gründe, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 18 = EzA BGB § 613a Nr. 203).

45

(ccc) Die Normen eines Zuordnungstarifvertrags werden nicht nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB transformiert. Diese Vorschrift knüpft nur an Rechte und Pflichten des Arbeitgebers, also vor allem an Inhaltsnormen an. Betriebsverfassungsrechtliche Normen werden nicht in den Einzelarbeitsvertrag transformiert, weil sie nicht die Rechte und Pflichten aus dem Einzelarbeitsverhältnis, sondern die der Betriebsparteien regeln (vgl. Wiedemann/Oetker 7. Aufl. § 3 TVG Rn. 246; siehe auch MünchKommBGB/Müller-Glöge 5. Aufl. § 613a BGB Rn. 135; ErfK/Preis § 613a BGB Rn. 118 ).

46

(ddd) Für Zuordnungstarifverträge iSv. § 3 Abs. 1 BetrVG ist die sog. Nachbindung des § 3 Abs. 3 TVG nicht analog heranzuziehen(aA Däubler DB 2005, 666, 668). Der Fall eines Verbandsaustritts ist mit der Ausgliederung eines Betriebsteils nicht zu vergleichen (vgl. Hohenstatt in Willemsen/Hohenstatt/Schnitker/Schweibert/Seibt Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen 4. Aufl. D Rn. 195; im Ergebnis ebenso bspw. HWK/Gaul § 3 BetrVG Rn. 43). Eine Bindung des Erwerbers an den vom Veräußerer geschlossenen Zuordnungstarifvertrag kommt allenfalls im Fall teilweiser Gesamtrechtsnachfolge bei Verschmelzung in Betracht oder dann, wenn sich der Erwerber durch eine Anerkennungsvereinbarung schuldrechtlich an den Zuordnungstarifvertrag bindet. Beides liegt hier nicht vor.

47

(eee) Für BHG, VRB und VRCO gilt demnach keine gewillkürte, sondern die gesetzliche Betriebsverfassung. In der gesetzlichen Betriebsverfassung ist entscheidend, dass die vier Arbeitgeberinnen mit den im Antrag zu 1. genannten Filialen nicht nur einen Betrieb führen.

48

cc) Die erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.

49

(1) Die Verfahrensrügen der Würdigung der Aussagen der Zeugen P und W hinsichtlich ihrer Glaubwürdigkeit (§ 286 ZPO), des übergangenen Sachvortrags und der übergangenen Beweisangebote (Art. 103 Abs. 1 GG iVm. § 286 ZPO) können schon deswegen nicht entscheidungserheblich sein, weil sie sich auf den Lösungsweg des Landesarbeitsgerichts beziehen, den der Senat auf der Grundlage einer verfahrensfehlerfrei getroffenen Feststellung lediglich im Ergebnis bestätigt.

50

(a) Eine Revisions- oder Rechtsbeschwerderüge ist nur begründet, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist (§ 546 ZPO iVm. § 92 Abs. 2 Satz 1, § 73 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) und die Entscheidung auf dieser Rechtsverletzung beruht (§ 545 Abs. 1 ZPO). Für Verfahrensfehler erfährt dieser Grundsatz insofern eine Einschränkung, als es für sie auch genügt, dass die Entscheidung auf dem Verfahrensfehler beruhen kann. Die Entscheidung kann - abgesehen von absoluten Revisions- oder Rechtsbeschwerdegründen iSv. § 547 ZPO - nur dann auf dem Verfahrensfehler beruhen, wenn es um für das Verfahren entscheidende Tatsachen geht. Wird die Entscheidung im Ergebnis auch durch die verfahrensfehlerfrei getroffenen Tatsachenfeststellungen getragen, bleibt ein möglicher Verfahrensfehler revisions- oder rechtsbeschwerderechtlich unberücksichtigt (vgl. BAG 21. September 2011 - 4 AZR 802/09 - Rn. 33 mwN; Zöller/Heßler ZPO 29. Aufl. § 561 ZPO Rn. 1).

51

(b) Die angefochtene Entscheidung erweist sich hier aus anderen Gründen als den vom Beschwerdegericht angenommenen als richtig (§ 561 ZPO). Sie wird im Ergebnis von der verfahrensfehlerfrei getroffenen Feststellung getragen, dass ein Teil der Filialen der mehreren Arbeitgeberinnen betriebsratsfähig ist. Die nur im Ergebnis bestätigte Entscheidung kann damit nicht auf den beanstandeten Mängeln beruhen.

52

(2) Der absolute Rechtsbeschwerdegrund der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts (§ 547 Nr. 1 ZPO iVm. § 92 Abs. 1 Satz 2, § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG), den die Rechtsbeschwerde im Zusammenhang mit dem nach Schluss der mündlichen Anhörung zweiter Instanz am 26. August 2010 eingereichten Schriftsatz vom 17. September 2010 rügt, ist nicht hinreichend dargelegt.

53

(a) Die Antragsteller beanstanden, nur der Vorsitzende der Kammer des Landesarbeitsgerichts - also die nicht vollständig besetzte Richterbank ohne die ehrenamtlichen Richter - habe den Schriftsatz vom 17. September 2010 zur Kenntnis genommen.

54

(b) Abweichend von den gewöhnlichen Revisions- oder Rechtsbeschwerdegründen muss der Verstoß gegen den absoluten Revisions- oder Rechtsbeschwerdegrund des § 547 Nr. 1 ZPO für die Entscheidung nicht ursächlich sein können(vgl. BAG 21. September 2011 - 4 AZR 802/09 - Rn. 33). Das folgt aus dem Eingangshalbsatz des § 547 ZPO. Die Revision oder Rechtsbeschwerde ist in diesem Fall auch dann begründet, wenn feststeht, dass das erkennende Gericht in vorschriftsmäßiger Besetzung ebenso entschieden hätte (vgl. nur Zöller/Heßler § 547 ZPO Rn. 1). § 561 ZPO bezieht sich nicht auf die Fälle des § 547 ZPO(vgl. Zöller/Heßler § 561 ZPO Rn. 1).

55

(c) Nach § 296a Satz 1 ZPO können nach Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die die Entscheidung ergeht, Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht mehr vorgebracht werden. Aus § 296a Satz 1 ZPO folgt nicht, dass das Gericht einen nach Schluss der mündlichen Verhandlung oder Anhörung eingereichten Schriftsatz von vornherein unberücksichtigt lassen darf. Das Gericht muss das Vorbringen vielmehr in jedem Fall beachten. Es hat darüber hinaus zu prüfen, ob Gründe für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung oder Anhörung nach § 156 Abs. 2 ZPO gegeben sind oder ob nach dem Ermessen des Gerichts(§ 156 Abs. 1 ZPO) die mündliche Verhandlung oder Anhörung wieder zu eröffnen ist. Auch wenn der nachgereichte Schriftsatz nicht mehr bei der Entscheidung über das Urteil oder den Beschluss beachtet werden kann, weil die Entscheidung nach Beratung und Abstimmung bereits gefällt (§ 309 ZPO), aber noch nicht verkündet ist, hat das Gericht bis zur Entscheidungsverkündung eingehende Schriftsätze weiter zur Kenntnis zu nehmen und zu prüfen, ob die mündliche Verhandlung oder Anhörung wieder zu eröffnen ist (vgl. etwa BAG 18. Dezember 2008 - 6 AZN 646/08 - Rn. 3 mwN, BAGE 129, 89).

56

(d) Im arbeitsgerichtlichen Verfahren haben auch die ehrenamtlichen Richter an der Entscheidung darüber mitzuwirken, ob die mündliche Verhandlung oder Anhörung wieder zu eröffnen ist. Nimmt allein der Berufsrichter von einem nachgereichten Schriftsatz Kenntnis, wird demjenigen, der diesen Schriftsatz verfasst hat, der gesetzliche Richter entzogen (vgl. BAG 14. Dezember 2010 - 6 AZN 986/10 - Rn. 6, EzA ArbGG 1979 § 72a Nr. 126; 18. Dezember 2008 - 6 AZN 646/08 - Rn. 7, BAGE 129, 89).

57

(e) Eine nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Landesarbeitsgerichts ist hier nicht ordnungsgemäß dargelegt iSv. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO und damit unzulässig (vgl. zu diesem Erfordernis zB BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 13, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 37; 26. September 2007 - 10 AZR 35/07 - Rn. 9, AP ZPO § 547 Nr. 7).

58

(aa) Besteht ein Verfahrensmangel iSv. § 547 Nr. 1 ZPO, wird unwiderleglich vermutet, dass er entscheidungserheblich ist. Das entbindet den Revisions- oder Rechtsbeschwerdeführer jedoch nicht von der aus § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO folgenden Pflicht darzulegen, dass der gerügte absolute Revisions- oder Rechtsbeschwerdegrund tatsächlich vorliegt. Das setzt die Angabe von Tatsachen voraus, aus denen sich der behauptete Verfahrensmangel ergeben soll. Handelt es sich dabei - wie hier - um gerichtsinterne Vorgänge, muss der Revisions- oder Rechtsbeschwerdeführer zumindest aufzeigen, dass er eine zweckentsprechende Aufklärung versucht hat. Die Rüge darf nicht auf den bloßen Verdacht eines Verfahrensmangels iSv. § 547 Nr. 1 ZPO hin erhoben werden(vgl. BAG 14. Dezember 2010 - 6 AZN 986/10 - Rn. 5 mwN, EzA ArbGG 1979 § 72a Nr. 126). Die Revision oder Rechtsbeschwerde hat die Tatsachen, aus denen sich der Verfahrensfehler des Berufungs- oder Beschwerdegerichts ergeben soll, substantiiert vorzutragen. Die bloße Benennung des absoluten Revisions- oder Rechtsbeschwerdegrundes genügt nicht (vgl. für die Nichtzulassungsbeschwerde zB BAG 5. Dezember 2011 - 5 AZN 1036/11 - Rn. 7 mwN, NZA 2012, 351).

59

(bb) Die Rechtsbeschwerde zeigt nicht auf, dass das Landesarbeitsgericht bei der Entscheidung nicht ordnungsgemäß besetzt war iSv. § 547 Nr. 1 ZPO.

60

(aaa) Sie rügt, die Entscheidung sei bereits am 26. August 2010 getroffen worden, ohne dass der Schriftsatz vom 17. September 2010 in einer Nachberatung berücksichtigt worden sei.

61

(bbb) Damit wird der Verfahrensmangel nach der Aktenlage nicht hinreichend deutlich bezeichnet. Die ehrenamtlichen Richter haben den Schriftsatz ausweislich der Verfügung des Vorsitzenden Richters am Landesarbeitsgericht vom 25. Oktober 2010 per Post zugeschickt erhalten. Aus der nicht dokumentierten gemeinsamen Beratung darüber, ob die Anhörung aufgrund des Schriftsatzes der Antragsteller vom 17. September 2010 wieder zu eröffnen war, kann nicht geschlossen werden, dass eine solche Nachberatung nicht stattgefunden hat (vgl. BGH 14. Oktober 2008 - 4 StR 260/08 - Rn. 3, NStZ 2009, 105). Eine Beratung kann jederzeit formlos vor, während und nach einer Sitzung erfolgen.

62

Eine nicht ordnungsgemäße Besetzung des Landesarbeitsgerichts wäre nur anzunehmen, wenn die ehrenamtlichen Richter an der Entscheidung über die Wiedereröffnung nicht beteiligt worden wären. Dagegen spricht indiziell, dass sich das Landesarbeitsgericht mit dem Schriftsatz vom 17. September 2010 in den von der gesamten Kammer unterschriebenen Beschlussgründen vom 2. November 2010 befasst hat. Dort ist ausgeführt, dass dieser Schriftsatz zum Ergebnis der Beweisaufnahme die getroffenen Tatsachenfeststellungen nicht habe erschüttern können. Soweit er neuen Tatsachenvortrag enthalte, sei das Vorbringen verfahrensrechtlich nicht mehr zu berücksichtigen gewesen. Die Ablehnung, die mündliche Verhandlung oder Anhörung wieder zu eröffnen, muss nicht durch gesonderten Beschluss erfolgen. Sie kann auch konkludent in den Gründen der instanzbeendenden Entscheidung geschehen (vgl. MünchKommZPO/Wagner 3. Aufl. § 156 ZPO Rn. 15).

63

Dass die ehrenamtlichen Richter an der Entscheidung über die Wiedereröffnung beteiligt waren, lässt sich den Beschlussgründen vom 2. November 2010 zwar nicht mit letzter Sicherheit entnehmen. In der bloßen Unterzeichnung der Gründe, in denen sich das Gericht mit einem nachgereichten Schriftsatz und - konkludent - mit der Möglichkeit befasst, die mündliche Verhandlung oder Anhörung wieder zu eröffnen, liegt noch keine Beratung. Die zuständigen Richter müssen gleichzeitig kommunizieren und auf diese Weise ihre Argumente austauschen können (vgl. zu einer unzulässigen Beratung am Telefon ohne Konferenzschaltung BGH 28. November 2008 - LwZR 4/08 - Rn. 8 mwN, MDR 2009, 279). Die mündliche Beratung im Beisein aller Richter ist die Regel des § 194 GVG. Ausnahmsweise kommt eine Entscheidung im sog. Umlaufverfahren, also die schriftliche Beratung und Abstimmung aufgrund eines Entscheidungsentwurfs in Betracht, wenn die beteiligten Richter mit diesem Verfahren einverstanden sind (vgl. BGH 28. November 2008 - LwZR 4/08 - aaO; siehe auch BVerwG 23. September 1991 - 2 B 99.91 - NJW 1992, 257; Zöller/Lückemann § 194 GVG Rn. 1). Aufgrund der Umstände, dass den ehrenamtlichen Richtern der Schriftsatz vor der Verkündung zugeleitet wurde und die Beschlussgründe den Schriftsatz behandeln, hätte es den Antragstellern jedoch oblegen, beim Landesarbeitsgericht nachzufragen, ob die ehrenamtlichen Richter an der Entscheidung über die Wiedereröffnung beteiligt waren, um die Rüge des absoluten Rechtsbeschwerdegrundes iSv. § 547 Nr. 1 ZPO zu begründen.

64

(ccc) Damit werden die Anforderungen an die Darlegung eines absoluten Revisions- oder Rechtsbeschwerdegrundes iSv. § 547 Nr. 1 ZPO nicht überspannt. Von demjenigen, der sich auf diesen Grund beruft, kann verlangt werden, Einsicht in die Gerichtsakten zu nehmen und Auskünfte bei der Geschäftsstelle einzuholen. Erst wenn ihm entweder keine Auskunft erteilt wird oder dem Landesarbeitsgericht keine Auskunft möglich ist, ist er von weiteren Darlegungen entbunden (vgl. BAG 14. Dezember 2010 - 6 AZN 986/10 - Rn. 10, EzA ArbGG 1979 § 72a Nr. 126 mit Bezug auf BVerfG 30. April 2008 - 2 BvR 482/07 - Rn. 16, 19, NJW 2008, 3275).

65

2. Der durch die Abweisung des Hauptantrags zu 1. zur Entscheidung des Senats angefallene Hilfsantrag zu 1a. des Betriebsrats von Stilke ist aus den für den Hauptantrag genannten Gründen in der Sache erfolglos. Das hat das Landesarbeitsgericht jedenfalls im Ergebnis zu Recht erkannt. Mit dem Antrag zu 1a. wollen die Antragsteller hilfsweise festgestellt wissen, dass nicht zwingend sie selbst, wohl aber ein einziger Betriebsrat und eine einzige Schwerbehindertenvertretung für den gemeinsamen Betrieb zuständig sind, den die vier Arbeitgeberinnen aus Sicht der Antragsteller für die in den Anträgen genannten Filialen bilden. Da schon mit Blick auf die zumindest teilweise betriebsratsfähigen Filialen der Arbeitgeberinnen kein gemeinsamer Betrieb besteht, kann der Senat die erstrebte Feststellung nicht treffen.

66

3. Der Antrag zu 2. des Betriebsrats von Stilke ist zulässig, jedoch in der Sache erfolglos.

67

a) Wie die gebotene Auslegung ergibt, wollen die Antragsteller ihre Zuständigkeit für die in den Anträgen bezeichneten Filialen unabhängig davon festgestellt wissen, ob ein entsprechender gemeinsamer Betrieb der vier Arbeitgeberinnen besteht. Das wird daran deutlich, dass sie im Unterschied zum im Übrigen identischen Wortlaut des Antrags zu 1. nicht die Feststellung eines gemeinsamen Betriebs begehren. Dabei will der Betriebsrat mit der Feststellung seiner „Zuständigkeit“ ersichtlich gerichtlich geklärt wissen, dass ihm - auch derzeit noch - hinsichtlich der Belegschaften der auf die BHG, VRB und VRCO übergegangenen Filialen gegenüber diesen Arbeitgeberinnen alle Rechte eines wirksam gebildeten Betriebsrats zustehen. So verstanden ist der Antrag auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses iSv. § 256 Abs. 1 ZPO gerichtet. An ihr hat der Betriebsrat ein berechtigtes Interesse.

68

b) Der Antrag zu 2. des Betriebsrats von Stilke ist unbegründet. Ein gemeinsamer Betrieb der mehreren Arbeitgeberinnen, dessen Belegschaft der Betriebsrat repräsentierte, besteht - wie ausgeführt - nicht. Ein ggf. zunächst begründetes Übergangsmandat des Betriebsrats für die ihm zuvor nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 5 BetrVG aufgrund des ZTV-Stilke zugeordneten - dann übertragenen - Betriebsteile endete nach § 21a Abs. 1 Satz 3 BetrVG spätestens sechs Monate nach der Ausgliederung der Betriebsteile und ihrer Übertragung auf die neuen Arbeitgeberinnen. Es besteht daher jedenfalls jetzt nicht mehr.

69

II. Die in ein Hilfsverhältnis gestellten Anträge zu 1. und 1a. der Schwerbehindertenvertretung von Stilke sind unzulässig. Der Antrag zu 2. der Schwerbehindertenvertretung ist in der Sache erfolglos.

70

1. Für die Anträge zu 1. und 1a. ist die Schwerbehindertenvertretung von Stilke nicht antragsbefugt.

71

a) In § 18 Abs. 2 BetrVG sind die Personen und Stellen abschließend aufgeführt, die antragsbefugt sind, eine Entscheidung darüber herbeizuführen, ob eine betriebsratsfähige Organisationseinheit vorliegt(vgl. etwa Fitting § 18 Rn. 59 f.; aA zB Kreutz GK-BetrVG § 18 Rn. 58). Einzelne Arbeitnehmer sind nicht antragsberechtigt (vgl. bspw. Fitting § 18 Rn. 60). Die Schwerbehindertenvertretung ist nicht in § 18 Abs. 2 BetrVG genannt. Die Vorschrift ist deshalb nicht unmittelbar anwendbar.

72

b) Auch eine analoge Anwendung von § 18 Abs. 2 BetrVG ist zu verneinen. Für die Schwerbehindertenvertretung besteht schon keine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke, obwohl in § 94 SGB IX eine Bestimmung fehlt, die § 18 Abs. 2 BetrVG entspricht. Das zeigt sich an dem in Wortlaut und Gesetzeszusammenhang ausgedrückten Regelungszweck der §§ 94 und 95 SGB IX. Nach § 95 Abs. 1 Satz 1 SGB IX fördert die Schwerbehindertenvertretung die Eingliederung schwerbehinderter Menschen in den Betrieb, vertritt ihre Interessen im Betrieb und steht ihnen beratend und helfend zur Seite. Daran wird deutlich, dass der Schwerbehindertenvertretung kein allgemeines Mandat zukommt, über den Zuschnitt des Betriebs zu wachen. Die Bildung der Schwerbehindertenvertretung knüpft nur an den Betriebsbegriff iSd. betrieblich vorgefundenen Strukturen an (vgl. § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB IX verweist darüber hinaus ausdrücklich auf die Vorschriften über die Wahlanfechtung(vgl. § 19 BetrVG), den Wahlschutz und die Wahlkosten (vgl. § 20 BetrVG). Daraus ist zu schließen, dass der Gesetzgeber § 18 BetrVG bewusst nicht in die Verweisung aufgenommen hat.

73

2. Der Antrag zu 2. der Schwerbehindertenvertretung von Stilke ist aus den für den Betriebsrat von Stilke genannten Gründen unbegründet.

        

    Linsenmaier    

        

    Kiel    

        

    Gallner    

        

        

        

    Gerschermann    

        

    Gmoser    

                 

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 27. Juli 2009 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gewähren muss.

2

Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) hat am 27.7.2009 einen Termin zur mündlichen Verhandlung durchgeführt, zu dem es den (unvertretenen) Kläger versehentlich nicht geladen hatte. Mit Urteil vom selben Tage hat es die klageabweisende Entscheidung des Sozialgerichts (SG) vom 7.1.2009 bestätigt und die Berufung in Abwesenheit des Klägers zurückgewiesen. Gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Kläger beim Bundessozialgericht (BSG) Beschwerde eingelegt und Verfahrensfehler iS von § 160 Abs 2 Nr 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) geltend gemacht.

3

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig und begründet. Das LSG hat den Anspruch des Klägers auf ordnungsgemäße Mitteilung des Termins zur mündlichen Verhandlung (§§ 153 Abs 1, 110 Abs 1 Satz 1, 63 Abs 1 Satz 2 SGG) und auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 Grundgesetz) verletzt. Darüber hinaus war er "in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten" (absoluter Revisionsgrund: § 202 SGG iVm § 547 Ziff 4 Zivilprozessordnung). Aufgrund dieser Verfahrensmängel ist das angefochtene Urteil gemäß § 160a Abs 5 iVm § 160 Abs 2 Nr 3 SGG aufzuheben und die Sache an das LSG zurückzuverweisen.

4

Die Beschwerde ist zulässig. Der Kläger hat diese Verfahrensfehler ausreichend iS von § 160a Abs 2 Satz 3 SGG bezeichnet wenn er vorträgt, das LSG habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör(§ 62 SGG) verletzt, weil es über seine Berufung entschieden habe, ohne ihn zu dem anberaumten Verhandlungstermin am 27.7.2009 geladen zu haben.

5

Die Beschwerde ist auch im Sinne der Zurückverweisung begründet. Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) gewährleistet, dass die Beteiligten zum gerichtlichen Verfahren herangezogen werden und Gelegenheit erhalten, sich vor Erlass der Entscheidung zum Prozessstoff zu äußern (Bundesverfassungsgericht Beschlüsse vom 19.10.1977 - 2 BvR 566/76 - BVerfGE 46, 185, 187; vom 24.3.1982 - 2 BvH 1/82 ua - BVerfGE 60, 175, 210; Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Komm zum GG, Art 103 Abs 1 RdNr 66 ff; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 62 RdNr 2). Zu diesem Zweck bestimmt der Vorsitzende Zeit und Ort der mündlichen Verhandlung und teilt sie den Beteiligten (in der Regel zwei Wochen vorher) mit (§ 110 Abs 1 Satz 1 SGG). Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass das Urteil nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt wird, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten (§ 128 Abs 2 SGG). Gegen diese Grundsätze hat das LSG verstoßen, als es die Berufung am 27.7.2009 durch Urteil auf Grund mündlicher Verhandlung zurückwies, ohne den Kläger zuvor von diesem Termin benachrichtigt zu haben. Es ist auch nicht auszuschließen, dass das angefochtene Urteil auf dem gerügten Vorgehen des LSG beruht. Wegen des besonderen Rechtswerts der mündlichen Verhandlung lässt sich das Beruhenkönnen der Entscheidung auf der fehlenden Mündlichkeit in der Regel nicht verneinen (BSG, Urteile vom 11.2.1982 - 11 RA 50/81, BSGE 53, 83, 85 f = SozR 1500 § 124 Nr 7 S 15 und vom 7.11.2001 - B 9 V 6/01 R - SGb 2002, 382 sowie Beschluss vom 20.8.2009 - B 14 AS 41/09 B). Auch hier ist nicht ausgeschlossen, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung zu seinen Gunsten Ausführungen gemacht hätte und deswegen eine andere Entscheidung ergangen wäre. Das LSG hätte sich möglicherweise zu weiteren medizinischen Ermittlungen, etwa zu Rückfragen bei dem Sachverständigen Dr. O., veranlasst sehen können. Bei einem derartigen Verfahrensverlauf hätte es zu einer Verurteilung der Beklagten kommen können.

6

In der Rechtsprechung des BSG ist zudem anerkannt, dass über § 202 SGG die absoluten Revisionsgründe, wie sie in der ZPO geregelt sind, auch in Verfahren vor der Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gelten, weil das SGG insoweit keine Vorschriften enthält und die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten die entsprechende Anwendung des § 547 ZPO nicht ausschließen. Unter den absoluten Revisionsgrund des § 547 Nr 4 ZPO fällt auch die unterbliebene Ladung, wenn deshalb weder der Beteiligte selbst noch sein etwaiger Bevollmächtigter an der mündlichen Verhandlung teilnehmen konnte(vgl BSG Urteile vom 28.3.1984 - 9a RV 55/83 - SozSich 1984, 289; vom 15.10.1986 - 5b RJ 48/85 - SozSich 1987, 156; vom 10.12.1992 - 11 RAr 81/92 - HV-Info 1993, 903; vom 28.1.1993 - 2 RU 45/92 - HV-Info 1993, 905; vom 22.11.1994 - 8 RKn 8/94 - HVBG-Info 1995, 820 und vom 9.4.1997 - 9 RV 17/96 - ZfS 1997, 206; vgl auch Bundesverwaltungsgericht , Urteil vom 1.12.1982 - 9 C 486/82 - BVerwGE 66, 311).

7

Auf diesem Verfahrensfehler beruht auch das angefochtene Urteil. Denn nach § 547 ZPO ist bei einem absoluten Revisionsgrund die Entscheidung als "stets auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen", dh die Ursächlichkeit der Gesetzesverletzung wird unwiderleglich vermutet.

8

Nach § 160a Abs 5 SGG kann das erkennende Gericht in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverweisen, wenn - wie hier - die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliegen. Der Senat macht von dieser Möglichkeit Gebrauch.

9

Das LSG wird im wieder eröffneten Berufungsverfahren auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

Die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Landesarbeitsgericht kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. § 72a Abs. 2 bis 7 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden.

(2) Die Beschwerde ist bei dem Bundesarbeitsgericht innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils schriftlich einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils beigefügt werden, gegen das die Revision eingelegt werden soll.

(3) Die Beschwerde ist innerhalb einer Notfrist von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils zu begründen. Die Begründung muss enthalten:

1.
die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage und deren Entscheidungserheblichkeit,
2.
die Bezeichnung der Entscheidung, von der das Urteil des Landesarbeitsgerichts abweicht, oder
3.
die Darlegung eines absoluten Revisionsgrundes nach § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und der Entscheidungserheblichkeit der Verletzung.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hat aufschiebende Wirkung. Die Vorschriften des § 719 Abs. 2 und 3 der Zivilprozeßordnung sind entsprechend anzuwenden.

(5) Das Landesarbeitsgericht ist zu einer Änderung seiner Entscheidung nicht befugt. Das Bundesarbeitsgericht entscheidet unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluß, der ohne mündliche Verhandlung ergehen kann. Die ehrenamtlichen Richter wirken nicht mit, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen wird, weil sie nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Dem Beschluss soll eine kurze Begründung beigefügt werden. Von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundesarbeitsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(6) Wird der Beschwerde stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(7) Hat das Landesarbeitsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Bundesarbeitsgericht abweichend von Absatz 6 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverweisen.

Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat;
5.
wenn die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
6.
wenn die Entscheidung entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht mit Gründen versehen ist.

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 27. August 2013 - 8 Sa 62/08 - aufgehoben.

2. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens - an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts zurückverwiesen.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 9.900,00 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines gerichtlichen Vergleichs.

2

Der Kläger stand auf der Grundlage gerichtlicher Beschlüsse vom 12. Juli 2005 unter Betreuung. Die Parteien begründeten im Jahre 2007 ein Arbeitsverhältnis, welches der Beklagte mit zwei Kündigungen innerhalb der Wartezeit beenden wollte. Der Kläger hat hiergegen Kündigungsschutzklage erhoben. Die Parteien haben vor dem Arbeitsgericht am 12. März 2008 einen verfahrensbeendenden Vergleich geschlossen, welcher ua. die Zahlung einer Abfindung iHv. 56.000,00 Euro brutto als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes vorsieht. Der Beklagte hat daraufhin sowohl den Abschluss des Arbeitsvertrags als auch des Prozessvergleichs wegen arglistiger Täuschung und Irrtums angefochten. Der Kläger hält an der Wirksamkeit des Vergleichs fest.

3

Durch Beschluss des zuständigen Landgerichts vom 31. August 2009 wurde die Betreuung des Klägers aufgehoben. Das Oberlandesgericht hat diese Entscheidung am 30. August 2010 dahin gehend abgeändert, dass die Betreuerbestellung noch für Gerichtsverfahren nach § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO sowie bezüglich Gerichtsverfahren mit Auslandsbezug besteht. Schließlich hat das Betreuungsgericht mit Beschluss vom 31. Mai 2011 diese Betreuung gänzlich aufgehoben.

4

Das Arbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 2. Dezember 2008 den auf die Unwirksamkeit des Vergleichs gerichteten Feststellungsantrag des Beklagten als unbegründet angesehen. Das Landesarbeitsgericht hat nach dem Ende der Vertretung des Klägers durch seinen vormaligen Betreuer mit Beschluss vom 3. Dezember 2010 einen Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigten beigeordnet. Es hat zur Prüfung der Prozessfähigkeit des Klägers ein Gutachten eingeholt. Am 27. November 2012 hat das Landesarbeitsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem Kläger beschlossen, dass der Kläger für das vorliegende Verfahren als prozessunfähig angesehen wird. Ihm wurde Gelegenheit gegeben, bis zum 10. Januar 2013 für die Bestellung eines Betreuers zu sorgen. Am 9. Januar 2013 hat der Kläger das Betreuungsgericht hierüber informiert und gebeten „das Notwendige“ zu veranlassen. Bis zur nächsten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 16. Juli 2013 erfolgte keine Entscheidung über die erneute Bestellung eines Betreuers.

5

In diesem Termin war der Kläger mit dem beigeordneten Rechtsanwalt anwesend. Das Landesarbeitsgericht hat den Kläger jedoch als nicht wirksam vertreten und damit säumig angesehen. Der beigeordnete Rechtsanwalt handle ohne wirksame Vollmacht, da der Kläger partiell prozessunfähig für arbeitsgerichtliche Verfahren sei und insoweit keine Prozessvollmachten erteilen könne. Zwar komme das eingeholte Sachverständigengutachten nicht eindeutig zu dem Ergebnis der Prozessunfähigkeit des Klägers. Diese sei aber aus dem gesamten prozessualen Verhalten des Klägers in einer Vielzahl von Prozessen erkennbar. Auch frühere Begutachtungen sowie ein von dem Beklagten vorgelegtes Gutachten vom 11. September 2011 kämen zu diesem Ergebnis. Der Kläger sei aufgrund einer Geistesstörung nicht in der Lage, seinen Willen frei zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln. Insbesondere sei er krankhaft außer Stande, eigene Überzeugungen kritisch zu hinterfragen, den situativen Erfordernissen anzupassen oder gar zu revidieren. Der Kläger sei auch nicht unverschuldet säumig geblieben. Er habe die ihm bis zum 10. Januar 2013 gesetzte Frist nicht genutzt und durch die Mitteilung falscher Anschriften das eingeleitete Betreuungsverfahren verzögert.

6

Auf Antrag des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung nach Lage der Akten entschieden, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich vom 12. März 2008 nicht beendet worden ist. Die Kündigungsschutzklage hat das Landesarbeitsgericht abgewiesen.

7

Das vom Kläger mit Schreiben vom 9. Januar 2013 angeregte Betreuungsverfahren wurde durch das Betreuungsgericht mit Beschluss vom 27. Dezember 2013 eingestellt.

8

II. Die Beschwerde führt zulässig und begründet den absoluten Revisionsgrund des § 547 Nr. 1 ZPO sowie eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG an. Nach § 72a Abs. 7 ArbGG hat der Senat das angefochtene Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts zurückverwiesen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob weitere Verletzungen des Anspruchs auf rechtliches Gehör vorliegen, welche ebenfalls zur Zurückverweisung gemäß § 72a Abs. 7 ArbGG geführt hätten. Es bedarf auch keiner Entscheidung, ob die Voraussetzungen einer Grundsatz- oder Divergenzbeschwerde hier erfüllt sind.

9

1. Die Beschwerde ist nicht wegen Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72a Abs. 2 Satz 1 und § 72a Abs. 3 Satz 1 ArbGG unzulässig.

10

a) Zum Zeitpunkt der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde am 1. April 2014 waren diese Fristen mit Blick auf die Zustellung des Urteils des Landesarbeitsgerichts am 2. September 2013 versäumt.

11

b) Dem Kläger ist jedoch die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 ZPO zu gewähren. Der Kläger war wegen Mittellosigkeit und somit ohne sein Verschulden verhindert, die Fristen zur Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde einzuhalten. Er hat aber innerhalb der einmonatigen Notfrist des § 72a Abs. 2 Satz 1 ArbGG am 2. Oktober 2013 Prozesskostenhilfe beantragt, die ihm mit Beschluss des Senats vom 10. März 2014 - 6 AZA 16/13 - bewilligt worden ist (vgl. BAG 11. Oktober 2010 - 9 AZN 418/10 - Rn. 5). Die Entscheidung wurde dem Kläger am 18. März 2014 zugestellt. Der am 1. April 2014 eingegangene Wiedereinsetzungsantrag wahrte die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Frist begann mit dem Tag, an dem das der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde entgegenstehende Hindernis behoben war (§ 234 Abs. 2 ZPO). Das Hindernis der Mittellosigkeit entfiel mit der Bekanntgabe des Beschlusses über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe an den Kläger (vgl. BGH 22. November 2000 - XII ZB 28/00 - zu II 1 der Gründe). Die Wiedereinsetzungsfrist endete folglich mit Ablauf des 1. April 2014 (§ 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB). Die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ging am 16. April 2014 und damit innerhalb der Monatsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO ein.

12

2. Die mögliche mangelnde Prozessfähigkeit des Klägers führt nicht zur Unzulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde.

13

a) Die Prozessfähigkeit gemäß § 51 Abs. 1, § 52 ZPO ist zwingende Prozessvoraussetzung. Bestehen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Partei prozessunfähig sein könnte, hat deshalb das jeweils mit der Sache befasste Gericht nach § 56 Abs. 1 ZPO von Amts wegen zu ermitteln, ob Prozessunfähigkeit vorliegt. Dabei ist es nicht an die förmlichen Beweismittel des Zivilprozesses gebunden, vielmehr gilt der Grundsatz des Freibeweises (vgl. BGH 9. November 2010 - VI ZR 249/09 - Rn. 4). Das mögliche Fehlen der Prozessfähigkeit ist in jeder Lage des Verfahrens, also auch noch in der Berufungs- und Revisionsinstanz, von Amts wegen zu berücksichtigen (BAG 20. Januar 2000 - 2 AZR 733/98 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 93, 248; zum Ermessenspielraum des Revisionsgerichts, ob es den Sachverhalt selbst aufklären will vgl. BAG 26. August 1988 - 7 AZR 746/87 - zu I 2 der Gründe). Die höhere Instanz ist an die Tatsachenfeststellungen der unteren Instanz zu den Prozessvoraussetzungen nicht gebunden und hat auch neues Tatsachenvorbringen zu berücksichtigen (Zöller/Vollkommer ZPO 30. Aufl. § 56 Rn. 2 mwN). Für den Streit über die Prozessfähigkeit ist die davon betroffene Partei aber in jedem Fall als prozessfähig anzusehen (BAG 28. Mai 2009 - 6 AZN 17/09 - Rn. 3; BGH 9. November 2010 - VI ZR 249/09 - Rn. 3). So kann auch eine Partei, deren Prozessfähigkeit in der Vorinstanz verneint worden ist, wirksam ein Rechtsmittel einlegen, um eine andere Beurteilung zu erreichen (BGH 6. Dezember 2013 - V ZR 8/13 - Rn. 4).

14

b) Nach den zutreffenden Ausführungen des Landesarbeitsgerichts in der anzufechtenden Entscheidung wurde die Prozessunfähigkeit des Klägers gutachterlich nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt. Die dennoch durch das Landesarbeitsgericht vorgenommene Einschätzung des Klägers als „partiell prozessunfähig für arbeitsgerichtliche Verfahren“ begegnet Bedenken.

15

aa) Für die Prozessfähigkeit ist maßgeblich, ob eine Person sich durch Verträge verpflichten kann ( § 52 ZPO ). Prozessunfähig, weil geschäftsunfähig, sind deshalb Volljährige unter den Voraussetzungen des § 104 Nr. 2 BGB. Danach ist geschäftsunfähig, wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden, dauerhaften Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet. Ein solcher Zustand ist gegeben, wenn jemand nicht im Stande ist, seinen Willen frei und unbeeinflusst von einer vorliegenden Geistesstörung zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln. Das kann auch der Fall sein, wenn lediglich eine Geistesschwäche vorliegt. Abzustellen ist allein darauf, ob eine freie Entscheidung nach Abwägung des Für und Wider bei sachlicher Prüfung der in Betracht kommenden Gesichtspunkte möglich ist oder ob umgekehrt von einer freien Willensbildung nicht mehr gesprochen werden kann, etwa weil infolge der Geistesstörung Einflüsse dritter Personen den Willen übermäßig beherrschen (BAG 28. Mai 2009 - 6 AZN 17/09 - Rn. 8 mwN).

16

bb) Ein Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit des Klägers ist jedenfalls bezogen auf das vorliegende Verfahren nicht zu erkennen. Der Kläger verfolgt nur noch das Ziel, sich gegen die Angriffe des Beklagten gegen die Wirksamkeit des am 12. März 2008 geschlossenen Prozessvergleichs zu verteidigen. Dies ist nachvollziehbar, denn schließlich sieht dieser Vergleich für die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses während der Wartezeit eine Abfindung iHv. 56.000,00 Euro brutto vor. Die vom Landesarbeitsgericht diagnostizierten Wahnvorstellungen kommen hier nicht zum Ausdruck. Im Gegensatz zum Landesarbeitsgericht hat das Betreuungsgericht zudem in seinem Beschluss vom 31. Mai 2011 angeführt, dass der Kläger in der Lage sei, sich in anhängigen Prozessen als Partei zu artikulieren oder einen Prozessbevollmächtigten zu mandatieren. Er sei auf die Unterstützung durch einen gesetzlichen Vertreter nicht angewiesen.

17

c) In der Gesamtschau der zahlreichen Prozesse des Klägers in den letzten Jahren erscheint es dennoch möglich, dass der Kläger (wieder) prozessunfähig ist. Bezüglich des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens kann dies jedoch offenbleiben. Mit dem Beschwerdeverfahren wird der Streit über die Prozessfähigkeit des Klägers fortgeführt, da die Beschwerde Rügen erhebt, die sich auf die Führung des Verfahrens durch das Landesarbeitsgericht bei von diesem unterstellter Prozessunfähigkeit des Klägers beziehen.

18

3. Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Es liegt der absolute Revisionsgrund der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts vor (§ 547 Nr. 1 ZPO iVm. § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG).

19

a) Die Beschwerdebegründung enthält eine ausreichende Geltendmachung dieses Revisionsgrundes.

20

aa) Wird mit einer Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG das Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes geltend gemacht, muss nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ArbGG die Beschwerdebegründung die Darlegung des absoluten Revisionsgrundes nach § 547 Nr. 1 bis 5 ZPO enthalten. Die bloße Benennung eines Zulassungsgrundes genügt nicht. Der Beschwerdeführer hat vielmehr die Tatsachen, aus denen sich der Verfahrensfehler des Berufungsgerichts ergeben soll, substantiiert vorzutragen (BAG 5. Dezember 2011 - 5 AZN 1036/11 - Rn. 7).

21

bb) Diese Voraussetzungen sind hier bezüglich des absoluten Revisionsgrundes nach § 547 Nr. 1 ZPO erfüllt. Der Beschwerdeführer hat diese Rechtsnorm zwar nicht konkret bezeichnet, sondern als absoluten Revisionsgrund unter Nr. 3, 4 und 5 der Beschwerdebegründung nur § 547 Nr. 4 ZPO ausdrücklich angeführt sowie einen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör(Art. 103 Abs. 1 GG) gerügt. Die Beschwerdebegründung lässt aber deutlich erkennen, dass der Beschwerdeführer die nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts iSd. § 547 Nr. 1 ZPO als gegeben ansieht(vgl. BAG 25. Januar 2012 - 4 AZR 185/10 - Rn. 12). Dies ergibt sich daraus, dass die Beschwerdebegründung anführt, dass die Voraussetzungen einer Entscheidung nach Aktenlage gemäß § 331a ZPO, wie sie das Landesarbeitsgericht hier vorgenommen hat, nicht gegeben seien. Da im arbeitsgerichtlichen Verfahren bei einer solchen Entscheidung gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 4 ArbGG eine Alleinentscheidung durch die Vorsitzende oder den Vorsitzenden erfolgt(vgl. GMP/Germelmann ArbGG 8. Aufl. § 55 Rn. 17), umfasst die erhobene und begründete Rüge bezüglich der Entscheidung nach Aktenlage zwingend die Rüge der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts. Die Beschwerde macht damit deutlich, dass die Entscheidung unzulässigerweise ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter erfolgte.

22

b) Der absolute Revisionsgrund des § 547 Nr. 1 ZPO ist gegeben, da das Landesarbeitsgericht keine Entscheidung nach Aktenlage gemäß § 331a ZPO durch Alleinentscheidung der Vorsitzenden treffen durfte. Die Alleinentscheidung stellt eine Entscheidung bei nicht vorschriftsmäßiger Besetzung des Gerichts dar. Dies gilt unabhängig davon, ob der Kläger prozessfähig oder prozessunfähig war.

23

aa) Wäre der Kläger - entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts - prozessfähig gewesen, so wäre er durch den ihm beigeordneten Rechtsanwalt in der mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß vertreten gewesen (§ 11 Abs. 4 ArbGG). Eine Säumnis hätte nicht vorgelegen.

24

bb) Bei zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens vorliegender Prozessunfähigkeit des Klägers hätte das Landesarbeitsgericht den Antrag des Beklagten auf Entscheidung nach Lage der Akten gemäß § 335 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zurückweisen müssen. In diesem Fall wäre keine ordnungsgemäße Ladung des Klägers zum Termin am 16. Juli 2013 erfolgt.

25

(1) Nicht verkündete Terminsbestimmungen sind gemäß § 329 Abs. 2 Satz 2 ZPO zuzustellen. Gemäß § 170 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist bei nicht prozessfähigen Personen an ihren gesetzlichen Vertreter zuzustellen. Die Zustellung an die nicht prozessfähige Person ist unwirksam (§ 170 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Betreute Personen werden im Aufgabenkreis des Betreuers gemäß § 1902 BGB durch diesen gerichtlich und außergerichtlich vertreten.

26

(2) Bei unterstellter Prozessunfähigkeit des Klägers hätte die am 27. März 2013 vorgenommene und nicht verkündete Terminsbestimmung mit Ladung einem Betreuer des Klägers zugestellt werden müssen. Dies ist nicht erfolgt.

27

(3) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts konnte die nicht an den gesetzlichen Vertreter des Klägers erfolgte Zustellung auch nicht durch das Erscheinen des Klägers und des beigeordneten Anwalts im Termin geheilt werden. Eine Heilung von Zustellungsmängeln kommt gemäß § 189 ZPO nur in Betracht, wenn das Dokument der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist. Diese Person wäre ein Betreuer gewesen. An einen Betreuer erfolgte aber zu keinem Zeitpunkt eine Ladung.

28

(4) Die Zustellung der Ladung an den beigeordneten Anwalt als Prozessbevollmächtigten nach § 172 Abs. 1 ZPO war entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts auch nicht ausreichend, weil der Streit über die Prozessfähigkeit noch andauerte. Das Landesarbeitsgericht hatte bereits mit Beschluss vom 27. November 2012 entschieden, dass es den Kläger für das vorliegende Verfahren als prozessunfähig ansieht.

29

cc) Selbst bei Annahme einer ordnungsgemäßen Ladung und Vorliegen einer Säumnis hätte das Landesarbeitsgericht keine Entscheidung nach Aktenlage treffen dürfen.

30

(1) Ein Urteil nach Lage der Akten darf nach § 331a Satz 2, § 251a Abs. 2 ZPO nur ergehen, wenn in einem früheren Termin mündlich verhandelt worden ist. Es darf frühestens in zwei Wochen verkündet werden. Das Gericht hat der nicht erschienenen Partei den Verkündungstermin formlos mitzuteilen. Es bestimmt neuen Termin zur mündlichen Verhandlung, wenn die Partei dies spätestens am siebenten Tag vor dem zur Verkündung bestimmten Termin beantragt und glaubhaft macht, dass sie ohne ihr Verschulden ausgeblieben ist und die Verlegung des Termins nicht rechtzeitig beantragen konnte.

31

(2) Der Kläger hatte mit Schriftsatz vom 1. Juli 2013 die Verlegung des Termins am 16. Juli 2013 beantragt, weil über die Bestellung eines Betreuers noch nicht entschieden worden sei. Ihm stünde kein Mittel zur Verfahrensbeschleunigung zur Verfügung. Nach Durchführung des Termins wiederholte er dies mit Schriftsatz vom 31. Juli 2013, welcher am selben Tag bei Gericht einging, und beantragte die Bestimmung eines neuen Termins zur mündlichen Verhandlung. Das Landesarbeitsgericht verkündete in dem vom 13. August 2013 auf den 27. August 2013 verlegten Verkündungstermin dennoch das angegriffene Urteil. Es hätte aber antragsgemäß einen neuen Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmen müssen. Die wegen der nicht erfolgten Vertretung durch einen Betreuer angenommene Säumnis wäre nicht auf ein Verschulden des Klägers zurückzuführen.

32

(a) Das erkennende Gericht muss darauf hinwirken, dass ein nach Auffassung des Gerichts prozessunfähiger Kläger, der damit mangels Geschäftsfähigkeit auch keinen Prozessbevollmächtigten wirksam hatte bestellen können, seine prozessualen Rechte wahrnehmen kann. Das Gericht muss den Kläger also darauf hinweisen, dass er für eine ordnungsgemäße Vertretung zu sorgen hat und sich deshalb selbst um die Bestellung eines Betreuers nach § 1896 BGB bemühen muss, der nur vom Betreuungsgericht, nicht aber vom Prozessgericht bestellt werden kann. Es muss dem Kläger dafür vor Erlass des Prozessurteils die nötige Zeit einräumen (vgl. BAG 28. Mai 2009 - 6 AZN 17/09 - Rn. 6; BGH 9. November 2010 - VI ZR 249/09 - Rn. 7). Dabei ist zu berücksichtigen, dass selbst die Bestellung eines vorläufigen Betreuers durch einstweilige Anordnung nach § 300 FamFG nicht ohne eine ärztliche Stellungnahme und eine vorherige Anhörung des Betroffenen durch das Betreuungsgericht zulässig ist, was eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt(BGH 6. Dezember 2013 - V ZR 8/13 - Rn. 21). Zudem muss das Gericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht nach § 26 FamFG etwaigen Zweifeln am Vorliegen der Voraussetzungen einer Betreuerbestellung nachgehen(vgl. Keidel/Budde FamFG 18. Aufl. § 300 Rn. 4). Diese Umstände sind unter Berücksichtigung der Komplexität des jeweiligen Falls bei der Einschätzung des erforderlichen Zeitrahmens zu berücksichtigen.

33

(b) Die Beschwerdebegründung weist unter Nr. 4 zutreffend darauf hin, dass die dem Kläger für die Bestellung eines Betreuers bis zum 10. Januar 2013 gesetzte Frist praktisch unhaltbar war. Das Landesarbeitsgericht hat dem Kläger erst mit Beschluss vom 27. November 2012 mitgeteilt, dass es ihn für das vorliegende Verfahren als prozessunfähig ansieht. Die Zeitspanne bis zum Fristablauf war offensichtlich nicht ausreichend, um das gerichtliche Verfahren bzgl. der Bestellung eines Betreuers abzuschließen. Es ist daher ohne Belang, dass der Kläger sich erst am 9. Januar 2013 an das zuständige Betreuungsgericht gewandt hat. Hinsichtlich des weiteren Ablaufs des Verfahrens kann dem Kläger entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht mit auschlaggebender Wirkung angelastet werden, dass eine Entscheidung über die Betreuerbestellung bis zur mündlichen Verhandlung am 16. Juli 2013 nicht getroffen wurde. Es sprechen zwar durchaus Umstände dafür, dass sich der Kläger hinsichtlich der Angabe der zutreffenden Adresse zunächst nicht konstruktiv verhalten hat. Zumindest gegenüber dem Landesarbeitsgericht hat er jedoch mit Schriftsatz vom 12. April 2013 seine aktuelle Adresse mitgeteilt. Eine Weitergabe an das Betreuungsgericht wäre gemäß § 22a Abs. 2 FamFG in Betracht gekommen. Es obliegt im Übrigen dem Betreuungsgericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht mit hinreichendem Nachdruck die entsprechende Klarheit herbeizuführen.

34

4. Die Verfahrensgestaltung des Landesarbeitsgerichts verletzt den Kläger auch in seinem Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG(BAG 28. Mai 2009 - 6 AZN 17/09 - Rn. 5; BGH 6. Dezember 2013 - V ZR 8/13 - Rn. 19). Dies rügt die Beschwerde zu Recht.

35

5. Zur Beschleunigung des Verfahrens hat der Senat den Rechtsstreit nach § 72a Abs. 7 ArbGG an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen und dabei wegen der Gesamtumstände von der Möglichkeit der Zurückverweisung an eine andere Kammer Gebrauch gemacht. Hinsichtlich der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gründet sich dies auf die direkte Anwendung des § 72a Abs. 7 ArbGG. Bezüglich des absoluten Revisionsgrundes nach § 547 Nr. 1 ZPO ist § 72a Abs. 7 ArbGG analog anzuwenden.

36

a) Nach § 72a Abs. 7 ArbGG kann das Bundesarbeitsgericht bei Verletzung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverweisen. Dem Wortlaut der Vorschrift nach besteht diese Möglichkeit nicht bei Vorliegen eines anderen Zulassungsgrundes. § 72a Abs. 7 ArbGG ist aber bei Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes iSv. § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG, § 547 Nr. 1 bis 5 ZPO analog anzuwenden.

37

aa) Analoge Gesetzesanwendung setzt voraus, dass der gesetzlich ungeregelte Fall nach Maßgabe des Gleichheitssatzes und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen nach der gleichen Rechtsfolge verlangt wie die erfassten Fälle (BAG 24. Oktober 2013 - 2 AZR 320/13 - Rn. 25). Es muss allerdings eine positiv festzustellende Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes vorliegen (BAG 16. Mai 2013 - 6 AZR 556/11 - Rn. 56).

38

bb) Nach diesen Grundsätzen ist eine analoge Anwendung des § 72a Abs. 7 ArbGG bei Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 ZPO geboten.

39

(1) § 72a Abs. 7 ArbGG wurde durch das Anhörungsrügengesetz vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3220) neu eingefügt. Die Vorschrift orientiert sich an § 544 Abs. 7 ZPO und dient der Beschleunigung des Verfahrens(BR-Drs. 663/04 S. 49; BT-Drs. 15/3706 S. 20). Diesem Zweck der Verfahrensbeschleunigung würde es widersprechen, wenn bei Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes die angefochtene Entscheidung zunächst im Revisionsverfahren ohne weitere Sachprüfung aufgehoben und das Verfahren erst dann an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen werden müsste (Bepler RdA 2005, 65, 76; ErfK/Koch 14. Aufl. § 72a ArbGG Rn. 10; Düwell/Lipke/Düwell ArbGG 3. Aufl. § 72a Rn. 59).

40

(2) Für eine unbewusste Gesetzeslücke im Sinne eines Redaktionsversehens spricht die ausweislich der Gesetzesbegründung erfolgte Orientierung an dem im Wesentlichen wortgleichen § 544 Abs. 7 ZPO, der wiederum § 133 Abs. 6 VwGO zum Vorbild hat(BT-Drs. 15/3706 S. 17; BAG 12. Dezember 2006 - 3 AZN 625/06 - Rn. 34, BAGE 120, 322). Dabei ist offenbar übersehen worden, dass § 543 ZPO anders als § 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG eine Zulassung der Revision wegen Vorliegens eines absoluten Revisionsgrundes nicht vorsieht(vgl. Bepler RdA 2005, 65, 76; Düwell/Lipke/Düwell ArbGG 3. Aufl. § 72a Rn. 59). Die Berücksichtigung absoluter Revisionsgründe war bei § 544 Abs. 7 ZPO daher nicht veranlasst.

41

(3) All dies spricht dafür, dass die mit § 72a Abs. 7 ArbGG bezweckte Verfahrensbeschleunigung zur Vermeidung eines lediglich entscheidungsverzögernden Revisionsverfahrens auch bei Darlegung eines absoluten Revisionsgrundes im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren gemäß § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG ermöglicht werden soll. Eine entsprechende Analogie entspricht auch der Interessenlage der Parteien und dem allgemeinen Beschleunigungsgebot nach § 9 Abs. 1 ArbGG(ErfK/Koch 14. Aufl. § 72a ArbGG Rn. 10). In der Literatur wird die analoge Anwendung des § 72a Abs. 7 ArbGG daher überwiegend befürwortet(so GWBG/Benecke ArbGG 8. Aufl. § 72a Rn. 51; Schwab/Weth/Ulrich 3. Aufl. ArbGG § 72a Rn. 87a; BeckOK ArbR/Klose Stand 1. März 2014 ArbGG § 72a Rn. 21; aA GK-ArbGG/Mikosch Stand April 2010 § 72a Rn. 84; GMP/Müller-Glöge ArbGG 8. Aufl. § 72a Rn. 62).

42

b) § 72a Abs. 7 ArbGG ermöglicht auch die Zurückverweisung an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts. Die Vorschrift sieht dies zwar nicht ausdrücklich vor. Dieser Weg ist jedoch in entsprechender Anwendung von § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO eröffnet. Eine derartige Notwendigkeit kann auch bei einer Zurückverweisung im Rahmen des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens entstehen (BAG 12. Dezember 2006 - 3 AZN 625/06 - Rn. 33, BAGE 120, 322).

43

6. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung gemäß § 72a Abs. 5 Satz 5 ArbGG ab.

44

III. Die nach der Zurückverweisung zuständige Kammer des Landesarbeitsgerichts wird zu prüfen haben, ob sie - ggf. nach Einholung eines erneuten Sachverständigengutachtens - ebenfalls von der Prozessunfähigkeit des Klägers ausgeht. In diesem Fall wird zu klären sein, ob eine durchgehende Prozessunfähigkeit seit Beginn des Verfahrens vorliegt, so dass eine konkludente Genehmigung der bisherigen Prozesshandlungen durch den zeitweise prozessfähigen Kläger ausscheidet (vgl. BAG 28. Mai 2009 - 6 AZN 17/09 - Rn. 10). Bei zeitweiser Prozessfähigkeit wären die Vorgaben der §§ 86, 246 ZPO zu beachten. Bei durchgehender Prozessunfähigkeit wird das Landesarbeitsgericht dem Kläger wiederum Gelegenheit geben müssen, für eine gesetzliche Vertretung durch Bestellung eines Betreuers zu sorgen.

45

Sollte das Landesarbeitsgericht demgegenüber zu der Auffassung gelangen, dass der Kläger prozessfähig ist, wird es den Rechtsstreit nach mündlicher Verhandlung unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter entscheiden müssen.

46

IV. Das Landesarbeitsgericht wird auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

47

V.  Die Wertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 GKG.

        

    Fischermeier    

        

    Spelge    

        

    Krumbiegel    

        

        

        

    Augat    

        

    Kreis    

                 

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden.

(2) Die Beschwerde ist bei dem Bundesarbeitsgericht innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils schriftlich einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils beigefügt werden, gegen das die Revision eingelegt werden soll.

(3) Die Beschwerde ist innerhalb einer Notfrist von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils zu begründen. Die Begründung muss enthalten:

1.
die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage und deren Entscheidungserheblichkeit,
2.
die Bezeichnung der Entscheidung, von der das Urteil des Landesarbeitsgerichts abweicht, oder
3.
die Darlegung eines absoluten Revisionsgrundes nach § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und der Entscheidungserheblichkeit der Verletzung.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hat aufschiebende Wirkung. Die Vorschriften des § 719 Abs. 2 und 3 der Zivilprozeßordnung sind entsprechend anzuwenden.

(5) Das Landesarbeitsgericht ist zu einer Änderung seiner Entscheidung nicht befugt. Das Bundesarbeitsgericht entscheidet unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluß, der ohne mündliche Verhandlung ergehen kann. Die ehrenamtlichen Richter wirken nicht mit, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen wird, weil sie nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Dem Beschluss soll eine kurze Begründung beigefügt werden. Von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundesarbeitsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(6) Wird der Beschwerde stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(7) Hat das Landesarbeitsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Bundesarbeitsgericht abweichend von Absatz 6 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverweisen.

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 27. August 2013 - 8 Sa 62/08 - aufgehoben.

2. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens - an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts zurückverwiesen.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 9.900,00 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines gerichtlichen Vergleichs.

2

Der Kläger stand auf der Grundlage gerichtlicher Beschlüsse vom 12. Juli 2005 unter Betreuung. Die Parteien begründeten im Jahre 2007 ein Arbeitsverhältnis, welches der Beklagte mit zwei Kündigungen innerhalb der Wartezeit beenden wollte. Der Kläger hat hiergegen Kündigungsschutzklage erhoben. Die Parteien haben vor dem Arbeitsgericht am 12. März 2008 einen verfahrensbeendenden Vergleich geschlossen, welcher ua. die Zahlung einer Abfindung iHv. 56.000,00 Euro brutto als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes vorsieht. Der Beklagte hat daraufhin sowohl den Abschluss des Arbeitsvertrags als auch des Prozessvergleichs wegen arglistiger Täuschung und Irrtums angefochten. Der Kläger hält an der Wirksamkeit des Vergleichs fest.

3

Durch Beschluss des zuständigen Landgerichts vom 31. August 2009 wurde die Betreuung des Klägers aufgehoben. Das Oberlandesgericht hat diese Entscheidung am 30. August 2010 dahin gehend abgeändert, dass die Betreuerbestellung noch für Gerichtsverfahren nach § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO sowie bezüglich Gerichtsverfahren mit Auslandsbezug besteht. Schließlich hat das Betreuungsgericht mit Beschluss vom 31. Mai 2011 diese Betreuung gänzlich aufgehoben.

4

Das Arbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 2. Dezember 2008 den auf die Unwirksamkeit des Vergleichs gerichteten Feststellungsantrag des Beklagten als unbegründet angesehen. Das Landesarbeitsgericht hat nach dem Ende der Vertretung des Klägers durch seinen vormaligen Betreuer mit Beschluss vom 3. Dezember 2010 einen Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigten beigeordnet. Es hat zur Prüfung der Prozessfähigkeit des Klägers ein Gutachten eingeholt. Am 27. November 2012 hat das Landesarbeitsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem Kläger beschlossen, dass der Kläger für das vorliegende Verfahren als prozessunfähig angesehen wird. Ihm wurde Gelegenheit gegeben, bis zum 10. Januar 2013 für die Bestellung eines Betreuers zu sorgen. Am 9. Januar 2013 hat der Kläger das Betreuungsgericht hierüber informiert und gebeten „das Notwendige“ zu veranlassen. Bis zur nächsten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 16. Juli 2013 erfolgte keine Entscheidung über die erneute Bestellung eines Betreuers.

5

In diesem Termin war der Kläger mit dem beigeordneten Rechtsanwalt anwesend. Das Landesarbeitsgericht hat den Kläger jedoch als nicht wirksam vertreten und damit säumig angesehen. Der beigeordnete Rechtsanwalt handle ohne wirksame Vollmacht, da der Kläger partiell prozessunfähig für arbeitsgerichtliche Verfahren sei und insoweit keine Prozessvollmachten erteilen könne. Zwar komme das eingeholte Sachverständigengutachten nicht eindeutig zu dem Ergebnis der Prozessunfähigkeit des Klägers. Diese sei aber aus dem gesamten prozessualen Verhalten des Klägers in einer Vielzahl von Prozessen erkennbar. Auch frühere Begutachtungen sowie ein von dem Beklagten vorgelegtes Gutachten vom 11. September 2011 kämen zu diesem Ergebnis. Der Kläger sei aufgrund einer Geistesstörung nicht in der Lage, seinen Willen frei zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln. Insbesondere sei er krankhaft außer Stande, eigene Überzeugungen kritisch zu hinterfragen, den situativen Erfordernissen anzupassen oder gar zu revidieren. Der Kläger sei auch nicht unverschuldet säumig geblieben. Er habe die ihm bis zum 10. Januar 2013 gesetzte Frist nicht genutzt und durch die Mitteilung falscher Anschriften das eingeleitete Betreuungsverfahren verzögert.

6

Auf Antrag des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung nach Lage der Akten entschieden, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich vom 12. März 2008 nicht beendet worden ist. Die Kündigungsschutzklage hat das Landesarbeitsgericht abgewiesen.

7

Das vom Kläger mit Schreiben vom 9. Januar 2013 angeregte Betreuungsverfahren wurde durch das Betreuungsgericht mit Beschluss vom 27. Dezember 2013 eingestellt.

8

II. Die Beschwerde führt zulässig und begründet den absoluten Revisionsgrund des § 547 Nr. 1 ZPO sowie eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG an. Nach § 72a Abs. 7 ArbGG hat der Senat das angefochtene Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts zurückverwiesen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob weitere Verletzungen des Anspruchs auf rechtliches Gehör vorliegen, welche ebenfalls zur Zurückverweisung gemäß § 72a Abs. 7 ArbGG geführt hätten. Es bedarf auch keiner Entscheidung, ob die Voraussetzungen einer Grundsatz- oder Divergenzbeschwerde hier erfüllt sind.

9

1. Die Beschwerde ist nicht wegen Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72a Abs. 2 Satz 1 und § 72a Abs. 3 Satz 1 ArbGG unzulässig.

10

a) Zum Zeitpunkt der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde am 1. April 2014 waren diese Fristen mit Blick auf die Zustellung des Urteils des Landesarbeitsgerichts am 2. September 2013 versäumt.

11

b) Dem Kläger ist jedoch die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 ZPO zu gewähren. Der Kläger war wegen Mittellosigkeit und somit ohne sein Verschulden verhindert, die Fristen zur Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde einzuhalten. Er hat aber innerhalb der einmonatigen Notfrist des § 72a Abs. 2 Satz 1 ArbGG am 2. Oktober 2013 Prozesskostenhilfe beantragt, die ihm mit Beschluss des Senats vom 10. März 2014 - 6 AZA 16/13 - bewilligt worden ist (vgl. BAG 11. Oktober 2010 - 9 AZN 418/10 - Rn. 5). Die Entscheidung wurde dem Kläger am 18. März 2014 zugestellt. Der am 1. April 2014 eingegangene Wiedereinsetzungsantrag wahrte die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Frist begann mit dem Tag, an dem das der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde entgegenstehende Hindernis behoben war (§ 234 Abs. 2 ZPO). Das Hindernis der Mittellosigkeit entfiel mit der Bekanntgabe des Beschlusses über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe an den Kläger (vgl. BGH 22. November 2000 - XII ZB 28/00 - zu II 1 der Gründe). Die Wiedereinsetzungsfrist endete folglich mit Ablauf des 1. April 2014 (§ 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB). Die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ging am 16. April 2014 und damit innerhalb der Monatsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO ein.

12

2. Die mögliche mangelnde Prozessfähigkeit des Klägers führt nicht zur Unzulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde.

13

a) Die Prozessfähigkeit gemäß § 51 Abs. 1, § 52 ZPO ist zwingende Prozessvoraussetzung. Bestehen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Partei prozessunfähig sein könnte, hat deshalb das jeweils mit der Sache befasste Gericht nach § 56 Abs. 1 ZPO von Amts wegen zu ermitteln, ob Prozessunfähigkeit vorliegt. Dabei ist es nicht an die förmlichen Beweismittel des Zivilprozesses gebunden, vielmehr gilt der Grundsatz des Freibeweises (vgl. BGH 9. November 2010 - VI ZR 249/09 - Rn. 4). Das mögliche Fehlen der Prozessfähigkeit ist in jeder Lage des Verfahrens, also auch noch in der Berufungs- und Revisionsinstanz, von Amts wegen zu berücksichtigen (BAG 20. Januar 2000 - 2 AZR 733/98 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 93, 248; zum Ermessenspielraum des Revisionsgerichts, ob es den Sachverhalt selbst aufklären will vgl. BAG 26. August 1988 - 7 AZR 746/87 - zu I 2 der Gründe). Die höhere Instanz ist an die Tatsachenfeststellungen der unteren Instanz zu den Prozessvoraussetzungen nicht gebunden und hat auch neues Tatsachenvorbringen zu berücksichtigen (Zöller/Vollkommer ZPO 30. Aufl. § 56 Rn. 2 mwN). Für den Streit über die Prozessfähigkeit ist die davon betroffene Partei aber in jedem Fall als prozessfähig anzusehen (BAG 28. Mai 2009 - 6 AZN 17/09 - Rn. 3; BGH 9. November 2010 - VI ZR 249/09 - Rn. 3). So kann auch eine Partei, deren Prozessfähigkeit in der Vorinstanz verneint worden ist, wirksam ein Rechtsmittel einlegen, um eine andere Beurteilung zu erreichen (BGH 6. Dezember 2013 - V ZR 8/13 - Rn. 4).

14

b) Nach den zutreffenden Ausführungen des Landesarbeitsgerichts in der anzufechtenden Entscheidung wurde die Prozessunfähigkeit des Klägers gutachterlich nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt. Die dennoch durch das Landesarbeitsgericht vorgenommene Einschätzung des Klägers als „partiell prozessunfähig für arbeitsgerichtliche Verfahren“ begegnet Bedenken.

15

aa) Für die Prozessfähigkeit ist maßgeblich, ob eine Person sich durch Verträge verpflichten kann ( § 52 ZPO ). Prozessunfähig, weil geschäftsunfähig, sind deshalb Volljährige unter den Voraussetzungen des § 104 Nr. 2 BGB. Danach ist geschäftsunfähig, wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden, dauerhaften Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet. Ein solcher Zustand ist gegeben, wenn jemand nicht im Stande ist, seinen Willen frei und unbeeinflusst von einer vorliegenden Geistesstörung zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln. Das kann auch der Fall sein, wenn lediglich eine Geistesschwäche vorliegt. Abzustellen ist allein darauf, ob eine freie Entscheidung nach Abwägung des Für und Wider bei sachlicher Prüfung der in Betracht kommenden Gesichtspunkte möglich ist oder ob umgekehrt von einer freien Willensbildung nicht mehr gesprochen werden kann, etwa weil infolge der Geistesstörung Einflüsse dritter Personen den Willen übermäßig beherrschen (BAG 28. Mai 2009 - 6 AZN 17/09 - Rn. 8 mwN).

16

bb) Ein Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit des Klägers ist jedenfalls bezogen auf das vorliegende Verfahren nicht zu erkennen. Der Kläger verfolgt nur noch das Ziel, sich gegen die Angriffe des Beklagten gegen die Wirksamkeit des am 12. März 2008 geschlossenen Prozessvergleichs zu verteidigen. Dies ist nachvollziehbar, denn schließlich sieht dieser Vergleich für die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses während der Wartezeit eine Abfindung iHv. 56.000,00 Euro brutto vor. Die vom Landesarbeitsgericht diagnostizierten Wahnvorstellungen kommen hier nicht zum Ausdruck. Im Gegensatz zum Landesarbeitsgericht hat das Betreuungsgericht zudem in seinem Beschluss vom 31. Mai 2011 angeführt, dass der Kläger in der Lage sei, sich in anhängigen Prozessen als Partei zu artikulieren oder einen Prozessbevollmächtigten zu mandatieren. Er sei auf die Unterstützung durch einen gesetzlichen Vertreter nicht angewiesen.

17

c) In der Gesamtschau der zahlreichen Prozesse des Klägers in den letzten Jahren erscheint es dennoch möglich, dass der Kläger (wieder) prozessunfähig ist. Bezüglich des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens kann dies jedoch offenbleiben. Mit dem Beschwerdeverfahren wird der Streit über die Prozessfähigkeit des Klägers fortgeführt, da die Beschwerde Rügen erhebt, die sich auf die Führung des Verfahrens durch das Landesarbeitsgericht bei von diesem unterstellter Prozessunfähigkeit des Klägers beziehen.

18

3. Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Es liegt der absolute Revisionsgrund der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts vor (§ 547 Nr. 1 ZPO iVm. § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG).

19

a) Die Beschwerdebegründung enthält eine ausreichende Geltendmachung dieses Revisionsgrundes.

20

aa) Wird mit einer Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG das Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes geltend gemacht, muss nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ArbGG die Beschwerdebegründung die Darlegung des absoluten Revisionsgrundes nach § 547 Nr. 1 bis 5 ZPO enthalten. Die bloße Benennung eines Zulassungsgrundes genügt nicht. Der Beschwerdeführer hat vielmehr die Tatsachen, aus denen sich der Verfahrensfehler des Berufungsgerichts ergeben soll, substantiiert vorzutragen (BAG 5. Dezember 2011 - 5 AZN 1036/11 - Rn. 7).

21

bb) Diese Voraussetzungen sind hier bezüglich des absoluten Revisionsgrundes nach § 547 Nr. 1 ZPO erfüllt. Der Beschwerdeführer hat diese Rechtsnorm zwar nicht konkret bezeichnet, sondern als absoluten Revisionsgrund unter Nr. 3, 4 und 5 der Beschwerdebegründung nur § 547 Nr. 4 ZPO ausdrücklich angeführt sowie einen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör(Art. 103 Abs. 1 GG) gerügt. Die Beschwerdebegründung lässt aber deutlich erkennen, dass der Beschwerdeführer die nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts iSd. § 547 Nr. 1 ZPO als gegeben ansieht(vgl. BAG 25. Januar 2012 - 4 AZR 185/10 - Rn. 12). Dies ergibt sich daraus, dass die Beschwerdebegründung anführt, dass die Voraussetzungen einer Entscheidung nach Aktenlage gemäß § 331a ZPO, wie sie das Landesarbeitsgericht hier vorgenommen hat, nicht gegeben seien. Da im arbeitsgerichtlichen Verfahren bei einer solchen Entscheidung gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 4 ArbGG eine Alleinentscheidung durch die Vorsitzende oder den Vorsitzenden erfolgt(vgl. GMP/Germelmann ArbGG 8. Aufl. § 55 Rn. 17), umfasst die erhobene und begründete Rüge bezüglich der Entscheidung nach Aktenlage zwingend die Rüge der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts. Die Beschwerde macht damit deutlich, dass die Entscheidung unzulässigerweise ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter erfolgte.

22

b) Der absolute Revisionsgrund des § 547 Nr. 1 ZPO ist gegeben, da das Landesarbeitsgericht keine Entscheidung nach Aktenlage gemäß § 331a ZPO durch Alleinentscheidung der Vorsitzenden treffen durfte. Die Alleinentscheidung stellt eine Entscheidung bei nicht vorschriftsmäßiger Besetzung des Gerichts dar. Dies gilt unabhängig davon, ob der Kläger prozessfähig oder prozessunfähig war.

23

aa) Wäre der Kläger - entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts - prozessfähig gewesen, so wäre er durch den ihm beigeordneten Rechtsanwalt in der mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß vertreten gewesen (§ 11 Abs. 4 ArbGG). Eine Säumnis hätte nicht vorgelegen.

24

bb) Bei zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens vorliegender Prozessunfähigkeit des Klägers hätte das Landesarbeitsgericht den Antrag des Beklagten auf Entscheidung nach Lage der Akten gemäß § 335 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zurückweisen müssen. In diesem Fall wäre keine ordnungsgemäße Ladung des Klägers zum Termin am 16. Juli 2013 erfolgt.

25

(1) Nicht verkündete Terminsbestimmungen sind gemäß § 329 Abs. 2 Satz 2 ZPO zuzustellen. Gemäß § 170 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist bei nicht prozessfähigen Personen an ihren gesetzlichen Vertreter zuzustellen. Die Zustellung an die nicht prozessfähige Person ist unwirksam (§ 170 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Betreute Personen werden im Aufgabenkreis des Betreuers gemäß § 1902 BGB durch diesen gerichtlich und außergerichtlich vertreten.

26

(2) Bei unterstellter Prozessunfähigkeit des Klägers hätte die am 27. März 2013 vorgenommene und nicht verkündete Terminsbestimmung mit Ladung einem Betreuer des Klägers zugestellt werden müssen. Dies ist nicht erfolgt.

27

(3) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts konnte die nicht an den gesetzlichen Vertreter des Klägers erfolgte Zustellung auch nicht durch das Erscheinen des Klägers und des beigeordneten Anwalts im Termin geheilt werden. Eine Heilung von Zustellungsmängeln kommt gemäß § 189 ZPO nur in Betracht, wenn das Dokument der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist. Diese Person wäre ein Betreuer gewesen. An einen Betreuer erfolgte aber zu keinem Zeitpunkt eine Ladung.

28

(4) Die Zustellung der Ladung an den beigeordneten Anwalt als Prozessbevollmächtigten nach § 172 Abs. 1 ZPO war entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts auch nicht ausreichend, weil der Streit über die Prozessfähigkeit noch andauerte. Das Landesarbeitsgericht hatte bereits mit Beschluss vom 27. November 2012 entschieden, dass es den Kläger für das vorliegende Verfahren als prozessunfähig ansieht.

29

cc) Selbst bei Annahme einer ordnungsgemäßen Ladung und Vorliegen einer Säumnis hätte das Landesarbeitsgericht keine Entscheidung nach Aktenlage treffen dürfen.

30

(1) Ein Urteil nach Lage der Akten darf nach § 331a Satz 2, § 251a Abs. 2 ZPO nur ergehen, wenn in einem früheren Termin mündlich verhandelt worden ist. Es darf frühestens in zwei Wochen verkündet werden. Das Gericht hat der nicht erschienenen Partei den Verkündungstermin formlos mitzuteilen. Es bestimmt neuen Termin zur mündlichen Verhandlung, wenn die Partei dies spätestens am siebenten Tag vor dem zur Verkündung bestimmten Termin beantragt und glaubhaft macht, dass sie ohne ihr Verschulden ausgeblieben ist und die Verlegung des Termins nicht rechtzeitig beantragen konnte.

31

(2) Der Kläger hatte mit Schriftsatz vom 1. Juli 2013 die Verlegung des Termins am 16. Juli 2013 beantragt, weil über die Bestellung eines Betreuers noch nicht entschieden worden sei. Ihm stünde kein Mittel zur Verfahrensbeschleunigung zur Verfügung. Nach Durchführung des Termins wiederholte er dies mit Schriftsatz vom 31. Juli 2013, welcher am selben Tag bei Gericht einging, und beantragte die Bestimmung eines neuen Termins zur mündlichen Verhandlung. Das Landesarbeitsgericht verkündete in dem vom 13. August 2013 auf den 27. August 2013 verlegten Verkündungstermin dennoch das angegriffene Urteil. Es hätte aber antragsgemäß einen neuen Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmen müssen. Die wegen der nicht erfolgten Vertretung durch einen Betreuer angenommene Säumnis wäre nicht auf ein Verschulden des Klägers zurückzuführen.

32

(a) Das erkennende Gericht muss darauf hinwirken, dass ein nach Auffassung des Gerichts prozessunfähiger Kläger, der damit mangels Geschäftsfähigkeit auch keinen Prozessbevollmächtigten wirksam hatte bestellen können, seine prozessualen Rechte wahrnehmen kann. Das Gericht muss den Kläger also darauf hinweisen, dass er für eine ordnungsgemäße Vertretung zu sorgen hat und sich deshalb selbst um die Bestellung eines Betreuers nach § 1896 BGB bemühen muss, der nur vom Betreuungsgericht, nicht aber vom Prozessgericht bestellt werden kann. Es muss dem Kläger dafür vor Erlass des Prozessurteils die nötige Zeit einräumen (vgl. BAG 28. Mai 2009 - 6 AZN 17/09 - Rn. 6; BGH 9. November 2010 - VI ZR 249/09 - Rn. 7). Dabei ist zu berücksichtigen, dass selbst die Bestellung eines vorläufigen Betreuers durch einstweilige Anordnung nach § 300 FamFG nicht ohne eine ärztliche Stellungnahme und eine vorherige Anhörung des Betroffenen durch das Betreuungsgericht zulässig ist, was eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt(BGH 6. Dezember 2013 - V ZR 8/13 - Rn. 21). Zudem muss das Gericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht nach § 26 FamFG etwaigen Zweifeln am Vorliegen der Voraussetzungen einer Betreuerbestellung nachgehen(vgl. Keidel/Budde FamFG 18. Aufl. § 300 Rn. 4). Diese Umstände sind unter Berücksichtigung der Komplexität des jeweiligen Falls bei der Einschätzung des erforderlichen Zeitrahmens zu berücksichtigen.

33

(b) Die Beschwerdebegründung weist unter Nr. 4 zutreffend darauf hin, dass die dem Kläger für die Bestellung eines Betreuers bis zum 10. Januar 2013 gesetzte Frist praktisch unhaltbar war. Das Landesarbeitsgericht hat dem Kläger erst mit Beschluss vom 27. November 2012 mitgeteilt, dass es ihn für das vorliegende Verfahren als prozessunfähig ansieht. Die Zeitspanne bis zum Fristablauf war offensichtlich nicht ausreichend, um das gerichtliche Verfahren bzgl. der Bestellung eines Betreuers abzuschließen. Es ist daher ohne Belang, dass der Kläger sich erst am 9. Januar 2013 an das zuständige Betreuungsgericht gewandt hat. Hinsichtlich des weiteren Ablaufs des Verfahrens kann dem Kläger entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht mit auschlaggebender Wirkung angelastet werden, dass eine Entscheidung über die Betreuerbestellung bis zur mündlichen Verhandlung am 16. Juli 2013 nicht getroffen wurde. Es sprechen zwar durchaus Umstände dafür, dass sich der Kläger hinsichtlich der Angabe der zutreffenden Adresse zunächst nicht konstruktiv verhalten hat. Zumindest gegenüber dem Landesarbeitsgericht hat er jedoch mit Schriftsatz vom 12. April 2013 seine aktuelle Adresse mitgeteilt. Eine Weitergabe an das Betreuungsgericht wäre gemäß § 22a Abs. 2 FamFG in Betracht gekommen. Es obliegt im Übrigen dem Betreuungsgericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht mit hinreichendem Nachdruck die entsprechende Klarheit herbeizuführen.

34

4. Die Verfahrensgestaltung des Landesarbeitsgerichts verletzt den Kläger auch in seinem Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG(BAG 28. Mai 2009 - 6 AZN 17/09 - Rn. 5; BGH 6. Dezember 2013 - V ZR 8/13 - Rn. 19). Dies rügt die Beschwerde zu Recht.

35

5. Zur Beschleunigung des Verfahrens hat der Senat den Rechtsstreit nach § 72a Abs. 7 ArbGG an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen und dabei wegen der Gesamtumstände von der Möglichkeit der Zurückverweisung an eine andere Kammer Gebrauch gemacht. Hinsichtlich der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gründet sich dies auf die direkte Anwendung des § 72a Abs. 7 ArbGG. Bezüglich des absoluten Revisionsgrundes nach § 547 Nr. 1 ZPO ist § 72a Abs. 7 ArbGG analog anzuwenden.

36

a) Nach § 72a Abs. 7 ArbGG kann das Bundesarbeitsgericht bei Verletzung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverweisen. Dem Wortlaut der Vorschrift nach besteht diese Möglichkeit nicht bei Vorliegen eines anderen Zulassungsgrundes. § 72a Abs. 7 ArbGG ist aber bei Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes iSv. § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG, § 547 Nr. 1 bis 5 ZPO analog anzuwenden.

37

aa) Analoge Gesetzesanwendung setzt voraus, dass der gesetzlich ungeregelte Fall nach Maßgabe des Gleichheitssatzes und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen nach der gleichen Rechtsfolge verlangt wie die erfassten Fälle (BAG 24. Oktober 2013 - 2 AZR 320/13 - Rn. 25). Es muss allerdings eine positiv festzustellende Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes vorliegen (BAG 16. Mai 2013 - 6 AZR 556/11 - Rn. 56).

38

bb) Nach diesen Grundsätzen ist eine analoge Anwendung des § 72a Abs. 7 ArbGG bei Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 ZPO geboten.

39

(1) § 72a Abs. 7 ArbGG wurde durch das Anhörungsrügengesetz vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3220) neu eingefügt. Die Vorschrift orientiert sich an § 544 Abs. 7 ZPO und dient der Beschleunigung des Verfahrens(BR-Drs. 663/04 S. 49; BT-Drs. 15/3706 S. 20). Diesem Zweck der Verfahrensbeschleunigung würde es widersprechen, wenn bei Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes die angefochtene Entscheidung zunächst im Revisionsverfahren ohne weitere Sachprüfung aufgehoben und das Verfahren erst dann an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen werden müsste (Bepler RdA 2005, 65, 76; ErfK/Koch 14. Aufl. § 72a ArbGG Rn. 10; Düwell/Lipke/Düwell ArbGG 3. Aufl. § 72a Rn. 59).

40

(2) Für eine unbewusste Gesetzeslücke im Sinne eines Redaktionsversehens spricht die ausweislich der Gesetzesbegründung erfolgte Orientierung an dem im Wesentlichen wortgleichen § 544 Abs. 7 ZPO, der wiederum § 133 Abs. 6 VwGO zum Vorbild hat(BT-Drs. 15/3706 S. 17; BAG 12. Dezember 2006 - 3 AZN 625/06 - Rn. 34, BAGE 120, 322). Dabei ist offenbar übersehen worden, dass § 543 ZPO anders als § 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG eine Zulassung der Revision wegen Vorliegens eines absoluten Revisionsgrundes nicht vorsieht(vgl. Bepler RdA 2005, 65, 76; Düwell/Lipke/Düwell ArbGG 3. Aufl. § 72a Rn. 59). Die Berücksichtigung absoluter Revisionsgründe war bei § 544 Abs. 7 ZPO daher nicht veranlasst.

41

(3) All dies spricht dafür, dass die mit § 72a Abs. 7 ArbGG bezweckte Verfahrensbeschleunigung zur Vermeidung eines lediglich entscheidungsverzögernden Revisionsverfahrens auch bei Darlegung eines absoluten Revisionsgrundes im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren gemäß § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG ermöglicht werden soll. Eine entsprechende Analogie entspricht auch der Interessenlage der Parteien und dem allgemeinen Beschleunigungsgebot nach § 9 Abs. 1 ArbGG(ErfK/Koch 14. Aufl. § 72a ArbGG Rn. 10). In der Literatur wird die analoge Anwendung des § 72a Abs. 7 ArbGG daher überwiegend befürwortet(so GWBG/Benecke ArbGG 8. Aufl. § 72a Rn. 51; Schwab/Weth/Ulrich 3. Aufl. ArbGG § 72a Rn. 87a; BeckOK ArbR/Klose Stand 1. März 2014 ArbGG § 72a Rn. 21; aA GK-ArbGG/Mikosch Stand April 2010 § 72a Rn. 84; GMP/Müller-Glöge ArbGG 8. Aufl. § 72a Rn. 62).

42

b) § 72a Abs. 7 ArbGG ermöglicht auch die Zurückverweisung an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts. Die Vorschrift sieht dies zwar nicht ausdrücklich vor. Dieser Weg ist jedoch in entsprechender Anwendung von § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO eröffnet. Eine derartige Notwendigkeit kann auch bei einer Zurückverweisung im Rahmen des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens entstehen (BAG 12. Dezember 2006 - 3 AZN 625/06 - Rn. 33, BAGE 120, 322).

43

6. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung gemäß § 72a Abs. 5 Satz 5 ArbGG ab.

44

III. Die nach der Zurückverweisung zuständige Kammer des Landesarbeitsgerichts wird zu prüfen haben, ob sie - ggf. nach Einholung eines erneuten Sachverständigengutachtens - ebenfalls von der Prozessunfähigkeit des Klägers ausgeht. In diesem Fall wird zu klären sein, ob eine durchgehende Prozessunfähigkeit seit Beginn des Verfahrens vorliegt, so dass eine konkludente Genehmigung der bisherigen Prozesshandlungen durch den zeitweise prozessfähigen Kläger ausscheidet (vgl. BAG 28. Mai 2009 - 6 AZN 17/09 - Rn. 10). Bei zeitweiser Prozessfähigkeit wären die Vorgaben der §§ 86, 246 ZPO zu beachten. Bei durchgehender Prozessunfähigkeit wird das Landesarbeitsgericht dem Kläger wiederum Gelegenheit geben müssen, für eine gesetzliche Vertretung durch Bestellung eines Betreuers zu sorgen.

45

Sollte das Landesarbeitsgericht demgegenüber zu der Auffassung gelangen, dass der Kläger prozessfähig ist, wird es den Rechtsstreit nach mündlicher Verhandlung unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter entscheiden müssen.

46

IV. Das Landesarbeitsgericht wird auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

47

V.  Die Wertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 GKG.

        

    Fischermeier    

        

    Spelge    

        

    Krumbiegel    

        

        

        

    Augat    

        

    Kreis