Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 24. Nov. 2010 - 4 BN 40/10

bei uns veröffentlicht am24.11.2010

Gründe

1

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Antragstellerin beimisst.

3

a) Die Frage, ob ein Baulinienplan allein wegen der Ausdehnung seines Geltungsbereichs abwägungsfehlerhaft ist, lässt sich nicht verallgemeinernd, sondern nur nach den Gegebenheiten des Einzelfalls beantworten. Gleiches gilt für die an den konkreten Sachverhalt anknüpfende Frage, ob es mit dem Abwägungsgebot vereinbar ist, für einen mehr als zwei Kilometer langen Uferabschnitt eine Baulinie festzusetzen. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Baulinienfestsetzung im Baulinienplan des Bezirksamts Starnberg vom 26. August 1932 im hier maßgeblichen Abschnitt als abwägungsfehlerhaft und deshalb rechtlich bedeutungslos angesehen, weil sie nicht nur das Gebiet des angegriffenen Bebauungsplans, sondern den gesamten Bereich vom Strandbad bis zur südlichen Grenze des Gemeindegebiets erfasst (UA Rn. 70). Die Antragstellerin misst dem Baulinienplan dagegen rechtliche Wirkungen zu, weil auf seiner Grundlage bereits weite Teile des Seeuferbereichs bebaut worden seien und er somit auch für den verbleibenden Restbereich noch Verbindlichkeit beanspruche. Indem sie der vorinstanzlichen Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung ihre eigene Sicht der Dinge entgegensetzt, zeigt sie die grundsätzliche Bedeutung der Sache nicht auf.

4

b) Die Frage, ob es das Abwägungsgebot zulässt, das Maß der zulässigen baulichen Nutzung für die einzelnen Grundstücke im Plangebiet unterschiedlich festzusetzen, ist ohne Weiteres zu bejahen. Art. 3 Abs. 1 GG, der der Gemeinde bei ihrer Abwägung Grenzen setzt (BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2002 - 1 BvR 1402/01 - BRS 65 Nr. 6 S. 29), verpflichtet die Gemeinde nicht, für alle Grundstücke im Plangebiet dieselben Festsetzungen zu treffen (Urteil vom 3. April 2008 - BVerwG 4 CN 3.07 - BVerwGE 131, 86 Rn. 23). Voneinander abweichende Festsetzungen sind zulässig, wenn sie städtebaulich gerechtfertigt sind. Davon hat sich auch der Verwaltungsgerichtshof leiten lassen (UA Rn. 78 ff.). Nach Meinung der Antragstellerin hätte der Verwaltungsgerichtshof trotz der Erkenntnis, dass "es sich nicht um in allen maßgeblichen Punkten völlig gleichgelagerte Sachverhalte handelt" (UA Rn. 81), zu dem Schluss kommen müssen, dass der Bebauungsplan wegen eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz an einem Abwägungsfehler leide. Damit kritisiert sie erneut die vorinstanzliche Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung im Einzelfall.

5

c) Schließlich dient auch die Frage, ob eine planende Gemeinde eine Grundstücksteilung im Zuge eines Bauleitplanverfahrens berücksichtigen muss, der Antragstellerin dazu, im Gewand der Grundsatzrüge einzelfallbezogen Kritik zu üben. Seit der Senatsentscheidung vom 12. Dezember 1969 - BVerwG 4 C 105.66 - (BVerwGE 34, 301 <308 f.>) ist es gefestigte Rechtsprechung, dass das Abwägungsgebot verletzt ist, wenn in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, oder der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belange in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Der Verwaltungsgerichtshof hat in der Tatsache, dass die Antragsgegnerin die Teilung des Grundstücks Fl.Nr. 68 alt nicht zum Anlass für eine Änderung der Festsetzungen zur zulässigen Grundfläche und zur überbaubaren Grundstücksfläche genommen hat, keinen Abwägungsfehler gesehen, weil der festgesetzte einheitliche Bauraum so bemessen und angeordnet ist, dass er auch eine angemessene Bebauung des Grundstücks Fl.Nr. 68/12 ermöglicht (UA Rn. 85). Ob diese Würdigung den Anforderungen gerecht wird, die an die gerichtliche Abwägungskontrolle zu stellen sind, ist einer rechtsgrundsätzlichen Prüfung nicht zugänglich.

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2. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen des behaupteten Verfahrensmangels der unzureichenden Erforschung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO) zuzulassen. Die Antragstellerin legt nicht dar, welche Tatsachen der Verwaltungsgerichtshof noch hätte ermitteln müssen und welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären. Ein Weiteres kommt hinzu: Der Bereich der Tatsachenfeststellung ist vom materiell-rechtlichen Standpunkt der Vorinstanz aus zu beurteilen, selbst wenn dieser Standpunkt rechtlich verfehlt sein sollte (Urteil vom 25. März 1987 - BVerwG 6 C 10.84 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 183; stRspr). Nach den tatrichterlichen, den Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO bindenden Feststellungen der Vorinstanz hat die Antragsgegnerin Flächen, auf denen Stellplätze und Garagen nicht errichtet werden dürfen, nicht zur Erhaltung einer Sichtverbindung zwischen der Dorfstraße und dem See festgesetzt, sondern um eine Versiegelung des Bodens zu verhindern (UA Rn. 87). Deshalb kam es für den Verwaltungsgerichtshof nicht darauf an, ob jedenfalls außerhalb der Vegetationszeit eine Sichtbeziehung besteht. Der Normenkontrollantrag hätte mithin auch dann nicht zu einem (Teil)Erfolg geführt, wenn der Verwaltungsgerichtshof eine behauptete, die Sichtachse ganzjährig verhindernde "Dauerbegrünung" zwischen der Dorfstraße und dem See in Rechnung gestellt hätte.

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 86


(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. (2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag ka

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 108


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (2) Das Urteil darf nur auf Tatsache

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 137


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das angefochtene Urteil auf der Verletzung1.von Bundesrecht oder2.einer Vorschrift des Verwaltungsverfahrensgesetzes eines Landes, die ihrem Wortlaut nach mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz des B

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(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das angefochtene Urteil auf der Verletzung

1.
von Bundesrecht oder
2.
einer Vorschrift des Verwaltungsverfahrensgesetzes eines Landes, die ihrem Wortlaut nach mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes übereinstimmt,
beruht.

(2) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(3) Wird die Revision auf Verfahrensmängel gestützt und liegt nicht zugleich eine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 vor, so ist nur über die geltend gemachten Verfahrensmängel zu entscheiden. Im übrigen ist das Bundesverwaltungsgericht an die geltend gemachten Revisionsgründe nicht gebunden.