Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 19. Juli 2016 - 2 BvR 470/08

ECLI:ECLI:DE:BVerfG:2016:rk20160719.2bvr047008
bei uns veröffentlicht am19.07.2016

Tenor

Das Urteil des Amtsgerichts Laufen vom 6. Februar 2007 - 2 C 0116/06 - und das Urteil des Oberlandesgerichts München vom 16. Januar 2008 - 3 U 1990/07 - verletzen den Beschwerdeführer in seinen verfassungsmäßigen Rechten aus Artikel 3 Absatz 1 und Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Die Urteile werden aufgehoben. Die Sache wird an das Amtsgericht Laufen zurückverwiesen. Der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 25. Februar 2008 - 3 U 1990/07 - ist gegenstandslos.

Der Freistaat Bayern hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Benachteiligung ausländischer Besucher eines kommunalen Freizeitbads gegenüber Einwohnern der das Bad in Privatrechtsform betreibenden Kommunen.

I.

2

1. Der Beschwerdeführer ist österreichischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Österreich. Im September 2005 besuchte er ein Freizeitbad in B…. Dieses wird von der Beklagten des Ausgangsverfahrens betrieben, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Alleingesellschafter der Beklagten ist ein Fremdenverkehrsverband. Dieser Zweckverband ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 1 Abs. 2 der Satzung vom 6. Juli 2004, Oberbayerisches Amtsblatt Seite 101, zuletzt geändert durch Satzung vom 24. September 2014, Oberbayerisches Amtsblatt Seite 170). Mitglieder des Zweckverbands sind der Landkreis B… sowie fünf Gemeinden des Landkreises. Einwohnern dieser fünf Gemeinden gewährte die Beklagte einen Nachlass auf den regulären Eintrittspreis von etwa einem Drittel. Da der Beschwerdeführer nicht Einwohner dieser Gemeinden war, entrichtete er den regulären Eintrittspreis.

3

2. Der Beschwerdeführer sieht in dieser Preisgestaltung eine unzulässige Benachteiligung. Daher erhob er Klage zum Amtsgericht Laufen, mit der er von der Beklagten die Rückzahlung des Differenzbetrags verlangte und außerdem die Feststellung begehrte, dass die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger den Eintritt künftig zu dem ermäßigten Entgelt zu gewähren.

4

a) Das Amtsgericht wies die Klage mit dem angegriffenen Urteil vom 6. Februar 2007 ab. Ein Anspruch aus § 812 BGB scheide aus. Der Beschwerdeführer habe den Differenzbetrag nicht ohne rechtlichen Grund bezahlt. Der dieser Zahlung zugrundeliegende Vertrag sei insbesondere nicht gemäß § 134 BGB nichtig.

5

Als gesetzliches Verbot im Sinne dieser Bestimmung komme zwar Art. 49 EGV (Art. 56 AEUV) in Betracht, der auch die passive Dienstleistungsfreiheit schütze. Jedoch sei vorliegend nicht von der notwendigen Horizontalwirkung auszugehen. Denn unabhängig von der privaten Rechtsform der Beklagten seien deren Leistungen nicht dem Bereich der Daseinsvorsorge zuzurechnen, dem etwa die Versorgung mit Wasser oder Elektrizität sowie die Abfallentsorgung zugehörten. Vielmehr handele es sich um eine rein wirtschaftliche Tätigkeit. In diesem Bereich der Fiskaltätigkeit mangele es an der notwendigen Horizontalwirkung. Die Beklagte sei auch weder qualitativ noch quantitativ mit in erheblicher Weise am Wirtschaftsleben teilnehmenden Verbänden oder Berufsorganisationen vergleichbar.

6

Nichts anderes ergebe sich aus dem Diskriminierungsverbot des Art. 12 EGV (Art. 18 AEUV). Auch diese Bestimmung richte sich nicht an private Rechtsteilnehmer, zumal die Beklagte keinerlei tatbestandlich vorausgesetzte kollektive Regelungsmacht ausübe.

7

Die Grundrechte des Grundgesetzes schließlich seien keine Verbotsgesetze im Sinne des § 134 BGB. Sie wirkten nur mittelbar über materiell-rechtliche Generalklauseln in das Privatrecht ein. Ein Verstoß gegen dergleichen Generalklauseln sei aber nicht ersichtlich. Der Beklagten könne etwa ein Missbrauch einer Monopolstellung oder sittenwidrige Ausbeutung nicht vorgeworfen werden. Auch bestehe für die Beklagte kein Kontrahierungszwang zu gleichen Preisen, da sie nicht im Bereich der Daseinsvorsorge tätig sei.

8

b) Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung wies das nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b GVG in der damals geltenden Fassung zuständige Oberlandesgericht München mit dem angegriffenen Urteil vom 16. Januar 2008 zurück.

9

aa) Der Vertrag sei nicht gemäß § 134 BGB nichtig. Diese Bestimmung ordne die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts nur für diejenigen Fälle an, in denen sich aus dem verletzten Verbotsgesetz nicht etwas anderes ergebe. In der Regel könne Nichtigkeit nur angenommen werden, wenn sich das Verbot gegen beide Vertragsteile richte. Sei das Rechtsgeschäft dagegen nur für einen Vertragsteil verboten, sei es in der Regel gültig. Art. 49 EGV (Art. 56 AEUV) ordne für den Fall einer Verletzung keine Rechtsfolge an. Das in dieser Bestimmung enthaltene Diskriminierungsverbot richte sich nur gegen den Diskriminierenden, nicht gegen den Diskriminierten. Da das Verbot demnach nicht beide Vertragsteile treffe, sei der Vertrag wirksam. Es könne deshalb dahinstehen, ob die Beklagte Adressatin des in Art. 49 EGV (Art. 56 AEUV) enthaltenen Diskriminierungsverbots sei und ob eine Diskriminierung im Sinne dieser Vorschrift überhaupt vorliege. Aus den Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union in den Sachen Dogenpalast (Urteil vom 16. Januar 2003, C-388/01, EU:C:2003:30) und Angonese (Urteil vom 6. Juni 2000, C-281/98, EU:C:2000:296) ergebe sich nichts anderes. Dort habe der Gerichtshof lediglich Verstöße der beklagten Mitgliedstaaten gegen deren europarechtliche Verpflichtungen festgestellt. Er habe sich jedoch nicht zur Frage der Wirksamkeit der diesen Verfahren zugrundeliegenden privatrechtlichen Verträge geäußert.

10

bb) Ein Zahlungsanspruch ergebe sich auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB. Schutzgesetze im Sinne dieser Bestimmung seien nur Vorschriften, die erkennbar die Schaffung eines Schadenersatzanspruchs erstrebten. Dies sei bei Art. 49 EGV (Art. 56 AEUV) nicht der Fall, der, wie dargelegt, eine Sanktion für Verstöße nicht anordne. Eine andere Einschätzung sei auch mit Blick auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht geboten. Der Gerichtshof habe die Möglichkeit eines Schadenersatzanspruchs nur im Verhältnis zu Einrichtungen anerkannt, die unter staatlicher Aufsicht eine Dienstleistung im öffentlichen Interesse erbrächten und dazu mit besonderen Rechten ausgestattet seien. Die Beklagte erfülle nicht die Merkmale des im vom Gerichtshof entschiedenen Fall beklagten staatlichen Versicherungsunternehmens, wo es zudem, anders als hier, um die Frage der direkten Wirkung nicht rechtzeitig umgesetzter Richtlinien gegangen sei.

11

cc) Auch der Antrag auf Feststellung, dass die Beklagte dem Beschwerdeführer künftig den Eintritt zum selben Preis wie den privilegierten Gemeindeangehörigen gewähren müsse, sei unbegründet. Dieser Antrag sei dahingehend auszulegen, dass der Beschwerdeführer die Feststellung begehre, dass es der Beklagten untersagt sei, die Eintrittspreise nach den bisherigen Gesichtspunkten zu gestalten. Ein solcher Anspruch bestehe nicht. Er ergebe sich weder aus Europarecht noch aus nationalem Recht. Es gehe nicht um eine Frage der Auslegung des EG-Vertrags, sondern um dessen Anwendung auf den konkreten Einzelfall, was allein Aufgabe der nationalen Gerichte sei. Ein Verstoß gegen die Generalklauseln des Privatrechts im Hinblick auf die Grundrechte sei weder dargetan noch ersichtlich. Mit Blick auf Art. 3 GG habe die Beklagte sachbezogene Gründe für die Differenzierung bei den Eintrittspreisen dargelegt.

12

dd) Daraus ergebe sich schließlich auch, dass eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nicht veranlasst sei.

13

c) Die gegen dieses Urteil erhobene Gehörsrüge wies das Oberlandesgericht durch den angegriffenen Beschluss vom 25. Februar 2008 zurück. Der Senat habe den Vortrag des Beschwerdeführers umfassend zur Kenntnis genommen, er sei lediglich dessen Rechtsauffassung nicht gefolgt. Daraus ergebe sich keine Gehörsverletzung.

II.

14

1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 3 Abs. 1 GG und aus Art. 101 Abs. 1 GG.

15

a) Das Berufungsurteil habe Art. 3 Abs. 1 GG dadurch verletzt, dass es den Vorrang des Gemeinschaftsrechts und die Verpflichtungen des Oberlandesgerichts aus Art. 10 EGV (Art. 4 Abs. 3 EUV) willkürlich missachte.

16

Mit Blick auf die Sanktionierung des gerügten Verstoßes gegen Art. 49 EGV sei es gemäß Art. 10 EGV Aufgabe des nationalen Richters, den Rechtsschutz zu gewähren, der sich für die Bürger aus der unmittelbaren Wirkung des Gemeinschaftsrechts ergebe. Das nationale Gericht müsse immer dann, wenn eine Bestimmung des Gemeinschaftsrechts keine eigene Sanktionsregelung enthalte, alle geeigneten Maßnahmen treffen, um die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten. Die nationalen Gerichte hätten darauf zu achten, dass Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht nach ähnlichen sachlichen und verfahrensrechtlichen Regeln geahndet würden wie nach Art und Schwere vergleichbare Verstöße gegen nationales Recht. Dabei müsse die Sanktion wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Es sei anerkannt, dass Verstöße gegen ein gemeinschaftsrechtliches Diskriminierungsverbot - soweit dieses direkte Wirkung habe - zur Unwirksamkeit eines Vertrages gemäß § 134 BGB führten, sowie, dass daraus Ansprüche auf Schadenersatz, Beseitigung und Unterlassung resultieren könnten.

17

b) Das Oberlandesgericht verstoße ferner dadurch gegen Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 101 Abs. 1 GG, dass es als letztinstanzliches Gericht (vgl. § 26 Nr. 8 EGZPO) unterlassen habe, die Sache dem Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 234 EGV (Art. 267 AEUV) vorzulegen.

18

Da das Oberlandesgericht der Auffassung sei, dass der Gerichtshof noch nicht entschieden habe, ob ein Verstoß gegen Art. 49 EGV privatrechtlich zu sanktionieren sei, habe es diese Frage vorlegen müssen. Gleiches gelte für die Frage, ob eine privatrechtlich organisierte Einrichtung, deren Alleingesellschafter ein öffentlich-rechtlicher Verband sei, in dessen Aufsichtsrat nur Landräte und Bürgermeister sitzen, im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs unter staatlicher Aufsicht stehe. Nach dieser Rechtsprechung gälten die Grundfreiheiten gegenüber allen Organisationen oder Einrichtungen, die dem Staat oder dessen Aufsicht unterstehen oder mit besonderen Befugnissen ausgestattet sind.

19

c) Schließlich verstoße das Oberlandesgericht gegen Art. 101 Abs. 1 GG auch dadurch, dass es die Revision nicht zugelassen habe. Die Sache habe evident rechtsgrundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

20

2. Dem Bundesverfassungsgericht lagen die Akten des Ausgangsverfahrens vor. Die Beklagte des Ausgangsverfahrens, das Niedersächsische Justizministerium, der 10. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts und die Vorsitzenden des V., des VI. und des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs haben zum Verfahren Stellung genommen.

III.

21

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt. Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung der verfassungsmäßigen Rechte des Beschwerdeführers aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

22

1. Die Urteile des Amtsgerichts und des Oberlandesgerichts verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG.

23

a) Die fachgerichtliche Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts kann grundsätzlich nur daraufhin geprüft werden, ob sie willkürlich ist oder auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von Bedeutung und Tragweite eines Grundrechts beruht oder mit anderen verfassungsrechtlichen Vorschriften unvereinbar ist (vgl. BVerfGE 1, 418 <420>; 18, 441 <450>; 94, 315 <328>; 111, 307 <328>; 128, 193 <209>; stRspr). Mit Blick auf das in Art. 3 Abs. 1 GG niedergelegte Willkürverbot prüft das Bundesverfassungsgericht, ob die Anwendung der einschlägigen einfachrechtlichen Bestimmungen und das dazu eingeschlagene Verfahren durch das Fachgericht vertretbar sind oder ob sich der Schluss aufdrängt, dass seine Entscheidung auf sachfremden und damit willkürlichen Erwägungen beruht (vgl. BVerfGE 80, 48 <51>; 108, 129 <137, 142 f.>; 109, 13 <33>; 109, 38 <59>; BVerfGK 2, 82 <85>; 2, 165 <173>; 6, 334 <342>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. November 2015 - 2 BvR 2088/15 -, juris, Rn. 22). Fehlerhafte Rechtsanwendung allein macht eine Gerichtsentscheidung nicht willkürlich. Schlechterdings unhaltbar ist eine fachgerichtliche Entscheidung vielmehr erst dann, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt, der Inhalt einer Norm in krasser Weise missverstanden oder sonst in nicht mehr nachvollziehbarer Weise angewendet wird (vgl. BVerfGE 89, 1 <13 f.>; 96, 189 <203>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. November 2015 - 2 BvR 2088/15 -, juris, Rn. 22).

24

b) Die Annahme der Fachgerichte, die Grundrechte des Beschwerdeführers seien vorliegend nicht anwendbar oder jedenfalls nicht verletzt, lässt sich unter keinem Blickwinkel nachvollziehen. Die Beklagte ist gegenüber dem Beschwerdeführer unmittelbar an die Grundrechte gebunden. Verstößt die Beklagte durch den Vertragsschluss gegen Grundrechte, ist der Vertrag daher - gegebenenfalls teilweise - nichtig. Nach den bisherigen Feststellungen der Fachgerichte verletzt die differenzierende Preisgestaltung den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG.

25

aa) In privatrechtlichen Organisationsformen geführte Unternehmen, die vollständig im Eigentum des Staates stehen (öffentliche Unternehmen), sind unmittelbar an die Grundrechte gebunden. Für eine bloß mittelbare Berücksichtigung der Grundrechte im Verhältnis öffentlicher Unternehmen zu Grundrechtsberechtigten im Privatrechtsverkehr ist daher kein Raum.

26

(1) Art. 1 Abs. 3 GG ordnet die umfassende Grundrechtsbindung aller staatlichen Gewalt an. Die Grundrechte gelten nicht nur für bestimmte Bereiche, Funktionen oder Handlungsformen staatlicher Aufgabenwahrnehmung, sondern binden die staatliche Gewalt umfassend und insgesamt (BVerfGE 128, 226 <244>). Der Staat und andere Träger öffentlicher Gewalt können im Rahmen ihrer Zuständigkeiten zwar auch am Privatrechtsverkehr teilnehmen. Sie handeln dabei jedoch stets in Wahrnehmung ihres dem Gemeinwohl verpflichteten Auftrags (vgl. BVerfGE 128, 226 <244 f.>). Ihre unmittelbare Bindung an die Grundrechte hängt daher weder von der Organisationsform ab, in der sie dem Bürger gegenübertreten, noch von der Handlungsform.

27

(a) Die Wahl der Organisationsform hat keine Auswirkungen auf die Grundrechtsbindung des Staates oder anderer Träger öffentlicher Gewalt. Das gilt nicht nur dann, wenn sie ihre Aufgaben unmittelbar selbst oder mittelbar durch juristische Personen des öffentlichen Rechts erfüllen, sondern auch dann, wenn sie auf privatrechtliche Organisationsformen zurückgreifen. Das gilt auch für gemischt-wirtschaftliche Unternehmen des Privatrechts, solange sie diese beherrschen (vgl. BVerfGE 128, 226 <246 f.>). In diesen Fällen trifft die Grundrechtsbindung nicht nur die dahinterstehende Körperschaft des öffentlichen Rechts, sondern auch unmittelbar die juristische Person des Privatrechts selbst (vgl. BVerfGE 128, 226 <245>).

28

Vor diesem Hintergrund können sich der Staat und andere Träger öffentlicher Gewalt grundsätzlich selbst nicht auf die Grundrechte berufen (vgl. BVerfGE 21, 362 <370>; 61, 82 <100 ff.>; 68, 193 <205 ff.>; 75, 192 <200>). Auch juristische Personen des Privatrechts, die im Alleineigentum des Staates stehen oder von diesem beherrscht werden, sind grundsätzlich nicht grundrechtsberechtigt (vgl. BVerfGE 56, 54 <79 f.>; 128, 226 <245 ff.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 16. Mai 1989 - 1 BvR 705/88 -, juris, Rn. 2 ff.; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 18. Mai 2009 - 1 BvR 1731/05 -, juris, Rn. 16 f.).

29

(b) Die Grundrechtsbindung der öffentlichen Gewalt gilt auch unabhängig von den gewählten Handlungsformen und den Zwecken, zu denen sie tätig wird. Sobald der Staat oder andere Träger öffentlicher Gewalt eine Aufgabe an sich ziehen, sind sie bei deren Wahrnehmung an die Grundrechte gebunden. Dies gilt auch, wenn sie insoweit auf das Zivilrecht zurückgreifen. Eine Flucht aus der Grundrechtsbindung in das Privatrecht mit der Folge, dass der Staat unter Freistellung von Art. 1 Abs. 3 GG als Privatrechtssubjekt zu begreifen wäre, ist ihm verstellt (BVerfGE 128, 226<245>).

30

Unerheblich ist auch, ob die für den Staat oder andere Träger öffentlicher Gewalt handelnde Einheit "spezifische" Verwaltungsaufgaben wahrnimmt, ob sie erwerbswirtschaftlich oder zur reinen Bedarfsdeckung tätig wird ("fiskalisches" Handeln) und welchen sonstigen Zweck sie verfolgt. Der Vorstellung, die Grundrechtsbindung sei von der Natur des verfolgten Zwecks abhängig (vgl. Dürig/Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, 73. Ergänzungslieferung 2014, Art. 3 Abs. 1 GG Rn. 475 ff.), liegt eine Dichotomie zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht zugrunde, die mit der verfassungsrechtlichen Grundentscheidung für eine umfassende Grundrechtsbindung aller staatlichen Gewalt (Art. 1 Abs. 3 GG) nicht vereinbar ist. Diese Bindung steht nicht unter einem Nützlichkeits- oder Funktionsvorbehalt (BVerfGE 128, 226 <245>). Sie macht die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand nicht unmöglich, verwehrt ihr jedoch, sich auf die allein dem Einzelnen zustehende Berechtigung zu gewillkürter Freiheit zu berufen (vgl. BVerfGE 128, 226 <247 ff.>).

31

(2) Für die in der Zivilrechtsprechung, vereinzelt auch in der Verwaltungsrechtsprechung (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2012 - 7 C 8/10 -, juris, Rn. 31 ff.) früher verbreitete Auffassung, wonach die in privatrechtlichen Handlungsformen jenseits des sogenannten Verwaltungsprivatrechts "fiskalisch" tätig werdende öffentliche Hand grundsätzlich keiner Grundrechtsbindung unterliege (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2003 - XI ZR 397/02 -, juris, Rn. 12; vgl. auch BGHZ 36, 91 <93 f.>; BGH, Urteil vom 24. Oktober 2003 - V ZR 424/02 -, juris, Rn. 18 ff.; Urteil vom 14. Dezember 1976 - VI ZR 251/73 -, juris, Rn. 33 f.), ist daher kein Raum (vgl. nun BGH, Urteil vom 26. Juni 2015 - V ZR 227/14 -, juris, Rn. 9).

32

Im Übrigen waren öffentliche Unternehmen auch nach dieser Auffassung zumindest an das in Art. 3 Abs. 1 GG niedergelegte Willkürverbot gebunden, sodass Ungleichbehandlungen auch durch sachgerechte Gründe gerechtfertigt sein mussten (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2003 - XI ZR 397/02 -, juris, Rn. 9, 12 f.).

33

(3) Verletzt die in privatrechtlichen Formen agierende öffentliche Hand Grundrechte eines am Rechtsgeschäft beteiligten Grundrechtsträgers, ist das Rechtsgeschäft grundsätzlich nichtig (vgl. BGHZ 65, 284 <287>; 154, 146 <149>; BGH, Urteil vom 2. Dezember 2003 - XI ZR 397/02 -, juris, Rn. 9; siehe auch BGH, Urteil vom 18. September 2009 - V ZR 2/09 -, juris, Rn. 8 f.; BGH, Urteil vom 6. November 2009 - V ZR 63/09 -, juris, Rn. 15; Armbrüster, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2015, § 134 Rn. 33; Sack/Seibl, in: Staudinger, BGB, Buch 1, Neubearbeitung 2011, § 134 Rn. 37; Arnold, in: Erman, BGB, 14. Aufl. 2014, § 134 Rn. 10; Looschelders, in: Heidel/Hüßtege/Mansel/Noack, BGB, 2. Aufl. 2011, § 134 Rn. 33).

34

bb) Vor diesem Hintergrund besteht an der unmittelbaren und uneingeschränkten Bindung der Beklagten des Ausgangsverfahrens an die Grundrechte kein Zweifel. Sie ist ein öffentliches Unternehmen, dessen einziger Gesellschafter eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, die sich ihrerseits auf einen Landkreis und fünf Gemeinden stützt.

35

Die Annahme des Amtsgerichts, die Grundrechte hätten für den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Anspruch allenfalls mittelbare Bedeutung, verkennt daher Bedeutung und Tragweite von Art. 1 Abs. 3 und Art. 3 Abs. 1 GG. Zwar thematisiert das Amtsgericht eine etwaige Ausstrahlungswirkung der Grundrechte über die Generalklauseln des Zivilrechts; es verkennt damit jedoch bereits vom Ansatz her die unmittelbare Grundrechtsbindung der Beklagten. Soweit es darüber hinaus davon ausgeht, dass die Beklagte nicht im Bereich der "Daseinsvorsorge" tätig werde und deshalb keinem Kontrahierungszwang zu gleichen Preisen unterliege, verkennt es, dass die Grundrechtsbindung nicht davon abhängt, wie die staatliche Betätigung verwaltungsrechtlich einzuordnen ist oder welchen Zwecken sie dient.

36

Das Oberlandesgericht hingegen zieht die Möglichkeit der unmittelbaren Grundrechtsbindung mit Blick auf den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Zahlungsanspruch überhaupt nicht in Betracht. Das Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG erwähnt es ausschließlich mit Blick auf den Feststellungsanspruch. Das ist schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar.

37

cc) Es ist auch nicht zu erkennen, dass die Auffassung der Fachgerichte im Ergebnis hinzunehmen sein könnte, weil die in Rede stehende Ungleichbehandlung gerechtfertigt wäre. Rechtfertigende Sachgründe, die das Oberlandesgericht behauptet, aber nicht offenlegt, sind nicht ersichtlich.

38

(1) Zwar ist es Gemeinden nicht von vornherein verwehrt, ihre Einwohner bevorzugt zu behandeln. Die darin liegende Ungleichbehandlung muss sich jedoch am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG messen lassen und daher durch Sachgründe gerechtfertigt sein.

39

In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist geklärt, dass der Wohnsitz allein kein eine Bevorzugung legitimierender Grund ist (vgl. BVerfGE 33, 303 <355>; 65, 325 <355>; 134, 1 <21 Rn. 60>). Die bloße Nichtzugehörigkeit zu einer Gemeinde berechtigt diese daher nicht, Auswärtige zu benachteiligen. Jedoch ist nicht ausgeschlossen, eine Ungleichbehandlung an Sachgründe zu knüpfen, die mit dem Wohnort untrennbar zusammenhängen. Ein solches legitimes Ziel kann etwa die Versorgung mit wohnortnahen Bildungsangeboten (vgl. BVerfGE 33, 303 <355 f.>), die Verursachung eines höheren Aufwands durch Auswärtige (vgl. BVerfGE 65, 325 <355 f.>; 134, 1 <22 f. Rn. 64>), die Konzentration von Haushaltsmitteln auf die Aufgabenerfüllung gegenüber den Gemeindeeinwohnern (vgl. BVerfGE 112, 74 <87 f.>) oder ein Lenkungszweck sein, der vor der Verfassung Bestand hat (vgl. BVerfGE 134, 1 <23 Rn. 65>). Im kommunalen Bereich bedürfen nichtsteuerliche Abgaben zur Wahrung des Grundsatzes der Belastungsgleichheit, der aus der abgabenrechtlichen Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes folgt und die durch die kommunale Selbstverwaltungsgarantie gewährleistete Finanzhoheit der Gemeinden (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) begrenzt, einer über den Zweck der Einnahmeerzielung hinausgehenden besonderen sachlichen Rechtfertigung (vgl. BVerfGE 137, 1 <20 Rn. 49> m.w.N.). Als solche sind neben der Kostendeckung auch Zwecke des Vorteilsausgleichs, der Verhaltenslenkung sowie soziale Zwecke anerkannt (BVerfGE 133, 1 <20 Rn. 49> m.w.N.).

40

Verfolgt eine Gemeinde durch die Privilegierung Einheimischer das Ziel, knappe Ressourcen auf den eigenen Aufgabenbereich (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) zu beschränken, Gemeindeangehörigen einen Ausgleich für besondere Belastungen zu gewähren oder Auswärtige für einen erhöhten Aufwand in Anspruch zu nehmen, oder sollen die kulturellen und sozialen Belange der örtlichen Gemeinschaft dadurch gefördert und der kommunale Zusammenhalt dadurch gestärkt werden, dass Einheimischen besondere Vorteile gewährt werden, kann dies mit Art. 3 Abs. 1 GG daher vereinbar sein.

41

(2) Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte vorliegend solche legitimen Ziele, die eine Bevorzugung Einheimischer rechtfertigen könnten, tatsächlich verfolgt.

42

Das Vermarktungskonzept der Beklagten ist darauf angelegt, auswärtige Besucher anzuziehen. Satzungsmäßige Aufgabe des Alleingesellschafters der Beklagten ist die Förderung des Fremdenverkehrs (§ 3 Abs. 1 der Satzung), wozu insbesondere die Unterhaltung entsprechender Einrichtungen gehört (§ 3 Abs. 2 Buchstabe b der Satzung). Zu diesem Zweck wurde die Beklagte gegründet. Diese hat im vorliegenden Verfahren vorgetragen, sie sei mittels eines umfassenden Dienstleistungsangebots auf Gewinnerzielung und die Förderung des Tourismus ausgerichtet. Mit den erzielten Gewinnen bestreite sie den Pachtzins, die der Zweckverband an den Eigentümer des Grundstücks, auf dem sich das Bad befindet, zahle.

43

Mit diesem Modell bezweckt die Beklagte gerade nicht, das kulturelle und soziale Wohl der Einwohner zu fördern, die örtliche Gemeinschaft zu stärken, den Nutzerkreis zu beschränken oder durch Verhaltenssteuerung die Auslastung des Bades zu gewährleisten. Das Bad ist im Gegenteil auf Überregionalität angelegt und soll, wie die Beklagte im vorliegenden Verfahren dargelegt hat, Auswärtige ansprechen und gerade nicht kommunale Aufgaben im engeren Sinne erfüllen. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Einwohner der die Beklagte tragenden Gebietskörperschaften einen Ausgleich für finanzielle oder andere Belastungen erhalten sollen, zumal der größte Teil der Einwohner des Landkreises - Einwohner der kreisangehörigen Gemeinden, die nicht selbst Mitglieder des Zweckverbands sind - nicht zum privilegierten Nutzerkreis gehört. Daher ist weder ersichtlich, dass die Privilegierung einem solchen Ausgleich dient, noch wurde festgestellt, dass das Bad mit Haushaltsmitteln errichtet oder betrieben wurde. Vorbehaltlich weiterer Feststellungen, die die Fachgerichte zu treffen haben werden, liegen die Preisdifferenzierung rechtfertigende Gründe nicht vor.

44

c) Das Urteil des Oberlandesgerichts verletzt Art. 3 Abs. 1 GG in dessen Ausprägung als Willkürverbot ferner dadurch, dass es Art. 49 EGV (Art. 56 AEUV) mit Blick auf das darin enthaltene Diskriminierungsverbot nicht als Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB ansieht. Diese Annahme lässt sich unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt begründen.

45

Zwar entspricht der Ausgangspunkt des Oberlandesgerichts, Verstöße gegen Verbotsnormen, die sich nur an einen von mehreren Vertragsteilen richten, führten in der Regel nicht zur Nichtigkeit des Geschäfts, der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 2009 - KZR 34/06 -, juris, Rn. 12; Urteil vom 30. April 1992 - III ZR 151/91 -, juris, Rn. 15). Nicht mehr nachvollziehbar ist indes die darauf aufbauende Erwägung des Oberlandesgerichts, ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot könne nicht zur Nichtigkeit des Geschäfts führen, weil sich dieses Verbot nur an den Diskriminierenden richte, nicht aber an den Diskriminierten. Diese Handhabung verkehrt nicht nur Sinn und Zweck des § 134 BGB in ihr Gegenteil, sondern ist auch mit Art. 49 EGV (Art. 56 AEUV) nicht zu vereinbaren, da sie den mit diesen Bestimmungen bezweckten Schutz des Betroffenen dadurch konterkariert, dass sie die Ungleichbehandlung und damit die den freien Dienstleistungsverkehr beschränkende Wirkung des Verstoßes gegen das Verbotsgesetz perpetuiert.

46

Gälte die dargestellte Regel auch dann, wenn das Verbot, das sich nur an die eine Vertragspartei richtet, gerade dem Schutz der anderen Vertragspartei dient, führte die Annahme der Wirksamkeit des Geschäfts dazu, dass der Schutzzweck der Verbotsnorm in sein Gegenteil verkehrt würde, wenn nur die - gegebenenfalls teilweise - Nichtigkeit des Geschäfts den bezweckten Schutz verwirklichen kann. Zur Vermeidung dieser Konsequenz entspricht es ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass auch Verstöße gegen nur einseitige Verbote als Ausnahme von der eingangs dargestellten Regel dann zur Nichtigkeit des Geschäfts führen, wenn es mit dem Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes unvereinbar wäre, die durch das Rechtsgeschäft getroffene rechtliche Regelung hinzunehmen und bestehen zu lassen (BGHZ 37, 258 <262>; 46, 24 <26>; 53, 152 <157>; 65, 368 <370>; 71, 358 <360 f.>; 78, 263 <265>; 115, 123 <125>; 118, 142 <145>; 132, 229 <231 f.>; 146, 250 <257 f.>; 159, 334 <341 f.>; BGH, Urteil vom 12. Mai 2011 - III ZR 107/10 -, juris, Rn. 12; siehe auch BGH, Urteil vom 25. Juli 2002 - III ZR 113/02 -, juris, Rn. 7). Auch in der Literatur entspricht es einhelliger Auffassung, dass der Verstoß gegen ein Verbotsgesetz dann zur Nichtigkeit des Geschäfts führt, wenn diese Rechtsfolge ein Gebot der Auslegung der Verbotsnorm ist (siehe Armbrüster, a.a.O., § 134 Rn. 49; Arnold, a.a.O., § 134 Rn. 13; Ellenberger, in: Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 134 Rn. 6; Hefermehl, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 1999, § 134 Rn. 14; Looschelders, a.a.O., § 134 Rn. 56 f.; Sack/Seibl, a.a.O., § 134 Rn. 57 ff.). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind daher auch Vorschriften des unionalen Primärrechts, die sich nur an eine Partei des Rechtsgeschäfts richten, zu dessen Nichtigkeit führende Verbotsgesetze, wenn deren Zweck nicht anders erreicht werden kann (zu Art. 88 Abs. 3 EGV vgl. BGH, Urteil vom 4. April 2003 - V ZR 314/02 -, juris, Rn. 12).

47

Dass das Oberlandesgericht eine Anwendbarkeit von Art. 49 EGV (Art. 56 AEUV) insoweit verneint, ist vor diesem Hintergrund schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar.

48

Die nach den dargestellten Grundsätzen erforderliche Auslegung dieser Bestimmung ergibt, im Gegenteil, dass die Wirksamkeit des zwischen dem Beschwerdeführer und der Beklagten geschlossenen Vertrags insoweit mit der Garantie aus Art. 49 EGV (Art. 56 AEUV) unvereinbar ist, als der Beschwerdeführer im Vergleich zu Einheimischen, die in den Genuss des Preisnachlasses kommen, schlechter behandelt wird. Art. 49 EGV (Art. 56 AEUV) dient der Erleichterung der grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung. Erbringer und Empfänger von Dienstleistungen sollen nicht dadurch von der Leistung der Dienste und ihrer Entgegennahme abgehalten werden, dass für sie aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit ungünstigere Konditionen gelten als bei rein nationalen Sachverhalten. Die Bestimmung gewährt insoweit ein unmittelbar anwendbares subjektives Recht. Bliebe die Wirksamkeit des Geschäfts im in Rede stehenden Umfang vom Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot unberührt, dauerte die Wirkung der Diskriminierung fort, sodass das Verbot insoweit wirkungslos wäre.

49

Die Annahme des Oberlandesgerichts, das Unionsrecht sehe im vorliegenden Zusammenhang keine Sanktion vor, ist auch deshalb nicht nachvollziehbar, weil es ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union entspricht, dass der Gleichheitssatz, solange keine Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gleichbehandlung erlassen worden sind, nur dadurch gewahrt werden kann, dass die Vergünstigungen, die die Mitglieder der begünstigten Gruppe erhalten, auf die Mitglieder der benachteiligten Gruppe erstreckt werden (EuGH, Urteil vom 4. Dezember 1986, Federatie Nederlandse Vakbeweging, 71/85, Slg. 1986, S. 3870 <3876>; Urteil vom 21. Juni 2007, Jonkman, C-231/06 bis 233/06, Slg. 2007, S. I-5172 , m.w.N.).

50

d) Ein eigenständiger Verstoß gegen das Willkürverbot liegt schließlich in der Annahme des Oberlandesgerichts, es sei "keine Frage der Auslegung des EG-Vertrages, sondern …. die Frage der Anwendung auf den vorliegenden konkreten Einzelfall, die allein Aufgabe des innerstaatlichen Gerichts ist", ob der Beschwerdeführer einen unionsrechtlichen Anspruch auf eine diskriminierungsfreie Preisgestaltung durch die Beklagte habe. Diese Erwägung ist nicht nur in sich widersprüchlich, sie ist auch nicht geeignet, den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Anspruch abzuweisen.

51

2. Schließlich verletzt das Urteil des Oberlandesgerichts den Beschwerdeführer auch in seinem Recht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.

52

a) Der Gerichtshof der Europäischen Union ist gesetzlicher Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. BVerfGE 73, 339 <366>; 135, 155 <230 Rn. 177>; stRspr). Unter den Voraussetzungen des Art. 267 Abs. 3 AEUV sind die nationalen Gerichte daher von Amts wegen gehalten, den Gerichtshof anzurufen. Kommt ein deutsches Gericht seiner Pflicht zur Anrufung des Gerichtshofs im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens daher nicht nach, kann dem Rechtsschutzsuchenden des Ausgangsrechtsstreits der gesetzliche Richter entzogen sein (vgl. BVerfGE 73, 339 <369>; 135, 155 <230 f. Rn. 177>; stRspr).

53

aa) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982, Rs. C-283/81, C.I.L.F.I.T., Slg. 1982, S. 3415 <3430 f.>) muss ein nationales letztinstanzliches Gericht seiner Vorlagepflicht nachkommen, wenn sich in einem bei ihm schwebenden Verfahren eine Frage des Unionsrechts stellt, es sei denn, das Gericht hat festgestellt, dass die gestellte Frage nicht entscheidungserheblich ist, dass die betreffende unionsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder dass die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (vgl. auch BVerfGE 82, 159 <193>; 135, 155 <231 Rn. 178>; stRspr).

54

bb) Ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG setzt aber voraus, dass die Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsregel des Art. 267 Abs. 3 AEUV bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BVerfGE 126, 286 <315 f.>; 135, 155 <232 Rn. 180>; stRspr).

55

Die Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV wird unter anderem in den Fällen offensichtlich unhaltbar gehandhabt, in denen ein letztinstanzliches Hauptsachegericht eine Vorlage trotz der - seiner Auffassung nach bestehenden - Entscheidungserheblichkeit einer unionsrechtlichen Frage überhaupt nicht in Erwägung zieht, obwohl es selbst Zweifel hinsichtlich der richtigen Beantwortung der Frage hegt und das Unionsrecht somit eigenständig fortbildet (grundsätzliche Verkennung der Vorlagepflicht; vgl. BVerfGE 82, 159 <195 f.>; 126, 286 <316 f.>; 128, 157 <187 f.>; 129, 78 <106 f.>; 135, 155 <232 Rn. 181>).

56

Dies gilt erst recht, wenn sich das Gericht hinsichtlich des (materiellen) Unionsrechts nicht hinreichend kundig macht. Es verkennt dann regelmäßig die Bedingungen für die Vorlagepflicht (vgl. BVerfGK 8, 401 <405>; 11, 189 <199>; 13, 303 <308>; 17, 108 <111>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 10. Dezember 2014 - 2 BvR 1549/07 -, juris, Rn. 21). Gleiches gilt, wenn es offenkundig einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht auswertet. Um eine Kontrolle am Maßstab des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG zu ermöglichen, hat es die Gründe für seine Entscheidung über die Vorlagepflicht anzugeben (BVerfG, Beschluss vom 10. Dezember 2014, a.a.O., Rn. 21).

57

b) Danach hat das Oberlandesgericht vorliegend seine Vorlagepflicht offensichtlich unhaltbar gehandhabt, weil es sich hinsichtlich des materiellen Unionsrechts nicht hinreichend kundig gemacht hat.

58

Dies gilt zunächst für den Umgang des Oberlandesgerichts mit der Frage, ob die Beklagte als öffentliches Unternehmen unmittelbar an die Grundfreiheiten gebunden ist. Angesichts der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Bindungswirkung des Diskriminierungsverbots und der Grundfreiheiten für vom Staat beherrschte Unternehmen (vgl. EuGH, Urteil vom 30. April 1974, Sacchi, 155/73, Slg. 1974, S. 411 <430>; Urteil vom 6. Juli 1982, Transparenzrichtlinie, 188/80 bis 190/80, Slg. 1982, S. 2545 <2575, 2579>; Urteil vom 18. Juni 1991, ERT, C-260/89, Slg. 1991, S. I-2951 ; Angonese, a.a.O., Rn. 30 ff.) und mit Blick auf Art. 106 AEUV (Art. 86 EGV; vgl. Wernicke, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Bd. 2, Art. 106 AEUV Rn. 8 ) liegt die Annahme einer unmittelbaren Bindung der Beklagten an die in Rede stehenden Vorgaben des Unionsrechts nahe.

59

Dies gilt ferner für die Frage, ob die Preisgestaltung der Beklagten gegen Art. 56 AEUV (Art. 49 EGV) verstoße. Zu Entgeltsystemen für die Nutzung kultureller Einrichtungen, die Gemeindeeinwohner bevorzugen, hat der Gerichtshof der Europäischen Union festgestellt, dass wirtschaftliche Ziele die darin liegende Beschränkung der Grundfreiheiten nicht rechtfertigen könnten und dass auch steuerrechtliche Gründe nur dann anzuerkennen seien, wenn ein spezifischer Zusammenhang zwischen der Besteuerung und den Tarifvorteilen bestehe (EuGH, Dogenpalast, a.a.O., Rn. 22 ff.).

IV.

60

Die Urteile des Amtsgerichts und des Oberlandesgerichts sind aufzuheben. Die Sache ist an das Amtsgericht Laufen zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG).

61

Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 19. Juli 2016 - 2 BvR 470/08

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 19. Juli 2016 - 2 BvR 470/08

Referenzen - Gesetze

Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 19. Juli 2016 - 2 BvR 470/08 zitiert 16 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 823 Schadensersatzpflicht


(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Di

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 1


(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen G

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 812 Herausgabeanspruch


(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mi

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 134 Gesetzliches Verbot


Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

Gesetz über das Bundesverfassungsgericht


Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 101


(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. (2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 28


(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben,

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 34a


(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen ein

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 93c


(1) Liegen die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 Buchstabe b vor und ist die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgebliche verfassungsrechtliche Frage durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, kann die Kammer der Verfassungsb

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 95


(1) Wird der Verfassungsbeschwerde stattgegeben, so ist in der Entscheidung festzustellen, welche Vorschrift des Grundgesetzes und durch welche Handlung oder Unterlassung sie verletzt wurde. Das Bundesverfassungsgericht kann zugleich aussprechen, daß

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 19. Juli 2016 - 2 BvR 470/08 zitiert oder wird zitiert von 10 Urteil(en).

Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 19. Juli 2016 - 2 BvR 470/08 zitiert 9 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 18. Sept. 2009 - V ZR 2/09

bei uns veröffentlicht am 18.09.2009

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 2/09 Verkündet am: 18. September 2009 Lesniak Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 06. Nov. 2009 - V ZR 63/09

bei uns veröffentlicht am 06.11.2009

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 63/09 Verkündet am: 6. November 2009 Weschenfelder Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein B

Bundesgerichtshof Urteil, 24. Okt. 2003 - V ZR 424/02

bei uns veröffentlicht am 24.10.2003

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 424/02 Verkündet am: 24. Oktober 2003 K a n i k , Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BG

Bundesgerichtshof Urteil, 25. Juli 2002 - III ZR 113/02

bei uns veröffentlicht am 25.07.2002

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL III ZR 113/02 Verkündet am: 25. Juli 2002 F r e i t a g Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja BGB § 134 WoVermG

Bundesgerichtshof Urteil, 12. Mai 2011 - III ZR 107/10

bei uns veröffentlicht am 12.05.2011

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL III ZR 107/10 Verkündet am: 12. Mai 2011 Freitag Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB §§ 134, 242 Cc, 61

Bundesgerichtshof Urteil, 02. Dez. 2003 - XI ZR 397/02

bei uns veröffentlicht am 02.12.2003

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XI ZR 397/02 Verkündet am: 2. Dezember 2003 Herrwerth, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja.

Bundesgerichtshof Urteil, 26. Juni 2015 - V ZR 227/14

bei uns veröffentlicht am 26.06.2015

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 227/14 Verkündet am: 26. Juni 2015 Rinke Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 04. Apr. 2003 - V ZR 314/02

bei uns veröffentlicht am 04.04.2003

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 314/02 Verkündet am: 4. April 2003 K a n i k , Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BG

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 10. Okt. 2012 - 7 C 8/10

bei uns veröffentlicht am 10.10.2012

Tatbestand 1 Die Klägerin, ein städtisches Versorgungsunternehmen und Betreiberin eines erdgasbefeuerten Heizkraftwerks, wendet sich gegen die Veräußerungskürzung von Em
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 19. Juli 2016 - 2 BvR 470/08.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 27. Feb. 2017 - 4 N 16.461

bei uns veröffentlicht am 27.02.2017

Tenor I. Die Informationsfreiheitssatzung der Antragsgegnerin vom 24. März 2015 wird für unwirksam erklärt. II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens. III. Der Beschluss ist hinsichtlich der Kostenentscheidung

Referenzen

(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.

(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

(1) Liegen die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 Buchstabe b vor und ist die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgebliche verfassungsrechtliche Frage durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, kann die Kammer der Verfassungsbeschwerde stattgeben, wenn sie offensichtlich begründet ist. Der Beschluß steht einer Entscheidung des Senats gleich. Eine Entscheidung, die mit der Wirkung des § 31 Abs. 2 ausspricht, daß ein Gesetz mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht unvereinbar oder nichtig ist, bleibt dem Senat vorbehalten.

(2) Auf das Verfahren finden § 94 Abs. 2 und 3 und § 95 Abs. 1 und 2 Anwendung.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

(1) Liegen die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 Buchstabe b vor und ist die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgebliche verfassungsrechtliche Frage durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, kann die Kammer der Verfassungsbeschwerde stattgeben, wenn sie offensichtlich begründet ist. Der Beschluß steht einer Entscheidung des Senats gleich. Eine Entscheidung, die mit der Wirkung des § 31 Abs. 2 ausspricht, daß ein Gesetz mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht unvereinbar oder nichtig ist, bleibt dem Senat vorbehalten.

(2) Auf das Verfahren finden § 94 Abs. 2 und 3 und § 95 Abs. 1 und 2 Anwendung.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

Tatbestand

1

Die Klägerin, ein städtisches Versorgungsunternehmen und Betreiberin eines erdgasbefeuerten Heizkraftwerks, wendet sich gegen die Veräußerungskürzung von Emissionsberechtigungen für die Zuteilungsperiode 2008 bis 2012 sowie gegen die Erhebung einer Kontoführungsgebühr und begehrt eine Mehrzuteilung von 55 397 Berechtigungen.

2

Sie betreibt in S. u.a. das 1995 in Betrieb gegangene Heizkraftwerk Süd (Feuerungswärmeleistung: 50 MW und mehr). Am 16. November 2007 beantragte sie die Zuteilung von 724 571 Emissionsberechtigungen für die Handelsperiode 2008 bis 2012 nach Maßgabe von § 7 Abs. 1 und 3 und § 8 Abs. 2 des Gesetzes über den nationalen Zuteilungsplan für Treibhausgas-Emissionsberechtigungen in der Zuteilungsperiode 2008 bis 2012 (Zuteilungsgesetz 2012 - ZuG 2012) unter Ausschluss der anteiligen Kürzung nach § 4 Abs. 3 ZuG 2012 und der Veräußerungskürzung nach §§ 19, 20 ZuG 2012. Mit Bescheid vom 22. Februar 2008 wurden ihr für die o.g. Anlage unter Anwendung des Kürzungsfaktors von 0,844001906 gemäß § 20 ZuG 2012 607 630 Berechtigungen für die Handelsperiode 2008 bis 2012 zugeteilt.

3

Die nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren erhobene Klage auf Zuteilung weiterer 55 397 Emissionsberechtigungen hat das Verwaltungsgericht abgewiesen.

4

Die anteilige Kürzung nach § 4 Abs. 3 ZuG 2012 sei zu Recht unterblieben, weil die Anlage der Klägerin einen Effizienzstandard von 1 aufweise. Die Kürzung des Zuteilungsanspruchs gemäß § 20 ZuG 2012 entspreche den Vorgaben des Gesetzes. Der Kürzungsfaktor sei Ergebnis einer behördlichen Prognose und einer gerichtlichen Kontrolle nur beschränkt zugänglich.

5

Finanzverfassungsrechtliche Bedenken griffen nicht durch. Das Veräußerungsaufkommen entspreche einer nichtsteuerlichen Abgabe, die die Finanzverfassung des Grundgesetzes nicht ausschließe. Das Erfordernis einer besonderen sachlichen Rechtfertigung für die Erhebung dieser Abgabe sei gegeben. Die Versteigerung von Zertifikaten führe zu einer besseren Allokationseffizienz; auch liege ein Sondervorteil vor, der abgeschöpft werden könne. Solange der Markt es zulasse, den Wert unentgeltlich zugeteilter Zertifikate als Opportunitätskosten in die Preisbildung des Produktes einzustellen, bewirke die Veräußerung der Berechtigungen zudem das Abschmelzen von sogenannten windfall profits zu Lasten nicht gerechtfertigter Unternehmensgewinne.

6

Die Regelungen der §§ 19, 20 ZuG 2012 genügten auch den materiellen Anforderungen des Grundgesetzes. Eine ungerechtfertigte, dem Gleichheitssatz widersprechende Benachteiligung liege weder gegenüber nicht handelspflichtigen Stromproduzenten vor noch gegenüber der Veräußerungskürzung nicht unterworfenen Industrieanlagen. Auf letztere bezogen folge dies bereits aus dem hohen Einpreisungsgrad in der Stromwirtschaft. Der Gesetzgeber sei durch Art. 3 GG nicht gehindert, besonders problematischen Wettbewerbssituationen durch Vergünstigungen für die davon betroffenen (Industrie-)Unternehmen Rechnung zu tragen. Die Nichteinbeziehung von Erdölraffinationsanlagen in die Veräußerungskürzung sei von der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers gedeckt. Auch ein Verstoß gegen das Eigentumsgrundrecht liege nicht vor. Bei den Kürzungen von Zuteilungen handele es sich lediglich um Berechnungsmodalitäten. Durch die Einführung des Emissionshandelssystems würden Rechtspositionen aus der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung weder entzogen noch geändert. Die Kürzung der Zuteilungsmengen um den Faktor der Veräußerungskürzung sei ein geeignetes und erforderliches Mittel, um einen schonenden Übergang zur künftigen vollständig kostenpflichtigen Abgabe der Zertifikate zu erreichen. Die Klägerin habe nicht substantiiert darlegen können, dass die Kürzung des Zuteilungsanspruchs um ca. 16 % zu einer unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Belastung geführt habe. Die vorgenommene Veräußerungskürzung sei auch mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Vernünftige Gründe des Gemeinwohls wie das Interesse an Maßnahmen gegen den befürchteten Klimawandel rechtfertigten einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit.

7

Die Erhebung einer Kontoführungsgebühr beruhe auf einer ausreichenden Rechtsgrundlage.

8

Hiergegen richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Sprungrevision der Klägerin. Zu deren Begründung führt sie aus:

9

Die Veräußerungskürzung verstoße gegen die Finanzverfassung des Grundgesetzes. Das Verwaltungsgericht ordne zwar die Erlöse aus der Veräußerungskürzung zutreffend als nichtsteuerliche Abgaben ein; für die Abgabenerhebung fehlten aber eine besondere sachliche Rechtfertigung sowie die erforderliche Belastungsgleichheit. Die Versteigerung führe zu keiner höheren Allokationseffizienz als die unentgeltliche Zuteilung. Sie diene insbesondere nicht dem Schutz der Atmosphäre. Die Annahme, eine Versteigerung sei gerechter und zielsicherer, beruhe auf der nicht bewiesenen These, dass der Markt dem Staat per se überlegen sei. In einem Versteigerungssystem entstünden für Unternehmen keine anderen Kostenvorteile als in einem System kostenloser Zuteilungen; in beiden Systemen werde zwangsläufig dieselbe Investitionsentscheidung getroffen. Die volkswirtschaftlichen Kosten seien damit jeweils identisch. Anreizeffekte bewirke allein die Mengenplanung in Form des Zuteilungsbudgets, nicht aber der Verteilungsmechanismus. Die Idee einer Verteuerung des Ressourcenverbrauchs und dadurch bewirkte Anreize zur effizienteren Nutzung seien auf ein Handelssystem nicht übertragbar. Bei den Betreibern kleinerer Energieanlagen fielen keine Gewinne an, die abgeschöpft werden könnten. Für wärmegeführte Kraftwerke, wie das der Klägerin, sei die Stromproduktion zeitweise ein Zuschussgeschäft.

10

Unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsabschöpfung seien die Versteigerungserlöse ebenfalls nicht gerechtfertigt. Die Luft sei ein öffentliches, nicht bewirtschaftetes Gut. Die Einleitung von Kohlendioxid in die Atmosphäre stelle daher keinen Sondervorteil dar. Das Gesamtausmaß zulässiger Treibhausgasemissionen gelte zudem unterschiedslos für sämtliche Emittenten und damit für sämtliche Bundesbürger, was ebenso der Annahme eines Sondervorteils entgegenstehe. Die Abschöpfung von Einpreisungsgewinnen, die allein bei den großen Energieerzeugern anfielen, treffe kleine Energieerzeuger wie die Klägerin mit ihrem Heizkraftwerk unverhältnismäßig. Anders als eine Vielzahl von Mittellastkraftwerken könne die Anlage der Klägerin nicht nach Bedarf und Nachfrage "am Strompreis entlang gefahren" werden.

11

Die Veräußerungskürzung verstoße gegen die Grundrechte. Das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG sei verletzt, wenn Energieanlagen und stromerzeugende Industrieanlagen unterschiedlich behandelt würden. Industriekraftwerke würden ebenso Opportunitätskosten einpreisen, wenn ihre Wettbewerbssituation dies ermögliche. Zudem hätte der Gesetzgeber den der Fernwärmeerzeugung dienenden Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK-Anlagen) besondere Beachtung schenken müssen. Auch die Ungleichbehandlung von Stromwirtschaft und Industrie sei nicht gerechtfertigt, weil für den überwiegenden Teil der Industrieunternehmen kein Grund bestehe, ins außereuropäische Ausland abzuwandern; dies gelte insbesondere für deren ebenfalls Opportunitätskosten einpreisenden Unternehmen. Andererseits sei nicht ausgeschlossen, dass sich im Energiebereich Unternehmen hinter die Grenzen Europas zurückzögen. Belastbare Nachweise für das tatsächliche Verhalten gebe es nicht. Es verstoße ebenso gegen den Gleichheitssatz, Industriekraftwerke wie gewöhnliche Energieanlagen zu behandeln, wenn diese nicht zusammen mit der emissionshandelspflichtigen Industrieanlage genehmigt worden seien. Allein auf die genehmigungsrechtliche Einordnung dürfe nicht abgestellt werden. Die Kürzungsregelung des § 20 ZuG 2012 überschreite insoweit die Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers. Die Veräußerungskürzung führe zu einem Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG. Es handle sich um kein geeignetes und erforderliches Mittel, um einen schonenden Übergang zur vollständigen kostenpflichtigen Zuteilung ab dem Jahr 2013 zu gewährleisten. Ferner werde ohne hinreichenden Rechtfertigungsgrund in die Berufsausübungsfreiheit eingegriffen. Ebenso liege eine Verletzung des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz vor. Das Verwaltungsgericht habe unzureichend geprüft, ob die Beklagte die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anwendung des Kürzungsfaktors richtig erkannt habe und ob insbesondere die der Berechnung vorgeschaltete Zuordnung der Anlagen zu den einzelnen Sektoren zutreffend vorgenommen worden sei.

12

Nur für die einmalige Einrichtung eines Kontos, nicht aber für das weitere Vorhalten eines Kontos könne auf der Grundlage des § 22 TEHG eine Gebühr erhoben werden.

13

Die Klägerin regt an, das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit der Kürzungsregelungen des Zuteilungsgesetzes 2012 einzuholen. Im Übrigen beantragt sie,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 13. April 2010 aufzuheben und die Beklagte unter entsprechender teilweiser Aufhebung ihres Bescheides vom 22. Februar 2008 und ihres Widerspruchsbescheides vom 8. April 2009 zu verpflichten, der Klägerin weitere 55 397 Emissionsberechtigungen für die Zuteilungsperiode 2008 bis 2012 zuzuteilen sowie

die in dem Zuteilungsbescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides enthaltene Festsetzung einer Kontoeinrichtungsgebühr aufzuheben und die gezahlte Gebühr rückzuerstatten.

14

Die Beklagte beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

15

Sie tritt dem Vorbringen der Revision entgegen und verteidigt das angegriffene Urteil.

16

Der Vertreter des Bundesinteresses tritt zu den Fragen der Vereinbarkeit der Veräußerungskürzung mit der Finanzverfassung und den Grundrechten der Rechtsauffassung der Beklagten bei.

Entscheidungsgründe

17

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Berechnung der Reduzierung unentgeltlicher Zuteilungen gemäß § 20 ZuG 2012 sowie die Erhebung einer Kontoführungsgebühr mit einfachem Recht in Einklang stehen und die Veräußerungskürzung weder gegen die Finanzverfassung des Grundgesetzes verstößt noch die Klägerin in ihren Grundrechten verletzt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

18

1. Die Rüge, das Verwaltungsgericht habe keine Feststellungen getroffen, ob die Beklagte die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anwendung des Kürzungsfaktors richtig erkannt und insbesondere die der Berechnung vorgeschaltete Zuordnung der Anlagen zu den einzelnen Sektoren ordnungsgemäß vorgenommen habe, greift nicht durch. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass zu einem bestimmten Stichtag vor Beginn der Zuteilungsperiode zur Einhaltung der Mengenplanung die Kürzungsfaktoren festgesetzt werden müssen und folglich nachträgliche Änderungen individueller Zuteilungen für die Berechnung von Kürzungsfaktoren unerheblich sind (zur anteiligen Kürzung nach § 4 Abs. 4 ZuG 2007 Urteil vom 16. Oktober 2007 - BVerwG 7 C 33.07 - BVerwGE 129, 328 Rn. 36 f. = Buchholz 406.253 § 4 ZuG 2007 Nr. 1). Zutreffend hat es weiterhin zu Grunde gelegt, dass das Gesetz der zuständigen Behörde nicht nur für die Berechnung des Faktors der anteiligen Kürzung nach § 4 Abs. 3 ZuG 2012, sondern ebenso für die Berechnung des Faktors der Veräußerungskürzung nach § 20 ZuG 2012 einen durch die Funktion der Mengenplanung gebotenen Prognosespielraum einräumt. Die gerichtliche Prüfung der Prognose über die Zuteilungsmenge (für den Sektor der Stromwirtschaft) erstreckt sich auf die generelle Auslegung der Zuteilungsregeln sowie auf die Berechnung der Kürzungsfaktoren. Hinzu kommt die gerichtliche Kontrolle der Prognose auf die generelle Einhaltung von Verfahrensregeln (§ 15 ZuG 2012), insbesondere in Bezug auf die Sachverhaltsaufklärung (BVerfG, Kammerbeschluss vom 10. Dezember 2009 - 1 BvR 3151/07 - NVwZ 2010, 435 <439 f.>). Diesen Anforderungen an die gerichtliche Kontrolle wird das angefochtene Urteil gerecht.

19

Die Revision räumt ein, dass das Verwaltungsgericht die Berechnung des Kürzungsfaktors nach § 20 ZuG 2012 einer zutreffenden rechnerischen Kontrolle unterworfen hat. Dass und inwieweit es darüber hinaus einer gerichtlichen Kontrolle ermangelte, legt die Revision nicht substantiiert dar. Soweit sie sich darauf bezieht, dass nicht geprüft worden sei, ob die Beklagte die der Berechnung vorgeschaltete Zuordnung der Anlagen zu den einzelnen Sektoren zutreffend vorgenommen habe, erhellt sich dieser Vortrag auch nicht durch die Bezugnahme auf das schriftsätzliche klägerische Vorbringen vor dem Verwaltungsgericht. Der zusätzliche Hinweis auf den Vortrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht, dass die Beklagte möglicherweise zu Unrecht auch Industriekraftwerke mit in die Veräußerungskürzung einbezogen habe, vermag schon keine Rechtsverletzung der Klägerin im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu begründen; denn würde sie damit durchdringen, hätte dies unausweichlich zur Folge, dass sich die gesamte jährliche Zuteilungsmenge an bestehende Energieanlagen verringert und der Kürzungsfaktor nach § 20 ZuG 2012 (zur Erzielung von 40 Mio. Berechtigungen für die Veräußerung) sich damit erhöht, was im Ergebnis zu einer verringerten Zuteilung von Emissionszertifikaten an das Heizkraftwerk der Klägerin führen müsste. Für zusätzliche Ermittlungen des Verwaltungsgerichts gab das Vorbringen der Klägerin daher keine Veranlassung; insoweit findet auch die gerichtliche Aufklärungspflicht ihre Grenze (Urteile vom 29. Juni 1999 - BVerwG 9 C 36.98 - BVerwGE 109, 174 <177 f.> = Buchholz 11 Art. 16a GG Nr. 12 S. 15<18> und vom 13. April 2005 - BVerwG 10 C 8.04 - Buchholz 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 39 S. 51).

20

Das Urteil des Verwaltungsgerichts steht auch in Einklang mit einfachem Bundesrecht; soweit es § 22 Abs. 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes vom 8. Juli 2004 (BGBl I S. 1578 i. d. F. von Art. 2 des Gesetzes vom 7. August 2007 (BGBl I S. 1788 - TEHG a.F.) eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Erhebung einer Kontoführungsgebühr entnimmt. Danach erhebt die nach § 20 Abs. 1 Satz 2 TEHG a.F. zuständige Behörde für die Einrichtung eines Kontos nach § 14 Abs. 2 Satz 1 und 3 TEHG a.F. eine Gebühr von 200 € pro Zuteilungsperiode. Schon aus dieser zeitlichen Bezugnahme ergibt sich, dass der Belastungsgrund nicht nur die erstmalige Eröffnung des Kontos, sondern auch dessen Fortführung in jeder weiteren Zuteilungsperiode ist. Diese Auslegung findet ihre Bestätigung in der Gesetzesbegründung, wonach die Gebühr für das Vorhalten eines Kontos vorgesehen ist (BTDrucks 16/5240 S. 32).

21

2. Das angegriffene Urteil verletzt nicht Bundesrecht, weil die entgeltliche Veräußerung von Emissionsberechtigungen gegen das verfassungsrechtliche Prinzip des Steuerstaates verstieße und demgemäß die diese Veräußerung ermöglichende Veräußerungskürzung keinen Bestand haben könnte.

22

a) Die Frage nach der finanzverfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Veräußerung nach § 19 ZuG 2012 ist nicht deshalb unerheblich, weil die angegriffene Zuteilung sich ausschließlich nach der Kürzungsregelung des § 20 ZuG 2012 bestimmt. Entgegen der Auffassung der Beklagten bilden beide Regelungen insoweit eine Einheit, als § 19 ZuG 2012 die Veräußerung von Emissionsberechtigungen in einem festen Umfang vorgibt und § 20 ZuG 2012 die Erzielung des hierfür erforderlichen Berechtigungsaufkommens im Wege einer zusätzlichen Belastung von Energieanlagen regelt. Beide Bestimmungen stehen damit in einem nicht auflösbaren Zusammenhang mit der Folge, dass eine Unwirksamkeit von § 19 ZuG 2012 nicht ohne Auswirkungen bleiben kann auf den Bestand des § 20 ZuG 2012 unbeschadet der Möglichkeit, dass der Gesetzgeber auch auf andere Weise über zusätzliche Belastungen des Energiesektors durch Minderzuteilungen von Emissionsberechtigungen hätte befinden können.

23

b) Die Regelung über die Veräußerung von Emissionsberechtigungen muss sich an den Vorgaben messen lassen, die aus der Schutz- und Begrenzungsfunktion der bundesstaatlichen Finanzverfassung für nichtsteuerliche Abgaben abzuleiten sind.

24

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergeben sich aus der Begrenzungs- und Schutzfunktion der Finanzverfassung (Art. 104a GG) Grenzen auch für die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben, die der Gesetzgeber in Wahrnehmung einer ihm zustehenden Sachkompetenz außerhalb der Finanzverfassung nach den allgemeinen Regeln der Art. 70 ff. GG erhebt. Die Finanzverfassung, die die bundesstaatliche Verteilung der Gesetzgebungs-, Ertrags- und Verwaltungskompetenzen im Wesentlichen nur für das Finanzierungsmittel der Steuer regelt, schließt die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben zwar nicht aus. Sie verlöre aber ihren Sinn und ihre Funktion, wenn unter Rückgriff auf die Sachgesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern beliebig nichtsteuerliche Abgaben unter Umgehung der finanzverfassungsrechtlichen Verteilungsregeln begründet werden könnten und damit zugleich ein weiterer Zugriff auf die Ressourcen der Bürger eröffnet würde. Die Finanzverfassung schützt insoweit auch die Bürger (BVerfG, Beschluss vom 7. November 1995 - 2 BvR 413/88 und 1300/93 - BVerfGE 93, 319 <342 f.>; Urteil vom 3. Februar 2009 - 2 BvL 54/06 - BVerfGE 122, 316 <333>; Beschluss vom 12. Mai 2009 - 2 BvR 743/01 - BVerfGE 123, 132 <140 f.>).

25

Die Auferlegung nichtsteuerlicher Abgaben wird danach grundsätzlich begrenzt durch das Erfordernis eines besonderen sachlichen Rechtfertigungsgrundes, der einerseits eine deutliche Unterscheidung gegenüber den Steuern ermöglicht und andererseits auch im Hinblick auf die zusätzliche Belastung neben den Steuern geeignet ist, der Belastungsgleichheit der Abgabepflichtigen Rechnung zu tragen. Zudem ist der Grundsatz der Vollständigkeit des Haushalts hinreichend zu berücksichtigen (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2009 a.a.O. S. 141 m.w.N.).

26

Diesen Anforderungen muss die Veräußerungsregelung entsprechen. Die staatliche Veräußerung von Emissionszertifikaten stellt zwar keine Abgabe im eigentlichen Sinne einer Geldleistung dar, die aufgrund gesetzlicher Vorschriften in Ausübung hoheitlicher Gewalt dem Einzelnen einseitig auferlegt wird, sondern erfolgt nach § 21 Abs. 1 Satz 1 ZuG 2012 in den Formen des Privatrechts durch Verkauf oder Versteigerung (§ 156 BGB). Unter finanzverfassungsrechtlichem Blickwinkel ist die Veräußerung aber wie eine Abgabe zu behandeln. Ihr fehlt nämlich trotz ihrer zivilrechtlichen Gestalt der Charakter eines Fiskalgeschäfts, da sie dem Staat Einnahmen verschafft, ohne dass diesen ein realer monetärer Verlust entspricht. Sie bleibt zudem eng verknüpft mit dem öffentlich-rechtlichen, dem Emissionshandel zu Grunde liegende Zuteilungssystem und steht funktional einer Preissteuerung durch Umweltabgaben gleich (vgl. Sacksofsky, Rechtliche Möglichkeiten des Verkaufs von Emissionsberechtigungen, 2008, S. 13). Wegen dieser abgabengleichen Wirkungen ist die Veräußerungsregelung in finanzverfassungsrechtlicher Hinsicht wie eine nichtsteuerliche Abgabe zu behandeln (so im Ergebnis auch die im Schrifttum überwiegend vertretene Auffassung; vgl. Burgi, Kostenlose Zuteilung oder Versteigerung von Emissionsberechtigungen?, in: Energieversorgung und Umweltschutz, S. 197 f.; ders./Selmer, Verfassungswidrigkeit einer entgeltlichen Zuteilung von Emissionszertifikaten, S. 19 ff.; Martini/Gebauer, ZUR 2007, 225 <232 Fn. 78>; Sacksofsky a.a.O. S. 17 f.).

27

c) Den danach maßgeblichen Vorgaben wird sie gerecht. Dass der Grundsatz der Vollständigkeit des Haushalts berührt wäre, macht die Revision selbst nicht geltend und ist auch sonst nicht ersichtlich. Ebenso wenig fehlt es an einer besonderen sachlichen Rechtfertigung im vorgenannten Sinne für die entgeltliche Abgabe eines Teils der Emissionsberechtigungen.

28

Der Gesetzgeber konnte sich jedenfalls auf den Gedanken der Vorteilsabschöpfung als Rechtfertigungsgrund berufen. Für knappe natürliche Ressourcen wie das Wasser, die einer öffentlich-rechtlichen Nutzungsregelung unterliegen, ist anerkannt, dass der Staat als Ausgleich für ihre Nutzung eine Abgabe erheben darf. Wird dem Einzelnen die Nutzung an einer solchen Ressource eröffnet, so erlangt er einen Sondervorteil gegenüber all denen, die das betreffende Gut nicht oder nicht in gleichem Umfang nutzen dürfen. Es ist gerechtfertigt, diesen Vorteil ganz oder teilweise abzuschöpfen (BVerfG, Beschluss vom 7. November 1995 a.a.O. S. 345 f.). Ein Sondervorteil in diesem Sinne wird auch dem Betreiber einer dem Anhang 1 zum Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz unterfallenden Anlage zuteil, dem der Staat Emissionsberechtigungen veräußert. Denn eine derartige Anlage darf nur betrieben werden, wenn der Betreiber seiner Pflicht nach § 6 Abs. 1 TEHG a.F. genügt, eine dem Emissionsvolumen seiner Anlage entsprechende Anzahl von Emissionsberechtigungen an die zuständige Behörde abzugeben. Erst diese Berechtigungen ermöglichen ihm die Nutzung der natürlichen Ressource Luft zum Anlagenbetrieb.

29

Zu Unrecht wendet die Revision hiergegen ein, die Luft sei anders als das Wasser kein knappes Gut, sondern stehe praktisch unbegrenzt zur Verfügung (dagegen schon Sachverständigenrat für Umweltfragen - SRU - Umweltgutachten 2006, S. 5). Dieser Einwand verkennt, dass die Luft nach - nicht zu beanstandender - Einschätzung des europäischen Richtlinien- und des Gesetzgebers wegen ihrer begrenzten Kapazität, Treibhausgase ohne schädliche Auswirkungen auf das Klima aufzunehmen, hinsichtlich ihrer Inanspruchnahme durch den Betrieb emittierender Anlagen in vergleichbarer Weise wie das Wasser der Budgetierung bedarf; insofern stellt auch sie eine knappe Ressource dar, die als Anknüpfungspunkt für eine Vorteilsabschöpfung durch Erhebung eines Entgelts für ihre Nutzung dienen kann.

30

Ebenso wenig greift der Einwand durch, der Gedanke des Vorteilsausgleichs könne mangels einer staatlichen Bewirtschaftungsordnung nicht zum Tragen kommen. Eine Bewirtschaftungsordnung dergestalt, dass individuelle Rechte zur Nutzung des betreffenden Umweltmediums durch ordnungsrechtliche Entscheidungen kontingentiert eingeräumt werden, ist nicht Voraussetzung für die Annahme eines abschöpfbaren Sondervorteils. Das Bundesverfassungsgericht hat zur Erhebung von Wasserentnahmeentgelten lediglich ausgeführt, dass sich deren Legitimation aus ihrem Charakter als Vorteilsabschöpfungsabgabe im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Nutzungsregelung ergibt (BVerfG, Beschluss vom 7. November 1995 a.a.O. S. 345). Eine Nutzungsregelung kann aber unterschiedlich ausgestaltet werden. Neben der hoheitlichen Verleihung begrenzter Nutzungsrechte ist es ebenso denkbar, die Nutzungsmöglichkeit nicht individuell zu limitieren, sondern an eine Entgeltzahlung zu koppeln. Diesen Steuerungsmechanismus macht sich das Emissionshandelssystem nicht nur generell durch Verknüpfung der Nutzungsmöglichkeit mit der Abgabe handelsfähiger Zertifikate, sondern auch speziell mit der in § 19 ZuG 2012 vorgesehenen staatlichen Veräußerung eines Teils der Zertifikate zunutze. Dadurch wird in Anbetracht der Kontingentierung der Gesamtmenge auszugebender Zertifikate kein geringerer Schutz bewirkt als durch ordnungsrechtliche Einzelzuteilung. Soweit das Bundesverfassungsgericht in seinem Waldschadensbeschluss aus dem Jahre 1998 (BVerfG, Kammerbeschluss vom 26. Mai 1998 - 1 BvR 180/88 - NJW 1998, 3264 <3265>) noch davon ausgegangen ist, dass das Medium Luft keiner öffentlich-rechtlichen Nutzungsordnung unterliegt, war dies in der Zeit vor Erlass der Emissionshandelsrichtlinie durchaus zutreffend. Eben diese öffentlich-rechtliche Nutzungsordnung ist durch das Regime des Emissionshandels nunmehr geschaffen worden.

31

3. Die Veräußerungskürzung verletzt die Klägerin nicht in ihren Grundrechten aus Art. 14 und 12 GG.

32

Soweit die Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 2003 (Emissionshandelsrichtlinie - EH-RL) dem nationalen Gesetzgeber hinsichtlich der Systementscheidung der Einführung des Emissionshandels verbindliche Vorgaben macht, scheidet - mangels Umsetzungs- und Entscheidungsspielräumen - eine Überprüfung der nationalen Umsetzungsakte in Form des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes und der Zuteilungsgesetze für die erste und zweite Handelsperiode an den Maßstäben der Grundrechte des Grundgesetzes aus (BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Mai 2007 - 1 BvR 2036/05 - NVwZ 2007, 942; BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2005 - BVerwG 7 C 26.04 - BVerwGE 124, 47 <56 ff.> = Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 19 S. 104 <111>). Da die Richtlinie den Mitgliedstaaten aber bei der übergangsweisen Ausgestaltung der Zuteilungsregelungen auch für die zweite Handelsperiode im Rahmen der Art. 9, 10 und 11 Abs. 2 und 3 EH-RL Handlungsfreiräume belässt (EuGH, Urteil vom 29. März 2012 - Rs. C-504/09P, Polen/Kommission - juris Rn. 45 ff.), sind die Vorschriften, die diesen Freiraum ausfüllen, einschließlich der Bestimmungen über die Kürzung kostenloser Zuteilungen von Emissionszertifikaten an den Grundrechten des Grundgesetzes zu messen. Bei ihnen handelt es sich um Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, die Regelungen darüber treffen, unter welchen Voraussetzungen die Anlagenbetreiber von ihrem Eigentum an emissionshandelspflichtigen Anlagen Gebrauch machen dürfen. Zugleich regeln sie Modalitäten, unter denen die Anlagenbetreiber ihre auf Erwerb gerichtete Tätigkeit des Anlagenbetriebs ausüben dürfen, und enthalten somit Berufsausübungsregelungen im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG. Aufgrund dessen müssen die Zuteilungsregelungen den Anforderungen genügen, die das Grundgesetz an derartige Regelungen stellt.

33

Die Prüfung kann sich dabei auf die Veräußerungskürzung beschränken. Die Schwere der Eigentumsbeschränkung hängt zwar von der Gesamtheit der Zuteilungsvorschriften ab. Da die Klägerin eine Verletzung ihres Eigentumsgrundrechts aber ausschließlich im Zusammenhang mit der Veräußerungskürzung rügt und die Rechtmäßigkeit weiterer belastender Kürzungsregelungen nicht in Frage steht, erübrigt sich eine weitergehende Prüfung.

34

a) Bei der Erfüllung des ihm gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG erteilten Auftrags, Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen, muss der Gesetzgeber die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers sowie die Belange des Gemeinwohls in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis bringen. Dabei ist er an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden. Einschränkungen der Eigentümerbefugnisse dürfen nicht zu einer übermäßigen Belastung führen und den Eigentümer im vermögensrechtlichen Bereich unzumutbar treffen. Zudem muss eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums mit allen anderen Verfassungsnormen vereinbar sein, insbesondere mit dem Gleichheitsgrundsatz (stRspr, BVerfG, Beschlüsse vom 2. März 1999 - 1 BvL 7/91 - BVerfGE 100, 226 <240 f.> und vom 14. Januar 2004 - 2 BvR 564/95 - BVerfGE 110, 1 <28> m.w.N.).

35

Die Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers zur Inhalts- und Schrankenbestimmung geht umso weiter, je mehr das Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug und in einer sozialen Funktion steht (BVerfG, Beschluss vom 19. Juni 1985 - 1 BvL 57/79 - BVerfGE 70,191 <201>). Abgesehen davon, dass das Anlageneigentum als Teil des Wirtschaftssystems ohnehin soziale Bedeutung hat, weist es, soweit mit seiner Nutzung der Ausstoß von Treibhausgasen einhergeht, einen hohen sozialen Bezug auch deswegen auf, weil damit ein knappes Gut der Allgemeinheit in Anspruch genommen wird; die Eigentumsnutzung wirkt somit zwangsläufig über die Sphäre des Eigentümers hinaus. Zudem ergeben sich für den Gesetzgeber Spielräume aus der Komplexität der zu regelnden Materie. Ihm gebührt bei der Neuregelung eines komplexen Sachverhalts wie der Einführung des Emissionshandelssystems ein zeitlicher Anpassungsspielraum auch zur Gestaltung eines schonenden Übergangs; er darf sich zunächst mit einer grob typisierenden Regelung begnügen, um diese nach hinreichender Sammlung von Erfahrungen allmählich durch eine differenzierte zu ersetzen (stRspr, BVerfG, Beschluss vom 5. November 1991 - 1 BvR 1256/89 - BVerfGE 85, 80 <91>). Für die nachträgliche Prüfung der gesetzlichen Regelung ist grundsätzlich von der Beurteilung der Verhältnisse auszugehen, die der Gesetzgeber bei der Vorbereitung des Gesetzes vorgefunden hat. Seine Prognose muss vertretbar sein. Die Frage der Zwecktauglichkeit des Gesetzes ist danach zu beurteilen, ob der Gesetzgeber aus seiner Sicht davon ausgehen durfte, dass die Maßnahme zur Erreichung des gesetzten Ziels geeignet ist (BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 2005 - 2 BvF 2/01 - BVerfGE 113, 167 <234> m.w.N.).

36

Bereits für die Ausgestaltung der Zuteilungsregeln zur ersten Handelsperiode hat die Rechtsprechung auf diesen weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers Bezug genommen (BVerfG, Beschluss vom 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 - BVerfGE 118, 79 <105, 107>), der erst überschritten wird, wenn sich die Regelung nicht mehr auf einen vernünftigen und einleuchtenden Grund zurückführen lässt (Urteil vom 16. Oktober 2007 - BVerwG 7 C 6.07 - BVerwGE 129, 346 Rn. 17 = Buchholz 406.253 § 7 ZuG 2007 Nr. 1). Dies muss gleichermaßen Geltung haben für die Regelungen der zweiten Übergangsphase durch das Zuteilungsgesetz 2012.

37

b) Der Gesetzgeber ist mit der zur Prüfung gestellten Veräußerungskürzung im Rahmen dieser Befugnisse zur Ausgestaltung von Inhalt und Schranken des Eigentums geblieben. Die in der gesetzlichen Regelung der §§ 19, 20 ZuG 2012 liegende Inhalts- und Schrankenbestimmung des Anlageneigentums lässt sich auf einleuchtende Sachgründe zurückführen und genügt den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.

38

aa) Die Einführung der Veräußerungskürzung dient vornehmlich dem Ziel, bei den Betreibern von Energieanlagen wenigstens teilweise nicht intendierte Zusatzgewinne zu verhindern, die im Falle unentgeltlich zugeteilter Emissionsberechtigungen anfallen würden (Ausschussbericht BTDrucks 16/5769 S. 17). In der ersten Handelsperiode hatte sich herausgestellt, dass die Unternehmen der Stromwirtschaft den Wert der benötigen Zertifikate trotz kostenloser Zuteilung weitgehend als Opportunitätskosten in den Strompreis einrechneten (SRU, Umweltgutachten 2006, S. 7 f.; Küll, Grundrechtliche Probleme bei der Allokation von CO2-Zertifikaten, Diss. jur. Berlin Heidelberg 2009, S. 63 ff.). Das Ziel, diese Zusatzgewinne (windfall profits) abzuschöpfen bzw. - genauer - gar nicht erst entstehen zu lassen, ist legitim, da die unentgeltliche Zuteilung darauf abzielte, mit der Einführung des Emissionshandelssystems verbundene wirtschaftliche Mehrbelastungen abzufedern; nicht hingegen sollten den Unternehmen der Stromwirtschaft Zusatzgewinne in Gestalt der Einpreisung bloßer Opportunitätskosten verschafft werden.

39

Daneben soll durch eine entgeltliche Vergabe von Emissionsberechtigungen auch die Allokationseffizienz des Emissionshandels verbessert werden. Nach Einschätzung des Gesetzgebers werden die Berechtigungen im Falle einer Teilauktionierung nur dort verwendet, wo dies volkswirtschaftlich den größten Nutzen bringt. Dagegen könne die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten zu Fehlanreizen führen, wenn es etwa um die Entscheidung über die Ersetzung veralteter durch moderne Anlagen oder den Weiterbetrieb einer veralteten Anlage gehe. Dieses Problem bestehe insbesondere im Bereich der Kraftwerke (Ausschussbericht a.a.O.). Eine verbesserte Allokationseffizienz stärkt die Wirksamkeit des Emissionshandelssystems und erweist sich damit gleichfalls als legitime Zielsetzung.

40

Einen vernünftigen Sachgrund gibt schließlich auch das dritte nach dem Ausschussbericht verfolgte Ziel ab, mit der entgeltlichen Vergabe von Zertifikaten das Verursacherprinzip im Emissionshandel unmittelbar umzusetzen. Aus der Verringerung der Zuteilung kostenloser Berechtigungen folgt für die Verursacher der Emissionen die Notwendigkeit, entweder die Kohlendioxidemissionen durch Effizienzverbesserungsmaßnahmen zu reduzieren oder weitere Berechtigungen hinzuzuerwerben.

41

bb) Die Einfügung der Veräußerungskürzung in das Zuteilungsgesetz 2012 war zum Erreichen der vorgenannten Ziele geeignet. Dabei ist ein Mittel bereits dann im verfassungsrechtlichen Sinne geeignet, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann, wobei die Möglichkeit der Zweckerreichung genügt (stRspr, BVerfG, Beschluss vom 3. April 2001 - 1 BvL 32/97 - BVerfGE 103, 293 <307>).

42

(1) Im Umfang der Kürzung der unentgeltlichen Zuteilung entfallen die nicht gerechtfertigten Mitnahmeeffekte. Der Gesetzgeber konnte nach den Erfahrungen aus der ersten Handelsperiode gesichert davon ausgehen, dass es auf dem Sektor der Energiewirtschaft durch die Einpreisung von Opportunitätskosten in großem Umfang zu windfall profits gekommen ist, die ausschließlich aus der kostenlosen Zuteilung von Zertifikaten resultierten (SRU, Umweltgutachten 2006, S. 5 f.; Ecologic, Strompreiseffekte des Emissionshandels, 2005, S. 18 ff.). Die Teilveräußerung führt demgegenüber dazu, dass für die Unternehmen an die Stelle bloßer Opportunitätskosten reale Kosten treten und die den Endverbraucher belastenden Mehrkosten der Allgemeinheit zugute kommen.

43

Die Revision wendet hiergegen u.a. ein, dass bei einem Betrieb kleinerer Energieanlagen, wie dem Heizkraftwerk der Klägerin, mangels Einpreisungsmöglichkeit von Opportunitätskosten keine abschöpfungsfähigen Zufallsgewinne anfielen, dass die Stromproduktion für wärmegeführte Kraftwerke zum Teil ein Zuschussgeschäft sei und diese auch nicht wie viele Mittellastkraftwerke nach Bedarf und Nachfrage "am Strompreis entlang geführt" werden könnten. Richtig daran ist, dass ein Heizkraftwerk ausgerichtet auf den vorrangigen Wärmebedarf geführt wird, insoweit nicht auf Preisspitzen ausgerichtet Strom produzieren kann und folglich auch die Gewinnmargen bei der Produktion von Strom eingeschränkt sind. Ebenso kann eingeräumt werden, dass der überwiegende Teil der in Deutschland produzierten Strommengen nicht börslich gehandelt wird, der mit den Stromkunden der Klägerin vereinbarte Preis fest kalkuliert ist und kurzfristige Schwankungen des Börsenpreises insoweit keine Rolle spielen. Das ändert aber nichts daran, dass - wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat - auch die Strompreise regionaler Betreiber wärmegeführter Anlagen sich an längerfristigen Entwicklungen des Börsenpreises orientieren, in den die nach dem Prinzip der merit order Opportunitätskosten Eingang finden (zum Preisbildungsmechanismus auf den Strommärkten Öko-Institut, Kurzanalyse vom 14.Mai 2008, S. 7 ff.; Helbig, Windfall Profits im europäischen Emissionshandel, Diss. jur. Baden-Baden 2010, S. 99 ff.; Ockenfels Energiewirtschaftliche Tagensfragen 2007, 46 <49 ff.>). Diese Stromerzeuger profitieren deshalb von den in den Börsenpreis eingehenden windfall profits ebenfalls nicht nur, soweit sie selbst überschüssigen Strom an der Börse absetzen, sondern auch im Rahmen längerfristiger Lieferverträge.

44

(2) Den umfangreichen Einwendungen der Revision zur fehlenden Verbesserung der Allokationseffizienz durch eine entgeltliche Abgabe der Zertifikate ist zuzugeben, dass angesichts des "Caps" in § 4 Abs. 2 ZuG 2012 sich an der Zahl der zuzuteilenden Zertifikate - und damit am zulässigen Gesamtausstoß von Treibhausgasen - durch die Wahl der (Teil-)Veräußerung als Allokationsmethode nichts verändern kann (in diesem Sinne auch Burgi/Selmer, Verfassungswidrigkeit einer entgeltlichen Zuteilung von Emissionszertifikaten, 2007, S. 46) und die Allokationseffizienz der Erstzuteilung für die Kosteneffizienz der Treibhausgasreduktion volkswirtschaftlich von geringer Bedeutung ist. Doch lässt dieses Vorbringen der Revision außer Acht, dass das Gebot der Allokationseffizienz sich nicht in dem Ziel der Einhaltung der nationalen Zuteilungsmenge und deren Verteilung erschöpft, sondern sich weitergehend auf das Ziel des Zuteilungssystems selbst erstreckt, nämlich den Umstieg auf innovative Verfahren der Energieerzeugung zu befördern, die keine oder nur mehr Emissionsberechtigungen in geringem Umfang benötigen. Auch hierzu soll Anstoß gegeben werden (vgl. grundsätzlich Küll a.a.O. S. 51 f.). Denn bereits die Teilveräußerung von Berechtigungen macht die finanziellen Belastungen der Unternehmen von der Höhe der durch sie verursachten Emissionen abhängig und führt damit zugleich einen künftig verstärkt zu Buche schlagenden Kostenfaktor vor Augen. Sie sendet - auch mit Blick auf die ab 2013 weitgehend nur noch entgeltliche Zuteilung von Zertifikaten - schon jetzt ein Knappheitssignal aus, das einen Anreiz zur Vornahme von emissionsmindernden Technologieinnovationen setzt und den künftigen Knappheitsgrad als Belastungsfaktor sichtbar macht. Der Gesetzgeber konnte folglich - auch in Übereinstimmung mit dem Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU, Umweltgutachten 2006, S. 13, vgl. zudem die nachträgliche Bekräftigung seines Standpunkts im Umweltgutachten 2008 Rn. 176) - bei Erlass des Zuteilungsgesetzes 2012 davon ausgehen, dass bereits die Teilauktionierung zu einer Verbesserung der Allokationseffizienz führt.

45

(3) Die Teilauktionierung von Berechtigungen ist offensichtlich auch geeignet, externe Kosten der Freisetzung von Kohlendioxid auf die Verursacher zu verlagern und die insoweit beabsichtigte Internalisierung zu befördern.

46

cc) Die infolge der Veräußerungskürzung bewirkte Mehrbelastung der Betreiber von Energieanlagen ist auch als erforderlich anzusehen. Erforderlich in diesem Sinne ist ein Gesetz, wenn der Gesetzgeber nicht ein anderes, gleich wirksames, aber das Grundrecht nicht oder weniger stark einschränkendes Mittel hätte wählen können. Dabei steht dem Gesetzgeber bei Beurteilung der Erforderlichkeit des gewählten Mittels ein Beurteilungsspielraum zu, der nur in begrenztem Umfang überprüft werden kann (BVerfG, Beschluss vom 9. März 1994 - 2 BvL 43/92 u.a. - BVerfGE 90, 145 <173>).

47

Dem Gesetzgeber stand kein milderes, die Betroffenen weniger belastendes Mittel zur Verfügung, mit dem er seine Ziele, insbesondere das ihm vom Unionsrecht aufgegebene Funktionieren des Handelssystems bereits in der Übergangsphase, ebenso gut hätte erreichen können. Er war unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit nicht verpflichtet, auf andere Maßnahmen zur Abschöpfung ungerechtfertigter Mitnahmeeffekte auszuweichen. Mit einer dies gleichfalls bewirkenden Einführung einer Umweltabgabe kann schon nicht die Erwartung verbunden werden, dass es dadurch zu geringeren Belastungen käme; denn eine derartige Abgabe (vgl. hierzu Küll a.a.O. S. 65 Fn. 390) müsste sich nicht zwingend darauf beschränken, nur 10% der Zertifikatszuteilungen und die damit verbundene Einpreisung von Opportunitätskosten in Betracht zu nehmen.

48

dd) Der Gesetzgeber durfte weiterhin davon ausgehen, dass die Betreiber von Energieanlagen durch die Minderzuteilung kostenloser Emissionsberechtigungen nicht in einer außer Verhältnis zu den Zielen der Regelung stehenden Weise belastet werden. Aufgrund der Sachverständigenanhörung vor dem Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit war die Annahme gerechtfertigt, dass trotz Kürzung der unentgeltlichen Zuteilungen die Stromwirtschaft weiterhin Gewinne erlösen konnte. Dies gilt auch für die Sparte der Heizkraftwerke. Mehrkosten, die durch den Ankauf von Zertifikaten bedingt sind, können deren Betreiber in den Strompreis einstellen, notfalls auch über den Wärmepreis zumindest refinanzieren. Hinzu kommt, dass KWK-Anlagen entsprechend dem Anhang 5 zum Zuteilungsgesetz 2012 über einen sehr hohen Effizienzstandard verfügen, so dass die anteilige Kürzung nach § 4 Abs. 3 ZuG 2012 nur gering aus- oder völlig entfällt. Zudem hat der Gesetzgeber Heizkraftwerke mit dem Produkt Wärme von der Veräußerungskürzung nach § 20 ZuG 2012 ausgenommen. Aufgrund dessen konnte er sich von der Annahme leiten lassen, dass es aufs Ganze gesehen zu keiner unangemessenen Belastung der Betreiber von Heizkraftwerken kommen wird.

49

c) Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass in der Veräußerungskürzung allenfalls ein Eingriff in die durch Art. 12 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit zu sehen ist, der bei Vorliegen vernünftiger Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt ist. Insoweit gilt das zur eigentumsrechtlichen Verhältnismäßigkeit der Veräußerungskürzung bereits Ausgeführte. Die aus der Entgeltpflichtigkeit und der Verknappung von Emissionsberechtigungen resultierenden Beschränkungen auch der Berufsausübungsfreiheit sind notwendige Folge des mit den einzelnen Zuteilungsregelungen zulässigerweise verfolgten Ziels der Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen im Interesse des Klimaschutzes (Urteil vom 30. Juni 2005 - BVerwG 7 C 26.04 - BVerwGE 124, 47 <62> = Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 19 S. 104 <116>).

50

3. Die Veräußerungskürzung verletzt die Klägerin nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG.

51

Eine Beeinträchtigung des Gleichheitssatzes setzt eine unterschiedliche Behandlung vergleichbarer Sachverhalte voraus, und zwar ohne hinreichend gewichtigen Grund (BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 1997 - 1 BvL 5/89 - BVerfGE 96, 315 <325 > m.w.N.). Dabei ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Bei der Ungleichbehandlung von Personengruppen unterliegt der Gesetzgeber regelmäßig einer strengen Bindung (stRspr, BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2006 - 1 BvR 1160/03 - BVerfGE 116, 135 <160> m.w.N.; Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl. 2012, Art. 3 Rn. 19). Dies gilt auch dann, wenn eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt (BVerfG, Beschluss vom 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 - BVerfGE 118, 79 <100>). Im Übrigen gebietet Art. 3 Abs. 1 GG, Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu regeln (stRspr, BVerfG, Urteil vom 10. Dezember 1985 - 2 BvL 18/83 - BVerfGE 71, 255 <271>). Der Gleichheitssatz ist verletzt, wenn der Gesetzgeber es versäumt hat, Ungleichheiten der zu ordnenden Sachverhalte zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsdenken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssen. Innerhalb dieser Grenzen ist der Gesetzgeber in seiner Entscheidung frei (stRspr, BVerfG, Urteil vom 3. April 2001 - 1 BvR 1629/94 - BVerfGE 103, 242 <258 m.w.N.>). Dies führt im Einzelnen zu der Prüfung, ob für die vorgenommene Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können.

52

Daran gemessen ergibt sich, dass die hier betroffene Zuteilungsbeschränkung keiner strikten Bindung an den Verhältnismäßigkeitsmaßstab unterliegt. Das Zuteilungsgesetz 2012 knüpft mit seinen differenzierenden Regelungen allein an sachliche Unterschiede zwischen den dem Anhang 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes unterfallenden Anlagen an, nicht aber an personelle Merkmale. Auch wird keine mittelbare Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt. Es stellt sich damit lediglich die Frage des Vorliegens eines vernünftigen, sachlich einleuchtenden Grundes für eine im Gesetz angelegte unterschiedliche Behandlung von Sachverhalten (BVerfG, Urteil vom 13. März 2007 a.a.O. S. 109; BVerwG, Urteil vom 16. Oktober 2007 - BVerwG 7 C 6.07 - BVerwGE 129, 346 Rn. 17 = Buchholz 406.253 § 7 ZuG 2007 Nr. 1), hier die Beschränkung der Veräußerungskürzung auf Energieanlagen. Dabei gebietet Art. 3 Abs. 1 GG nicht, die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen (BVerfG, Beschluss vom 10. Dezember 1985 a.a.O. - m.w.N.).

53

Nach diesen Kriterien verstoßen weder die unterschiedliche Belastung von Energieanlagen und der Veräußerungskürzung nicht unterliegenden Industrieanlagen noch - bezogen auf das Produkt Strom - die Einbeziehung bestimmter Erscheinungsformen von Industriekraftwerken, stromgeführter Kondensationsanlagen und wärmegeführter KWK-Anlagen in die für Energieanlagen geltenden Kürzungsregelungen gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgebot.

54

a) Ein Vergleich der dem Anhang 1 Ziff. I - V zum Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz unterfallenden Energieanlagen mit der Gruppe der Industrieanlagen, die von der Veräußerungskürzung ausgenommen sind, ergibt, dass eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt ist. Der Gesetzgeber konnte vor Erlass des Zuteilungsgesetzes 2012 vernünftigerweise von der Annahme ausgehen, dass ein hoher Einpreisungsgrad nicht nur für Opportunitätskosten, sondern auch für Kosten des tatsächlichen Erwerbs von Zertifikaten in erster Linie auf dem Strommarkt gegeben ist. Nach den ersten Erfahrungen aus der Zuteilungsperiode 2005 bis 2007 war anders als auf dem deutschen Strommarkt eine vergleichbar weitgehende Einpreisung des Wertes der kostenlos zugeteilten Berechtigungen bei den Produkten anderer emissionshandelspflichtiger Anlagen nicht zu erwarten, da diese Anlagen entweder im internationalen Wettbewerb mit Anbietern stehen, die nicht dem Emissionshandel unterliegen, oder bei den Produkten Preiserhöhungen zu einem Nachfragerückgang führen und daher nicht durchsetzbar sind. Insoweit kann von keinem Einpreisungsgrad ausgegangen werden, der deren zusätzliche Belastung rechtfertigen würde (BTDrucks 16/5769 S. 17). Diese Annahme des Gesetzgebers findet ihre Bestätigung in der Fachliteratur: Auf dem Strommarkt spielten Importe aus Ländern, die nicht zu den Vertragsparteien des Kyoto-Protokolls gehören, keine Rolle, während sich die Marktpreise in anderen Sektoren auf dem Weltmarkt bildeten. Dort konkurrierten Unternehmen, die dem Regime des Emissionshandels unterliegen, mit Anbietern, die dem Treibhausgasemissionshandel nicht unterworfen sind, so dass die Kosten von Emissionszertifikaten nur unter deutlich schwierigeren Voraussetzungen eingepreist werden könnten (Sijm/Bakker/Chen/Harmsen/Lise, CO2 price dynamics, ECN September 2005, S. 40; Küll a.a.O. S. 62 f.).

55

b) Auch die Behandlung von Teilen der Industriekraftwerke als Energieanlagen ist mit dem Gleichheitssatz vereinbar. Die Revision bezieht sich für ihre gegenteilige Auffassung auf solche Industriekraftwerke, die entweder als dienende Anlagenteile zusammen mit einer nicht-emissionshandlungspflichtigen Anlage oder eigenständig (allein als Kraftwerk) genehmigt worden sind, auch wenn sie am Standort einer Industrieanlage stehen und diese versorgen. Für die Zuteilung von Emissionsberechtigungen folgen diese Typen von Industriekraftwerken gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 bzw. § 3 Abs. 3 Satz 2 TEHG a.F. den Zuteilungsregeln für Energieanlagen, während für Kraftwerke, die als dienende Anlagenteile zusammen mit einer emissionshandelspflichtigen Industrieanlage im Sinne von Anhang 1 Ziff. VI ff. zum Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz genehmigt worden sind, die Zuteilungsregeln für Industrieanlagen gelten, was wiederum aus § 3 Abs. 3 Satz 2 TEHG a.F. folgt (vgl. auch DEHSt, Hinweise zum Anwendungsbereich des TEHG für die Zuteilungsperiode 2008 - 2012, S. 19).

56

Art. 3 Abs. 1 GG gebietet nicht, die erstgenannten Gruppen von Industriekraftwerken von der Veräußerungskürzung auszunehmen. Die Betreiber dieser Kraftwerke profitieren ebenfalls von dem am Strommarkt gebildeten Preis, der durch die Einpreisung von Opportunitätskosten der Energiewirtschaft mitbestimmt wird. Dies geschieht zwar in deutlich geringerem Umfang, weil - ähnlich wie bei Heizkraftwerken - die Produktion von Strom nicht primär darauf ausgerichtet ist, Strom in das Netz einzuspeisen, sondern vorrangig der Versorgung der betreffenden Industrieanlage dient; insoweit können also keine Zusatzgewinne durch Einpreisung von Opportunitätskosten anfallen. Dennoch durfte der Gesetzgeber darauf abstellen, dass auch Energieerzeuger, die Strom - ggf. auch unter dem Marktpreis - unternehmensintern abgeben, objektiv Zusatzgewinne erwirtschaften können (BTDrucks 16/5769 S. 17); ausweislich einer Veröffentlichung des Verbandes der Elektrizitätswirtschaft vom April 2007 wurden im Jahr 2006 aus industriellen Eigenanlagen 37,8 Mrd. KWh Strom an andere Verbraucher geliefert (VDEW, Strom-Daten, 4/2007, S. 18 ff.). Mit der Entscheidung, selbstständig genehmigte Industriekraftwerke bzw. Industriekraftwerke, die als Bestandteile von nicht emissionshandelspflichtigen Industrieanlagen genehmigt worden sind, generell der Veräußerungskürzung zu unterwerfen, hat der Gesetzgeber einen pauschalierenden Ansatz gewählt, der angesichts der Komplexität der Regelungsmaterie vor Art. 3 Abs. 1 GG Bestand hat.

57

c) Die Einbeziehung der vorgenannten Gruppen von Industriekraftwerken mit dem von ihnen produzierten Strom in die Veräußerungskürzung begegnet unter dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes auch nicht deswegen Bedenken, weil zusammen mit einer emissionshandelspflichtigen Industrieanlage genehmigte Kraftwerke der Kürzung nicht unterworfen worden sind. Es liegt bereits in der Logik des Zuteilungssystems (§ 3 Abs. 3 Satz 2 TEHG a.F.), bei einer durch die Genehmigungslage dokumentierten Primärausrichtung eines Industriekraftwerks auf die dem industriellen Sektor zugeordnete emissionshandelspflichtige Hauptanlage auch dieses deren Zuteilungssystem zu unterwerfen. Hinzu kommt: Ein vernünftiger, sachlich einleuchtender Grund einer Differenzierung zwischen Industriekraftwerken, die als Bestandteil oder Nebeneinrichtung einer Industrieanlage im Sinne von § 1 Abs. 2 der 4. BImSchV genehmigt worden sind, und solchen, die einem selbstständigen Genehmigungsverfahren unterzogen wurden, liegt darin, dass die gesonderte Zuteilung von Emissionsberechtigungen an das zusammen mit der Industrieanlage genehmigte Kraftwerk mit einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand verbunden wäre. Angesichts der unterschiedlichen Zuteilungsmethoden auf der Basis historischer Emissionen für Bestandsanlagen der Industrie einerseits (§ 6 Abs. 1 ZuG 2012) und auf der Basis von Benchmarks für Energieanlagen andererseits (§ 7 Abs. 1 ZuG 2012) müsste der Anteil des Industriekraftwerks an den historischen Emissionen der Industrie-Gesamtanlage für die Produkte Strom, Dampf und Prozesswärme separat ermittelt werden. Die dafür benötigten Daten ließen sich allenfalls mit hohem Verwaltungsaufwand beschaffen. Da die Praktikabilität des Rechts zu den notwendigen Voraussetzungen eines gleichheitsgerechten Gesetzesvollzugs gehört (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 2005 - 2 BvF 2/01 - BVerfGE 113, 167 <236>), durfte die mit der getroffenen Regelung verbundene Pauschalierung in Kauf genommen werden, um einen unverhältnismäßigen Aufwand zu vermeiden.

58

d) Ebenso wenig verstößt es gegen den Gleichheitssatz, dass wärmegeführte KWK-Anlagen wie das Heizkraftwerk der Klägerin und stromgeführte Kondensationsanlagen bezogen auf das Produkt Strom gleichermaßen der Veräußerungskürzung unterworfen sind. Dies folgt schon daraus, dass der Gesetzgeber bei der Ordnung von Massenerscheinungen berechtigt ist, typisierende Regelungen zu treffen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 16. Juli 2012 - 1 BvR 2983/10 - juris Rn. 49 m.w.N.). Er musste deshalb die Produktion von Strom in einem Heizkraftwerk - zumal angesichts dessen untergeordneten Anteils an der Produktpalette einer derartigen Anlage - nicht anders behandeln als die Erzeugung von Strom in Kondensationsanlagen. Der Gesetzgeber war auch deswegen im Rahmen des § 2 Abs. 1 Satz 1 TEHG a.F. i.V.m. Anhang 1 Nr. 1 zu keiner weiteren Differenzierung verpflichtet, weil er die Besonderheiten von KWK-Anlagen gegenüber ausschließlich stromgeführten Anlagen durch eine deutliche Besserstellung in anderer Hinsicht berücksichtigt hat; denn diese unterliegen zum einen mit ihrem Hauptprodukt Wärme nicht der Veräußerungskürzung und sind zum anderen in Folge des (im Anhang 5 zum Zuteilungsgesetz 2012 niedergelegten) Effizienzstandards im Regelfall von einer anteiligen Kürzung ausgenommen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 397/02 Verkündet am:
2. Dezember 2003
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
AGB-Postbank § 19 Abs. 1

a) Eine erwerbswirtschaftlich tätige, aber ausschließlich von der öffentlichen Hand
beherrschte Gesellschaft hat das in Art. 3 Abs. 1 GG zum Ausdruck kommende
Willkürverbot zu beachten.

b) Die ohne sachgerechten Grund erklärte Kündigung eines Girovertrages durch
ein ausschließlich staatlich beherrschtes Kreditinstitut verstößt gegen das Willkürverbot
und ist gemäß § 134 BGB nichtig.

c) Ein ausschließlich staatlich beherrschtes Kreditinstitut darf die politische Zielrichtung
einer Partei nicht zum Anlaß für eine Kontokündigung nehmen, solange
das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit der Partei nicht
festgestellt hat.
BGH, Urteil vom 2. Dezember 2003 - XI ZR 397/02 - OLG Celle
LG Hannover
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 2. Dezember 2003 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe
und die Richter Dr. Bungeroth, Dr. Müller, Dr. Wassermann und Dr. Appl

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 25. September 2002 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger, der Landesverband Niedersachsen der Republikaner, nimmt die beklagte Postbank auf Fortführung eines Girokontos in Anspruch.
Am 25. Juli 1990 ließ der Kläger ein Girokonto bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten eröffnen. Im August und September 2000 wurde in mehreren Zeitungen über die Geschäftsverbindungen der Beklagten zu "rechtsextremen" Parteien berichtet. Am 12. September 2000 kündigte die Beklagte gemäß § 19 Abs. 1 AGB-Postbank mit Wirkung zum 24. Oktober 2000 das Girokonto mit der Begründung, es bestehe kein Interesse an einer Fortführung der Geschäftsverbindung. Bei anderer Gelegenheit verwies sie darauf, keine Geschäftsbeziehung zu verfas-
sungsfeindlichen Organisationen unterhalten zu wollen; ihr Vorstand ha- be die Kündigung sämtlicher Konten rechtsradikaler Parteien und Organisationen beschlossen, um "einen wichtigen Beitrag zur politischen Hygiene" zu leisten und sich der "gesellschaftlichen Verantwortung" zu stellen.
Der Kläger hält die Kündigung für unwirksam, weil er als Landesverband einer politischen Partei dringend auf eine Bankverbindung angewiesen sei, zu deren Eröffnung andere Kreditinstitute nicht bereit seien. Die Beklagte beruft sich darauf, die Kündigung angesichts der öffentlichen Kritik zur Wahrung ihrer wirtschaftlichen Interessen ausgesprochen zu haben. Als Rechtsperson des Privatrechts und Grundrechtsträgerin stehe es ihr zudem frei, eine Geschäftsbeziehung aus politischen oder weltanschaulichen Gründen zu beenden. Der Kläger möge die Kontoeröffnung bei einer Sparkasse durchsetzen.
Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, das Konto einstweilen fortzuführen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und sie auf die Anschlußberufung des Klägers zur - unbefristeten - Fortführung des Kontos verurteilt. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist unbegründet.

I.


Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet:
Die von der Beklagten ausgesprochene, ausschließlich politisch motivierte Kündigung stelle sich als unzulässige Rechtsausübung im Sinne von § 242 BGB dar und sei daher unwirksam. Solange vom Bundesverfassungsgericht nicht für verfassungswidrig erklärt, genieße der Kläger den besonderen Schutz des Art. 21 GG. Das durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Interesse der Beklagten an einer Beendigung der Geschäftsbeziehung trete bei Abwägung der beiderseitigen Interessen gegenüber der grundgesetzlich geschützten Position des Klägers als politischer Partei zurück. Die Beklagte könne keine bankspezifischen Gründe für die Aufkündigung der Vertragsbeziehung vorweisen, während der Kläger auf das Fortbestehen der Kontoverbindung angewiesen sei. Eine politische Partei könne die ihr zugewiesenen Aufgaben in organisatorischer Hinsicht nur erfüllen, wenn sie über die notwendigen technischen Einrichtungen und Voraussetzungen verfüge, wozu auch eine Bankverbindung gehöre. Andere Kreditinstitute seien, wie der Kläger bewiesen habe, nicht bereit, eine Geschäftsbeziehung mit ihm aufzunehmen. Der Kläger sei auch nicht gehalten, die örtliche Sparkasse gerichtlich auf Eröffnung einer Kontoverbindung in Anspruch zu nehmen. Als Rechtsgrundlage für ein solches Begehren komme nur ein zivilrechtlicher Kontrahierungszwang in Betracht, der jedoch ausscheide, wenn der örtlichen Sparkasse - wie hier - keine marktbeherrschende Stellung zukomme.

II.


Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand. Die Beklagte ist zur Fortführung des Girokontos verpflichtet.
Die Kündigung verstößt gegen das in Art. 3 Abs. 1 GG zum Ausdruck kommende Willkürverbot und ist gemäß § 134 BGB nichtig (vgl. zur Anwendbarkeit des § 134 BGB auf Grundrechtsverstöße: BGHZ 65, 284, 287; Senatsurteil vom 11. März 2003 - XI ZR 403/01, WM 2003, 823, 824, zum Abdruck in BGHZ vorgesehen; MünchKomm/Mayer-Maly/ Armbrüster, BGB 4. Aufl. § 134 Rdn. 33). Auf die Abwägung widerstreitender , durch das Grundgesetz geschützter Interessen des Klägers und der Beklagten kommt es - anders als im Rahmen der vom Berufungsgericht herangezogenen Generalklausel des § 242 BGB - nicht an.
1. Die Beklagte unterlag bei der Kündigung des Girokontos am 12. September 2000 - auf diesen Zeitpunkt ist bei der Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung abzustellen - dem Willkürverbot. Sie ist im Jahre 1995 im Zuge der Postreform II durch Umwandlung des Sondervermögens Deutsche Bundespost in Aktiengesellschaften gemäß Art. 143 b Abs. 1 Satz 1 GG, § 1 PostUmwG entstanden. Alleiniger Aktionär der Beklagten ist die Deutsche Post AG, deren Aktien im Zeitpunkt der Kündigung noch vollständig im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland und der Kreditanstalt für Wiederaufbau, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, standen. Der Börsengang der Deutschen Post AG erfolgte erst im November 2000 und damit nach der Kündigung des Girokontos des Klägers.

a) Nach einem zur Deutschen Post AG ergangenen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. März 1998 (BVerwGE 113, 208, 211) unterliegt auch ein privatrechtliches Unternehmen, das im Alleinbesitz des Staates erwerbswirtschaftlicher Tätigkeit nachgeht, der Grundrechtsbindung. Art. 3 GG findet danach unmittelbar Anwendung (ebenso Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG 4. Aufl. Art. 87 f Rdn. 87 Fn. 54; Dreier, GG Art. 1 Abs. 3 Rdn. 48 ff.; Höfling, in: Sachs, GG 3. Aufl. Art. 1 Rdn. 94 ff.; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG 6. Aufl. Art. 1 Rdn. 28 f.; Stern, Staatsrecht Bd. III/1 § 74 IV 5; von Arnauld DÖV 1998, 437, 444; a.A.: Uerpmann, in: v. Münch/Kunig, GG 5. Aufl. Art. 87 f Rdn. 11 b; Windthorst, in: Sachs, GG 3. Aufl. Art. 87 f Rdn. 9; Herdegen, in: PostG-Kommentar VerfGrdl. Rdn. 60).

b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die öffentliche Hand bei rein fiskalischem Handeln zwar nicht unmittelbar an die Grundrechte gebunden (BGHZ 36, 91, 96; BGH, Urteil vom 14. Dezember 1976 - VI ZR 251/73, NJW 1977, 628, 629 f.). Sie muß aber auch in diesem Bereich gewisse Bindungen und Schranken beachten , die für Privatpersonen nicht in entsprechender Weise gelten. Insbesondere gilt das Verbot willkürlichen Verhaltens als niedrigste Stufe einer öffentlich-rechtlichen Bindung privatrechtlichen Handelns des Staates (BGH, Urteil vom 14. Dezember 1976 aaO; vgl. auch BVerfGE 98, 365, 395; Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes BGHZ 97, 312, 317; BGH, Urteil vom 6. Juni 1967 - VI ZR 214/65, NJW 1967, 1911). Danach kann es auch einer erwerbswirtschaftlich tätigen Gesellschaft, deren Anteile sich unmittelbar oder über eine oder mehrere Gesellschaften mittelbar im Besitz der öffentlichen Hand befinden und hinter der deshalb jedenfalls mittelbar die Organisations- und
Finanzkraft des Staates steht, weshalb sie dessen Einwirkungsmöglichkeiten in jeder Hinsicht unterliegt, nicht freistehen, bestimmte Geschäftsoder Vertragspartner willkürlich zu benachteiligen.
2. Das Willkürverbot ist verletzt, wenn sich bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken ein sachgerechter Grund für eine Maßnahme der öffentlichen Gewalt nicht finden läßt (BVerfGE 55, 72, 89 f.; 78, 232, 248). Einen solchen Grund hat die Beklagte nicht dargelegt.

a) Die zum Kündigungszeitpunkt zu 100% staatliche Beklagte durfte die politische Zielrichtung des Klägers nicht zum Anlaß für eine Kündigung nehmen. Dies wäre ihr selbst dann verwehrt, wenn der Kläger - was die Beklagte nicht einmal behauptet - verfassungsfeindlich ausgerichtet wäre (Senatsurteil vom 11. März 2003, aaO S. 825). Nach Art. 21 Abs. 2 Satz 2 GG entscheidet über die Verfassungswidrigkeit einer Partei das Bundesverfassungsgericht. Hierbei handelt es sich nicht um eine bloße Zuständigkeitsregelung, sondern - i.V. mit Art. 21 Abs. 1 GG - um eine Privilegierung der politischen Parteien gegenüber anderen Vereinigungen und Verbänden. Bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kann deshalb niemand die Verfassungswidrigkeit einer Partei rechtlich geltend machen (BVerfGE 12, 296, 304; 40, 287, 291). Erst recht kann demnach die politische Zielrichtung einer nicht verfassungswidrigen Partei eine ihr rechtlich nachteilige Handlung nicht rechtfertigen. Eine Partei soll in ihren politischen Aktivitäten von jeder rechtlichen Behinderung frei sein, solange sie mit allgemein erlaubten Mitteln arbeitet (BVerfGE 13, 123, 126; 39, 334, 357; 40, 287, 291; 47, 130, 139; BVerfG NJW 2001, 2076, 2077).

Die Kündigung, mit der die Beklagte "einen wichtigen Beitrag zur politischen Hygiene" leisten wollte, stellt eine unzulässige rechtliche Behinderung dar. Sie greift zwar nicht unmittelbar in die politische Tätigkeit des Klägers ein, beeinträchtigt seine Betätigungsfreiheit aber wesentlich, und zwar mit politischer Zielsetzung. Der Kläger ist bei seiner Arbeit auf die Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr angewiesen. Anders kann er Zahlungen von existentieller Bedeutung, nämlich die staatliche Parteienfinanzierung (§ 19 Abs. 1 Satz 2 ParteiG), nicht entgegennehmen. Ebensowenig kann er ohne Konto Mitgliedsbeiträge einziehen oder Geldspenden empfangen. Auch die Begleichung von Mieten, Telefongebühren oder von Rechnungen im Zusammenhang mit Parteiveranstaltungen ist in weitem Umfang ohne Girokonto praktisch nicht durchführbar (vgl. Senatsurteil vom 11. März 2003, aaO S. 825).
Ob eine rechtliche Behinderung des Klägers zu verneinen wäre, wenn ein anderes Kreditinstitut zur Eröffnung eines Girokontos bereit wäre, bedarf keiner Entscheidung. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, daß dies nicht der Fall ist. Auch die Möglichkeit, einen Anspruch auf Eröffnung und Führung eines Girokontos gegen die am Sitz des Klägers ansässige Stadtsparkasse - eventuell durch mehrere Instanzen - einzuklagen, läßt eine rechtlich erhebliche Behinderung des Klägers nicht entfallen. Ebensowenig muß sich der - gesondert zur Rechenschaftslegung verpflichtete (§ 23 Abs. 1 Satz 3 ParteiG) - Kläger auf die Nutzung eines Treuhandkontos (vgl. hierzu Senatsurteil vom 11. März 2003, aaO S. 825) oder eines Kontos der Bundespartei verweisen lassen.

b) Die Beklagte kann die Kündigung auch nicht mit behaupteten wirtschaftlichen Nachteilen rechtfertigen, die bei Fortführung der Geschäftsverbindung mit dem Kläger drohen könnten. Sie hat nicht hinreichend dargelegt, daß die Aufrechterhaltung des seit über zehn Jahren beanstandungsfrei geführten Kontos des Klägers für sie zu einem Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Kreditinstituten führen würde, etwa weil die Kündigung der Geschäftsbeziehungen durch andere Kunden zu gewärtigen wäre. Ebensowenig hat die Beklagte einen ihr möglicherweise drohenden Imageschaden substantiiert ausgeführt. Zudem befürchtet sie diesen Schaden allein aufgrund der politischen Zielrichtung des Klägers , die, wie dargelegt, die dem Willkürverbot unterliegende Beklagte rechtlich nicht zu dessen Nachteil geltend machen kann.

III.


Die Revision der Beklagten war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Nobbe Bungeroth Müller
Wassermann Appl

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 424/02 Verkündet am:
24. Oktober 2003
K a n i k ,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Eine Gebietskörperschaft, die als Grundstückseigentümerin von der in einem privatnützigen
wasserrechtlichen Planfeststellungsbeschluß (hier: Genehmigung zum
Sand- und Kiesabbau) vorgegebenen Trassenführung für die Erschließung des Abbaugebiets
betroffen ist, unterliegt hinsichtlich der Benutzung ihrer Grundstücke keinem
Duldungs- oder Kontrahierungszwang.
BGH, Urteil vom 24. Oktober 2003 - V ZR 424/02 - OLG Celle
LG Verden
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 24. Oktober 2003 durch die Richter Tropf, Prof. Dr. Krüger, Dr. Lemke,
Dr. Schmidt-Räntsch und die Richterin Dr. Stresemann

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 12. November 2002 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 5. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Verden vom 20. Juni 2002 wird hinsichtlich des auf die Verurteilung des Beklagten zum Abschluß einer Vereinbarung gerichteten Hauptantrags als unzulässig verworfen und im übrigen zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin erhielt mit einem für sofort vollziehbar erklärten Planfeststellungsbeschluß vom 15. Februar 2001 die Genehmigung zur Herstellung eines Gewässers durch die Neuaufnahme eines Bodenabbaus (§§ 119, 127 Niedersächsisches Wassergesetz vom 25. März 1998, Nds. GVBl. S. 86
[NWG]). Damit und mit den vorbereitenden Arbeiten darf nach den Feststellun- gen erst begonnen werden, "wenn der Ausbau der Gemeindestraßen, die im Eigentum des Flecken B. ... stehen, und deren spätere Inanspruchnahme durch den Schwerlastverkehr einvernehmlich vertraglich geregelt ist, ... Gleiches gilt für die Inanspruchnahme des bisher landwirtschaftlich genutzten Grundstücksstreifens zum Zwecke des Wegebaues und der anschließenden Nutzung als Transportweg". Der Beschluß wird erst mit dem Eintritt dieser Bedingungen wirksam. Dem liegt zugrunde, daß der Klägerin für die Erschließung der Abbaustätte eine bestimmte Trassenführung vorgegeben ist. Sie führt u.a. über zwei Grundstücke des Beklagten; auf einem befindet sich ein Weg, der für den Schwerlastverkehr nicht geeignet ist, das andere wird landwirtschaftlich genutzt.
Der Beklagte verweigert die Nutzung seiner Grundstücke durch die Klägerin und den Abschluß einer Nutzungsvereinbarung. Er hat gegen den Planfeststellungsbeschluß Anfechtungsklage erhoben, über die noch nicht entschieden ist.
Die Klägerin hat die Verurteilung des Beklagten zur Duldung des Ausbaus des bereits vorhandenen Weges und des Baus einer neuen Straße beantragt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat den Beklagten zum Abschluß einer Vereinbarung mit der Klägerin verurteilt, in welcher der Klägerin gestattet wird, die bereits vorhandene Gemeindestraße zu verstärken und zu verbreitern sowie eine neue Straße in einer näher bestimmten Art und Weise zu bauen. Das Berufungsurteil enthält keinen Tatbestand, sondern lediglich eine Bezugnahme auf die in erster Instanz getroffenen sowie einige ergänzende Feststellungen, allerdings keine Berufungsanträge.

Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision, deren Zu- rückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


I.


Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat die Klägerin gegen den Beklagten einen Anspruch auf Abschluß der ausgeurteilten Vereinbarung, weil zu ihren Gunsten ein Kontrahierungszwang für den Beklagten besteht. Die Anspruchsgrundlage ergebe sich aus dem Planfeststellungsbeschluß in Verbindung mit § 75 Abs. 1 Satz 2 VwVfG.
Das hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

II.


1. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, "um dem beklagten Flecken die Überprüfung der Rechtsauffassung des Senats, eine räumlich betroffene Gebietskörperschaft sei an die Entscheidung des Planfeststellungsbeschlusses hinsichtlich der Erschließung gebunden und könne diese nicht wegen Bedenken gegen die Erlaubnis der Maßnahme als solcher verweigern, zu ermöglichen". Daran ist das Revisionsgericht gebunden (§ 543 Abs. 2
Satz 2 ZPO), obwohl die Begründung des Berufungsgerichts keinen Zulas- sungsgrund nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO erkennen läßt.
2. Das Berufungsurteil ist nicht schon deshalb aufzuheben, weil es die von der Klägerin gestellten Berufungsanträge nicht wiedergibt. Auf das Berufungsverfahren war die Zivilprozeßordnung in der ab dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung anzuwenden, weil die mündliche Verhandlung vor dem Landgericht am 30. Mai 2002 geschlossen worden war (vgl. § 26 Nr. 5 EGZPO); demgemäß reichte für die Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil anstelle des Tatbestands aus (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Aber eine solche Verweisung kann sich nicht auf den in der zweiten Instanz gestellten Berufungsantrag der Klägerin erstrecken. Die Aufnahme der Berufungsanträge in das Berufungsurteil ist auch nach neuem Recht nicht entbehrlich. Der Antrag braucht zwar nicht wörtlich wiedergegeben zu werden; aus dem Zusammenhang muß jedoch wenigstens sinngemäß deutlich werden, was der Berufungskläger mit seinem Rechtsmittel erstrebt hat (BGH, Urt. v. 26. Februar 2003, VIII ZR 262/02, NJW 2003, 1743; vgl. auch Senat, Urt. v. 6. Juni 2003, V ZR 292/02, Umdruck S. 5 [zur Veröffentl. best.]). Das ist hier der Fall. Aus dem Tenor des Berufungsurteils und den Urteilsgründen (Seite 5) in Verbindung mit dem Schriftsatz der Klägerin vom 12. September 2002 ergibt sich, daß die Klägerin von dem Beklagten in der Berufungsinstanz in erster Linie die Abgabe einer Willenserklärung, nämlich die Annahme einer von der Klägerin vorgeschlagenen Vereinbarung, verlangt hat. Hilfsweise hat sie nach dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht die Verurteilung des Beklagten zur Duldung des Wegeausbaus sowie weiter hilfsweise die Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zur Mitwirkung bei dem Ab-
schluß einer Vereinbarung und ferner hilfsweise die Feststellung einer Amtspflichtverletzung des Beklagten beantragt. Daß in dem Protokoll lediglich auf die hilfsweise gestellten Anträge durch die Bezeichnung der Blattzahl der Gerichtsakten verwiesen wird, beruht offensichtlich auf einem Versehen. Das wirkliche Ziel der Klägerin im Berufungsverfahren wird somit noch ausreichend erkennbar.

III.


Der Klägerin kann gegen den Beklagten jedoch kein Recht auf den Abschluß einer Vereinbarung betreffend die Nutzung seiner Grundstücke oder auf Duldung von Straßenbaumaßnahmen zuerkannt werden.
1. Die Berufung ist teilweise unzulässig. Das Verlangen der Klägerin nach Verurteilung des Beklagten zur Annahme eines Vertragsangebots stellt eine Klageänderung in der Berufungsinstanz dar; die Klägerin hat ihren Klageantrag über § 264 Nr. 2 ZPO hinausgehend und damit den Streitgegenstand geändert. Denn in der ersten Instanz hat sie ausschließlich die Verurteilung des Beklagten zur Duldung des Straßenbaus beantragt. Eine solche Klageänderung kann nach § 533 ZPO zulässig sein. Das besagt allerdings noch nichts über die vorrangig zu prüfende Zulässigkeit der Berufung.
Das Berufungsgericht hat verkannt, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes die Berufung nur dann zulässig ist, wenn der Berufungskläger mit ihr die Beseitigung einer in dem angefochtenen Urteil liegenden Beschwer erstrebt. Eine Berufung ist daher unzulässig, wenn sie bei
Schluß der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht den in erster Instanz erhobenen Klageanspruch nicht wenigstens teilweise weiter verfolgt, also - im Fall einer erstinstanzlichen Klageabweisung - deren Richtigkeit gar nicht in Frage stellt, sondern lediglich im Wege der Klageänderung einen neuen , bislang nicht geltend gemachten Anspruch zur Entscheidung stellt; die bloße Erweiterung oder Änderung der Klage in zweiter Instanz kann nicht alleiniges Ziel des Rechtsmittels sein, vielmehr setzt ein derartiges Prozeßziel eine zulässige Berufung voraus (siehe nur Senatsurt. v. 15. März 2002, V ZR 39/01, NJW-RR 2002, 1435, 1436 m.w.N.).
Danach ist die Berufung hinsichtlich des Hauptantrags, der auf die Abgabe einer Willenserklärung des Beklagten gerichtet ist, unzulässig. Der erstinstanzliche Klageantrag, der auf die Duldung von Straßenbaumaßnahmen gerichtet war, setzte eine Duldungspflicht des Beklagten und somit eine entsprechende Anspruchsgrundlage für die Klägerin voraus. Dagegen sollte mit der in der Berufungsinstanz in erster Linie beantragten Verurteilung eine solche Anspruchsgrundlage erst geschaffen werden. Somit hat die Klägerin nicht mehr die Beseitigung der in dem erstinstanzlichen Urteil liegenden Beschwer verfolgt. Dieses Ergebnis konnte sie auch nicht dadurch vermeiden, daß sie den in erster Instanz erhobenen Anspruch in der Berufungsinstanz hilfsweise weiter verfolgt hat. Denn die Zulässigkeit eines Hauptantrags kann nicht allein aus der Zulässigkeit eines Hilfsantrags hergeleitet werden, der nur für den Fall gestellt wird, daß der Hauptantrag unbegründet ist (BGH, Urt. v. 11. Oktober 2000, VIII ZR 321/99, WM 2001, 45, 46).
2. Soweit die Klägerin in der Berufungsinstanz ihr erstinstanzliches Klageziel hilfsweise aufrechterhalten hat, ist die Berufung zulässig. Die Unzulässigkeit einer Berufung hinsichtlich des Hauptantrags führt nämlich nicht zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels insgesamt; dieses ist vielmehr insoweit zulässig , als der Berufungskläger mit einem Hilfsantrag zumindest teilweise die Beseitigung der in dem erstinstanzlichen Urteil liegenden Beschwer erstrebt. Denn mit dem Hilfsantrag bringt der Berufungskläger zum Ausdruck, daß er sich mit der Abweisung seines ursprünglich geltend gemachten Anspruchs nicht abfinden will (BGH, Urt. v. 11. Oktober 2000, aaO). So war es hier mit dem in dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht in bezug genommenen ersten Hilfsantrag der Klägerin aus ihrem Schriftsatz vom 21. Oktober 2002. Hinsichtlich der beiden weiteren in diesem Schriftsatz angekündigten Hilfsanträge, die auf die Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zur Mitwirkung bei dem Abschluß einer Vereinbarung über den Ausbau und die Unterhaltung der für den Straßenbau benötigten Grundstücke und auf die Feststellung, daß der Beklagte mit seiner Verweigerung seine ihm gegenüber der Klägerin obliegenden Amtspflichten verletzt, gerichtet sind, ist die Berufung ebenfalls zulässig, weil die Klägerin sie erst in zweiter Linie nach ihrem ersten Hilfsantrag verfolgt.
3. Nach alledem wäre die Berufung insgesamt zulässig gewesen, wenn die Klägerin ihren Hauptantrag als ersten Hilfsantrag und ihren ersten Hilfsantrag als Hauptantrag gestellt hätte. Das hat das Berufungsgericht nicht erkannt. Dieser Fehler zwingt jedoch nicht zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Denn selbst wenn es die prozessuale Situation richtig erkannt, deshalb der Klägerin einen auf die Umstellung der Anträge gerichteten Hinweis nach § 139 ZPO erteilt und die Kläge-
rin darauf die Anträge umgestellt hätte, wäre die Berufung erfolglos geblieben. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Duldung von Straßenbaumaßnahmen oder auf Abschluß eines Nutzungsvertrags.

a) Der Planfeststellungsbeschluß überträgt - unabhängig davon, daß er noch nicht wirksam ist, weil die aufschiebende Bedingung der einvernehmlichen vertraglichen Regelung zwischen der Klägerin und dem Beklagten über den Aus- und Neubau einer Straße noch nicht eingetreten ist - dem Träger des Vorhabens keine privatrechtlichen Rechte und Befugnisse, selbst wenn diese unabdingbare Voraussetzung für die Durchführung des geplanten Vorhabens sind, insbesondere kein Recht auf die Benutzung fremder Grundstücke (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl., § 75 Rdn. 12). Die Planfeststellung führt selbst keine unmittelbaren privatrechtlichen Veränderungen herbei. Insbesondere läßt sie das Eigentum an und die Verfügungsbefugnis über Grundstücke unberührt, die für das Vorhaben benötigt werden. Die Ausführung des festgestellten Plans steht grundsätzlich unter dem Vorbehalt, daß entgegenstehende private Rechte gütlich oder im Enteignungsverfahren beseitigt werden (Bonk/Neumann in: Stelken/Bonk/Sachs/Neumann, VwVfG, 6. Aufl., § 75 Rdn. 31; vgl. auch BVerfGE 45, 297, 319). Hier kommt noch hinzu, daß das geplante Vorhaben ausschließlich den wirtschaftlichen Interessen der Klägerin dient und es sich deshalb um eine sogenannte privatnützige wasserrechtliche Planfeststellung handelt (BVerwGE 85, 155, 156). Sie rechtfertigt wegen des Fehlens eines sie tragenden öffentlichen Interesses keine Eingriffe in Rechte Dritter; sie ist ihrem wesentlichen Entscheidungsgehalt nach nicht Eingriffsakt, sondern nimmt - jedenfalls für den Antragsteller, hier also für die Klägerin - die Funktion einer Genehmigung ein (BVerwGE 55, 220, 226). Somit begründet der Planfeststellungsbeschluß vom 15. Februar 2001 keine Ansprüche der
Klägerin gegen den Beklagten hinsichtlich der Nutzung seiner Grundstücke für den Straßenbau. Insbesondere statuiert er keine Duldungspflicht des Beklagten. Daran ändert die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit des Beschlusses (§§ 80 Abs. 2 Nr. 4, 80a Abs. 1 Nr. 1 VwGO) nichts. Auch wenn er unanfechtbar wäre, könnte die Klägerin aus ihm - wie ausgeführt - keine Rechte gegen den Beklagten herleiten.

b) Zu Unrecht hält das Berufungsgericht einen Anspruch der Klägerin nach § 75 Abs. 1 Satz 2 VwVfG für gegeben. Nach dieser Vorschrift werden durch die Planfeststellung nur die öffentlich-rechtlichen Beziehungen zwischen dem Träger des Vorhabens und den durch den Plan Betroffenen rechtsgestaltend geregelt. Darum geht es hier jedoch nicht. Der Planfeststellungsbeschluß enthält hinsichtlich der Erschließung des Abbaugebiets keine öffentlichrechtlichen Regelungen; vielmehr erklärt er den Beginn des Abbaus einschließlich der vorbereitenden Arbeiten nur unter der Bedingung für zulässig, daß zuvor privatrechtliche Vereinbarungen zwischen der Klägerin und den von der Erschließung betroffenen Grundstückseigentümern abgeschlossen werden. Ohne den Eintritt dieser Bedingung erlangt der Beschluß keine Wirksamkeit. Ob bereits deshalb die Anwendung von § 75 Abs. 1 Satz 2 VwVfG ausgeschlossen ist, kann offen bleiben; dem Beschluß fehlt jedenfalls die Regelung öffentlich-rechtlicher Beziehungen zwischen der Klägerin und dem von der Erschließung des Abbaugebiets betroffenen Beklagten. Dieser ist als privater Grundstückseigentümer und nicht als Träger öffentlicher Verwaltung betroffen. Er soll nicht im Rahmen der öffentlichen Daseinsvorsorge tätig werden. Der Ausbau der bereits vorhandenen Straße und der Neubau einer Straße gehen darüber hinaus, denn sie dienen ausschließlich den privaten Zwecken der Klä-
gerin und keinem Bedürfnis der Öffentlichkeit. Eine Einzelinteressen dienende individualisierte Daseinsvorsorge obliegt dem Beklagten jedoch nicht.
In diesem Zusammenhang übersieht das Berufungsgericht, daß das "Ob" der Maßnahme nicht außer Frage steht. Denn wenn zwischen der Klägerin und dem Beklagten keine einvernehmliche Regelung über die Benutzung der für den Straßenbau benötigten Grundstücke zustande kommt, wird der Planfeststellungsbeschluß nicht wirksam. In diesem Fall entfällt seine Genehmigungswirkung mit der Folge, daß die Klägerin keinen Bodenabbau vornehmen darf. Dieser Gesichtspunkt steht einer Verpflichtung des Beklagten zum Abschluß eines Nutzungsvertrags oder zur Duldung des Straßenbaus zusätzlich entgegen.

c) Soweit das Berufungsgericht seine Auffassung auch auf die Bindung des Beklagten an den Gleichbehandlungsgrundsatz stützt, hat das ebenfalls keinen Bestand. Dabei kann offen bleiben, ob hier eine solche Bindung besteht. Das ist zweifelhaft, weil der Beklagte nicht als Träger öffentlicher Verwaltung in Anspruch genommen wird. Jedenfalls ist der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt. Der Beklagte gestattet anderen Unternehmen ebenso wie der Klägerin nicht die Benutzung der beiden Grundstücke für den Straßenbau ; eine Ungleichbehandlung gleicher Sachverhalte liegt somit nicht vor.

d) Das von dem Berufungsgericht herangezogene Verbot des Monopolmißbrauchs begründet ebenfalls keine Ansprüche der Klägerin gegen den Beklagten. Zwar ergibt sich eine Bindung der öffentlichen Hand bei der Verweigerung oder Gewährung von Nutzungen aus der Tatsache, daß sie in gewissen Bereichen ein faktisches Monopol besitzt; aus der Grundrechtsbindung und
dem Verbot des Monopolmißbrauchs kann sich für sie ein Kontrahierungszwang ergeben (Bauer in: Kodal/Krämer, Straßenrecht, 6. Aufl., Kap. 7, Rdn. 6.2, 6.3). Aber es fehlt hier an einer solchen Monopolstellung des Beklagten. Er ist nur einer von mehreren Eigentümern, über deren Grundstücke die der Klägerin vorgegebene Trasse zur Erschließung des Abbaugebiets verläuft.

e) Da der Beklagte hier keinen öffentlich-rechtlichen Bindungen unterliegt , die er bei der Ausübung seiner privaten Eigentümerbefugnisse vorrangig zu beachten hätte, kommen entgegen der von der Klägerin in der Revisionserwiderung vertretenen Auffassung die Grundsätze des Verwaltungsprivatrechts nicht zur Anwendung; das Grundstückseigentum des Beklagten wird nicht zu öffentlichen Leistungs- und Lenkungszwecken eingesetzt (vgl. Wolff/Bachof/ Stober, Verwaltungsrecht, Band 1, 11. Aufl., § 23 V 2, Rdn. 29 ff.).

f) Aus einer enteignungsrechtlichen Vorwirkung der Planfeststellung (siehe dazu Bonk/Neumann aaO, Rdn. 32) kann die Klägerin schon deshalb keine Ansprüche herleiten, weil dem Plan eine solche Wirkung nicht zukommt; es fehlt an einer gesetzlichen Anordnung, daß mit der Planfeststellung bindend auch über die Zulässigkeit der Enteignung für das Vorhaben entschieden ist (vgl. BVerwG NVwZ 1991, 873; Bonk/Neumann aaO, Rdn. 32a).

g) Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin in ihrer Revisionserwiderung auf die Tatbestandswirkung des Planfeststellungsbeschlusses. Sie übersieht, daß die Wirksamkeit des Plans von der einvernehmlichen Regelung zwischen der Klägerin und dem Beklagten über die Nutzung der für den Straßenbau benö-
tigten Grundstücke abhängt. Da diese einvernehmliche Regelung bisher fehlt, ist der Plan noch nicht wirksam.

h) Der Beklagte ist nach § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG nicht gehindert, der Klägerin die Benutzung seiner Grundstücke zu verweigern. Zum einen ist der Planfeststellungsbeschluß noch nicht unanfechtbar; zum anderen macht der Beklagte keine Ansprüche auf Unterlassung des Vorhabens, auf Beseitigung oder Änderung der Anlagen oder auf Unterlassung ihrer Benutzung geltend.

i) Es besteht auch kein Anspruch der Klägerin auf Benutzung der Grundstücke des Beklagten unter dem Gesichtspunkt des Notwegerechts nach § 917 Abs. 1 BGB. Das geplante Vorhaben führt nicht zu einer ordnungsgemäßen Benutzung des Grundstücks im Sinne der Vorschrift, sondern lediglich zu einer auf eine bestimmte Dauer begrenzten außergewöhnlichen Nutzung. Ein Notwegerecht kann aber nur für eine nach objektiven Gesichtspunkten dem Grundstück angemessene, den wirtschaftlichen Verhältnissen entsprechende Nutzung hergeleitet werden; eine nur einem persönlichen Bedürfnis des Eigentümers oder eines Nutzungsberechtigten entsprechende oder eine nur provisorische Nutzung gibt keine Grundlage für ein Notwegerecht (Senat, Urt. v. 26. Mai 1978, V ZR 72/77, LM BGB § 917 Nr. 14).

j) Schließlich ist das Verhalten des Beklagten unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) und des Schikaneverbots (§ 226 BGB) nicht als unzulässige Rechtsausübung anzusehen. Für den Fall, daß die Klägerin mit den privaten Grundstückseigentümern keine einvernehmliche Regelungen über die Benutzung der Grundstücke erzielt, bleibt ihr nur der Weg, die Enteignung der Eigentümer zu beantragen (§ 129 NWG). Diese öffentlich-
rechtlich gebotene Vorgehensweise kann nicht dadurch umgangen werden, daß der Klägerin über die Anwendung von § 242 BGB oder § 226 BGB ein privatrechtlicher Anspruch zuerkannt wird, der nach dem öffentlichen Recht ausgeschlossen ist.
4. Da die Klägerin gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Duldung von Straßenbaumaßnahmen und Abschluß einer Nutzungsvereinbarung hat, besteht auch keine Pflicht des Beklagten zur Mitwirkung bei dem Abschluß einer Vereinbarung. Der darauf gerichtete - hilfweise gestellte - Feststellungsantrag der Klägerin ist deshalb unbegründet.
5. Aus demselben Grund ist der weiter hilfsweise gestellte Antrag, mit dem die Klägerin festgestellt haben will, daß der Beklagte seine Amtspflichten verletzt, ebenfalls unbegründet.

IV.


Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Tropf Krüger Lemke
Schmidt-Räntsch Stresemann
9
a) Das Berufungsgericht geht im Ausgangspunkt zutreffend davon aus, dass die Beklagte, ein vollständig im Eigentum der öffentlichen Hand stehendes Unternehmen, unmittelbar an die Grundrechte des Grundgesetzes gebunden ist. Die Nutzung zivilrechtlicher Formen enthebt die staatliche Gewalt nicht von ihrer Bindung an die Grundrechte gemäß Art. 1 Abs. 3 GG. Dies gilt sowohl für die Verwendung von zivilrechtlichen Handlungsformen als auch für den Ein- satz privatrechtlicher Organisations- und Gesellschaftsformen. Im Alleineigentum des Staates stehende öffentliche Unternehmen, die in den Formen des Privatrechts organisiert sind, sowie von der öffentlichen Hand beherrschte gemischtwirtschaftliche Unternehmen unterliegen einer unmittelbaren Grundrechtsbindung (BVerfGE 128, 226 Rn. 46).

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 397/02 Verkündet am:
2. Dezember 2003
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
AGB-Postbank § 19 Abs. 1

a) Eine erwerbswirtschaftlich tätige, aber ausschließlich von der öffentlichen Hand
beherrschte Gesellschaft hat das in Art. 3 Abs. 1 GG zum Ausdruck kommende
Willkürverbot zu beachten.

b) Die ohne sachgerechten Grund erklärte Kündigung eines Girovertrages durch
ein ausschließlich staatlich beherrschtes Kreditinstitut verstößt gegen das Willkürverbot
und ist gemäß § 134 BGB nichtig.

c) Ein ausschließlich staatlich beherrschtes Kreditinstitut darf die politische Zielrichtung
einer Partei nicht zum Anlaß für eine Kontokündigung nehmen, solange
das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit der Partei nicht
festgestellt hat.
BGH, Urteil vom 2. Dezember 2003 - XI ZR 397/02 - OLG Celle
LG Hannover
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 2. Dezember 2003 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe
und die Richter Dr. Bungeroth, Dr. Müller, Dr. Wassermann und Dr. Appl

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 25. September 2002 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger, der Landesverband Niedersachsen der Republikaner, nimmt die beklagte Postbank auf Fortführung eines Girokontos in Anspruch.
Am 25. Juli 1990 ließ der Kläger ein Girokonto bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten eröffnen. Im August und September 2000 wurde in mehreren Zeitungen über die Geschäftsverbindungen der Beklagten zu "rechtsextremen" Parteien berichtet. Am 12. September 2000 kündigte die Beklagte gemäß § 19 Abs. 1 AGB-Postbank mit Wirkung zum 24. Oktober 2000 das Girokonto mit der Begründung, es bestehe kein Interesse an einer Fortführung der Geschäftsverbindung. Bei anderer Gelegenheit verwies sie darauf, keine Geschäftsbeziehung zu verfas-
sungsfeindlichen Organisationen unterhalten zu wollen; ihr Vorstand ha- be die Kündigung sämtlicher Konten rechtsradikaler Parteien und Organisationen beschlossen, um "einen wichtigen Beitrag zur politischen Hygiene" zu leisten und sich der "gesellschaftlichen Verantwortung" zu stellen.
Der Kläger hält die Kündigung für unwirksam, weil er als Landesverband einer politischen Partei dringend auf eine Bankverbindung angewiesen sei, zu deren Eröffnung andere Kreditinstitute nicht bereit seien. Die Beklagte beruft sich darauf, die Kündigung angesichts der öffentlichen Kritik zur Wahrung ihrer wirtschaftlichen Interessen ausgesprochen zu haben. Als Rechtsperson des Privatrechts und Grundrechtsträgerin stehe es ihr zudem frei, eine Geschäftsbeziehung aus politischen oder weltanschaulichen Gründen zu beenden. Der Kläger möge die Kontoeröffnung bei einer Sparkasse durchsetzen.
Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, das Konto einstweilen fortzuführen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und sie auf die Anschlußberufung des Klägers zur - unbefristeten - Fortführung des Kontos verurteilt. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist unbegründet.

I.


Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet:
Die von der Beklagten ausgesprochene, ausschließlich politisch motivierte Kündigung stelle sich als unzulässige Rechtsausübung im Sinne von § 242 BGB dar und sei daher unwirksam. Solange vom Bundesverfassungsgericht nicht für verfassungswidrig erklärt, genieße der Kläger den besonderen Schutz des Art. 21 GG. Das durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Interesse der Beklagten an einer Beendigung der Geschäftsbeziehung trete bei Abwägung der beiderseitigen Interessen gegenüber der grundgesetzlich geschützten Position des Klägers als politischer Partei zurück. Die Beklagte könne keine bankspezifischen Gründe für die Aufkündigung der Vertragsbeziehung vorweisen, während der Kläger auf das Fortbestehen der Kontoverbindung angewiesen sei. Eine politische Partei könne die ihr zugewiesenen Aufgaben in organisatorischer Hinsicht nur erfüllen, wenn sie über die notwendigen technischen Einrichtungen und Voraussetzungen verfüge, wozu auch eine Bankverbindung gehöre. Andere Kreditinstitute seien, wie der Kläger bewiesen habe, nicht bereit, eine Geschäftsbeziehung mit ihm aufzunehmen. Der Kläger sei auch nicht gehalten, die örtliche Sparkasse gerichtlich auf Eröffnung einer Kontoverbindung in Anspruch zu nehmen. Als Rechtsgrundlage für ein solches Begehren komme nur ein zivilrechtlicher Kontrahierungszwang in Betracht, der jedoch ausscheide, wenn der örtlichen Sparkasse - wie hier - keine marktbeherrschende Stellung zukomme.

II.


Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand. Die Beklagte ist zur Fortführung des Girokontos verpflichtet.
Die Kündigung verstößt gegen das in Art. 3 Abs. 1 GG zum Ausdruck kommende Willkürverbot und ist gemäß § 134 BGB nichtig (vgl. zur Anwendbarkeit des § 134 BGB auf Grundrechtsverstöße: BGHZ 65, 284, 287; Senatsurteil vom 11. März 2003 - XI ZR 403/01, WM 2003, 823, 824, zum Abdruck in BGHZ vorgesehen; MünchKomm/Mayer-Maly/ Armbrüster, BGB 4. Aufl. § 134 Rdn. 33). Auf die Abwägung widerstreitender , durch das Grundgesetz geschützter Interessen des Klägers und der Beklagten kommt es - anders als im Rahmen der vom Berufungsgericht herangezogenen Generalklausel des § 242 BGB - nicht an.
1. Die Beklagte unterlag bei der Kündigung des Girokontos am 12. September 2000 - auf diesen Zeitpunkt ist bei der Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung abzustellen - dem Willkürverbot. Sie ist im Jahre 1995 im Zuge der Postreform II durch Umwandlung des Sondervermögens Deutsche Bundespost in Aktiengesellschaften gemäß Art. 143 b Abs. 1 Satz 1 GG, § 1 PostUmwG entstanden. Alleiniger Aktionär der Beklagten ist die Deutsche Post AG, deren Aktien im Zeitpunkt der Kündigung noch vollständig im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland und der Kreditanstalt für Wiederaufbau, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, standen. Der Börsengang der Deutschen Post AG erfolgte erst im November 2000 und damit nach der Kündigung des Girokontos des Klägers.

a) Nach einem zur Deutschen Post AG ergangenen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. März 1998 (BVerwGE 113, 208, 211) unterliegt auch ein privatrechtliches Unternehmen, das im Alleinbesitz des Staates erwerbswirtschaftlicher Tätigkeit nachgeht, der Grundrechtsbindung. Art. 3 GG findet danach unmittelbar Anwendung (ebenso Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG 4. Aufl. Art. 87 f Rdn. 87 Fn. 54; Dreier, GG Art. 1 Abs. 3 Rdn. 48 ff.; Höfling, in: Sachs, GG 3. Aufl. Art. 1 Rdn. 94 ff.; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG 6. Aufl. Art. 1 Rdn. 28 f.; Stern, Staatsrecht Bd. III/1 § 74 IV 5; von Arnauld DÖV 1998, 437, 444; a.A.: Uerpmann, in: v. Münch/Kunig, GG 5. Aufl. Art. 87 f Rdn. 11 b; Windthorst, in: Sachs, GG 3. Aufl. Art. 87 f Rdn. 9; Herdegen, in: PostG-Kommentar VerfGrdl. Rdn. 60).

b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die öffentliche Hand bei rein fiskalischem Handeln zwar nicht unmittelbar an die Grundrechte gebunden (BGHZ 36, 91, 96; BGH, Urteil vom 14. Dezember 1976 - VI ZR 251/73, NJW 1977, 628, 629 f.). Sie muß aber auch in diesem Bereich gewisse Bindungen und Schranken beachten , die für Privatpersonen nicht in entsprechender Weise gelten. Insbesondere gilt das Verbot willkürlichen Verhaltens als niedrigste Stufe einer öffentlich-rechtlichen Bindung privatrechtlichen Handelns des Staates (BGH, Urteil vom 14. Dezember 1976 aaO; vgl. auch BVerfGE 98, 365, 395; Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes BGHZ 97, 312, 317; BGH, Urteil vom 6. Juni 1967 - VI ZR 214/65, NJW 1967, 1911). Danach kann es auch einer erwerbswirtschaftlich tätigen Gesellschaft, deren Anteile sich unmittelbar oder über eine oder mehrere Gesellschaften mittelbar im Besitz der öffentlichen Hand befinden und hinter der deshalb jedenfalls mittelbar die Organisations- und
Finanzkraft des Staates steht, weshalb sie dessen Einwirkungsmöglichkeiten in jeder Hinsicht unterliegt, nicht freistehen, bestimmte Geschäftsoder Vertragspartner willkürlich zu benachteiligen.
2. Das Willkürverbot ist verletzt, wenn sich bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken ein sachgerechter Grund für eine Maßnahme der öffentlichen Gewalt nicht finden läßt (BVerfGE 55, 72, 89 f.; 78, 232, 248). Einen solchen Grund hat die Beklagte nicht dargelegt.

a) Die zum Kündigungszeitpunkt zu 100% staatliche Beklagte durfte die politische Zielrichtung des Klägers nicht zum Anlaß für eine Kündigung nehmen. Dies wäre ihr selbst dann verwehrt, wenn der Kläger - was die Beklagte nicht einmal behauptet - verfassungsfeindlich ausgerichtet wäre (Senatsurteil vom 11. März 2003, aaO S. 825). Nach Art. 21 Abs. 2 Satz 2 GG entscheidet über die Verfassungswidrigkeit einer Partei das Bundesverfassungsgericht. Hierbei handelt es sich nicht um eine bloße Zuständigkeitsregelung, sondern - i.V. mit Art. 21 Abs. 1 GG - um eine Privilegierung der politischen Parteien gegenüber anderen Vereinigungen und Verbänden. Bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kann deshalb niemand die Verfassungswidrigkeit einer Partei rechtlich geltend machen (BVerfGE 12, 296, 304; 40, 287, 291). Erst recht kann demnach die politische Zielrichtung einer nicht verfassungswidrigen Partei eine ihr rechtlich nachteilige Handlung nicht rechtfertigen. Eine Partei soll in ihren politischen Aktivitäten von jeder rechtlichen Behinderung frei sein, solange sie mit allgemein erlaubten Mitteln arbeitet (BVerfGE 13, 123, 126; 39, 334, 357; 40, 287, 291; 47, 130, 139; BVerfG NJW 2001, 2076, 2077).

Die Kündigung, mit der die Beklagte "einen wichtigen Beitrag zur politischen Hygiene" leisten wollte, stellt eine unzulässige rechtliche Behinderung dar. Sie greift zwar nicht unmittelbar in die politische Tätigkeit des Klägers ein, beeinträchtigt seine Betätigungsfreiheit aber wesentlich, und zwar mit politischer Zielsetzung. Der Kläger ist bei seiner Arbeit auf die Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr angewiesen. Anders kann er Zahlungen von existentieller Bedeutung, nämlich die staatliche Parteienfinanzierung (§ 19 Abs. 1 Satz 2 ParteiG), nicht entgegennehmen. Ebensowenig kann er ohne Konto Mitgliedsbeiträge einziehen oder Geldspenden empfangen. Auch die Begleichung von Mieten, Telefongebühren oder von Rechnungen im Zusammenhang mit Parteiveranstaltungen ist in weitem Umfang ohne Girokonto praktisch nicht durchführbar (vgl. Senatsurteil vom 11. März 2003, aaO S. 825).
Ob eine rechtliche Behinderung des Klägers zu verneinen wäre, wenn ein anderes Kreditinstitut zur Eröffnung eines Girokontos bereit wäre, bedarf keiner Entscheidung. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, daß dies nicht der Fall ist. Auch die Möglichkeit, einen Anspruch auf Eröffnung und Führung eines Girokontos gegen die am Sitz des Klägers ansässige Stadtsparkasse - eventuell durch mehrere Instanzen - einzuklagen, läßt eine rechtlich erhebliche Behinderung des Klägers nicht entfallen. Ebensowenig muß sich der - gesondert zur Rechenschaftslegung verpflichtete (§ 23 Abs. 1 Satz 3 ParteiG) - Kläger auf die Nutzung eines Treuhandkontos (vgl. hierzu Senatsurteil vom 11. März 2003, aaO S. 825) oder eines Kontos der Bundespartei verweisen lassen.

b) Die Beklagte kann die Kündigung auch nicht mit behaupteten wirtschaftlichen Nachteilen rechtfertigen, die bei Fortführung der Geschäftsverbindung mit dem Kläger drohen könnten. Sie hat nicht hinreichend dargelegt, daß die Aufrechterhaltung des seit über zehn Jahren beanstandungsfrei geführten Kontos des Klägers für sie zu einem Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Kreditinstituten führen würde, etwa weil die Kündigung der Geschäftsbeziehungen durch andere Kunden zu gewärtigen wäre. Ebensowenig hat die Beklagte einen ihr möglicherweise drohenden Imageschaden substantiiert ausgeführt. Zudem befürchtet sie diesen Schaden allein aufgrund der politischen Zielrichtung des Klägers , die, wie dargelegt, die dem Willkürverbot unterliegende Beklagte rechtlich nicht zu dessen Nachteil geltend machen kann.

III.


Die Revision der Beklagten war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Nobbe Bungeroth Müller
Wassermann Appl
8
2. Nimmt die Klägerin kommunale Aufgaben wahr, unterliegt sie den einschlägigen Bindungen des öffentlichen Rechts. Denn eine Verwaltungsbehörde kann sich den für die Erfüllung ihrer Aufgaben bestehenden gesetzlichen Vorgaben nicht unter Hinweis auf die Grundsätze der Privatautonomie entziehen. Zwar stehen ihr die privatrechtlichen Rechtsformen zur Verfügung; die Normen des Privatrechts werden aber durch die Bindungen des öffentlichen Rechts ergänzt , überlagert und modifiziert. Diese gelten auch dann, wenn die Verwaltung einen privatrechtlich organisierten Dritten mit der faktischen Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe betraut (vgl. BGHZ 91, 84, 96; Senat, Urt. v. 21. Juli 2006, V ZR 158/05, WM 2006, 2101, 2103; Urt. v. 4. Mai 2007, V ZR 162/06, ZOV 2007, 30 sowie OVG Lüneburg, Urt. v. 13. Dezember 2006, 9 KN 180/04, juris Rdn. 42 für einen Kurverein und OVG Bautzen, ZNER 2004, 379 für den Betrieb einer öffentlichen Einrichtung).
15
aa) Ein zur Nichtigkeit nach § 134 BGB führender Verstoß gegen den auch bei dem Abschluss eines dem Verwaltungsprivatrecht unterliegenden Vertrages zu beachtenden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (vgl. Senat, BGHZ 153, 93, 98; Stelkens/Bonk/Sachs/Bonk, aaO, § 56 Rdn. 57; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, aaO, S. 232 f.) liegt nicht vor. Dem daraus folgenden Gebot einer angemessener Vertragsgestaltung ist genügt, wenn bei wirtschaftlicher Betrachtung des Gesamtvorgangs die Gegenleistung des Vertragspartners der Behörde nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung und dem Wert der von der Behörde erbrachten oder zu erbringenden Leistung steht und die vertragliche Übernahme von Pflichten auch ansonsten zu keiner unzumutbaren Belastung für den Vertragspartner der Behörde führt (Senat, BGHZ 153, 93, 101; BVerwGE 124, 385, 391; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 56 Rdn. 14; Stelkens /Bonk/Sachs/Bonk aaO, § 56 Rdn. 54; Grziwotz, NVwZ 2002, 391, 394; v. Zezschwitz, NJW 1983, 1873, 1880), die gegenseitigen Rechte und Pflichten also insgesamt ausgewogen gestaltet sind (vgl. Senat aaO, 102; BVerwGE 42, 331, 345). So verhält es sich hier.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.

(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.

(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

12
Betrifft das gesetzliche Verbot nur einen Vertragspartner, so hat dies im Regelfall nicht die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts zur Folge; anderes gilt aber, wenn es mit dem Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes nicht vereinbar wäre, die durch das Rechtsgeschäft getroffene rechtliche Regelung hinzunehmen und bestehen zu lassen, und hieraus die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts gefolgert werden muss (Senatsurteil vom 22. Mai 1978 - III ZR 153/76, BGHZ 71, 358, 360 f; BGH, Urteile vom 25. Juni 1962 - VII ZR 120/61, BGHZ 37, 258, 262; vom 1. Juni 1966 - VIII ZR 65/64, BGHZ 46, 24, 26; vom 23. April 1968 - VI ZR 217/65, NJW 1968, 2286; vom 12. Januar 1970 - VII ZR 48/68, BGHZ 53, 152, 157; vom 10. Dezember 1975 - VIII ZR 306/74, BGHZ 65, 368, 370 und vom 23. Oktober 1980 aaO S. 265 sowie Versäumnisurteil vom 21. März 1996 aaO S. 231 f).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 113/02
Verkündet am:
25. Juli 2002
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
WoVermG § 6 Abs. 1
Bietet ein Wohnungsvermittler entgegen dem Verbot des § 6 Abs. 1 WoVermG
Wohnräume an, ohne dazu einen Auftrag von dem Vermieter oder
einem anderen Berechtigten zu haben, führt dies nicht zur Nichtigkeit des
mit dem Wohnungssuchenden geschlossenen Maklervertrages.
BGH, Urteil vom 25. Juli 2002 - III ZR 113/02 - LG Verden
AG Syke
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. Juli 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter
Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr und Galke

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Verden vom 22. Februar 2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Die klagende Immobilienmaklerin bot dem Beklagten, der eine Wohnung für sich und seine Familie suchte, an, ihm ein geeignetes Objekt zu vermitteln. Sie benannte ihm ein Einfamilienhaus in W. , das ihr die Eheleute G. an die Hand gegeben hatten. Diese waren Mieter und suchten einen Nachmieter. Der Beklagte mietete das Einfamilienhaus. Die Klägerin fordert von ihm Zahlung der Maklerprovision. Der Beklagte macht geltend , der Vermieter sei nicht damit einverstanden gewesen, daß die Eheleute G. die Klägerin beauftragt hätten, für sie einen Nachmieter
zu suchen. Daher habe wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung vom 4. November 1971, BGBl. I S. 1747, künftig WoVermG) ein wirksamer Maklervertrag nicht zustande kommen können.
Das Amtsgericht hat der Klage bis auf einen Teil des Zinsanspruchs stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe


Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin auf Maklerprovision verneint, weil zwischen den Parteien ein wirksamer Maklervertrag nicht zustande gekommen sei. Für die von der Klägerin entfaltete Maklertätigkeit habe weder ein Auftrag noch die Zustimmung der Eheleute B. , der Vermieter und Eigentümer des Hauses, vorgelegen. Ein von den Parteien möglicherweise geschlossener Maklervertrag sei daher jedenfalls nichtig wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1 WoVermG).
2. Die Erwägungen des Berufungsgerichts halten der rechtlichen Prüfung nicht stand. Ein Verstoß gegen § 6 Abs. 1 WoVermG führt nicht zur Nich-
tigkeit des mit dem Wohnungssuchenden geschlossenen Maklervertrages. Daher kann offenbleiben, ob hier eine Verletzung des § 6 Abs. 1 WoVermG ausscheidet , weil die Klägerin im Auftrag der Vormieter G. handelte und diese, wie die Revision meint, "Berechtigte" im Sinne der vorgenannten Bestimmung waren.

a) Ob § 6 Abs. 1 WoVermG ein gesetzliches Verbot mit Nichtigkeitsfolge für den Maklervertrag enthält, kann allerdings nicht schon aus der Gesetzessprache ("darf... nur, wenn ...") entnommen werden (vgl. Senatsurteil BGHZ 118, 142, 146). Einen Hinweis auf das Nichtbestehen eines solchen Verbots gibt das Gesetz jedoch dadurch, daû es an anderer Stelle die Unwirksamkeit von Vereinbarungen anordnet (§§ 2 Abs. 5; 3 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. 5 Abs. 2; 3 Abs. 4 Satz 1; 4 a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 WoVermG) oder dem Wohnungsvermittler ausdrücklich einen Anspruch versagt (§ 2 Abs. 2 und 3 WoVermG). Hingegen steht das Verbot des § 6 Abs. 1 WoVermG - nach seinem Wortlaut und nach dem Willen des Gesetzgebers (Begründung der Bundesregierung zu dem Entwurf eines Gesetzes über Maûnahmen zur Verbesserung des Mietrechts und der Begrenzung des Mietanstiegs BT-Drucks. VI/1549 S. 13 ) - allein unter der Buûgeldsanktion des § 8 Abs. 1 Nr. 3 WoVermG (vgl. OLG Karlsruhe NJW 1976, 1408 a.E.; Baader/Gehle, Gesetz zur Regelung der Wohnungsvermittlung 1993 § 6 Rn. 26; a.A. Windisch WuM 1999, 265, 268).

b) Für die Frage, ob verbotswidrige Rechtsgeschäfte nach § 134 BGB nichtig sind, kommt es aber vor allem auf den Sinn und Zweck des Verbots an. Entscheidend ist, ob das Gesetz sich nicht nur gegen den Abschluû des Rechtsgeschäfts wendet, sondern auch gegen seine privatrechtliche Wirksam-
keit und damit gegen seinen wirtschaftlichen Erfolg. Die Nichtigkeit kann im Ausnahmefall auch aus der Verletzung einseitiger Verbote folgen, falls der Zweck des Gesetzes nicht anders zu erreichen ist und die durch das Rechtsgeschäft getroffene Regelung nicht hingenommen werden kann (st. Rspr., vgl. Senatsurteil aaO S. 144 f; BGHZ 115, 123, 125; 146, 250, 257 f). Diese Voraussetzung ist bei § 6 Abs. 1 WoVermG nicht erfüllt (h.M.: OLG Karlsruhe aaO; Staudinger/Reuter, BGB 13. Bearb. 1995 § 652 Rn. 43 und 47; Dehner in BGBRGRK 12. Aufl. 1978 vor § 652 Rn. 13; Palandt/Sprau, BGB 61. Aufl. 2002 § 652 Rn. 8; Roth in MünchKomm/BGB 3. Aufl. 1997 § 652 Rn. 67 und 70; Erman /O. Werner, BGB 10. Aufl. 2000 § 652 Rn. 35; Soergel/Lorentz, BGB 12. Aufl. 1999 § 652 Rn. 22; Baader/Gehle aaO Rn. 26 ff; Weimar BlGBW 1974, 92, 93; vgl. auch OLG Frankfurt NJW 1979, 878, 879; a.A. LG Hannover NJW-RR 1991, 1295 f; Dehner, Das Maklerrecht - Leitfaden für die Praxis 2001 Rn. 346; Tonner, Verbraucherschutz im Recht des Immobilienmaklers 1981 S. 91 f; Schwerdtner, Maklerrecht 4. Aufl. 1999 Rn. 254 f; Benöhr NJW 1973, 1286 f; Windisch aaO).
aa) § 6 Abs. 1 WoVermG normiert ein einseitig an den Wohnungsvermittler gerichtetes Verbot, Wohnungen ohne Auftrag des Vermieters oder eines sonst Berechtigten anzubieten (vgl. BT-Drucks. aaO ). Die Bestimmung soll unterbinden, daû Wohnungsvermittler Wohnräume anbieten, von denen sie zufällig durch Dritte erfahren oder die sie aus Anzeigen in Zeitungen entnommen haben, ohne daû sie von den Berechtigten einen entsprechenden Auftrag haben. Dadurch sollen den Wohnungssuchenden Zeit und Unkosten für vergebliche Besichtigung von Wohnräumen erspart werden (BTDrucks. aaO ; a.A. Dehner, Das Maklerrecht aaO).
bb) Die vorbeschriebene Zielrichtung mag zwar mittels der Nichtigkeitssanktion am besten erreicht werden (vgl. LG Hannover aaO 1296; Benöhr aaO 1286). Das genügt indes für die Annahme eines Verbotsgesetzes im Sinne des § 134 BGB nicht. Das Gesetz muû die Nichtigkeit des verbotswidrigen Geschäfts vielmehr erfordern, weil der Gesetzeszweck nicht anders erreicht und das betreffende Geschäft nicht hingenommen werden kann (Senat BGHZ 118, 142, 145; BGHZ 146, 250, 258). So liegt es bei § 6 Abs. 1 WoVermG aber nicht.
War die Besichtigung der Wohnung erfolglos, weil der Vermieter die Wohnung dem Makler nicht an die Hand gegeben hatte, so erhält der Makler nach den allgemeinen Grundsätzen des Maklerrechts ohnehin keine Vergütung (§ 652 Abs. 1 BGB, § 2 Abs. 1 WoVermG). Hat dagegen der Nachweis zum Abschluû eines Mietvertrages geführt, so hat sich die Gefahr eines unnützen Zeit- und Kostenaufwandes, die die Gesetzesvorschrift vermeiden will, nicht verwirklicht. Die Unwirksamkeit des Provisionsversprechens, obwohl dem Wohnungssuchenden eine vollwertige Leistung erbracht wurde, könnte nur dem generalpräventiven Zweck dienen, dem Makler durch eine solche Nichtigkeitssanktion von vornherein jeden Anreiz für einen Wohnungsnachweis ohne Vermieterauftrag zu nehmen. Dieser Zweck wird jedoch bereits in ähnlicher Weise durch die Buûgeldandrohung des § 8 Abs. 1 Nr. 3 WoVermG erreicht. Dabei erscheint die Verhängung eines Buûgeldes gegenüber der Nichtigkeitsfolge insofern sachgerechter, als sie eine ungerechtfertigte - jedenfalls durch den Zweck des § 6 Abs. 1 WoVermG nicht gedeckte - Begünstigung des Wohnungssuchenden vermeidet (vgl. OLG Karlsruhe aaO; Baader/Gehle aaO Rn. 27 ff). Entstehen dem vergeblich Wohnungssuchenden Kosten, weil der
Makler keinen Auftrag des Vermieters oder eines sonst Berechtigten hatte, kann er den Makler auf Schadensersatz in Anspruch nehmen.
3. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden. Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - nicht festgestellt, ob die Parteien überhaupt einen Nachweismaklervertrag geschlossen haben und die Klägerin den geschuldeten Nachweis erbracht hat. Die neue Verhandlung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, auf die hierzu erhobenen Rügen der Revisionserwiderung einzugehen.
Rinne Wurm Kapsa Dörr Galke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 314/02 Verkündet am:
4. April 2003
K a n i k ,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
§ 3a AusglLeistG ist verfassungsrechtlich unbedenklich.
BGH, Urt. v. 4. April 2003 - V ZR 314/02 - OLG Naumburg
LG Halle
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 4. April 2003 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Tropf, Prof. Dr. Krüger, Dr. Lemke und Dr. Gaier

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 20. August 2002 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin wurde von der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben mit der Privatisierung ehemals volkseigener land- und forstwirtschaftlicher Flächen beauftragt. Mit notariellem Vertrag vom 1. September 1997 veräußerte sie im Rahmen des Flächenerwerbsprogramms nach § 3 AusglLeistG in der Fassung (a.F.) vom 27. September 1994 (BGBl. I S. 2628) rund 80 ha Ackerland an den Beklagten, der die in nicht benachteiligten Gebieten im Sinne der EG-Verordnung Nr. 950/97 (ABl. EG Nr. L 142 v. 2. Juni 1997 S. 1) gelegenen Flächen zuvor bereits gepachtet hatte. Unter Bezugnahme auf die Bestimmungen des Ausgleichsleistungsgesetzes und der hierzu erlassenen Flächenerwerbsverordnung (FlErwV v. 20. Dezember 1995, BGBl. I S. 2072) vereinbarten die Parteien einen zum 1. Oktober 1997 fällig werdenden Kaufpreis von insgesamt 443.952 DM, der sich aus einem Anteil für begünstigt erworbene Flächen von 420.000 DM und aus einem Anteil für zum Verkehrs-
wert erworbene Flächen von 23.952 DM zusammensetzte. Der Kaufpreis ist gezahlt. Der Beklagte wurde am 29. Juli 1998 als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen.
Am 20. Januar 1999 entschied die Europäische Kommission (ABl. EG Nr. L 107 vom 24. April 1999 S. 21), daß das in § 3 AusglLeistG a.F. geregelte Flächenerwerbsprogramm mit dem Gemeinsamen Markt nicht vereinbare Beihilfen enthalte, soweit sich die durch den begünstigten Flächenerwerb gewährten Vorteile - wie hier - nicht auf den Ausgleich von Vermögensschäden beschränkten, die auf Enteignungen oder enteignungsgleichen Eingriffen staatlicher Stellen beruhten, und die Intensität der Beihilfe die Höchstgrenze von 35 % für landwirtschaftliche Flächen in nicht benachteiligten Gebieten gemäß der EG-Verordnung Nr. 950/97 überschreite. Der Bundesrepublik Deutschland wurde aufgegeben, gewährte Beihilfen nach Maßgabe des deutschen Rechts einschließlich Zinsen ab dem Zeitpunkt der Gewährung zurückzufordern und zukünftig Beihilfen dieser Art nicht mehr zu gewähren.
Auf der Grundlage der zur Erfüllung der Rückforderungspflicht durch das Vermögensrechtsänderungsgesetz vom 15. September 2000 (BGBl. I S. 1387) eingeführten Vorschriften des § 3 a AusglLeistG bestimmte die Klägerin einen neuen Kaufpreis für die von dem Beklagten begünstigt erworbenen Flächen in Höhe von 498.443,89 DM, was 65 % des Verkehrswerts entspricht. Mit Schreiben vom 15. November 2000 forderte sie den Beklagten erfolglos zur Nachzahlung des Differenzbetrages von 78.443,89 DM sowie zur Zahlung von Zinsen für die Zeit vom 1. Oktober 1997 bis zum 15. November 2000 in Höhe von 13.349,81 DM auf. Den Gesamtbetrag von 91.793,70 DM (= 46.933,37 weiterer Zinsen ab dem 16. November 2000 macht die Klägerin mit der vorlie-
genden Klage geltend, der die Vorinstanzen stattgegeben haben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:

I.


Das Berufungsgericht bejaht einen Nachzahlungsanspruch der Klägerin nach § 3a AusglLeistG. Es hält diese Norm nicht für verfassungswidrig. Sie verstoße weder gegen das Rückwirkungsverbot noch gegen § 19 Abs. 1 Satz 1 GG.

II.


Dies hält einer revisionsrechtlichen Prüfung stand.
1. Zutreffend, und von der Revision nicht angegriffen, sieht das Berufungsgericht die Voraussetzungen des § 3a Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 AusglLeistG als gegeben an. Danach gilt der am 1. September 1997 zwischen den Parteien geschlossene Vertrag mit der Maßgabe als bestätigt, daß sich der Kaufpreis auf den durch Anhebung der Klägerin nach § 3 Abs. 7 Satz 1 und 2 AusglLeistG ergebenden Betrag bemißt. Die auf dieser Grundlage von der Klägerin vorgenommene Neuberechnung ist nicht zu beanstanden und wird auch von der Revision nicht in Zweifel gezogen. Dasselbe gilt für die nachgeforderten Zinsen.
2. Entgegen der Auffassung der Revision ist § 3a AusglLeistG verfassungsrechtlich unbedenklich.

a) Die Norm verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot.
Allerdings begrenzen die auf dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) fußenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit die Zulässigkeit rückwirkender belastender Gesetze (BVerfGE 94, 241, 258 f; 95, 64, 86 f; 97, 67, 78 f; 101, 239, 262 f; 103, 392, 403; 103, 271, 278; Senat, Urt. v. 7. Juli 1995, V ZR 46/94, WM 1995, 1848, 1853 m.w.N.). Der Einzelne soll sich grundsätzlich darauf verlassen können, daß ein Gesetz an abgeschlossene , der Vergangenheit angehörende Tatbestände keine ungünstigeren Folgen knüpft, als sie im Zeitpunkt der Vollendung dieser Tatbestände voraussehbar waren (sog. echte Rückwirkung). Auch kann unter bestimmten Umständen das Vertrauen darauf Schutz verdienen, daß eine Rechtsposition nicht nachträglich durch Vorschriften entwertet wird, die auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte für die Zukunft einwirken (sog. unechte Rückwirkung). In jedem Fall ist Voraussetzung für einen Vertrauensschutz, daß es um eine nachträgliche Verschlechterung einer bestehenden Rechtsposition geht (BVerfGE 13, 261, 271; 30, 367, 368; 72, 175, 196; 94, 241, 258; 103, 271, 287; Maunz/Dürig/Herzog, GG, Art. 20 Rdn. VII 66).
bb) Schon daran fehlt es im vorliegenden Fall. § 3a AusglLeistG greift, auch soweit die Vorschrift dem Verkäufer die Möglichkeit gibt, den ursprünglich vereinbarten Kaufpreis einseitig zu erhöhen, nicht in eine bestehende Rechtsposition des Käufers ein. Der auf der Grundlage von § 3 AusglLeistG a.F. ge-
schlossene Kaufvertrag gewährte dem Käufer eine solche Rechtsposition nicht, da er gemäß § 134 BGB wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Gebot nichtig war.
(1) Dies folgt allerdings nicht schon daraus, daß der begünstigte Flächenerwerb unter den hier obwaltenden Umständen nach der Entscheidung der Europäischen Kommission vom 20. Januar 1999 eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare Beihilfe darstellte und deshalb gegen das Beihilfeverbot gemäß Art. 87 Abs. 1 EG-Vertrag (früher Art. 92 Abs. 1 EG-Vertrag) verstieß. Denn diese Bestimmung entfaltet in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten erst dann unmittelbare Wirkung, wenn sie insbesondere durch eine Entscheidung der Europäischen Kommission nach Art. 88 Abs. 2 EG-Vertrag (früher Art. 93 Abs. 2 EG-Vertrag) konkretisiert wurde (EuGH, Rs. 77/72, Capolongo/ Maya, Slg. 1973, 611 Rdn. 6; Rs. 78/76, Steinike und Weinlig/Deutschland, Slg. 1977, 595 Rdn. 10; Geiger, EUV/EGV, 3. Aufl., Art. 87 EGV Rdn. 6). Daran fehlte es im Zeitpunkt des Vertragsschlusses zwischen den Parteien.
(2) Der Vertrag verstieß darüber hinaus aber gegen das in Art. 88 Abs. 3 Satz 3 (früher Art. 93 Abs. 3 Satz 3) EG-Vertrag enthaltene Verbot der Durchführung beabsichtigter Beihilfemaßnahmen. Diese Norm ist unmittelbar anwendbar und betrifft nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs insbesondere jede Beihilfemaßnahme, die ohne die in Art. 88 Abs. 3 Satz 1 EG-Vertrag vorgeschriebene Notifizierung durchgeführt wird (EuGH, Rs. 120/73, Lorenz/Deutschland, Slg. 1973, 1471 Rdn. 8; Rs. C-354/90, FNCE, Slg. 1991, I-5505 Rdn. 11; Rs. C-3994, SFEI, Slg. 1996, I-3547 Rdn. 39; vgl. BFH, NVwZ 2001, 715, 718; Geiger aaO Art. 87 EGV Rdn. 6, Art. 88 EGV Rdn. 17; Grabitz/Hilf/von Wallenberg, Das Recht der Europäischen Union,
Stand: Januar 2000, Art. 88 EGV Rdn. 101). Eine Notifizierung des Flächener- werbsprogramms ist hier unterblieben (vgl. Schreiben der Europäischen Kommission an die Deutsche Bundesregierung vom 30. März 1998, ABl. EG Nr. C 215 vom 10. Juli 1998 S. 7; Begründung der Kommissionsentscheidung vom 20. Januar 1999, ABl. EG Nr. L 107 vom 24. April 1999 S. 21, 35 f, 47).
Dieser Verstoß führt zur Nichtigkeit des Vertrages; denn Art. 88 Abs. 3 Satz 3 (früher Art. 93 Abs. 3 Satz 3) EG-Vertrag ist ein Verbotsgesetz im Sinne von § 134 BGB (vgl. LG-Rostock, VIZ 2002, 632, 636; MünchKommBGB /Mayer-Maly/Armbrüster, 4. Aufl., § 134 Rdn. 38; Zimmermann, in: RVI, § 3a AusglLeistG Rdn. 4; Pechstein, EuZW 1998, 495, 497; ders., NJW 1999, 1429, 1432; Purps, VIZ 2001, 401, 407; Remmert, EuR 2000, 469, 476, 478, 480; Schroeder, ZHR 161 (1997), 805, 811; Steindorff, EuZW 1997, 7, 10; a.A. Meixner, ZOV 1999, 251, 258; Hopt/Mestmäcker, WM 1996, 801, 805, für den Fall, daß durch die Nichtigkeitsfolge Rechte Dritter beeinträchtigt würden).
Zwar stellt die unterlassene Notifizierung (Art. 88 Abs. 3 Satz 1 EGVertrag ) einen lediglich formellen Verstoß dar, der für sich genommen noch nicht die Sanktion des § 134 BGB auslöst (MünchKomm-BGB/Mayer-Maly/Armbrüster aaO). Doch kommt dem Abschluß Beihilfe gewährender Verträge ohne vorherige Notifizierung und ohne abschließende (positive) Kommissionsentscheidung materielle Bedeutung zu. Das Durchführungsverbot des Art. 88 Abs. 3 Satz 3 EG-Vertrag soll im Interesse gleicher Wettbewerbsvoraussetzungen eine solche verfrühte Beihilfegewährung verhindern (Generalanwalt Jacobs , Rs. C-354/90, FNCE, Slg. 1991, I-5505, Schlußanträge Rdn. 28; Grabitz /Hilf/von Wallenberg aaO Art. 88 EGV Rdn. 63). Um diesen materiellen Gesetzesverstoß geht es (vgl. auch Remmert, EuR 2000, 469, 476 f).

Allerdings richtet sich das Durchführungsverbot seinem Wortlaut nach nur an die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, nicht jedoch an die Empfänger staatlicher Beihilfen. Das steht der Anwendbarkeit des § 134 BGB jedoch nicht entgegen. Zum einen ist fraglich, ob es sich nach dem Sinn und Zweck der Norm nicht auch an die Begünstigten richtet. Denn der Schutz des freien Wettbewerbs als Voraussetzung für einen Gemeinsamen Markt läßt sich ohne Einbeziehung der durch die staatlichen Beihilfen Begünstigten nicht verwirklichen. Jedenfalls ist aber anerkannt, daß § 134 BGB auch dann Anwendung findet, wenn es zwar um die Verletzung eines nur an eine Vertragspartei gerichteten gesetzlichen Verbots geht, wenn aber der Zweck des Gesetzes nicht anders zu erreichen ist als durch Annullierung der durch das Rechtsgeschäft getroffenen Regelung (BGHZ 46, 24, 26; 65, 368, 370; 88, 240, 253; BGH, Urt. v. 30. April 1992, III ZR 151/91, NJW 1992, 2021; Urt. v. 22. Oktober 1998, VII ZR 99/97, NJW 1999, 51, 52). So ist es hier. Das Durchführungsverbot des Art. 88 Abs. 3 Satz 3 EG-Vertrag dient nicht nur der Sicherung des Systems der präventiven Beihilfenkontrolle durch die Europäische Kommission. Es geht auch konkret darum, Wettbewerbsvorteile des Einzelnen zu verhindern , die er aus einer nicht auf dem vorgesehenen Weg gewährten Beihilfe ziehen könnte (vgl. Generalanwalt Jacobs, Rs. C-354/90, FNCE, Slg. 1991, I5505 , Schlußanträge Rdn. 28; Remmert, EuR 2000, 469, 471, 476; Pechstein, EuZW 1998, 495, 496). Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn der privatrechtliche Vertrag, durch den die Beihilfe gewährt wird, als nichtig angesehen wird, damit der Beihilfegeber oder ein Wettbewerber des Begünstigten (vgl. EuGH, Rs. C-354/90, FNCE, Slg. 1991, I-5505 Rdn. 12; Rs. C-144/91 und C145 /91, Demoor, Slg. 1992, I-6613 Rdn. 26 f; Rs. C-39/94, SFEI, Slg. 1996, I3547 Rdn. 40) in die Lage versetzt wird, zur Vermeidung einer - weiteren -
Wettbewerbsverzerrung umgehend die Erstattung der nicht genehmigten Beihilfe zu verlangen. Daher läßt der Europäische Gerichtshof keinen Zweifel dar- an, daß ein Verstoß gegen das Durchführungsverbot die Unwirksamkeit der betreffenden Beihilfemaßnahme zur Folge hat (EuGH, Rs. 120/73, Gebrüder Lorenz GmbH/Deutschland, Slg. 1973, 1471 Rdn. 4; Rs. 84/82, Deutschland /Kommission, Slg. 1984, 1451 Rdn. 11; Rs. C-354/90, FNCE, Slg. 1991, I-5505 Rdn. 12, 16, 17), und zwar selbst dann, wenn die Europäische Kommission in ihrer abschließenden Entscheidung die Beihilfe für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt (EuGH, Rs. C-354/90 aaO Rdn. 16, 17; Rs. C-47/91, Italien/Kommission, Slg. 1992, I-4145 Rdn. 29; Rs. C-3994, SFEI, Slg. 1996, I-3547 Rdn. 67). Im nationalen Zivilrecht ergibt sich dieselbe Rechtsfolge aus § 134 BGB.
cc) Eine rückwirkende unzulässige Belastung für den Kläger ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, daß § 3a AusglLeistG denjenigen, der zu bestimmten günstigeren Bedingungen hat kaufen wollen, nunmehr zu anderen, weniger günstigen Bedingungen bindet.
Da die nach § 3 AusglLeistG a.F. abgeschlossenen Verträge nichtig sind, wären sie nach bereicherungsrechtlichen Kategorien rückabzuwickeln gewesen. Ein Neuabschluß wäre nur unter den sich aus der Entscheidung der Europäischen Kommission vom 20. Januar 1999 ergebenden Bedingungen zulässig gewesen. Bei einem Verstoß hiergegen wäre der Vertrag, nunmehr wegen des Verstoßes gegen Art. 87 Abs. 1 (früher Art. 92 Abs. 1) EG-Vertrag, wiederum nach § 134 BGB nichtig gewesen (vgl. nur Remmert, EuR 2000, 469, 479; Schroeder, ZHR 161 [1997], 805, 811 f; Schütterle, EuZW 1993, 625, 627). Um den mit einem solchen Neuabschluß verbundenen Verwaltungs- und
Kostenaufwand zu vermeiden (Zimmermann, in: RVI, § 3a AusglLeistG Rdn. 5), hat der Gesetzgeber in § 3a AusglLeistG eine Bestätigung der nichtigen Kaufverträge entsprechend § 141 BGB mit geänderten, den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben entsprechenden Vertragsbedingungen fingiert. Er hat sich dabei an dem mutmaßlichen Willen der Vertragsparteien orientiert, bürdet dem Käufer aber keine ihn belastenden Leistungen gegen dessen Willen auf, da er ihm zugleich ein Rücktrittsrecht eingeräumt hat, das zwar befristet, aber nicht an weitere Voraussetzungen gebunden ist (§ 3a Abs. 4 AusglLeistG). Es liegt also in der Hand des Käufers, ob er die Bindung an einen gemeinschaftsrechtlich unbedenklichen, für ihn aber mit einer Nachforderung verbundenen Vertrag will oder ob er eine Rückabwicklung der auf den unwirksamen Vertrag erbrachten Leistungen vorzieht. Verfassungsrechtlich ist dies unbedenklich (vgl. auch BVerfG NJW 2001, 2323 [Nr. 5]).

b) Die Vorschriften des § 3a AusglLeistG verstoßen auch nicht gegen das Verbot des Einzelfallgesetzes gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG.
Dieses Verbot richtet sich gegen Einzelfallgesetze, die ein Grundrecht einschränken oder die Grundlage für eine solche Einschränkung bilden. Um einen Fall dieser Art handelt es sich vorliegend nicht. Zwar ist § 3a AusglLeistG insofern ein Einzelfallgesetz, als es nur für einen abschließend bestimmten Adressatenkreis gilt, nämlich für die Vertragsparteien, die vor dem 28. Januar 1999 Kaufverträge auf der Grundlage des § 3 AusglLeistG a.F. geschlossen haben. Es enthält aber keine Grundrechtseinschränkung, und zwar schon deswegen nicht, weil - wie dargelegt - die Rechtsstellung des Käufers ohnehin nicht verschlechtert wird.

3. Die durch § 3a AusglLeistG letztlich bezweckte Rückforderung der Beihilfe ist nicht aufgrund außergewöhnlicher Umstände des Einzelfalls ausgeschlossen.

a) Bei der Beurteilung des Zahlungsverlangens nach rein zivilrechtlichen Kategorien kommt ein Ausschluß der Rückforderung der Beihilfe an sich nicht in Betracht. Hätte der Kläger von seinem Rücktrittsrecht nach § 3a Abs. 4 Satz 1 AusglLeistG Gebrauch gemacht, wäre der Kaufvertrag rückabzuwickeln gewesen (§ 3a Abs. 4 Satz 2 AusglLeistG). Die Folge wäre der Verlust des durch die Beihilfe unterstützten Grunderwerbs gewesen. Da der Kläger von der Rücktrittsmöglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat, hat er den Vertrag unter den geänderten Bedingungen hingenommen, also auch die Kaufpreisnachforderung , in der wirtschaftlich die Rückforderung der Beihilfe liegt.

b) Diese in die Kaufpreisnachforderung gekleidete Rückforderung kann im Ausnahmefall unter Berücksichtigung von Grundsätzen des Verwaltungsverfahrensrechts (§ 48 Abs. 2 VwVfG) treuwidrig und damit nach § 242 BGB unzulässig sein. Folge davon wäre, daß der Kaufvertrag als zu den ursprünglichen Bedingungen bestätigt gilt. Die Voraussetzungen hierfür liegen aber nicht vor.
aa) Werden Beihilfen, wie üblich, durch Verwaltungsakt gewährt, so ist eine Rückforderung nicht generell ausgeschlossen, aber nur unter den sich aus § 48 Abs. 2 VwVfG ergebenden Voraussetzungen möglich (BVerwGE 92, 81, 82; 106, 328, 336). Diesen öffentlich-rechtlichen Bindungen kann sich der Staat nicht dadurch entziehen, daß er die Beihilfegewährung - wie hier - durch
eine von ihm beherrschte Kapitalgesellschaft (vgl. Ludden, in: Kimme, Offene Vermögensfragen, § 4 AusglLeistG Rdn. 7) vornehmen läßt (vgl. BGHZ 91, 84, 96 f). Daher können in einem solchen Fall die ansonsten nach § 48 Abs. 2 VwVfG zu berücksichtigenden Gesichtspunkte in ihrem sachlichen Gehalt zivilrechtlich nicht ausgeblendet werden. Es geht bei der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Rückforderung ausnahmsweise ausscheidet, um Fragen des Vertrauensschutzes, um die Berücksichtigung besonderer Belange des Empfängers der Beihilfe, die auch dem Zivilrecht nicht fremd sind und hier unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu prüfen sind (vgl. Schneider, NJW 1992, 1197, 1201).
bb) § 48 Abs. 2 VwVfG verbietet die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes, der eine Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt, dann, wenn der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit den öffentlichen Interessen an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Solche Umstände liegen hier nicht vor.
Es kann dahinstehen, ob der von dem Berufungsgericht im Anschluß an den Europäischen Gerichtshof (Rs. C-5/89, Kommission/Deutschland, Slg. 1990, I-3437 Rdn. 14; Rs. C-169/95, Spanien/Kommission, Slg. 1997, I-135 Rdn. 51; Rs. C-2495, Alcan, Slg. 1997, I-1591 Rdn. 25; Rs. T-67/94, Ladbroke Racing Kommission, Slg. 1998, II-182; ebenso BVerwGE 92, 81, 86; 106, 328, 336) vertretenen Auffassung zuzustimmen ist, daß ein Beihilfebegünstigter wegen der durch Art. 88 EG-Vertrag zwingend vorgeschriebenen Überwachung staatlicher Beihilfen durch die Europäische Kommission nur dann auf die Rechtmäßigkeit der Beihilfe vertrauen darf, wenn diese unter Beachtung des darin vorgesehenen Verfahrens gewährt wurde, und ob es dem Beklagten im
konkreten Fall bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt möglich und von ihm zu erwarten gewesen wäre, sich über die Einhaltung des Notifikationsverfahrens zu vergewissern. Dagegen spricht, daß der Kaufvertrag, der dem Beklagten die Vergünstigung gewährte, dem geltenden Recht zu entsprechen schien. Daß der Beklagte hätte erkennen können, daß die in dem Vertrag enthaltene Beihilfegewährung dem Gemeinschaftsrecht widersprach, ist immerhin zweifelhaft. Hierauf verweist die Revision zu Recht.
Aber auch wenn man davon ausgeht, daß dem Beklagten eine Sorgfaltspflichtverletzung nicht anzulasten ist, so ist sein Vertrauen in den ungeschmälerten Bestand der rechtswidrig gewährten Beihilfe nicht schutzwürdig. Bei der Rückforderung gemeinschaftsrechtswidriger nationaler Beihilfen tritt neben das öffentliche Interesse der Mitgliedstaaten an einer Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustands ein öffentliches Interesse der Europäischen Union an der Durchsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsordnung (BVerfG NJW 2000, 2015; BVerwGE 92, 81, 85 f; 106, 328, 336; BFH NVwZ 2001, 715, 718). Gegenüber diesem gesteigerten öffentlichen Rückforderungsinteresse kann sich der Beklagte nicht auf Umstände stützen, die es ausnahmsweise gerechtfertigt erscheinen lassen, seinen Interessen den Vorrang zu geben. Die Revision verweist nicht auf Sachvortrag in den Tatsacheninstanzen , wonach die Rückgewähr der Beihilfe für ihn mit unzumutbaren Nachteilen verbunden wäre, etwa weil er Vermögensdispositionen getroffen hätte, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen könnte , oder weil er die gewährten Leistungen verbraucht hätte (vgl. § 48 Abs. 2 Satz 2 VwVfG; s. auch Schneider, NJW 1992, 1197, 1201). Im übrigen hat ihm die Klägerin für den Fall, daß er zur Erbringung des nachgeforderten Betrages aus wirtschaftlichen Gründen nicht in der Lage sein sollte, mit Schreiben vom
15. November 2000 angeboten, begünstigt erworbene landwirtschaftliche Flä- chen aus dem Kaufvertrag vom 1. September 1997 herauszunehmen und den Vertrag nur im übrigen aufrechtzuerhalten. Daß diese Lösung die Existenz des Beklagten gefährden könnte oder ihn in anderer Weise mit unzumutbaren Nachteilen belastete, ist ebenfalls weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Angesichts dieser Umstände ist eine Einschränkung oder ein Ausschluß des Nachforderungsrechts aus § 3a AusglLeistG auch unter dem Gesichtspunkt des § 242 BGB nicht geboten.

III.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Tropf Krüger Lemke Gaier

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

(1) Wird der Verfassungsbeschwerde stattgegeben, so ist in der Entscheidung festzustellen, welche Vorschrift des Grundgesetzes und durch welche Handlung oder Unterlassung sie verletzt wurde. Das Bundesverfassungsgericht kann zugleich aussprechen, daß auch jede Wiederholung der beanstandeten Maßnahme das Grundgesetz verletzt.

(2) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung stattgegeben, so hebt das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung auf, in den Fällen des § 90 Abs. 2 Satz 1 verweist es die Sache an ein zuständiges Gericht zurück.

(3) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz stattgegeben, so ist das Gesetz für nichtig zu erklären. Das gleiche gilt, wenn der Verfassungsbeschwerde gemäß Absatz 2 stattgegeben wird, weil die aufgehobene Entscheidung auf einem verfassungswidrigen Gesetz beruht. Die Vorschrift des § 79 gilt entsprechend.

(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen einschließlich der Kosten der Verteidigung zu ersetzen.

(2) Erweist sich eine Verfassungsbeschwerde als begründet, so sind dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen ganz oder teilweise zu erstatten.

(3) In den übrigen Fällen kann das Bundesverfassungsgericht volle oder teilweise Erstattung der Auslagen anordnen.