Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 11. Mai 2017 - 2 BvR 30/15

ECLI:ECLI:DE:BVerfG:2017:rk20170511.2bvr003015
bei uns veröffentlicht am11.05.2017

Tenor

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 27. November 2014 - III-4 Ws 363/14 - sowie der Beschluss des Landgerichts Arnsberg vom 6. August 2014 - III-1 StVK 54/13 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 1 des Grundgesetzes.

Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 10.000 Euro (in Worten: zehntausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Verletzung des Freiheitsrechts des Beschwerdeführers durch die Nichteinhaltung der Überprüfungsfrist des § 67e Abs. 2 StGB bei der Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung.

I.

2

1. a) Der Beschwerdeführer wurde durch Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 12. Januar 2005 wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung und wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung und Freiheitsberaubung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Des Weiteren wurde seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Seit dem 25. Dezember 2008 wird die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollstreckt.

3

b) Mit Beschluss vom 8. Juli 2011 lehnte das Landgericht Arnsberg die bedingte Entlassung des Beschwerdeführers ab.

4

c) Mit Beschluss vom 27. März 2013 erteilte das Landgericht Arnsberg den Auftrag zur Begutachtung des Beschwerdeführers. Die Sachverständige erstattete ihr Gutachten unter dem 25. Juli 2013. Dieses ging am 1. August 2013 bei Gericht ein. Die vom Landgericht am 3. September auf den 23. Oktober 2013 terminierte Anhörung der Sachverständigen wurde wegen deren Verhinderung auf den 6. November 2013 verlegt.

5

d) Mit Beschluss vom 19. November 2013 forderte das Landgericht die Sachverständige auf, die Gefangenenpersonalakte des Beschwerdeführers auszuwerten, weitere Unterlagen anzufordern sowie mit einem Therapeuten des Beschwerdeführers Rücksprache zu halten. Am 4. April 2014 ging beim Landgericht die ergänzende Stellungnahme der Sachverständigen vom 25. März 2014 ein. Am 31. Juli 2014 erfolgte die weitere mündliche Anhörung der Sachverständigen.

6

e) Mit angegriffenem Beschluss vom 6. August 2014 lehnte das Landgericht Arnsberg die Aussetzung der weiteren Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zur Bewährung ab und führte aus, die lange Verfahrensdauer sei nicht auf Justizverschulden zurückzuführen, sondern der Dauer der Gutachtenerstellung und der Terminsfindung geschuldet.

7

f) Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers, mit der dieser die nicht rechtzeitige Beschlussfassung rügte, verwarf das Oberlandesgericht Hamm mit angegriffenem Beschluss vom 27. November 2014 "aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses" als unbegründet. Dabei wurde ergänzend auf die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft vom 27. Oktober 2014 verwiesen, wonach die Verfahrensweise des Landgerichts erkennbar von dem Bestreben getragen gewesen sei, die Fortdauerentscheidung erst nach gründlicher richterlicher Sachaufklärung zu treffen.

8

2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde greift der Beschwerdeführer die Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer und des Oberlandesgerichts an. Er rügt die Verletzung seiner Rechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG und vertritt die Auffassung, die Überschreitung der Prüfungsfrist sei der verzögerten Behandlung durch das Landgericht geschuldet.

9

3. Die Fortdauer der Unterbringung wurde zwischenzeitlich erneut mit rechtskräftigen Beschlüssen des Landgerichts Arnsberg vom 10. April 2015 und vom 7. April 2016 angeordnet.

II.

10

1. Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen hat von einer Stellungnahme abgesehen.

11

2. Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof hält die Verfassungsbeschwerde für aussichtsreich. Die Erwägungen des Oberlandesgerichts und die in Bezug genommenen Ausführungen des Landgerichts zur Überschreitung der Prüffrist des § 67e StGB seien lückenhaft und enthielten Wertungsfehler.

12

3. Dem Bundesverfassungsgericht hat das Vollstreckungsheft vorgelegen.

III.

13

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), und gibt ihr statt. Nach den Maßstäben, die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits geklärt sind, ist die Verfassungsbeschwerde zulässig und offensichtlich begründet (§ 93b, § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

14

1. a) Die Freiheit der Person darf nur aus besonders gewichtigen Gründen und unter strengen formellen Gewährleistungen eingeschränkt werden. Zu diesen wichtigen Gründen gehören in erster Linie solche des Strafrechts und des Strafverfahrensrechts. Eingriffe in die persönliche Freiheit auf diesem Gebiet dienen vor allem dem Schutz der Allgemeinheit (vgl. BVerfGE 22, 180 <219>; 45, 187 <223>; 58, 208 <224 f.>). Zugleich haben die gesetzlichen Eingriffstatbestände jedoch auch eine freiheitsgewährleistende Funktion, da sie die Grenzen zulässiger Einschränkung bestimmen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. November 2011 - 2 BvR 1665/10 -, juris, Rn. 10). Das gilt auch für die Unterbringung eines Straftäters in der Sicherungsverwahrung nach Maßgabe des § 66 StGB.

15

Der Gesetzgeber hat im Hinblick auf das Gewicht des Freiheitsanspruchs des Untergebrachten für die Vollstreckung der Maßregel besondere Regelungen getroffen. So kann die Strafvollstreckungskammer die Aussetzungsreife der Maßregel jederzeit überprüfen; sie ist dazu seit der zum 1. Juni 2013 in Kraft getretenen Änderung des § 67e Abs. 2 StGB durch das Gesetz zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung vom 5. Dezember 2012 (BGBl I S. 2425) jeweils spätestens vor Ablauf eines Jahres verpflichtet (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. November 2011 - 2 BvR 1665/10 -, juris, Rn. 11). Vor diesem Zeitpunkt betrug die Überprüfungsfrist gemäß § 67e Abs. 2 StGB a.F. zwei Jahre.

16

Die Vorschriften über die regelmäßige Überprüfung der weiteren Vollstreckung der Sicherungsverwahrung dienen der Wahrung des Übermaßverbots bei der Beschränkung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG (vgl. BVerfGK 4, 176 <181>; 5, 67 <68>; BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. Mai 2008 - 2 BvR 1615/07 -, juris, Rn. 17 und vom 22. November 2011 - 2 BvR 1334/10 -, juris, Rn. 16). Ihre Missachtung kann dieses Grundrecht verletzen, wenn es sich um eine nicht mehr vertretbare Fehlhaltung gegenüber dem das Grundrecht sichernden Verfahrensrecht handelt, die auf eine grundsätzlich unrichtige Anschauung von der Bedeutung des Grundrechts schließen lässt (vgl. BVerfGE 18, 85 <93>; 72, 105 <114 f.>; BVerfGK 4, 176 <181>; BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. November 2011 - 2 BvR 1334/10 -, juris, Rn. 16; vom 30. März 2016 - 2 BvR 746/14 -, juris, Rn. 18 und vom 10. Oktober 2016 - 2 BvR 1103/16 -, juris, Rn. 15).

17

Zwar führt nicht jede Verzögerung des Geschäftsablaufs in Unterbringungssachen, die zu einer Überschreitung der einschlägigen Fristvorgaben führt, automatisch auch zu einer Grundrechtsverletzung, weil es zu solchen Verzögerungen auch bei sorgfältiger Führung des Verfahrens kommen kann (BVerfGK 4, 176 <181>). Es muss jedoch sichergestellt sein, dass der Geschäftsgang der Kammer in der Verantwortung des Vorsitzenden oder des Berichterstatters eine Fristenkontrolle vorsieht, die die Vorbereitung einer rechtzeitigen Entscheidung vor Ablauf der Jahresfrist sicherstellt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Betroffene in aller Regel persönlich anzuhören ist und dass auch für eine sachverständige Begutachtung ausreichend Zeit verbleiben muss, soweit die Kammer eine solche für erforderlich halten sollte. Die gesetzliche Entscheidungsfrist lässt dafür ausreichend Raum (vgl. BVerfGK 4, 176 <181>; BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. November 2011 - 2 BvR 1334/10 -, juris, Rn. 16 und vom 29. November 2011 - 2 BvR 1665/10 -, juris, Rn. 12). Gründe für eine etwaige Fristüberschreitung sind zur verfahrensrechtlichen Absicherung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in der Fortdauerentscheidung darzulegen (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. November 2011 - 2 BvR 1334/10 -, juris, Rn. 16; vom 29. November 2011 - 2 BvR 1665/10 -, juris, Rn. 12; vom 30. März 2016 - 2 BvR 746/14 -, juris, Rn. 19 und vom 10. Oktober 2016 - 2 BvR 1103/16 -, juris, Rn. 16.).

18

b) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen an Fortdauerentscheidungen werden die angegriffenen Beschlüsse nicht gerecht.

19

Die Entscheidung des Landgerichts über die Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers ist nicht innerhalb der von § 67e Abs. 2 StGB vorgegebenen Überprüfungsfrist ergangen. Nach § 67e Abs. 2 StGB in der bis zum 31. Mai 2013 gültigen Fassung hätte die Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung spätestens nach zwei Jahren seit der letzten Fortdauerentscheidung vom 8. Juli 2011 erfolgen müssen. Somit endete selbst bei Außerachtlassung der mit dem Gesetz zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung vom 5. Dezember 2012 (BGBl I S. 2425) einhergehenden Verkürzung der Überprüfungsfrist auf ein Jahr die Frist zur Überprüfung der Unterbringung des Beschwerdeführers spätestens am 8. Juli 2013. Stattdessen hat das Landgericht erst mehr als ein Jahr später, am 6. August 2014, die Fortdauer der Sicherungsverwahrung angeordnet, indem es eine Aussetzung zur Bewährung abgelehnt hat.

20

Die Gründe für diese Fristüberschreitung werden in den angegriffenen Beschlüssen nicht in einer Weise dargestellt, die eine sorgfältige Führung des Verfahrens mit dem Ziel rechtzeitiger Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung erkennen lassen. Das Landgericht begründet die "lange Verfahrensdauer" lediglich mit der Dauer der Gutachtenerstellung und der Terminsfindung. Die konkreten Umstände des vorliegenden Falles werden dabei aber nicht erörtert. Daher ist nicht erkennbar, ob die Überschreitung der Prüfungsfrist gemäß § 67e Abs. 2 StGB trotz sorgfältiger Führung des Verfahrens zustande kam oder ob sie auf einer Fehlhaltung gegenüber dem das Grundrecht sichernden Verfahrensrecht beruhte.

21

Insbesondere wird nicht nachvollziehbar dargelegt, aus welchem Grund trotz des zwischenzeitlichen Ablaufs der Überprüfungsfrist die mündliche Anhörung der Sachverständigen zunächst auf den 23. Oktober 2013 und damit knapp drei Monate nach Eingang des Gutachtens bei Gericht am 1. August 2013 terminiert wurde. Inwieweit die im angegriffenen Beschluss erwähnte Entpflichtung des damaligen Pflichtverteidigers des Beschwerdeführers hierzu beigetragen hat, erschließt sich nicht. Ebenso wenig erschließt sich, warum am 6. November 2013 zunächst eine mündliche Anhörung der Sachverständigen durchgeführt wurde, obwohl das Landgericht danach die Einholung eines Ergänzungsgutachtens anordnete, das unter anderem nach Durchsicht der Gefangenenpersonalakten des Beschwerdeführers erstellt werden sollte. Nicht ausgeführt wird außerdem, ob das Gericht durch Anleitung oder Kontrolle auf eine Verkürzung der Bearbeitungszeit des Sachverständigengutachtens hinwirkte, obwohl dies zumindest hinsichtlich des Ergänzungsgutachtens angesichts der erheblichen Überschreitung der Prüfungsfrist geboten gewesen wäre. Schließlich wird nicht dargelegt, warum die erneute mündliche Anhörung der Sachverständigen erst mehr als vier Monate nach Eingang der ergänzenden Stellungnahme bei Gericht stattfand. Der allgemein gehaltene Hinweis, es sei vergeblich versucht worden, mit dem Verteidiger des Untergebrachten einen zeitnahen Anhörungstermin abzustimmen, wobei dies dadurch erschwert worden sei, dass seitens des Beschwerdeführers kein Verzicht auf die Anhörung der Sachverständigen stattgefunden habe, genügt den der verfassungsrechtlichen Absicherung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG dienenden Darlegungspflichten nicht.

22

Der Beschluss der Strafvollstreckungskammer verletzt daher das Freiheitsgrundrecht des Beschwerdeführers. Das Oberlandesgericht hat die Grundrechtsverletzung durch die Strafvollstreckungskammer im Beschluss vom 27. November 2014 vertieft, indem es lediglich auf die zutreffenden Gründe der angegriffenen Entscheidung verweist und ergänzend auf die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft vom 27. Oktober 2014 Bezug nimmt. Soweit in dieser Stellungnahme auf die Notwendigkeit und die landgerichtliche Intention gründlicher richterlicher Sachaufklärung und zuverlässiger Wahrheitserforschung verwiesen wird, vermag dies die vorstehend dargestellten Verzögerungen des Überprüfungsverfahrens nicht zu rechtfertigen.

23

2. Es ist daher gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG festzustellen, dass die angegriffenen Beschlüsse des Oberlandesgerichts Hamm vom 27. November 2014 sowie des Landgerichts Arnsberg vom 6. August 2014 den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG verletzen. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm ist jedoch nicht aufzuheben, da er durch die Fortdauerentscheidungen des Landgerichts Arnsberg vom 10. April 2015 und vom 7. April 2016 mittlerweile prozessual überholt ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 20. November 2014 - 2 BvR 2774/12 -, juris, Rn. 51).

24

3. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG, die Festsetzung des Wertes des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG (vgl. dazu auch BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

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(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn 1. jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die a) sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die per

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(1) Das Gericht kann jederzeit prüfen, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist. Es muß dies vor Ablauf bestimmter Fristen prüfen. (2) Die Fristen betragen bei der Unterbringung in

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Die Kammer kann die Annahme der Verfassungsbeschwerde ablehnen oder die Verfassungsbeschwerde im Falle des § 93c zur Entscheidung annehmen. Im übrigen entscheidet der Senat über die Annahme.

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(1) Das Gericht kann jederzeit prüfen, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist. Es muß dies vor Ablauf bestimmter Fristen prüfen.

(2) Die Fristen betragen bei der Unterbringung
in einer Entziehungsanstalt sechs Monate,
in einem psychiatrischen Krankenhaus ein Jahr,
in der Sicherungsverwahrung ein Jahr, nach dem Vollzug von zehn Jahren der Unterbringung neun Monate.

(3) Das Gericht kann die Fristen kürzen. Es kann im Rahmen der gesetzlichen Prüfungsfristen auch Fristen festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag auf Prüfung unzulässig ist.

(4) Die Fristen laufen vom Beginn der Unterbringung an. Lehnt das Gericht die Aussetzung oder Erledigungserklärung ab, so beginnen die Fristen mit der Entscheidung von neuem.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.

(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.

(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.

(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

(1) Das Gericht kann jederzeit prüfen, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist. Es muß dies vor Ablauf bestimmter Fristen prüfen.

(2) Die Fristen betragen bei der Unterbringung
in einer Entziehungsanstalt sechs Monate,
in einem psychiatrischen Krankenhaus ein Jahr,
in der Sicherungsverwahrung ein Jahr, nach dem Vollzug von zehn Jahren der Unterbringung neun Monate.

(3) Das Gericht kann die Fristen kürzen. Es kann im Rahmen der gesetzlichen Prüfungsfristen auch Fristen festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag auf Prüfung unzulässig ist.

(4) Die Fristen laufen vom Beginn der Unterbringung an. Lehnt das Gericht die Aussetzung oder Erledigungserklärung ab, so beginnen die Fristen mit der Entscheidung von neuem.

Die Kammer kann die Annahme der Verfassungsbeschwerde ablehnen oder die Verfassungsbeschwerde im Falle des § 93c zur Entscheidung annehmen. Im übrigen entscheidet der Senat über die Annahme.

(1) Liegen die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 Buchstabe b vor und ist die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgebliche verfassungsrechtliche Frage durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, kann die Kammer der Verfassungsbeschwerde stattgeben, wenn sie offensichtlich begründet ist. Der Beschluß steht einer Entscheidung des Senats gleich. Eine Entscheidung, die mit der Wirkung des § 31 Abs. 2 ausspricht, daß ein Gesetz mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht unvereinbar oder nichtig ist, bleibt dem Senat vorbehalten.

(2) Auf das Verfahren finden § 94 Abs. 2 und 3 und § 95 Abs. 1 und 2 Anwendung.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Das Gericht kann jederzeit prüfen, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist. Es muß dies vor Ablauf bestimmter Fristen prüfen.

(2) Die Fristen betragen bei der Unterbringung
in einer Entziehungsanstalt sechs Monate,
in einem psychiatrischen Krankenhaus ein Jahr,
in der Sicherungsverwahrung ein Jahr, nach dem Vollzug von zehn Jahren der Unterbringung neun Monate.

(3) Das Gericht kann die Fristen kürzen. Es kann im Rahmen der gesetzlichen Prüfungsfristen auch Fristen festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag auf Prüfung unzulässig ist.

(4) Die Fristen laufen vom Beginn der Unterbringung an. Lehnt das Gericht die Aussetzung oder Erledigungserklärung ab, so beginnen die Fristen mit der Entscheidung von neuem.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Tenor

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 7. Mai 2010 - III-4 Ws 211/10 - und der Beschluss des Landgerichts Kleve vom 12. März 2010 - 181 StVK 36/10 - verletzen die Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 1 des Grundgesetzes.

Die Beschlüsse werden aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Kleve zurückverwiesen.

...

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, welche verfassungsrechtlichen Anforderungen bei einer Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an die Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen zu stellen sind und welche Bedeutung der Einhaltung der Überprüfungsfrist gemäß § 67e Abs. 2 StGB dabei zukommt.

I.

2

1. a) Mit Urteil vom 17. August 2007, rechtskräftig seit dem 6. Februar 2008, ordnete das Landgericht Essen gemäß § 63 StGB die Unterbringung der Beschwerdeführerin in einem psychiatrischen Krankenhaus an, da bei ihr eine paranoid-halluzinatorische Psychose mit einer sekundären Polytoxikomanie diagnostiziert worden war. Die Beschwerdeführerin hatte im Zustand deswegen bestehender Schuldunfähigkeit rechtswidrig unter anderem die Tatbestände des Raubes, des versuchten schweren Raubes, des Diebstahls und des versuchten Diebstahls verwirklicht. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wird seit dem 6. Februar 2008 vollzogen.

3

b) Anlässlich der ersten gemäß § 67d, § 67e StGB erforderlichen Überprüfungsentscheidung im Jahr 2009 gab das psychiatrische Krankenhaus am 10. Dezember 2008 eine Stellungnahme ab. Am 30. Januar 2009 beschloss die Strafvollstreckungskammer, die Anhörung der Beschwerdeführerin auf die Einzelrichterin zu übertragen. Nach der am 25. Februar 2009 durchgeführten Anhörung entschied die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 2. März 2009, dass die Unterbringung der Beschwerdeführerin fortdauere. Eine Begutachtung der Beschwerdeführerin durch einen externen Sachverständigen unterließ die Strafvollstreckungskammer ebenso wie die Beiziehung der Akten aus dem Erkenntnisverfahren. In diesen befand sich insbesondere das Gutachten der Sachverständigen Dr. B., das ausweislich des Urteils des Landgerichts Essen Grundlage für ihre Unterbringung gewesen war.

4

Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer verwarf das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 16. April 2009 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft. In ihrer Stellungnahme vom 2. April 2009 führte die Generalstaatsanwaltschaft - unter anderem - wörtlich aus:

5

"Die weitere Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist nicht bereits deswegen unzulässig, weil der Beschluss der Strafvollstreckungskammer mehr als ein Jahr nach Beginn der Unterbringung am 6. Februar 2008 ergangen ist. Nach § 67e Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 2. Alt., Abs. 4 Satz 2 StGB muss das Gericht bei der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus vor Ablauf von einem Jahr nach Beginn der Unterbringung die Aussetzungsfrage entscheiden. Dabei schließt die rechtzeitige Prüfung die rechtzeitige Entscheidung ein. Der Kontrollzweck des § 67e StGB erfordert insoweit, dass die Strafvollstreckungskammer spätestens am Tag des Ablaufs der Prüfungsfrist über die Aussetzungsfrage zu entscheiden hat. Die Verurteilte befindet sich seit 6. Februar 2008 gemäß § 63 StGB [in der Unterbringung]. Die Jahresfrist war am Tag der angefochtenen Entscheidung somit bereits abgelaufen. Dieser Verstoß hat jedoch keine sachlich-rechtliche Wirkung. Das Gericht ist vielmehr lediglich verpflichtet, die versäumte Prüfung von Amts wegen unverzüglich nachzuholen. Nur die Missachtung der Fristvorschrift durch nicht mehr vertretbare Untätigkeit des Gerichts verletzt das Grundrecht der Verurteilten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG."

6

c) Anlässlich der zweiten Überprüfungsentscheidung im Jahr 2010 gab das psychiatrische Krankenhaus am 27. Januar 2010 eine weitere Stellungnahme ab. Diese leitete der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer dem Verteidiger der Beschwerdeführerin mit Verfügung vom 11. Februar 2010 zu. Mit Beschluss vom 20. Februar 2010 übertrug die Strafvollstreckungskammer die Anhörung der Beschwerdeführerin erneut auf die Einzelrichterin. Die Anhörung fand am 3. März 2010 statt. Mit Beschluss vom 12. März 2010 entschied die Strafvollstreckungskammer, die Unterbringung der Beschwerdeführerin dauere fort. Wiederum zog die Strafvollstreckungskammer weder die Akten des Erkenntnisverfahrens bei noch holte sie - trotz entsprechender Anregung - das Gutachten eines externen Sachverständigen ein. Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin verwarf das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 7. Mai 2010 als unbegründet.

7

2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde greift die Beschwerdeführerin die im Jahr 2010 ergangenen Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer und des Oberlandesgerichts an. Sie rügt die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. Sie ist der Auffassung, die Gerichte hätten ihrer Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts nicht Genüge getan. Die Einholung eines Prognosegutachtens eines externen Sachverständigen wäre erforderlich gewesen.

8

Mit ergänzendem Schriftsatz vom 19. Juli 2011 hat die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. R. gestellt.

II.

9

Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen hatte Gelegenheit zur Stellungnahme. Dem Bundesverfassungsgericht hat das Vollstreckungsheft vorgelegen.

III.

10

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführerin angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), und gibt ihr statt. Nach den Maßstäben, die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits geklärt sind, ist die Verfassungsbeschwerde zulässig und offensichtlich begründet (§ 93b, § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

11

1. a) Die Freiheit der Person darf nur aus besonders gewichtigen Gründen und unter strengen formellen Gewährleistungen eingeschränkt werden (vgl. BVerfGE 35, 185 <190>; 109, 133 <157>). Zu diesen wichtigen Gründen gehören in erster Linie solche des Strafrechts und des Strafverfahrensrechts. Eingriffe in die persönliche Freiheit auf diesem Gebiet dienen vor allem dem Schutz der Allgemeinheit (vgl. BVerfGE 22, 180 <219>; 45, 187 <223>; 58, 208 <224 f.>). Zugleich haben die gesetzlichen Eingriffstatbestände jedoch auch eine freiheitsgewährleistende Funktion, da sie die Grenzen zulässiger Einschränkung bestimmen. Das gilt entsprechend für die Unterbringung eines schuldunfähigen oder erheblich vermindert schuldfähigen Straftäters, von dem zukünftig infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind, in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB (BVerfGE 70, 297 <307>).

12

Der Gesetzgeber hat im Hinblick auf das Gewicht des Freiheitsanspruchs des Untergebrachten für die Vollstreckung dieser Maßregel besondere Regelungen getroffen, die insbesondere deren Aussetzung zur Bewährung vorsehen, sobald verantwortet werden kann, zu erproben, ob der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzuges keine rechtswidrigen Taten mehr begehen wird (§ 67d Abs. 2 StGB). Die Strafvollstreckungskammer kann die Aussetzungsreife der Maßregel jederzeit überprüfen; sie ist dazu jeweils spätestens vor Ablauf eines Jahres verpflichtet (§ 67e Abs. 1 und 2 StGB).

13

aa) Aus der freiheitssichernden Funktion des Art. 2 Abs. 2 GG ergeben sich Mindesterfordernisse für eine zuverlässige Wahrheitserforschung (vgl. BVerfGE 57, 250 <275>; 70, 297 <308>), die nicht nur im strafprozessualen Hauptverfahren, sondern auch für die im Vollstreckungsverfahren zu treffenden Entscheidungen zu beachten sind. Sie setzen unter anderem Maßstäbe für die Aufklärung des Sachverhalts und damit für eine hinreichende tatsächliche Grundlage der richterlichen Entscheidungen. Es ist unverzichtbare Voraussetzung eines rechtsstaatlichen Verfahrens, dass Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen (vgl. BVerfGE 58, 208 <222>; 70, 297 <308>) und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspricht (vgl. BVerfGE 58, 208 <230>; 70, 297 <308>).

14

Nicht nur im sogenannten Strengbeweisverfahren, sondern auch in denjenigen Verfahren, die dem sogenannten Freibeweis unterliegen, gilt die richterliche Aufklärungspflicht, wie sie für die Hauptverhandlung in der Regelung des § 244 Abs. 2 StPO ihren Niederschlag gefunden hat (vgl. BVerfGE 57, 250 <277>; 70, 297 <309>).

15

Bei der Vorbereitung der Entscheidung über die Aussetzung einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hängt es von dem sich nach den Umständen des einzelnen Falles bestimmenden pflichtgemäßen Ermessen des Richters ab, in welcher Weise er die Aussetzungsreife prüft. Geht es um Prognoseentscheidungen, bei denen geistige und seelische Anomalien in Frage stehen, besteht in der Regel die Pflicht, einen erfahrenen Sachverständigen hinzuzuziehen. Dies gilt besonders dort, wo die Gefährlichkeit eines in einem psychiatrischen Krankenhaus Untergebrachten zu beurteilen ist; denn die Umstände, die diese bestimmen, sind für den Richter oft schwer erkennbar und abzuwägen. Zwar muss nicht bei jeder Überprüfung der Unterbringung der gleiche Aufwand veranlasst sein; immer ist jedoch eine für den Einzelfall hinreichende Gründlichkeit bei der Entscheidungsfindung zu gewährleisten (BVerfGE 70, 297 <309>).

16

bb) Die Vorschriften über die regelmäßige Überprüfung der weiteren Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 67d Abs. 2 und Abs. 6, § 67e StGB) dienen der Wahrung des Übermaßverbots bei der Beschränkung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG (vgl. BVerfGK 4, 176 <181>; 5, 67 <68>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. Mai 2008 - 2 BvR 1615/07 -, juris). Ihre Missachtung kann dieses Grundrecht verletzen, wenn sie auf einer Fehlhaltung gegenüber dem das Grundrecht sichernden Verfahrensrecht beruht, die auf eine grundsätzlich unrichtige Anschauung von der Bedeutung des Grundrechts schließen lässt (vgl. BVerfGE 18, 85 <93>; 72, 105 <114 f.>; 109, 133 <163>; BVerfGK 4, 176 <181>). Zwar führt nicht jede Verzögerung des Geschäftsablaufs, die zu einer Überschreitung der Frist führt, automatisch auch zu einer Grundrechtsverletzung, weil es zu solchen Verzögerungen auch bei sorgfältiger Führung des Verfahrens kommen kann (BVerfGK 4, 176 <181>). Es muss für solche Fälle jedoch sichergestellt sein, dass der Geschäftsgang der Kammer in der Verantwortung des Vorsitzenden oder des Berichterstatters eine Fristenkontrolle vorsieht, die die Vorbereitung einer rechtzeitigen Entscheidung vor Ablauf der Jahresfrist sicherstellt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Betroffene in aller Regel persönlich anzuhören ist und dass auch für eine sachverständige Begutachtung ausreichend Zeit verbleibt, soweit die Kammer eine solche für erforderlich halten sollte. Die gesetzliche Entscheidungsfrist von einem Jahr seit der letzten Überprüfungsentscheidung lässt dafür ausreichend Raum (vgl. BVerfGK 4, 176 <181>). Gründe für eine etwaige Fristüberschreitung sind zur verfahrensrechtlichen Absicherung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in der Fortdauerentscheidung darzulegen.

17

b) Diesen von Verfassungs wegen an Entscheidungen, welche die Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus anordnen, zu stellenden Anforderungen werden die angegriffenen Entscheidungen nicht gerecht. Das gilt sowohl für die richterliche Sachaufklärung im vorliegenden Fall (aa) als auch für die Überschreitung der Überprüfungsfristen durch die Strafvollstreckungskammer ohne Angabe von Gründen (bb).

18

aa) Die angegriffenen Entscheidungen genügen dem Gebot zureichender richterlicher Sachaufklärung nicht und verletzen die Beschwerdeführerin daher in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG.

19

§ 463 Abs. 4 StPO und § 16 Abs. 3 des Maßregelvollzugsgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen beschränken das richterliche Ermessen im Hinblick darauf, zu welchem Zeitpunkt spätestens das Gutachten eines externen Sachverständigen im Rahmen der Prüfung der Aussetzungsreife einzuholen ist. Unabhängig davon gebietet Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG, dass stets eine für den Einzelfall hinreichende Gründlichkeit bei der Entscheidungsfindung zu gewährleisten ist (vgl. BVerfGE 70, 297 <309 f.>), so dass es in besonders gelagerten Einzelfällen geboten sein kann, das Gutachten eines externen Sachverständigen auch schon vor dem gesetzlich vorgesehenen Zeitpunkt einzuholen.

20

§ 246a StPO ordnet die Hinzuziehung eines Sachverständigen bereits im Erkenntnisverfahren zwingend an, so dass bei jeder Fortdauerentscheidung bereits das Gutachten eines (externen) Sachverständigen aus dem Erkenntnisverfahren vorhanden ist. Vor diesem Hintergrund kann es jedenfalls dann von Verfassungs wegen geboten sein, die Akten des Erkenntnisverfahrens beizuziehen und das dort vorhandene Gutachten bei der Fortdauerentscheidung zu verwerten, wenn der Verteidiger des Untergebrachten, der Untergebrachte selbst oder ein sonst am Verfahren Beteiligter dies anregt und zugleich auf mögliche Besonderheiten im zu entscheidenden Einzelfall hinweist. In solchen Fällen darf die Strafvollstreckungskammer die ohne großen Aufwand zugängliche, zusätzliche Erkenntnisquelle des bereits vorhandenen Sachverständigengutachtens nicht unbeachtet lassen.

21

Hier hat die Strafvollstreckungskammer dies jedoch unterlassen und die Akten des Erkenntnisverfahrens nicht beigezogen, obwohl der Verteidiger der Beschwerdeführerin dies mehrfach schriftsätzlich angeregt und auf eine mögliche Lückenhaftigkeit der von den Fachgerichten herangezogenen Erkenntnisquellen hingewiesen hatte. Das im Erkenntnisverfahren eingeholte Sachverständigengutachten ist somit nicht zu den Vollstreckungsakten gelangt und konnte bei der Fortdauerentscheidung nicht herangezogen werden. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass die Strafvollstreckungskammer bei Kenntnis dieses Gutachtens und auf der Grundlage einer dadurch verbreiterten Entscheidungsgrundlage zu einer günstigeren Einschätzung für die Beschwerdeführerin gelangt wäre.

22

bb) Auch die Nichteinhaltung der Überprüfungsfristen des § 67e Abs. 2 StGB verletzt die Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG.

23

Die Strafvollstreckungskammer hat ihre richterliche Tätigkeit von vornherein auf ein Mindestmaß beschränkt. Sie hat die Anhörung der Beschwerdeführerin jeweils mit Formularbeschlüssen auf die Berichterstatterin als beauftragte Richterin übertragen. Während des Überprüfungsverfahrens wurden lediglich solche richterlichen Handlungen vorgenommen, die das Gesetz zwingend vorschreibt. Dennoch und obwohl die Stellungnahmen des psychiatrischen Krankenhauses jeweils rechtzeitig vorlagen, ist es der Strafvollstreckungskammer trotz des deutlichen Hinweises der Generalstaatsanwaltschaft auch bei der zweiten Überprüfungsentscheidung im Jahr 2010 nicht gelungen, die Jahresfrist zu wahren.

24

Nachdem bereits die Überprüfungsentscheidung im Jahr 2009 verspätet war, weil diese nicht spätestens am 6. Februar 2009, sondern erst am 2. März 2009 ergangen ist, erfolgte auch die Überprüfungsentscheidung im Jahr 2010 nicht fristgerecht, da sie nicht am 2. März 2010 (vgl. § 67e Abs. 4 StGB), sondern erst am 12. März 2010 erging.

25

Dabei lassen die angegriffenen Entscheidungen jede Auseinandersetzung mit dem Hinweis der Generalstaatsanwaltschaft vermissen; ihnen lässt sich keine Begründung dafür entnehmen, warum die Überprüfungsfrist nicht gewahrt wurde.

26

Vor diesem Hintergrund drängt sich der Eindruck auf, dass sich die Fachgerichte nicht eng an die Überprüfungsfristen des § 67e Abs. 2 StGB gebunden gefühlt und dass sie die grundrechtsschützende Funktion dieser Fristbestimmung nicht erkannt haben. In der Gesamtschau lässt dies den Schluss zu, dass den angegriffenen Entscheidungen eine nicht mehr vertretbare Gleichgültigkeit gegenüber dem grundrechtssichernden Verfahrensrecht zugrunde liegt und sie auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der Grundrechte der Beschwerdeführerin beruhen.

27

2. Die Entscheidung über die Aufhebung und Zurückverweisung beruht auf § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG.

28

3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG. Damit erledigt sich der Antrag der Beschwerdeführerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts (vgl. BVerfGE 105, 1 <17> m.w.N.).

Tenor

Die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Hamm vom 20. März 2014 und 11. Februar 2014 - III-4 Ws 12/14 - sowie der Beschluss des Landgerichts Arnsberg vom 13. November 2013 - III-1 StVK 45/13 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 1 des Grundgesetzes.

Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 25.000 Euro (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Verletzung des Freiheitsrechts des Beschwerdeführers durch die Nichteinhaltung der Überprüfungsfrist des § 67e Abs. 2 StGB bei der Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung.

I.

2

1. a) Der Beschwerdeführer wurde durch Urteil des Landgerichts Essen vom 28. Dezember 2005 wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Des Weiteren wurde seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet.

3

b) Mit Beschluss vom 15. Dezember 2010 ordnete das Landgericht Arnsberg den Vollzug der Sicherungsverwahrung an und lehnte eine bedingte Entlassung des Beschwerdeführers ab. Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung wird seit dem 12. Juli 2011 vollstreckt.

4

c) Einen Antrag des Beschwerdeführers auf gerichtliche Entscheidung, mit dem dieser die Unterbringungsbedingungen in der Justizvollzugsanstalt Werl insbesondere hinsichtlich der Größe und Ausstattung des ihm zugewiesenen Unterbringungsraums rügte, wies das Landgericht Arnsberg mit Beschluss vom 15. Mai 2012 zurück.

5

d) Mit Beschluss vom 14. März 2013 beauftragte das Landgericht Arnsberg den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie B. mit der Begutachtung des Beschwerdeführers. Der Sachverständige bestätigte unter dem 26. April 2013 "den heutigen Eingang" des Gutachtenauftrags sowie des Vollstreckungsheftes und bat um baldmöglichste Zusendung der Haupt- und Vorstrafenakten; auf das Fehlen dieser Akten wies der Sachverständige mit Schreiben vom 12. Juni 2013 erneut hin.

6

e) Mit Schreiben vom 19. August 2013 - abgesandt am 23. August 2013 - wurde der Bevollmächtigten des Beschwerdeführers das am 13. August 2013 bei Gericht eingegangene Gutachten des Sachverständigen vom 8. August 2013 übersandt. Nachdem ein für den 16. Oktober 2013 anberaumter Anhörungstermin aufgrund einer Verhinderung des Sachverständigen aufgehoben worden war, fand dessen Anhörung im Beisein des Beschwerdeführers schließlich am 13. November 2013 statt.

7

f) Mit angegriffenem Beschluss vom 13. November 2013 stellte das Landgericht Arnsberg fest, die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung werde nicht für erledigt erklärt und nicht zur Bewährung ausgesetzt. Feststellungen zur Überschreitung der Überprüfungsfrist gemäß § 67e Abs. 2 StGB enthielt der Beschluss nicht.

8

g) Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers, mit der dieser die nicht rechtzeitige Beschlussfassung rügte, verwarf das Oberlandesgericht Hamm mit angegriffenem Beschluss vom 11. Februar 2014 "aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses" als unbegründet.

9

h) Die hiergegen erhobene Anhörungsrüge, mit der der Beschwerdeführer wiederum die Dauer des Überprüfungsverfahrens und die fehlende Auseinandersetzung der Gerichte hiermit beanstandete, verwarf das Oberlandesgericht Hamm mit ebenfalls angegriffenem Beschluss vom 20. März 2014 als unzulässig, da das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers nicht verletzt worden sei. Dies ergebe sich aus dem Vermerk der Generalstaatsanwaltschaft vom 23. Januar 2014, welcher der Verteidigerin mit Verfügung vom 28. Januar 2014 übermittelt worden sei.

10

2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde greift der Beschwerdeführer die Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer und des Oberlandesgerichts an. Er rügt die Verletzung seiner Rechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG und vertritt die Auffassung, die Überschreitung der Prüfungsfrist sei der Gleichgültigkeit und einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung seines Freiheitsgrundrechts geschuldet.

11

3. Die Fortdauer der Unterbringung wurde zwischenzeitlich erneut mit rechtskräftigem Beschluss des Landgerichts Arnsberg vom 28. April 2015 angeordnet.

II.

12

1. Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen hat von einer Stellungnahme abgesehen.

13

2. Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof hält die Verfassungsbeschwerde für aussichtsreich. Das Oberlandesgericht, welches den Ausführungen des Landgerichts vollumfänglich gefolgt sei, habe sich in keiner Weise mit der Tatsache der Überschreitung der Prüffrist des § 67e StGB auseinandergesetzt. Unterlasse das Gericht jegliche Auseinandersetzung mit dieser Frage, obwohl sich eine Erörterung sowohl aufgrund der objektiven Gegebenheiten des Verfahrensgangs (Offensichtlichkeit der Fristüberschreitung) als auch aufgrund der ausdrücklichen Beanstandung durch den Beschwerdeführer hätte aufdrängen müssen, werde der Beschwerdeführer dadurch in seinen Grundrechten verletzt.

14

3. Dem Bundesverfassungsgericht hat das Vollstreckungsheft vorgelegen.

III.

15

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), und gibt ihr statt. Nach den Maßstäben, die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits geklärt sind, ist die Verfassungsbeschwerde zulässig und offensichtlich begründet (§ 93b, § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

16

1. a) Die Freiheit der Person darf nur aus besonders gewichtigen Gründen und unter strengen formellen Gewährleistungen eingeschränkt werden. Zu diesen wichtigen Gründen gehören in erster Linie solche des Strafrechts und des Strafverfahrensrechts. Eingriffe in die persönliche Freiheit auf diesem Gebiet dienen vor allem dem Schutz der Allgemeinheit (vgl. BVerfGE 22, 180 <219>; 45, 187 <223>; 58, 208 <224 f.>). Zugleich haben die gesetzlichen Eingriffstatbestände jedoch auch eine freiheitsgewährleistende Funktion, da sie die Grenzen zulässiger Einschränkung bestimmen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. November 2011 - 2 BvR 1665/10 -, juris, Rn. 10). Das gilt auch für die Unterbringung eines Straftäters in der Sicherungsverwahrung nach Maßgabe des § 66 StGB.

17

Der Gesetzgeber hat im Hinblick auf das Gewicht des Freiheitsanspruchs des Untergebrachten für die Vollstreckung der Maßregel besondere Regelungen getroffen. So kann die Strafvollstreckungskammer die Aussetzungsreife der Maßregel jederzeit überprüfen; sie ist dazu seit der zum 1. Juni 2013 in Kraft getretenen Änderung des § 67e Abs. 2 StGB durch das Gesetz zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes in der Sicherungsverwahrung vom 5. Dezember 2012 (BGBl I S. 2425) jeweils spätestens vor Ablauf eines Jahres verpflichtet (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. November 2011 - 2 BvR 1665/10 -, juris, Rn. 11). Vor diesem Zeitpunkt betrug die Überprüfungsfrist gemäß § 67e Abs. 2 StGB a.F. zwei Jahre.

18

Die Vorschriften über die regelmäßige Überprüfung der weiteren Vollstreckung der Sicherungsverwahrung dienen der Wahrung des Übermaßverbots bei der Beschränkung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG (vgl. BVerfGK 4, 176 <181>; 5, 67 <68>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. Mai 2008 - 2 BvR 1615/07 -, juris, Rn. 17; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. November 2011 - 2 BvR 1334/10 -, juris, Rn. 16). Ihre Missachtung kann dieses Grundrecht verletzen, wenn es sich um eine nicht mehr vertretbare Fehlhaltung gegenüber dem das Grundrecht sichernden Verfahrensrecht handelt, die auf eine grundsätzlich unrichtige Anschauung von der Bedeutung des Grundrechts schließen lässt (vgl. BVerfGE 18, 85 <93>; 72, 105 <114 f.>; BVerfGK 4, 176 <181>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. November 2011 - 2 BvR 1334/10 -, juris, Rn. 16).

19

Zwar führt nicht jede Verzögerung des Geschäftsablaufs in Unterbringungssachen, die zu einer Überschreitung der einschlägigen Fristvorgaben führt, automatisch auch zu einer Grundrechtsverletzung, weil es zu solchen Verzögerungen auch bei sorgfältiger Führung des Verfahrens kommen kann (BVerfGK 4, 176 <181>). Es muss jedoch sichergestellt sein, dass der Geschäftsgang der Kammer in der Verantwortung des Vorsitzenden oder des Berichterstatters eine Fristenkontrolle vorsieht, die die Vorbereitung einer rechtzeitigen Entscheidung vor Ablauf der Jahresfrist sicherstellt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Betroffene in aller Regel persönlich anzuhören ist und dass auch für eine sachverständige Begutachtung ausreichend Zeit verbleibt, soweit die Kammer eine solche für erforderlich halten sollte. Die gesetzliche Entscheidungsfrist lässt dafür ausreichend Raum (vgl. BVerfGK 4, 176 <181>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. November 2011 - 2 BvR 1334/10 -, juris, Rn. 16; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. November 2011 - 2 BvR 1665/10 -, juris, Rn. 12). Gründe für eine etwaige Fristüberschreitung sind zur verfahrensrechtlichen Absicherung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in der Fortdauerentscheidung darzulegen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. November 2011 - 2 BvR 1334/10 -, juris, Rn. 16; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. November 2011 - 2 BvR 1665/10 -, juris, Rn. 12).

20

b) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen an Entscheidungen werden die angegriffenen Beschlüsse nicht gerecht.

21

Die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer über die Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers ist nicht innerhalb der von § 67e Abs. 2 StGB vorgegebenen Überprüfungsfrist ergangen. Da die Sicherungsverwahrung seit dem 12. Juli 2011 vollstreckt wurde und nach § 67e Abs. 4 Satz 1 StGB die Überprüfungsfristen vom Beginn der Unterbringung an laufen, hätte nach § 67e Abs. 2 StGB in der bis zum 31. Mai 2013 gültigen Fassung die Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung spätestens nach zwei Jahren seit Vollstreckungsbeginn erfolgen müssen. Stattdessen hat das Landgericht erst am 13. November 2013 die Fortdauer der Sicherungsverwahrung angeordnet, indem es deren Nichterledigung festgestellt und eine Aussetzung abgelehnt hat.

22

Demgegenüber kann als Zeitpunkt des Beginns der Überprüfungsfrist auch nicht auf den Beschluss des Landgerichts vom 15. Mai 2012 abgestellt werden. Gegenstand dieses Beschlusses war, wie im Beschluss selbst ausdrücklich dargelegt wird, ausschließlich die Frage, ob die Entscheidung, "den Antrag des Antragstellers auf Zuweisung eines größeren und besser ausgestatteten Haftraumes (bzw. Unterbringungsraumes, da sich der Antragsteller nicht in Strafhaft befindet) zurückzuweisen, rechtmäßig" war. Eine Überprüfung und Entscheidung über die Fortdauer der Sicherungsverwahrung ist mit diesem Beschluss nicht verbunden. Dem entspricht, dass im Vollstreckungsheft der 11. Juli 2013 als nächster Überprüfungstermin vermerkt worden war.

23

Demgemäß endete selbst bei Außerachtlassung der mit dem Gesetz zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung vom 5. Dezember 2012 (BGBl I S. 2425) einhergehenden Verkürzung der Überprüfungsfrist auf ein Jahr die Frist zur Überprüfung der Unterbringung des Beschwerdeführers spätestens am 12. Juli 2013.

24

Gleichwohl haben weder die Strafvollstreckungskammer noch das Oberlandesgericht die mit der Fortdauerentscheidung am 13. November 2013 verbundene nicht unerhebliche Fristüberschreitung von vier Monaten in ihren Entscheidungen begründet. Zur verfahrensrechtlichen Absicherung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG wäre jedoch im Fortdauerbeschluss darzulegen gewesen, warum die Strafvollstreckungskammer die Überprüfungsfrist um mehrere Monate überschritten hat.

25

Infolge der fehlenden Begründung ist nicht erkennbar, ob die Fristüberschreitung trotz sorgfältiger Führung des Verfahrens zustande kam oder ob sie auf einer Fehlhaltung gegenüber dem das Grundrecht sichernden Verfahrensrecht beruhte. Insbesondere erschließt sich nicht, warum zwischen dem Beschluss zur Einholung eines Sachverständigengutachtens am 14. März 2013 und dem Eingang des Auftrages laut Schreiben des Sachverständigen vom 26. April 2013 ein Zeitraum von mehr als einem Monat lag, aus welchem Grund die Übersendung der Haupt- und Vorstrafenakten trotz Anmahnung durch den Sachverständigen zumindest bis zum 12. Juni 2013 unterblieb und warum zwischen dem Eingang des Sachverständigengutachtens am 13. August 2013 und der erstmaligen Anberaumung eines Anhörungstermins auf den 16. Oktober 2013 mehr als zwei Monate vergingen.

26

Bereits der Beschluss der Strafvollstreckungskammer enthält insoweit keinerlei Feststellungen. Das Oberlandesgericht hat die darin liegende Grundrechtsverletzung durch die Strafvollstreckungskammer in den Beschlüssen vom 11. Februar und 20. März 2014 vertieft, indem es lediglich auf die zutreffenden Gründe der angegriffenen Entscheidung beziehungsweise den Vermerk der Generalstaatsanwaltschaft vom 23. Januar 2014, der sich mit den Verfahrensabläufen nach Einleitung des Überprüfungsverfahrens im Februar 2013 nicht befasst, Bezug nimmt.

27

2. Es ist daher gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG festzustellen, dass die angegriffenen Beschlüsse des Oberlandesgerichts Hamm vom 20. März 2014 und 11. Februar 2014 sowie des Landgerichts Arnsberg vom 13. November 2013 den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG verletzen. Die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Hamm sind jedoch nicht aufzuheben, da sie durch die Fortdauerentscheidung des Landgerichts Arnsberg vom 28. April 2015 mittlerweile prozessual überholt sind (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 20. November 2014 - 2 BvR 2774/12 -, juris, Rn. 51).

28

3. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG, die Festsetzung des Wertes des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG (vgl. dazu auch BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

Tenor

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 14. April 2016 - 3 Ws 126/16 - und der Beschluss des Landgerichts Marburg vom 12. November 2015 - 7 StVK 202/14 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 1 des Grundgesetzes.

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Das Land Hessen hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 10.000 Euro (in Worten: zehntausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Verletzung des Freiheitsrechts des Beschwerdeführers insbesondere durch die Nichteinhaltung der Überprüfungsfrist des § 67e Abs. 2 StGB bei der Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung.

I.

2

1. a) Der bereits mehrfach - überwiegend wegen Sexualstraftaten - vorbestrafte Beschwerdeführer wurde durch Urteil des Landgerichts Marburg vom 2. November 1989 wegen Mordes sowie wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexueller Nötigung, Vergewaltigung und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt. Daneben wurde seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet, welche seit dem 12. Juli 2003 vollzogen wird.

3

b) Nachdem das Landgericht Marburg mit Beschluss vom 8. September 2014 die Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers in der Sicherungsverwahrung angeordnet hatte, gab es unter dem 24. September 2014 vor dem Hintergrund der neunmonatigen Überprüfungsfrist des § 67e Abs. 2 StGB die Begutachtung des Beschwerdeführers durch die Sachverständige Dr. S. in Auftrag. Mit Schreiben vom 29. Juli 2015 teilte das Landgericht Marburg dem damaligen Bevollmächtigten des Beschwerdeführers mit, die Sachverständige habe auf telefonische Nachfrage mitgeteilt, das Gutachten bis zum 9. August 2015 vorzulegen. Unter dem 10. August 2015 hielt der Vorsitzende Richter der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Marburg fest, die Sachverständige habe mitgeteilt, dass sich der Beschwerdeführer nunmehr doch noch zu einem Explorationsgespräch bereit erklärt habe. Dieses solle am 12. August 2015 stattfinden. Die Fertigstellung des Gutachtens verzögere sich dadurch. Es solle bis Ende der 34. Kalenderwoche vorgelegt werden. Mit Schreiben des Landgerichts Marburg vom 18. August 2015 wurde als Termin zur Anhörung des Beschwerdeführers der 9. November 2015 bestimmt. Das am 19. August 2015 dem Gericht vorgelegte Gutachten vom 18. August 2015 wurde dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 20. August 2015 übersandt.

4

c) Mit angegriffenem Beschluss vom 12. November 2015 entschied das Landgericht Marburg, die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nicht für erledigt zu erklären und die weitere Vollstreckung der Maßregel nicht zur Bewährung auszusetzen. In den Gründen des Beschlusses stellte es fest, dass die gesetzliche Überprüfungsfrist des § 67e Abs. 2 StGB, die nach dem Vollzug von zehn Jahren der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung neun Monate betrage, um fünf Monate überschritten worden sei. Die Gründe hierfür ergäben sich "aus dem oben dargestellten Lauf des Verfahrens".

5

d) Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers, mit der dieser unter anderem das Überschreiten der Überprüfungsfrist nach § 67e Abs. 2 StGB rügte, verwarf das Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit ebenfalls angegriffenem Beschluss vom 14. April 2016 "aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung". Ergänzend wies es darauf hin, dass eine Überschreitung der gesetzlichen Prüfungsfrist nicht die Aussetzung oder Erledigung der Maßregel zur Folge habe, sondern allenfalls zu einem vorübergehenden Vollstreckungshindernis führen könne.

6

e) Die hiergegen erhobene Anhörungsrüge wies das Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit ebenfalls angegriffenem Beschluss vom 3. Mai 2016 zurück.

7

2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer insbesondere eine Verletzung seines Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG durch die Überschreitung der Überprüfungsfrist, die allein von der Justiz zu vertreten sei und deren Gründe sich mitnichten aus dem "Lauf des Verfahrens" ergäben. Zudem sei seine weitere Unterbringung verfassungs- und konventionswidrig.

II.

8

1. Die Hessische Staatskanzlei hält die Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers nicht für angezeigt. Die Beanstandungen des Beschwerdeführers seien unsubstantiiert.

9

2. Nach Auffassung des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof hat die Verfassungsbeschwerde im Hinblick auf die Überschreitung der Prüffrist des § 67e Abs. 2 StGB Aussicht auf Erfolg. Zwar habe die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Marburg bereits kurz nach der vorangegangenen Fortdauerentscheidung das erforderliche Sachverständigengutachten für die Folgeentscheidung in Auftrag gegeben. Es werde von ihr aber nicht dargelegt, auf welchen Gründen die - nicht unerhebliche - Überschreitung der Prüffrist beruhe. Dabei falle insbesondere auf, dass die erste Anmahnung der Fertigstellung des Gutachtens erst Ende Juli 2015 und damit bereits nach Verstreichen der Frist des § 67e Abs. 2 StGB erfolgt sei. Dieser Umstand weise darauf hin, dass eine die Einhaltung der Prüfungsfrist gewährleistende Planung des Prüfungsverfahrens nach der frühzeitigen Erteilung des Gutachtensauftrags von der Kammer nicht weiter verfolgt worden sei. Dass die verfassungsrechtlich geforderte Fristenkontrolle unter Einbeziehung der notwendigen Zeit für die persönliche Anhörung von Beschwerdeführer und Gutachterin durchgängig erfolgt wäre, lasse sich den Ausführungen der Fachgerichte nicht entnehmen.

10

3. Dem Bundesverfassungsgericht hat das Vollstreckungsheft vorgelegen.

III.

11

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, soweit der Beschwerdeführer eine Überschreitung der Überprüfungsfrist rügt und gibt ihr insoweit statt, weil dies zur Durchsetzung eines Freiheitsgrundrechts gemäß Art. 2 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Nach den Maßstäben, die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits geklärt sind, ist die Verfassungsbeschwerde in diesem Umfang zulässig und offensichtlich begründet (§ 93b, § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

12

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen; insoweit wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG von einer Begründung abgesehen.

13

1. a) Die Freiheit der Person darf nur aus besonders gewichtigen Gründen und unter strengen formellen Gewährleistungen eingeschränkt werden. Zu diesen wichtigen Gründen gehören in erster Linie solche des Strafrechts und des Strafverfahrensrechts. Eingriffe in die persönliche Freiheit auf diesem Gebiet dienen vor allem dem Schutz der Allgemeinheit (vgl. BVerfGE 22, 180 <219>; 45, 187 <223>; 58, 208 <224 f.>). Zugleich haben die gesetzlichen Eingriffstatbestände jedoch auch eine freiheitsgewährleistende Funktion, da sie die Grenzen zulässiger Einschränkung bestimmen. Das gilt auch für die Unterbringung eines Straftäters in der Sicherungsverwahrung nach Maßgabe des § 66 StGB (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 30. März 2016 - 2 BvR 746/14 -, juris, Rn. 16).

14

Der Gesetzgeber hat im Hinblick auf das Gewicht des Freiheitsanspruchs des Untergebrachten für die Vollstreckung dieser Maßregel besondere Regelungen getroffen, die deren Aussetzung zur Bewährung vorsehen, sobald verantwortet werden kann zu erproben, ob der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzuges keine rechtswidrigen Taten mehr begehen wird (§ 67d Abs. 2 StGB). Die Strafvollstreckungskammer kann die Aussetzungsreife der Maßregel jederzeit überprüfen; sie ist dazu gemäß § 67e Abs. 2 StGB jeweils vor Ablauf einer Frist von neun Monaten verpflichtet, wenn der Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung über zehn Jahre andauert (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. November 2011 - 2 BvR 1665/10 -, juris, Rn. 11).

15

Die Vorschriften über die regelmäßige Überprüfung der weiteren Vollstreckung der Unterbringung dienen der Wahrung des Übermaßverbots bei der Beschränkung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG (vgl. BVerfGK 4, 176 <181>; 5, 67 <68>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. Mai 2008 - 2 BvR 1615/07 -, juris, Rn. 17; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. November 2011 - 2 BvR 1334/10 -, juris, Rn. 16). Ihre Missachtung kann dieses Grundrecht verletzen, wenn es sich um eine nicht mehr vertretbare Fehlhaltung gegenüber dem das Grundrecht sichernden Verfahrensrecht handelt, die auf eine grundsätzlich unrichtige Anschauung von der Bedeutung des Grundrechts schließen lässt (vgl. BVerfGE 18, 85 <93>; 72, 105 <114 f.>; 109, 133 <163>; BVerfGK 4, 176 <181>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. November 2011 - 2 BvR 1334/10 -, juris, Rn. 16).

16

Zwar führt nicht jede Verzögerung des Geschäftsablaufs in Unterbringungssachen, die zu einer Überschreitung der einschlägigen Fristvorgaben führt, automatisch auch zu einer Grundrechtsverletzung, weil es zu solchen Verzögerungen auch bei sorgfältiger Führung des Verfahrens kommen kann (BVerfGK 4, 176 <181>). Es muss jedoch sichergestellt sein, dass der Geschäftsgang der Kammer in der Verantwortung des Vorsitzenden oder des Berichterstatters eine Fristenkontrolle vorsieht, die die Vorbereitung einer rechtzeitigen Entscheidung vor Ablauf der Prüffrist sicherstellt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Betroffene in aller Regel persönlich anzuhören ist und dass auch für eine sachverständige Begutachtung ausreichend Zeit verbleibt, soweit die Kammer eine solche für erforderlich halten sollte. Eine gesetzliche Entscheidungsfrist von einem Jahr seit der letzten Überprüfungsentscheidung lässt dafür ausreichend Raum (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. November 2011 - 2 BvR 1334/10 -, juris, Rn. 16; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. November 2011 - 2 BvR 1665/10 -, juris, Rn. 12). Für die neunmonatige Entscheidungsfrist gemäß § 67e Abs. 2 StGB kann nichts anderes gelten. Im Falle einer etwaigen Fristüberschreitung sind zur verfahrensrechtlichen Absicherung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG die Gründe hierfür in der Fortdauerentscheidung darzulegen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. November 2011 - 2 BvR 1334/10 -, juris, Rn. 16; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. November 2011 - 2 BvR 1665/10 -, juris, Rn. 12).

17

b) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen werden die angegriffenen Beschlüsse des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 14. April 2016 und des Landgerichts Marburg vom 12. November 2015 nicht gerecht.

18

aa) Die Entscheidung des Landgerichts Marburg über die Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers in der Sicherungsverwahrung ist nicht innerhalb der von § 67e Abs. 2 StGB vorgegebenen Überprüfungsfrist ergangen. Diese endete am 7. Juni 2015. Der Beschluss des Landgerichts wurde aber erst am 12. November 2015 und damit etwas mehr als fünf Monate nach Ablauf der gesetzlich bestimmten Frist gefasst.

19

bb) Das Landgericht Marburg hat zwar im angegriffenen Beschluss vom 12. November 2015 das Überschreiten der Überprüfungsfrist um fünf Monate festgestellt. Die Gründe für diese Fristüberschreitung werden aber in den angegriffenen Beschlüssen nicht in einer Weise dargestellt, die eine sorgfältige Führung des Verfahrens mit dem Ziel rechtzeitiger Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung erkennen lassen. Das Landgericht begründet die mehr als fünfmonatige Fristüberschreitung lediglich mit dem Hinweis, die Gründe für die Verzögerung ergäben sich aus dem "oben dargestellten Lauf des Verfahrens". Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat im ebenfalls angegriffenen Beschluss vom 14. April 2016 lediglich ausgeführt, dass eine Überschreitung der gesetzlichen Überprüfungsfrist nicht die Aussetzung oder Erledigung der Maßregel zur Folge habe, sondern in gravierenden Fällen allenfalls zu einem vorübergehenden Vollstreckungshindernis führen könne. In dem auf die Anhörungsrüge ergangenen Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 3. Mai 2016 wird die Thematik der Fristüberschreitung nur noch in Bezug auf die §§ 198 ff. GVG gestreift. Diesen Darlegungen kann aber nicht entnommen werden, dass trotz der Überschreitung der Überprüfungsfrist dem Freiheitsgrundrecht des Beschwerdeführers Rechnung getragen wurde.

20

cc) Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Gestaltung des Überprüfungsverfahrens auf einer unrichtigen Anschauung der grundrechtssichernden Bedeutung der Überprüfungsfristen des § 67e Abs. 2 StGB beruht: Das Landgericht hatte zwar bereits am 24. September 2014 die Begutachtung des Beschwerdeführers zur Vorbereitung seiner Überprüfungsentscheidung in Auftrag gegeben. Vor Ablauf der Überprüfungsfrist am 7. Juni 2015 beschränkte es sich aber auf zwei Sachstandsanfragen bei der Sachverständigen am 5. und 20. Mai 2015. Auch nachdem die Frist des § 67e Abs. 2 StGB bereits verstrichen war, wurde lediglich am 2., 13. und 22. Juli 2015 bei der Sachverständigen nach dem Sachstand angefragt und in einer dieser Anfragen auf die Dringlichkeit der Gutachtenerstattung hingewiesen. Sämtliche Sachstandsanfragen waren nicht mit einer Fristsetzung zur Gutachtensvorlage verbunden. Dies genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Herbeiführung einer fristgerechten Fortdauerentscheidung nicht. Vielmehr hätte es dem Gericht angesichts des Zeitablaufs und der kurzen Überprüfungsfrist von neun Monaten oblegen, der Sachverständigen eine Frist zur Vorlage ihres Gutachtens zu einem Zeitpunkt zu setzen, der eine Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung unter Berücksichtigung der regelmäßigen Notwendigkeit vorheriger Anhörung des Beschwerdeführers vor Ablauf der Überprüfungsfrist ermöglicht hätte. Im Falle der Nichteinhaltung dieser Frist zur Vorlage des angeforderten Gutachtens hätte das Gericht die Sachverständige gegebenenfalls von ihrem Auftrag entbinden und einen anderen Sachverständigen mit der Begutachtung beauftragen müssen.

21

Demgegenüber kann auch nicht darauf verwiesen werden, dass die verspätete Vorlage des Gutachtens und die damit verbundene Überschreitung der Überprüfungsfrist durch den Beschwerdeführer selbst veranlasst worden sei. Zwar hat ausweislich des Vermerks des Vorsitzenden Richters der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Marburg vom 10. August 2015 die Sachverständige mitgeteilt, der Beschwerdeführer habe sich "nunmehr doch noch zu einem Explorationsgespräch bereit erklärt". Dass dies aber zu einem früheren Zeitpunkt nicht der Fall gewesen sei, wird von dem Beschwerdeführer ausdrücklich bestritten und lässt sich weder anhand des Vollstreckungsheftes noch der eingegangenen Stellungnahmen belegen. Hieraus ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte, dass sich der Beschwerdeführer zu irgendeinem Zeitpunkt einer Exploration durch die Sachverständige verweigert oder in sonstiger Weise unkooperativ gezeigt hätte. Unabhängig davon würde ein entsprechendes Verhalten des Beschwerdeführers eine fehlende Verantwortlichkeit des Landgerichts Marburg für die Fristüberschreitung im vorliegenden Fall nicht begründen. Denn in Anbetracht der Tatsache, dass die Sachverständige bereits Ende September 2014 mit der Begutachtung des Beschwerdeführers beauftragt worden war, wäre das Gericht verpflichtet gewesen, bei fortgesetzter Verweigerung einer Exploration durch den Beschwerdeführer die Sachverständige zu veranlassen, ein Gutachten nach Aktenlage zu erstellen.

22

2. Es ist daher gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG festzustellen, dass der Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 14. April 2016 und der Beschluss des Landgerichts Marburg vom 12. November 2015 den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG verletzen. Von der in § 95 Abs. 2 BVerfGG vorgesehenen Aufhebung dieser Entscheidungen kann ausnahmsweise abgesehen werden, weil die festgestellte Grundrechtsverletzung den sachlichen Inhalt der angegriffenen Entscheidungen nicht berührt (vgl. BVerfGE 38, 32 <34>; 89, 381 <394>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. November 2011 - 2 BvR 1665/10 -, juris, Rn. 17).

23

3. Mit der Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

24

4. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG, die Festsetzung des Wertes des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG.

Tenor

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 7. Mai 2010 - III-4 Ws 211/10 - und der Beschluss des Landgerichts Kleve vom 12. März 2010 - 181 StVK 36/10 - verletzen die Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 1 des Grundgesetzes.

Die Beschlüsse werden aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Kleve zurückverwiesen.

...

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, welche verfassungsrechtlichen Anforderungen bei einer Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an die Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen zu stellen sind und welche Bedeutung der Einhaltung der Überprüfungsfrist gemäß § 67e Abs. 2 StGB dabei zukommt.

I.

2

1. a) Mit Urteil vom 17. August 2007, rechtskräftig seit dem 6. Februar 2008, ordnete das Landgericht Essen gemäß § 63 StGB die Unterbringung der Beschwerdeführerin in einem psychiatrischen Krankenhaus an, da bei ihr eine paranoid-halluzinatorische Psychose mit einer sekundären Polytoxikomanie diagnostiziert worden war. Die Beschwerdeführerin hatte im Zustand deswegen bestehender Schuldunfähigkeit rechtswidrig unter anderem die Tatbestände des Raubes, des versuchten schweren Raubes, des Diebstahls und des versuchten Diebstahls verwirklicht. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wird seit dem 6. Februar 2008 vollzogen.

3

b) Anlässlich der ersten gemäß § 67d, § 67e StGB erforderlichen Überprüfungsentscheidung im Jahr 2009 gab das psychiatrische Krankenhaus am 10. Dezember 2008 eine Stellungnahme ab. Am 30. Januar 2009 beschloss die Strafvollstreckungskammer, die Anhörung der Beschwerdeführerin auf die Einzelrichterin zu übertragen. Nach der am 25. Februar 2009 durchgeführten Anhörung entschied die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 2. März 2009, dass die Unterbringung der Beschwerdeführerin fortdauere. Eine Begutachtung der Beschwerdeführerin durch einen externen Sachverständigen unterließ die Strafvollstreckungskammer ebenso wie die Beiziehung der Akten aus dem Erkenntnisverfahren. In diesen befand sich insbesondere das Gutachten der Sachverständigen Dr. B., das ausweislich des Urteils des Landgerichts Essen Grundlage für ihre Unterbringung gewesen war.

4

Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer verwarf das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 16. April 2009 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft. In ihrer Stellungnahme vom 2. April 2009 führte die Generalstaatsanwaltschaft - unter anderem - wörtlich aus:

5

"Die weitere Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist nicht bereits deswegen unzulässig, weil der Beschluss der Strafvollstreckungskammer mehr als ein Jahr nach Beginn der Unterbringung am 6. Februar 2008 ergangen ist. Nach § 67e Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 2. Alt., Abs. 4 Satz 2 StGB muss das Gericht bei der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus vor Ablauf von einem Jahr nach Beginn der Unterbringung die Aussetzungsfrage entscheiden. Dabei schließt die rechtzeitige Prüfung die rechtzeitige Entscheidung ein. Der Kontrollzweck des § 67e StGB erfordert insoweit, dass die Strafvollstreckungskammer spätestens am Tag des Ablaufs der Prüfungsfrist über die Aussetzungsfrage zu entscheiden hat. Die Verurteilte befindet sich seit 6. Februar 2008 gemäß § 63 StGB [in der Unterbringung]. Die Jahresfrist war am Tag der angefochtenen Entscheidung somit bereits abgelaufen. Dieser Verstoß hat jedoch keine sachlich-rechtliche Wirkung. Das Gericht ist vielmehr lediglich verpflichtet, die versäumte Prüfung von Amts wegen unverzüglich nachzuholen. Nur die Missachtung der Fristvorschrift durch nicht mehr vertretbare Untätigkeit des Gerichts verletzt das Grundrecht der Verurteilten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG."

6

c) Anlässlich der zweiten Überprüfungsentscheidung im Jahr 2010 gab das psychiatrische Krankenhaus am 27. Januar 2010 eine weitere Stellungnahme ab. Diese leitete der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer dem Verteidiger der Beschwerdeführerin mit Verfügung vom 11. Februar 2010 zu. Mit Beschluss vom 20. Februar 2010 übertrug die Strafvollstreckungskammer die Anhörung der Beschwerdeführerin erneut auf die Einzelrichterin. Die Anhörung fand am 3. März 2010 statt. Mit Beschluss vom 12. März 2010 entschied die Strafvollstreckungskammer, die Unterbringung der Beschwerdeführerin dauere fort. Wiederum zog die Strafvollstreckungskammer weder die Akten des Erkenntnisverfahrens bei noch holte sie - trotz entsprechender Anregung - das Gutachten eines externen Sachverständigen ein. Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin verwarf das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 7. Mai 2010 als unbegründet.

7

2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde greift die Beschwerdeführerin die im Jahr 2010 ergangenen Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer und des Oberlandesgerichts an. Sie rügt die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. Sie ist der Auffassung, die Gerichte hätten ihrer Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts nicht Genüge getan. Die Einholung eines Prognosegutachtens eines externen Sachverständigen wäre erforderlich gewesen.

8

Mit ergänzendem Schriftsatz vom 19. Juli 2011 hat die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. R. gestellt.

II.

9

Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen hatte Gelegenheit zur Stellungnahme. Dem Bundesverfassungsgericht hat das Vollstreckungsheft vorgelegen.

III.

10

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführerin angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), und gibt ihr statt. Nach den Maßstäben, die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits geklärt sind, ist die Verfassungsbeschwerde zulässig und offensichtlich begründet (§ 93b, § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

11

1. a) Die Freiheit der Person darf nur aus besonders gewichtigen Gründen und unter strengen formellen Gewährleistungen eingeschränkt werden (vgl. BVerfGE 35, 185 <190>; 109, 133 <157>). Zu diesen wichtigen Gründen gehören in erster Linie solche des Strafrechts und des Strafverfahrensrechts. Eingriffe in die persönliche Freiheit auf diesem Gebiet dienen vor allem dem Schutz der Allgemeinheit (vgl. BVerfGE 22, 180 <219>; 45, 187 <223>; 58, 208 <224 f.>). Zugleich haben die gesetzlichen Eingriffstatbestände jedoch auch eine freiheitsgewährleistende Funktion, da sie die Grenzen zulässiger Einschränkung bestimmen. Das gilt entsprechend für die Unterbringung eines schuldunfähigen oder erheblich vermindert schuldfähigen Straftäters, von dem zukünftig infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind, in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB (BVerfGE 70, 297 <307>).

12

Der Gesetzgeber hat im Hinblick auf das Gewicht des Freiheitsanspruchs des Untergebrachten für die Vollstreckung dieser Maßregel besondere Regelungen getroffen, die insbesondere deren Aussetzung zur Bewährung vorsehen, sobald verantwortet werden kann, zu erproben, ob der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzuges keine rechtswidrigen Taten mehr begehen wird (§ 67d Abs. 2 StGB). Die Strafvollstreckungskammer kann die Aussetzungsreife der Maßregel jederzeit überprüfen; sie ist dazu jeweils spätestens vor Ablauf eines Jahres verpflichtet (§ 67e Abs. 1 und 2 StGB).

13

aa) Aus der freiheitssichernden Funktion des Art. 2 Abs. 2 GG ergeben sich Mindesterfordernisse für eine zuverlässige Wahrheitserforschung (vgl. BVerfGE 57, 250 <275>; 70, 297 <308>), die nicht nur im strafprozessualen Hauptverfahren, sondern auch für die im Vollstreckungsverfahren zu treffenden Entscheidungen zu beachten sind. Sie setzen unter anderem Maßstäbe für die Aufklärung des Sachverhalts und damit für eine hinreichende tatsächliche Grundlage der richterlichen Entscheidungen. Es ist unverzichtbare Voraussetzung eines rechtsstaatlichen Verfahrens, dass Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen (vgl. BVerfGE 58, 208 <222>; 70, 297 <308>) und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspricht (vgl. BVerfGE 58, 208 <230>; 70, 297 <308>).

14

Nicht nur im sogenannten Strengbeweisverfahren, sondern auch in denjenigen Verfahren, die dem sogenannten Freibeweis unterliegen, gilt die richterliche Aufklärungspflicht, wie sie für die Hauptverhandlung in der Regelung des § 244 Abs. 2 StPO ihren Niederschlag gefunden hat (vgl. BVerfGE 57, 250 <277>; 70, 297 <309>).

15

Bei der Vorbereitung der Entscheidung über die Aussetzung einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hängt es von dem sich nach den Umständen des einzelnen Falles bestimmenden pflichtgemäßen Ermessen des Richters ab, in welcher Weise er die Aussetzungsreife prüft. Geht es um Prognoseentscheidungen, bei denen geistige und seelische Anomalien in Frage stehen, besteht in der Regel die Pflicht, einen erfahrenen Sachverständigen hinzuzuziehen. Dies gilt besonders dort, wo die Gefährlichkeit eines in einem psychiatrischen Krankenhaus Untergebrachten zu beurteilen ist; denn die Umstände, die diese bestimmen, sind für den Richter oft schwer erkennbar und abzuwägen. Zwar muss nicht bei jeder Überprüfung der Unterbringung der gleiche Aufwand veranlasst sein; immer ist jedoch eine für den Einzelfall hinreichende Gründlichkeit bei der Entscheidungsfindung zu gewährleisten (BVerfGE 70, 297 <309>).

16

bb) Die Vorschriften über die regelmäßige Überprüfung der weiteren Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 67d Abs. 2 und Abs. 6, § 67e StGB) dienen der Wahrung des Übermaßverbots bei der Beschränkung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG (vgl. BVerfGK 4, 176 <181>; 5, 67 <68>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. Mai 2008 - 2 BvR 1615/07 -, juris). Ihre Missachtung kann dieses Grundrecht verletzen, wenn sie auf einer Fehlhaltung gegenüber dem das Grundrecht sichernden Verfahrensrecht beruht, die auf eine grundsätzlich unrichtige Anschauung von der Bedeutung des Grundrechts schließen lässt (vgl. BVerfGE 18, 85 <93>; 72, 105 <114 f.>; 109, 133 <163>; BVerfGK 4, 176 <181>). Zwar führt nicht jede Verzögerung des Geschäftsablaufs, die zu einer Überschreitung der Frist führt, automatisch auch zu einer Grundrechtsverletzung, weil es zu solchen Verzögerungen auch bei sorgfältiger Führung des Verfahrens kommen kann (BVerfGK 4, 176 <181>). Es muss für solche Fälle jedoch sichergestellt sein, dass der Geschäftsgang der Kammer in der Verantwortung des Vorsitzenden oder des Berichterstatters eine Fristenkontrolle vorsieht, die die Vorbereitung einer rechtzeitigen Entscheidung vor Ablauf der Jahresfrist sicherstellt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Betroffene in aller Regel persönlich anzuhören ist und dass auch für eine sachverständige Begutachtung ausreichend Zeit verbleibt, soweit die Kammer eine solche für erforderlich halten sollte. Die gesetzliche Entscheidungsfrist von einem Jahr seit der letzten Überprüfungsentscheidung lässt dafür ausreichend Raum (vgl. BVerfGK 4, 176 <181>). Gründe für eine etwaige Fristüberschreitung sind zur verfahrensrechtlichen Absicherung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in der Fortdauerentscheidung darzulegen.

17

b) Diesen von Verfassungs wegen an Entscheidungen, welche die Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus anordnen, zu stellenden Anforderungen werden die angegriffenen Entscheidungen nicht gerecht. Das gilt sowohl für die richterliche Sachaufklärung im vorliegenden Fall (aa) als auch für die Überschreitung der Überprüfungsfristen durch die Strafvollstreckungskammer ohne Angabe von Gründen (bb).

18

aa) Die angegriffenen Entscheidungen genügen dem Gebot zureichender richterlicher Sachaufklärung nicht und verletzen die Beschwerdeführerin daher in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG.

19

§ 463 Abs. 4 StPO und § 16 Abs. 3 des Maßregelvollzugsgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen beschränken das richterliche Ermessen im Hinblick darauf, zu welchem Zeitpunkt spätestens das Gutachten eines externen Sachverständigen im Rahmen der Prüfung der Aussetzungsreife einzuholen ist. Unabhängig davon gebietet Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG, dass stets eine für den Einzelfall hinreichende Gründlichkeit bei der Entscheidungsfindung zu gewährleisten ist (vgl. BVerfGE 70, 297 <309 f.>), so dass es in besonders gelagerten Einzelfällen geboten sein kann, das Gutachten eines externen Sachverständigen auch schon vor dem gesetzlich vorgesehenen Zeitpunkt einzuholen.

20

§ 246a StPO ordnet die Hinzuziehung eines Sachverständigen bereits im Erkenntnisverfahren zwingend an, so dass bei jeder Fortdauerentscheidung bereits das Gutachten eines (externen) Sachverständigen aus dem Erkenntnisverfahren vorhanden ist. Vor diesem Hintergrund kann es jedenfalls dann von Verfassungs wegen geboten sein, die Akten des Erkenntnisverfahrens beizuziehen und das dort vorhandene Gutachten bei der Fortdauerentscheidung zu verwerten, wenn der Verteidiger des Untergebrachten, der Untergebrachte selbst oder ein sonst am Verfahren Beteiligter dies anregt und zugleich auf mögliche Besonderheiten im zu entscheidenden Einzelfall hinweist. In solchen Fällen darf die Strafvollstreckungskammer die ohne großen Aufwand zugängliche, zusätzliche Erkenntnisquelle des bereits vorhandenen Sachverständigengutachtens nicht unbeachtet lassen.

21

Hier hat die Strafvollstreckungskammer dies jedoch unterlassen und die Akten des Erkenntnisverfahrens nicht beigezogen, obwohl der Verteidiger der Beschwerdeführerin dies mehrfach schriftsätzlich angeregt und auf eine mögliche Lückenhaftigkeit der von den Fachgerichten herangezogenen Erkenntnisquellen hingewiesen hatte. Das im Erkenntnisverfahren eingeholte Sachverständigengutachten ist somit nicht zu den Vollstreckungsakten gelangt und konnte bei der Fortdauerentscheidung nicht herangezogen werden. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass die Strafvollstreckungskammer bei Kenntnis dieses Gutachtens und auf der Grundlage einer dadurch verbreiterten Entscheidungsgrundlage zu einer günstigeren Einschätzung für die Beschwerdeführerin gelangt wäre.

22

bb) Auch die Nichteinhaltung der Überprüfungsfristen des § 67e Abs. 2 StGB verletzt die Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG.

23

Die Strafvollstreckungskammer hat ihre richterliche Tätigkeit von vornherein auf ein Mindestmaß beschränkt. Sie hat die Anhörung der Beschwerdeführerin jeweils mit Formularbeschlüssen auf die Berichterstatterin als beauftragte Richterin übertragen. Während des Überprüfungsverfahrens wurden lediglich solche richterlichen Handlungen vorgenommen, die das Gesetz zwingend vorschreibt. Dennoch und obwohl die Stellungnahmen des psychiatrischen Krankenhauses jeweils rechtzeitig vorlagen, ist es der Strafvollstreckungskammer trotz des deutlichen Hinweises der Generalstaatsanwaltschaft auch bei der zweiten Überprüfungsentscheidung im Jahr 2010 nicht gelungen, die Jahresfrist zu wahren.

24

Nachdem bereits die Überprüfungsentscheidung im Jahr 2009 verspätet war, weil diese nicht spätestens am 6. Februar 2009, sondern erst am 2. März 2009 ergangen ist, erfolgte auch die Überprüfungsentscheidung im Jahr 2010 nicht fristgerecht, da sie nicht am 2. März 2010 (vgl. § 67e Abs. 4 StGB), sondern erst am 12. März 2010 erging.

25

Dabei lassen die angegriffenen Entscheidungen jede Auseinandersetzung mit dem Hinweis der Generalstaatsanwaltschaft vermissen; ihnen lässt sich keine Begründung dafür entnehmen, warum die Überprüfungsfrist nicht gewahrt wurde.

26

Vor diesem Hintergrund drängt sich der Eindruck auf, dass sich die Fachgerichte nicht eng an die Überprüfungsfristen des § 67e Abs. 2 StGB gebunden gefühlt und dass sie die grundrechtsschützende Funktion dieser Fristbestimmung nicht erkannt haben. In der Gesamtschau lässt dies den Schluss zu, dass den angegriffenen Entscheidungen eine nicht mehr vertretbare Gleichgültigkeit gegenüber dem grundrechtssichernden Verfahrensrecht zugrunde liegt und sie auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der Grundrechte der Beschwerdeführerin beruhen.

27

2. Die Entscheidung über die Aufhebung und Zurückverweisung beruht auf § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG.

28

3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG. Damit erledigt sich der Antrag der Beschwerdeführerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts (vgl. BVerfGE 105, 1 <17> m.w.N.).

Tenor

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 24. Juni 2010 - 3 Ws 540/10 - und der Beschluss des Landgerichts Gießen vom 6. Mai 2010 - 1 StVK 932/09 K - verletzen den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 1 des Grundgesetzes.

...

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, welche Bedeutung der Einhaltung der Überprüfungsfrist gemäß § 67e Abs. 2 StGB bei einer Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus von Verfassungs wegen zukommt.

I.

2

1. a) Der Beschwerdeführer wurde durch Urteil des Landgerichts vom 14. Januar 2002, rechtskräftig seit dem 23. Mai 2002, wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung unter Einbeziehung einer durch das Urteil eines Amtsgerichts vom 20. November 2000 verhängten Geldstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt; zugleich wurde seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Unterbringung wird seit dem 23. Mai 2002 vollzogen.

3

b) Mit Beschluss vom 6. Mai 2010 entschied die Strafvollstreckungskammer, dass die Unterbringung fortdauere und nicht zur Bewährung ausgesetzt werde, da keine entscheidungserhebliche Änderung der Umstände festzustellen sei und die negative Gefährlichkeitsprognose unverändert fortbestehe. Zu Beginn der Sachverhaltsdarstellung stellte die Strafvollstreckungskammer fest:

4

"Zuletzt hatte die Kammer am 17.10.2008 über die Fortdauer der Unterbringung entschieden."

5

c) Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer verwarf das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 24. Juni 2010 unter Bezugnahme auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung.

6

2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde greift der Beschwerdeführer die Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer und des Oberlandesgerichts an. Er rügt die Verletzung seiner Rechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG sowie aus Art. 19 Abs. 4 GG. Er ist der Auffassung, die Strafvollstreckungskammer habe bei der angegriffenen Überprüfungsentscheidung die Jahresfrist nach § 67d, § 67e StGB grundlos überschritten. Zudem habe die Strafvollstreckungskammer den Sachverhalt unzureichend aufgeklärt.

II.

7

Das Justizministerium des Landes Hessen hatte Gelegenheit zur Stellungnahme. Dem Bundesverfassungsgericht hat das Vollstreckungsheft vorgelegen.

III.

8

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, soweit der Beschwerdeführer eine grundlose Überschreitung der Überprüfungsfristen rügt, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), und gibt ihr statt. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen; insoweit wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG von einer Begründung abgesehen.

9

Nach den Maßstäben, die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits geklärt sind, ist die Verfassungsbeschwerde, soweit sie zur Entscheidung angenommen wird, zulässig und offensichtlich begründet (§ 93b, § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

10

1. a) Die Freiheit der Person darf nur aus besonders gewichtigen Gründen und unter strengen formellen Gewährleistungen eingeschränkt werden. Zu diesen wichtigen Gründen gehören in erster Linie solche des Strafrechts und des Strafverfahrensrechts. Eingriffe in die persönliche Freiheit auf diesem Gebiet dienen vor allem dem Schutz der Allgemeinheit (vgl. BVerfGE 22, 180 <219>; 45, 187 <223>; 58, 208 <224 f.>). Zugleich haben die gesetzlichen Eingriffstatbestände jedoch auch eine freiheitsgewährleistende Funktion, da sie die Grenzen zulässiger Einschränkung bestimmen. Das gilt entsprechend für die Unterbringung eines schuldunfähigen oder erheblich vermindert schuldfähigen Straftäters, von dem zukünftig infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind, in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB (BVerfGE 70, 297<307>).

11

Der Gesetzgeber hat im Hinblick auf das Gewicht des Freiheitsanspruchs des Untergebrachten für die Vollstreckung dieser Maßregel besondere Regelungen getroffen, die deren Aussetzung zur Bewährung vorsehen, sobald verantwortet werden kann zu erproben, ob der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzuges keine rechtswidrigen Taten mehr begehen wird (§ 67d Abs. 2 StGB). Die Strafvollstreckungskammer kann die Aussetzungsreife der Maßregel jederzeit überprüfen; sie ist dazu jeweils spätestens vor Ablauf eines Jahres verpflichtet (§ 67e Abs. 1 und 2 StGB).

12

Die Vorschriften über die regelmäßige Überprüfung der weiteren Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 67d Abs. 2 und Abs. 6, § 67e StGB) dienen der Wahrung des Übermaßverbots bei der Beschränkung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG (vgl. BVerfGK 4, 176 <181>; 5, 67 <68>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. Mai 2008 - 2 BvR 1615/07 -, juris; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. November 2011 - 2 BvR 1334/10 -, juris). Ihre Missachtung kann dieses Grundrecht verletzen, wenn es sich um eine nicht mehr vertretbare Fehlhaltung gegenüber dem das Grundrecht sichernden Verfahrensrecht handelt, die auf eine grundsätzlich unrichtige Anschauung von der Bedeutung des Grundrechts schließen lässt (vgl. BVerfGE 18, 85 <93>; 72, 105 <114 f.>; 109, 133 <163>; BVerfGK 4, 176 <181>; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. November 2011 - 2 BvR 1334/10 -, juris). Zwar führt nicht jede Verzögerung des Geschäftsablaufs in Unterbringungssachen, die zu einer Überschreitung der einschlägigen Fristvorgaben führt, automatisch auch zu einer Grundrechtsverletzung, weil es zu solchen Verzögerungen auch bei sorgfältiger Führung des Verfahrens kommen kann (BVerfGK 4, 176 <181>). Es muss jedoch sichergestellt sein, dass der Geschäftsgang der Kammer in der Verantwortung des Vorsitzenden oder des Berichterstatters eine Fristenkontrolle vorsieht, die die Vorbereitung einer rechtzeitigen Entscheidung vor Ablauf der Jahresfrist sicherstellt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Betroffene in aller Regel persönlich anzuhören ist und dass auch für eine sachverständige Begutachtung ausreichend Zeit verbleibt, soweit die Kammer eine solche für erforderlich halten sollte. Die gesetzliche Entscheidungsfrist von einem Jahr seit der letzten Überprüfungsentscheidung lässt dafür ausreichend Raum (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. November 2011 - 2 BvR 1334/10 -, juris). Gründe für eine etwaige Fristüberschreitung sind zur verfahrensrechtlichen Absicherung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in der Fortdauerentscheidung darzulegen (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. November 2011 - 2 BvR 1334/10 -, juris).

13

b) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen an Entscheidungen, welche die Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus anordnen, werden die angegriffenen Beschlüsse nicht gerecht.

14

Die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer über die Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers ist nicht innerhalb der von § 67e Abs. 2 StGB vorgegebenen Überprüfungsfrist ergangen. Der Beschluss wurde nicht - wie gesetzlich angeordnet - spätestens am 17. Oktober 2009 (vgl. § 67e Abs. 4 StGB), sondern erst am 6. Mai 2010 gefasst.

15

Weder die Strafvollstreckungskammer noch das Oberlandesgericht haben die angesichts eines einjährigen Überprüfungszeitraums erhebliche Fristüberschreitung von nahezu sieben Monaten in ihren Entscheidungen begründet. Gründe oder sonstige Umstände, die auf eine fehlende Verantwortlichkeit der Gerichte für die Fristüberschreitung schließen lassen, können den Entscheidungen nicht entnommen werden. Zur verfahrensrechtlichen Absicherung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG wäre jedoch im Fortdauerbeschluss darzulegen gewesen, warum die Strafvollstreckungskammer die Überprüfungsfrist in diesem erheblichen Umfang überschreiten musste, um dem Rechtsmittelgericht wie dem Bundesverfassungsgericht die Prüfung zu ermöglichen, ob die Grundrechte des Beschwerdeführers im Rahmen des Überprüfungsverfahrens angemessen berücksichtigt worden sind.

16

Der Beschluss der Strafvollstreckungskammer enthält insoweit keinerlei Feststellungen. Er geht auf die Frage der Fristüberschreitung gar nicht ein. Indem es lediglich auf die "zutreffenden Gründe" der angegriffenen Entscheidung Bezug nimmt und die erhebliche Fristüberschreitung durch die Strafvollstreckungskammer hinnimmt, hat das Oberlandesgericht die Grundrechtsverletzung durch die Strafvollstreckungskammer weiter vertieft.

17

2. Es ist daher gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG festzustellen, dass die angegriffenen Entscheidungen den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG verletzt haben. Von der in § 95 Abs. 2 BVerfGG vorgesehenen Aufhebung der angegriffenen Entscheidungen kann ausnahmsweise abgesehen werden, weil die festgestellte Grundrechtsverletzung den sachlichen Inhalt der angegriffenen Entscheidungen nicht berührt (vgl. BVerfGE 38, 32 <34>; 89, 381 <394>).

18

3. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Tenor

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 7. Mai 2010 - III-4 Ws 211/10 - und der Beschluss des Landgerichts Kleve vom 12. März 2010 - 181 StVK 36/10 - verletzen die Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 1 des Grundgesetzes.

Die Beschlüsse werden aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Kleve zurückverwiesen.

...

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, welche verfassungsrechtlichen Anforderungen bei einer Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an die Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen zu stellen sind und welche Bedeutung der Einhaltung der Überprüfungsfrist gemäß § 67e Abs. 2 StGB dabei zukommt.

I.

2

1. a) Mit Urteil vom 17. August 2007, rechtskräftig seit dem 6. Februar 2008, ordnete das Landgericht Essen gemäß § 63 StGB die Unterbringung der Beschwerdeführerin in einem psychiatrischen Krankenhaus an, da bei ihr eine paranoid-halluzinatorische Psychose mit einer sekundären Polytoxikomanie diagnostiziert worden war. Die Beschwerdeführerin hatte im Zustand deswegen bestehender Schuldunfähigkeit rechtswidrig unter anderem die Tatbestände des Raubes, des versuchten schweren Raubes, des Diebstahls und des versuchten Diebstahls verwirklicht. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wird seit dem 6. Februar 2008 vollzogen.

3

b) Anlässlich der ersten gemäß § 67d, § 67e StGB erforderlichen Überprüfungsentscheidung im Jahr 2009 gab das psychiatrische Krankenhaus am 10. Dezember 2008 eine Stellungnahme ab. Am 30. Januar 2009 beschloss die Strafvollstreckungskammer, die Anhörung der Beschwerdeführerin auf die Einzelrichterin zu übertragen. Nach der am 25. Februar 2009 durchgeführten Anhörung entschied die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 2. März 2009, dass die Unterbringung der Beschwerdeführerin fortdauere. Eine Begutachtung der Beschwerdeführerin durch einen externen Sachverständigen unterließ die Strafvollstreckungskammer ebenso wie die Beiziehung der Akten aus dem Erkenntnisverfahren. In diesen befand sich insbesondere das Gutachten der Sachverständigen Dr. B., das ausweislich des Urteils des Landgerichts Essen Grundlage für ihre Unterbringung gewesen war.

4

Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer verwarf das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 16. April 2009 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft. In ihrer Stellungnahme vom 2. April 2009 führte die Generalstaatsanwaltschaft - unter anderem - wörtlich aus:

5

"Die weitere Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist nicht bereits deswegen unzulässig, weil der Beschluss der Strafvollstreckungskammer mehr als ein Jahr nach Beginn der Unterbringung am 6. Februar 2008 ergangen ist. Nach § 67e Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 2. Alt., Abs. 4 Satz 2 StGB muss das Gericht bei der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus vor Ablauf von einem Jahr nach Beginn der Unterbringung die Aussetzungsfrage entscheiden. Dabei schließt die rechtzeitige Prüfung die rechtzeitige Entscheidung ein. Der Kontrollzweck des § 67e StGB erfordert insoweit, dass die Strafvollstreckungskammer spätestens am Tag des Ablaufs der Prüfungsfrist über die Aussetzungsfrage zu entscheiden hat. Die Verurteilte befindet sich seit 6. Februar 2008 gemäß § 63 StGB [in der Unterbringung]. Die Jahresfrist war am Tag der angefochtenen Entscheidung somit bereits abgelaufen. Dieser Verstoß hat jedoch keine sachlich-rechtliche Wirkung. Das Gericht ist vielmehr lediglich verpflichtet, die versäumte Prüfung von Amts wegen unverzüglich nachzuholen. Nur die Missachtung der Fristvorschrift durch nicht mehr vertretbare Untätigkeit des Gerichts verletzt das Grundrecht der Verurteilten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG."

6

c) Anlässlich der zweiten Überprüfungsentscheidung im Jahr 2010 gab das psychiatrische Krankenhaus am 27. Januar 2010 eine weitere Stellungnahme ab. Diese leitete der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer dem Verteidiger der Beschwerdeführerin mit Verfügung vom 11. Februar 2010 zu. Mit Beschluss vom 20. Februar 2010 übertrug die Strafvollstreckungskammer die Anhörung der Beschwerdeführerin erneut auf die Einzelrichterin. Die Anhörung fand am 3. März 2010 statt. Mit Beschluss vom 12. März 2010 entschied die Strafvollstreckungskammer, die Unterbringung der Beschwerdeführerin dauere fort. Wiederum zog die Strafvollstreckungskammer weder die Akten des Erkenntnisverfahrens bei noch holte sie - trotz entsprechender Anregung - das Gutachten eines externen Sachverständigen ein. Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin verwarf das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 7. Mai 2010 als unbegründet.

7

2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde greift die Beschwerdeführerin die im Jahr 2010 ergangenen Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer und des Oberlandesgerichts an. Sie rügt die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. Sie ist der Auffassung, die Gerichte hätten ihrer Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts nicht Genüge getan. Die Einholung eines Prognosegutachtens eines externen Sachverständigen wäre erforderlich gewesen.

8

Mit ergänzendem Schriftsatz vom 19. Juli 2011 hat die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. R. gestellt.

II.

9

Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen hatte Gelegenheit zur Stellungnahme. Dem Bundesverfassungsgericht hat das Vollstreckungsheft vorgelegen.

III.

10

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführerin angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), und gibt ihr statt. Nach den Maßstäben, die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits geklärt sind, ist die Verfassungsbeschwerde zulässig und offensichtlich begründet (§ 93b, § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

11

1. a) Die Freiheit der Person darf nur aus besonders gewichtigen Gründen und unter strengen formellen Gewährleistungen eingeschränkt werden (vgl. BVerfGE 35, 185 <190>; 109, 133 <157>). Zu diesen wichtigen Gründen gehören in erster Linie solche des Strafrechts und des Strafverfahrensrechts. Eingriffe in die persönliche Freiheit auf diesem Gebiet dienen vor allem dem Schutz der Allgemeinheit (vgl. BVerfGE 22, 180 <219>; 45, 187 <223>; 58, 208 <224 f.>). Zugleich haben die gesetzlichen Eingriffstatbestände jedoch auch eine freiheitsgewährleistende Funktion, da sie die Grenzen zulässiger Einschränkung bestimmen. Das gilt entsprechend für die Unterbringung eines schuldunfähigen oder erheblich vermindert schuldfähigen Straftäters, von dem zukünftig infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind, in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB (BVerfGE 70, 297 <307>).

12

Der Gesetzgeber hat im Hinblick auf das Gewicht des Freiheitsanspruchs des Untergebrachten für die Vollstreckung dieser Maßregel besondere Regelungen getroffen, die insbesondere deren Aussetzung zur Bewährung vorsehen, sobald verantwortet werden kann, zu erproben, ob der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzuges keine rechtswidrigen Taten mehr begehen wird (§ 67d Abs. 2 StGB). Die Strafvollstreckungskammer kann die Aussetzungsreife der Maßregel jederzeit überprüfen; sie ist dazu jeweils spätestens vor Ablauf eines Jahres verpflichtet (§ 67e Abs. 1 und 2 StGB).

13

aa) Aus der freiheitssichernden Funktion des Art. 2 Abs. 2 GG ergeben sich Mindesterfordernisse für eine zuverlässige Wahrheitserforschung (vgl. BVerfGE 57, 250 <275>; 70, 297 <308>), die nicht nur im strafprozessualen Hauptverfahren, sondern auch für die im Vollstreckungsverfahren zu treffenden Entscheidungen zu beachten sind. Sie setzen unter anderem Maßstäbe für die Aufklärung des Sachverhalts und damit für eine hinreichende tatsächliche Grundlage der richterlichen Entscheidungen. Es ist unverzichtbare Voraussetzung eines rechtsstaatlichen Verfahrens, dass Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen (vgl. BVerfGE 58, 208 <222>; 70, 297 <308>) und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspricht (vgl. BVerfGE 58, 208 <230>; 70, 297 <308>).

14

Nicht nur im sogenannten Strengbeweisverfahren, sondern auch in denjenigen Verfahren, die dem sogenannten Freibeweis unterliegen, gilt die richterliche Aufklärungspflicht, wie sie für die Hauptverhandlung in der Regelung des § 244 Abs. 2 StPO ihren Niederschlag gefunden hat (vgl. BVerfGE 57, 250 <277>; 70, 297 <309>).

15

Bei der Vorbereitung der Entscheidung über die Aussetzung einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hängt es von dem sich nach den Umständen des einzelnen Falles bestimmenden pflichtgemäßen Ermessen des Richters ab, in welcher Weise er die Aussetzungsreife prüft. Geht es um Prognoseentscheidungen, bei denen geistige und seelische Anomalien in Frage stehen, besteht in der Regel die Pflicht, einen erfahrenen Sachverständigen hinzuzuziehen. Dies gilt besonders dort, wo die Gefährlichkeit eines in einem psychiatrischen Krankenhaus Untergebrachten zu beurteilen ist; denn die Umstände, die diese bestimmen, sind für den Richter oft schwer erkennbar und abzuwägen. Zwar muss nicht bei jeder Überprüfung der Unterbringung der gleiche Aufwand veranlasst sein; immer ist jedoch eine für den Einzelfall hinreichende Gründlichkeit bei der Entscheidungsfindung zu gewährleisten (BVerfGE 70, 297 <309>).

16

bb) Die Vorschriften über die regelmäßige Überprüfung der weiteren Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 67d Abs. 2 und Abs. 6, § 67e StGB) dienen der Wahrung des Übermaßverbots bei der Beschränkung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG (vgl. BVerfGK 4, 176 <181>; 5, 67 <68>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. Mai 2008 - 2 BvR 1615/07 -, juris). Ihre Missachtung kann dieses Grundrecht verletzen, wenn sie auf einer Fehlhaltung gegenüber dem das Grundrecht sichernden Verfahrensrecht beruht, die auf eine grundsätzlich unrichtige Anschauung von der Bedeutung des Grundrechts schließen lässt (vgl. BVerfGE 18, 85 <93>; 72, 105 <114 f.>; 109, 133 <163>; BVerfGK 4, 176 <181>). Zwar führt nicht jede Verzögerung des Geschäftsablaufs, die zu einer Überschreitung der Frist führt, automatisch auch zu einer Grundrechtsverletzung, weil es zu solchen Verzögerungen auch bei sorgfältiger Führung des Verfahrens kommen kann (BVerfGK 4, 176 <181>). Es muss für solche Fälle jedoch sichergestellt sein, dass der Geschäftsgang der Kammer in der Verantwortung des Vorsitzenden oder des Berichterstatters eine Fristenkontrolle vorsieht, die die Vorbereitung einer rechtzeitigen Entscheidung vor Ablauf der Jahresfrist sicherstellt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Betroffene in aller Regel persönlich anzuhören ist und dass auch für eine sachverständige Begutachtung ausreichend Zeit verbleibt, soweit die Kammer eine solche für erforderlich halten sollte. Die gesetzliche Entscheidungsfrist von einem Jahr seit der letzten Überprüfungsentscheidung lässt dafür ausreichend Raum (vgl. BVerfGK 4, 176 <181>). Gründe für eine etwaige Fristüberschreitung sind zur verfahrensrechtlichen Absicherung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in der Fortdauerentscheidung darzulegen.

17

b) Diesen von Verfassungs wegen an Entscheidungen, welche die Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus anordnen, zu stellenden Anforderungen werden die angegriffenen Entscheidungen nicht gerecht. Das gilt sowohl für die richterliche Sachaufklärung im vorliegenden Fall (aa) als auch für die Überschreitung der Überprüfungsfristen durch die Strafvollstreckungskammer ohne Angabe von Gründen (bb).

18

aa) Die angegriffenen Entscheidungen genügen dem Gebot zureichender richterlicher Sachaufklärung nicht und verletzen die Beschwerdeführerin daher in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG.

19

§ 463 Abs. 4 StPO und § 16 Abs. 3 des Maßregelvollzugsgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen beschränken das richterliche Ermessen im Hinblick darauf, zu welchem Zeitpunkt spätestens das Gutachten eines externen Sachverständigen im Rahmen der Prüfung der Aussetzungsreife einzuholen ist. Unabhängig davon gebietet Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG, dass stets eine für den Einzelfall hinreichende Gründlichkeit bei der Entscheidungsfindung zu gewährleisten ist (vgl. BVerfGE 70, 297 <309 f.>), so dass es in besonders gelagerten Einzelfällen geboten sein kann, das Gutachten eines externen Sachverständigen auch schon vor dem gesetzlich vorgesehenen Zeitpunkt einzuholen.

20

§ 246a StPO ordnet die Hinzuziehung eines Sachverständigen bereits im Erkenntnisverfahren zwingend an, so dass bei jeder Fortdauerentscheidung bereits das Gutachten eines (externen) Sachverständigen aus dem Erkenntnisverfahren vorhanden ist. Vor diesem Hintergrund kann es jedenfalls dann von Verfassungs wegen geboten sein, die Akten des Erkenntnisverfahrens beizuziehen und das dort vorhandene Gutachten bei der Fortdauerentscheidung zu verwerten, wenn der Verteidiger des Untergebrachten, der Untergebrachte selbst oder ein sonst am Verfahren Beteiligter dies anregt und zugleich auf mögliche Besonderheiten im zu entscheidenden Einzelfall hinweist. In solchen Fällen darf die Strafvollstreckungskammer die ohne großen Aufwand zugängliche, zusätzliche Erkenntnisquelle des bereits vorhandenen Sachverständigengutachtens nicht unbeachtet lassen.

21

Hier hat die Strafvollstreckungskammer dies jedoch unterlassen und die Akten des Erkenntnisverfahrens nicht beigezogen, obwohl der Verteidiger der Beschwerdeführerin dies mehrfach schriftsätzlich angeregt und auf eine mögliche Lückenhaftigkeit der von den Fachgerichten herangezogenen Erkenntnisquellen hingewiesen hatte. Das im Erkenntnisverfahren eingeholte Sachverständigengutachten ist somit nicht zu den Vollstreckungsakten gelangt und konnte bei der Fortdauerentscheidung nicht herangezogen werden. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass die Strafvollstreckungskammer bei Kenntnis dieses Gutachtens und auf der Grundlage einer dadurch verbreiterten Entscheidungsgrundlage zu einer günstigeren Einschätzung für die Beschwerdeführerin gelangt wäre.

22

bb) Auch die Nichteinhaltung der Überprüfungsfristen des § 67e Abs. 2 StGB verletzt die Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG.

23

Die Strafvollstreckungskammer hat ihre richterliche Tätigkeit von vornherein auf ein Mindestmaß beschränkt. Sie hat die Anhörung der Beschwerdeführerin jeweils mit Formularbeschlüssen auf die Berichterstatterin als beauftragte Richterin übertragen. Während des Überprüfungsverfahrens wurden lediglich solche richterlichen Handlungen vorgenommen, die das Gesetz zwingend vorschreibt. Dennoch und obwohl die Stellungnahmen des psychiatrischen Krankenhauses jeweils rechtzeitig vorlagen, ist es der Strafvollstreckungskammer trotz des deutlichen Hinweises der Generalstaatsanwaltschaft auch bei der zweiten Überprüfungsentscheidung im Jahr 2010 nicht gelungen, die Jahresfrist zu wahren.

24

Nachdem bereits die Überprüfungsentscheidung im Jahr 2009 verspätet war, weil diese nicht spätestens am 6. Februar 2009, sondern erst am 2. März 2009 ergangen ist, erfolgte auch die Überprüfungsentscheidung im Jahr 2010 nicht fristgerecht, da sie nicht am 2. März 2010 (vgl. § 67e Abs. 4 StGB), sondern erst am 12. März 2010 erging.

25

Dabei lassen die angegriffenen Entscheidungen jede Auseinandersetzung mit dem Hinweis der Generalstaatsanwaltschaft vermissen; ihnen lässt sich keine Begründung dafür entnehmen, warum die Überprüfungsfrist nicht gewahrt wurde.

26

Vor diesem Hintergrund drängt sich der Eindruck auf, dass sich die Fachgerichte nicht eng an die Überprüfungsfristen des § 67e Abs. 2 StGB gebunden gefühlt und dass sie die grundrechtsschützende Funktion dieser Fristbestimmung nicht erkannt haben. In der Gesamtschau lässt dies den Schluss zu, dass den angegriffenen Entscheidungen eine nicht mehr vertretbare Gleichgültigkeit gegenüber dem grundrechtssichernden Verfahrensrecht zugrunde liegt und sie auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der Grundrechte der Beschwerdeführerin beruhen.

27

2. Die Entscheidung über die Aufhebung und Zurückverweisung beruht auf § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG.

28

3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG. Damit erledigt sich der Antrag der Beschwerdeführerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts (vgl. BVerfGE 105, 1 <17> m.w.N.).

Tenor

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 24. Juni 2010 - 3 Ws 540/10 - und der Beschluss des Landgerichts Gießen vom 6. Mai 2010 - 1 StVK 932/09 K - verletzen den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 1 des Grundgesetzes.

...

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, welche Bedeutung der Einhaltung der Überprüfungsfrist gemäß § 67e Abs. 2 StGB bei einer Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus von Verfassungs wegen zukommt.

I.

2

1. a) Der Beschwerdeführer wurde durch Urteil des Landgerichts vom 14. Januar 2002, rechtskräftig seit dem 23. Mai 2002, wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung unter Einbeziehung einer durch das Urteil eines Amtsgerichts vom 20. November 2000 verhängten Geldstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt; zugleich wurde seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Unterbringung wird seit dem 23. Mai 2002 vollzogen.

3

b) Mit Beschluss vom 6. Mai 2010 entschied die Strafvollstreckungskammer, dass die Unterbringung fortdauere und nicht zur Bewährung ausgesetzt werde, da keine entscheidungserhebliche Änderung der Umstände festzustellen sei und die negative Gefährlichkeitsprognose unverändert fortbestehe. Zu Beginn der Sachverhaltsdarstellung stellte die Strafvollstreckungskammer fest:

4

"Zuletzt hatte die Kammer am 17.10.2008 über die Fortdauer der Unterbringung entschieden."

5

c) Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer verwarf das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 24. Juni 2010 unter Bezugnahme auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung.

6

2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde greift der Beschwerdeführer die Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer und des Oberlandesgerichts an. Er rügt die Verletzung seiner Rechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG sowie aus Art. 19 Abs. 4 GG. Er ist der Auffassung, die Strafvollstreckungskammer habe bei der angegriffenen Überprüfungsentscheidung die Jahresfrist nach § 67d, § 67e StGB grundlos überschritten. Zudem habe die Strafvollstreckungskammer den Sachverhalt unzureichend aufgeklärt.

II.

7

Das Justizministerium des Landes Hessen hatte Gelegenheit zur Stellungnahme. Dem Bundesverfassungsgericht hat das Vollstreckungsheft vorgelegen.

III.

8

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, soweit der Beschwerdeführer eine grundlose Überschreitung der Überprüfungsfristen rügt, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), und gibt ihr statt. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen; insoweit wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG von einer Begründung abgesehen.

9

Nach den Maßstäben, die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits geklärt sind, ist die Verfassungsbeschwerde, soweit sie zur Entscheidung angenommen wird, zulässig und offensichtlich begründet (§ 93b, § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

10

1. a) Die Freiheit der Person darf nur aus besonders gewichtigen Gründen und unter strengen formellen Gewährleistungen eingeschränkt werden. Zu diesen wichtigen Gründen gehören in erster Linie solche des Strafrechts und des Strafverfahrensrechts. Eingriffe in die persönliche Freiheit auf diesem Gebiet dienen vor allem dem Schutz der Allgemeinheit (vgl. BVerfGE 22, 180 <219>; 45, 187 <223>; 58, 208 <224 f.>). Zugleich haben die gesetzlichen Eingriffstatbestände jedoch auch eine freiheitsgewährleistende Funktion, da sie die Grenzen zulässiger Einschränkung bestimmen. Das gilt entsprechend für die Unterbringung eines schuldunfähigen oder erheblich vermindert schuldfähigen Straftäters, von dem zukünftig infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind, in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB (BVerfGE 70, 297<307>).

11

Der Gesetzgeber hat im Hinblick auf das Gewicht des Freiheitsanspruchs des Untergebrachten für die Vollstreckung dieser Maßregel besondere Regelungen getroffen, die deren Aussetzung zur Bewährung vorsehen, sobald verantwortet werden kann zu erproben, ob der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzuges keine rechtswidrigen Taten mehr begehen wird (§ 67d Abs. 2 StGB). Die Strafvollstreckungskammer kann die Aussetzungsreife der Maßregel jederzeit überprüfen; sie ist dazu jeweils spätestens vor Ablauf eines Jahres verpflichtet (§ 67e Abs. 1 und 2 StGB).

12

Die Vorschriften über die regelmäßige Überprüfung der weiteren Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 67d Abs. 2 und Abs. 6, § 67e StGB) dienen der Wahrung des Übermaßverbots bei der Beschränkung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG (vgl. BVerfGK 4, 176 <181>; 5, 67 <68>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. Mai 2008 - 2 BvR 1615/07 -, juris; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. November 2011 - 2 BvR 1334/10 -, juris). Ihre Missachtung kann dieses Grundrecht verletzen, wenn es sich um eine nicht mehr vertretbare Fehlhaltung gegenüber dem das Grundrecht sichernden Verfahrensrecht handelt, die auf eine grundsätzlich unrichtige Anschauung von der Bedeutung des Grundrechts schließen lässt (vgl. BVerfGE 18, 85 <93>; 72, 105 <114 f.>; 109, 133 <163>; BVerfGK 4, 176 <181>; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. November 2011 - 2 BvR 1334/10 -, juris). Zwar führt nicht jede Verzögerung des Geschäftsablaufs in Unterbringungssachen, die zu einer Überschreitung der einschlägigen Fristvorgaben führt, automatisch auch zu einer Grundrechtsverletzung, weil es zu solchen Verzögerungen auch bei sorgfältiger Führung des Verfahrens kommen kann (BVerfGK 4, 176 <181>). Es muss jedoch sichergestellt sein, dass der Geschäftsgang der Kammer in der Verantwortung des Vorsitzenden oder des Berichterstatters eine Fristenkontrolle vorsieht, die die Vorbereitung einer rechtzeitigen Entscheidung vor Ablauf der Jahresfrist sicherstellt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Betroffene in aller Regel persönlich anzuhören ist und dass auch für eine sachverständige Begutachtung ausreichend Zeit verbleibt, soweit die Kammer eine solche für erforderlich halten sollte. Die gesetzliche Entscheidungsfrist von einem Jahr seit der letzten Überprüfungsentscheidung lässt dafür ausreichend Raum (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. November 2011 - 2 BvR 1334/10 -, juris). Gründe für eine etwaige Fristüberschreitung sind zur verfahrensrechtlichen Absicherung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in der Fortdauerentscheidung darzulegen (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. November 2011 - 2 BvR 1334/10 -, juris).

13

b) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen an Entscheidungen, welche die Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus anordnen, werden die angegriffenen Beschlüsse nicht gerecht.

14

Die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer über die Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers ist nicht innerhalb der von § 67e Abs. 2 StGB vorgegebenen Überprüfungsfrist ergangen. Der Beschluss wurde nicht - wie gesetzlich angeordnet - spätestens am 17. Oktober 2009 (vgl. § 67e Abs. 4 StGB), sondern erst am 6. Mai 2010 gefasst.

15

Weder die Strafvollstreckungskammer noch das Oberlandesgericht haben die angesichts eines einjährigen Überprüfungszeitraums erhebliche Fristüberschreitung von nahezu sieben Monaten in ihren Entscheidungen begründet. Gründe oder sonstige Umstände, die auf eine fehlende Verantwortlichkeit der Gerichte für die Fristüberschreitung schließen lassen, können den Entscheidungen nicht entnommen werden. Zur verfahrensrechtlichen Absicherung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG wäre jedoch im Fortdauerbeschluss darzulegen gewesen, warum die Strafvollstreckungskammer die Überprüfungsfrist in diesem erheblichen Umfang überschreiten musste, um dem Rechtsmittelgericht wie dem Bundesverfassungsgericht die Prüfung zu ermöglichen, ob die Grundrechte des Beschwerdeführers im Rahmen des Überprüfungsverfahrens angemessen berücksichtigt worden sind.

16

Der Beschluss der Strafvollstreckungskammer enthält insoweit keinerlei Feststellungen. Er geht auf die Frage der Fristüberschreitung gar nicht ein. Indem es lediglich auf die "zutreffenden Gründe" der angegriffenen Entscheidung Bezug nimmt und die erhebliche Fristüberschreitung durch die Strafvollstreckungskammer hinnimmt, hat das Oberlandesgericht die Grundrechtsverletzung durch die Strafvollstreckungskammer weiter vertieft.

17

2. Es ist daher gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG festzustellen, dass die angegriffenen Entscheidungen den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG verletzt haben. Von der in § 95 Abs. 2 BVerfGG vorgesehenen Aufhebung der angegriffenen Entscheidungen kann ausnahmsweise abgesehen werden, weil die festgestellte Grundrechtsverletzung den sachlichen Inhalt der angegriffenen Entscheidungen nicht berührt (vgl. BVerfGE 38, 32 <34>; 89, 381 <394>).

18

3. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Tenor

Die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Hamm vom 20. März 2014 und 11. Februar 2014 - III-4 Ws 12/14 - sowie der Beschluss des Landgerichts Arnsberg vom 13. November 2013 - III-1 StVK 45/13 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 1 des Grundgesetzes.

Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 25.000 Euro (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Verletzung des Freiheitsrechts des Beschwerdeführers durch die Nichteinhaltung der Überprüfungsfrist des § 67e Abs. 2 StGB bei der Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung.

I.

2

1. a) Der Beschwerdeführer wurde durch Urteil des Landgerichts Essen vom 28. Dezember 2005 wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Des Weiteren wurde seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet.

3

b) Mit Beschluss vom 15. Dezember 2010 ordnete das Landgericht Arnsberg den Vollzug der Sicherungsverwahrung an und lehnte eine bedingte Entlassung des Beschwerdeführers ab. Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung wird seit dem 12. Juli 2011 vollstreckt.

4

c) Einen Antrag des Beschwerdeführers auf gerichtliche Entscheidung, mit dem dieser die Unterbringungsbedingungen in der Justizvollzugsanstalt Werl insbesondere hinsichtlich der Größe und Ausstattung des ihm zugewiesenen Unterbringungsraums rügte, wies das Landgericht Arnsberg mit Beschluss vom 15. Mai 2012 zurück.

5

d) Mit Beschluss vom 14. März 2013 beauftragte das Landgericht Arnsberg den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie B. mit der Begutachtung des Beschwerdeführers. Der Sachverständige bestätigte unter dem 26. April 2013 "den heutigen Eingang" des Gutachtenauftrags sowie des Vollstreckungsheftes und bat um baldmöglichste Zusendung der Haupt- und Vorstrafenakten; auf das Fehlen dieser Akten wies der Sachverständige mit Schreiben vom 12. Juni 2013 erneut hin.

6

e) Mit Schreiben vom 19. August 2013 - abgesandt am 23. August 2013 - wurde der Bevollmächtigten des Beschwerdeführers das am 13. August 2013 bei Gericht eingegangene Gutachten des Sachverständigen vom 8. August 2013 übersandt. Nachdem ein für den 16. Oktober 2013 anberaumter Anhörungstermin aufgrund einer Verhinderung des Sachverständigen aufgehoben worden war, fand dessen Anhörung im Beisein des Beschwerdeführers schließlich am 13. November 2013 statt.

7

f) Mit angegriffenem Beschluss vom 13. November 2013 stellte das Landgericht Arnsberg fest, die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung werde nicht für erledigt erklärt und nicht zur Bewährung ausgesetzt. Feststellungen zur Überschreitung der Überprüfungsfrist gemäß § 67e Abs. 2 StGB enthielt der Beschluss nicht.

8

g) Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers, mit der dieser die nicht rechtzeitige Beschlussfassung rügte, verwarf das Oberlandesgericht Hamm mit angegriffenem Beschluss vom 11. Februar 2014 "aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses" als unbegründet.

9

h) Die hiergegen erhobene Anhörungsrüge, mit der der Beschwerdeführer wiederum die Dauer des Überprüfungsverfahrens und die fehlende Auseinandersetzung der Gerichte hiermit beanstandete, verwarf das Oberlandesgericht Hamm mit ebenfalls angegriffenem Beschluss vom 20. März 2014 als unzulässig, da das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers nicht verletzt worden sei. Dies ergebe sich aus dem Vermerk der Generalstaatsanwaltschaft vom 23. Januar 2014, welcher der Verteidigerin mit Verfügung vom 28. Januar 2014 übermittelt worden sei.

10

2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde greift der Beschwerdeführer die Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer und des Oberlandesgerichts an. Er rügt die Verletzung seiner Rechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG und vertritt die Auffassung, die Überschreitung der Prüfungsfrist sei der Gleichgültigkeit und einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung seines Freiheitsgrundrechts geschuldet.

11

3. Die Fortdauer der Unterbringung wurde zwischenzeitlich erneut mit rechtskräftigem Beschluss des Landgerichts Arnsberg vom 28. April 2015 angeordnet.

II.

12

1. Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen hat von einer Stellungnahme abgesehen.

13

2. Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof hält die Verfassungsbeschwerde für aussichtsreich. Das Oberlandesgericht, welches den Ausführungen des Landgerichts vollumfänglich gefolgt sei, habe sich in keiner Weise mit der Tatsache der Überschreitung der Prüffrist des § 67e StGB auseinandergesetzt. Unterlasse das Gericht jegliche Auseinandersetzung mit dieser Frage, obwohl sich eine Erörterung sowohl aufgrund der objektiven Gegebenheiten des Verfahrensgangs (Offensichtlichkeit der Fristüberschreitung) als auch aufgrund der ausdrücklichen Beanstandung durch den Beschwerdeführer hätte aufdrängen müssen, werde der Beschwerdeführer dadurch in seinen Grundrechten verletzt.

14

3. Dem Bundesverfassungsgericht hat das Vollstreckungsheft vorgelegen.

III.

15

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), und gibt ihr statt. Nach den Maßstäben, die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits geklärt sind, ist die Verfassungsbeschwerde zulässig und offensichtlich begründet (§ 93b, § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

16

1. a) Die Freiheit der Person darf nur aus besonders gewichtigen Gründen und unter strengen formellen Gewährleistungen eingeschränkt werden. Zu diesen wichtigen Gründen gehören in erster Linie solche des Strafrechts und des Strafverfahrensrechts. Eingriffe in die persönliche Freiheit auf diesem Gebiet dienen vor allem dem Schutz der Allgemeinheit (vgl. BVerfGE 22, 180 <219>; 45, 187 <223>; 58, 208 <224 f.>). Zugleich haben die gesetzlichen Eingriffstatbestände jedoch auch eine freiheitsgewährleistende Funktion, da sie die Grenzen zulässiger Einschränkung bestimmen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. November 2011 - 2 BvR 1665/10 -, juris, Rn. 10). Das gilt auch für die Unterbringung eines Straftäters in der Sicherungsverwahrung nach Maßgabe des § 66 StGB.

17

Der Gesetzgeber hat im Hinblick auf das Gewicht des Freiheitsanspruchs des Untergebrachten für die Vollstreckung der Maßregel besondere Regelungen getroffen. So kann die Strafvollstreckungskammer die Aussetzungsreife der Maßregel jederzeit überprüfen; sie ist dazu seit der zum 1. Juni 2013 in Kraft getretenen Änderung des § 67e Abs. 2 StGB durch das Gesetz zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes in der Sicherungsverwahrung vom 5. Dezember 2012 (BGBl I S. 2425) jeweils spätestens vor Ablauf eines Jahres verpflichtet (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. November 2011 - 2 BvR 1665/10 -, juris, Rn. 11). Vor diesem Zeitpunkt betrug die Überprüfungsfrist gemäß § 67e Abs. 2 StGB a.F. zwei Jahre.

18

Die Vorschriften über die regelmäßige Überprüfung der weiteren Vollstreckung der Sicherungsverwahrung dienen der Wahrung des Übermaßverbots bei der Beschränkung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG (vgl. BVerfGK 4, 176 <181>; 5, 67 <68>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. Mai 2008 - 2 BvR 1615/07 -, juris, Rn. 17; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. November 2011 - 2 BvR 1334/10 -, juris, Rn. 16). Ihre Missachtung kann dieses Grundrecht verletzen, wenn es sich um eine nicht mehr vertretbare Fehlhaltung gegenüber dem das Grundrecht sichernden Verfahrensrecht handelt, die auf eine grundsätzlich unrichtige Anschauung von der Bedeutung des Grundrechts schließen lässt (vgl. BVerfGE 18, 85 <93>; 72, 105 <114 f.>; BVerfGK 4, 176 <181>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. November 2011 - 2 BvR 1334/10 -, juris, Rn. 16).

19

Zwar führt nicht jede Verzögerung des Geschäftsablaufs in Unterbringungssachen, die zu einer Überschreitung der einschlägigen Fristvorgaben führt, automatisch auch zu einer Grundrechtsverletzung, weil es zu solchen Verzögerungen auch bei sorgfältiger Führung des Verfahrens kommen kann (BVerfGK 4, 176 <181>). Es muss jedoch sichergestellt sein, dass der Geschäftsgang der Kammer in der Verantwortung des Vorsitzenden oder des Berichterstatters eine Fristenkontrolle vorsieht, die die Vorbereitung einer rechtzeitigen Entscheidung vor Ablauf der Jahresfrist sicherstellt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Betroffene in aller Regel persönlich anzuhören ist und dass auch für eine sachverständige Begutachtung ausreichend Zeit verbleibt, soweit die Kammer eine solche für erforderlich halten sollte. Die gesetzliche Entscheidungsfrist lässt dafür ausreichend Raum (vgl. BVerfGK 4, 176 <181>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. November 2011 - 2 BvR 1334/10 -, juris, Rn. 16; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. November 2011 - 2 BvR 1665/10 -, juris, Rn. 12). Gründe für eine etwaige Fristüberschreitung sind zur verfahrensrechtlichen Absicherung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in der Fortdauerentscheidung darzulegen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. November 2011 - 2 BvR 1334/10 -, juris, Rn. 16; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. November 2011 - 2 BvR 1665/10 -, juris, Rn. 12).

20

b) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen an Entscheidungen werden die angegriffenen Beschlüsse nicht gerecht.

21

Die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer über die Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers ist nicht innerhalb der von § 67e Abs. 2 StGB vorgegebenen Überprüfungsfrist ergangen. Da die Sicherungsverwahrung seit dem 12. Juli 2011 vollstreckt wurde und nach § 67e Abs. 4 Satz 1 StGB die Überprüfungsfristen vom Beginn der Unterbringung an laufen, hätte nach § 67e Abs. 2 StGB in der bis zum 31. Mai 2013 gültigen Fassung die Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung spätestens nach zwei Jahren seit Vollstreckungsbeginn erfolgen müssen. Stattdessen hat das Landgericht erst am 13. November 2013 die Fortdauer der Sicherungsverwahrung angeordnet, indem es deren Nichterledigung festgestellt und eine Aussetzung abgelehnt hat.

22

Demgegenüber kann als Zeitpunkt des Beginns der Überprüfungsfrist auch nicht auf den Beschluss des Landgerichts vom 15. Mai 2012 abgestellt werden. Gegenstand dieses Beschlusses war, wie im Beschluss selbst ausdrücklich dargelegt wird, ausschließlich die Frage, ob die Entscheidung, "den Antrag des Antragstellers auf Zuweisung eines größeren und besser ausgestatteten Haftraumes (bzw. Unterbringungsraumes, da sich der Antragsteller nicht in Strafhaft befindet) zurückzuweisen, rechtmäßig" war. Eine Überprüfung und Entscheidung über die Fortdauer der Sicherungsverwahrung ist mit diesem Beschluss nicht verbunden. Dem entspricht, dass im Vollstreckungsheft der 11. Juli 2013 als nächster Überprüfungstermin vermerkt worden war.

23

Demgemäß endete selbst bei Außerachtlassung der mit dem Gesetz zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung vom 5. Dezember 2012 (BGBl I S. 2425) einhergehenden Verkürzung der Überprüfungsfrist auf ein Jahr die Frist zur Überprüfung der Unterbringung des Beschwerdeführers spätestens am 12. Juli 2013.

24

Gleichwohl haben weder die Strafvollstreckungskammer noch das Oberlandesgericht die mit der Fortdauerentscheidung am 13. November 2013 verbundene nicht unerhebliche Fristüberschreitung von vier Monaten in ihren Entscheidungen begründet. Zur verfahrensrechtlichen Absicherung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG wäre jedoch im Fortdauerbeschluss darzulegen gewesen, warum die Strafvollstreckungskammer die Überprüfungsfrist um mehrere Monate überschritten hat.

25

Infolge der fehlenden Begründung ist nicht erkennbar, ob die Fristüberschreitung trotz sorgfältiger Führung des Verfahrens zustande kam oder ob sie auf einer Fehlhaltung gegenüber dem das Grundrecht sichernden Verfahrensrecht beruhte. Insbesondere erschließt sich nicht, warum zwischen dem Beschluss zur Einholung eines Sachverständigengutachtens am 14. März 2013 und dem Eingang des Auftrages laut Schreiben des Sachverständigen vom 26. April 2013 ein Zeitraum von mehr als einem Monat lag, aus welchem Grund die Übersendung der Haupt- und Vorstrafenakten trotz Anmahnung durch den Sachverständigen zumindest bis zum 12. Juni 2013 unterblieb und warum zwischen dem Eingang des Sachverständigengutachtens am 13. August 2013 und der erstmaligen Anberaumung eines Anhörungstermins auf den 16. Oktober 2013 mehr als zwei Monate vergingen.

26

Bereits der Beschluss der Strafvollstreckungskammer enthält insoweit keinerlei Feststellungen. Das Oberlandesgericht hat die darin liegende Grundrechtsverletzung durch die Strafvollstreckungskammer in den Beschlüssen vom 11. Februar und 20. März 2014 vertieft, indem es lediglich auf die zutreffenden Gründe der angegriffenen Entscheidung beziehungsweise den Vermerk der Generalstaatsanwaltschaft vom 23. Januar 2014, der sich mit den Verfahrensabläufen nach Einleitung des Überprüfungsverfahrens im Februar 2013 nicht befasst, Bezug nimmt.

27

2. Es ist daher gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG festzustellen, dass die angegriffenen Beschlüsse des Oberlandesgerichts Hamm vom 20. März 2014 und 11. Februar 2014 sowie des Landgerichts Arnsberg vom 13. November 2013 den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG verletzen. Die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Hamm sind jedoch nicht aufzuheben, da sie durch die Fortdauerentscheidung des Landgerichts Arnsberg vom 28. April 2015 mittlerweile prozessual überholt sind (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 20. November 2014 - 2 BvR 2774/12 -, juris, Rn. 51).

28

3. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG, die Festsetzung des Wertes des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG (vgl. dazu auch BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

Tenor

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 14. April 2016 - 3 Ws 126/16 - und der Beschluss des Landgerichts Marburg vom 12. November 2015 - 7 StVK 202/14 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 1 des Grundgesetzes.

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Das Land Hessen hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 10.000 Euro (in Worten: zehntausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Verletzung des Freiheitsrechts des Beschwerdeführers insbesondere durch die Nichteinhaltung der Überprüfungsfrist des § 67e Abs. 2 StGB bei der Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung.

I.

2

1. a) Der bereits mehrfach - überwiegend wegen Sexualstraftaten - vorbestrafte Beschwerdeführer wurde durch Urteil des Landgerichts Marburg vom 2. November 1989 wegen Mordes sowie wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexueller Nötigung, Vergewaltigung und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt. Daneben wurde seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet, welche seit dem 12. Juli 2003 vollzogen wird.

3

b) Nachdem das Landgericht Marburg mit Beschluss vom 8. September 2014 die Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers in der Sicherungsverwahrung angeordnet hatte, gab es unter dem 24. September 2014 vor dem Hintergrund der neunmonatigen Überprüfungsfrist des § 67e Abs. 2 StGB die Begutachtung des Beschwerdeführers durch die Sachverständige Dr. S. in Auftrag. Mit Schreiben vom 29. Juli 2015 teilte das Landgericht Marburg dem damaligen Bevollmächtigten des Beschwerdeführers mit, die Sachverständige habe auf telefonische Nachfrage mitgeteilt, das Gutachten bis zum 9. August 2015 vorzulegen. Unter dem 10. August 2015 hielt der Vorsitzende Richter der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Marburg fest, die Sachverständige habe mitgeteilt, dass sich der Beschwerdeführer nunmehr doch noch zu einem Explorationsgespräch bereit erklärt habe. Dieses solle am 12. August 2015 stattfinden. Die Fertigstellung des Gutachtens verzögere sich dadurch. Es solle bis Ende der 34. Kalenderwoche vorgelegt werden. Mit Schreiben des Landgerichts Marburg vom 18. August 2015 wurde als Termin zur Anhörung des Beschwerdeführers der 9. November 2015 bestimmt. Das am 19. August 2015 dem Gericht vorgelegte Gutachten vom 18. August 2015 wurde dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 20. August 2015 übersandt.

4

c) Mit angegriffenem Beschluss vom 12. November 2015 entschied das Landgericht Marburg, die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nicht für erledigt zu erklären und die weitere Vollstreckung der Maßregel nicht zur Bewährung auszusetzen. In den Gründen des Beschlusses stellte es fest, dass die gesetzliche Überprüfungsfrist des § 67e Abs. 2 StGB, die nach dem Vollzug von zehn Jahren der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung neun Monate betrage, um fünf Monate überschritten worden sei. Die Gründe hierfür ergäben sich "aus dem oben dargestellten Lauf des Verfahrens".

5

d) Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers, mit der dieser unter anderem das Überschreiten der Überprüfungsfrist nach § 67e Abs. 2 StGB rügte, verwarf das Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit ebenfalls angegriffenem Beschluss vom 14. April 2016 "aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung". Ergänzend wies es darauf hin, dass eine Überschreitung der gesetzlichen Prüfungsfrist nicht die Aussetzung oder Erledigung der Maßregel zur Folge habe, sondern allenfalls zu einem vorübergehenden Vollstreckungshindernis führen könne.

6

e) Die hiergegen erhobene Anhörungsrüge wies das Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit ebenfalls angegriffenem Beschluss vom 3. Mai 2016 zurück.

7

2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer insbesondere eine Verletzung seines Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG durch die Überschreitung der Überprüfungsfrist, die allein von der Justiz zu vertreten sei und deren Gründe sich mitnichten aus dem "Lauf des Verfahrens" ergäben. Zudem sei seine weitere Unterbringung verfassungs- und konventionswidrig.

II.

8

1. Die Hessische Staatskanzlei hält die Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers nicht für angezeigt. Die Beanstandungen des Beschwerdeführers seien unsubstantiiert.

9

2. Nach Auffassung des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof hat die Verfassungsbeschwerde im Hinblick auf die Überschreitung der Prüffrist des § 67e Abs. 2 StGB Aussicht auf Erfolg. Zwar habe die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Marburg bereits kurz nach der vorangegangenen Fortdauerentscheidung das erforderliche Sachverständigengutachten für die Folgeentscheidung in Auftrag gegeben. Es werde von ihr aber nicht dargelegt, auf welchen Gründen die - nicht unerhebliche - Überschreitung der Prüffrist beruhe. Dabei falle insbesondere auf, dass die erste Anmahnung der Fertigstellung des Gutachtens erst Ende Juli 2015 und damit bereits nach Verstreichen der Frist des § 67e Abs. 2 StGB erfolgt sei. Dieser Umstand weise darauf hin, dass eine die Einhaltung der Prüfungsfrist gewährleistende Planung des Prüfungsverfahrens nach der frühzeitigen Erteilung des Gutachtensauftrags von der Kammer nicht weiter verfolgt worden sei. Dass die verfassungsrechtlich geforderte Fristenkontrolle unter Einbeziehung der notwendigen Zeit für die persönliche Anhörung von Beschwerdeführer und Gutachterin durchgängig erfolgt wäre, lasse sich den Ausführungen der Fachgerichte nicht entnehmen.

10

3. Dem Bundesverfassungsgericht hat das Vollstreckungsheft vorgelegen.

III.

11

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, soweit der Beschwerdeführer eine Überschreitung der Überprüfungsfrist rügt und gibt ihr insoweit statt, weil dies zur Durchsetzung eines Freiheitsgrundrechts gemäß Art. 2 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Nach den Maßstäben, die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits geklärt sind, ist die Verfassungsbeschwerde in diesem Umfang zulässig und offensichtlich begründet (§ 93b, § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

12

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen; insoweit wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG von einer Begründung abgesehen.

13

1. a) Die Freiheit der Person darf nur aus besonders gewichtigen Gründen und unter strengen formellen Gewährleistungen eingeschränkt werden. Zu diesen wichtigen Gründen gehören in erster Linie solche des Strafrechts und des Strafverfahrensrechts. Eingriffe in die persönliche Freiheit auf diesem Gebiet dienen vor allem dem Schutz der Allgemeinheit (vgl. BVerfGE 22, 180 <219>; 45, 187 <223>; 58, 208 <224 f.>). Zugleich haben die gesetzlichen Eingriffstatbestände jedoch auch eine freiheitsgewährleistende Funktion, da sie die Grenzen zulässiger Einschränkung bestimmen. Das gilt auch für die Unterbringung eines Straftäters in der Sicherungsverwahrung nach Maßgabe des § 66 StGB (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 30. März 2016 - 2 BvR 746/14 -, juris, Rn. 16).

14

Der Gesetzgeber hat im Hinblick auf das Gewicht des Freiheitsanspruchs des Untergebrachten für die Vollstreckung dieser Maßregel besondere Regelungen getroffen, die deren Aussetzung zur Bewährung vorsehen, sobald verantwortet werden kann zu erproben, ob der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzuges keine rechtswidrigen Taten mehr begehen wird (§ 67d Abs. 2 StGB). Die Strafvollstreckungskammer kann die Aussetzungsreife der Maßregel jederzeit überprüfen; sie ist dazu gemäß § 67e Abs. 2 StGB jeweils vor Ablauf einer Frist von neun Monaten verpflichtet, wenn der Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung über zehn Jahre andauert (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. November 2011 - 2 BvR 1665/10 -, juris, Rn. 11).

15

Die Vorschriften über die regelmäßige Überprüfung der weiteren Vollstreckung der Unterbringung dienen der Wahrung des Übermaßverbots bei der Beschränkung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG (vgl. BVerfGK 4, 176 <181>; 5, 67 <68>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. Mai 2008 - 2 BvR 1615/07 -, juris, Rn. 17; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. November 2011 - 2 BvR 1334/10 -, juris, Rn. 16). Ihre Missachtung kann dieses Grundrecht verletzen, wenn es sich um eine nicht mehr vertretbare Fehlhaltung gegenüber dem das Grundrecht sichernden Verfahrensrecht handelt, die auf eine grundsätzlich unrichtige Anschauung von der Bedeutung des Grundrechts schließen lässt (vgl. BVerfGE 18, 85 <93>; 72, 105 <114 f.>; 109, 133 <163>; BVerfGK 4, 176 <181>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. November 2011 - 2 BvR 1334/10 -, juris, Rn. 16).

16

Zwar führt nicht jede Verzögerung des Geschäftsablaufs in Unterbringungssachen, die zu einer Überschreitung der einschlägigen Fristvorgaben führt, automatisch auch zu einer Grundrechtsverletzung, weil es zu solchen Verzögerungen auch bei sorgfältiger Führung des Verfahrens kommen kann (BVerfGK 4, 176 <181>). Es muss jedoch sichergestellt sein, dass der Geschäftsgang der Kammer in der Verantwortung des Vorsitzenden oder des Berichterstatters eine Fristenkontrolle vorsieht, die die Vorbereitung einer rechtzeitigen Entscheidung vor Ablauf der Prüffrist sicherstellt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Betroffene in aller Regel persönlich anzuhören ist und dass auch für eine sachverständige Begutachtung ausreichend Zeit verbleibt, soweit die Kammer eine solche für erforderlich halten sollte. Eine gesetzliche Entscheidungsfrist von einem Jahr seit der letzten Überprüfungsentscheidung lässt dafür ausreichend Raum (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. November 2011 - 2 BvR 1334/10 -, juris, Rn. 16; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. November 2011 - 2 BvR 1665/10 -, juris, Rn. 12). Für die neunmonatige Entscheidungsfrist gemäß § 67e Abs. 2 StGB kann nichts anderes gelten. Im Falle einer etwaigen Fristüberschreitung sind zur verfahrensrechtlichen Absicherung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG die Gründe hierfür in der Fortdauerentscheidung darzulegen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. November 2011 - 2 BvR 1334/10 -, juris, Rn. 16; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. November 2011 - 2 BvR 1665/10 -, juris, Rn. 12).

17

b) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen werden die angegriffenen Beschlüsse des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 14. April 2016 und des Landgerichts Marburg vom 12. November 2015 nicht gerecht.

18

aa) Die Entscheidung des Landgerichts Marburg über die Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers in der Sicherungsverwahrung ist nicht innerhalb der von § 67e Abs. 2 StGB vorgegebenen Überprüfungsfrist ergangen. Diese endete am 7. Juni 2015. Der Beschluss des Landgerichts wurde aber erst am 12. November 2015 und damit etwas mehr als fünf Monate nach Ablauf der gesetzlich bestimmten Frist gefasst.

19

bb) Das Landgericht Marburg hat zwar im angegriffenen Beschluss vom 12. November 2015 das Überschreiten der Überprüfungsfrist um fünf Monate festgestellt. Die Gründe für diese Fristüberschreitung werden aber in den angegriffenen Beschlüssen nicht in einer Weise dargestellt, die eine sorgfältige Führung des Verfahrens mit dem Ziel rechtzeitiger Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung erkennen lassen. Das Landgericht begründet die mehr als fünfmonatige Fristüberschreitung lediglich mit dem Hinweis, die Gründe für die Verzögerung ergäben sich aus dem "oben dargestellten Lauf des Verfahrens". Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat im ebenfalls angegriffenen Beschluss vom 14. April 2016 lediglich ausgeführt, dass eine Überschreitung der gesetzlichen Überprüfungsfrist nicht die Aussetzung oder Erledigung der Maßregel zur Folge habe, sondern in gravierenden Fällen allenfalls zu einem vorübergehenden Vollstreckungshindernis führen könne. In dem auf die Anhörungsrüge ergangenen Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 3. Mai 2016 wird die Thematik der Fristüberschreitung nur noch in Bezug auf die §§ 198 ff. GVG gestreift. Diesen Darlegungen kann aber nicht entnommen werden, dass trotz der Überschreitung der Überprüfungsfrist dem Freiheitsgrundrecht des Beschwerdeführers Rechnung getragen wurde.

20

cc) Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Gestaltung des Überprüfungsverfahrens auf einer unrichtigen Anschauung der grundrechtssichernden Bedeutung der Überprüfungsfristen des § 67e Abs. 2 StGB beruht: Das Landgericht hatte zwar bereits am 24. September 2014 die Begutachtung des Beschwerdeführers zur Vorbereitung seiner Überprüfungsentscheidung in Auftrag gegeben. Vor Ablauf der Überprüfungsfrist am 7. Juni 2015 beschränkte es sich aber auf zwei Sachstandsanfragen bei der Sachverständigen am 5. und 20. Mai 2015. Auch nachdem die Frist des § 67e Abs. 2 StGB bereits verstrichen war, wurde lediglich am 2., 13. und 22. Juli 2015 bei der Sachverständigen nach dem Sachstand angefragt und in einer dieser Anfragen auf die Dringlichkeit der Gutachtenerstattung hingewiesen. Sämtliche Sachstandsanfragen waren nicht mit einer Fristsetzung zur Gutachtensvorlage verbunden. Dies genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Herbeiführung einer fristgerechten Fortdauerentscheidung nicht. Vielmehr hätte es dem Gericht angesichts des Zeitablaufs und der kurzen Überprüfungsfrist von neun Monaten oblegen, der Sachverständigen eine Frist zur Vorlage ihres Gutachtens zu einem Zeitpunkt zu setzen, der eine Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung unter Berücksichtigung der regelmäßigen Notwendigkeit vorheriger Anhörung des Beschwerdeführers vor Ablauf der Überprüfungsfrist ermöglicht hätte. Im Falle der Nichteinhaltung dieser Frist zur Vorlage des angeforderten Gutachtens hätte das Gericht die Sachverständige gegebenenfalls von ihrem Auftrag entbinden und einen anderen Sachverständigen mit der Begutachtung beauftragen müssen.

21

Demgegenüber kann auch nicht darauf verwiesen werden, dass die verspätete Vorlage des Gutachtens und die damit verbundene Überschreitung der Überprüfungsfrist durch den Beschwerdeführer selbst veranlasst worden sei. Zwar hat ausweislich des Vermerks des Vorsitzenden Richters der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Marburg vom 10. August 2015 die Sachverständige mitgeteilt, der Beschwerdeführer habe sich "nunmehr doch noch zu einem Explorationsgespräch bereit erklärt". Dass dies aber zu einem früheren Zeitpunkt nicht der Fall gewesen sei, wird von dem Beschwerdeführer ausdrücklich bestritten und lässt sich weder anhand des Vollstreckungsheftes noch der eingegangenen Stellungnahmen belegen. Hieraus ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte, dass sich der Beschwerdeführer zu irgendeinem Zeitpunkt einer Exploration durch die Sachverständige verweigert oder in sonstiger Weise unkooperativ gezeigt hätte. Unabhängig davon würde ein entsprechendes Verhalten des Beschwerdeführers eine fehlende Verantwortlichkeit des Landgerichts Marburg für die Fristüberschreitung im vorliegenden Fall nicht begründen. Denn in Anbetracht der Tatsache, dass die Sachverständige bereits Ende September 2014 mit der Begutachtung des Beschwerdeführers beauftragt worden war, wäre das Gericht verpflichtet gewesen, bei fortgesetzter Verweigerung einer Exploration durch den Beschwerdeführer die Sachverständige zu veranlassen, ein Gutachten nach Aktenlage zu erstellen.

22

2. Es ist daher gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG festzustellen, dass der Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 14. April 2016 und der Beschluss des Landgerichts Marburg vom 12. November 2015 den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG verletzen. Von der in § 95 Abs. 2 BVerfGG vorgesehenen Aufhebung dieser Entscheidungen kann ausnahmsweise abgesehen werden, weil die festgestellte Grundrechtsverletzung den sachlichen Inhalt der angegriffenen Entscheidungen nicht berührt (vgl. BVerfGE 38, 32 <34>; 89, 381 <394>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. November 2011 - 2 BvR 1665/10 -, juris, Rn. 17).

23

3. Mit der Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

24

4. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG, die Festsetzung des Wertes des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG.

(1) Das Gericht kann jederzeit prüfen, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist. Es muß dies vor Ablauf bestimmter Fristen prüfen.

(2) Die Fristen betragen bei der Unterbringung
in einer Entziehungsanstalt sechs Monate,
in einem psychiatrischen Krankenhaus ein Jahr,
in der Sicherungsverwahrung ein Jahr, nach dem Vollzug von zehn Jahren der Unterbringung neun Monate.

(3) Das Gericht kann die Fristen kürzen. Es kann im Rahmen der gesetzlichen Prüfungsfristen auch Fristen festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag auf Prüfung unzulässig ist.

(4) Die Fristen laufen vom Beginn der Unterbringung an. Lehnt das Gericht die Aussetzung oder Erledigungserklärung ab, so beginnen die Fristen mit der Entscheidung von neuem.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Wird der Verfassungsbeschwerde stattgegeben, so ist in der Entscheidung festzustellen, welche Vorschrift des Grundgesetzes und durch welche Handlung oder Unterlassung sie verletzt wurde. Das Bundesverfassungsgericht kann zugleich aussprechen, daß auch jede Wiederholung der beanstandeten Maßnahme das Grundgesetz verletzt.

(2) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung stattgegeben, so hebt das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung auf, in den Fällen des § 90 Abs. 2 Satz 1 verweist es die Sache an ein zuständiges Gericht zurück.

(3) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz stattgegeben, so ist das Gesetz für nichtig zu erklären. Das gleiche gilt, wenn der Verfassungsbeschwerde gemäß Absatz 2 stattgegeben wird, weil die aufgehobene Entscheidung auf einem verfassungswidrigen Gesetz beruht. Die Vorschrift des § 79 gilt entsprechend.

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.

(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.

(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.

(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen einschließlich der Kosten der Verteidigung zu ersetzen.

(2) Erweist sich eine Verfassungsbeschwerde als begründet, so sind dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen ganz oder teilweise zu erstatten.

(3) In den übrigen Fällen kann das Bundesverfassungsgericht volle oder teilweise Erstattung der Auslagen anordnen.

(1) Die Vorschriften für die Revision in Teil 4 Abschnitt 1 Unterabschnitt 3 des Vergütungsverzeichnisses gelten entsprechend in folgenden Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht oder dem Verfassungsgericht (Verfassungsgerichtshof, Staatsgerichtshof) eines Landes:

1.
Verfahren über die Verwirkung von Grundrechten, den Verlust des Stimmrechts, den Ausschluss von Wahlen und Abstimmungen,
2.
Verfahren über die Verfassungswidrigkeit von Parteien,
3.
Verfahren über Anklagen gegen den Bundespräsidenten, gegen ein Regierungsmitglied eines Landes oder gegen einen Abgeordneten oder Richter und
4.
Verfahren über sonstige Gegenstände, die in einem dem Strafprozess ähnlichen Verfahren behandelt werden.

(2) In sonstigen Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht oder dem Verfassungsgericht eines Landes gelten die Vorschriften in Teil 3 Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 des Vergütungsverzeichnisses entsprechend. Der Gegenstandswert ist unter Berücksichtigung der in § 14 Absatz 1 genannten Umstände nach billigem Ermessen zu bestimmen; er beträgt mindestens 5 000 Euro.