Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 14. Juli 2016 - 2 BvR 2474/14

ECLI:ECLI:DE:BVerfG:2016:rk20160714.2bvr247414
bei uns veröffentlicht am14.07.2016

Tenor

Der Beschluss des Landgerichts Trier vom 10. September 2015 - 5 Qs 66/14 - und der Beschluss des Amtsgerichts Trier vom 30. Juli 2014 - 35a Gs 2134/14 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 13 Absätze 1 und 2 des Grundgesetzes.

Der Beschluss des Landgerichts Trier vom 10. September 2015 - 5 Qs 66/14 - wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung über die Kosten an das Landgericht Trier zurückverwiesen.

Das Land Rheinland-Pfalz hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten. Damit erledigt sich der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts.

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 10.000 € (in Worten: zehntausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen einen Durchsuchungsbeschluss. Die Staatsanwaltschaft Trier führte zunächst gegen "Unbekannt" ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Wohnungseinbruchsdiebstahls. Nach den polizeilichen Ermittlungen war am 18. Juli 2014 in der D.-straße in Trier eingebrochen und ein eingebauter Tresor, der Schmuck (im Wert von ca. 35.000 €) und Bargeld (ca. 2.100 €) enthielt, entwendet worden.

2

Nachdem die ermittelnde Kriminalinspektion Trier (im Folgenden KI Trier) eine Tatortbesichtigung durchgeführt hatte und während sich das Ermittlungsverfahren noch gegen "Unbekannt" richtete, veranlasste die Polizei über ihre Pressestelle einen "Fahndungsaufruf" in der Tageszeitung "Trierischer Volksfreund". Der Artikel, der in der online-Ausgabe der Zeitung bereits am 22. Juli 2014 und in der Printausgabe am 23. Juli 2014 veröffentlicht wurde, enthielt die Information, dass am "vergangenen Freitag" Schmuck und Bargeld in einem Haus in Heiligkreuz in der D.-straße in Trier gestohlen worden sei. Weiter wurde mitgeteilt, dass die Täter die Abwesenheit der Bewohner ausgenutzt, ein Fenster aufgehebelt und einen Tresor mit Bargeld und Schmuck (hauptsächlich Halsketten, Ohrringe und Armbanduhren) entwendet hätten. Der Kriminaldauerdienst bitte - unter Nennung seiner Telefonnummer - um Hinweise.

3

Am 23. Juli 2014 meldete sich dann bei der KI Trier ein unbekannter Anrufer. Dessen auf den Beschwerdeführer zielenden anonymen Hinweis hielt die Kriminalpolizei am 24. Juli 2014 in einem Vermerk fest, wonach die unbekannte Person mitgeteilt habe: "Zum Tresor in der D.-straße können Sie sich Folgendes notieren: ". Ausweislich des Vermerks der Polizei habe die Person, die schwer zu verstehen gewesen sei, sodann aufgelegt und es sei der den Anruf entgegennehmenden Kriminaloberkommissarin lediglich noch möglich gewesen, vom Display des Telefons die Vorwahl des Anschlusses des Anrufers abzulesen. In einer späteren Mitteilung hat die Polizei erklärt, dass ein nachträgliches Auslesen des Telefonspeichers nicht möglich sei, da dieser Apparat die Nummer entgegengenommener Anrufe nicht speichere. Die Polizei notierte im Vermerk vom 24. Juli 2014 abschließend, dass der Beschwerdeführer bereits in erheblichem Umfang, auch "im Bereich der Eigentumskriminalität", in Erscheinung getreten sei.

4

2. Auf Anregung der Polizei und entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft Trier erließ das Amtsgericht Trier am 30. Juli 2014 einen Durchsuchungsbeschluss, mit dem die Durchsuchung der Wohnung und sonstiger Räume sowie der Fahrzeuge des Beschwerdeführers angeordnet wurde. Zweck der Durchsuchung sollte das Auffinden von Beweismitteln, insbesondere des entwendeten Schmucks sein. Die Polizei hatte es bis zu diesem Zeitpunkt allerdings unterlassen, eine Information über den Fahndungsaufruf beziehungsweise eine Kopie des Presseartikels zu den Akten zu nehmen. Die zuständige Staatsanwältin hatte nach ihren Angaben zum Zeitpunkt der Antragstellung von dem Fahndungsaufruf in der Zeitung keine Kenntnis.

5

Zur Begründung des Tatverdachts führte das Amtsgericht in seinem Beschluss vom 30. Juli 2014 aus, dass sich dieser aus den bisherigen polizeilichen Ermittlungen, insbesondere dem anonymen Anruf vom 23. Juli 2014 bei der KI Trier, bei dem eine unbekannte männliche Person den Beschwerdeführer als Täter benannt habe, ergebe. Es sei davon auszugehen, dass sich die gesuchten Beweismittel in den zu durchsuchenden Räumlichkeiten befänden. Weiterhin stehe diese Maßnahme in angemessenem Verhältnis zur Schwere der Tat und zur Stärke des Tatverdachts und sei zur weiteren Tataufklärung unbedingt erforderlich.

6

Der Durchsuchungsbeschluss wurde am 31. Juli 2014 in Abwesenheit des Beschwerdeführers vollzogen.

7

3. Durch Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 4. August 2014 legte der Beschwerdeführer Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss ein und stellte den Antrag festzustellen, dass die Anordnung der Wohnungsdurchsuchung rechtswidrig gewesen sei. Zur Begründung führte er aus, dass ein ausreichender Tatverdacht im Sinne des § 102 StPO lediglich aufgrund des unsubstantiierten anonymen Hinweises nicht vorgelegen habe. Für die Annahme eines Tatverdachts im Sinne des § 102 StPO müssten zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. Vage Anhaltspunkte oder bloße Vermutungen würden nicht ausreichen. In einem weiteren Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 19. August 2014 rügte der Beschwerdeführer zusätzlich einen Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip, da es die Polizei unterlassen habe, zunächst den anonymen Anrufer über die Verbindungsdaten zu ermitteln und weitere Ermittlungen dazu anzustellen, worauf die bloßen Anschuldigungen des Hinweisgebers beruhen würden.

8

4. Das Landgericht Trier verwarf die Beschwerde mit Beschluss vom 10. September 2014 als unbegründet. Es führte aus, dass die Voraussetzungen des § 102 StPO vorgelegen hätten. Für den Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses genüge es, dass aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte nach kriminalistischer Erfahrung angenommen werden könne, dass der Beschwerdeführer als Täter oder Teilnehmer einer Straftat in Betracht komme und das Ziel der Durchsuchung erreicht werden könne.

9

Hier ergebe sich der Anfangsverdacht aus dem Hinweis des anonymen Anrufers, der sich am 23. Juli 2014 bei der Kl Trier gemeldet habe. Auch wenn er anonym geblieben sei, sei sein Hinweis ausreichend, um einen Anfangsverdacht gegen den Beschwerdeführer zu begründen, insbesondere da der Anrufer den Tatort zutreffend bezeichnet habe und überdies Kenntnis von dem Umstand gehabt habe, dass bei dem Diebstahl ein Tresor entwendet worden sei. Hinzu komme, dass der Anruf zeitnah, nämlich lediglich fünf Tage nach der Tat erfolgt sei und weitere Ermittlungen der Polizei erbracht hätten, dass der Beschwerdeführer in der Vergangenheit bereits in erheblichem Umfang, darunter gerade auch im Bereich der Eigentumskriminalität in Erscheinung getreten sei. Entgegen dem Vorbringen in der Beschwerdeschrift sei demgegenüber die vorherige Anschlussermittlung des Anrufers wegen der mit dem Zeitablauf verbundenen Gefahr des Beweismittelverlustes nicht angezeigt gewesen, unabhängig davon, ob eine solche überhaupt erfolgversprechend gewesen wäre. Auf den vor der Entscheidung des Landgerichts zur Akte gelangten Fahndungsaufruf der Polizei ging das Landgericht in seiner Begründung nicht ein.

10

5. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung des Art. 13 Abs. 1 und 2 GG. Die Annahme eines Tatverdachts entspreche nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Vage Anhaltspunkte oder bloße Vermutungen seien nicht ausreichend. Vorliegend habe der anonyme Hinweisgeber aber mit Ausnahme der Anschuldigung überhaupt keine Tatsache bekannt gegeben, die nach kriminalistischer Erfahrung eine verfolgbare Straftat des Beschwerdeführers möglich erscheinen lasse. Alles, was der anonyme Anrufer bekannt gegeben habe, habe vor dem Anruf bereits in der regionalen Tagespresse gestanden, die sogar über das Internet abrufbar gewesen sei. Weitere, den Beschwerdeführer belastende Tatsachen, seien nicht bekannt gewesen.

11

Insbesondere lasse sich ein Tatverdacht nicht mit der pauschalen Behauptung, der Beschwerdeführer sei in der Vergangenheit im Bereich der Eigentumsdelikte einschlägig aufgefallen, begründen. Zur Annahme eines solchen Anhaltspunktes bedürfe es bereits konkreterer Angaben, die wenigstens überprüfbar seien. In den letzten Jahren, in denen der Prozessbevollmächtigte den Beschwerdeführer vertreten habe, habe sich der Beschwerdeführer jedenfalls nicht im Bereich der Eigentumsdelikte schuldig gemacht.

12

Schließlich verletze die Anordnung der Wohnungsdurchsuchung auch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, da die Polizei - vor dem Hintergrund, dass sie selbst die Informationen, die der anonyme Anrufer wiedergegeben habe, veröffentlicht habe - vorrangig im Sinne eines milderen Mittels verpflichtet gewesen sei, die vollständige Rufnummer des Anrufers zu ermitteln, um daraufhin den Anschlussinhaber dazu zu vernehmen, warum gerade der Beschwerdeführer der Täter sein solle.

13

Das Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz des Landes Rheinland-Pfalz und der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof haben zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen. Die Ermittlungsakte hat dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.

II.

14

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt. Die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 13 Abs. 1 und 2 GG angezeigt. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt (vgl. BVerfGE 96, 44 <51 f.>). Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und offensichtlich begründet.

15

1. Mit der Garantie der Unverletzlichkeit der Wohnung durch Art. 13 Abs. 1 GG erfährt die räumliche Lebenssphäre des Einzelnen einen besonderen grundrechtlichen Schutz, in den mit einer Durchsuchung schwerwiegend eingegriffen wird (vgl. BVerfGE 42, 212 <219 f.>; 96, 27 <40>; 103, 142 <150 f.>). Zur Rechtfertigung eines Eingriffs in die Unverletzlichkeit der Wohnung zum Zwecke der Strafverfolgung ist daher der Verdacht erforderlich, dass eine Straftat begangen wurde. Dieser Anfangsverdacht muss auf konkreten Tatsachen beruhen; vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen reichen nicht aus (vgl. BVerfGE 44, 353 <371 f.>; 115, 166 <197 f.>). Ein Verstoß gegen diese Anforderungen liegt vor, wenn sich sachlich zureichende Gründe für eine Durchsuchung nicht finden lassen (vgl. BVerfGE 59, 95 <97>).

16

Dem erheblichen Eingriff in die grundrechtlich geschützte Lebenssphäre des Betroffenen entspricht zudem ein besonderes Rechtfertigungsbedürfnis nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. BVerfGE 20, 162 <186 f.>; 96, 44 <51>; 115, 166 <197>). Die Durchsuchung muss vor allem auch in angemessenem Verhältnis zu der Schwere der Straftat und der Stärke des Tatverdachts stehen (vgl. BVerfGE 20, 162 <187>; 59, 95 <97>; 96, 44 <51>; 115, 166 <197>).

17

2. Angaben anonymer Hinweisgeber sind als Verdachtsquelle zur Aufnahme weiterer Ermittlungen dabei nicht generell ausgeschlossen. Ein solcher pauschaler Ausschluss widerspräche dem zentralen Anliegen des Strafverfahrens, nämlich der Ermittlung der materiellen Wahrheit in einem justizförmigen Verfahren als Voraussetzung für die Gewährleistung des Schuldprinzips. Bei anonymen Anzeigen müssen die Voraussetzungen des § 102 StPO im Hinblick auf die schutzwürdigen Interessen des Beschuldigten aber wegen der erhöhten Gefahr und des nur schwer bewertbaren Risikos einer falschen Verdächtigung besonders sorgfältig geprüft werden (vgl. z.B. LG Offenburg, Beschluss vom 15. September 1997 - Qs 114/97 -, StV 1997, S. 626 f.; LG Regensburg, Beschluss vom 5. Februar 2004 - 1 Qs 111/03 -, StV 2004, S. 198; LG Karlsruhe, Beschluss vom 22. August 2005 - 2 Qs 65/05 -, StraFo 2005, S. 420 f.; LG Bad Kreuznach, Beschluss vom 10. Dezember 2014 - 2 Qs 134/14 -, StraFo 2/2015, S. 64 f.). Bei der Prüfung des Tatverdachts und der Verhältnismäßigkeitsabwägung sind insbesondere der Gehalt der anonymen Aussage sowie etwaige Gründe für die Nichtoffenlegung der Identität der Auskunftsperson in den Blick zu nehmen; als Grundlage für eine stark in Grundrechtspositionen eingreifende Zwangsmaßnahme wie eine Durchsuchung kann eine anonyme Aussage nur genügen, wenn sie von beträchtlicher sachlicher Qualität ist oder mit ihr zusammen schlüssiges Tatsachenmaterial vorgelegt worden ist (vgl. z.B. BGHSt 38, 144 <147>; LG Stuttgart, Beschluss vom 7. September 2007 - 7 Qs 71/07 -, juris, Rn. 31).

18

3. Dem Gewicht des Eingriffs und der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Schutzes der räumlichen Privatsphäre entspricht es außerdem, dass Art. 13 Abs. 2 GG die Anordnung einer Durchsuchung grundsätzlich dem Richter vorbehält und damit eine vorbeugende Kontrolle der Maßnahme durch eine unabhängige und neutrale Instanz vorsieht (vgl. BVerfGE 20, 162 <223>; 57, 346 <355 f.>; 76, 83 <91>; 103, 142 <150 f.>; 139, 245 <265 Rn. 57>). Die Einschaltung des Richters soll dabei insbesondere dafür sorgen, dass die Interessen des Betroffenen angemessen berücksichtigt werden (vgl. BVerfGE 103, 142 <151>). Besondere Bedeutung kommt dabei dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu, weil nur so im Einzelfall die Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs sichergestellt werden kann. Der Richter darf die Wohnungsdurchsuchung nur anordnen, wenn er sich aufgrund einer eigenverantwortlichen Prüfung der Ermittlungen davon überzeugt hat, dass die Maßnahme verhältnismäßig ist (vgl. BVerfGE 96, 44 <51>).

19

4. Um eine solche ordnungsgemäße Prüfung durch den Richter sicherzustellen, ist es erforderlich, dass die Ermittlungsbehörden (Staatsanwaltschaft/Polizei) die Einhaltung des Grundsatzes der Aktenwahrheit und der Aktenvollständigkeit gewährleisten. Dieser Grundsatz muss dabei nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt sein, denn dieses Prinzip folgt bereits aus der Bindung der Verwaltung (und der Justiz) an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) und der aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Pflicht zur Objektivität (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 6. Juni 1983 - 2 BvR 244/83, 2 BvR 32 BvR 310/83 -, juris, Rn. 3; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30. Juli 2014 - 1 S 1352/13 -, juris, Rn. 90).

20

Letzterer sind auch die Staatsanwaltschaft und Polizei in besonderem Maße verpflichtet. Die Strafprozessordnung enthält in § 163 Abs. 2 Satz 1, § 168b Abs. 1 und § 199 Abs. 2 Satz 2 Ausprägungen dieses Grundsatzes der Aktenvollständigkeit. Insbesondere gilt die Bestimmung des § 168b Abs. 1 StPO, wonach das Ergebnis staatsanwaltschaftlicher Untersuchungen aktenkundig zu machen ist, auch für polizeiliche Untersuchungshandlungen entsprechend. Aus den Akten muss sich ergeben, welche konkreten Ermittlungsmaßnahmen durchgeführt worden sind und welchen Erfolg sie gehabt haben (vgl. Sing/Vordermayer, in: Satzger/ Schluckebier/Widmaier, StPO, 2. Aufl. 2016, § 168b Rn. 1; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 20. September 1990 - 2 VAs 1/90 -, juris, Rn. 21; LG Berlin, Urteil vom 18. November 1985 - 1 Op Js 148/85 KLs (58/85) -, StV 1986, S. 96; vgl. auch Erb, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2007, § 168b Rn. 2a, § 163 Rn. 78 und § 160 Rn. 62).

21

Da das Ermittlungsverfahren ein schriftliches Verfahren ist, muss jedes mit der Sache befasste Ermittlungsorgan, auch das Gericht, wenn es im Vorverfahren oder im gerichtlichen Verfahren tätig wird, das bisherige Ergebnis des Verfahrens und seine Entwicklung erkennen können (Erb, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2007, § 168b Rn. 1). Es steht dabei nicht im Belieben der Ermittlungsbehörden, ob sie strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen in den Akten vermerken und zu welchem Zeitpunkt sie dies tun. Das Gericht muss den Gang des Verfahrens - auch im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 EMRK - ohne Abstriche nachvollziehen können (BGH, Urteil vom 11. Dezember 2013 - 5 StR 240/13 -, juris, Rn. 46). Einzelheiten der Durchführung und des Verlaufs von Untersuchungshandlungen müssen in der Regel nicht notwendig angegeben werden. Geboten ist dies aber, wenn das Ergebnis einer näheren Begründung bedarf oder die Umstände, die zu ihm geführt haben, für das weitere Verfahren festgehalten werden müssen (Erb, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2007, § 168b Rn. 6). Es muss in einem rechtsstaatlichen Verfahren jedenfalls schon der bloße Anschein vermieden werden, die Ermittlungsbehörden wollten etwas verbergen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 2013 - 5 StR 240/13 -, juris, Rn. 46 und BGH, Beschluss vom 2. September 2015 - 5 StR 312/15 -, BeckRS 2015, 15773).

22

5. Gegen diese Pflicht, vollständige Akten zu führen, wurde in vorliegendem Fall von den Ermittlungsbehörden aufgrund der erheblichen Relevanz des fehlenden Akteninhalts schwerwiegend verstoßen. Ohne diesen Verstoß hätte eine objektive Prüfung der Sachlage bei vollständigem Akteninhalt allenfalls einen schwachen Anfangsverdacht gegen den Beschwerdeführer begründen können, der eine Durchsuchung nicht hätte rechtfertigen können.

23

Die Polizei hat es versäumt, bei Vorlage der Akten an die Staatsanwaltschaft (und über diese an die Ermittlungsrichterin) die Information weiterzugeben, dass sie am 22./23. Juli 2014 einen Fahndungsaufruf in der Zeitung "Trierischer Volksfreund" veröffentlicht hatte, in dem alle Informationen, die der anonyme Anrufer mitgeteilt hat, bereits enthalten waren (Tatörtlichkeit, entwendeter Gegenstand). Eine Kopie des Zeitungsinserats findet sich erst auf Blatt 30 der Ermittlungsakte, chronologisch nach dem erlassenen Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts (Bl. 24 f. der Ermittlungsakte).

24

Die Polizei und auch die Staatsanwaltschaft als Herrin des Ermittlungsverfahrens haben die zum Zeitpunkt des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses fehlende Aktenvollständigkeit zu vertreten. Die Staatsanwaltschaft hat für ein justizförmiges Verfahren - auch durch ihre Ermittlungspersonen - zu sorgen. Sie trägt die Grundverantwortung für die rechtlich einwandfreie Beschaffung der Beweismittel (vgl. Plöd, in KMR-StPO, 72. EL Mai 2014, § 163 Rn. 7 und Griesbaum, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl. 2013, § 163 Rn. 2). Mängel der Dokumentation können jedenfalls nicht zu Lasten des Beschwerdeführers gehen.

25

Das Landgericht hat diesen Umstand nicht erkannt und - trotz der zwischenzeitlich zur Akte genommenen Kopie des Fahndungsaufrufs - in seiner die Beschwerde zurückweisenden Entscheidung zentral auf das angebliche "Insider"-Wissen des anonymen Anrufers zur Begründung des Tatverdachtes abgestellt. Auf den Fahndungsaufruf geht es in seiner Entscheidung dagegen überhaupt nicht ein.

26

Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass alle vom anonymen Anrufer mitgeteilten Informationen bereits am 22./23. Juli 2014 über die Zeitung der Öffentlichkeit zugänglich waren, verliert die anonyme Anzeige aber - jedenfalls ohne Hinzutreten besonderer weiterer verdachtsbegründender Umstände - (nahezu) ihr gesamtes Gewicht. Denn bei dieser Sachlage ist es nicht ausgeschlossen beziehungsweise möglicherweise sogar naheliegend, dass ein Unbekannter den Beschwerdeführer zu Unrecht denunzieren wollte. Der Anrufer konnte durch den Fahndungsaufruf auch gerade erst zu einer Falschbezichtigung herausgefordert worden sein. Es waren zudem keine plausiblen Gründe für die Wahrung der Anonymität des Hinweisgebers erkennbar.

27

Auch bleibt der Hinweis im polizeilichen Vermerk vom 24. Juli 2014 (zugleich Anregung eines Durchsuchungsbeschlusses) auf "früher begangene Eigentumsdelikte" des Beschwerdeführers unergiebig, da er nicht mit Tatsachen unterlegt war. Es wird weder aus dem Beschluss des Amtsgerichts noch aus der Entscheidung des Landgerichts deutlich, ob es sich bei den in Bezug genommenen Eigentumsdelikten gerade um Wohnungseinbrüche handelte und wie lange etwaige Verurteilungen überhaupt zurücklagen; auch der Strafregisterauszug, der Grundlage des Vermerks gewesen sein dürfte, hat keinen Eingang in die Verfahrensakte gefunden.

28

Da also ein Anfangsverdacht durch die anonyme Anzeige nicht begründet werden konnte, lagen keine plausiblen Gründe für die Annahme eines ausreichenden Tatverdachtes vor. In der Vergangenheit liegende, nicht näher spezifizierte "frühere Eigentumsdelikte" des Beschwerdeführers konnten im vorliegenden Fall auch keinen ausreichend starken Tatverdacht begründen, der den erheblichen Eingriff in die Garantie der Unverletzlichkeit der Wohnung hätte rechtfertigen können. Der Durchsuchungsbeschluss war objektiv willkürlich, weil unter Berücksichtigung des notwendigen Akteninhalts nicht mehr verständlich. Auf einen - hier nicht vorhandenen - subjektiven Sorgfaltsverstoß der Ermittlungsrichterin kommt es insofern nicht an.

III.

29

Der angegriffene Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts kann aufgrund des bereits erfolgten Vollzugs und somit prozessualer Überholung nicht aufgehoben werden. Insoweit war lediglich die Feststellung zu treffen, dass der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 und 2 GG verletzt. Die Entscheidung des Landgerichts war demgegenüber aufzuheben (§ 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 BVerfGG). Die Sache wird an das Landgericht zurückverwiesen, das noch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden hat.

IV.

30

Das Land Rheinland-Pfalz hat dem Beschwerdeführer gemäß § 34a Abs. 2 BVerfGG die notwendigen Auslagen zu erstatten. Mit dieser Anordnung erledigt sich der Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts (vgl. BVerfGE 105, 239 <252>). Die Festsetzung des Werts des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG (vgl. dazu auch BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

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(1) Die Wohnung ist unverletzlich.

(2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.

(3) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß jemand eine durch Gesetz einzeln bestimmte besonders schwere Straftat begangen hat, so dürfen zur Verfolgung der Tat auf Grund richterlicher Anordnung technische Mittel zur akustischen Überwachung von Wohnungen, in denen der Beschuldigte sich vermutlich aufhält, eingesetzt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre. Die Maßnahme ist zu befristen. Die Anordnung erfolgt durch einen mit drei Richtern besetzten Spruchkörper. Bei Gefahr im Verzuge kann sie auch durch einen einzelnen Richter getroffen werden.

(4) Zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, dürfen technische Mittel zur Überwachung von Wohnungen nur auf Grund richterlicher Anordnung eingesetzt werden. Bei Gefahr im Verzuge kann die Maßnahme auch durch eine andere gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen.

(5) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutze der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch eine gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden. Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse ist nur zum Zwecke der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr und nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzuge ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.

(6) Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag jährlich über den nach Absatz 3 sowie über den im Zuständigkeitsbereich des Bundes nach Absatz 4 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach Absatz 5 erfolgten Einsatz technischer Mittel. Ein vom Bundestag gewähltes Gremium übt auf der Grundlage dieses Berichts die parlamentarische Kontrolle aus. Die Länder gewährleisten eine gleichwertige parlamentarische Kontrolle.

(7) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.

(1) Liegen die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 Buchstabe b vor und ist die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgebliche verfassungsrechtliche Frage durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, kann die Kammer der Verfassungsbeschwerde stattgeben, wenn sie offensichtlich begründet ist. Der Beschluß steht einer Entscheidung des Senats gleich. Eine Entscheidung, die mit der Wirkung des § 31 Abs. 2 ausspricht, daß ein Gesetz mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht unvereinbar oder nichtig ist, bleibt dem Senat vorbehalten.

(2) Auf das Verfahren finden § 94 Abs. 2 und 3 und § 95 Abs. 1 und 2 Anwendung.

(1) Die Wohnung ist unverletzlich.

(2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.

(3) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß jemand eine durch Gesetz einzeln bestimmte besonders schwere Straftat begangen hat, so dürfen zur Verfolgung der Tat auf Grund richterlicher Anordnung technische Mittel zur akustischen Überwachung von Wohnungen, in denen der Beschuldigte sich vermutlich aufhält, eingesetzt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre. Die Maßnahme ist zu befristen. Die Anordnung erfolgt durch einen mit drei Richtern besetzten Spruchkörper. Bei Gefahr im Verzuge kann sie auch durch einen einzelnen Richter getroffen werden.

(4) Zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, dürfen technische Mittel zur Überwachung von Wohnungen nur auf Grund richterlicher Anordnung eingesetzt werden. Bei Gefahr im Verzuge kann die Maßnahme auch durch eine andere gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen.

(5) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutze der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch eine gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden. Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse ist nur zum Zwecke der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr und nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzuge ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.

(6) Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag jährlich über den nach Absatz 3 sowie über den im Zuständigkeitsbereich des Bundes nach Absatz 4 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach Absatz 5 erfolgten Einsatz technischer Mittel. Ein vom Bundestag gewähltes Gremium übt auf der Grundlage dieses Berichts die parlamentarische Kontrolle aus. Die Länder gewährleisten eine gleichwertige parlamentarische Kontrolle.

(7) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.

Bei dem, welcher als Täter oder Teilnehmer einer Straftat oder der Datenhehlerei, Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei verdächtig ist, kann eine Durchsuchung der Wohnung und anderer Räume sowie seiner Person und der ihm gehörenden Sachen sowohl zum Zweck seiner Ergreifung als auch dann vorgenommen werden, wenn zu vermuten ist, daß die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führen werde.

Tenor

Auf die Beschwerde des Beschuldigten wird auf Kosten der Staatskasse, die auch die notwendigen Auslagen des Beschuldigten zu tragen hat, festgestellt, dass die aufgrund Beschlusses des Amtsgerichts Karlsruhe vom 23. Mai 2005 – 31 Gs 1501/05 – am 30. Juni 2005 durchgeführten Durchsuchungen der Wohn- und Geschäftsräume des Beschuldigten rechtswidrig gewesen sind.

Gründe

 
Die Kammer macht sich die zutreffenden Erwägungen des Verteidigers des Beschuldigten in seinem Schriftsatz vom 5. August 2005 zu eigen. Entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft waren die Angaben im Rahmen der anonymen Anzeige im Hinblick auf den Vorwurf eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz – auf den es vorliegend allein ankommt – nicht geeignet, einen Anfangsverdacht gegen den Beschuldigten als Rechtmäßigkeitsvoraussetzung zur Anordnung einer Durchsuchung zu begründen. Hinsichtlich der offensichtlichen Eignung solcher Anzeigen zur Diskreditierung Dritter – gerade in Geschäftsbereichen, in denen der Beschuldigte tätig ist – muss verlangt werden, dass darin gemachte Angaben entweder ausreichend detailliert sind oder aber in wesentlichen Punkten vor Beantragung eines Durchsuchungsbeschlusses durch anderweitige Ermittlungen bestätigt werden können. An beidem fehlt es vorliegend. Allein die Tatsache, dass der anonyme Anrufer die Nachnamen zweier Lokalbetreiber kennt, genügt jedenfalls nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 467 Abs. 1 Satz 1 StPO.

(1) Die Wohnung ist unverletzlich.

(2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.

(3) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß jemand eine durch Gesetz einzeln bestimmte besonders schwere Straftat begangen hat, so dürfen zur Verfolgung der Tat auf Grund richterlicher Anordnung technische Mittel zur akustischen Überwachung von Wohnungen, in denen der Beschuldigte sich vermutlich aufhält, eingesetzt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre. Die Maßnahme ist zu befristen. Die Anordnung erfolgt durch einen mit drei Richtern besetzten Spruchkörper. Bei Gefahr im Verzuge kann sie auch durch einen einzelnen Richter getroffen werden.

(4) Zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, dürfen technische Mittel zur Überwachung von Wohnungen nur auf Grund richterlicher Anordnung eingesetzt werden. Bei Gefahr im Verzuge kann die Maßnahme auch durch eine andere gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen.

(5) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutze der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch eine gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden. Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse ist nur zum Zwecke der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr und nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzuge ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.

(6) Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag jährlich über den nach Absatz 3 sowie über den im Zuständigkeitsbereich des Bundes nach Absatz 4 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach Absatz 5 erfolgten Einsatz technischer Mittel. Ein vom Bundestag gewähltes Gremium übt auf der Grundlage dieses Berichts die parlamentarische Kontrolle aus. Die Länder gewährleisten eine gleichwertige parlamentarische Kontrolle.

(7) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Tenor

Die Berufung des Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 27.05.2013 - 2 K 3249/12 -werden zurückgewiesen.

Die Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens tragen der Kläger zu ¼ und der Beklagte zu ¾.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger, der bis Mai 2011 Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg war, begehrt die Löschung von kopierten Daten aus seinem ihm vom Staatsministerium zur Verfügung gestellten E-Mail-Postfach.
Bei den vom Staatsministerium für seinen E-Mail-Verkehr genutzten Produkten (beim Server „Microsoft Exchange“ und im Clientbereich „Microsoft Outlook“) ist systembedingt jede E-Mail-Adresse Bestandteil einer Datenbank. Dort werden die eingehenden E-Mails in dem Postfach der E-Mail-Adresse gespeichert. Startet der Anwender auf seinem (Client-) PC das Programm Outlook, findet eine Synchronisation zwischen dem Exchange-Server und dem Outlook-Client-PC statt. Die Daten des Postfaches werden dabei in eine OST-Datei kopiert. Diese OST-Datei liegt üblicherweise auf dem PC des Anwenders. Durch das Verschieben einer E-Mail in den Ordner „gelöschte Objekte“ auf dem Client-PC und dessen Leerung können die E-Mails im Postfach durch den Anwender gelöscht werden. Auf dem Server werden diese E-Mails dadurch zunächst nicht direkt physikalisch gelöscht, aber als gelöscht gekennzeichnet. Der Server ist so eingestellt, dass die als gelöscht gekennzeichneten E-Mails innerhalb von sieben Tagen nach dem Löschen durch den Anwender wiederhergestellt werden können. Danach werden sie automatisch auf den Servern des Staatsministeriums gelöscht. Daneben bleiben die auf einem Server im Staatsministerium gelöschten Daten noch 30 Tage in einem Ausfallrechenzentrum in Oberreichenbach gespeichert. Die Löschung der Daten im Ausfallrechenzentrum erfolgt automatisch mit Ablauf der 30-Tage-Frist. Anschließend ist eine im Postfach gelöschte E-Mail nur noch verfügbar, wenn sie zuvor durch den Anwender in einer sogenannten PST-Datei archiviert wurde. Eine elektronische Langzeit-Speicherung gelöschter Mails ist nicht vorgesehen.
Für den Kläger wurde mit einem von seinem Büroleiter „i. A.“ am 11.02.2010 unterschriebenen Antragsformular beantragt, den Internetzugang auf seinem Arbeitsplatz-PC freizuschalten. Das Formular enthält unter anderen den Text: "Ich benötige den Zugang ausschließlich für dienstliche Zwecke. Mir ist bekannt, dass die Verbindung zum Internet aus Sicherheitsgründen protokolliert wird und bei Bedarf ausgewertet werden kann. Die Sicherheitshinweise auf der Rückseite dieses Antrags habe ich zur Kenntnis genommen." In diesen Sicherheitshinweisen ist unter anderem angeführt: „Der Internetzugang auf den Arbeitsplatz-PCs des Staatsministeriums wurde ausschließlich zu dienstlichen Zwecken eingerichtet. Die private Nutzung ist untersagt…Der gesamte Datenverkehr auf der Firewall des Staatsministeriums muss zur Sicherheit protokolliert werden. Nur auf diese Weise können unerlaubte Zugriffe oder Angriffe auf das Netz des Staatsministeriums identifiziert werden.“ Eine gesonderte Regelung zum Umgang mit den E-Mail-Accounts im Staatsministerium gab es nicht. Eine Kontrolle der Privatnutzung fand nicht statt. Die private IT-Nutzung durch die Mitarbeiter wurde stillschweigend geduldet.
Die E-Mail-Accounts der Bediensteten des Staatsministeriums ordnet das IT-Referat des Staatsministeriums dem "Persönlichkeitsbereich" zu. Daraus folge, dass allein der Nutzer des Postfachs entscheide, welche E-Mails er ausdrucke und den Akten beifüge. Auch die Löschung von Postfachinhalten bleibe im Grundsatz allein dem Nutzer vorbehalten.
Für die Aktenführung im Staatsministerium wird grundsätzlich die „Gemeinsame Anordnung der Ministerien über die Verwaltung des Schriftguts der Behörden, Dienststellen und sonstigen Einrichtungen des Landes (AnO Schriftgut)“ vom 22.12.2005 angewandt. Danach umfasst das Schriftgut alle aus der Verwaltungstätigkeit anfallenden Dokumente und ihre Anlagen. Schriftgut ist vor Verlust, Beschädigung und unbefugtem Zugang sowie vor Änderung des Inhalts zu schützen. Dokumente werden mit einem Aktenzeichen registriert.
Im Sommer/Herbst 2010 meldete das Büro des Klägers bei der IT-Abteilung des Staatsministeriums technische Probleme mit dem elektronischen Terminkalender des „Outlook“-Postfachs. Zur Klärung der Probleme beauftragte der IT-Bereich des Staatsministeriums die Firma ... mit der Fehlersuche. Für die Koordinierung wurde zudem das Informatikzentrum des Landes (IZLBW) eingeschaltet. Im Oktober/November 2010 erstellte ein mit Administratorrechten ausgestatteter Mitarbeiter des IT-Bereichs eine Kopie des auf dem Server des Staatsministeriums liegenden und dem Kläger zugewiesenen Original-Postfachs. Nachdem die Überprüfung durch die Firma ... im Dezember 2010 abgeschlossen war und der Fehler nicht hatte gefunden werden können, blieben die kopierten Daten weiter gespeichert. Die kopierten Postfach-Daten sollten nach Angaben des Beklagten vorgehalten werden, um sie bei einem erneuten Auftreten des Fehlers mit den neueren Postfach-Daten des Klägers oder fehlerbehafteten Postfach-Daten anderer Mitarbeiter vergleichen zu können.
Die beiden Original-E-Mail-Accounts des Klägers ([email protected] und [email protected]) wurden nach dem Regierungswechsel auf dem Server des Staatsministeriums gelöscht. Die endgültige Löschung im Ausfallrechenzentrum erfolgte durch das Überschreiben der Datenbank nach 30 Tagen. Die Festplatte aus dem PC des Klägers wurde diesem ausgehändigt.
Die kopierten Dateien waren zunächst auf einem Server im Staatsministerium gespeichert. Der Festplattenbereich war nur für den mit Administratorrechten ausgestatteten Mitarbeiter ... und für seinen Vertreter zugänglich und wurde seit Dezember 2010 mit einem Zeitstempel versehen. Mit einem solchen Zeitstempel wird jeder Zugriff auf die Daten dokumentiert. Bislang fand seitens des Staatsministeriums weder eine Sichtung noch eine sonstige Nutzung der Dateien statt. Der Zeitstempel steht unverändert auf Dezember 2010.
Im Sommer 2012 wurde das Staatsministerium auf die kopierten Dateien wieder aufmerksam. In einem Vermerk vom 23.08.2012 heißt es, man sei auf eine versehentlich nicht gelöschte Arbeitskopie des Postfaches von MP a.D. ... gestoßen, die am 20.10.2010 aufgrund von technischen Störungen zur Überprüfung durch eine externe Firma angelegt worden sei. In einem weiteren Vermerk vom 05.09.2012 ist ausgeführt, dieser Umstand sei in Vergessenheit geraten.
10 
Am 30.08.2012 durchsuchte die Staatsanwaltschaft Stuttgart auf der Grundlage eines Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts Stuttgart die Amtsräume des Staatsministeriums. Dabei stellte sie die Kopien des E-Mail-Postfachs des Klägers mithilfe einer forensischen Software vollständig sicher; sie befinden sich ausweislich eines Schreibens der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 10.09.2012 auf einem Datenträger des mit der weiteren Sichtung nach § 110 Abs. 1 StPO beauftragten Landeskriminalamts Baden-Württemberg. Hierüber unterrichtete die Staatsanwaltschaft die Bevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 10.09.2012. Sie teilte weiter mit, die „Outlookexportdateien“ seien vorläufig sichergestellt worden, da eine sorgfältige Sichtung und Trennung der Daten am Durchsuchungsort nicht möglich gewesen sei. Die Dateien befänden sich auf einem Datenträger des Landeskriminalamts. In der Folgezeit wertete die Staatsanwaltschaft die Kopien des E-Mail-Postfachs für ihre Ermittlungen aus.
11 
Mit Anwaltsschreiben vom 12.09.2012 begehrte der Kläger vom Staatsministerium Auskunft, ob sich nach der Sicherstellung der Staatsanwaltschaft die Dateien beziehungsweise Kopien dieser Dateien noch im Besitz des Staatsministeriums befänden. Der Beklagte teilte mit Schreiben vom 17.09.2012 dem Rechtsanwalt des Klägers mit, dass im Staatsministerium Dateien mit „Arbeitskopien“ des Outlook-Postfachs des Klägers existierten, und bat um eine Einwilligung des Klägers in die Sichtung der Kopien, um private von dienstlichen Dateien zu trennen. Mit Anwaltsschreiben vom 19.09.2012 verweigerte der Kläger seine Einwilligung und forderte das Staatsministerium auf, die Dateien unverzüglich zu löschen. Dies lehnte das Staatsministerium mit Schreiben vom 27.09.2012 ab. Mit Anwaltsschreiben vom 18.10.2012 ließ es ergänzend mitteilen, die Daten könnten mit großer Wahrscheinlichkeit auch dienstliche Unterlagen enthalten. Daher werde vorgeschlagen, gemeinsam eine Trennung von privaten und dienstlichen Daten vorzunehmen. Diesen Vorschlag ließ der Kläger mit Anwaltsschreiben vom 30.10.2012 mit der Begründung ablehnen, dass sämtliche vom Staatsministerium gespeicherten Daten personenbezogen seien.
12 
Am 03.12.2012 verlagerte die Firma ... ... im Auftrag des Staatsministeriums die auf dem Server des Staatsministeriums liegenden Dateien in einen sogenannten „Datentresor“. Dieser „Tresor“ ist mit einem Passwort vor Zugriffen geschützt. Um diesen „Datentresor“ vor Verlust zu schützen, wurde er noch auf einen dem Staatsministerium zugewiesenen Serverbereich im Informatikzentrum des Landes Baden-Württemberg (IZLBW) kopiert. Zusätzlich wurden die Daten von der Firma ... ... auf einen externen Datenträger überspielt. Dieser Datenträger befindet sich in einem verschweißten Beutel in einem Tresor des Staatsministeriums. Das Passwort befindet sich in einem verschlossenen Umschlag in einem weiteren Tresor. Die auf dem Server im Staatsministerium befindlichen Kopien des Postfaches wurden sodann gelöscht. Bei diesen Maßnahmen wurde keine Einsicht in die Daten genommen.
13 
Der Kläger erhob am 15.10.2012 beim Verwaltungsgericht Stuttgart, das den Rechtsstreit nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 06.11.2012 an das Verwaltungsgericht Karlsruhe verwies, Klage auf Löschung der Dateien, hilfsweise auf Löschung nach Anbieten als Archivgut gegenüber dem Landesarchiv, weiter hilfsweise auf Neubescheidung. Zur Begründung machte er geltend, er habe gegen den Beklagten einen Anspruch auf Löschung der Daten nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG. In den E-Mails seien personenbezogene Daten im Sinne des § 3 Abs. 1 LDSG enthalten. Das Nutzen der Daten für andere Zwecke als den der Sicherstellung des ordnungsgemäßen Betriebs der Datenverarbeitungsanlage sei nach § 15 Abs. 4 LDSG unzulässig. Demgemäß könnten die Daten auch nicht mehr erforderlich im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG sein. Die E-Mail-Kommunikation unterliege zudem dem Fernmeldegeheimnis und damit § 88 TKG. § 23 Abs. 3 LDSG, wonach vor einer Löschung die Daten dem Archiv zur Übernahme anzubieten seien, stehe seinem Begehren nicht entgegen. Die Daten seien seinem Persönlichkeitsbereich zuzuordnen und vollständig privat. Archivgut Privater könne das Landesarchiv nur mit deren Einvernehmen erfassen, und seine Zustimmung gebe er nicht. Jedenfalls sei die Archivierung nur unter der Prämisse einer Abschottung der Daten nach § 4 LArchG unter Wahrung der Sperrfristen gemäß § 6 Abs. 2 LArchG zulässig. Spätestens nach dem Anbieten gegenüber dem Landesarchiv habe der Beklagte die Daten zu löschen.
14 
Der Beklagte trat der Klage entgegen. Der Kläger habe keinen Löschungsanspruch. Die Speicherung der streitgegenständlichen Dateien sei zulässig. Sowohl die Speicherung der Dateien als auch deren Nutzung seien zur Erfüllung der dem Staatsministerium obliegenden Aufgaben erforderlich. Da der Kläger seine dienstliche E-Mail-Korrespondenz nicht vollständig zu den Sachakten genommen habe und der Verlauf der Vertragsverhandlungen im Zusammenhang mit dem Ankauf der Anteile der EnBW von der EdF nach wie vor in weiten Teilen nicht geklärt sei, bedürfe es einer Auswertung des E-Mail-Postfachs im Hinblick auf das vor der Internationalen Handelskammer in Paris anhängige Schiedsverfahren des Landes gegen die EdF, etwaige Schadensersatzansprüche des Landes nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB und ein Akteneinsichtsgesuch zweier Privatpersonen nach dem Landesumweltinformationsgesetz, das sich unter anderem auch auf die Sicherungskopien beziehe. Weiter seien die Sicherungskopien Gegenstand einer Landtagsanfrage (LT-Drucks. 15/2640) gegenüber dem Staatsministerium gewesen. Die Staatsanwaltschaft lehne eine Akteneinsicht des Landes bislang unter Hinweis auf § 406e Abs. 2 StPO ab. Auf § 88 TKG könne sich der Kläger nicht berufen, ebensowenig auf § 15 Abs. 4 LDSG. Der Zweck der Datensicherung umfasse auch die Wiederherstellung verloren gegangener Datenbestände. Sowohl die jetzige Speicherung als auch eine spätere Durchsicht und Entnahme einzelner E-Mail-Nachrichten zur Vervollständigung der Sachakten halte sich damit im Rahmen der ursprünglich verfolgten Zwecksetzung. § 15 Abs. 4 LDSG wolle nur zweckändernde Maßnahmen und eine nachfolgende Datennutzung gegenüber Bediensteten ausschließen. Der Kläger sei aber gerade kein Bediensteter im datenschutzrechtlichen Sinne gewesen. Die beabsichtigte Datenverwendung sei gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 4 LDSG gerechtfertigt. Es bestünden tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger entgegen seinen Angaben seinen Dokumentationspflichten nicht nachgekommen sei. Zudem sei § 23 Abs. 3 LDSG zu beachten. Archivwürdige Daten unterlägen nicht der Löschungspflicht des § 23 LDSG.
15 
Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 27.05.2013 den Beklagten verpflichtet, die Dateien mit „Arbeitskopien“ des Outlook-Postfachs des Klägers ...PST_20101116, ...PST_20101117 und ... ...PST_20101117_DUMPSTER sowie sämtliche Kopien dieser Dateien zu löschen, nachdem diese nach Maßgabe des § 3 LArchG dem Landesarchiv zur Übernahme als Archivgut angeboten worden sind, und im Übrigen die Klage abgewiesen (vgl. VG Karlsruhe, Urt. v. 27.05.2013 - 2 K 3249/12 - NVwZ-RR 2013, 428). Der Kläger habe nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG einen Anspruch auf Löschung dieser Dateien, nachdem die Daten nach Maßgabe des § 3 LArchG dem Landesarchiv zur Übernahme als Archivgut angeboten worden seien. Es handele sich um personenbezogene Daten i.S.v. § 3 Abs. 1 LDSG. Denn die E-Mail-Postfach-Daten des Klägers beträfen Einzelangaben über dessen sachliche Verhältnisse, nämlich seine Kommunikation mit Dritten. Für das Staatsministerium als speichernde Stelle sei die Kenntnis der Daten zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr erforderlich, da die Daten ausschließlich zum Zweck der Datensicherung beziehungsweise zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebs einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert worden seien und der konkrete Sicherungszweck mittlerweile entfallen sei (§ 15 Abs. 4 LDSG). Es könne offen bleiben, ob der Tatbestand des § 15 Abs. 2 Nr. 4 LDSG im Hinblick auf die Dokumentationspflichten des Klägers, einer anderen Variante des § 15 Abs. 2 LDSG oder gar des § 15 Abs. 1 LDSG erfüllt sei, denn diese Bestimmungen würden von der Spezialvorschrift des § 15 Abs. 4 LDSG verdrängt. Diese Norm sei anwendbar. Der Satzteil „gegenüber Bediensteten“, aus dem der Beklagte die Unanwendbarkeit der Norm herleite, beziehe sich lediglich auf den voranstehenden, die strikte Zweckbindung relativierenden Inhalt „und hiermit in Zusammenhang stehende(n) Maßnahmen“. Die in § 15 Abs. 4 LDSG angelegte strikte Zweckbindung im Übrigen bleibe von dem Zusatz „gegenüber Bediensteten“ unberührt. Die E-Mail-Postfach-Daten seien zu dem Zweck kopiert worden, die Kopie vorzuhalten, um einen möglichen Datenverlust im Rahmen der Arbeiten zur Behebung der vom Büro des Klägers gemeldeten Probleme zu vermeiden und außerdem um technischen Problemen der vom Büro des Klägers gemeldeten Art mit dem Outlook-Kalendersystem wirksam entgegentreten zu können. Die E-Mail-Postfach-Daten des Klägers stellten - in der im Herbst 2010 kopierten Form - daher personenbezogene Daten dar, die ausschließlich zum Zweck der Datensicherung beziehungsweise zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebs einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert worden seien. Folglich scheide eine weitere Speicherung für den von dem Beklagten nunmehr genannten Zweck aus. Zwar solle bei einer dem Tatbestand des § 15 Abs. 4 LDSG unterfallenden Sicherungskopie die Wiedergewinnung eines gesicherten Datenbestandes zu den nach § 15 Abs. 4 LDSG erlaubten Zwecken gehören. Dies könne aber nur insoweit gelten, als es gerade zu dem konkreten Datenverlustereignis gekommen sei, für dessen Eintritt die Sicherungskopie erstellt worden sei. Darum gehe es bei der „Wiedergewinnung“ der in der Kopie enthaltenen Daten nun nicht mehr, da es weder bei den Arbeiten zur Behebung der vom Büro des Klägers gemeldeten Probleme zu Datenverlusten gekommen sei noch der Beklagte die Daten weiter benötige, um technischen Problemen der vom Büro des Klägers gemeldeten Art mit dem Outlook-Kalendersystem wirksam entgegentreten zu können. Es sei auch ausgeschlossen, die Daten im Hinblick auf die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße des Klägers auszuwerten, denn eine Verwendung sei insoweit nur für datenschutzspezifische Zwecke, also etwa zur Aufdeckung der Verletzung von Datenschutzbestimmungen bei den Maßnahmen zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebs der Datenverarbeitungsanlage, zulässig. Zu einer Nichtanwendung der strikten Zweckbindung des § 15 Abs. 4 LDSG könnte man nur dann kommen, wenn man annähme, § 15 Abs. 4 LDSG setze voraus, dass zu den in der Bestimmung genannten Zwecken neue Daten generiert würden, die inhaltlich, das heißt nach ihrem geistigen Gehalt, über den schon zuvor vorhandenen Datenbestand hinausgingen. Daran fehle es hier. Mit der Kopie seien keine neuen inhaltlichen Informationen erzeugt worden; vielmehr habe sich der Vorgang in der reinen Vervielfältigung vorhandener Daten erschöpft.
16 
Auf § 88 TKG könne sich der Kläger allerdings nicht berufen. Die Norm wolle allein das Fernmeldegeheimnis des Art. 10 Abs. 1 GG schützen, dessen Schutzbereich nicht betroffen sei. Es handele sich bei den E-Mails nicht um Kommunikationsinhalte, die der Beklagte während des Kommunikations- oder Übertragungsvorgangs ohne Wissen und Wollen der Kommunikationsteilnehmer datenmäßig erfasst und gespeichert beziehungsweise in anderer Weise verarbeitet habe. Zudem sei der Beklagte gegenüber dem Kläger kein Diensteanbieter im Sinne des § 88 TKG.
17 
§ 36 Abs. 1 LDSG sei auf den Kläger bereits nicht anwendbar, weil er zu keiner Zeit in ein „Dienst- oder Arbeitsverhältnis“ bei dem Beklagten eingetreten gewesen sei. Kein Hindernis für das Löschungsbegehren des Klägers bilde die Tatsache, dass zwei Personen beim Staatsministerium einen Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen gestellt hätten, der sich auch auf die im vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen E-Mail-Daten beziehe. Der in § 15 Abs. 4 LDSG verankerten strikten Zweckbindung gebühre der Vorrang vor dem im Landesumweltinformationsgesetz geschützten Erhaltungsinteresse an den Daten. Dies gelte jedenfalls deshalb, weil noch nicht einmal feststehe oder konkrete Anhaltspunkte dafür bestünden, dass die E-Mail-Postfachdaten überhaupt Umweltinformationen im Sinne von § 3 Abs. 1, 2 i.V.m. § 2 Abs. 3 UIG enthielten.
18 
Dem Löschungsanspruch stehe dem Grunde nach auch nicht § 23 Abs. 3 LDSG entgegen, wonach vor einer Löschung die Daten dem zuständigen Archiv nach Maßgabe der §§ 3, 7 und 8 LArchG zur Übernahme anzubieten seien. Die Absicht zum Anbieten der Daten gegenüber dem Landesarchiv sei keine Zwecksetzung, die die Kenntnis der Daten für die speichernde Stelle zur Erfüllung ihrer Aufgaben im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG „erforderlich“ machen könne. § 23 Abs. 3 LDSG befasse sich gerade mit nicht mehr benötigten, an sich löschungsreifen Daten und hindere weder behördliche Löschungsvorhaben noch Löschungsansprüche von Betroffenen.
19 
Das Archivrecht modifiziere allerdings den Umfang des klägerischen Anspruchs dahin, dass die streitgegenständlichen Dateien erst zu löschen seien, nachdem sie nach Maßgabe des § 3 LArchG dem Landesarchiv zur Übernahme als Archivgut angeboten worden seien. Es handele sich bei den Daten nicht um „Archivgut eines Privaten“, das gemäß § 2 Abs. 3 LArchG nur mit Einvernehmen des Klägers dem Landesarchiv überantwortet werden könne. Die Vorschrift erfasse nur Daten „aus privater Hand“, nicht hingegen Daten wie die streitgegenständlichen, die vom Staatsministerium und damit von einer Behörde übernommen werden könnten. Vor einer Löschung seien die streitgegenständlichen E-Mail-Postfachdaten dem zuständigen Archiv nach Maßgabe der §§ 3, 7, 8 LArchG zur Übernahme anzubieten und somit nach Maßgabe des Archivrechts auch zu archivieren. Weder § 15 Abs. 4 LDSG noch sonstige Bestimmungen des einfachen wie auch des Verfassungsrechts bewirkten, dass der dem Grunde nach gegebene Löschungsanspruch des Klägers auch eine Archivierung der Daten hindere. Im Verhältnis zwischen Archivrecht und allgemeinem Datenschutzrecht sei in Baden-Württemberg von einem „Vorrang des Archivrechts“ - den auch das Bundesrecht kenne - auszugehen. Das Archivrecht enthalte eigene, ausreichende Vorkehrungen zum Datenschutz. Das genannte Vorrangverhältnis ergebe sich aus Wortlaut und Systematik von § 23 LDSG. Denn vor einer Löschung seien Daten nach § 23 Abs. 3 LDSG - ohne dass das Landesdatenschutzgesetz irgendeine Einschränkung dieser Verpflichtung vorsehe - dem zuständigen Archiv nach Maßgabe der §§ 3, 7, 8 LArchG zur Übernahme anzubieten. Grenzen für den archivrechtlichen Umgang mit Unterlagen, die datenschutzrechtlich „an sich“ zu löschen wären, ergäben sich somit ausschließlich aus dem Landesarchivgesetz, das allerdings in einer verfassungskonformen, insbesondere dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht Betroffener Rechnung tragenden Weise auszulegen und anzuwenden sei. Es scheide aus, dass es von vornherein im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 3 LArchG schutzwürdige Belange des Klägers „nicht angemessen berücksichtigen würde“, wenn der Beklagte dem Landesarchiv Daten aus dem kopierten E-Mail-Postfach des Klägers auch nur anbieten würde. Vor der Übernahme in das Archiv könnten Maßnahmen zum Schutz der Persönlichkeitsrechte durchgeführt beziehungsweise festgelegt werden, wie etwa eine (Teil-)Anonymisierung. Schutzvorkehrungen für das Persönlichkeitsrecht seien in § 4 und § 6 LArchG und in der Landesarchivbenutzungsordnung vorgesehen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen dieses Ergebnis bestünden nicht. Das Landesarchiv Baden-Württemberg habe bei der Heranziehung des Landesarchivgesetzes dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers insbesondere in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung Rechnung zu tragen. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG schütze insoweit die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart würden. Träger des Grundrechts seien auch Amtsträger, und zwar nicht nur für Informationen mit privatem, sondern auch für solche mit amtsbezogenem Inhalt. Der Kläger sei insbesondere nicht rechtsschutzlos, was den Umgang des Landesarchivs mit übergebenen Unterlagen angehe. Etwaige Verstöße gegen Bestimmungen, die das Landesarchivgesetz zu seinem Schutz vorsehe, könne er im Verwaltungsrechtsweg abwehren. Weiter komme dem Kläger der Schutz des § 3 Abs. 2 Satz 3 LArchG zugute.
20 
Gegen das ihm am 31.05.2013 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts hat der Beklagte am 28.06.2013 (Posteingang) die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt, mit der er die vollumfängliche Klageabweisung erstrebt, und am 29.07.2013 die Berufungsbegründung eingereicht. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Löschung der streitgegenständlichen Dateien nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 LDSG. Die Speicherung der Daten sei zulässig. Die Speicherung der Daten und deren Nutzung seien zur Erfüllung der dem Staatsministerium obliegenden Aufgaben erforderlich. Für den Begriff "Aufgaben der verantwortlichen Stelle" im Sinne des § 15 LDSG sei nicht auf diejenige Organisationseinheit einer Behörde abzustellen, die die Daten tatsächlich speichere, wie z.B. die IT-Abteilung oder das Rechenzentrum, sondern auf die Behörde oder juristische Person, der diese Abteilung angehöre. Für die Frage, ob die streitgegenständlichen Dateien für die Aufgabenerfüllung der verantwortlichen Stelle noch erforderlich seien, komme es mithin auf den Aufgabenbereich des Staatsministeriums insgesamt an. Davon zu unterscheiden sei der Begriff des Zwecks der Speicherung im Sinne des § 15 LDSG. Der Zweck könne enger sein als die Aufgabe, aber niemals über diese hinausgehen. Der Zweck sei regelmäßig weiter als der konkrete Anlass der Erhebung. Er erschöpfe sich nicht in der Erledigung des einzelnen Verwaltungsverfahrens. Sowohl die jetzige Speicherung als auch eine spätere Durchsicht und Entnahme einzelner Dokumente zur Vervollständigung der Sachakten erfüllten die Voraussetzungen der ursprünglich verfolgten Zwecksetzung.
21 
Das Verwaltungsgericht habe den Anwendungsbereich des § 15 Abs. 4 LDSG in einer vom Gesetz nicht beabsichtigten Weise überdehnt. Die im Herbst 2010 durchgeführte Maßnahme stelle eine Datensicherung im Sinne des § 15 Abs. 4 LDSG dar. Mit dem Begriff Datenschutzkontrolle/Datensicherung/Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebes sei aber keine subjektive Konkretisierung verbunden, die den Zweck auf den konkreten Anlass beschränke. Der Zweck der Maßnahme gehe in aller Regel über den konkreten Anlass hinaus. Ansatzpunkt seien stets die so genannten "Primärzwecke" in allgemeiner Form, z.B. Zwecke der Datensicherung und/oder der Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebs der Datenverarbeitungsanlage. Diese Primärzwecke sollten von der verantwortlichen Stelle vor der jeweils beabsichtigten Verarbeitung oder Nutzung festgelegt werden. Bei unterlassener ausdrücklicher Festlegung im Zeitpunkt der Maßnahme sei der objektive Zweck maßgeblich. Dieser sei dem erkennbar verfolgten Ziel zu entnehmen. Eine weitere Detaillierung in Richtung eines konkreten Anlasses, der den in § 15 Abs. 4 LDSG genannten Zwecken zuzuordnen wäre, habe der Gesetzgeber bewusst unterlassen. Finde eine Datensicherung aus Anlass vermuteter Gerätestörungen statt, so sei die Verwendung dieser Sicherung für die Wiederherstellung anderweitig verlorengegangener Daten nach § 15 Abs. 4 LDSG nicht ausgeschlossen.
22 
Die Wiedergewinnung verloren gegangener Originaldaten gehöre selbstverständlich zu den nach § 15 Abs. 4 LDSG erlaubten Verwendungszwecken. Diene die Maßnahme der Sicherung bestimmter Datenbestände, so dürften diese bei Verlust über die angefertigten Sicherungskopien wiederhergestellt und zur Aufgabenerfüllung verwendet werden. Liege der Erhebung oder Speicherung keine (aufgabenspezifische) Rechtsvorschrift zu Grunde oder biete diese keinen geeigneten Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des Verarbeitungszwecks und habe auch der Betroffene keine ausdrückliche Verfügung getroffen, so seien die verfolgten Zwecke auf der Grundlage eines pragmatischen Verständnisses des Handelns der öffentlichen Stelle zu bestimmen. Es sei von einer typischen und sachgerechten Organisation der verantwortlichen Stelle auszugehen. Aufgabe des IT-Bereichs sei es, die für die Aufgabenerfüllung des Staatsministeriums erforderlichen Daten zu sichern und die ordnungsgemäße Funktion der Datenverarbeitungsanlage des Staatsministeriums sicherzustellen. Genau dieser Aufgabe hätten die im Herbst 2010 bezüglich des klägerischen Accounts durchgeführten Maßnahmen gedient. Zum Zeitpunkt der Maßnahme habe noch keinerlei Kenntnis der Ursachen der aufgetretenen Datenverluste existiert. Ein rechtswidriger Zugriff von außen oder unbefugtes Handeln Dritter hätten im Zeitpunkt der Maßnahme von niemandem ausgeschlossen werden können. Auch deswegen greife die vom Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil vertretene enge Festlegung auf bestimmte Verlustszenarien zu kurz. Durch das Ausscheiden des Klägers aus dem Amt des Ministerpräsidenten sei keine "Zweckerfüllung" eingetreten. Durch § 15 Abs. 4 LDSG werde nicht ausgeschlossen, dass die streitgegenständlichen Daten im Sinne ihrer engen Zweckbindung (Sicherungskopie) zur Herstellung der Originaldateien benutzt würden. Die wiederhergestellten Originaldateien dürften jedenfalls für diejenigen Zwecke verwendet werden, zu denen sie der Kläger ursprünglich angelegt habe. Daher halte sich die Aufnahme der Postfachdaten in bereits vorhandene Sachakten im Rahmen der ursprünglich verfolgten Zwecke und der wahrgenommenen Aufgaben. Die Befugnis zur Wiedergewinnung der Originaldaten gelte unabhängig davon, auf welche Weise die Daten verloren gegangen seien. Der Zweck der Datensicherung umfasse alle Maßnahmen zum Schutz vor Datenverlusten. Hier seien die Sicherungskopien zum Schutz der Originaldateien angelegt worden. Dass die Originaldateien hier nicht versehentlich, sondern bewusst und entgegen der dem Kläger obliegenden Aktenführungspflichten nicht gesichert, sondern gelöscht worden seien, führe zu der objektiven Feststellung des Verlusts von Daten, die nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 LDSG zulässigerweise gespeichert werden dürften und aus der Sicht ordnungsgemäßen nachweisbaren staatlichen Handelns hätten gespeichert werden müssen. Lösche ein Mitarbeiter einer Behörde ganz bewusst auch solche dienstlichen Daten, die noch zu der konkreten Aufgabenwahrnehmung benötigt würden, so müsse die betroffene Behörde befugt sein, auf alle vorhandenen Sicherungskopien zurückzugreifen. Auch die Datensabotage oder missbräuchliche Nutzung durch eigene Mitarbeiter stelle einen Datenverlust dar, vor dem Maßnahmen zur Datensicherung schützen sollten.
23 
Speziell solche Daten, die im Zusammenhang mit den von dem Beklagten bereits erstinstanzlich genannten Verfahren stünden, seien für die Aufgabenerfüllung des Staatsministeriums nach wie vor erforderlich. Das Staatsministerium sei im Hinblick auf die bereits anhängigen Verfahren verpflichtet zu prüfen, inwieweit die Postfach-Kopien Dokumente enthielten, die in den entsprechenden Sachakten fehlten. Weder die Mitarbeiter noch die von den Mitarbeitern selbst zu dienstlichen Zwecken angelegten dienstlichen Inhalts-Dateien bedürften des vom Verwaltungsgericht angenommenen weiten Schutzes. Nach dem Sinn und Zweck der Sonderregelung in § 15 Abs. 4 LDSG solle durch die strikte Zweckbindung lediglich ausgeschlossen werden, dass die aus Bedürfnissen des Datenschutzes und der Datensicherheitzusätzlich erhobenen Datenbestände als Informationsgrundlage für andere Zwecke zur Verfügung stünden, weil dadurch der Einsatz wirksamer Datenschutz- und Sicherungsmethoden indirekt behindert würde. Mit der Wiederherstellung und dienstlichen Verwendung der zu dienstlichen Zwecken selbst angelegten oder zu diesem Zweck empfangenen Daten könne und müsse ein Mitarbeiter aber jederzeit rechnen. Durch die vom Verwaltungsgericht angenommene Reichweite des § 15 Abs. 4 LDSG werde zugleich das spezielle Regel-Ausnahmeprinzip des § 15 LDSG in einer vom Gesetz nicht beabsichtigten Weise verengt. Behörden und Unternehmen wären in einer Vielzahl von Fällen zur Aufgabe ihrer an sich höherrangigen und berechtigten Interessen gezwungen und letztlich dem Belieben ihrer unbefugt handelnden Mitarbeiter ausgesetzt, wenn und soweit diese (bewusst) dienstliche Dokumente vernichteten.
24 
Völlig unberücksichtigt habe das Verwaltungsgericht gelassen, dass Sinn und Zweck des § 15 Abs. 4 LDSG nicht sei, denjenigen zu schützen, der selbst in rechtswidriger Weise den Zwecken der Datensicherung zuwidergehandelt habe. Dem Kläger habe während seiner Amtszeit als Ministerpräsident auch im Hinblick auf die in § 15 Abs. 2 Nr. 5 LDSG genannten Belange die Pflicht oblegen, solche Daten zu sichern, die in die Sachakten des Staatsministeriums gehörten. Diese Sicherung sei unterblieben. Aufgrund der von dem Beklagten vorgelegten E-Mail-Schreiben des Klägers stehe fest, dass dieser z.B. im Zusammenhang mit dem Erwerb der EnBW-Anteile E-Mail-Schreiben erhalten und versandt habe, die er nicht zu den Sachakten genommen habe. Die gesamte Anbahnung des Erwerbs der EnBW-Anteile sei unter Ausschluss der zuständigen Ministerien und ihrer Ministerialebenen allein über das damalige Ministerpräsidentenbüro des Klägers vorbereitet und abgeschlossen worden. Die dem Erwerb zu Grunde liegenden Überlegungen und Informationen seien zwischen den beteiligten Parteien ganz überwiegend in digitaler Form ausgetauscht worden. Akten im klassischen Sinn seien zu diesem Vorgang nicht vorhanden. Auch die Akten zum Polizeieinsatz vom 30.09.2009 enthielten keine E-Mail-Nachrichten des Klägers, obwohl die Bevollmächtigten des Klägers gegenüber dem Verwaltungsgericht im Erörterungstermin vom 29.04.2013 erklärt hätten, dass die Staatsanwaltschaft den streitgegenständlichen Sicherungskopien zu diesem Thema insgesamt zwei bis drei Leitzordner E-Mails entnommen und beschlagnahmt habe.
25 
Aufgrund der wenigen im Staatsministerium noch vorhandenen Schriftstücke aus der Amtszeit des Klägers bestünden zudem konkrete Anhaltspunkte dafür, dass auch sonstige das Verwaltungs- und Regierungshandeln allgemein und in anderen Fällen betreffende Schriftstücke nicht zu den Akten genommen worden seien. Der Kläger behaupte gerade nicht, dass es sich bei den gespeicherten Postfach-Daten ausschließlich um den rein privaten Bereich betreffende E-Mails handele. Vielmehr habe er erstinstanzlich geltend gemacht, er habe während seiner Amtszeit als Ministerpräsident keinerlei Dokumentations- und Aktenführungspflicht unterlegen, und bringe nun vor, er habe alle maßgeblichen Unterlagen zu den Sachakten genommen. Der Kläger habe Dokumentations- und Aktenführungspflichten unterlegen. Die Vollständigkeit staatlicher Akten bilde die Grundlage rechtmäßigen staatlichen Handelns und sei Voraussetzung für jede Rechtskontrolle im Sinne von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Das Parlament habe Anteil an der Staatsleitung durch die ihm zustehenden Mitentscheidungskompetenzen und der ihm zugewiesenen parlamentarischen Kontrolle, deren Ziel es sei, das Handeln der Regierung transparent und verantwortlich zu machen. Die dem Staatsministerium durch Übersenden seitens des Untersuchungsausschusses bekannte, dem Gericht vorgelegte E-Mail-Korrespondenz des Klägers betreffe keinen der Kontrolle des Parlaments entzogenen Vorbehaltsbereich der Regierung. Es handle sich um den Gedankenaustausch eines Ministerpräsidenten mit einem außerhalb des Kabinetts stehenden Dritten im Zusammenhang mit einer beabsichtigten wirtschaftlichen Betätigung des Landes. Dem parlamentarischen Informationsrecht entspreche eine grundsätzliche Informationspflicht der Landesregierung. Die Informations- und Akteneinsichtsrechte - in Form von Rechtsansprüchen nach § 29 Abs. 1 LVwVfG, Art. 35 LV i.V.m. § 14 UAG, § 61 LTGO und im Ermessenswege nach allgemeinen Grundsätzen - setzten eine Pflicht zur Führung vollständiger und wahrheitsgetreuer Akten voraus. Die Aktenführungspflicht ergebe sich auch ohne ausdrücklichen Ausspruch in einem Gesetz oder einem Organisationsstatut aus der aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Pflicht der Behörden und Verfassungsorgane zur objektiven Dokumentation des bisherigen wesentlichen sachbezogenen Geschehensablaufs und der möglichen Erkenntnisquellen für das zukünftige Handeln. Selbstverständlich sei das Staatsministerium verpflichtet, Daten, die den rein familiären Bereich beträfen, zu löschen. Eine diesbezügliche Trennung der Postfachdaten sei über die Absender- bzw. Empfängerdaten technisch möglich. Die Einsichtnahme in die Absender- bzw. Empfängerdaten sei dem Kläger auch zumutbar und keine Verletzung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Durch das Löschen der allein elektronisch gespeicherten dienstlichen Daten habe der Kläger die Aufgabenwahrnehmung des Beklagten in einigen Bereichen nahezu unmöglich gemacht. Dies lasse seine Schutzbedürftigkeit insgesamt entfallen.
26 
Der Beklagte beantragt,
27 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 27.05.2013 - 2 K 3249/12 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
28 
Der Kläger beantragt,
29 
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
30 
Die Behauptung des Beklagten, der Kläger habe Originaldateien entgegen der ihm obliegenden Aktenführungspflichten gelöscht, sei haltlos. Der Vortrag des Beklagten erfolge ohne ansatzweise substantiierte Darlegung. Auf der grundlosen Unterstellung, der Kläger habe gegen seine Aktenführungspflicht verstoßen, beruhe die Argumentation des Beklagten, dass es sich bei den streitgegenständlichen Daten um solche handele, die nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 LDSG zur Erfüllung der Aufgaben des Beklagten erforderlich seien, und dass der Beklagte befugt sein müsse, auf noch vorhandene Sicherungskopien zurückzugreifen. Es sei eine falsche Behauptung, dass im Staatsministerium wenige Schriftstücke aus der Amtszeit des Klägers vorhanden seien. Regierungshandeln unterliege nicht der Anordnung Schriftgut und nach dieser Verwaltungsvorschrift seien nur solche E-Mails zu den Akten zu nehmen, die "Entscheidungen" enthielten, es sei denn der Bearbeiter ordne ihre Aufbewahrung an. Eine elektronische Archivierung von E-Mails sei im Staatsministerium nicht erfolgt. Die Löschung von E-Mails sei Aufgabe des jeweiligen Adressaten gewesen. Zudem gebe es einen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung, der einen nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich einschließe, zu dem auch die Willensbildung der Regierung selbst zähle. Danach seien ausgetauschte Meinungen und Werturteile auch in öffentlichen Angelegenheiten nicht in Akten zu dokumentieren.
31 
Ob Daten zur Aufgabenerfüllung der speichernden Stelle im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG noch erforderlich seien, richte sich ausschließlich nach der Zweckbestimmung, die der Speicherung der Daten zu Grunde gelegen habe. Nicht mehr erforderlich seien die Daten, wenn die Aufgabe, zu deren Erfüllung sie gespeichert worden seien, endgültig entfallen sei. Dies werde aus der Systematik des § 15 Abs. 1 LDSG deutlich, indem dort zum Erforderlichkeitsgrundsatz (Nr. 1) kumulativ der Grundsatz der Zweckbindung (Nr. 2) hinzutrete. Daten seien daher zur Aufgabenerfüllung nur solange erforderlich, wie die konkrete Aufgabe aktuell sei. Es gehe vorliegend daher nicht darum, ob der Zweck, zu dem die streitgegenständlichen Daten gespeichert worden seien, über den konkreten Anlass - hier eine technische Störung des E-Mail-Accounts des Klägers im Oktober 2010 - hinausgehe. Bei der Frage, ob die Aufgabe entfallen sei, sei die mit dem Ausscheiden des Klägers aus dem Amt des Ministerpräsidenten verbundene Zeitkomponente maßgeblich, die vom Beklagten außer Acht gelassen werde. Mit diesem Ausscheiden seien die die weitere Speicherung rechtfertigenden Aufgaben entfallen. Die streitgegenständlichen Daten seien nicht zum Zweck der Datensicherung im Sinne der Sicherung ihrer fortwährenden Verfügbarkeit im EDV-System des Beklagten gespeichert worden. Eine Wiedergewinnung von Daten, die in Sicherungskopien gespeichert seien, nach § 15 Abs. 4 LDSG sei nur in den Grenzen der konkreten Aufgabe, zu deren Erfüllung die Speicherung erfolgt sei, zulässig. Vorliegend gehe es nicht um einen Datenverlust durch einen Systemfehler, dessen nachteiligen Folgen auf den ordnungsgemäßen Betrieb der Datenverarbeitungsanlage durch die streitgegenständlichen Sicherungskopien habe entgegengesteuert werden sollen, sondern der Kläger habe als Betroffener bewusst entschieden, diese Daten zu löschen. Die Daten sollten nach dem Anliegen des Beklagten nicht für den intendierten Sicherungszweck (Verlust durch Systemfehler), sondern zu anderen Zwecken, insbesondere der vermeintlich angezeigten Überprüfung der Vollständigkeit von Akten (§ 15 Abs. 2 Nr. 4 LDSG), angeblicher erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl (§ 15 Abs. 2 Nr. 5 LDSG) oder gar der Aufdeckung vermuteter Rechtsverstöße (§ 15 Abs. 2 Nr. 8 LDSG) herangezogen werden. Dies sei jedoch datenschutzrechtlich unzulässig. Die Annahme des Beklagten, die strikte Zweckbindung des § 15 Abs. 4 LDSG erfasse ausschließlich "zusätzlich" erhobene Datenbestände, verkenne, dass die strikte Zweckbindung ungeachtet des Inhalts der Sicherungskopie hier die streitgegenständlichen Daten erfasse. Der „unclean hands“-Einwand des Beklagten sei für den datenschutzrechtlichen Löschungsanspruch aus § 23 Abs. 1 LDSG irrelevant. Andernfalls würde die durch § 15 Abs. 4 LDSG bewirkte strikte Zweckbindung ausgehöhlt. Eine Reduzierung des datenschutzrechtlichen Schutzniveaus ergebe sich hier weder daraus, dass die private IT-Nutzung nicht ausdrücklich gestattet worden sei, noch aus dem Umstand, dass der Kläger die Funktion des Ministerpräsidenten innegehabt habe. Die von dem Beklagten angeführten parlamentarischen Kontrollbefugnisse seien nicht dazu geeignet, den datenschutzrechtlichen Löschungsanspruch nach § 23 Abs. 1 LDSG und die strikte Zweckbindung nach § 15 Abs. 4 LDSG einzuschränken.
32 
Auf die ihm am 01.08.2013 zugestellte Berufungsbegründung hin hat der Kläger mit Schriftsatz vom 30.08.2013, der am selben Tag beim Verwaltungsgerichtshof einging, Anschlussberufung eingelegt, mit der er seinen erstinstanzlichen Hauptantrag auf uneingeschränkte Löschung der streitgegenständlichen Dateien weiterverfolgt. Zur Begründung führt er aus, die streitgegenständlichen Daten seien als privat einzustufen und allenfalls nach § 2 Abs. 3 LArchG mit dem Einvernehmen des Klägers dem Landesarchiv anzubieten. Mit § 2 Abs. 3 LArchG seien keine Eingriffsbefugnisse verbunden. Auch unter der Annahme, dass kein Fall des § 2 Abs. 3 LArchG vorliege, komme man nicht zu einem Anbieten. Der Kläger in seiner Funktion als Ministerpräsident sei als Verfassungsorgan mit eigenen Organrechten zu betrachten gewesen. Der Kläger selbst sei also Stelle im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 LArchG. Die Übergabe durch die Stelle beziehe sich gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 LArchG ausschließlich auf Unterlagen, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr benötige. Potentielles Archivgut könnten also nur solche Unterlagen sein, die bei der Stelle im Vorfeld der Anbietung der Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Aufgaben dieser Stelle gedient hätten. Dies sei jedoch hier nicht der Fall. Die Daten hätten nicht der Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Aufgaben des Ministerpräsidenten gedient, denn sie seien ausschließlich aus datenverarbeitungstechnischen Gründen zur Sicherstellung des Betriebs der Datenverarbeitungsanlage im Staatsministerium gespeichert worden. Es bestehe also eine Konkordanz zwischen den datenschutzrechtlichen Prinzipien des Erforderlichkeits- und des Zweckbindungsgrundsatzes und der Frage, welche Unterlagen als potentielles Archivgut dem Landesarchiv anzubieten seien. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts führe dazu, dass auch Daten, von denen bereits im Vorfeld der Anbietung an das Landesarchiv bekannt sei, dass sie wegen eines Fortfalls des Zwecks im Sinne des § 15 Abs. 4 LDSG nach § 23 Abs. 1 LDSG zu löschen seien, dem Landesarchiv zum Zwecke der Archivierung anzubieten seien. Aus § 5 Abs. 3 Satz 2 LArchG sei jedoch ersichtlich, dass der Landesgesetzgeber danach differenziere, ob ein Löschungsanspruch vor oder nach der Übergabe von Unterlagen an das Landesarchiv erhoben werde. Zwar seien von den Stellen personenbezogene Daten infolge des § 23 Abs. 3 LDSG selbst dann vor der Löschung dem Landesarchiv anzubieten, wenn diese unzulässig gespeichert worden seien. Der die öffentlich-rechtliche Löschungspflicht der öffentlichen Hand widerspiegelnde subjektive Löschungsanspruch des Betroffenen gehe jedoch weiter und sei erst dann ausgeschlossen, wenn sich erst im Nachhinein, also nach der Übergabe der Daten zur Archivierung herausstelle, dass die (weitere) Speicherung datenschutzrechtlich unzulässig sei. Zudem folge aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, dass unzulässig gespeicherte Daten nicht der archivrechtlichen Anbietungspflicht des § 3 Abs. 1 Satz 1 LArchG unterlägen. Aus § 23 Abs. 3 LDSG im Zusammenspiel mit § 5 Abs. 3 Satz 2 LArchG lasse sich kein gesetzlicher Rahmen entnehmen, der dem an einen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung anzulegenden Bestimmtheitsgrad genüge. Zudem müssten nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts alle in der Landesverwaltung eingehenden und versandten E-Mails vor ihrer Löschung dem Archiv angeboten werden; diese Kontrollüberlegung zeige, dass die Argumentation des Verwaltungsgerichts unzutreffend sei.
33 
Mit der Anschlussberufung beantragt der Kläger,
34 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 27.05.2013 - 2 K 3249/12 - teilweise zu ändern und den Beklagten zu verpflichten, die Dateien mit „Arbeitskopien“ des Outlook-Postfachs des Klägers ... ...PST_20101116, ...PST_20101117 und ... ...PST_20101117_DUMPSTER sowie sämtliche Kopien dieser Dateien zu löschen.
35 
Der Beklagte beantragt,
36 
die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.
37 
Das Archivrecht gewährleiste mit den Anbietungs- und Übergabepflichten einerseits und den Sperrfristen andererseits einen angemessenen Ausgleich zwischen den divergierenden Geheimhaltungs- und Publizitätsinteressen der Beteiligten. Die streitgegenständlichen Dateien seien nicht als privat einzustufen. Jedenfalls in den Fällen, in denen der Kläger - wie hier - über seinen Dienstrechner und das ihm als Ministerpräsidenten zugewiesene dienstliche Mailkonto kommuniziert habe, seien die entstandenen Postfachdaten als amtlich einzuordnen. Alle Korrespondenz eines Regierungschefs mit Ausnahme familiärer Schreiben sei von der öffentlichen Amtsfunktion überlagert. Die streitgegenständlichen Sicherungskopien hätten der Aufgabenerfüllung des Staatsministeriums insgesamt und der Aufgabenerfüllung des Klägers als damaligem Ministerpräsidenten gedient. Gemäß §§ 2, 3 LArchG sei es Aufgabe des Landesarchivs, die ihm angebotenen Unterlagen zu bewerten und die jeweils archivwürdigen Unterlagen auszuwählen. Ob diese in digitaler oder Papierform vorlägen, sei unerheblich. Nach der gesetzgeberischen Intention zu § 5 Abs. 3 Satz 2 LArchG seien Löschungsansprüche nach Landesdatenschutzrecht bei Archivgut ausgeschlossen. Dem eindeutigen Wortlaut nach seien gemäß § 23 Abs. 3 LDSG auch unzulässig gespeicherte Unterlagen anzubieten.
38 
Dem Senat liegen die Akten des Beklagten (2 Heftungen) vor.

Entscheidungsgründe

 
39 
Sowohl die Berufung des Beklagten als auch die Anschlussberufung des Klägers sind zulässig, aber unbegründet.
40 
I. Berufung des Beklagten
41 
1. Die Berufung ist nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthaft und auch sonst zulässig. Die Berufung wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 124 a Abs. 2 VwGO). Die Begründung entspricht inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (Begründungsfrist, Einreichung beim VGH, bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 124 a Abs. 3 Sätze 1, 2, 4 und 5 VwGO).
42 
2. Die Berufung des Beklagten ist unbegründet. Denn der Kläger hat einen - durch die Anbietungspflicht gegenüber dem Landesarchiv modifizierten (s. dazu unter II.) - Anspruch auf Löschung der streitgegenständlichen Dateien gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG (a). Einem solchen Löschungsanspruch stehen weder der Einwand des Rechtsmissbrauchs noch nachwirkende Pflichten des Klägers aus der Organtreue als ehemaliger Ministerpräsident des Landes (b) entgegen.
43 
a) Nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG sind personenbezogene Daten zu löschen, wenn ihre Kenntnis für die speichernde Stelle zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr erforderlich ist.
44 
aa) Bei den streitgegenständlichen Dateien handelt es sich um personenbezogene Daten. Solche sind nach der Legaldefinition des § 3 Abs. 1 LDSG Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener). Die E-Mail-Postfach-Daten des Klägers betreffen Einzelangaben über dessen sachliche Verhältnisse, nämlich dessen Kommunikation mit Dritten, und sind daher - wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat und die Beteiligten auch nicht in Frage stellen - personenbezogene Daten.
45 
bb) Speichernde Stelle ist das Staatsministerium. Es ist die Stelle, die die E-Mail-Postfach-Daten für sich selbst verarbeitet beziehungsweise durch andere im Auftrag verarbeiten lässt (vgl. § 3 Abs. 3 LDSG).
46 
cc) Die streitgegenständlichen Dateien sind für das Staatsministerium nicht mehr i.S.d. § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG zur Aufgabenerfüllung erforderlich.
47 
(1) Die Kenntnis der Daten ist im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG für die Erfüllung der Aufgaben der speichernden Stelle noch erforderlich, wenn entweder die Kenntnis notwendig ist zur Erfüllung des Zwecks, zu dem die Daten im Sinne von § 15 Abs. 1 Nr. 2 LDSG oder § 15 Abs. 4 LDSG gespeichert wurden, oder die Kenntnis erforderlich ist für die Erfüllung eines anderen Zwecks als desjenigen, der der Datenspeicherung zugrunde lag, und dies gemäß § 15 Abs. 3 LDSG keine Zweckänderung im Rechtssinne ist oder diese Zweckänderung nach § 15 Abs. 2 LDSG zulässig ist. Diese Auslegung des Begriffs der Erforderlichkeit zur Aufgabenerfüllung folgt aus Wortlaut, Willen des Gesetzgebers, Sinn und Zweck der Vorschrift sowie den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Danach besteht zwischen dem Löschungsanspruch des Betroffenen nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG und der Regelung über Speicherung, Veränderung und Nutzung von Daten nach § 15 LDSG ein unmittelbarer Zusammenhang.
48 
Der Wortlaut von § 15 LDSG und § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG spricht zunächst nicht für diesen unmittelbaren Zusammenhang. Denn § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG macht den Löschungsanspruch davon abhängig, dass die Kenntnis der Daten für die Erfüllung der Aufgaben der speichernden Stelle nicht mehr erforderlich ist, während nach 15 Abs. 1 LDSG die Zulässigkeit der Speicherung nicht nur die Erforderlichkeit zur Erfüllung der Aufgaben der öffentlichen Stelle voraussetzt, sondern auch dass die Speicherung für die Zwecke, für die die Daten erhoben worden sind, erfolgt. Den Gesichtspunkt der Zweckbindung spricht der Wortlaut des § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG hingegen gar nicht an.
49 
Dem entspricht es, wenn in der rechtswissenschaftlichen Literatur zu den insoweit gleich lautenden Normen der § 20 Abs. 2 Nr. 2 BDSG, § 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 BDSG, § 84 Abs. 2 Satz 2 SGB X die Erforderlichkeit verneint wird, wenn die Daten keine praktische Bedeutung mehr haben und deshalb ausgeschlossen werden könne, dass sie die Arbeit der zuständigen Behörde noch fördern könnten (vgl. Mallmann, in: Simitis, BDSG, 8. Aufl., § 20 Rn. 42; Mester, in: Taeger/Gabel, BDSG, 2. Aufl., § 20 Rn. 18; Gola/Schomerus, BDSG, 11. Aufl., § 20 Rn. 11; Brink, in: Wolff/Brink, Datenschutzrecht in Bund und Ländern, 2013, § 35 Rn. 39; Bieresborn, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl., § 84 Rn. 7; ähnlich Wedde, in: Roßnagel, Handbuch Datenschutzrecht, 2003, Kap. 4.4. Rn. 64, und ders., in: Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, BDSG, 4. Aufl., § 20 Rn. 12, auf die „Aufgabe“ abstellend, zu deren Erfüllung die Daten gespeichert wurden; unklar Worms, in: Wolff/Brink, a.a.O., § 20 BDSG Rn. 39; ähnlich auch BVerwG, Beschl. v. 12.11.1992 - 1 B 164.92 - juris Rn. 3 m.w.N., zur Speicherung von Daten aus strafrechtlichen Ermittlungsverfahren nach dem bad.-württ. Polizeigesetz; Beschl. v. 18.03.1994 - 11 B 76.93 - NJW 1994, 2499, zum Eintrag in der Führerscheinkartei). Nach dieser Auffassung dürfte die Erforderlichkeit noch gegeben sein - und bestünde folglich kein Löschungsanspruch des Betroffenen -, wenn der Zweck, zu dem die Daten gespeichert worden sind, inzwischen zwar erfüllt ist, die Daten jedoch allgemein für die Aufgaben der Behörde, mithin für andere Zwecke, als sie der Speicherung zugrunde lagen, noch von Bedeutung sein könnten.
50 
Gegen eine solche Auslegung der Norm spricht jedoch die Entstehungsgeschichte von § 14 Abs. 1 und § 20 Abs. 2 BDSG, denen auch im Wortlaut § 23 Abs. 1 Nr. 2 und § 15 Abs. 1 LDSG nachgebildet sind. Das Bundesdatenschutzgesetz 1977 (Gesetz zum Schutz vor Missbrauch personenbezogener Daten bei der Datenverarbeitung (Bundesdatenschutzgesetz - BDSG) vom 27.01.1977, BGBl. I, 201) bestimmte in § 9 Abs. 1:
51 
"Das Speichern oder Verändern personenbezogener Daten ist zulässig, wenn es zur rechtmäßigen Erfüllung der in der Zuständigkeit der speichernden Stelle liegenden Aufgaben erforderlich ist.“
52 
Zur Sperrung und Löschung von Daten bestimmte § 14 BDSG 1977 unter anderem:
53 
„(2) Personenbezogene Daten sind zu sperren, wenn ihre Richtigkeit vom Betroffenen bestritten wird und sich weder die Richtigkeit noch die Unrichtigkeit feststellen läßt. Sie sind ferner zu sperren, wenn ihre Kenntnis für die speichernde Stelle zur rechtmäßigen Erfüllung der in ihrer Zuständigkeit liegenden Aufgaben nicht mehr erforderlich ist…
54 
(3) Personenbezogene Daten können gelöscht werden, wenn ihre Kenntnis für die speichernde Stelle zur rechtmäßigen Erfüllung der in ihrer Zuständigkeit liegenden Aufgaben nicht mehr erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, daß durch die Löschung schutzwürdige Belange des Betroffenen beeinträchtigt werden. Sie sind zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig war oder wenn es in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 der Betroffene verlangt.“
55 
Nach dem Bundesdatenschutzgesetz 1977 war mithin sowohl für die Zulässigkeit von Datenspeicherung und -veränderung nach § 9 Abs. 1 als auch für den Löschungsanspruch nach § 14 Abs. 3 Satz 2 maßgebliches Kriterium die Erforderlichkeit zur Aufgabenerfüllung der speichernden Stelle. Das Tatbestandsmerkmal der Zweckbindung bestand nicht.
56 
Der heutige Wortlaut von § 20 Abs. 2 und § 14 Abs. 1 BDSG geht zurück auf die Novelle von 1990 (Gesetz zur Fortentwicklung der Datenverarbeitung und des Datenschutzes vom 20.12.1990, BGBl. I, 2954). Mit diesem Gesetz reagierte der Gesetzgeber auf das Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts. Es sei nötig geworden, aufgrund des Volkszählungsurteils dem Grundsatz der Zweckbindung durchgehend Geltung zu verschaffen (vgl. BT-Drucks. 11/4306, S. 36). Wesentlicher Inhalt der Neufassung sei:
57 
„a) Verstärkung der Zweckbindung bei der Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten sowohl im öffentlichen als auch im nicht-öffentlichen Bereich, enumerative Aufzählung der Ausnahmen,
58 
b) Verstärkung der Rechte des Betroffenen sowohl im öffentlichen als auch im nicht-öffentlichen Bereich, insbesondere durch

- Löschungsrechte
…“
59 
(vgl. BT-Drucks. 11/4306, S. 37)
60 
Die Entstehungsgeschichte spricht mithin gerade nicht dafür, den Umfang der Zweckbindung bei der Datenspeicherung, -veränderung und -nutzung einerseits und den Löschungsanspruch andererseits unterschiedlich zu bestimmen. Die Gesetzgebungsgeschichte belegt nicht, dass ein Löschungsanspruch erst bestehen soll, wenn unabhängig von der Zweckbindung die Nutzung der gespeicherten Daten ganz allgemein für die Aufgabenerfüllung der Behörde nicht mehr erforderlich ist. Vielmehr wollte der Gesetzgeber im Gegenteil die Zweckbindung bei der Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten verstärken, ebenso die subjektiven Rechte des Betroffenen. Die Entstehungsgeschichte spricht mithin dafür, einen Zusammenhang zwischen Löschungsanspruch und Zweckbindungsgrundsatz zu bejahen.
61 
Zweck des Löschungsanspruchs nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG ist, die aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung folgende Zweckbindung der erhobenen Daten durchzusetzen. Dies folgt nicht zuletzt aus verfassungsrechtlichen Vorgaben. Die Verarbeitung personenbezogener Daten ist - wenn nicht der Betroffene eingewilligt hat (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 2 LDSG) - nur zulässig, wenn das Landesdatenschutzgesetz oder eine andere Rechtsvorschrift sie erlaubt (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 LDSG). Dies folgt notwendig daraus, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten ein Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ist und ein solcher Eingriff einer bereichsspezifischen gesetzlichen Grundlage bedarf. Die Verwendung der Daten ist auf den gesetzlich bestimmten Zweck begrenzt (vgl. nur BVerfG, Urt. v. 15.12.1983 - 1 BvR 209/83 u.a. - BVerfGE 65, 1 <43 ff.>). Für den Bereich der Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten ist § 15 LDSG die gesetzliche Grundlage, die den Umfang der Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne des § 4 Abs. 1 LDSG regelt. Ist die Verarbeitung personenbezogener Daten nach § 15 LDSG nicht mehr zulässig, liegt ein nicht gerechtfertigter Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung vor, so dass - da das Grundrecht ein subjektiv-öffentliches Abwehrrecht gibt - ein Löschungsanspruch nach § 23 Abs. 1 LDSG gegeben sein muss. Wenn jedoch die Verarbeitung personenbezogener Daten weiterhin auf § 15 LDSG gestützt werden kann, ist eine ausreichende gesetzliche Grundlage für den Grundrechtseingriff vorhanden; ein Löschungsanspruch besteht dann nicht. Löschungsanspruch nach § 23 Abs. 1 LDSG und Zulässigkeit der Datenverarbeitung nach § 15 LDSG korrespondieren mithin.
62 
(2) Nach diesem Maßstab ist die Kenntnis der streitgegenständlichen Daten im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG für die Erfüllung der Aufgaben der speichernden Stelle nicht mehr erforderlich. Denn die Kenntnis ist nicht notwendig zur Erfüllung des Zwecks, zu dem die Daten im Sinne von § 15 Abs. 4 LDSG gespeichert wurden. Eine Zweckänderung nach § 15 Abs. 2 LDSG ist ausgeschlossen, denn § 15 Abs. 4 LDSG geht als Spezialregelung § 15 Abs. 2, 3 LDSG vor; diese sind nicht anwendbar (vgl. Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 106, 115; Albers, in: Wolff/Brink, a.a.O., § 14 BDSG Rn. 56; Dehoust, in: Giesen/Bannasch/Naumann/Mauersberger/Dehoust, SächsDSG, 2011, § 13 Rn. 37).
63 
(a) Nach § 15 Abs. 4 LDSG dürfen personenbezogene Daten, die ausschließlich zum Zweck der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung oder zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebs einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert wurden, nur für diesen Zweck und hiermit in Zusammenhang stehende Maßnahmen gegenüber Bediensteten genutzt werden. § 15 Abs. 4 LDSG enthält, wie bereits der Wortlaut zeigt, ein absolutes Zweckentfremdungsverbot. Es besteht eine strenge Zweckbindung der für Zwecke der Datenschutzkontrolle und/oder Datensicherung gespeicherten Daten (vgl. Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 106; Weichert, in: Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, a.a.O., 31 Rn. 1; Gola/Schomerus, a.a.O., § 14 Rn. 27; Dehoust, a.a.O., § 13 Rn. 22; Bieresborn, a.a.O., § 67c Rn. 13; Jung, in: Eichenhofer/Wenner, SGB I, V, X, 2012, § 67c SGB X Rn. 13; Steinmeyer, in: Wannagat/Eichenhofer, SGB, § 67c SGB X Rn. 14 <83. Lfg.>). Durch den strikten Zweckbindungsgrundsatz soll verhindert werden, dass Datenbestände, die zu Zwecken des Datenschutzes und der Datensicherheit angelegt wurden, als allgemeine Informationsgrundlage verwendet werden (vgl. Heckmann, in: Taeger/Gabel, a.a.O., § 14 Rn. 108; Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 106; Albers, in: Wolff/Brink, a.a.O., § 14 BDSG Rn. 56). Der Gesetzgeber wollte sicherstellen, „…dass Daten, die nur den genannten Zwecken dienen, keiner anderen Verwendung zugeführt werden“ (so zur Parallelnorm des § 14 Abs. 4 die Beschlussempfehlung des BT-Innenausschusses zur Datenschutznovelle 1990, vgl. BT-Drucks. 11/7235, S. 88).
64 
Das strikte Zweckbindungsgebot des § 15 Abs. 4 LDSG gilt nur dann, wenn personenbezogene Daten ausschließlich zu den im Gesetz genannten Zwecken gespeichert werden (vgl. Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 108, 111; Buchner, in: Taeger/Gabel, a.a.O., § 31 Rn. 3; Gola/Schomerus, a.a.O., § 14 Rn. 27, § 31 Rn. 5). Ob eine solche ausschließliche Zwecksetzung verfolgt wird, bestimmt die Daten verarbeitende Stelle im Rahmen der Festlegung des Zweckes (vgl. Buchner, a.a.O., § 31 Rn. 3; Gola/Schomerus, a.a.O., § 31 Rn. 5). Ausschlaggebend ist mithin der von der verantwortlichen Stelle festgelegte Zweck (vgl. OVG Bln.-Bbg., Beschl. v. 02.03.2011 - OVG 60 PV 10.10 - juris Rn. 30, zu § 2 Abs. 2 Satz 1 BlnDSG i.V.m. § 31 BDSG; Beschl. v. 14.03.2013 - OVG 62 PV 13.12 - juris Rn. 45 zu § 31 BDSG; Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 113; Heckmann, a.a.O., § 14 Rn. 110; Dehoust, a.a.O., § 13 Rn. 37). Die Festlegung des Verwendungszwecks durch die verantwortliche Stelle führt zu deren Selbstbindung (vgl. Heckmann, a.a.O., § 14 Rn. 24; Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 39; je zu § 14 Abs. 1 BDSG). Die Zweckbindung haftet der Datenverarbeitung bis zur Zweckerfüllung an (vgl. Gola/Schomerus, a.a.O., § 14 Rn. 10, zu § 14 Abs. 1 BDSG).
65 
Diese Festlegung der Zweckbindung muss im Voraus erfolgen. Wurde sie unterlassen, so ist der objektive Verwendungszweck maßgeblich, der sich nach dem erkennbar verfolgten Ziel bestimmt (vgl. Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 113; Heckmann, a.a.O., § 14 Rn. 110). Die öffentliche Stelle ist jedoch nicht frei in ihrer Festlegung des Zwecks. Sie hat es nicht in der Hand, durch eine allzu weite und unverbindliche Definition die Zweckbindung leerlaufen zu lassen; die Festlegung des Zwecks muss datenschutzrechtlich zulässig sein (vgl. Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 113, zu § 14 Abs. 4 BDSG; Dehoust, a.a.O., § 13 Rn. 37, 22, zu § 13 Abs. 4 SächsDSG).
66 
Sollen diese Daten für einen weiteren Zweck genutzt werden, bedarf es hierfür einer eigenständigen Legitimation durch eine Rechtsvorschrift (vgl. Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 115; Weichert, a.a.O., § 31 Rn. 4; Gola/Schomerus, a.a.O., § 14 Rn. 30) Eine nachträgliche Änderung der Zweckbindung ohne spezielle gesetzliche Grundlage hierfür ist ausgeschlossen (vgl. Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 113; Gola/Schomerus, a.a.O., § 31 Rn. 5; von Lewinsky, in: Wolff/Brink, a.a.O., § 31 BDSG Rn. 31 ff.).
67 
Die Vermeidung von Datenverlusten, Datenmanipulationen und unbefugtem Datenzugang sowie die Korrektur von Fehlern und die Wiederherstellung von Datenbeständen gehören zum Zweck der Datensicherung sowie zum Zweck der Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebes einer Datenverarbeitungsanlage (vgl. Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 109, zur Datensicherung; Albers, a.a.O., § 14 BDSG Rn. 59, zum ordnungsgemäßen Betrieb einer Datenverarbeitungsanlage; Weichert, a.a.O., § 31 Rn. 1a: klare Trennung dieser Zwecke nicht möglich). Die Wiedergewinnung des gesicherten und verloren gegangenen Datenbestsands gehört daher grundsätzlich zu den nach § 15 Abs. 4 LDSG erlaubten Zwecken (vgl. Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 112, 114; Weichert, a.a.O., § 31 Rn. 5; von Lewinsky, a.a.O., § 31 BDSG Rn. 24).
68 
Zu Unrecht bringt der Beklagte vor, mit einem solchen Verständnis des § 15 Abs. 4 LDSG sei eine zu enge Zweckbindung verbunden, die unabweisbare Bedürfnisse der Allgemeinheit, insbesondere im Hinblick auf Belange der Strafrechtspflege bei der Verfolgung von Straftaten unzulässig hintanstelle. Zwar wird in der rechtwissenschaftlichen Literatur vertreten, dass strafrechtliche Zugriffsnormen, auch über § 1 Abs. 3 BDSG bzw. § 2 Abs. 5 LDSG die strikte Zweckbindung des § 14 Abs. 4 BDSG bzw. § 15 Abs. 4 LDSG nicht überwinden könnten (so Albers, a.a.O., § 14 BDSG Rn. 62; Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 115 ; a.A. wohl Weichert, a.a.O., § 31 Rn. 5; von Lewinsky, a.a.O., § 31 Rn. 29). Anderes gelte nur für die Verfolgung von Datenschutzdelikten; sie bewege sich im Rahmen des § 14 Abs. 4 BDSG (vgl. Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 115; Gola/Schomerus, a.a.O., § 14 Rn. 30; Weichert, a.a.O., § 31 Rn. 4). Dies trifft jedoch nach Auffassung des Senats - ohne dass dies hier entscheidungserheblich wäre - nicht zu. Soweit besondere Rechtsvorschriften des Bundes oder des Landes auf personenbezogene Daten anzuwenden sind, gehen sie gemäß § 2 Abs. 5 LDSG den Vorschriften dieses Gesetzes vor. Mit dem Erfordernis besonderer Rechtsvorschriften soll gewährleistet sein, dass nicht jede Rechtsnorm außerhalb des Datenschutzrechts einen Zugriff auf personenbezogene Daten ermöglichen soll. Einen solchen Zugriff soll nur eine spezielle Datenschutzvorschrift gestatten können; Normen, die Datenverarbeitungsvorgänge lediglich voraussetzen, reichen nicht aus (vgl. zu § 1 Abs. 3 BDSG: Dix, in: Simitis, a.a.O., § 1 Rn. 110; BT-Drucks. 7/1027, S. 16). Diesen Anforderungen des § 2 Abs. 5 LDSG an besondere Rechtsvorschriften entsprechen die Normen der §§ 160, 161, 163 StPO über die Beweiserhebung in Ermittlungsverfahren; diese sind die allgemeinen Rechtsgrundlagen für Datenerhebungen durch Strafverfolgungsbehörden (vgl. Dembowski, in: Roßnagel, a.a.O., Kap. 8.1 Rn. 17 ff.). Insbesondere ist § 161 Abs. 1 StPO eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die allgemeine Erhebung personenbezogener Daten im Ermittlungsverfahren (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 17.02.2009 - 2 BvR 1732, 1745/07 - NJW 2009, 1405 <1407>; Meyer-Goßner, stopp, 56. Aufl., § 161 Rn. 2). Die strafprozessualen Beweiserhebungsnormen sind daher besondere Vorschriften i.S.d. § 2 Abs. 5 LDSG, die sich über die Zwecksetzung des § 15 Abs. 4 LDSG hinwegsetzen können. Die Zulässigkeit der Erhebung und Beschlagnahme personenbezogener Daten im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren trotz einer bestehenden Zweckbindung nach § 15 Abs. 4 LDSG legt schließlich die Vorschrift des § 15 Abs. 2 Nr. 8 LDSG, dass eine datenschutzrechtliche Zweckänderung für Zwecke der Strafverfolgung zulässig ist, nahe.
69 
(b) Nach diesem Maßstab wäre mit einer Wiederherstellung der Originaldateien aus den streitgegenständlichen Sicherungskopien eine mit § 15 Abs. 4 LDSG unvereinbare Zweckänderung verbunden. Der ursprünglich mit der Erstellung der Sicherungskopien verbundene konkrete Zweck kann jetzt nicht mehr erreicht werden (aa). Der Schutzzweck des § 15 Abs. 4 LDSG erfasst auch die streitgegenständlichen Dateien (bb). Ein allgemeiner, vom ursprünglich verfolgten Zweck unabhängiger Zweck der Datensicherung könnte zudem mit einer Wiederherstellung der Originaldateien aus den streitgegenständlichen Sicherungskopien nicht zulässig verfolgt werden; denn der Zweck, zu dem die Originaldateien gespeichert wurden, ist weggefallen (cc).
70 
(aa) Wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, war maßgeblicher Zweck der Datensicherungen, eine Kopie vorzuhalten, um einen möglichen Datenverlust im Rahmen der Arbeiten zur Behebung der vom Büro des Klägers gemeldeten Probleme zu vermeiden und um technischen Problemen der vom Büro des Klägers gemeldeten Art mit dem Outlookkalender wirksam entgegentreten zu können. Damit hat der Beklagte Zwecke der Datensicherung und der Sicherstellung des ordnungsgemäßen Betriebs einer Datenverarbeitungsanlage i.S.d. § 15 Abs. 4 LDSG verfolgt.
71 
Diese Zwecke - eine Kopie vorzuhalten, um einen möglichen Datenverlust im Rahmen der Arbeiten zur Behebung der vom Büro des Klägers gemeldeten Art zu vermeiden und um technischen Problemen der vom Büro des Klägers gemeldeten Probleme mit dem Outlookkalender wirksam entgegentreten zu können - hat der Beklagte selbst im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 31.01.2013 an das Verwaltungsgericht als diejenigen angegeben, zu denen die streitgegenständlichen Dateien erstellt wurden. An diese ursprünglich verfolgten Zwecke ist der Beklagte aufgrund des Grundsatzes der Selbstbindung gebunden. Diese Zwecke können bei Wiedergewinnung der in der Sicherungskopie enthaltenen Daten nun nicht mehr erreicht werden. Die Verfolgung anderer Zwecke schließt § 15 Abs. 4 LDSG aus.
72 
Auf einen allgemeinen, über den konkreten Anlass der Herstellung der streitgegenständlichen Sicherungskopien hinausgehenden allgemeinen Sicherungszweck kann sich der Beklagte hier nicht berufen. Zwar kann der datenschutzrechtlich relevante Zweck des § 15 Abs. 4 LDSG über den konkreten Anlass der Speicherung hinausgehen. Einen solchen allgemeinen Sicherungszweck verfolgte der Beklagte bei der Herstellung der streitgegenständlichen Sicherungskopien jedoch nicht:
73 
Die Bestimmung des maßgeblichen Zwecks einer Maßnahme nach § 15 Abs. 4 LDSG folgt im Kern denselben Grundsätzen wie die Bestimmung des Zwecks einer Datenspeicherung und -erhebung nach § 15 Abs. 1 LDSG. Maßgeblich ist dabei - wie Dammann zutreffend ausführt - der materielle Gehalt des Zweckbindungsgrundsatzes. Er resultiert daraus, dass jede Ermächtigung einer öffentlichen Stelle, personenbezogene Daten zu erheben und zu speichern, nur im Hinblick auf bestimmte Zwecke ergeht und daher auch eine Verwendung der Daten grundsätzlich nur im Rahmen dieser Zwecke legitimiert. Daher ist bei der Frage, wie der jeweilige Zweck zu fassen ist, bei der jeweiligen rechtlichen Legitimationsgrundlage für das Erheben bzw. Speichern anzuknüpfen. Maßgeblich ist entweder die gesetzliche Grundlage oder die vom Betroffenen im Sinne einer informationellen Selbstbestimmung getroffene Verfügung. Dies entspricht dem Inhalt der Aufklärungspflicht nach § 4 Abs. 3 BGSG. Liegt der Erhebung und Speicherung keine aufgabenspezifische Rechtsvorschrift zu Grunde oder bietet diese keine geeigneten Anknüpfungspunkte für die Bestimmung des Verarbeitungszwecks und hat auch der Betroffene keine einschränkende Verfügung getroffen, so kommt es auf den tatsächlich verfolgten Handlungszweck an. Dieser kann und wird häufig weiter sein als der konkrete Anlass der Speicherung (vgl. Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 39 ff., zu § 14 Abs. 1 BDSG).
74 
An einer Festlegung eines konkreten Zwecks hinsichtlich der streitgegenständlichen Dateien durch eine Rechtsvorschrift oder eine Verfügung des Betroffenen - hier des Klägers - fehlt es. Daher kommt es auf den tatsächlich verfolgten Zweck an. Dieser bestand nicht in der Herstellung von Sicherungskopien der Outlookdateien des Klägers für jeglichen Fall des Datenverlusts. Denn längerfristige allgemeine Sicherungsspeicherungen von Outlook-Postfachinhalten wurden - abgesehen von der begrenzten Speicherung gelöschter Mails für sieben Tage auf dem Server des Staatsministeriums und für 30 Tage im Ausfallrechenzentrum in Oberreichenbach - im Staatsministerium nicht vorgenommen. Nach der geübten Praxis im Staatsministerium entschied allein der Nutzer des Outlook-Postfachs, welche E-Mails er ausdruckte und den Akten beifügte und welche er löschte. Eine Speicherung von Postfachinhalten für allgemeine Zwecke war auch hier nicht beabsichtigt. Die streitgegenständlichen Dateien wurden vielmehr für den beschriebenen begrenzten Zweck - Behebung von Problemen im Outlook-Kalender des Klägers - hergestellt, zu dem sie nun nicht mehr verwendet werden können.
75 
(bb) Der Schutzzweck des § 15 Abs. 4 LDSG erfasst auch die streitgegenständlichen Dateien. Ohne Erfolg macht der Beklagte geltend, die Zweckbindung des § 15 Abs. 4 LDSG gelte nur für zusätzliche, bei der Datenschutzkontrolle etc., aus technischen Gründen anfallende Dateien wie Protokolle von Datenabrufen oder personenbezogene Daten der Mitarbeiter in der IT-Abteilung. Für die Zwecke der Datenschutzkontrolle und der Sicherstellung des ordnungsgemäßen Betriebs der Anlage wird dies in der Literatur in der Tat angenommen (vgl. Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 108, 110). Für im Rahmen der Datensicherung hergestellte Kopien kann dies jedenfalls nicht gelten (so wohl auch Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 109). Eine Einschränkung des Schutzzwecks des § 15 Abs. 4 LDSG lässt sich dem Wortlaut nicht entnehmen. Für Datenkopien ist der Schutzzweck auch einschlägig. Denn es entspricht gerade dem Zweck des § 15 Abs. 4 LDSG, dass zusätzlich angelegte Datenbestände nicht als allgemeine Informationsgrundlage dienen sollen. Hierunter fallen gerade nach Jahren immer noch vorhandene, vom ursprünglichen Speicherzweck losgelöste Kopien von Dateien
76 
(cc) Selbst wenn man mit dem Beklagten davon ausginge, dass aus nach § 15 Abs. 4 LDSG hergestellten Sicherungskopien bei jeglichem Datenverlust die Originaldateien wiederhergestellt werden dürften, wäre eine solche Wiederherstellung hier unzulässig. Denn eine Wiederherstellung der Originaldateien aus der Sicherungskopie ist vom Zweck des § 15 Abs. 4 LDSG nicht mehr gedeckt und daher unzulässig, wenn der Zweck, zu dem die Originaldateien nach § 15 Abs. 1 LDSG gespeichert wurden, inzwischen weggefallen ist und daher nicht mehr erfüllt werden kann (Zweckerreichung). Das folgt aus dem strengen Zweckbindungsgrundsatz des § 15 Abs. 4 LDSG. Dieser soll verhindern, dass Datenbestände, die zu Zwecken des Datenschutzes und der Datensicherheit angelegt wurden, als allgemeine Informationsgrundlage verwendet werden. Damit wäre es unvereinbar, wenn gemäß § 15 Abs. 4 LDSG erstellte Sicherungskopien von der speichernden Stelle noch genutzt werden dürften, obwohl der Speicherungszweck der Originaldateien bereits entfallen ist. So liegt der Fall hier:
77 
Bei der Bestimmung des Zwecks der ursprünglichen Datenspeicherung nach § 15 Abs. 1 LDSG ist, wie dargelegt, auf die rechtliche Legitimationsgrundlage für die Datenspeicherung abzustellen. Eine Rechtsvorschrift, die die Speicherung von E-Mails von Landesbediensteten datenschutzrechtlich gestattet, existiert nicht. Eine gesonderte Regelung des E-Mail-Verkehrs im Staatsministerium erfolgte nicht, eine datenschutzrechtlich relevante Selbstverpflichtung des Klägers zum E-Mail-Verkehr fehlt daher. Da die E-Mail-Accounts der Bediensteten des Staatsministeriums dem "Persönlichkeitsbereich" zugeordnet waren und der Nutzer des Postfachs selbst über die Verwendung der Postfachinhalte entscheiden durfte, diente die Speicherung von Postfachinhalten den persönlichen Belangen des Postfachinhabers. Dieser Zweck besteht, nachdem der Kläger seinen E-Mail-Account im Staatsministerium nicht mehr nutzt, nicht mehr. Andere datenschutzrechtlich i.S.v. § 15 Abs. 1 LDSG relevante Zwecke bestanden nicht. Selbst die Anlegung von Protokolldateien über die Internetnutzung diente nach den Sicherheitshinweisen im Antragsformular des Klägers auf Internetzugang vom 11.02.2010 Zwecken der Sicherheit der Datenverarbeitungsanlage des Staatsministeriums vor unerlaubten Zugriffen oder Angriffen von außen, nicht Datensicherungszwecken im allgemeinen. Der ursprünglich verfolgte Zweck der Speicherung der Originaldateien kann nicht mehr erreicht werden, diese dürfen daher nicht aus der Sicherungskopie wiederhergestellt werden.
78 
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang das Vorbringen des Beklagten, nach der AnO Schriftgut und allgemeinen, aus dem Rechtsstaatsprinzip und der Rechtsschutzgarantie folgenden Grundsätzen seien E-Mails aufgrund des Grundsatzes der Aktenvollständigkeit zu den Akten zu nehmen. Dass aus diesen Gründen E-Mails gespeichert werden, ergibt sich weder aus einer gesetzlichen Grundlage noch aus einer datenschutzrechtlichen Einwilligung des Klägers. Ein datenschutzrechtlich relevanter Speicherzweck im Sinne des § 15 Abs. 1 LDSG liegt insoweit nicht vor.
79 
dd) Zutreffend hat das Verwaltungsgericht zum Löschungsanspruch des Klägers dargelegt, dass dieser sich nicht zusätzlich auf § 88 TKG berufen kann, dass § 36 LDSG keine Anwendung findet und dass § 23 Abs. 3 LDSG dem Grunde nach dem Löschungsanspruch nicht entgegensteht. Auf diese Ausführungen des Verwaltungsgerichts, die die Beteiligten im Berufungsverfahren nicht angreifen, nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen vollständig Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
80 
b) Dem Löschungsanspruch des Klägers nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG stehen weder der Einwand des Rechtsmissbrauchs (aa) noch nachwirkende Pflichten des Klägers aus der Organtreue als ehemaliger Ministerpräsident des Landes (bb) entgegen.
81 
aa)Dem datenschutzrechtlichen Löschungsanspruch des Betroffenen nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG kann im Einzelfall der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenstehen, wenn der Betroffene seinerseits offenkundig und schwerwiegend gegen eine gegenüber der die Daten speichernden Stelle bestehenden Pflicht oder Obliegenheit verstoßen hat, die im sachlichen Zusammenhang mit den zu löschenden Daten steht (1). Diese Voraussetzungen sind hier jedoch nicht erfüllt (2).
82 
(1) Beim Rechtsmissbrauch handelt es sich um einen besonderen Fall des Verstoßes gegen Treu und Glauben. Das Gebot, sich so zu verhalten, wie Treu und Glauben es verlangen, gehört im Verwaltungsrecht zu den allgemeinen ungeschriebenen Grundsätzen, die sowohl im Verwaltungsrecht des Bundes als auch im Verwaltungsrecht der Länder existieren und Bürger und Verwaltung binden (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.04.1996 - 4 C 22.94 - BVerwGE 101, 58, juris Rn. 17; Urt. v. 18.04.1996 - 4 C 6.95 - BVerwGE 101, 64 <71>; Urt. v. 25.10.1996 - 8 C 24.96 - BVerwGE 102, 194 <199>; Urt. v. 26.03.2003 - 6 C 24.02 - BVerwGE 118, 84 <89>; Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 62 Rn. 29; Pitschas, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voß-kuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, 2. Aufl., Bd. II., § 42 Rn. 94). Der Einwand des Rechtsmissbrauchs kann daher auch subjektiv-öffentlichen Ansprüchen des Bürgers gegen die öffentliche Hand entgegenstehen (st. Rspr., vgl. nur BVerwG, Urt. v. 14.04.1978 - IV C 6.76 - BVerwGE 55, 337, juris Rn. 10, m.w.N.; Urt. v. 18.04.1996 - 4 C 22.94 - a.a.O.; Urt. v. 16.05.2000 - 4 C 4.99 - BVerwGE 111, 162, juris Rn. 31, m.w.N.). Auch verfassungsrechtlich sind missbräuchlich erworbene Rechtspositionen des Bürgers nicht notwendig geschützt (vgl. BVerfG, Urt. v. 24.05.2006 - 2 BvR 669/04 - BVerfGE 116, 24, juris Rn. 51, zur Rücknahme der erschlichenen Einbürgerung nach § 48 VwVfG; ebenso BVerwG, Urt. v. 03.06.2003 - 1 C 19.02 - BVerwGE 118, 216 <220>; ähnlich zur missbräuchlichen Berufung auf Grundfreiheiten: EuGH, Urt. v. 09.03.1999 - C-212/97 [Centros] - juris Rn. 24 m.w.N.). Entgegen der Auffassung des Klägers schließen Grundrechte des Betroffenen daher nicht von vornherein aus, dass sich die öffentliche Hand ihm gegenüber auf die Grundsätze von Treu und Glauben berufen kann.
83 
Ein Fall der nach dem Grundsatz von Treu und Glauben unzulässigen Rechtsausübung ist die Verletzung eigener Pflichten (vgl. nur Grüneberg, in: Palandt, BGB, 72. Aufl., § 242 Rn. 46, m.w.N.). Dabei bedarf es eines Zusammenhangs zwischen dem beanspruchten und dem selbst geübten Verhalten, damit der geltend gemachte Rechtsanspruch angesichts des eigenen Verhaltens rechtsmissbräuchlich erscheint (vgl. Roth/Schubert, in: MK-BGB, 6. Aufl., § 242 Rn. 389).
84 
Der Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben steht hier, anders als der Kläger meint, nicht entgegen, dass der Gesetzgeber in § 15 Abs. 2 LDSG Fälle der zulässigen Zweckänderung geregelt und insbesondere in § 15 Abs. 2 Nr. 5 LDSG Belange des Allgemeinwohls bereits berücksichtigt hat. Eine abschließende Regelung in dem Sinne, dass im Einzelfall ein Rückgriff auf die Grundsätze von Treu und Glauben ausgeschlossen ist, ist damit nicht verbunden (für eine Ausnahme von der strikten Zweckbindung des § 15 Abs. 4 LDSG oder vergleichbarer Normen in Sonderfällen auch: Weichert, a.a.O., § 31 Rn. 5; von Lewinsky, a.a.O., § 31 Rn. 29, 35: Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 115). Der Einwand, das Verfolgen eines Anspruchs verstoße gegen Treu und Glauben, kann als allgemeines, in der Rechtsordnung anerkanntes Prinzip Geltung im Verhältnis auch zu Verfassungsrechtsätzen wie der Bindung an Recht und Gesetz und dem Gesetzesvorbehalt beanspruchen. Das Verbot des Rechtsmissbrauchs hat nämlich selbst eine Grundlage in der materialen Rechtsstaatlichkeit (vgl. Pitschas, a.a.O., m.w.N.). Die Bindung an Recht und Gesetz nach Art. 20 Abs. 3 GG wird folglich nicht dadurch infrage gestellt, dass der Bürger öffentlich-rechtliche Ansprüche mit Rücksicht auf Treu und Glauben nicht geltend machen kann (vgl. bereits BVerwG, Urt. v. 14.04.1978, a.a.O.).
85 
Die Grundsätze von Treu und Glauben können in der vorliegenden Konstellation jedoch nicht dazu führen, dass jeder Verstoß eines Betroffenen, der dem Grunde nach einen Löschungsanspruch nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG hat, gegen eigene Pflichten oder Obliegenheiten dem Löschungsanspruch hindernd entgegengehalten werden kann. Voraussetzung ist vielmehr ein offenkundiger und schwerwiegender Verstoß gegen eigene Pflichten oder Obliegenheiten (ähnlich in anderen Zusammenhängen: BVerwG, Urt. v. 08.02.1974 - VII C 35.73 - DÖV 1975, 137, juris Rn. 16 m.w.N.; Urt. v. 29.01.2009 - 4 C 15.07 - BVerwGE133, 85, juris Rn. 17; BSG, Urt. v. 18.07.2013 - B 3 KR 21/12 R - juris Rn. 37; BayVGH, Urt. v. 25.02.1977 - 6 X 77 - juris Rn. 26). Andernfalls könnte die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben dazu führen, dass eine vom Gesetzgeber nicht vorgesehene Nutzung personenbezogener Daten zulässig würde. Dies wäre mit der Bedeutung des Gesetzesvorbehalts, der im Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten wurzelt, unvereinbar. Der Gesetzesvorbehalt hat eine elementare freiheitssichernde Funktion. Indem er für jeden staatlichen Eingriff in eine grundrechtlich geschützte Freiheit eine gesetzliche Grundlage fordert, gewährleistet er, dass die Freiheitseinschränkung auf den Willen des Souveräns zurückzuführen ist und der betroffene Bürger vorab erkennen kann, welche Freiheitseinschränkungen er zu erwarten hat. Im Datenschutzrecht kommt ihm eine besondere Bedeutung zu. Der Ausgleich zwischen den Grundsätzen von Treu und Glauben und dem Gesetzesvorbehalt, die im Ansatz gleichrangig nebeneinander stehen, ist daher in dem Sinne vorzunehmen, dass nur schwerwiegende und offensichtliche Verstöße gegen eigene Pflichten oder Obliegenheiten des Betroffenen dem Löschungsanspruch nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG mit Erfolg entgegengehalten werden können.
86 
(2) Die Voraussetzungen eines offenkundigen und schwerwiegenden Verstoßes gegen eigene Pflichten oder Obliegenheiten liegen hier nicht vor. Zwar hat der Kläger möglicherweise gegen seine Pflicht zur Führung vollständiger Akten verstoßen (a). Ein solcher Verstoß des Klägers gegen den Grundsatz der Aktenvollständigkeit stünde in dem für den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung notwendigen Zusammenhang zum Löschungsanspruch. Denn beide Aspekte betreffen denselben Gegenstand (dieselben Dateien) und stehen auch inhaltlich in einem Zusammenhang, da es jeweils auch um die Frage geht, welche Dateien für die Aufgaben der Beklagten erforderlich sind. Ein solcher Verstoß wäre jedoch nicht offensichtlich und schwerwiegend (b).
87 
(a) Auch für Regierungshandeln besteht im Grundsatz eine Pflicht zur Führung vollständiger Akten, die jedoch durch den Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung begrenzt ist:
88 
(aa) Eine ausdrückliche landesrechtliche Regelung zur Führung vollständiger Akten in Behörden einschließlich Ministerien fehlt. Die im Staatsministerium geltende AnO Schriftgut vom 22.12.2005 ist lediglich ein Erlass. Aus ihr lässt sich eine Pflicht, Dokumente zur Akte zu nehmen und eine vollständige Akte zu führen, nur mittelbar entnehmen: Danach umfasst das Schriftgut alle aus der Verwaltungstätigkeit anfallenden Dokumente und ihre Anlagen (Nr. 1.2). Schriftgut ist vor Verlust, Beschädigung und unbefugtem Zugang sowie vor Änderung des Inhalts zu schützen (Nr. 2). Dokumente werden mit einem Aktenzeichen registriert (Nr. 3.1). Eine klare Bestimmung zur Führung vollständiger Akten fehlt jedoch in der AnO Schriftgut.
89 
Für E-Mails enthält die AnO Schriftgut keine ausdrückliche Regelung. Nach der Praxis im Staatsministerium entschied jeder Nutzer des Postfachs selbst, welche E-Mails er ausdruckt und den Akten beigefügt oder löscht. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang der in der von dem Beklagten vorgelegten Akte vorhandene Leitfaden für die Schriftgutverwaltung im Innenministerium vom März 2010. Er enthält u.a. die Regelung - auf die sich der Kläger zu Unrecht beruft -, dass E-Mails, die keine Entscheidungen enthalten, vernichtet werden, es sei denn, der Bearbeiter ordnet die Aufbewahrung an. Dieser Leitfaden des Innenministeriums galt im Staatsministerium nicht.
90 
Eine Pflicht, die erforderlichen Unterlagen zur Akte zu nehmen und die Akte vollständig zu führen, folgt bereits aus allgemeinen Grundsätzen, wie sie die Rechtsprechung seit langem anerkennt: Der Grundsatz der Aktenvollständigkeit ist für die vollziehende Gewalt nicht ausdrücklich geregelt. Eine solche ausdrückliche Regelung ist jedoch auch nicht erforderlich. Die den Behörden nach dem Grundgesetz obliegende Vollziehung der Gesetze ist nicht ohne eine Dokumentation der einzelnen Verwaltungsvorgänge denkbar, die das bisherige sachbezogene Geschehen sowie mögliche Erkenntnisquellen für das künftig in Frage kommende behördliche Handeln enthält. Dies macht die Führung von Akten erforderlich, ohne dass dies eines ausdrücklichen Ausspruchs im Gesetz bedürfte. Das Prinzip der Aktenvollständigkeit folgt aus der Bindung der Verwaltung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) und der aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Pflicht zur Objektivität (vgl. BVerfG, Beschl. v. 06.06.1983 - 2 BVR 244, 310/83 - NJW 1983, 2135; BVerwG, Beschl. v. 16.03.1988 - 1 B 153.87 - NJW 1988, 621 <622>; OVG Meckl.-Vorp., Beschl. v. 22.12.2000 - 2 L 38/99 - juris Rn. 55 f., m.w.N.; ebenso Bonk/Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 29 Rn. 16).
91 
(bb) Für Handeln von Regierungen gelten diese für Verwaltungshandeln von Behörden entwickelten Grundsätze im Ansatz ebenso. Dies folgt zum einen daraus, dass auch ein Handeln der Regierung, vor allem außerhalb von Gesetzgebungsverfahren Verwaltungstätigkeit sein kann (vgl. BerlVerfGH, Urt. v. 20.12.2011 - 159/10 - juris Rn. 28). Im Hinblick auf eigentliches Regierungshandeln ergibt sich das zum anderen aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz. Zwar besteht ein nicht ausforschbarer Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung, der auch der Pflicht, Unterlagen zur Akte zu nehmen, Grenzen setzt. Jedoch gebietet der Gewaltenteilungsgrundsatz - nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die auf das Land Baden-Württemberg übertragbar ist - eine Auslegung der Verfassung dahin, dass parlamentarische Kontrolle wirksam ausgeübt werden kann. Dies wäre nicht der Fall, wenn die dazu nötigen Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen dem Parlament auch nach Abschluss der jeweiligen Vorgänge grundsätzlich verschlossen blieben. Die Entscheidungen der Regierung unterlägen dem parlamentarischen Kontrollrecht dann nur hinsichtlich des verlautbarten Entscheidungsinhalts und solcher Entscheidungsgrundlagen, die keine Rückschlüsse auf die Willensbildung innerhalb der Regierung zulassen. Eine solche grundsätzliche Begrenzung der parlamentarischen Kontrolle wäre mit dem Gewaltenteilungsgrundsatz unvereinbar (vgl. BVerfG, Beschl. v. 30.03.2004 - 2 BvK 1/01 - BVerfGE 100, 199, juris Rn. 44 f., 51; Beschl. v. 17.06.2009 - 2 BvE 3/07 - BVerfGE 124, 78, juris Rn. 123 ff., 141, m.w.N.). Folglich müssen insoweit auch Pflichten zur vollständigen Aktenführung bestehen, da andernfalls die parlamentarische Kontrolle leerliefe.
92 
Dies gilt jedoch nicht für den geschützten Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung. Die Verantwortung der Regierung gegenüber Parlament und Volk setzt notwendigerweise einen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung voraus, der einen auch von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativbereich, Beratungsbereich und Handlungsbereich einschließt.Dazu gehört die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht.Die Kontrollkompetenz des Parlaments erstreckt sich demnach grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge. Sie enthält nicht die Befugnis, in laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen einzugreifen. Aber auch bei abgeschlossenen Vorgängen sind Fälle möglich, in denen die Regierung aus dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung geheimzuhaltende Tatsachen mitzuteilen nicht verpflichtet ist (vgl. BVerfG, Urt. v. 17.07.1984 - 2 BvE 11/83 u.a. - BVerfGE 67, 100, juris Rn. 127 f.; Beschl. v. 01.10.1987 - 2 BvR 1178/86 - BVerfGE 77, 1, juris Rn. 140; Beschl. v. 30.03.2004, a.a.O., Rn. 43; StGH, Urt. v. 26.07.2007 - GR 2/07 - juris Rn. 94 ff.).
93 
In Bezug auf abgeschlossene Vorgänge scheiden parlamentarische Informationsrechte nicht grundsätzlich immer schon dann aus, wenn es sich um Informationen aus dem Bereich der Willensbildung der Regierung, einschließlich der vorbereitenden Willensbildung innerhalb der Ressorts und der Abstimmung zwischen ihnen, handelt. Eine Pflicht der Regierung, parlamentarischen Informationswünschen zu entsprechen, besteht in der Regel nicht, wenn die Information zu einem Mitregieren Dritter bei Entscheidungen führen kann, die in der alleinigen Kompetenz der Regierung liegen.Auch dem nachträglichen parlamentarischen Zugriff auf Informationen aus der Phase der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen setzt der Gewaltenteilungsgrundsatz Grenzen. Bei abgeschlossenen Vorgängen sind Fälle möglich, in denen die Regierung geheimzuhaltende Tatsachen aus dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung mitzuteilen nicht verpflichtet ist. Ein - sei es auch erst nach Abschluss des jeweiligen Entscheidungsprozesses einsetzender - schrankenloser parlamentarischer Informationsanspruch würde vor allem durch seine einengenden Vorwirkungen die Regierung in der selbständigen Funktion beeinträchtigen, die das Gewaltenteilungsprinzip ihr zuweist.
94 
Der Gewaltenteilungsgrundsatz gebietet allerdings gerade im Hinblick auf die starke Stellung der Regierung eine Auslegung des Grundgesetzes dahin, dass - wie bereits dargelegt - parlamentarische Kontrolle wirksam sein kann. Die Entscheidungen der Regierung unterliegen daher dem parlamentarischen Kontrollrecht nicht nur hinsichtlich des verlautbarten Entscheidungsinhalts und solcher Entscheidungsgrundlagen, die keine Rückschlüsse auf die Willensbildung innerhalb der Regierung zulassen. Weitere Hintergründe könnten sonst nach Belieben unzugänglich gehalten werden, auch solche, ohne deren Kenntnis die getroffene Entscheidung politisch nicht beurteilt und die politische Verantwortung für Fehler, die gerade das Zustandekommen dieser Entscheidungen betreffen, nicht aufgeklärt werden kann.Parlamentarische Informationsrechte in Bezug auf abgeschlossene Vorgänge scheiden danach nicht grundsätzlich immer dann aus, wenn es sich um Akten aus dem Bereich der Willensbildung der Regierung, einschließlich der vorbereitenden Willensbildung innerhalb der Ressorts und der Abstimmung zwischen ihnen, handelt. Ob zu erwarten ist, dass die Herausgabe solcher Informationen die Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Regierung beeinträchtigen würde, lässt sich nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände feststellen. Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen, die Aufschluss über den Prozess der Willensbildung geben, sind umso schutzwürdiger, je näher sie der gouvernamentalen Entscheidung stehen. So kommt den Erörterungen im Kabinett besonders hohe Schutzwürdigkeit zu. Je weiter ein parlamentarisches Informationsbegehren in den innersten Bereich der Willensbildung der Regierung eindringt, desto gewichtiger muss das parlamentarische Informationsbegehren sein, um sich gegen ein von der Regierung geltend gemachtes Interesse an Vertraulichkeit durchsetzen zu können. Die vorgelagerten Beratungs- und Entscheidungsabläufe sind demgegenüber einer parlamentarischen Kontrolle in einem geringeren Maße entzogen. Besonders hohes Gewicht kommt dem parlamentarischen Informationsinteresse zu, soweit es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb der Regierung geht. Die Frage, ob die Vorlage von Akten aus dem Bereich der Vorbereitung abgeschlossener Regierungsentscheidungen, aus denen Aufschluss über die Willensbildung der Regierung und ihrer Mitglieder gewonnen werden kann, die Eigenverantwortung der Regierung beeinträchtigen würde, kann demnach nicht pauschal verneint werden. Ebensowenig ist sie aber pauschal zu bejahen (vgl. zum Ganzen: BVerfG, Beschl. v. 30.03.2004, a.a.O., Rn. 44 f., 51; Beschl. v. 17.06.2009, a.a.O., Rn. 123 ff., 141, m.w.N.)
95 
Dabei geht es - zumindest vor allem - um den Schutz der Willensbildung innerhalb der Regierung als Verfassungsorgan. Das Bundesverfassungsgericht hat daher die Ermittlung einer etwaigen Einflussnahme Dritter auf Mitglieder der Bundesregierung in einem zurückliegenden Zeitraum als einen Vorgang angesehen, der den nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich der Regierung nicht berührte (vgl. BVerfG, Beschl. v. 01.10.1987, a.a.O., juris Rn. 140). Auch die Vorlage von Akten, die nicht die Beratungen der Regierung als Kollegium, sondern deren Vorbereitung innerhalb der Ressorts und zwischen den Ressorts betreffen, berührt die Eigenverantwortung der Regierung nicht. Zu prüfen ist insoweit jedoch, ob die schützenswerte Freiheit und Offenheit des der Regierungsentscheidung über den Haushaltsentwurf vorgelagerten interministeriellen Abstimmungsprozesses durch die Verpflichtung zur Vorlage von Unterlagen aus diesem Abstimmungsprozess beeinträchtigt wird; dies könnte anzunehmen sein, wenn die dadurch ausgelöste Befürchtung eventueller späterer Publizität geeignet wäre, eine sachlich förderliche Kommunikation zwischen den Beteiligten zu hemmen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 30.03.2004, a.a.O., juris Rn. 65 f.). Daher kann auch Kommunikation von Regierungsmitgliedern mit externen Beratern, die der Vorbereitung von Regierungshandeln dient, schützenswert sein. Solche Überlegungen mit externen Beratern können insbesondere Fragen der politischen Opportunität betreffen. Unbeeinträchtigte Kommunikation hierüber zu ermöglichen, kann wesentlich sein, um eine Regierungsentscheidung möglichst sachgerecht und ohne die einengende Befürchtung, dass Vorüberlegungen nachträglich einer Kontrolle unterliegen, vorbereiten zu können (ebenso StGH, Urt. v. 26.07.2007, a.a.O., Rn. 114 ff. zu Verhandlungen der Regierung mit einem privaten Dritten).
96 
(cc) Der danach für die Regierung mit Ausnahme des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung bestehenden Pflicht, Unterlagen zur Akte zu nehmen, steht die nach der Verwaltungspraxis des Staatsministeriums bestehende Befugnis, selbst zu entscheiden, welche E-Mails zur Akte genommen oder gelöscht werden, nicht entgegen. Eine solche Befugnis kann - gerade für einen Ministerpräsidenten, dem die Staatsleitung obliegt (vgl. zum Amtseid Art. 48 LV) - kein freies, sondern allenfalls ein pflichtgemäßes Ermessen begründen, das nur im Rahmen der dargestellten allgemeinen Grundsätze ausgeübt werden kann.
97 
(b) An einem offensichtlichen und schwerwiegenden Verstoß des Klägers gegen die Pflicht, vollständige Akten zu führen, fehlt es jedoch.
98 
Dies folgt bereits daraus, dass eine klare und eindeutige Regelung dieser Pflicht nicht bestand. Die AnO Schriftgut normiert eine solche Pflicht nicht ausdrücklich. Vielmehr bestand im Staatsministerium die Praxis, dass jeder Mitarbeiter selbst entscheiden durfte, welche E-Mails er zur Akte nimmt. Zwar kann daraus nur - wie dargelegt - ein pflichtgemäßes, kein freies Ermessen folgen, da sich eine Pflicht zur Führung vollständiger Akten aus allgemeinen Grundsätzen ergibt. Jedoch sind diese Grundsätze, auch wenn sie im Hinblick auf Verwaltungshandeln für die pflichtigen Mitarbeiter allgemein bekannt sein sollten, nur ungeschriebene Prinzipien. Zudem sind sie, soweit ersichtlich, in der Rechtsprechung bisher - wenngleich ihre grundsätzliche Geltung für Regierungshandeln aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Staatsgerichtshofs zum Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung folgt - nur auf die Verwaltungstätigkeit angewandt worden.
99 
Zudem war es, ohne dass es einer Entscheidung bedarf, ob alle streitgegenständlichen Daten dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung unterfallen, zum damaligen Zeitpunkt nicht offensichtlich fehlsam, davon auszugehen, dass die Vorbereitung des zwischen den Beteiligten streitigen Erwerbs von Anteilen an der EnBW AG durch das Land Baden-Württemberg dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung unterfallen kann. Die gespeicherten E-Mails stammen jedenfalls aus dem Zeitraum vor dem 18.11.2010 und betreffen daher den Zeitraum der Vorbereitung des Ankaufs, der grundsätzlich geeignet ist, in diesen geschützten Bereich zu gehören. Für die von dem Beklagten vorgelegten, nicht bei den Sachakten sich befindenden E-Mails war es damals nicht unvertretbar anzunehmen, diese würden als Informationen über die Vorbereitung und öffentlichkeitswirksame Darstellung des Anteilserwerbs dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung unterfallen.
100 
bb) Dem Löschungsanspruch des Klägers aus § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG stehen Pflichten aus Organtreue als ehemaliger Ministerpräsident des Landes nicht entgegen. Denn der Grundsatz der Organtreue begründet keine nachwirkenden Pflichten.
101 
Nach dem Grundsatz der Verfassungsorgantreue haben oberste Staatsorgane bei der Ausübung ihrer Kompetenzen von Verfassungs wegen aufeinander Rücksicht zu nehmen (vgl. BVerfG, Urt. v. 28.02.1961 - 2 BvG 1, 2/60 - BVerfGE 12, 205 <254>; Beschl. v. 04.06.1973 - 2 BvG 1/73 - BVerfGE 35, 193 <199>; Urt. v. 25.05.1977 - 2 BvE 1/74 - BVerfGE 45, 1 <39>; Urt. v. 12.07.1994 - 2 BvE 3/92 u.a. - BVerfGE 90, 286, juris Rn. 203; StGH, Urt. v. 21.10.2002 - 11/02 - ESVGH 53, 15, juris Rn. 84; Urt. v. 11.10.2007 - GR 1/07 - juris Rn. 58). Dieser Grundsatz vermag für sich genommen jedoch keine Rechte zu begründen. Vielmehr bedarf er, um seine Wirkung entfalten zu können, eines bereits bestehenden Verfassungsrechtsverhältnisses. Er ist insoweit akzessorischer Natur und kann ein vorhandenes Verfassungsrechtsverhältnis ausgestalten, aber nicht neu begründen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.09.2013 - 2 BvE 6/08 u.a. - NVwZ 2013, 1468, juris Rn. 183, unter Bezugnahme auf die Grundsätze zum bundesfreundlichen Verhalten, vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 05.02.2001 - 2 BvG 1/00 - BVerfGE 104, 238 <248>).
102 
Voraussetzung für die Berufung auf den Grundsatz der Organtreue ist daher, dass dem Verfassungsorgan aktuell verfassungsrechtliche Zuständigkeiten zustehen. Die verfassungsrechtlich gebotene Organtreue kann nur solange eingefordert werden, wie das Verfassungsorgan selbst durch die Verfassung mit eigenen Rechten ausgestattet sei (vgl. HambVerfG, Urt. v. 27.04.2007 - 3/06 - juris Rn. 89). Nachwirkende Pflichten einer Person, die - wie der Kläger - Verfassungsorgan war, aber nicht mehr ist, bestehen daher nicht.
103 
II. Anschlussberufung des Klägers
104 
Die Anschlussberufung des Klägers ist zulässig, jedoch unbegründet.
105 
1. Die Anschlussberufung ist nach § 127 Abs. 1 Satz 1 VwGO statthaft und auch sonst zulässig. Die Anschlussberufung wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 127 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 VwGO). Die Begründung entspricht inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (Begründungsfrist, Begründung in Anschlussschrift, bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 127 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, Satz 2 i.V.m. 124 a Abs. 3 Sätze 2, 4 und 5 VwGO).
106 
2. Die Anschlussberufung des Klägers ist nicht begründet. Er hat keinen unbedingten Anspruch auf Löschung der streitgegenständlichen Dateien. Vielmehr ist sein Löschungsanspruch durch die Anbietungspflicht gegenüber dem Landesarchiv beschränkt. Auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts hierzu nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen vollständig Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Das Vorbringen der Anschlussberufung rechtfertigt keine andere Beurteilung:
107 
Unzutreffend ist der Kläger der Auffassung, dass die streitgegenständlichen Daten als privat einzustufen seien und daher nur mit seinem Einvernehmen nach § 2 Abs. 3 LArchG angeboten werden dürften. Unter Hinweis auf die Gesetzgebungsmaterialien hat das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt, dass § 2 Abs. 3 LArchG Daten aus privater Hand meint. Darum handelt es sich hier gerade nicht.
108 
Ohne Erfolg muss auch das Vorbringen bleiben, es handele sich bei den streitgegenständlichen Sicherungskopien nicht um Daten, die i.S.v. § 3 Abs. 1 Satz 1 LArchG der Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Aufgaben des Ministerpräsidenten als Stelle im Sinne von § 2 Abs. 1 LArchG gedient hätten, da sie lediglich aus datenverarbeitungstechnischen Gründen zur Sicherstellung des Betriebs der Datenverarbeitungsanlage im Staatsministerium gespeichert worden seien. Für die behauptete Konkordanz zwischen den datenschutzrechtlichen Prinzipien des Erforderlichkeits- und des Zweckbindungsgrundsatzes und der Frage, welche Unterlagen als potentielles Archivgut überhaupt dem Landesarchiv anzubieten sind, ist nichts ersichtlich. § 3 Abs. 1 Satz 1 LArchG knüpft lediglich daran an, dass Unterlagen bei Behörden, Gerichten und sonstigen Stellen des Landes entstanden sind und dort vorhanden sind und von diesen nicht mehr zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigt werden. Nach der eindeutigen Regelung des § 23 Abs. 3 LDSG sind auch Daten, deren Speicherung unzulässig war - z.B. da von vornherein keine Erforderlichkeit für die Speicherung gegeben war - dem Landesarchiv anzubieten. Der datenschutzrechtliche Erforderlichkeitsgrundsatz ist für die Anbietungspflicht gegenüber dem Landesarchiv unerheblich.
109 
Unbegründet macht der Kläger geltend, aus § 5 Abs. 3 Satz 2 LArchG folge, dass der Löschungsanspruch des Betroffenen erst dann ausgeschlossen sei, wenn sich erst im Nachhinein, also nach der Übergabe der Daten zur Archivierung herausstelle, dass die weitere Speicherung datenschutzrechtlich unzulässig sei. § 5 Abs. 3 Satz 2 LArchG regelt, dass Löschungsansprüche bei Archivgut ausgeschlossen sind. Für einen Umkehrschluss, dass vor Anbieten gegenüber dem Landesarchiv sich Löschungsansprüche gegenüber dem Archivrecht durchsetzten, fehlen Gründe.
110 
Schließlich ist auch keine Verletzung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung des Klägers gegeben. Die schlichte Behauptung, § 23 Abs. 3 LDSG in Verbindung mit § 5 Abs. 3 Satz 2 LArchG sei keine ausreichende gesetzliche Grundlage für einen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, ist nicht nachzuvollziehen. Warum den vom Kläger angesprochenen Bestimmtheitsanforderungen nicht genügt sein soll, erschließt sich nicht. Die sich aus der gesetzlichen Regelung ergebenden Rechtsfolgen sind klar und eindeutig. Wie das Verwaltungsgericht ausführlich dargelegt hat, bestehen zudem zahlreiche Schutzvorkehrungen zugunsten der etwaig in ihren Grundrechten Betroffenen.
111 
Erfolglos bleibt schließlich der Einwand des Klägers, nach der Auffassung des Verwaltungsgerichts müssten alle bei der Landesverwaltung anfallenden E-Mails dem Landesarchiv angeboten werden und dies könne nicht richtig sein. § 3 Abs. 1 Satz 1 LArchG sieht für die Behörden, Gerichte und sonstigen Stellen des Landes eine unbeschränkte Anbietungspflicht für alle Unterlagen vor. Unterlagen in diesem Sinne sind gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 LArchG insbesondere Schriftstücke, Karteien, Karten, Pläne, Bild-, Film- und Tonmaterialien sowie sonstige Informationsträger und maschinenlesbar auf diesen gespeicherte Informationen und Programme; dazu gehören mithin auch E-Mails. Eine § 2 Abs. 6 BArchG vergleichbare Norm - nach der Unterlagen, die nach Auffassung der anbietungspflichtigen Stellen und des zuständigen Archivs von offensichtlich geringer Bedeutung sind, nicht angeboten werden müssen - gibt es in Baden-Württemberg nicht. Einschränkungen können allerdings gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 LArchG gerade im Hinblick auf maschinenlesbare Informationen zwischen dem Landesarchiv und der anbietenden Stelle getroffen werden.
112 
III. Nebenentscheidungen
113 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Auch bei einem Anschlussrechtsmittel ist nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.11.1980 - 1 B 802.90 - juris) diese einheitlich zu treffen (vgl. BFH, Beschl. v. 17.12.2002 - I R 87/00 - juris; OVG Saarl., Beschl. v. 28.06.2010 - 2 B 36/10.NC u.a. - juris Rn. 158, m.w.N.).
114 
Die Revision ist nicht zuzulassen. Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor. Insbesondere hat der Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung. Das Landesdatenschutzgesetz und das Landesarchivgesetz sind Landesrecht. Ebenso haben der Einwand des Rechtsmissbrauchs (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.04.1978 - IV C 6.76 - BVerwGE 55, 337, juris Rn. 13, 14 und Urt. v. 14.08.1982 - 8 C 19.90 - BVerwGE 90, 310, juris Rn. 16) und die Grundsätze der Organtreue ihre Grundlage im Landesrecht.
115 
Beschluss vom 30. Juli 2014
116 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf
5.000.—EUR
festgesetzt. Wechselseitig eingelegte Rechtsmittel sind, soweit sie nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden, zusammenzurechnen (§ 45 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 GKG). Das gilt auch für den Fall eines unselbständigen Anschlussrechtsmittels (vgl. BGH -GrS-, Beschl. v. 05.10.1978 - GSZ 1/78 - BGHZ 72, 339; BayVGH, Urt. v. 22.07.2010 - 6 B 09.584 - juris Rn. 50). Da die Rechtsmittel denselben Gegenstand betreffen, ist der Auffangwert von 5.000.-- EUR nur einmal festzusetzen (vgl. OVG Saarl., Beschl. v. 28.06.2010, a.a.O., Rn. 160; OVG Meckl.-Vorp., Beschl. v. 07.09.2010 - 1 M 210/09 - juris Rn. 57).
117 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
39 
Sowohl die Berufung des Beklagten als auch die Anschlussberufung des Klägers sind zulässig, aber unbegründet.
40 
I. Berufung des Beklagten
41 
1. Die Berufung ist nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthaft und auch sonst zulässig. Die Berufung wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 124 a Abs. 2 VwGO). Die Begründung entspricht inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (Begründungsfrist, Einreichung beim VGH, bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 124 a Abs. 3 Sätze 1, 2, 4 und 5 VwGO).
42 
2. Die Berufung des Beklagten ist unbegründet. Denn der Kläger hat einen - durch die Anbietungspflicht gegenüber dem Landesarchiv modifizierten (s. dazu unter II.) - Anspruch auf Löschung der streitgegenständlichen Dateien gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG (a). Einem solchen Löschungsanspruch stehen weder der Einwand des Rechtsmissbrauchs noch nachwirkende Pflichten des Klägers aus der Organtreue als ehemaliger Ministerpräsident des Landes (b) entgegen.
43 
a) Nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG sind personenbezogene Daten zu löschen, wenn ihre Kenntnis für die speichernde Stelle zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr erforderlich ist.
44 
aa) Bei den streitgegenständlichen Dateien handelt es sich um personenbezogene Daten. Solche sind nach der Legaldefinition des § 3 Abs. 1 LDSG Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener). Die E-Mail-Postfach-Daten des Klägers betreffen Einzelangaben über dessen sachliche Verhältnisse, nämlich dessen Kommunikation mit Dritten, und sind daher - wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat und die Beteiligten auch nicht in Frage stellen - personenbezogene Daten.
45 
bb) Speichernde Stelle ist das Staatsministerium. Es ist die Stelle, die die E-Mail-Postfach-Daten für sich selbst verarbeitet beziehungsweise durch andere im Auftrag verarbeiten lässt (vgl. § 3 Abs. 3 LDSG).
46 
cc) Die streitgegenständlichen Dateien sind für das Staatsministerium nicht mehr i.S.d. § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG zur Aufgabenerfüllung erforderlich.
47 
(1) Die Kenntnis der Daten ist im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG für die Erfüllung der Aufgaben der speichernden Stelle noch erforderlich, wenn entweder die Kenntnis notwendig ist zur Erfüllung des Zwecks, zu dem die Daten im Sinne von § 15 Abs. 1 Nr. 2 LDSG oder § 15 Abs. 4 LDSG gespeichert wurden, oder die Kenntnis erforderlich ist für die Erfüllung eines anderen Zwecks als desjenigen, der der Datenspeicherung zugrunde lag, und dies gemäß § 15 Abs. 3 LDSG keine Zweckänderung im Rechtssinne ist oder diese Zweckänderung nach § 15 Abs. 2 LDSG zulässig ist. Diese Auslegung des Begriffs der Erforderlichkeit zur Aufgabenerfüllung folgt aus Wortlaut, Willen des Gesetzgebers, Sinn und Zweck der Vorschrift sowie den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Danach besteht zwischen dem Löschungsanspruch des Betroffenen nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG und der Regelung über Speicherung, Veränderung und Nutzung von Daten nach § 15 LDSG ein unmittelbarer Zusammenhang.
48 
Der Wortlaut von § 15 LDSG und § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG spricht zunächst nicht für diesen unmittelbaren Zusammenhang. Denn § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG macht den Löschungsanspruch davon abhängig, dass die Kenntnis der Daten für die Erfüllung der Aufgaben der speichernden Stelle nicht mehr erforderlich ist, während nach 15 Abs. 1 LDSG die Zulässigkeit der Speicherung nicht nur die Erforderlichkeit zur Erfüllung der Aufgaben der öffentlichen Stelle voraussetzt, sondern auch dass die Speicherung für die Zwecke, für die die Daten erhoben worden sind, erfolgt. Den Gesichtspunkt der Zweckbindung spricht der Wortlaut des § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG hingegen gar nicht an.
49 
Dem entspricht es, wenn in der rechtswissenschaftlichen Literatur zu den insoweit gleich lautenden Normen der § 20 Abs. 2 Nr. 2 BDSG, § 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 BDSG, § 84 Abs. 2 Satz 2 SGB X die Erforderlichkeit verneint wird, wenn die Daten keine praktische Bedeutung mehr haben und deshalb ausgeschlossen werden könne, dass sie die Arbeit der zuständigen Behörde noch fördern könnten (vgl. Mallmann, in: Simitis, BDSG, 8. Aufl., § 20 Rn. 42; Mester, in: Taeger/Gabel, BDSG, 2. Aufl., § 20 Rn. 18; Gola/Schomerus, BDSG, 11. Aufl., § 20 Rn. 11; Brink, in: Wolff/Brink, Datenschutzrecht in Bund und Ländern, 2013, § 35 Rn. 39; Bieresborn, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl., § 84 Rn. 7; ähnlich Wedde, in: Roßnagel, Handbuch Datenschutzrecht, 2003, Kap. 4.4. Rn. 64, und ders., in: Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, BDSG, 4. Aufl., § 20 Rn. 12, auf die „Aufgabe“ abstellend, zu deren Erfüllung die Daten gespeichert wurden; unklar Worms, in: Wolff/Brink, a.a.O., § 20 BDSG Rn. 39; ähnlich auch BVerwG, Beschl. v. 12.11.1992 - 1 B 164.92 - juris Rn. 3 m.w.N., zur Speicherung von Daten aus strafrechtlichen Ermittlungsverfahren nach dem bad.-württ. Polizeigesetz; Beschl. v. 18.03.1994 - 11 B 76.93 - NJW 1994, 2499, zum Eintrag in der Führerscheinkartei). Nach dieser Auffassung dürfte die Erforderlichkeit noch gegeben sein - und bestünde folglich kein Löschungsanspruch des Betroffenen -, wenn der Zweck, zu dem die Daten gespeichert worden sind, inzwischen zwar erfüllt ist, die Daten jedoch allgemein für die Aufgaben der Behörde, mithin für andere Zwecke, als sie der Speicherung zugrunde lagen, noch von Bedeutung sein könnten.
50 
Gegen eine solche Auslegung der Norm spricht jedoch die Entstehungsgeschichte von § 14 Abs. 1 und § 20 Abs. 2 BDSG, denen auch im Wortlaut § 23 Abs. 1 Nr. 2 und § 15 Abs. 1 LDSG nachgebildet sind. Das Bundesdatenschutzgesetz 1977 (Gesetz zum Schutz vor Missbrauch personenbezogener Daten bei der Datenverarbeitung (Bundesdatenschutzgesetz - BDSG) vom 27.01.1977, BGBl. I, 201) bestimmte in § 9 Abs. 1:
51 
"Das Speichern oder Verändern personenbezogener Daten ist zulässig, wenn es zur rechtmäßigen Erfüllung der in der Zuständigkeit der speichernden Stelle liegenden Aufgaben erforderlich ist.“
52 
Zur Sperrung und Löschung von Daten bestimmte § 14 BDSG 1977 unter anderem:
53 
„(2) Personenbezogene Daten sind zu sperren, wenn ihre Richtigkeit vom Betroffenen bestritten wird und sich weder die Richtigkeit noch die Unrichtigkeit feststellen läßt. Sie sind ferner zu sperren, wenn ihre Kenntnis für die speichernde Stelle zur rechtmäßigen Erfüllung der in ihrer Zuständigkeit liegenden Aufgaben nicht mehr erforderlich ist…
54 
(3) Personenbezogene Daten können gelöscht werden, wenn ihre Kenntnis für die speichernde Stelle zur rechtmäßigen Erfüllung der in ihrer Zuständigkeit liegenden Aufgaben nicht mehr erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, daß durch die Löschung schutzwürdige Belange des Betroffenen beeinträchtigt werden. Sie sind zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig war oder wenn es in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 der Betroffene verlangt.“
55 
Nach dem Bundesdatenschutzgesetz 1977 war mithin sowohl für die Zulässigkeit von Datenspeicherung und -veränderung nach § 9 Abs. 1 als auch für den Löschungsanspruch nach § 14 Abs. 3 Satz 2 maßgebliches Kriterium die Erforderlichkeit zur Aufgabenerfüllung der speichernden Stelle. Das Tatbestandsmerkmal der Zweckbindung bestand nicht.
56 
Der heutige Wortlaut von § 20 Abs. 2 und § 14 Abs. 1 BDSG geht zurück auf die Novelle von 1990 (Gesetz zur Fortentwicklung der Datenverarbeitung und des Datenschutzes vom 20.12.1990, BGBl. I, 2954). Mit diesem Gesetz reagierte der Gesetzgeber auf das Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts. Es sei nötig geworden, aufgrund des Volkszählungsurteils dem Grundsatz der Zweckbindung durchgehend Geltung zu verschaffen (vgl. BT-Drucks. 11/4306, S. 36). Wesentlicher Inhalt der Neufassung sei:
57 
„a) Verstärkung der Zweckbindung bei der Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten sowohl im öffentlichen als auch im nicht-öffentlichen Bereich, enumerative Aufzählung der Ausnahmen,
58 
b) Verstärkung der Rechte des Betroffenen sowohl im öffentlichen als auch im nicht-öffentlichen Bereich, insbesondere durch

- Löschungsrechte
…“
59 
(vgl. BT-Drucks. 11/4306, S. 37)
60 
Die Entstehungsgeschichte spricht mithin gerade nicht dafür, den Umfang der Zweckbindung bei der Datenspeicherung, -veränderung und -nutzung einerseits und den Löschungsanspruch andererseits unterschiedlich zu bestimmen. Die Gesetzgebungsgeschichte belegt nicht, dass ein Löschungsanspruch erst bestehen soll, wenn unabhängig von der Zweckbindung die Nutzung der gespeicherten Daten ganz allgemein für die Aufgabenerfüllung der Behörde nicht mehr erforderlich ist. Vielmehr wollte der Gesetzgeber im Gegenteil die Zweckbindung bei der Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten verstärken, ebenso die subjektiven Rechte des Betroffenen. Die Entstehungsgeschichte spricht mithin dafür, einen Zusammenhang zwischen Löschungsanspruch und Zweckbindungsgrundsatz zu bejahen.
61 
Zweck des Löschungsanspruchs nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG ist, die aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung folgende Zweckbindung der erhobenen Daten durchzusetzen. Dies folgt nicht zuletzt aus verfassungsrechtlichen Vorgaben. Die Verarbeitung personenbezogener Daten ist - wenn nicht der Betroffene eingewilligt hat (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 2 LDSG) - nur zulässig, wenn das Landesdatenschutzgesetz oder eine andere Rechtsvorschrift sie erlaubt (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 LDSG). Dies folgt notwendig daraus, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten ein Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ist und ein solcher Eingriff einer bereichsspezifischen gesetzlichen Grundlage bedarf. Die Verwendung der Daten ist auf den gesetzlich bestimmten Zweck begrenzt (vgl. nur BVerfG, Urt. v. 15.12.1983 - 1 BvR 209/83 u.a. - BVerfGE 65, 1 <43 ff.>). Für den Bereich der Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten ist § 15 LDSG die gesetzliche Grundlage, die den Umfang der Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne des § 4 Abs. 1 LDSG regelt. Ist die Verarbeitung personenbezogener Daten nach § 15 LDSG nicht mehr zulässig, liegt ein nicht gerechtfertigter Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung vor, so dass - da das Grundrecht ein subjektiv-öffentliches Abwehrrecht gibt - ein Löschungsanspruch nach § 23 Abs. 1 LDSG gegeben sein muss. Wenn jedoch die Verarbeitung personenbezogener Daten weiterhin auf § 15 LDSG gestützt werden kann, ist eine ausreichende gesetzliche Grundlage für den Grundrechtseingriff vorhanden; ein Löschungsanspruch besteht dann nicht. Löschungsanspruch nach § 23 Abs. 1 LDSG und Zulässigkeit der Datenverarbeitung nach § 15 LDSG korrespondieren mithin.
62 
(2) Nach diesem Maßstab ist die Kenntnis der streitgegenständlichen Daten im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG für die Erfüllung der Aufgaben der speichernden Stelle nicht mehr erforderlich. Denn die Kenntnis ist nicht notwendig zur Erfüllung des Zwecks, zu dem die Daten im Sinne von § 15 Abs. 4 LDSG gespeichert wurden. Eine Zweckänderung nach § 15 Abs. 2 LDSG ist ausgeschlossen, denn § 15 Abs. 4 LDSG geht als Spezialregelung § 15 Abs. 2, 3 LDSG vor; diese sind nicht anwendbar (vgl. Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 106, 115; Albers, in: Wolff/Brink, a.a.O., § 14 BDSG Rn. 56; Dehoust, in: Giesen/Bannasch/Naumann/Mauersberger/Dehoust, SächsDSG, 2011, § 13 Rn. 37).
63 
(a) Nach § 15 Abs. 4 LDSG dürfen personenbezogene Daten, die ausschließlich zum Zweck der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung oder zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebs einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert wurden, nur für diesen Zweck und hiermit in Zusammenhang stehende Maßnahmen gegenüber Bediensteten genutzt werden. § 15 Abs. 4 LDSG enthält, wie bereits der Wortlaut zeigt, ein absolutes Zweckentfremdungsverbot. Es besteht eine strenge Zweckbindung der für Zwecke der Datenschutzkontrolle und/oder Datensicherung gespeicherten Daten (vgl. Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 106; Weichert, in: Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, a.a.O., 31 Rn. 1; Gola/Schomerus, a.a.O., § 14 Rn. 27; Dehoust, a.a.O., § 13 Rn. 22; Bieresborn, a.a.O., § 67c Rn. 13; Jung, in: Eichenhofer/Wenner, SGB I, V, X, 2012, § 67c SGB X Rn. 13; Steinmeyer, in: Wannagat/Eichenhofer, SGB, § 67c SGB X Rn. 14 <83. Lfg.>). Durch den strikten Zweckbindungsgrundsatz soll verhindert werden, dass Datenbestände, die zu Zwecken des Datenschutzes und der Datensicherheit angelegt wurden, als allgemeine Informationsgrundlage verwendet werden (vgl. Heckmann, in: Taeger/Gabel, a.a.O., § 14 Rn. 108; Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 106; Albers, in: Wolff/Brink, a.a.O., § 14 BDSG Rn. 56). Der Gesetzgeber wollte sicherstellen, „…dass Daten, die nur den genannten Zwecken dienen, keiner anderen Verwendung zugeführt werden“ (so zur Parallelnorm des § 14 Abs. 4 die Beschlussempfehlung des BT-Innenausschusses zur Datenschutznovelle 1990, vgl. BT-Drucks. 11/7235, S. 88).
64 
Das strikte Zweckbindungsgebot des § 15 Abs. 4 LDSG gilt nur dann, wenn personenbezogene Daten ausschließlich zu den im Gesetz genannten Zwecken gespeichert werden (vgl. Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 108, 111; Buchner, in: Taeger/Gabel, a.a.O., § 31 Rn. 3; Gola/Schomerus, a.a.O., § 14 Rn. 27, § 31 Rn. 5). Ob eine solche ausschließliche Zwecksetzung verfolgt wird, bestimmt die Daten verarbeitende Stelle im Rahmen der Festlegung des Zweckes (vgl. Buchner, a.a.O., § 31 Rn. 3; Gola/Schomerus, a.a.O., § 31 Rn. 5). Ausschlaggebend ist mithin der von der verantwortlichen Stelle festgelegte Zweck (vgl. OVG Bln.-Bbg., Beschl. v. 02.03.2011 - OVG 60 PV 10.10 - juris Rn. 30, zu § 2 Abs. 2 Satz 1 BlnDSG i.V.m. § 31 BDSG; Beschl. v. 14.03.2013 - OVG 62 PV 13.12 - juris Rn. 45 zu § 31 BDSG; Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 113; Heckmann, a.a.O., § 14 Rn. 110; Dehoust, a.a.O., § 13 Rn. 37). Die Festlegung des Verwendungszwecks durch die verantwortliche Stelle führt zu deren Selbstbindung (vgl. Heckmann, a.a.O., § 14 Rn. 24; Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 39; je zu § 14 Abs. 1 BDSG). Die Zweckbindung haftet der Datenverarbeitung bis zur Zweckerfüllung an (vgl. Gola/Schomerus, a.a.O., § 14 Rn. 10, zu § 14 Abs. 1 BDSG).
65 
Diese Festlegung der Zweckbindung muss im Voraus erfolgen. Wurde sie unterlassen, so ist der objektive Verwendungszweck maßgeblich, der sich nach dem erkennbar verfolgten Ziel bestimmt (vgl. Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 113; Heckmann, a.a.O., § 14 Rn. 110). Die öffentliche Stelle ist jedoch nicht frei in ihrer Festlegung des Zwecks. Sie hat es nicht in der Hand, durch eine allzu weite und unverbindliche Definition die Zweckbindung leerlaufen zu lassen; die Festlegung des Zwecks muss datenschutzrechtlich zulässig sein (vgl. Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 113, zu § 14 Abs. 4 BDSG; Dehoust, a.a.O., § 13 Rn. 37, 22, zu § 13 Abs. 4 SächsDSG).
66 
Sollen diese Daten für einen weiteren Zweck genutzt werden, bedarf es hierfür einer eigenständigen Legitimation durch eine Rechtsvorschrift (vgl. Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 115; Weichert, a.a.O., § 31 Rn. 4; Gola/Schomerus, a.a.O., § 14 Rn. 30) Eine nachträgliche Änderung der Zweckbindung ohne spezielle gesetzliche Grundlage hierfür ist ausgeschlossen (vgl. Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 113; Gola/Schomerus, a.a.O., § 31 Rn. 5; von Lewinsky, in: Wolff/Brink, a.a.O., § 31 BDSG Rn. 31 ff.).
67 
Die Vermeidung von Datenverlusten, Datenmanipulationen und unbefugtem Datenzugang sowie die Korrektur von Fehlern und die Wiederherstellung von Datenbeständen gehören zum Zweck der Datensicherung sowie zum Zweck der Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebes einer Datenverarbeitungsanlage (vgl. Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 109, zur Datensicherung; Albers, a.a.O., § 14 BDSG Rn. 59, zum ordnungsgemäßen Betrieb einer Datenverarbeitungsanlage; Weichert, a.a.O., § 31 Rn. 1a: klare Trennung dieser Zwecke nicht möglich). Die Wiedergewinnung des gesicherten und verloren gegangenen Datenbestsands gehört daher grundsätzlich zu den nach § 15 Abs. 4 LDSG erlaubten Zwecken (vgl. Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 112, 114; Weichert, a.a.O., § 31 Rn. 5; von Lewinsky, a.a.O., § 31 BDSG Rn. 24).
68 
Zu Unrecht bringt der Beklagte vor, mit einem solchen Verständnis des § 15 Abs. 4 LDSG sei eine zu enge Zweckbindung verbunden, die unabweisbare Bedürfnisse der Allgemeinheit, insbesondere im Hinblick auf Belange der Strafrechtspflege bei der Verfolgung von Straftaten unzulässig hintanstelle. Zwar wird in der rechtwissenschaftlichen Literatur vertreten, dass strafrechtliche Zugriffsnormen, auch über § 1 Abs. 3 BDSG bzw. § 2 Abs. 5 LDSG die strikte Zweckbindung des § 14 Abs. 4 BDSG bzw. § 15 Abs. 4 LDSG nicht überwinden könnten (so Albers, a.a.O., § 14 BDSG Rn. 62; Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 115 ; a.A. wohl Weichert, a.a.O., § 31 Rn. 5; von Lewinsky, a.a.O., § 31 Rn. 29). Anderes gelte nur für die Verfolgung von Datenschutzdelikten; sie bewege sich im Rahmen des § 14 Abs. 4 BDSG (vgl. Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 115; Gola/Schomerus, a.a.O., § 14 Rn. 30; Weichert, a.a.O., § 31 Rn. 4). Dies trifft jedoch nach Auffassung des Senats - ohne dass dies hier entscheidungserheblich wäre - nicht zu. Soweit besondere Rechtsvorschriften des Bundes oder des Landes auf personenbezogene Daten anzuwenden sind, gehen sie gemäß § 2 Abs. 5 LDSG den Vorschriften dieses Gesetzes vor. Mit dem Erfordernis besonderer Rechtsvorschriften soll gewährleistet sein, dass nicht jede Rechtsnorm außerhalb des Datenschutzrechts einen Zugriff auf personenbezogene Daten ermöglichen soll. Einen solchen Zugriff soll nur eine spezielle Datenschutzvorschrift gestatten können; Normen, die Datenverarbeitungsvorgänge lediglich voraussetzen, reichen nicht aus (vgl. zu § 1 Abs. 3 BDSG: Dix, in: Simitis, a.a.O., § 1 Rn. 110; BT-Drucks. 7/1027, S. 16). Diesen Anforderungen des § 2 Abs. 5 LDSG an besondere Rechtsvorschriften entsprechen die Normen der §§ 160, 161, 163 StPO über die Beweiserhebung in Ermittlungsverfahren; diese sind die allgemeinen Rechtsgrundlagen für Datenerhebungen durch Strafverfolgungsbehörden (vgl. Dembowski, in: Roßnagel, a.a.O., Kap. 8.1 Rn. 17 ff.). Insbesondere ist § 161 Abs. 1 StPO eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die allgemeine Erhebung personenbezogener Daten im Ermittlungsverfahren (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 17.02.2009 - 2 BvR 1732, 1745/07 - NJW 2009, 1405 <1407>; Meyer-Goßner, stopp, 56. Aufl., § 161 Rn. 2). Die strafprozessualen Beweiserhebungsnormen sind daher besondere Vorschriften i.S.d. § 2 Abs. 5 LDSG, die sich über die Zwecksetzung des § 15 Abs. 4 LDSG hinwegsetzen können. Die Zulässigkeit der Erhebung und Beschlagnahme personenbezogener Daten im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren trotz einer bestehenden Zweckbindung nach § 15 Abs. 4 LDSG legt schließlich die Vorschrift des § 15 Abs. 2 Nr. 8 LDSG, dass eine datenschutzrechtliche Zweckänderung für Zwecke der Strafverfolgung zulässig ist, nahe.
69 
(b) Nach diesem Maßstab wäre mit einer Wiederherstellung der Originaldateien aus den streitgegenständlichen Sicherungskopien eine mit § 15 Abs. 4 LDSG unvereinbare Zweckänderung verbunden. Der ursprünglich mit der Erstellung der Sicherungskopien verbundene konkrete Zweck kann jetzt nicht mehr erreicht werden (aa). Der Schutzzweck des § 15 Abs. 4 LDSG erfasst auch die streitgegenständlichen Dateien (bb). Ein allgemeiner, vom ursprünglich verfolgten Zweck unabhängiger Zweck der Datensicherung könnte zudem mit einer Wiederherstellung der Originaldateien aus den streitgegenständlichen Sicherungskopien nicht zulässig verfolgt werden; denn der Zweck, zu dem die Originaldateien gespeichert wurden, ist weggefallen (cc).
70 
(aa) Wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, war maßgeblicher Zweck der Datensicherungen, eine Kopie vorzuhalten, um einen möglichen Datenverlust im Rahmen der Arbeiten zur Behebung der vom Büro des Klägers gemeldeten Probleme zu vermeiden und um technischen Problemen der vom Büro des Klägers gemeldeten Art mit dem Outlookkalender wirksam entgegentreten zu können. Damit hat der Beklagte Zwecke der Datensicherung und der Sicherstellung des ordnungsgemäßen Betriebs einer Datenverarbeitungsanlage i.S.d. § 15 Abs. 4 LDSG verfolgt.
71 
Diese Zwecke - eine Kopie vorzuhalten, um einen möglichen Datenverlust im Rahmen der Arbeiten zur Behebung der vom Büro des Klägers gemeldeten Art zu vermeiden und um technischen Problemen der vom Büro des Klägers gemeldeten Probleme mit dem Outlookkalender wirksam entgegentreten zu können - hat der Beklagte selbst im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 31.01.2013 an das Verwaltungsgericht als diejenigen angegeben, zu denen die streitgegenständlichen Dateien erstellt wurden. An diese ursprünglich verfolgten Zwecke ist der Beklagte aufgrund des Grundsatzes der Selbstbindung gebunden. Diese Zwecke können bei Wiedergewinnung der in der Sicherungskopie enthaltenen Daten nun nicht mehr erreicht werden. Die Verfolgung anderer Zwecke schließt § 15 Abs. 4 LDSG aus.
72 
Auf einen allgemeinen, über den konkreten Anlass der Herstellung der streitgegenständlichen Sicherungskopien hinausgehenden allgemeinen Sicherungszweck kann sich der Beklagte hier nicht berufen. Zwar kann der datenschutzrechtlich relevante Zweck des § 15 Abs. 4 LDSG über den konkreten Anlass der Speicherung hinausgehen. Einen solchen allgemeinen Sicherungszweck verfolgte der Beklagte bei der Herstellung der streitgegenständlichen Sicherungskopien jedoch nicht:
73 
Die Bestimmung des maßgeblichen Zwecks einer Maßnahme nach § 15 Abs. 4 LDSG folgt im Kern denselben Grundsätzen wie die Bestimmung des Zwecks einer Datenspeicherung und -erhebung nach § 15 Abs. 1 LDSG. Maßgeblich ist dabei - wie Dammann zutreffend ausführt - der materielle Gehalt des Zweckbindungsgrundsatzes. Er resultiert daraus, dass jede Ermächtigung einer öffentlichen Stelle, personenbezogene Daten zu erheben und zu speichern, nur im Hinblick auf bestimmte Zwecke ergeht und daher auch eine Verwendung der Daten grundsätzlich nur im Rahmen dieser Zwecke legitimiert. Daher ist bei der Frage, wie der jeweilige Zweck zu fassen ist, bei der jeweiligen rechtlichen Legitimationsgrundlage für das Erheben bzw. Speichern anzuknüpfen. Maßgeblich ist entweder die gesetzliche Grundlage oder die vom Betroffenen im Sinne einer informationellen Selbstbestimmung getroffene Verfügung. Dies entspricht dem Inhalt der Aufklärungspflicht nach § 4 Abs. 3 BGSG. Liegt der Erhebung und Speicherung keine aufgabenspezifische Rechtsvorschrift zu Grunde oder bietet diese keine geeigneten Anknüpfungspunkte für die Bestimmung des Verarbeitungszwecks und hat auch der Betroffene keine einschränkende Verfügung getroffen, so kommt es auf den tatsächlich verfolgten Handlungszweck an. Dieser kann und wird häufig weiter sein als der konkrete Anlass der Speicherung (vgl. Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 39 ff., zu § 14 Abs. 1 BDSG).
74 
An einer Festlegung eines konkreten Zwecks hinsichtlich der streitgegenständlichen Dateien durch eine Rechtsvorschrift oder eine Verfügung des Betroffenen - hier des Klägers - fehlt es. Daher kommt es auf den tatsächlich verfolgten Zweck an. Dieser bestand nicht in der Herstellung von Sicherungskopien der Outlookdateien des Klägers für jeglichen Fall des Datenverlusts. Denn längerfristige allgemeine Sicherungsspeicherungen von Outlook-Postfachinhalten wurden - abgesehen von der begrenzten Speicherung gelöschter Mails für sieben Tage auf dem Server des Staatsministeriums und für 30 Tage im Ausfallrechenzentrum in Oberreichenbach - im Staatsministerium nicht vorgenommen. Nach der geübten Praxis im Staatsministerium entschied allein der Nutzer des Outlook-Postfachs, welche E-Mails er ausdruckte und den Akten beifügte und welche er löschte. Eine Speicherung von Postfachinhalten für allgemeine Zwecke war auch hier nicht beabsichtigt. Die streitgegenständlichen Dateien wurden vielmehr für den beschriebenen begrenzten Zweck - Behebung von Problemen im Outlook-Kalender des Klägers - hergestellt, zu dem sie nun nicht mehr verwendet werden können.
75 
(bb) Der Schutzzweck des § 15 Abs. 4 LDSG erfasst auch die streitgegenständlichen Dateien. Ohne Erfolg macht der Beklagte geltend, die Zweckbindung des § 15 Abs. 4 LDSG gelte nur für zusätzliche, bei der Datenschutzkontrolle etc., aus technischen Gründen anfallende Dateien wie Protokolle von Datenabrufen oder personenbezogene Daten der Mitarbeiter in der IT-Abteilung. Für die Zwecke der Datenschutzkontrolle und der Sicherstellung des ordnungsgemäßen Betriebs der Anlage wird dies in der Literatur in der Tat angenommen (vgl. Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 108, 110). Für im Rahmen der Datensicherung hergestellte Kopien kann dies jedenfalls nicht gelten (so wohl auch Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 109). Eine Einschränkung des Schutzzwecks des § 15 Abs. 4 LDSG lässt sich dem Wortlaut nicht entnehmen. Für Datenkopien ist der Schutzzweck auch einschlägig. Denn es entspricht gerade dem Zweck des § 15 Abs. 4 LDSG, dass zusätzlich angelegte Datenbestände nicht als allgemeine Informationsgrundlage dienen sollen. Hierunter fallen gerade nach Jahren immer noch vorhandene, vom ursprünglichen Speicherzweck losgelöste Kopien von Dateien
76 
(cc) Selbst wenn man mit dem Beklagten davon ausginge, dass aus nach § 15 Abs. 4 LDSG hergestellten Sicherungskopien bei jeglichem Datenverlust die Originaldateien wiederhergestellt werden dürften, wäre eine solche Wiederherstellung hier unzulässig. Denn eine Wiederherstellung der Originaldateien aus der Sicherungskopie ist vom Zweck des § 15 Abs. 4 LDSG nicht mehr gedeckt und daher unzulässig, wenn der Zweck, zu dem die Originaldateien nach § 15 Abs. 1 LDSG gespeichert wurden, inzwischen weggefallen ist und daher nicht mehr erfüllt werden kann (Zweckerreichung). Das folgt aus dem strengen Zweckbindungsgrundsatz des § 15 Abs. 4 LDSG. Dieser soll verhindern, dass Datenbestände, die zu Zwecken des Datenschutzes und der Datensicherheit angelegt wurden, als allgemeine Informationsgrundlage verwendet werden. Damit wäre es unvereinbar, wenn gemäß § 15 Abs. 4 LDSG erstellte Sicherungskopien von der speichernden Stelle noch genutzt werden dürften, obwohl der Speicherungszweck der Originaldateien bereits entfallen ist. So liegt der Fall hier:
77 
Bei der Bestimmung des Zwecks der ursprünglichen Datenspeicherung nach § 15 Abs. 1 LDSG ist, wie dargelegt, auf die rechtliche Legitimationsgrundlage für die Datenspeicherung abzustellen. Eine Rechtsvorschrift, die die Speicherung von E-Mails von Landesbediensteten datenschutzrechtlich gestattet, existiert nicht. Eine gesonderte Regelung des E-Mail-Verkehrs im Staatsministerium erfolgte nicht, eine datenschutzrechtlich relevante Selbstverpflichtung des Klägers zum E-Mail-Verkehr fehlt daher. Da die E-Mail-Accounts der Bediensteten des Staatsministeriums dem "Persönlichkeitsbereich" zugeordnet waren und der Nutzer des Postfachs selbst über die Verwendung der Postfachinhalte entscheiden durfte, diente die Speicherung von Postfachinhalten den persönlichen Belangen des Postfachinhabers. Dieser Zweck besteht, nachdem der Kläger seinen E-Mail-Account im Staatsministerium nicht mehr nutzt, nicht mehr. Andere datenschutzrechtlich i.S.v. § 15 Abs. 1 LDSG relevante Zwecke bestanden nicht. Selbst die Anlegung von Protokolldateien über die Internetnutzung diente nach den Sicherheitshinweisen im Antragsformular des Klägers auf Internetzugang vom 11.02.2010 Zwecken der Sicherheit der Datenverarbeitungsanlage des Staatsministeriums vor unerlaubten Zugriffen oder Angriffen von außen, nicht Datensicherungszwecken im allgemeinen. Der ursprünglich verfolgte Zweck der Speicherung der Originaldateien kann nicht mehr erreicht werden, diese dürfen daher nicht aus der Sicherungskopie wiederhergestellt werden.
78 
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang das Vorbringen des Beklagten, nach der AnO Schriftgut und allgemeinen, aus dem Rechtsstaatsprinzip und der Rechtsschutzgarantie folgenden Grundsätzen seien E-Mails aufgrund des Grundsatzes der Aktenvollständigkeit zu den Akten zu nehmen. Dass aus diesen Gründen E-Mails gespeichert werden, ergibt sich weder aus einer gesetzlichen Grundlage noch aus einer datenschutzrechtlichen Einwilligung des Klägers. Ein datenschutzrechtlich relevanter Speicherzweck im Sinne des § 15 Abs. 1 LDSG liegt insoweit nicht vor.
79 
dd) Zutreffend hat das Verwaltungsgericht zum Löschungsanspruch des Klägers dargelegt, dass dieser sich nicht zusätzlich auf § 88 TKG berufen kann, dass § 36 LDSG keine Anwendung findet und dass § 23 Abs. 3 LDSG dem Grunde nach dem Löschungsanspruch nicht entgegensteht. Auf diese Ausführungen des Verwaltungsgerichts, die die Beteiligten im Berufungsverfahren nicht angreifen, nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen vollständig Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
80 
b) Dem Löschungsanspruch des Klägers nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG stehen weder der Einwand des Rechtsmissbrauchs (aa) noch nachwirkende Pflichten des Klägers aus der Organtreue als ehemaliger Ministerpräsident des Landes (bb) entgegen.
81 
aa)Dem datenschutzrechtlichen Löschungsanspruch des Betroffenen nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG kann im Einzelfall der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenstehen, wenn der Betroffene seinerseits offenkundig und schwerwiegend gegen eine gegenüber der die Daten speichernden Stelle bestehenden Pflicht oder Obliegenheit verstoßen hat, die im sachlichen Zusammenhang mit den zu löschenden Daten steht (1). Diese Voraussetzungen sind hier jedoch nicht erfüllt (2).
82 
(1) Beim Rechtsmissbrauch handelt es sich um einen besonderen Fall des Verstoßes gegen Treu und Glauben. Das Gebot, sich so zu verhalten, wie Treu und Glauben es verlangen, gehört im Verwaltungsrecht zu den allgemeinen ungeschriebenen Grundsätzen, die sowohl im Verwaltungsrecht des Bundes als auch im Verwaltungsrecht der Länder existieren und Bürger und Verwaltung binden (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.04.1996 - 4 C 22.94 - BVerwGE 101, 58, juris Rn. 17; Urt. v. 18.04.1996 - 4 C 6.95 - BVerwGE 101, 64 <71>; Urt. v. 25.10.1996 - 8 C 24.96 - BVerwGE 102, 194 <199>; Urt. v. 26.03.2003 - 6 C 24.02 - BVerwGE 118, 84 <89>; Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 62 Rn. 29; Pitschas, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voß-kuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, 2. Aufl., Bd. II., § 42 Rn. 94). Der Einwand des Rechtsmissbrauchs kann daher auch subjektiv-öffentlichen Ansprüchen des Bürgers gegen die öffentliche Hand entgegenstehen (st. Rspr., vgl. nur BVerwG, Urt. v. 14.04.1978 - IV C 6.76 - BVerwGE 55, 337, juris Rn. 10, m.w.N.; Urt. v. 18.04.1996 - 4 C 22.94 - a.a.O.; Urt. v. 16.05.2000 - 4 C 4.99 - BVerwGE 111, 162, juris Rn. 31, m.w.N.). Auch verfassungsrechtlich sind missbräuchlich erworbene Rechtspositionen des Bürgers nicht notwendig geschützt (vgl. BVerfG, Urt. v. 24.05.2006 - 2 BvR 669/04 - BVerfGE 116, 24, juris Rn. 51, zur Rücknahme der erschlichenen Einbürgerung nach § 48 VwVfG; ebenso BVerwG, Urt. v. 03.06.2003 - 1 C 19.02 - BVerwGE 118, 216 <220>; ähnlich zur missbräuchlichen Berufung auf Grundfreiheiten: EuGH, Urt. v. 09.03.1999 - C-212/97 [Centros] - juris Rn. 24 m.w.N.). Entgegen der Auffassung des Klägers schließen Grundrechte des Betroffenen daher nicht von vornherein aus, dass sich die öffentliche Hand ihm gegenüber auf die Grundsätze von Treu und Glauben berufen kann.
83 
Ein Fall der nach dem Grundsatz von Treu und Glauben unzulässigen Rechtsausübung ist die Verletzung eigener Pflichten (vgl. nur Grüneberg, in: Palandt, BGB, 72. Aufl., § 242 Rn. 46, m.w.N.). Dabei bedarf es eines Zusammenhangs zwischen dem beanspruchten und dem selbst geübten Verhalten, damit der geltend gemachte Rechtsanspruch angesichts des eigenen Verhaltens rechtsmissbräuchlich erscheint (vgl. Roth/Schubert, in: MK-BGB, 6. Aufl., § 242 Rn. 389).
84 
Der Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben steht hier, anders als der Kläger meint, nicht entgegen, dass der Gesetzgeber in § 15 Abs. 2 LDSG Fälle der zulässigen Zweckänderung geregelt und insbesondere in § 15 Abs. 2 Nr. 5 LDSG Belange des Allgemeinwohls bereits berücksichtigt hat. Eine abschließende Regelung in dem Sinne, dass im Einzelfall ein Rückgriff auf die Grundsätze von Treu und Glauben ausgeschlossen ist, ist damit nicht verbunden (für eine Ausnahme von der strikten Zweckbindung des § 15 Abs. 4 LDSG oder vergleichbarer Normen in Sonderfällen auch: Weichert, a.a.O., § 31 Rn. 5; von Lewinsky, a.a.O., § 31 Rn. 29, 35: Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 115). Der Einwand, das Verfolgen eines Anspruchs verstoße gegen Treu und Glauben, kann als allgemeines, in der Rechtsordnung anerkanntes Prinzip Geltung im Verhältnis auch zu Verfassungsrechtsätzen wie der Bindung an Recht und Gesetz und dem Gesetzesvorbehalt beanspruchen. Das Verbot des Rechtsmissbrauchs hat nämlich selbst eine Grundlage in der materialen Rechtsstaatlichkeit (vgl. Pitschas, a.a.O., m.w.N.). Die Bindung an Recht und Gesetz nach Art. 20 Abs. 3 GG wird folglich nicht dadurch infrage gestellt, dass der Bürger öffentlich-rechtliche Ansprüche mit Rücksicht auf Treu und Glauben nicht geltend machen kann (vgl. bereits BVerwG, Urt. v. 14.04.1978, a.a.O.).
85 
Die Grundsätze von Treu und Glauben können in der vorliegenden Konstellation jedoch nicht dazu führen, dass jeder Verstoß eines Betroffenen, der dem Grunde nach einen Löschungsanspruch nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG hat, gegen eigene Pflichten oder Obliegenheiten dem Löschungsanspruch hindernd entgegengehalten werden kann. Voraussetzung ist vielmehr ein offenkundiger und schwerwiegender Verstoß gegen eigene Pflichten oder Obliegenheiten (ähnlich in anderen Zusammenhängen: BVerwG, Urt. v. 08.02.1974 - VII C 35.73 - DÖV 1975, 137, juris Rn. 16 m.w.N.; Urt. v. 29.01.2009 - 4 C 15.07 - BVerwGE133, 85, juris Rn. 17; BSG, Urt. v. 18.07.2013 - B 3 KR 21/12 R - juris Rn. 37; BayVGH, Urt. v. 25.02.1977 - 6 X 77 - juris Rn. 26). Andernfalls könnte die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben dazu führen, dass eine vom Gesetzgeber nicht vorgesehene Nutzung personenbezogener Daten zulässig würde. Dies wäre mit der Bedeutung des Gesetzesvorbehalts, der im Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten wurzelt, unvereinbar. Der Gesetzesvorbehalt hat eine elementare freiheitssichernde Funktion. Indem er für jeden staatlichen Eingriff in eine grundrechtlich geschützte Freiheit eine gesetzliche Grundlage fordert, gewährleistet er, dass die Freiheitseinschränkung auf den Willen des Souveräns zurückzuführen ist und der betroffene Bürger vorab erkennen kann, welche Freiheitseinschränkungen er zu erwarten hat. Im Datenschutzrecht kommt ihm eine besondere Bedeutung zu. Der Ausgleich zwischen den Grundsätzen von Treu und Glauben und dem Gesetzesvorbehalt, die im Ansatz gleichrangig nebeneinander stehen, ist daher in dem Sinne vorzunehmen, dass nur schwerwiegende und offensichtliche Verstöße gegen eigene Pflichten oder Obliegenheiten des Betroffenen dem Löschungsanspruch nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG mit Erfolg entgegengehalten werden können.
86 
(2) Die Voraussetzungen eines offenkundigen und schwerwiegenden Verstoßes gegen eigene Pflichten oder Obliegenheiten liegen hier nicht vor. Zwar hat der Kläger möglicherweise gegen seine Pflicht zur Führung vollständiger Akten verstoßen (a). Ein solcher Verstoß des Klägers gegen den Grundsatz der Aktenvollständigkeit stünde in dem für den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung notwendigen Zusammenhang zum Löschungsanspruch. Denn beide Aspekte betreffen denselben Gegenstand (dieselben Dateien) und stehen auch inhaltlich in einem Zusammenhang, da es jeweils auch um die Frage geht, welche Dateien für die Aufgaben der Beklagten erforderlich sind. Ein solcher Verstoß wäre jedoch nicht offensichtlich und schwerwiegend (b).
87 
(a) Auch für Regierungshandeln besteht im Grundsatz eine Pflicht zur Führung vollständiger Akten, die jedoch durch den Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung begrenzt ist:
88 
(aa) Eine ausdrückliche landesrechtliche Regelung zur Führung vollständiger Akten in Behörden einschließlich Ministerien fehlt. Die im Staatsministerium geltende AnO Schriftgut vom 22.12.2005 ist lediglich ein Erlass. Aus ihr lässt sich eine Pflicht, Dokumente zur Akte zu nehmen und eine vollständige Akte zu führen, nur mittelbar entnehmen: Danach umfasst das Schriftgut alle aus der Verwaltungstätigkeit anfallenden Dokumente und ihre Anlagen (Nr. 1.2). Schriftgut ist vor Verlust, Beschädigung und unbefugtem Zugang sowie vor Änderung des Inhalts zu schützen (Nr. 2). Dokumente werden mit einem Aktenzeichen registriert (Nr. 3.1). Eine klare Bestimmung zur Führung vollständiger Akten fehlt jedoch in der AnO Schriftgut.
89 
Für E-Mails enthält die AnO Schriftgut keine ausdrückliche Regelung. Nach der Praxis im Staatsministerium entschied jeder Nutzer des Postfachs selbst, welche E-Mails er ausdruckt und den Akten beigefügt oder löscht. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang der in der von dem Beklagten vorgelegten Akte vorhandene Leitfaden für die Schriftgutverwaltung im Innenministerium vom März 2010. Er enthält u.a. die Regelung - auf die sich der Kläger zu Unrecht beruft -, dass E-Mails, die keine Entscheidungen enthalten, vernichtet werden, es sei denn, der Bearbeiter ordnet die Aufbewahrung an. Dieser Leitfaden des Innenministeriums galt im Staatsministerium nicht.
90 
Eine Pflicht, die erforderlichen Unterlagen zur Akte zu nehmen und die Akte vollständig zu führen, folgt bereits aus allgemeinen Grundsätzen, wie sie die Rechtsprechung seit langem anerkennt: Der Grundsatz der Aktenvollständigkeit ist für die vollziehende Gewalt nicht ausdrücklich geregelt. Eine solche ausdrückliche Regelung ist jedoch auch nicht erforderlich. Die den Behörden nach dem Grundgesetz obliegende Vollziehung der Gesetze ist nicht ohne eine Dokumentation der einzelnen Verwaltungsvorgänge denkbar, die das bisherige sachbezogene Geschehen sowie mögliche Erkenntnisquellen für das künftig in Frage kommende behördliche Handeln enthält. Dies macht die Führung von Akten erforderlich, ohne dass dies eines ausdrücklichen Ausspruchs im Gesetz bedürfte. Das Prinzip der Aktenvollständigkeit folgt aus der Bindung der Verwaltung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) und der aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Pflicht zur Objektivität (vgl. BVerfG, Beschl. v. 06.06.1983 - 2 BVR 244, 310/83 - NJW 1983, 2135; BVerwG, Beschl. v. 16.03.1988 - 1 B 153.87 - NJW 1988, 621 <622>; OVG Meckl.-Vorp., Beschl. v. 22.12.2000 - 2 L 38/99 - juris Rn. 55 f., m.w.N.; ebenso Bonk/Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 29 Rn. 16).
91 
(bb) Für Handeln von Regierungen gelten diese für Verwaltungshandeln von Behörden entwickelten Grundsätze im Ansatz ebenso. Dies folgt zum einen daraus, dass auch ein Handeln der Regierung, vor allem außerhalb von Gesetzgebungsverfahren Verwaltungstätigkeit sein kann (vgl. BerlVerfGH, Urt. v. 20.12.2011 - 159/10 - juris Rn. 28). Im Hinblick auf eigentliches Regierungshandeln ergibt sich das zum anderen aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz. Zwar besteht ein nicht ausforschbarer Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung, der auch der Pflicht, Unterlagen zur Akte zu nehmen, Grenzen setzt. Jedoch gebietet der Gewaltenteilungsgrundsatz - nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die auf das Land Baden-Württemberg übertragbar ist - eine Auslegung der Verfassung dahin, dass parlamentarische Kontrolle wirksam ausgeübt werden kann. Dies wäre nicht der Fall, wenn die dazu nötigen Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen dem Parlament auch nach Abschluss der jeweiligen Vorgänge grundsätzlich verschlossen blieben. Die Entscheidungen der Regierung unterlägen dem parlamentarischen Kontrollrecht dann nur hinsichtlich des verlautbarten Entscheidungsinhalts und solcher Entscheidungsgrundlagen, die keine Rückschlüsse auf die Willensbildung innerhalb der Regierung zulassen. Eine solche grundsätzliche Begrenzung der parlamentarischen Kontrolle wäre mit dem Gewaltenteilungsgrundsatz unvereinbar (vgl. BVerfG, Beschl. v. 30.03.2004 - 2 BvK 1/01 - BVerfGE 100, 199, juris Rn. 44 f., 51; Beschl. v. 17.06.2009 - 2 BvE 3/07 - BVerfGE 124, 78, juris Rn. 123 ff., 141, m.w.N.). Folglich müssen insoweit auch Pflichten zur vollständigen Aktenführung bestehen, da andernfalls die parlamentarische Kontrolle leerliefe.
92 
Dies gilt jedoch nicht für den geschützten Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung. Die Verantwortung der Regierung gegenüber Parlament und Volk setzt notwendigerweise einen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung voraus, der einen auch von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativbereich, Beratungsbereich und Handlungsbereich einschließt.Dazu gehört die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht.Die Kontrollkompetenz des Parlaments erstreckt sich demnach grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge. Sie enthält nicht die Befugnis, in laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen einzugreifen. Aber auch bei abgeschlossenen Vorgängen sind Fälle möglich, in denen die Regierung aus dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung geheimzuhaltende Tatsachen mitzuteilen nicht verpflichtet ist (vgl. BVerfG, Urt. v. 17.07.1984 - 2 BvE 11/83 u.a. - BVerfGE 67, 100, juris Rn. 127 f.; Beschl. v. 01.10.1987 - 2 BvR 1178/86 - BVerfGE 77, 1, juris Rn. 140; Beschl. v. 30.03.2004, a.a.O., Rn. 43; StGH, Urt. v. 26.07.2007 - GR 2/07 - juris Rn. 94 ff.).
93 
In Bezug auf abgeschlossene Vorgänge scheiden parlamentarische Informationsrechte nicht grundsätzlich immer schon dann aus, wenn es sich um Informationen aus dem Bereich der Willensbildung der Regierung, einschließlich der vorbereitenden Willensbildung innerhalb der Ressorts und der Abstimmung zwischen ihnen, handelt. Eine Pflicht der Regierung, parlamentarischen Informationswünschen zu entsprechen, besteht in der Regel nicht, wenn die Information zu einem Mitregieren Dritter bei Entscheidungen führen kann, die in der alleinigen Kompetenz der Regierung liegen.Auch dem nachträglichen parlamentarischen Zugriff auf Informationen aus der Phase der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen setzt der Gewaltenteilungsgrundsatz Grenzen. Bei abgeschlossenen Vorgängen sind Fälle möglich, in denen die Regierung geheimzuhaltende Tatsachen aus dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung mitzuteilen nicht verpflichtet ist. Ein - sei es auch erst nach Abschluss des jeweiligen Entscheidungsprozesses einsetzender - schrankenloser parlamentarischer Informationsanspruch würde vor allem durch seine einengenden Vorwirkungen die Regierung in der selbständigen Funktion beeinträchtigen, die das Gewaltenteilungsprinzip ihr zuweist.
94 
Der Gewaltenteilungsgrundsatz gebietet allerdings gerade im Hinblick auf die starke Stellung der Regierung eine Auslegung des Grundgesetzes dahin, dass - wie bereits dargelegt - parlamentarische Kontrolle wirksam sein kann. Die Entscheidungen der Regierung unterliegen daher dem parlamentarischen Kontrollrecht nicht nur hinsichtlich des verlautbarten Entscheidungsinhalts und solcher Entscheidungsgrundlagen, die keine Rückschlüsse auf die Willensbildung innerhalb der Regierung zulassen. Weitere Hintergründe könnten sonst nach Belieben unzugänglich gehalten werden, auch solche, ohne deren Kenntnis die getroffene Entscheidung politisch nicht beurteilt und die politische Verantwortung für Fehler, die gerade das Zustandekommen dieser Entscheidungen betreffen, nicht aufgeklärt werden kann.Parlamentarische Informationsrechte in Bezug auf abgeschlossene Vorgänge scheiden danach nicht grundsätzlich immer dann aus, wenn es sich um Akten aus dem Bereich der Willensbildung der Regierung, einschließlich der vorbereitenden Willensbildung innerhalb der Ressorts und der Abstimmung zwischen ihnen, handelt. Ob zu erwarten ist, dass die Herausgabe solcher Informationen die Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Regierung beeinträchtigen würde, lässt sich nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände feststellen. Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen, die Aufschluss über den Prozess der Willensbildung geben, sind umso schutzwürdiger, je näher sie der gouvernamentalen Entscheidung stehen. So kommt den Erörterungen im Kabinett besonders hohe Schutzwürdigkeit zu. Je weiter ein parlamentarisches Informationsbegehren in den innersten Bereich der Willensbildung der Regierung eindringt, desto gewichtiger muss das parlamentarische Informationsbegehren sein, um sich gegen ein von der Regierung geltend gemachtes Interesse an Vertraulichkeit durchsetzen zu können. Die vorgelagerten Beratungs- und Entscheidungsabläufe sind demgegenüber einer parlamentarischen Kontrolle in einem geringeren Maße entzogen. Besonders hohes Gewicht kommt dem parlamentarischen Informationsinteresse zu, soweit es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb der Regierung geht. Die Frage, ob die Vorlage von Akten aus dem Bereich der Vorbereitung abgeschlossener Regierungsentscheidungen, aus denen Aufschluss über die Willensbildung der Regierung und ihrer Mitglieder gewonnen werden kann, die Eigenverantwortung der Regierung beeinträchtigen würde, kann demnach nicht pauschal verneint werden. Ebensowenig ist sie aber pauschal zu bejahen (vgl. zum Ganzen: BVerfG, Beschl. v. 30.03.2004, a.a.O., Rn. 44 f., 51; Beschl. v. 17.06.2009, a.a.O., Rn. 123 ff., 141, m.w.N.)
95 
Dabei geht es - zumindest vor allem - um den Schutz der Willensbildung innerhalb der Regierung als Verfassungsorgan. Das Bundesverfassungsgericht hat daher die Ermittlung einer etwaigen Einflussnahme Dritter auf Mitglieder der Bundesregierung in einem zurückliegenden Zeitraum als einen Vorgang angesehen, der den nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich der Regierung nicht berührte (vgl. BVerfG, Beschl. v. 01.10.1987, a.a.O., juris Rn. 140). Auch die Vorlage von Akten, die nicht die Beratungen der Regierung als Kollegium, sondern deren Vorbereitung innerhalb der Ressorts und zwischen den Ressorts betreffen, berührt die Eigenverantwortung der Regierung nicht. Zu prüfen ist insoweit jedoch, ob die schützenswerte Freiheit und Offenheit des der Regierungsentscheidung über den Haushaltsentwurf vorgelagerten interministeriellen Abstimmungsprozesses durch die Verpflichtung zur Vorlage von Unterlagen aus diesem Abstimmungsprozess beeinträchtigt wird; dies könnte anzunehmen sein, wenn die dadurch ausgelöste Befürchtung eventueller späterer Publizität geeignet wäre, eine sachlich förderliche Kommunikation zwischen den Beteiligten zu hemmen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 30.03.2004, a.a.O., juris Rn. 65 f.). Daher kann auch Kommunikation von Regierungsmitgliedern mit externen Beratern, die der Vorbereitung von Regierungshandeln dient, schützenswert sein. Solche Überlegungen mit externen Beratern können insbesondere Fragen der politischen Opportunität betreffen. Unbeeinträchtigte Kommunikation hierüber zu ermöglichen, kann wesentlich sein, um eine Regierungsentscheidung möglichst sachgerecht und ohne die einengende Befürchtung, dass Vorüberlegungen nachträglich einer Kontrolle unterliegen, vorbereiten zu können (ebenso StGH, Urt. v. 26.07.2007, a.a.O., Rn. 114 ff. zu Verhandlungen der Regierung mit einem privaten Dritten).
96 
(cc) Der danach für die Regierung mit Ausnahme des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung bestehenden Pflicht, Unterlagen zur Akte zu nehmen, steht die nach der Verwaltungspraxis des Staatsministeriums bestehende Befugnis, selbst zu entscheiden, welche E-Mails zur Akte genommen oder gelöscht werden, nicht entgegen. Eine solche Befugnis kann - gerade für einen Ministerpräsidenten, dem die Staatsleitung obliegt (vgl. zum Amtseid Art. 48 LV) - kein freies, sondern allenfalls ein pflichtgemäßes Ermessen begründen, das nur im Rahmen der dargestellten allgemeinen Grundsätze ausgeübt werden kann.
97 
(b) An einem offensichtlichen und schwerwiegenden Verstoß des Klägers gegen die Pflicht, vollständige Akten zu führen, fehlt es jedoch.
98 
Dies folgt bereits daraus, dass eine klare und eindeutige Regelung dieser Pflicht nicht bestand. Die AnO Schriftgut normiert eine solche Pflicht nicht ausdrücklich. Vielmehr bestand im Staatsministerium die Praxis, dass jeder Mitarbeiter selbst entscheiden durfte, welche E-Mails er zur Akte nimmt. Zwar kann daraus nur - wie dargelegt - ein pflichtgemäßes, kein freies Ermessen folgen, da sich eine Pflicht zur Führung vollständiger Akten aus allgemeinen Grundsätzen ergibt. Jedoch sind diese Grundsätze, auch wenn sie im Hinblick auf Verwaltungshandeln für die pflichtigen Mitarbeiter allgemein bekannt sein sollten, nur ungeschriebene Prinzipien. Zudem sind sie, soweit ersichtlich, in der Rechtsprechung bisher - wenngleich ihre grundsätzliche Geltung für Regierungshandeln aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Staatsgerichtshofs zum Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung folgt - nur auf die Verwaltungstätigkeit angewandt worden.
99 
Zudem war es, ohne dass es einer Entscheidung bedarf, ob alle streitgegenständlichen Daten dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung unterfallen, zum damaligen Zeitpunkt nicht offensichtlich fehlsam, davon auszugehen, dass die Vorbereitung des zwischen den Beteiligten streitigen Erwerbs von Anteilen an der EnBW AG durch das Land Baden-Württemberg dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung unterfallen kann. Die gespeicherten E-Mails stammen jedenfalls aus dem Zeitraum vor dem 18.11.2010 und betreffen daher den Zeitraum der Vorbereitung des Ankaufs, der grundsätzlich geeignet ist, in diesen geschützten Bereich zu gehören. Für die von dem Beklagten vorgelegten, nicht bei den Sachakten sich befindenden E-Mails war es damals nicht unvertretbar anzunehmen, diese würden als Informationen über die Vorbereitung und öffentlichkeitswirksame Darstellung des Anteilserwerbs dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung unterfallen.
100 
bb) Dem Löschungsanspruch des Klägers aus § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG stehen Pflichten aus Organtreue als ehemaliger Ministerpräsident des Landes nicht entgegen. Denn der Grundsatz der Organtreue begründet keine nachwirkenden Pflichten.
101 
Nach dem Grundsatz der Verfassungsorgantreue haben oberste Staatsorgane bei der Ausübung ihrer Kompetenzen von Verfassungs wegen aufeinander Rücksicht zu nehmen (vgl. BVerfG, Urt. v. 28.02.1961 - 2 BvG 1, 2/60 - BVerfGE 12, 205 <254>; Beschl. v. 04.06.1973 - 2 BvG 1/73 - BVerfGE 35, 193 <199>; Urt. v. 25.05.1977 - 2 BvE 1/74 - BVerfGE 45, 1 <39>; Urt. v. 12.07.1994 - 2 BvE 3/92 u.a. - BVerfGE 90, 286, juris Rn. 203; StGH, Urt. v. 21.10.2002 - 11/02 - ESVGH 53, 15, juris Rn. 84; Urt. v. 11.10.2007 - GR 1/07 - juris Rn. 58). Dieser Grundsatz vermag für sich genommen jedoch keine Rechte zu begründen. Vielmehr bedarf er, um seine Wirkung entfalten zu können, eines bereits bestehenden Verfassungsrechtsverhältnisses. Er ist insoweit akzessorischer Natur und kann ein vorhandenes Verfassungsrechtsverhältnis ausgestalten, aber nicht neu begründen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.09.2013 - 2 BvE 6/08 u.a. - NVwZ 2013, 1468, juris Rn. 183, unter Bezugnahme auf die Grundsätze zum bundesfreundlichen Verhalten, vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 05.02.2001 - 2 BvG 1/00 - BVerfGE 104, 238 <248>).
102 
Voraussetzung für die Berufung auf den Grundsatz der Organtreue ist daher, dass dem Verfassungsorgan aktuell verfassungsrechtliche Zuständigkeiten zustehen. Die verfassungsrechtlich gebotene Organtreue kann nur solange eingefordert werden, wie das Verfassungsorgan selbst durch die Verfassung mit eigenen Rechten ausgestattet sei (vgl. HambVerfG, Urt. v. 27.04.2007 - 3/06 - juris Rn. 89). Nachwirkende Pflichten einer Person, die - wie der Kläger - Verfassungsorgan war, aber nicht mehr ist, bestehen daher nicht.
103 
II. Anschlussberufung des Klägers
104 
Die Anschlussberufung des Klägers ist zulässig, jedoch unbegründet.
105 
1. Die Anschlussberufung ist nach § 127 Abs. 1 Satz 1 VwGO statthaft und auch sonst zulässig. Die Anschlussberufung wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 127 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 VwGO). Die Begründung entspricht inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (Begründungsfrist, Begründung in Anschlussschrift, bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 127 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, Satz 2 i.V.m. 124 a Abs. 3 Sätze 2, 4 und 5 VwGO).
106 
2. Die Anschlussberufung des Klägers ist nicht begründet. Er hat keinen unbedingten Anspruch auf Löschung der streitgegenständlichen Dateien. Vielmehr ist sein Löschungsanspruch durch die Anbietungspflicht gegenüber dem Landesarchiv beschränkt. Auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts hierzu nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen vollständig Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Das Vorbringen der Anschlussberufung rechtfertigt keine andere Beurteilung:
107 
Unzutreffend ist der Kläger der Auffassung, dass die streitgegenständlichen Daten als privat einzustufen seien und daher nur mit seinem Einvernehmen nach § 2 Abs. 3 LArchG angeboten werden dürften. Unter Hinweis auf die Gesetzgebungsmaterialien hat das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt, dass § 2 Abs. 3 LArchG Daten aus privater Hand meint. Darum handelt es sich hier gerade nicht.
108 
Ohne Erfolg muss auch das Vorbringen bleiben, es handele sich bei den streitgegenständlichen Sicherungskopien nicht um Daten, die i.S.v. § 3 Abs. 1 Satz 1 LArchG der Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Aufgaben des Ministerpräsidenten als Stelle im Sinne von § 2 Abs. 1 LArchG gedient hätten, da sie lediglich aus datenverarbeitungstechnischen Gründen zur Sicherstellung des Betriebs der Datenverarbeitungsanlage im Staatsministerium gespeichert worden seien. Für die behauptete Konkordanz zwischen den datenschutzrechtlichen Prinzipien des Erforderlichkeits- und des Zweckbindungsgrundsatzes und der Frage, welche Unterlagen als potentielles Archivgut überhaupt dem Landesarchiv anzubieten sind, ist nichts ersichtlich. § 3 Abs. 1 Satz 1 LArchG knüpft lediglich daran an, dass Unterlagen bei Behörden, Gerichten und sonstigen Stellen des Landes entstanden sind und dort vorhanden sind und von diesen nicht mehr zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigt werden. Nach der eindeutigen Regelung des § 23 Abs. 3 LDSG sind auch Daten, deren Speicherung unzulässig war - z.B. da von vornherein keine Erforderlichkeit für die Speicherung gegeben war - dem Landesarchiv anzubieten. Der datenschutzrechtliche Erforderlichkeitsgrundsatz ist für die Anbietungspflicht gegenüber dem Landesarchiv unerheblich.
109 
Unbegründet macht der Kläger geltend, aus § 5 Abs. 3 Satz 2 LArchG folge, dass der Löschungsanspruch des Betroffenen erst dann ausgeschlossen sei, wenn sich erst im Nachhinein, also nach der Übergabe der Daten zur Archivierung herausstelle, dass die weitere Speicherung datenschutzrechtlich unzulässig sei. § 5 Abs. 3 Satz 2 LArchG regelt, dass Löschungsansprüche bei Archivgut ausgeschlossen sind. Für einen Umkehrschluss, dass vor Anbieten gegenüber dem Landesarchiv sich Löschungsansprüche gegenüber dem Archivrecht durchsetzten, fehlen Gründe.
110 
Schließlich ist auch keine Verletzung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung des Klägers gegeben. Die schlichte Behauptung, § 23 Abs. 3 LDSG in Verbindung mit § 5 Abs. 3 Satz 2 LArchG sei keine ausreichende gesetzliche Grundlage für einen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, ist nicht nachzuvollziehen. Warum den vom Kläger angesprochenen Bestimmtheitsanforderungen nicht genügt sein soll, erschließt sich nicht. Die sich aus der gesetzlichen Regelung ergebenden Rechtsfolgen sind klar und eindeutig. Wie das Verwaltungsgericht ausführlich dargelegt hat, bestehen zudem zahlreiche Schutzvorkehrungen zugunsten der etwaig in ihren Grundrechten Betroffenen.
111 
Erfolglos bleibt schließlich der Einwand des Klägers, nach der Auffassung des Verwaltungsgerichts müssten alle bei der Landesverwaltung anfallenden E-Mails dem Landesarchiv angeboten werden und dies könne nicht richtig sein. § 3 Abs. 1 Satz 1 LArchG sieht für die Behörden, Gerichte und sonstigen Stellen des Landes eine unbeschränkte Anbietungspflicht für alle Unterlagen vor. Unterlagen in diesem Sinne sind gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 LArchG insbesondere Schriftstücke, Karteien, Karten, Pläne, Bild-, Film- und Tonmaterialien sowie sonstige Informationsträger und maschinenlesbar auf diesen gespeicherte Informationen und Programme; dazu gehören mithin auch E-Mails. Eine § 2 Abs. 6 BArchG vergleichbare Norm - nach der Unterlagen, die nach Auffassung der anbietungspflichtigen Stellen und des zuständigen Archivs von offensichtlich geringer Bedeutung sind, nicht angeboten werden müssen - gibt es in Baden-Württemberg nicht. Einschränkungen können allerdings gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 LArchG gerade im Hinblick auf maschinenlesbare Informationen zwischen dem Landesarchiv und der anbietenden Stelle getroffen werden.
112 
III. Nebenentscheidungen
113 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Auch bei einem Anschlussrechtsmittel ist nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.11.1980 - 1 B 802.90 - juris) diese einheitlich zu treffen (vgl. BFH, Beschl. v. 17.12.2002 - I R 87/00 - juris; OVG Saarl., Beschl. v. 28.06.2010 - 2 B 36/10.NC u.a. - juris Rn. 158, m.w.N.).
114 
Die Revision ist nicht zuzulassen. Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor. Insbesondere hat der Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung. Das Landesdatenschutzgesetz und das Landesarchivgesetz sind Landesrecht. Ebenso haben der Einwand des Rechtsmissbrauchs (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.04.1978 - IV C 6.76 - BVerwGE 55, 337, juris Rn. 13, 14 und Urt. v. 14.08.1982 - 8 C 19.90 - BVerwGE 90, 310, juris Rn. 16) und die Grundsätze der Organtreue ihre Grundlage im Landesrecht.
115 
Beschluss vom 30. Juli 2014
116 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf
5.000.—EUR
festgesetzt. Wechselseitig eingelegte Rechtsmittel sind, soweit sie nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden, zusammenzurechnen (§ 45 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 GKG). Das gilt auch für den Fall eines unselbständigen Anschlussrechtsmittels (vgl. BGH -GrS-, Beschl. v. 05.10.1978 - GSZ 1/78 - BGHZ 72, 339; BayVGH, Urt. v. 22.07.2010 - 6 B 09.584 - juris Rn. 50). Da die Rechtsmittel denselben Gegenstand betreffen, ist der Auffangwert von 5.000.-- EUR nur einmal festzusetzen (vgl. OVG Saarl., Beschl. v. 28.06.2010, a.a.O., Rn. 160; OVG Meckl.-Vorp., Beschl. v. 07.09.2010 - 1 M 210/09 - juris Rn. 57).
117 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Das Ergebnis der Untersuchungshandlungen der Ermittlungsbehörden ist aktenkundig zu machen.

(2) Über die Vernehmung des Beschuldigten, der Zeugen und Sachverständigen soll ein Protokoll nach § 168a aufgenommen werden, soweit dies ohne erhebliche Verzögerung der Ermittlungen geschehen kann. Wird über die Vernehmung des Beschuldigten kein Protokoll gefertigt, ist die Teilnahme seines Verteidigers an der Vernehmung aktenkundig zu machen.

(3) Die in § 163a vorgeschriebenen Belehrungen des Beschuldigten vor seiner Vernehmung sowie die in § 58 Absatz 2 Satz 5 vorgeschriebene Belehrung vor einer Gegenüberstellung sind zu dokumentieren. Dies gilt auch für die Entscheidung des Beschuldigten darüber, ob er vor seiner Vernehmung einen von ihm zu wählenden Verteidiger befragen möchte, und für das Einverständnis des Beschuldigten gemäß § 141a Satz 1.

46
Ein solches Vorgehen ist in einem rechtsstaatlichen Verfahren nicht hinnehmbar. Es steht nicht im Belieben der Ermittlungsbehörden, ob sie strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen in den Akten vermerken und zu welchem Zeitpunkt sie dies tun. Das Tatgericht muss den Gang des Verfahrens ohne Abstriche nachvollziehen können. Dies ist kein Selbstzweck, sondern soll die ordnungsgemäße Vorbereitung der Hauptverhandlung durch das Gericht und die übrigen Verfahrensbeteiligten gewährleisten (vgl. BGH, Urteil vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 338 f.; LG Berlin StV 1986, 96; Urteil vom 23. April 2008 – [528] 1 Kap Js 1946/06 KLs [11/07]). Zudem muss in einem Rechtsstaat schon der bloße Anschein, die Ermittlungsbehörden wollten etwas verbergen, vermieden werden. Deshalb sollte in den Akten ebenfalls vermerkt sein, ob eine Vertrauensperson für ihre Tätigkeit eine Entlohnung zugesagt bekommen oder gar erhalten hat. Der Senat weist darauf hin, dass Höhe und Erfolgsbezogenheit des jeweiligen Honorars im Rahmen der gebotenen umfassenden Beweiswürdigung für die Bewertung des Motivs der Vertrauensperson, mit den Ermittlungsbehörden zusammenzuarbeiten, relevant sein und entscheidungserhebliche Bedeutung erlangen kann.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 312/15
vom
2. September 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. September 2015 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Kiel vom 20. Februar 2015 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet
verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zur Stellungnahme des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
Es begründet kein Verwertungsverbot, dass dem Amtsgericht bei der Antragstellung
gemäß § 100a StPO als verdachtsbegründendes Beweismittel u.a. das
Protokoll einer Wahllichtbildvorlage vorgelegt worden ist, bei der die Vertrauensperson
(VP) den Angeklagten als Kokainhändler erkannt haben soll, wobei
die VP tatsächlich – für das Amtsgericht nicht erkennbar – zuvor gezielt auf den
Angeklagten und weitere Verdächtige angesetzt worden war. Mit Blick auf die
übrigen vorgelegten Beweismittel hätte die Anordnung nach § 100a StPO auch
bei vollständiger Darstellung des Sachverhalts ergehen können (vgl. UA S. 48).
Der Senat sieht sich jedoch zu folgender Bemerkung veranlasst: In Bezug auf
die Vorlage des Protokolls der Wahllichtbildvorlage liegt ein Verstoß gegen die
Grundsätze der Aktenwahrheit und -vollständigkeit vor. In einem rechtsstaatli-
chen Verfahren muss schon der bloße Anschein vermieden werden, die Ermittlungsbehörden
wollten den Wert eines Beweismittels erhöhen (vgl. BGH, Urteil
vom 11. Dezember 2013 – 5 StR 240/13, NStZ 2014, 277, 281).
Sander Schneider König
Berger Bellay

(1) Die Wohnung ist unverletzlich.

(2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.

(3) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß jemand eine durch Gesetz einzeln bestimmte besonders schwere Straftat begangen hat, so dürfen zur Verfolgung der Tat auf Grund richterlicher Anordnung technische Mittel zur akustischen Überwachung von Wohnungen, in denen der Beschuldigte sich vermutlich aufhält, eingesetzt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre. Die Maßnahme ist zu befristen. Die Anordnung erfolgt durch einen mit drei Richtern besetzten Spruchkörper. Bei Gefahr im Verzuge kann sie auch durch einen einzelnen Richter getroffen werden.

(4) Zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, dürfen technische Mittel zur Überwachung von Wohnungen nur auf Grund richterlicher Anordnung eingesetzt werden. Bei Gefahr im Verzuge kann die Maßnahme auch durch eine andere gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen.

(5) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutze der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch eine gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden. Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse ist nur zum Zwecke der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr und nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzuge ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.

(6) Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag jährlich über den nach Absatz 3 sowie über den im Zuständigkeitsbereich des Bundes nach Absatz 4 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach Absatz 5 erfolgten Einsatz technischer Mittel. Ein vom Bundestag gewähltes Gremium übt auf der Grundlage dieses Berichts die parlamentarische Kontrolle aus. Die Länder gewährleisten eine gleichwertige parlamentarische Kontrolle.

(7) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.

(1) Wird der Verfassungsbeschwerde stattgegeben, so ist in der Entscheidung festzustellen, welche Vorschrift des Grundgesetzes und durch welche Handlung oder Unterlassung sie verletzt wurde. Das Bundesverfassungsgericht kann zugleich aussprechen, daß auch jede Wiederholung der beanstandeten Maßnahme das Grundgesetz verletzt.

(2) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung stattgegeben, so hebt das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung auf, in den Fällen des § 90 Abs. 2 Satz 1 verweist es die Sache an ein zuständiges Gericht zurück.

(3) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz stattgegeben, so ist das Gesetz für nichtig zu erklären. Das gleiche gilt, wenn der Verfassungsbeschwerde gemäß Absatz 2 stattgegeben wird, weil die aufgehobene Entscheidung auf einem verfassungswidrigen Gesetz beruht. Die Vorschrift des § 79 gilt entsprechend.

(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen einschließlich der Kosten der Verteidigung zu ersetzen.

(2) Erweist sich eine Verfassungsbeschwerde als begründet, so sind dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen ganz oder teilweise zu erstatten.

(3) In den übrigen Fällen kann das Bundesverfassungsgericht volle oder teilweise Erstattung der Auslagen anordnen.

(1) Die Vorschriften für die Revision in Teil 4 Abschnitt 1 Unterabschnitt 3 des Vergütungsverzeichnisses gelten entsprechend in folgenden Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht oder dem Verfassungsgericht (Verfassungsgerichtshof, Staatsgerichtshof) eines Landes:

1.
Verfahren über die Verwirkung von Grundrechten, den Verlust des Stimmrechts, den Ausschluss von Wahlen und Abstimmungen,
2.
Verfahren über die Verfassungswidrigkeit von Parteien,
3.
Verfahren über Anklagen gegen den Bundespräsidenten, gegen ein Regierungsmitglied eines Landes oder gegen einen Abgeordneten oder Richter und
4.
Verfahren über sonstige Gegenstände, die in einem dem Strafprozess ähnlichen Verfahren behandelt werden.

(2) In sonstigen Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht oder dem Verfassungsgericht eines Landes gelten die Vorschriften in Teil 3 Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 des Vergütungsverzeichnisses entsprechend. Der Gegenstandswert ist unter Berücksichtigung der in § 14 Absatz 1 genannten Umstände nach billigem Ermessen zu bestimmen; er beträgt mindestens 5 000 Euro.