Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 25. Nov. 2010 - 2 BvR 2111/09
Gericht
Gründe
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG), weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>; 96, 245 <248>). Sie ist überwiegend unzulässig und im Übrigen unbegründet.
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1. Zwar ist die Verfassungsbeschwerde nicht schon mangels Rechtsschutzbedürfnisses im Hinblick darauf unzulässig, dass die Termine für die begehrte Ausführung zwischenzeitlich verstrichen sind. Bei gewichtigen Grundrechtseingriffen, zu denen auch die Versagung von Vollzugslockerungen gehört, führt die Erledigung nicht zum Wegfall des Rechtsschutzinteresses, sofern es sich um Eingriffe handelt, bei denen typischerweise Erledigung eintritt, bevor verfassungsgerichtlicher Rechtsschutz erlangt werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. August 2010 - 2 BvR 729/08 -, juris, m.w.N.).
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2. Soweit die Verfassungsbeschwerde dahingehend auszulegen sein sollte, dass sie sich gegen die Zurückweisung eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung in der Hauptsache richtet, ist sie unzulässig, weil die Erschöpfung des Rechtswegs nicht dargelegt ist (vgl. zum diesbezüglichen Darlegungserfordernis BVerfGE 112, 304 <314>). Aus dem Vortrag des Beschwerdeführers geht nicht hervor, dass eine förmliche Entscheidung in der Hauptsache ergangen wäre. Der Beschwerdeführer hat den angegriffenen Beschluss vom 6. August 2009 nicht vorgelegt. Die Wiedergabe des Inhalts dieses Beschlusses in der Verfassungsbeschwerdeschrift lässt nur erkennen, dass mit diesem Beschluss über den gestellten Eilantrag, nicht dagegen, dass auch über den Antrag zur Hauptsache entschieden wurde. Das gerichtliche Schreiben vom 6. August 2009, das dem Beschwerdeführer nach seinen Angaben zugleich mit dem angegriffenen Beschluss zugegangen ist und das er mit seiner Verfassungsbeschwerde vorgelegt hat, geht vielmehr davon aus, dass eine Entscheidung in der Hauptsache sich erübrige; solle dies nicht der Fall sein, werde um Mitteilung innerhalb einer Woche gebeten.
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Mit seiner Anhörungsrüge vom 12. August 2009 hat der Beschwerdeführer mit umfangreichen Ausführungen zur Hauptsache deutlich gemacht, dass er eine ihm günstige Hauptsacheentscheidung erstrebt, die bereits damals angesichts des zwischenzeitlichen Verstreichens aller begehrten Ausführungstermine nur noch als Fortsetzungsfeststellungsentscheidung (§ 115 Abs. 3 StVollzG) in Betracht kam (vgl. zur Möglichkeit eines stillschweigend gestellten Fortsetzungsfestsetzungsantrages Arloth, StVollzG, 2. Aufl. 2008, § 115 Rn. 8, m.w.N.; zum Gebot einer an der recht verstandenen Interessenlage des Erklärenden orientierten Auslegung von Verfahrenserklärungen BVerfGE 122, 190 <198>). Der Beschluss vom 21. August 2009, mit dem die Strafvollstreckungskammer auf die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers hin eine Abänderung des vorausgegangenen Beschlusses ablehnte, stellt keine Entscheidung in der Hauptsache dar. Sollte diese Entscheidung tatsächlich, wie nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers anzunehmen, noch ausstehen, wird die Strafvollstreckungskammer insoweit die verfassungsrechtlichen Maßstäbe für das Fortbestehen eines Rechtsschutzinteresses nach Erledigung zu beachten haben (vgl. BVerfGE 110, 77 <86>, m.w.N.; aus dem Strafvollzug BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 15. Juli 2010 - 2 BvR 1023/08 -, EuGRZ 2010, S. 531 ff., vom 5. August 2010 - 2 BvR 729/08 -, juris, und vom 15. November 2010 - 2 BvR 1183/09 -, juris).
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3. Soweit der Beschwerdeführer beanstandet, dass über seinen Eilantrag kostenfällig entschieden worden sei, obwohl er seine Anträge unter den Vorbehalt der Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt habe, ist die Verfassungsbeschwerde nach der Darstellung, die der Beschwerdeführer vom Gang des fachgerichtlichen Verfahrens gibt, unzulässig, weil der Grundsatz der materiellen Subsidiarität nicht gewahrt ist. Dieser Grundsatz verlangt, dass der Beschwerdeführer vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde den Rechtsweg nicht nur formell, sondern in der gehörigen Weise - unter Nutzung der gegebenen Möglichkeiten, auf die Vermeidung oder Korrektur des gerügten Grundrechtsverstoßes hinzuwirken - durchläuft (BVerfGE 107, 395 <414>; 112, 50 <60>). Der Beschwerdeführer hat es, soweit aus seinen Angaben ersichtlich, versäumt, die diesbezügliche Beanstandung schon mit seiner Anhörungsrüge vorzubringen.
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4. Soweit der Beschwerdeführer sinngemäß geltend macht, seine grundrechtlichen Ansprüche auf effektiven (Art. 19 Abs. 4 GG) und chancengleichen Rechtsschutz (Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG, vgl. BVerfGE 9, 124 <130 f.>; 63, 380 <395>; 122, 39 <48 f.>) seien durch die Ablehnung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung und die Nichtbewilligung der beantragten Prozesskostenhilfeverletzt, ist die Verfassungsbeschwerde teils unzulässig und im Übrigen unbegründet:
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a) Soweit die Ablehnung des Eilantrages beanstandet wird, ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet. Die Strafvollstreckungskammer ist zu recht davon ausgegangen, dass der Erlass einer einstweiligen (Vornahme-)Anordnung eine Vorwegnahme der Hauptsache bedeutet hätte. Dem Begehren des Beschwerdeführers wäre mit einer solchen Anordnung vollständig und endgültig entsprochen worden (vgl. zur Abgrenzung BVerfGK 1, 201 <206>; 7, 403 <409>; 11, 54 <61 f.>). Anhaltspunkte dafür, dass ausnahmsweise eine Vorwegnahme der Hauptsache zulässig und geboten sein könnte (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 30. April 2008 - 2 BvR 338/08 -, juris), hatte der Beschwerdeführer mit seinem Eilantrag nicht beigebracht, obwohl ihm ungeachtet fehlender Rechtskunde bewusst sein musste, dass ein solcher Antrag die Darlegung von Gründen für die Eilbedürftigkeit erfordert.
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b) Auch die Ablehnung des Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren ist danach verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. § 120 Abs. 2 StVollzG i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO).
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c) Soweit es um Prozesskostenhilfe für das Hauptsacheverfahren geht, ist die Verfassungsbeschwerde mangels ausreichender Begründung unzulässig. Aus der Wiedergabe des Inhalts des angegriffenen Beschlusses vom 6. August 2009 wird nicht erkennbar, ob mit diesem Beschluss eine Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag für das Hauptsacheverfahren überhaupt ergangen ist. Dies ist schon deshalb wenig wahrscheinlich, weil in dem Beschluss - jedenfalls soweit der Beschwerdeführer dessen Inhalt wiedergegeben hat - jegliche Begründung dafür fehlt, dass der Antrag des Beschwerdeführers auch in der Hauptsache ohne Erfolgsaussicht und daher auch insoweit der Prozesskostenhilfeantrag abzulehnen sei. Die Unklarheit in diesem Punkt geht zu Lasten des Beschwerdeführers, dem es oblag, innerhalb der Monatsfrist des § 93 Abs. 1 Satz 1 (vgl. BVerfGE 21, 359 <361>) den Sachverhalt in einer Weise darzustellen, die eine Überprüfung der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde ermöglicht (vgl. BVerfGE 112, 304 <314 f.>).
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5. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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Annotations
(1) Die Verfassungsbeschwerde bedarf der Annahme zur Entscheidung.
(2) Sie ist zur Entscheidung anzunehmen,
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soweit ihr grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt, - b)
wenn es zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 genannten Rechte angezeigt ist; dies kann auch der Fall sein, wenn dem Beschwerdeführer durch die Versagung der Entscheidung zur Sache ein besonders schwerer Nachteil entsteht.
(1) Das Gericht entscheidet ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Der Beschluss stellt den Sach- und Streitstand seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt zusammen. Wegen der Einzelheiten kann auf in der Gerichtsakte befindliche Dokumente, die nach Herkunft und Datum genau zu bezeichnen sind, verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt. Das Gericht kann von einer Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.
(1a) Das Gericht kann anordnen, dass eine Anhörung unter Verzicht auf die persönliche Anwesenheit des Gefangenen zeitgleich in Bild und Ton in die Vollzugsanstalt und das Sitzungszimmer übertragen wird. Eine Aufzeichnung findet nicht statt. Die Entscheidung nach Satz 1 ist nicht anfechtbar.
(2) Soweit die Maßnahme rechtswidrig und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht die Maßnahme auf. Ist die Maßnahme schon vollzogen, kann das Gericht auch aussprechen, daß und wie die Vollzugsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat, soweit die Sache spruchreif ist.
(3) Hat sich die Maßnahme vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, spricht das Gericht auf Antrag aus, daß die Maßnahme rechtswidrig gewesen ist, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(4) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung der Maßnahme rechtswidrig und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Vollzugsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Anderenfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(5) Soweit die Vollzugsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.
(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.
(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
(1) Kommt die Behörde in den Fällen des § 114 Absatz 2 Satz 2 sowie des § 115 Absatz 2 Satz 2 und Absatz 4 der ihr in der einstweiligen Anordnung oder im Beschluss auferlegten Verpflichtung nicht nach, gilt § 172 der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend. Im Übrigen sind die Vorschriften der Strafprozessordnung und die auf der Grundlage des § 32a Absatz 2 Satz 2 und Absatz 4 Satz 1 Nummer 6, des § 32b Absatz 5 und des § 32f Absatz 6 der Strafprozessordnung erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend anzuwenden, soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt.
(2) Auf die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe sind die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden.
(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.
(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.
(1) Die Entscheidung nach § 93b und § 93c ergeht ohne mündliche Verhandlung. Sie ist unanfechtbar. Die Ablehnung der Annahme der Verfassungsbeschwerde bedarf keiner Begründung.
(2) Solange und soweit der Senat nicht über die Annahme der Verfassungsbeschwerde entschieden hat, kann die Kammer alle das Verfassungsbeschwerdeverfahren betreffenden Entscheidungen erlassen. Eine einstweilige Anordnung, mit der die Anwendung eines Gesetzes ganz oder teilweise ausgesetzt wird, kann nur der Senat treffen; § 32 Abs. 7 bleibt unberührt. Der Senat entscheidet auch in den Fällen des § 32 Abs. 3.
(3) Die Entscheidungen der Kammer ergehen durch einstimmigen Beschluß. Die Annahme durch den Senat ist beschlossen, wenn mindestens drei Richter ihr zustimmen.