Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 25. Nov. 2010 - 2 BvR 2111/09

ECLI:ECLI:DE:BVerfG:2010:rk20101125.2bvr211109
bei uns veröffentlicht am25.11.2010

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG), weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>; 96, 245 <248>). Sie ist überwiegend unzulässig und im Übrigen unbegründet.

2

1. Zwar ist die Verfassungsbeschwerde nicht schon mangels Rechtsschutzbedürfnisses im Hinblick darauf unzulässig, dass die Termine für die begehrte Ausführung zwischenzeitlich verstrichen sind. Bei gewichtigen Grundrechtseingriffen, zu denen auch die Versagung von Vollzugslockerungen gehört, führt die Erledigung nicht zum Wegfall des Rechtsschutzinteresses, sofern es sich um Eingriffe handelt, bei denen typischerweise Erledigung eintritt, bevor verfassungsgerichtlicher Rechtsschutz erlangt werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. August 2010 - 2 BvR 729/08 -, juris, m.w.N.).

3

2. Soweit die Verfassungsbeschwerde dahingehend auszulegen sein sollte, dass sie sich gegen die Zurückweisung eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung in der Hauptsache richtet, ist sie unzulässig, weil die Erschöpfung des Rechtswegs nicht dargelegt ist (vgl. zum diesbezüglichen Darlegungserfordernis BVerfGE 112, 304 <314>). Aus dem Vortrag des Beschwerdeführers geht nicht hervor, dass eine förmliche Entscheidung in der Hauptsache ergangen wäre. Der Beschwerdeführer hat den angegriffenen Beschluss vom 6. August 2009 nicht vorgelegt. Die Wiedergabe des Inhalts dieses Beschlusses in der Verfassungsbeschwerdeschrift lässt nur erkennen, dass mit diesem Beschluss über den gestellten Eilantrag, nicht dagegen, dass auch über den Antrag zur Hauptsache entschieden wurde. Das gerichtliche Schreiben vom 6. August 2009, das dem Beschwerdeführer nach seinen Angaben zugleich mit dem angegriffenen Beschluss zugegangen ist und das er mit seiner Verfassungsbeschwerde vorgelegt hat, geht vielmehr davon aus, dass eine Entscheidung in der Hauptsache sich erübrige; solle dies nicht der Fall sein, werde um Mitteilung innerhalb einer Woche gebeten.

4

Mit seiner Anhörungsrüge vom 12. August 2009 hat der Beschwerdeführer mit umfangreichen Ausführungen zur Hauptsache deutlich gemacht, dass er eine ihm günstige Hauptsacheentscheidung erstrebt, die bereits damals angesichts des zwischenzeitlichen Verstreichens aller begehrten Ausführungstermine nur noch als Fortsetzungsfeststellungsentscheidung (§ 115 Abs. 3 StVollzG) in Betracht kam (vgl. zur Möglichkeit eines stillschweigend gestellten Fortsetzungsfestsetzungsantrages Arloth, StVollzG, 2. Aufl. 2008, § 115 Rn. 8, m.w.N.; zum Gebot einer an der recht verstandenen Interessenlage des Erklärenden orientierten Auslegung von Verfahrenserklärungen BVerfGE 122, 190 <198>). Der Beschluss vom 21. August 2009, mit dem die Strafvollstreckungskammer auf die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers hin eine Abänderung des vorausgegangenen Beschlusses ablehnte, stellt keine Entscheidung in der Hauptsache dar. Sollte diese Entscheidung tatsächlich, wie nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers anzunehmen, noch ausstehen, wird die Strafvollstreckungskammer insoweit die verfassungsrechtlichen Maßstäbe für das Fortbestehen eines Rechtsschutzinteresses nach Erledigung zu beachten haben (vgl. BVerfGE 110, 77 <86>, m.w.N.; aus dem Strafvollzug BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 15. Juli 2010 - 2 BvR 1023/08 -, EuGRZ 2010, S. 531 ff., vom 5. August 2010 - 2 BvR 729/08 -, juris, und vom 15. November 2010 - 2 BvR 1183/09 -, juris).

5

3. Soweit der Beschwerdeführer beanstandet, dass über seinen Eilantrag kostenfällig entschieden worden sei, obwohl er seine Anträge unter den Vorbehalt der Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt habe, ist die Verfassungsbeschwerde nach der Darstellung, die der Beschwerdeführer vom Gang des fachgerichtlichen Verfahrens gibt, unzulässig, weil der Grundsatz der materiellen Subsidiarität nicht gewahrt ist. Dieser Grundsatz verlangt, dass der Beschwerdeführer vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde den Rechtsweg nicht nur formell, sondern in der gehörigen Weise - unter Nutzung der gegebenen Möglichkeiten, auf die Vermeidung oder Korrektur des gerügten Grundrechtsverstoßes hinzuwirken - durchläuft (BVerfGE 107, 395 <414>; 112, 50 <60>). Der Beschwerdeführer hat es, soweit aus seinen Angaben ersichtlich, versäumt, die diesbezügliche Beanstandung schon mit seiner Anhörungsrüge vorzubringen.

6

4. Soweit der Beschwerdeführer sinngemäß geltend macht, seine grundrechtlichen Ansprüche auf effektiven (Art. 19 Abs. 4 GG) und chancengleichen Rechtsschutz (Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG, vgl. BVerfGE 9, 124 <130 f.>; 63, 380 <395>; 122, 39 <48 f.>) seien durch die Ablehnung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung und die Nichtbewilligung der beantragten Prozesskostenhilfeverletzt, ist die Verfassungsbeschwerde teils unzulässig und im Übrigen unbegründet:

7

a) Soweit die Ablehnung des Eilantrages beanstandet wird, ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet. Die Strafvollstreckungskammer ist zu recht davon ausgegangen, dass der Erlass einer einstweiligen (Vornahme-)Anordnung eine Vorwegnahme der Hauptsache bedeutet hätte. Dem Begehren des Beschwerdeführers wäre mit einer solchen Anordnung vollständig und endgültig entsprochen worden (vgl. zur Abgrenzung BVerfGK 1, 201 <206>; 7, 403 <409>; 11, 54 <61 f.>). Anhaltspunkte dafür, dass ausnahmsweise eine Vorwegnahme der Hauptsache zulässig und geboten sein könnte (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 30. April 2008 - 2 BvR 338/08 -, juris), hatte der Beschwerdeführer mit seinem Eilantrag nicht beigebracht, obwohl ihm ungeachtet fehlender Rechtskunde bewusst sein musste, dass ein solcher Antrag die Darlegung von Gründen für die Eilbedürftigkeit erfordert.

8

b) Auch die Ablehnung des Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren ist danach verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. § 120 Abs. 2 StVollzG i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO).

9

c) Soweit es um Prozesskostenhilfe für das Hauptsacheverfahren geht, ist die Verfassungsbeschwerde mangels ausreichender Begründung unzulässig. Aus der Wiedergabe des Inhalts des angegriffenen Beschlusses vom 6. August 2009 wird nicht erkennbar, ob mit diesem Beschluss eine Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag für das Hauptsacheverfahren überhaupt ergangen ist. Dies ist schon deshalb wenig wahrscheinlich, weil in dem Beschluss - jedenfalls soweit der Beschwerdeführer dessen Inhalt wiedergegeben hat - jegliche Begründung dafür fehlt, dass der Antrag des Beschwerdeführers auch in der Hauptsache ohne Erfolgsaussicht und daher auch insoweit der Prozesskostenhilfeantrag abzulehnen sei. Die Unklarheit in diesem Punkt geht zu Lasten des Beschwerdeführers, dem es oblag, innerhalb der Monatsfrist des § 93 Abs. 1 Satz 1 (vgl. BVerfGE 21, 359 <361>) den Sachverhalt in einer Weise darzustellen, die eine Überprüfung der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde ermöglicht (vgl. BVerfGE 112, 304 <314 f.>).

10

5. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

11

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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(1) Die Verfassungsbeschwerde bedarf der Annahme zur Entscheidung.

(2) Sie ist zur Entscheidung anzunehmen,

a)
soweit ihr grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt,
b)
wenn es zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 genannten Rechte angezeigt ist; dies kann auch der Fall sein, wenn dem Beschwerdeführer durch die Versagung der Entscheidung zur Sache ein besonders schwerer Nachteil entsteht.

(1) Das Gericht entscheidet ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Der Beschluss stellt den Sach- und Streitstand seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt zusammen. Wegen der Einzelheiten kann auf in der Gerichtsakte befindliche Dokumente, die nach Herkunft und Datum genau zu bezeichnen sind, verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt. Das Gericht kann von einer Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(1a) Das Gericht kann anordnen, dass eine Anhörung unter Verzicht auf die persönliche Anwesenheit des Gefangenen zeitgleich in Bild und Ton in die Vollzugsanstalt und das Sitzungszimmer übertragen wird. Eine Aufzeichnung findet nicht statt. Die Entscheidung nach Satz 1 ist nicht anfechtbar.

(2) Soweit die Maßnahme rechtswidrig und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht die Maßnahme auf. Ist die Maßnahme schon vollzogen, kann das Gericht auch aussprechen, daß und wie die Vollzugsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat, soweit die Sache spruchreif ist.

(3) Hat sich die Maßnahme vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, spricht das Gericht auf Antrag aus, daß die Maßnahme rechtswidrig gewesen ist, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(4) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung der Maßnahme rechtswidrig und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Vollzugsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Anderenfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(5) Soweit die Vollzugsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

Tenor

1. Der Beschluss des Landgerichts Hildesheim vom 20. Februar 2008 - 23 StVK 72/08 - verletzt, soweit er den Fortsetzungsfeststellungsantrag des Beschwerdeführers als unzulässig zurückgewiesen hat, den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird insoweit aufgehoben.

2. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 22. April 2008 - 1 Ws 170/08 (StrVollz), 1 Ws 171/08 (StrVollz) - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes. Er wird aufgehoben.

3. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

4. Die Sache wird an das Landgericht Hildesheim zurückverwiesen.

5. ...

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft den fachgerichtlichen Rechtsschutz gegen die kurzzeitige Unterbringung eines Strafgefangenen in einem mit gewaltverherrlichenden rassistischen Schmierereien versehenen Haftraum des Transporthauses einer niedersächsischen Strafvollzugsanstalt.

2

1. Der Beschwerdeführer war im Zuge seiner Verlegung von der Justizvollzugsanstalt S. in die Justizvollzugsanstalt R. für drei Tage im Transporthaus der Justizvollzugsanstalt H. untergebracht. Nach Beendigung dieser Unterbringung beantragte er gemäß §§ 109 ff. StVollzG,

3

"1. festzustellen, dass die von der Antragsgegnerin veranlasste Verlegung des Antragstellers in die JVA R., die mit einer Unterbringung des Antragstellers im Transporthaus IV der JVA H. verbunden war, gegen Artikel 1 GG verstoßen hat.

4

2. die Antragsgegnerin für Fälle der Besuchsverlegung bzw. des Aufenthaltes des Antragstellers aus anderen Gründen in der Anstalt der Antragsgegnerin zu verpflichten, den Antragsteller zukünftig nur dann über ein Transporthaus einer anderen Anstalt zu transportieren, wenn die Antragsgegnerin zuvor sichergestellt hat, dass

5

a) sich keine Hakenkreuze und/oder antisemitische und/oder andere menschenverachtende Texte an den Wänden der Hafträume befinden.

6

b) Urin nicht in den Wänden der Hafträume hochzieht.

7

c) die Wände nicht mit Kot beschmiert sind."

8

Zur Begründung trug er vor, Ende 2006 habe er sich anlässlich einer Zeugenaussage im Transporthaus der Justizvollzugsanstalt H. befunden. Der Transport sei von der Antragsgegnerin - der Justizvollzugsanstalt S. - organisiert gewesen. In dem Transporthaus hätten sich an den Wänden Hakenkreuze und rassistische Texte befunden, von denen er einige wiedergebe:

9

"Hackt den Juden die Schwänze ab, damit sie keine weiteren Juden machen können."

10

"Hitler hat nur einen Fehler gemacht: Er hat nicht alle Juden vergast."

11

"Nur ein toter Jude ist ein guter Jude."

12

"Deutsche, reisst den Judenvotzen die Eierstöcke raus."

13

Als er im Mai 2007 zu einer weiteren Zeugenaussage geladen worden sei, habe er beantragt, nicht wieder über das fragliche Haus der Justizvollzugsanstalt H. transportiert zu werden, da die dortige Unterbringung gegen die Menschenwürde verstoße. Die Strafvollstreckungskammer habe den entsprechenden Antrag unter anderem mit der Begründung abgewiesen, dass Hakenkreuze an den Wänden keine menschenunwürdige Unterbringung ausmachten; auf die Texte an den Wänden sei sie nicht eingegangen. Der Transport sei dann wegen Terminabsetzung nicht zustandegekommen.

14

Vom 9. bis zum 11. Januar 2008 sei er im Zuge seiner Verlegung gegen seinen erklärten Willen aufgrund Transportanweisung der Antragsgegnerin erneut im Transporthaus der Justizvollzugsanstalt H. untergebracht gewesen. Dort hätten sich an den Wänden der Zelle 4205 Hakenkreuze und menschenverachtende Texte befunden. Nur beispielhaft gebe er Nachstehendes wieder:

15

"Dreckiges Ausländerschwein. Deutsche Stiefel werden Dich töten. Die animalische Grotte Deiner Mutter muss mit einem Lötkolben Bekanntschaft machen. Du abartiges Stück Dreck. Man muss Euch auf bestialische Art und Weise zeigen, dass man Euch in Deutschland nicht will. Raus mit Euch und Eurer Sippenhaft. Sonst werden einige von Euch die Nachricht als lebende Fackel zu verkünden haben. Gleiches gilt für Sinti und Romaabfall. Ihr dreckiges Volk von Bettlern und Hausierern. Eure dreckige Brut muss ausgerottet werden. Ihr habt kein Land. Ihr gehört nicht auf diese Welt. Ihr Tiere. Tod den Sintis."

16

Darüber hinaus habe sich Kot an den Wänden befunden.

17

Die Justizvollzugsanstalt habe unter anderem durch einen Antrag, den der Beschwerdeführer im Mai 2007 gestellt habe, um eine damals wegen erneuter Ladung als Zeuge anstehende erneute Verbringung über das fragliche Transporthaus abzuwenden, seit langem Kenntnis von den menschenwürdewidrigen dortigen Zuständen. Trotzdem ordne sie weitere derartige Unterbringungen an. Nach § 12 der Dienst- und Sicherheitsvorschriften für den Strafvollzug (DSVollz) seien die Vollzugsbediensteten verpflichtet, für Ordnung und Sauberkeit in allen Räumen zu sorgen. Der rechtswidrige Sachverhalt sei nicht beendet, da neue Verlegungen möglich seien.

18

2. Das Landgericht wies mit angegriffenem Beschluss den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig zurück. Die in der vorübergehenden Unterbringung im Transporthaus der Justizvollzugsanstalt H. liegende Beschwer sei durch Verlegung in die Justizvollzugsanstalt R. weggefallen. Ein Fortsetzungsfeststellungsantrag gemäß § 115 Abs. 3 StVollzG setze ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit voraus, das zu bejahen sei, wenn sich die angefochtene Maßnahme bei späteren Entscheidungen für den Antragsteller nachteilig auswirken könne oder eine Wiederholungsgefahr nicht auszuschließen sei. Eine solche Gefahr müsse sich konkret abzeichnen. Daran fehle es hier. Für eine Rückverlegung des Beschwerdeführers in absehbarer Zeit fehlten konkrete Anhaltspunkte. Der gestellte Verpflichtungsantrag sei aus demselben Grund unzulässig und darüber hinaus unbegründet, da es an der Passivlegitimation der Antragsgegnerin fehle. Eine etwaige Rückverlegung falle in die Zuständigkeit der Justizvollzugsanstalt R.; diese und nicht die Antragsgegnerin habe daher auch über den Transportweg zu entscheiden.

19

3. Mit seiner am 18. März 2008 protokollierten Rechtsbeschwerde machte der Beschwerdeführer geltend, er habe aus Art. 1 GG und nach dem Strafvollzugsgesetz Anspruch darauf, nicht in der beschriebenen Weise mit antisemitischen Texten und Hakenkreuzen konfrontiert zu werden. Nach der Argumentation des Landgerichts könne er auf dem Transport auch im Schweinestall untergebracht werden, vorausgesetzt er werde danach in eine andere Justizvollzugsanstalt verlegt. Dieser Gedanke sei aberwitzig. Ob eine Wiederholungsgefahr bestehe, sei zunächst nicht von Bedeutung. Denn wenn eine Rechtswidrigkeit nur für den Fall einer Wiederholung festgestellt werden könnte, seien gerichtliche Entscheidungen gegen einmalige Rechtswidrigkeiten nicht möglich. Der Beschwerdeführer sei dann der Antragsgegnerin schutzlos ausgeliefert. Nachdem er schon einige Male im Transporthaus untergebracht war, könne zudem eine Wiederholungsgefahr nicht ausgeschlossen werden. Insbesondere strebe er eine Zurückverlegung in die heimatnahe Justizvollzugsanstalt S. an, da sich ihm dort bessere Wiedereingliederungschancen böten. Somit bestehe die konkrete Gefahr, dass er auch in Zukunft mit den menschenunwürdigen Haftbedingungen im Transporthaus der Justizvollzugsanstalt H. konfrontiert werde.

20

4. Das Oberlandesgericht verwarf durch Beschluss vom 22. April 2008 die Rechtsbeschwerde als unzulässig, weil die Überprüfung des angefochtenen Beschlusses weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten sei (§ 116 Abs. 1 StVollzG).

II.

21

1. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) und seines Rechts auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG). Die Gerichte hätten die Unverletzlichkeit der Menschenwürde nicht berücksichtigt. Mit seiner Verlegung in die Justizvollzuganstalt R. habe sich das Problem nicht erledigt.

22

2. Das Niedersächsische Justizministerium hat wie folgt Stellung genommen: Nach Mitteilung des zuständigen Vollzugsabteilungsassistenten sei der betreffende Haftraum in der Justizvollzugsanstalt H. im Januar 2008, als der Beschwerdeführer dort untergebracht gewesen sei, tatsächlich erheblich mit Schmierereien, unter anderem auch mit Hakenkreuzen, verunstaltet gewesen. Ob eine Verschmutzung bereits im Jahr 2006 existiert habe, könne nicht mehr nachvollzogen werden, ebensowenig eine Verschmutzung der Zellwände mit Exkrementen. Grundsätzlich werde nach Auflösung eines Haftraums dieser gründlich gereinigt. Wenn dabei Schmierereien auffielen, würden diese in der Regel umgehend beseitigt. Im vorliegenden Fall seien sie am 30. Januar 2008 überstrichen worden. Aufgrund der hohen Fluktuation in der Transportabteilung und des fehlenden Verantwortungsbewusstseins der dort kurzzeitig untergebrachten Gefangenen sei eine vollständige Vermeidung zukünftiger Verunstaltungen jedoch nicht zu realisieren. Soweit der Beschwerdeführer ausführe, dass mit seiner Verlegung zu rechnen sei, weil in der Justizvollzugsanstalt R. keine Langzeitbesuche zugelassen seien, sei anzumerken, dass seit September 2008 in R. Langzeitbesuche grundsätzlich möglich seien.

23

3. Der Beschwerdeführer hat hierauf erwidert, die Angaben zur gründlichen Reinigung der Hafträume seien unzutreffend; die Zustände hätten sich bis heute nicht geändert. Er legt eidesstattliche Versicherungen von zwei Mitgefangenen vor, wonach die eigenen und zahlreiche andere Hafträume zum Zeitpunkt ihrer mehrtägigen Transportaufenthalte auf der betreffenden Station im April beziehungsweise Mai 2009 in völlig verdrecktem Zustand waren und sich an den Wänden Hakenkreuze und fremdenfeindliche Hetzparolen befanden. Der Beschwerdeführer trägt außerdem vor, Angehörige seiner Familie hätten in Deutschland im Konzentrationslager gesessen. Die Tolerierung der Schmierereien durch die Bediensteten belaste ihn daher sehr.

24

4. Die Akten des fachgerichtlichen Verfahrens haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.

III.

25

1. Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, sofern sie sich gegen den Beschluss des Landgerichts auch insoweit richtet, als damit der Verpflichtungsantrag des Beschwerdeführers zurückgewiesen wurde. Insoweit wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG von einer Begründung abgesehen.

26

2. Im Übrigen nimmt die Kammer die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt ist (§ 93b Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), und gibt ihr statt. Die Entscheidungskompetenz der Kammer ist gegeben (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG); die für die Entscheidung des Falles maßgeblichen verfassungsrechtlichen Grundsätze sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt. Die Verfassungsbeschwerde ist danach zulässig und offensichtlich begründet im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG. Die Beschlüsse des Landgerichts und des Oberlandesgerichts verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG.

27

a) Art. 19 Abs. 4 GG gewährt nicht nur das formelle Recht und die theoretische Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, sondern garantiert auch die Effektivität des Rechtsschutzes. Der Bürger hat einen substanziellen Anspruch auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 35, 382 <401 f.>; 104, 220 <231 ff.>; stRspr). Der Zugang zu den staatlichen Gerichten darf nicht in einer Weise erschwert werden, die sich aus Sachgründen nicht rechtfertigen lässt. Art. 19 Abs. 4 GG gebietet daher den Gerichten, das Verfahrensrecht so anzuwenden, dass den erkennbaren Interessen des rechtsschutzsuchenden Bürgers bestmöglich Rechnung getragen wird (vgl. BVerfGE 96, 27 <39>).

28

Mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes ist es prinzipiell vereinbar, die Rechtsschutzgewährung von einem fortbestehenden Rechtsschutzinteresse abhängig zu machen. Daher ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn die Fachgerichte bei Erledigung des Verfahrensgegenstandes einen Fortfall des Rechtsschutzinteresses annehmen (vgl. BVerfGE 104, 220 <232>). Ausnahmsweise kann aber das Interesse des Betroffenen an der Feststellung der Rechtslage auch noch nach Erledigung in besonderer Weise schutzwürdig sein (vgl. BVerfG, a.a.O., S. 232 ff.).

29

Dies betrifft nicht nur die vom Landgericht angesprochenen Fälle der drohenden Wiederholungsgefahr (vgl. BVerfGE 81, 138 <140>; 117, 71 <122>; stRspr) und der fortbestehenden Beeinträchtigung (vgl. BVerfGE 81, 138 <140>; 110, 77 <85 f.>; stRspr). Unter anderem ist bei gewichtigen Eingriffen ein Feststellungsinteresse trotz zwischenzeitlicher Erledigung jedenfalls dann anzuerkennen, wenn die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene gerichtlichen Rechtsschutz kaum erlangen kann (vgl. BVerfGE 110, 77 <86>; 117, 71 <122 f.>; stRspr). Gewichtig im hier maßgeblichen Sinne sind insbesondere (vgl. BVerfGE 96, 27 <40>; 104, 220 <233>; 117, 244 <269>), aber keineswegs ausschließlich Grundrechtseingriffe, die das Grundgesetz unter Richtervorbehalt gestellt hat (vgl. nur BVerfGE 110, 77 <86>; BVerfGK 11, 54 <59>; BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 15. März 2006 - 2 BvR 1419/05 -, juris, vom 28. September 1999 - 2 BvR 1897/95 u.a. -, NJW 2000, S. 273, und vom 14. Februar 1994 - 2 BvR 2091/93 -, juris).

30

Das Gewicht des geltend gemachten Grundrechtseingriffs kann auch unabhängig von der besonderen Konstellation der typischerweise vor Erreichbarkeit gerichtlichen Rechtsschutzes eintretenden Erledigung ein für die Beurteilung des Rechtsschutzinteresses zu berücksichtigender Gesichtspunkt sein (vgl. BVerfGE 81, 138 <140>; 104, 220 <232>; 116, 69 <79>). In Verfahren, die die Haftraumunterbringung eines Gefangenen betreffen, entfällt, sofern eine Verletzung der Menschenwürde durch die Art und Weise der Unterbringung in Frage steht, das Rechtsschutzinteresse nicht mit der Beendigung der beanstandeten Unterbringung (vgl. BVerfGK 6, 344 <347 f.> m.w.N.). Eine Verletzung der Menschenwürde steht in Rede, wenn ein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG substantiiert geltend gemacht wird, nach dem Sachvortrag des Rechtsschutzsuchenden also nicht von vornherein auszuschließen ist, dass ein Verstoß gegen die staatliche Pflicht zur Gewährleistung der materiellen Mindestvoraussetzungen menschenwürdiger Existenz (vgl. BVerfGE 40, 121 <133>; 82, 60 <80>; 91, 93 <111>; 110, 412 <445 f.>; 113, 88 <108 f.>) vorliegt, die dem Gefangenen auch in der Haft erhalten bleiben müssen (vgl. BVerfGE 45, 187 <228>; BVerfGK 12, 410 <414 f.>).

31

Was den Zugang des Rechtsschutzsuchenden zu einer höheren Instanz angeht, gewährleisten weder Art. 19 Abs. 4 GG noch andere Verfassungsbestimmungen einen Instanzenzug (vgl. BVerfGE 87, 48 <61>; 92, 365 <410>; stRspr). Sehen aber prozessrechtliche Vorschriften ein Rechtsmittel vor, so verbietet Art. 19 Abs. 4 GG den Gerichten eine Auslegung und Anwendung dieser Rechtsnormen, die die Beschreitung des eröffneten Rechtswegs in einer unzumutbaren, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert (vgl. BVerfGE 54, 94 <96 f.>; 77, 275 <284>; 78, 88 <99>; 112, 185 <208>; stRspr). Das Rechtsmittelgericht darf ein von der jeweiligen Rechtsordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer "leerlaufen" lassen (vgl. BVerfGE 78, 88 <99>; 96, 27 <39>; BVerfGK 11, 262 <266>; 12, 402 <406>).

32

b) Diesen Maßstäben haben die Gerichte nicht Rechnung getragen.

33

aa) Das Landgericht hat die verfassungsrechtlichen Maßstäbe verkannt, die sich aus Art. 19 Abs. 4 GG für das Fortbestehen eines Rechtsschutzinteresses nach Erledigung ergeben. Dabei kann offen bleiben, ob es eine Wiederholungsgefahr in vertretbarer Weise verneint hat. Denn jedenfalls hat es den Anspruch des Beschwerdeführers auf effektiven Rechtsschutz verletzt, indem es nicht berücksichtigte, dass ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse auch dann zu bejahen ist, wenn die Feststellung eines gewichtigen Grundrechtseingriffs begehrt wird, gegen den nach dem typischen Ablauf wirksamer Rechtsschutz nicht vor Erledigung zu erlangen ist (vgl. BVerfGE 110, 77 <86>; 117, 71 <122 f.>), oder wenn eine gegen die Menschenwürde verstoßende Haftraumunterbringung in Rede steht (vgl. BVerfGK 6, 344 <347 f.> m.w.N.).

34

Der Beschwerdeführer hatte einen Sachverhalt vorgetragen, nach dem weder eine gravierende Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 Satz 1 sowie - unter dem Gesichtspunkt des Gesundheitsschutzes - Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG noch die Möglichkeit einer Verletzung seiner Menschenwürde durch die Bedingungen der Haftraumunterbringung von der Hand zu weisen waren. Die von Art. 1 Abs. 1 GG geforderte Achtung der Würde, die jedem Menschen unabhängig von seiner gesellschaftlichen Stellung, seinen Verdiensten oder der Schuld, die er auf sich geladen hat, allein aufgrund seines Personseins zukommt (vgl. BVerfGE 1, 97 <104>; 87, 209 <228>; 107, 275 <284>; 109, 279 <313>), verbietet es grundsätzlich, Gefangene grob unhygienischen und widerlichen Haftraumbedingungen auszusetzen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 16. März 1993 - 2 BvR 202/93 -, NJW 1993, S. 3190 f.). Dies gilt auch insoweit, als die Unerträglichkeit der Verhältnisse im Haftraum durch Verhaltensweisen anderer Gefangener bedingt ist, und betrifft auch mit physischem oder verbalem Kot beschmierte Haftraumwände. Schutz vor solchen Widerwärtigkeiten, selbst strafbarer Art, mag, wie das Niedersächsische Justizministerium geltend macht, im Haftvollzug nicht ausnahmslos und unter allen Umständen erreichbar sein. Die Frage, wann in der Beschaffenheit von Hafträumen eine Missachtung des von Art. 1 Abs. 1 GG gewährleisteten Achtungsanspruchs liegt, lässt sich nicht ohne Rücksicht auf die Umstände und auf Fragen der praktischen Realisierbarkeit beantworten (vgl. BVerfGK 12, 422 <424> m.w.N.; zur Bedeutung der Vermeidbarkeit von mit der Haft verbundenen Leiden im Hinblick auf Art. 3 EMRK s. auch EGMR, Urteil vom 15. Juli 2002 - Rs. 47095/99 -, Kalashnikov/Russland, NVwZ 2005, S. 303 <304>). Was daraus für die Bestimmung der sachlichen und zeitlichen Grenzen des unter Umständen Hinzunehmenden folgt, bedarf hier keiner näheren Klärung. Denn die Strafvollstreckungskammer hatte jedenfalls im vorliegenden Fall nicht den geringsten Anlass zu der Annahme, dass staatlicherseits alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden waren, um den vom Beschwerdeführer dargestellten Verhältnissen entgegenzuwirken oder zu vermeiden, dass er ihnen ausgesetzt wurde. Die vom Beschwerdeführer geschilderten Zustände deuteten vielmehr auf das Gegenteil hin.

35

bb) Die Entscheidung des Oberlandesgerichts verstößt gegen Art. 19 Abs. 4 GG, weil sie das durch § 116 Abs. 1 StVollzG eröffnete Rechtsmittel ineffektiv macht und für den Beschwerdeführer "leerlaufen" lässt (vgl. BVerfGE 78, 88 <99>; 96, 27 <39>). Die nicht weiter begründete Annahme des Oberlandesgerichts, die Überprüfung des landgerichtlichen Beschlusses sei weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten (§ 116 Abs. 1 StVollzG), ist nicht nachvollziehbar. Der Beschwerdeführer hatte fristgemäß eine entsprechend der Formvorschrift des § 118 Abs. 3 StVollzG von der Rechtspflegerin protokollierte Rechtsbeschwerde eingelegt, mit der er unter anderem die Verfahrensrüge erhob und sich gegen die landgerichtliche Verneinung seines Fortsetzungsfeststellungsinteresses wandte. Zur Begründung hatte er geltend gemacht, es könne nicht sein, dass eine Rechtswidrigkeit nur bei Wiederholungsgefahr gerichtlich festgestellt werden könne, da anderenfalls die gerichtliche Überprüfung von (in der jeweiligen Art) einmaligen Rechtsverletzungen unmöglich sei und er daher solchen Rechtsverletzungen schutzlos ausgeliefert wäre. Genauer hätte er den Grund dafür, dass bei typischerweise vor Erreichbarkeit gerichtlichen Rechtsschutzes erledigten gewichtigen Grundrechtseingriffen Art. 19 Abs. 4 GG die Anerkennung eines Rechtsschutzinteresses auch noch nach Erledigung gebietet (vgl. BVerfGE 110, 77 <86>; 117, 71 <122 f.>), nicht benennen können. Bereits damit war deutlicher, als vom Beschwerdeführer erwartet werden konnte, aufgezeigt, dass die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Auslegung und Anwendung des Verfahrensrechts nicht gerecht wurde.

36

Weshalb bei dieser Sachlage eine Überprüfung der landgerichtlichen Entscheidung zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung (§ 116 Abs. 1, 2. Alt. StVollzG) entbehrlich gewesen sein sollte, erschließt sich nicht. Das Landgericht war von mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (s.o. unter a) nicht vereinbaren Voraussetzungen für das Fortbestehen eines Rechtsschutzinteresses ausgegangen. Zwar ist anerkannt, dass es auch in Fällen, in denen die Strafvollstreckungskammer ihre Entscheidung ausdrücklich oder implizit auf eine von der Rechtsprechung anderer Gerichte abweichende fehlerhafte Rechtsauffassung gestützt hat, an der Erforderlichkeit der Nachprüfung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung fehlen kann, weil nicht zu erwarten ist, dass der Rechtsfehler in weiteren Fällen Bedeutung erlangen wird (vgl. OLG Schleswig, Beschlüsse vom 8. Mai 2007 - 2 Vollz Ws 78/07 -, NStZ-RR 2007, S. 326, und vom 10. Januar 2006 - 2 Vollz Ws 453/05 -, ZfStrVO 2006, S. 242; OLG Celle, Beschlüsse vom 30. Mai 1990 - 1 Ws 117/90 -, BlStVKunde 1992, Nr. 2, S. 5, und vom 14. Januar 1999 - 1 Ws 296/98 -, StV 1999, S. 554 f.). Die Zulässigkeit einer Rechtsbeschwerde kann danach insbesondere dann verneint werden, wenn die Strafvollstreckungskammer ihren Rechtsfehler nachträglich erkannt und dies aktenkundig gemacht oder wenn das Oberlandesgericht in anderer Sache zu der Rechtsfrage Stellung genommen und sie anders beantwortet hat als die Strafvollstreckungskammer, diese das aber bei der Entscheidung noch nicht wissen konnte (vgl. Kamann/Volckart, in: Feest, StVollzG-Kommentar, 5. Aufl. 2006, § 116 Rn. 7; s. außerdem für die Möglichkeit, dass der Rechtsfehler einer Wiederholung deshalb nicht zugänglich ist, weil er eine singuläre Fallgestaltung betrifft, Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 11. Aufl. 2008, § 116 Rn. 2). Im vorliegenden Fall bestanden aber für die Annahme, dass das Landgericht seine mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unvereinbare Rechtsauffassung nicht auch künftigen Entscheidungen zugrundelegen werde, keinerlei Anhaltspunkte. Wenn unter solchen Umständen die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde verneint wird, ist das Grundrecht des Rechtsschutzsuchenden aus Art. 19 Abs. 4 GG verletzt (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 11. April 2008 - 2 BvR 866/06 -, juris).

37

3. Die Entscheidung des Landgerichts, soweit sie den Fortsetzungsfeststellungsantrag des Beschwerdeführers betrifft, und die Entscheidung des Oberlandesgerichts beruhen auf den festgestellten Grundrechtsverstößen. Sie sind daher - der landgerichtliche Beschluss: insoweit - aufzuheben (§ 93c Abs. 2, § 95 Abs. 2 BVerfGG). Die Sache wird gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG an das Landgericht zurückverwiesen.

38

4. Die Entscheidung über die Erstattung der Auslagen beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Tenor

1. Der Beschluss des Landgerichts Koblenz, Strafvollstreckungskammer Diez, vom 13. Dezember 2007 - 7 StVK 432/07 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes, soweit er die in der Vollzugsplanfortschreibung vom 10. Oktober 2007 getroffene Feststellung zur Frage der Gewährung von Vollzugslockerungen betrifft.

2. Der Beschluss des Landgerichts wird im genannten Umfang aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Koblenz zurückverwiesen.

3. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz vom 5. März 2008 - 2 Ws 52/08 (Vollz) - wird damit gegenstandslos.

4. Das Land Rheinland-Pfalz hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

I.

1

Der Beschwerdeführer verbüßt in der Vollzugsanstalt D. seit 1994 eine lebenslange Freiheitsstrafe. Im Strafurteil wurde die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet er sich gegen eine die Nichtgewährung von Lockerungen betreffende Feststellung in der Fortschreibung seines Vollzugsplans.

2

1. Für den Beschwerdeführer wurde unter dem 10. Oktober 2007 eine Vollzugsplanfortschreibung erstellt, in der es zur Frage der Gewährung von Vollzugslockerungen heißt, erst "im Anschluss" an die Festlegung der Mindestverbüßungsdauer "können konkrete Planungen im Hinblick auf Vollzugslockerungen erfolgen", und bevor "der Beschluss zur Mindestverbüßungszeit nicht eingegangen ist, können keine Entscheidungen hinsichtlich der Lockerungsgewährung getroffen werden".

3

Im Einzelnen hat die Vollzugsplanfortschreibung folgenden Inhalt:

4

"Der Gefangene verbleibt weiterhin im geschlossenen Vollzug der Vollzugsabteilung B.

5

Während der Haft gelang es Herrn M., das Fachabitur erfolgreich abzuschließen (Prüfung am 26.06.2007 mit der Durchschnittsnote 2,6). Auf das Abitur aufbauend begann er nunmehr als Vollzeitstudent ein Studium (Politik und Organisation). Der Studiengang (Bachelor) dauert 3 Jahre, für den Master müsste er noch 2 Jahre länger studieren. Der Gefangene erscheint hoch motiviert noch während der Haft den Studiengang der Fernuniversität Hagen erfolgreich abzuschließen.

6

Inzwischen wurde mit Schreiben vom 16.04.2007 zur Festsetzung der Mindestverbüßungsdauer Stellung genommen. Mit der Festlegung der Mindestverbüßungsdauer wird zum Ende des Jahres gerechnet. Erst im Anschluss daran können konkrete Planungen im Hinblick auf Vollzugslockerungen erfolgen.

7

Während der Konferenz wurde nochmals auf die Stellungnahme des psychologischen Dienstes eingegangen. Darin äußerte OPR W., dass Herr M. zwar zu diszipliniertem Lebenswandel und zu zielorientierter Arbeit fähig sei, es gäbe an den Schilderungen und Darstellungen des Gefangenen eigentlich nichts, worüber ein Diagnostiker im Hinblick auf eine günstige Prognose stolpern müsste. Herr M. habe die Motive seiner Tatbegehung verstanden, Scham und Betroffenheit entwickelt, diese auch zulassen können und habe zudem neue und andere Perspektiven für ein künftiges Leben entwickelt. Er habe sich einer Psychotherapie unterzogen und sein anfangs kämpferisches Verhalten im Vollzug reflektiert und weitestgehend aufgegeben. Dennoch stellten sich beim Diagnostiker Gefühle von Zweifel und Unsicherheit ein, ob die Regungen und Gefühlsschilderungen echt und authentisch waren.

8

In der Konferenz versucht Herr M. in den psychologischen Gesprächen ehrlich zu sein. Auf Nachfrage, ob er sich tatsächlich verändert hätte, gibt er an, er habe das Unrecht der Tat eingesehen und würde sich heute vom Querulantentum distanzieren.

9

Auf das Angebot, in den Wohngruppenvollzug der Vollzugsabteilung E verlegt zu werden, möchte er nur eingehen, wenn ihm eine Einzelzelle angeboten wird oder wenn er einen passenden Gefangenen für eine Gemeinschaft findet. Er begründet dies mit dem hier anvertrauten Umfeld und den eingeschränkten Sportmöglichkeiten im E-Flügel. Im Übrigen hätte er in der JVA F. ausreichend den Wohngruppenvollzug praktiziert. Dennoch ist er bereit, sich den E-Flügel persönlich vor seiner endgültigen Entscheidung anzuschauen.

10

Das Vollzugsverhalten ist weiterhin beanstandungsfrei. Innerhalb der Vollzugsabteilung wird er als ruhig und freundlich beschrieben. Er nehme an Freizeitaktivitäten (z.B. Tischtennisauswahl) teil, tätige Umschluss und kommt den Weisungen der Bediensteten nach.

11

Regelmäßig führt Herr M. Besuchsüberstellung zu seiner Schwester nach K. durch. Ansonsten pflegt er Kontakt zu seinen Eltern (I.) und einem ehemaligen Strafgefangenen.

12

Bevor der Beschluss zur Mindestverbüßungszeit nicht eingegangen ist, können keine Entscheidungen hinsichtlich der Lockerungsgewährung getroffen werden.

13

Unregelmäßige Urinkontrollen sind weiterhin angezeigt, auch wenn Herr M. sich bislang vom Drogenkonsum innerhalb der Anstalt distanzierte."

14

2. a) Der Beschwerdeführer stellte Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 109 StVollzG). Die Ablehnung jeglicher Vollzugslockerung verletze ihn in seinem durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Resozialisierungsinteresse. Die pauschale Bezugnahme auf die noch nicht erfolgte Festlegung der Mindestverbüßungszeit als Grund für die Verwehrung jeglicher Vollzugslockerungen sei keine ausreichende Grundlage für die Beurteilung der Frage, ob nunmehr Vollzugslockerungen gewährt werden könnten. Es fehle an der notwendigen umfassenden Abwägung der für und gegen die Gewährung von Vollzugslockerungen sprechenden Umstände. Besonders schwer wiege, dass die Fortschreibung nicht erkennen lasse, auf welchen gesetzlichen Versagungsgrund oder auf welche Ermessenserwägungen die ablehnende Entscheidung sich stütze. Die Vollzugsanstalt habe verkannt, dass die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld im Urteil des Schwurgerichts nicht notwendigerweise zu einer Verlängerung der Mindestvollstreckungsdauer von 15 Jahren führen müsse. Denn auch in den Fällen, in denen das Vorliegen besonderer Schwere der Schuld durch das erkennende Gericht festgestellt wurde, müsse gemäß § 57a Abs. 1 Nr. 2 StGB geprüft werden, ob die besondere Schwere der Schuld die weitere Vollstreckung gebiete.

15

Daneben erhob der Beschwerdeführer weitere Einwände gegen die Vollzugsplanfortschreibung. Von der Darstellung dieser Beanstandungen und ihrer Behandlung durch das Landgericht wird abgesehen, da die Verfassungsbeschwerde sich hierauf nicht bezieht.

16

b) Die Vollzugsanstalt führte in ihrer Stellungnahme aus, Lockerungen orientierten sich auch am voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt, zumal im Strafurteil - das bei dem vom Beschwerdeführer begangenen Tötungsdelikt drei Mordmerkmale festgestellt habe - festgehalten worden sei, dass die Mindestverbüßungsdauer von 15 Jahren deutlich überschritten werden müsse. Zwar habe der Beschwerdeführer die Taten zwischenzeitlich mit Hilfe des psychologischen Dienstes aufgearbeitet, am Anti-Gewalt-Training teilgenommen und das Abitur erreicht sowie ein verbessertes Vollzugsverhalten gezeigt. Dennoch müsse der Beschluss über die Mindestverbüßungsdauer abgewartet werden, bevor über Vollzugslockerungen entschieden werden könne. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Beschwerdeführer in der Haft wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer weiteren Haftstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt worden sei. Derzeit könne noch keine verlässliche Prognose erstellt werden. Fraglich sei zudem, inwieweit vor der Gewährung von Vollzugslockerungen noch ein externes Gutachten erforderlich werde. Erst nach Eingang der festgelegten Mindestverbüßungsdauer könne die Lockerungseignung geprüft werden. Nach Abwägung aller für und gegen den Beschwerdeführer sprechenden Argumente und insbesondere des Resozialisierungsinteresses des Gefangenen sei die Vollzugsplankonferenz zu dem Ergebnis gekommen, dass die Gewährung von Vollzugslockerungen nicht angezeigt sei.

17

c) Der Beschwerdeführer erwiderte, das Strafvollzugsgesetz lasse auch im Falle des Vollzugs lebenslanger Freiheitsstrafen bereits nach zehn Jahren Verbüßungsdauer die Gewährung von Urlaub zu. Damit habe der Gesetzgeber erkennen lassen, dass er auch bei einer weiteren zu verbüßenden Haftzeit von mindestens weiteren fünf Jahren die Gewährung einer weitreichenden Vollzugslockerung wie Urlaub für vertretbar halte. Die Entscheidung über die Gewährung von Vollzugslockerungen sei unabhängig von der Frage der Aussetzung des Strafrests zur Bewährung und einem in diesem Zusammenhang gegebenenfalls einzuholenden Gutachten zu treffen, zumal erfolgreich durchlaufene Vollzugslockerungen entscheidende Anknüpfungstatsachen im Rahmen der vollstreckungsrechtlichen Gesamtwürdigung seien.

18

d) Mit angegriffenem Beschluss vom 13. Dezember 2007 wies das Landgericht den Antrag als unbegründet zurück. Der Gefangene habe keinen Anspruch auf Aufnahme bestimmter Maßnahmen in den Vollzugsplan, sondern lediglich Anspruch auf diesbezüglich ermessensfehlerfreie Entscheidung. Ein Ermessensfehler sei hier - auch hinsichtlich der Gewährung von Vollzugslockerungen - nicht ersichtlich. Die Vollzugsanstalt habe unter Zugrundelegung ihrer Kenntnisse und ihrer Würdigung zur Persönlichkeit des Beschwerdeführers und seines Vollzugsverhaltens Abwägungen vorgenommen, die Ermessensfehler nicht erkennen ließen.

19

Anhaltspunkte für eine Flucht- oder Missbrauchsgefahr lägen beim Beschwerdeführer nicht vor; auf Flucht- oder Missbrauchsgefahr habe sich die Vollzugsanstalt nicht gestützt. Vielmehr habe sie unter Abwägung der im Einzelfall für und gegen eine Verlegung sprechenden Umstände unter Berücksichtigung der Persönlichkeit sowie der Entwicklung und des Verhaltens des Beschwerdeführers im Strafvollzug eine ermessensfehlerfreie Entscheidung getroffen. Dies ergebe sich insbesondere daraus, dass auch positive Gesichtspunkte, die für die Gewährung von Lockerungen sprechen könnten, aufgeführt worden seien. Entscheidend seien für die Vollzugsanstalt die Persönlichkeit des Beschwerdeführers sowie der noch ausstehende Beschluss zur Mindestverbüßungszeit gewesen. Zwar habe die Vollzugsanstalt - insoweit sei den Ausführungen des Beschwerdeführers zu folgen - eine von der Festsetzung der Mindestverbüßungszeit unabhängige Gesamtabwägung der Umstände vorzunehmen. Allerdings sei auch zu beachten, dass sich die Gewährung von Vollzugslockerungen als Form der Behandlungsmaßnahme insbesondere auch als eine Entlassungsvorbereitung darstelle. Zwar könne allein der Umstand, dass der Zeitpunkt der Entlassung noch nicht absehbar sei, die Versagung von Vollzugslockerungen nicht begründen. Entscheidend träten jedoch weitere Faktoren hinzu. So sei der Beschwerdeführer während der Haft erneut straffällig geworden; auch könne die Vollzugsanstalt unter Zugrundelegung des Eindrucks, den sie durch den persönlichen Umgang mit dem Beschwerdeführer habe gewinnen können, nicht hinreichend verlässlich bewerten, inwieweit die Aufarbeitung und das Verhalten des Beschwerdeführers von Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit bestimmt seien, so dass eine verlässliche positive Prognose nicht gestellt werden könne.

20

3. Der Beschwerdeführer erhob Rechtsbeschwerde. Es fehle an einer vollständigen Ermittlung und Würdigung des Sachverhalts. Die Strafvollstreckungskammer dürfe den Sachvortrag einer Seite nicht ungeprüft zugrundelegen. Diese hätte die Gefangenenpersonalakte mit der Stellungnahme des psychologischen Dienstes beiziehen müssen und Feststellungen in der Vollzugsplanfortschreibung nicht ungeprüft übernehmen dürfen. Im Fall der Beiziehung der Gefangenenpersonalakte und der Stellungnahme des Psychologischen Dienstes wäre der Kammer nicht verborgen geblieben, dass in der Stellungnahme nur von einem "Graubereich des leichten Zweifels" die Rede sei und nicht von "Zweifeln daran, ob die Regungen und Gefühlsschilderungen des Antragsstellers echt seien". Ferner sei nicht nachvollziehbar, warum das Gericht davon ausgehe, dass Lockerungen vor dem Ergehen eines Beschlusses über die weitere Vollstreckung der Freiheitsstrafe nicht gewährt werden könnten, obwohl es zu dem Ergebnis gekommen sei, dass weder für eine Flucht- noch für eine Missbrauchsgefahr Anhaltspunkte vorlägen. Die Kammer habe zudem übersehen, dass es für die ausstehende Entscheidung über eine Aussetzung des Strafrests zur Bewährung ganz wesentlich darauf ankomme, ob er sich bereits im Rahmen von Vollzugslockerungen bewährt habe. Die ermessensfehlerhafte Versagung von Lockerungen nehme ihm die Möglichkeit, durch erfolgreiches Durchlaufen von Vollzugslockerungen zu einer ausreichenden Bandbreite an prognostisch bedeutsamen Anknüpfungstatsachen beizutragen. Er befinde sich seit mehr als 14 Jahren in Haft. Bislang seien ihm keinerlei Lockerungen, nicht einmal Ausführungen, gewährt worden.

21

Mit angegriffenem Beschluss vom 5. März 2008 verwarf das Oberlandesgericht die Rechtsbeschwerde als unzulässig; die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung sei weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten.

II.

22

1. Mit seiner gegen den Beschluss des Landgerichts, soweit er die lockerungsbezogene Vollzugsplanfortschreibung betrifft, und gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts gerichteten Verfassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer geltend, die gerichtliche Bestätigung der auf die fehlende Festlegung der Mindestverbüßungszeit gestützten Versagung von Vollzugslockerungen verletze ihn in seinem durch Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Resozialisierungsinteresse. Die Strafvollstreckungskammer habe verkannt, dass der Gesetzgeber einen Zeitrahmen für die Gewährung von Vollzugslockerungen gerade nicht vorgesehen habe. Abgesehen von der in § 13 Abs. 3 StVollzG genannten Ausnahme sei die Gewährung von Vollzugslockerungen nach dem Strafvollzugsgesetz auch bei zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilten Gefangenen jederzeit unter den Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 StVollzG möglich. Billigte man das Vorgehen der Justizvollzugsanstalt, so hätte dies zur Folge, dass zu lebenslanger Haft Verurteilte, bei denen die besondere Schwere der Schuld festgestellt sei, von jeglicher Vollzugslockerung - sogar von Ausführungen in Begleitung von Beamten - bis zur Festsetzung der Mindestverbüßungsdauer ausgeschlossen wären. Dies sei unter Resozialisierungsgesichtspunkten unvertretbar.

23

2. Das Ministerium der Justiz des Landes Rheinland-Pfalz hat von einer Stellungnahme abgesehen.

24

3. Der Beschwerdeführer hat mitgeteilt, dass ihm nach wie vor keine Vollzugslockerungen gewährt werden.

III.

25

Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist. Die Entscheidungskompetenz der Kammer ist gegeben (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG); die für die Entscheidung des Falles maßgeblichen verfassungsrechtlichen Grundsätze sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt. Die Verfassungsbeschwerde ist danach zulässig (1.) und offensichtlich begründet im Sinne des § 93c Abs. 1 BVerfGG (2.).

26

1. Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde stünde es nicht entgegen, wenn zwischenzeitlich eine weitere Fortschreibung des Vollzugsplans erfolgt sein sollte. Das Rechtsschutzinteresse wäre insoweit nicht wegen Erledigung des ursprünglichen Rechtsschutzbegehrens entfallen.

27

Nach dem Stand der fachgerichtlichen Rechtsprechung steht schon nicht fest, ob die weitere Fortschreibung eines Vollzugsplans überhaupt zur Erledigung eines gegen die vorausgegangene Fortschreibung gerichteten Rechtsschutzbegehrens führt (verneinend Hanseatisches OLG, Beschluss vom 13.Juni 2007 - 3 Vollz (Ws) 26/07 u.a. -, juris; für die gegenteilige Auffassung vgl. Nachweise in BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Dezember 2009 - 2 BvR 244/08 -, juris).

28

Ein Rechtsschutzinteresse bestünde im Übrigen auch bei anzunehmender Erledigung fort. Dabei kann offen bleiben, ob sich dies im vorliegenden Fall bereits aus dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr ergibt (vgl. BVerfGK 8, 319 <322>). Ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse ist hier jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des Fortbestehens beeinträchtigender Wirkungen der angegriffenen Entscheidungen und der zugrundeliegenden vollzugsbehördlichen Maßnahme (vgl. BVerfGE 81, 138 <140>; 104, 220 <233>; 110, 77 <85 f.>) anzuerkennen. Denn für die Entscheidung über die Aussetzung des Strafrests zur Bewährung kommt es unter anderem darauf an, ob eine fehlende Erprobung des Gefangenen in Lockerungen auf rechtmäßiger oder auf rechtswidriger Versagung von Lockerungen beruht (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 30. April 2009 - 2 BvR 2009/08 -, EuGRZ 2009, S. 246 <249 f.>). In diesem Zusammenhang entfaltet die ungerechtfertigte Verneinung der Lockerungseignung in einer Vollzugsplanfortschreibung eine fortdauernde beeinträchtigende Wirkung, wenn sie von den Fachgerichten als rechtmäßig bestätigt wird. Bei gewichtigen Grundrechtsverstößen ist zudem von einem auch nach Erledigung fortbestehenden Interesse an der Gewährung verfassungsgerichtlichen Rechtsschutzes auszugehen, wenn die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine verfassungsgerichtliche Entscheidung kaum erlangen kann (vgl. BVerfGE 110, 77 <86>; 117, 244 <268>; BVerfGK 11, 54 <59>; BVerfG, Beschluss der 2.Kammer des Zweiten Senats vom 31. August 1993 - 2 BvR 785/93 -, juris). Angesichts der Bedeutung lockerungsbezogener Entscheidungen für die Chance des Betroffenen auf Wiedererlangung der Freiheit (vgl. BVerfGE 109, 133 <165 f.>; 117, 71 <108>) steht hier ein im Sinne dieses Grundsatzes gewichtiger Grundrechtsverstoß in Rede.

29

2. Die angegriffene Entscheidung des Landgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG.

30

a) Der Vollzug von Freiheitsstrafen ist nicht nur kraft einfachen Gesetzesrechts (§ 2 Satz 1 StVollzG), sondern von Verfassungs wegen dem Ziel der Resozialisierung verpflichtet (vgl. BVerfGE 35, 202 <235 f.>; 116, 69 <85>; stRspr).

31

Der Vollzugsplan, zu dessen Aufstellung und kontinuierlicher Fortschreibung § 7 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 StVollzG die Vollzugsbehörde verpflichtet, ist zentrales Element eines am Resozialisierungsziel ausgerichteten Vollzuges (vgl. BVerfGK 1, 3 <5 f.>; 9, 231 <236>). Er dient der Konkretisierung des Vollzugsziels im Blick auf den einzelnen Gefangenen und bildet mit richtungsweisenden Grundentscheidungen zum Vollzugs- und Behandlungsablauf einen Orientierungsrahmen für den Gefangenen wie für die Vollzugsbediensteten. Dies setzt voraus, dass der Plan auf die Entwicklung des Gefangenen und die in Betracht kommenden Behandlungsansätze in zureichender, Orientierung ermöglichender Weise eingeht (BVerfGK 9, 231 <236 f.> m.w.N.). Das gilt angesichts der Verpflichtung, auch dem zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten eine Chance zur Wiedererlangung seiner Freiheit zu eröffnen (vgl. BVerfGE 45, 187 <238 f.>; 64, 261 <271 f.>; 98, 169 <200>), auch in Fällen lebenslanger Freiheitsstrafe. In diesen Fällen muss jedenfalls bei schon länger andauerndem Vollzug unabhängig davon, ob ein Entlassungszeitpunkt sich bereits konkret abzeichnet, die Vollzugsplanung besonders auch auf die Vermeidung schädigender Auswirkungen lang dauernden Freiheitsentzuges als ein wesentliches Teilelement des Resozialisierungsauftrages (vgl. BVerfGE 45, 187 <238 f.>; 98, 169 <200>) ausgerichtet sein (BVerfGK 9, 231 <237>). Die Bestimmungen über den Vollzugsplan begründen dabei eigenständige Rechte und Pflichten, die gegenüber den einzelne Vollzugsmaßnahmen betreffenden Rechten und Pflichten verselbständigt sind. Die demnach grundsätzlich gegebene Möglichkeit einer Rechtsverletzung durch lockerungsbezogene Lücken oder Inhalte des Vollzugsplans besteht unabhängig davon, ob der Gefangene zuvor Lockerungen beantragt hat (vgl. BVerfGK 8, 319 <324>).

32

Erstrebt ein Gefangener Vollzugslockerungen (§ 11 Abs. 1 StVollzG), so wird er durch deren Versagung in seinem durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützten Resozialisierungsinteresse berührt (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. Juni 2002 - 2 BvR 116/02 -, juris). Das gilt auch für einen zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten. Androhung und Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe finden ihre verfassungsrechtlich notwendige Ergänzung in einem sinnvollen Behandlungsvollzug (vgl. BVerfGE 45, 187 <238>; 64, 261 <272 f.>; stRspr). Die Vollzugsanstalten sind mithin im Blick auf Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verpflichtet, schädlichen Auswirkungen des Freiheitsentzugs, vor allem deformierenden Persönlichkeitsstörungen, die die Lebenstüchtigkeit ernsthaft in Frage stellen und es ausschließen, dass sich der Gefangene im Falle einer Entlassung aus der Haft im normalen Leben noch zurechtzufinden vermag, im Rahmen des Möglichen zu begegnen (vgl. BVerfGE 45, 187 <238>; 64, 261 <272 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. Juni 2002 - 2 BvR 116/02 -, juris). Diesem Ziel dient der in § 13 Abs. 1 StVollzG geregelte Urlaub (vgl. BVerfGE 64, 261 <273>) ebenso wie ein mit Zustimmung des Gefangenen als Lockerung des Vollzugs angeordneter Ausgang oder eine Ausführung unter Aufsicht. Vollzugslockerungen machen es dem Gefangenen möglich, nach langem Freiheitsentzug wenigstens ansatzweise Orientierung für ein normales Leben zu suchen und zu finden. Je nach dem Erfolg dieser Orientierungssuche stellen sich die Lebensverhältnisse des Gefangenen günstiger oder ungünstiger dar. Für eine vom Gericht zu treffende Entscheidung über die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung (§ 57a Abs. 1 i.V.m. § 57 Abs. 1 StGB) spielt die Bewährung in Vollzugslockerungen ebenfalls eine entscheidende Rolle (vgl. BVerfGE 117, 71 <108>); die Chancen, zu einer günstigen Sozialprognose zu gelangen (vgl. § 57a Abs. 1 i.V.m. § 57 Abs. 1 StGB), werden durch eine vorherige Gewährung von Vollzugslockerungen verbessert, durch deren Versagung aber verschlechtert (BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 13. Dezember 1997 - 2 BvR 1404/96 -, NJW 1998, S. 1133 <1134>, und vom 12. Juni 2002 - 2 BvR 116/02 -, juris). Lockerungen können danach nicht auf die Funktion der unmittelbaren Vorbereitung einer konkret absehbaren Entlassung beschränkt werden. Bei langjährig Inhaftierten kann es, auch wenn eine konkrete Entlassungsperspektive sich noch nicht abzeichnet, geboten sein, zumindest Lockerungen in Gestalt von Ausführungen dadurch zu ermöglichen, dass die Justizvollzugsanstalt einer von ihr angenommenen Flucht- oder Missbrauchsgefahr durch geeignete Sicherheitsvorkehrungen entgegenwirkt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 10. September 2008 - 2 BvR 719/08 -, juris). Die Justizvollzugsanstalt darf sich zudem nicht auf bloße pauschale Wertungen oder auf den Hinweis einer abstrakten Flucht- oder Missbrauchsgefahr im Sinne von § 11 Abs. 2 StVollzG beschränken. Sie hat vielmehr im Rahmen einer Gesamtwürdigung nähere Anhaltspunkte darzulegen, welche geeignet sind, die Prognose einer Flucht- oder Missbrauchsgefahr in der Person des Gefangenen zu konkretisieren (vgl. BVerfGE 64, 261 <277>; 70, 297 <312 ff.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 1. April 1998 - 2 BvR 1951/96 -, NStZ 1998, S. 430 <431>). Ob dies geschehen ist, hat die Strafvollstreckungskammer zu überprüfen (vgl. BVerfGE 70, 297 <308>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 13. Dezember 1997 - 2 BvR 1404/96 -, NJW 1998, S. 1133 <1134>).

33

b) Das Landgericht hat erkannt, dass nach diesen verfassungsrechtlichen Grundsätzen einem zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten nicht jegliche Lockerungsperspektive allein mit der Begründung versagt werden kann, die Festlegung der Mindestverbüßungsdauer für seine Strafe stehe noch aus (vgl. auch Hanseatisches OLG, Beschluss vom 6. Oktober 1977 - Vollz (Ws) 10/77 -, ZfStrVo 1978 , S. 8; OLG Frankfurt, Beschlüsse vom 17. November 1988 - 3 Ws 699/88 (StVollz) -, NStZ 1989, S. 246 f., und vom 5. Juli 1993 - 3 Ws 242/93 -, StV 1993, S. 599; Ullenbruch, in: Schwind/Böhm/Jehle, StVollzG, 4. Auflage 2005, § 11 Rn. 27; Lesting, in: Feest, AK-StVollzG, 5. Auflage 2006, § 11 Rn. 50). Es hat aber diese Erkenntnis auf den konkreten Fall nicht angewendet.

34

Die Vollzugsplanfortschreibung für den Beschwerdeführer enthielt zur Frage der Vollzugslockerungen allein zwei Aussagen, die nach den dargestellten verfassungsrechtlichen Vorgaben ungeeignet sind, die Versagung von Lockerungen oder eine entsprechende Vorprägung konkreter Lockerungsentscheidungen durch den Vollzugsplan zu tragen: "Erst im Anschluss daran", d.h. an die Festlegung der Mindestverbüßungsdauer, "können konkrete Planungen im Hinblick auf Vollzugslockerungen erfolgen" und "Bevor der Beschluss zur Mindestverbüßungszeit nicht eingegangen ist, können keine Entscheidungen hinsichtlich der Lockerungsgewährung getroffen werden". Durch eine wohlwollende Auslegung der Vollzugsplanfortschreibung dahingehend, dass die sonstigen darin enthaltenen Erwägungen gleichfalls zur Begründung der lockerungsbezogenen Planaussage dienen sollten, konnte - unabhängig von der Frage, ob diese Auslegung noch im Rahmen des fachgerichtlichen Entscheidungsspielraums anzusiedeln wäre - dieser Begründungsmangel schon deshalb nicht behoben werden, weil sich in der Vollzugsplanfortschreibung neben zahlreichen Hinweisen auf eine positive Entwicklung nicht eine einzige Feststellung findet, die auch nur in der Tendenz geeignet wäre, eine fehlende Lockerungseignung des Beschwerdeführers zu begründen.

35

Allerdings hatte die Vollzugsbehörde im Verfahren vor der Strafvollstreckungskammer ergänzende Ausführungen gemacht: Lockerungen orientierten sich auch am voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt, zumal im Strafurteil festgestellt worden sei, dass die Mindestverbüßungsdauer von 15 Jahren deutlich überschritten werden müsse. Zwar habe der Beschwerdeführer seine Taten zwischenzeitlich mit Hilfe des psychologischen Dienstes aufgearbeitet, am Anti-Gewalt-Training teilgenommen und das Abitur erreicht sowie ein verbessertes Vollzugsverhalten gezeigt. Dennoch müsse der Beschluss über die Mindestverbüßungsdauer abgewartet werden, bevor über Vollzugslockerungen entschieden werden könne. Hinzu komme die in der Haftzeit erfolgte strafrechtliche Verurteilung des Beschwerdeführers wegen einer Betäubungsmittelstraftat. Eine verlässliche Prognose könne derzeit noch nicht erstellt werden. Fraglich sei zudem, inwieweit vor der Gewährung von Vollzugslockerungen noch ein externes Gutachten erforderlich werde. Erst nach Festlegung der Mindestverbüßungsdauer könne die Lockerungseignung geprüft werden. Die erfolgte Abwägung aller für und gegen den Beschwerdeführer sprechenden Argumente, insbesondere seines Resozialisierungsinteresses, habe daher zu dem Ergebnis geführt, dass die Gewährung von Vollzugslockerungen nicht angezeigt sei.

36

Es kann offen bleiben, ob und gegebenenfalls inwieweit es sich hier um ein im gerichtlichen Verfahren nicht mehr zulässiges Nachschieben von Ermessenserwägungen handelte (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 22. August 1996 - 1 Vollz (Ws) 83/96 -, StV 1997, S. 32 f.; Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 11. Auflage 2008, § 11 Rn. 18; Kamann/Volckart, in: Feest, AK-StVollzG, 5. Auflage 2006, § 115 Rn. 53; Schuler, in: Schwind/Böhm/Jehle, StVollzG, § 115 Rn. 4 m.w.N. aus der fachgerichtlichen Rechtsprechung). Denn jedenfalls beruht auch die nachgeschobene Begründung nicht auf der von Verfassungs wegen gebotenen Gesamtwürdigung der für die Frage der Lockerungseignung erheblichen Umstände (vgl. BVerfGE 64, 261 <277>; 70, 297 <312 ff.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 1. April 1998 - 2 BvR 1951/96 -, NStZ 1998, S. 430 <431>), sondern auf der unhaltbaren Annahme, dass über die Lockerungseignung des Beschwerdeführers erst nach Festlegung der Mindestverbüßungsdauer befunden werden könne. Mit den Behauptungen, es müsse der Beschluss über die Mindestverbüßungsdauer abgewartet werden, bevor über Vollzugslockerungen entschieden werden könne, und erst "nach Eingang der festgelegten Mindestverbüßungsdauer" könne "die Lockerungseignung geprüft werden", hat die Justizvollzugsanstalt in ihrer Stellungnahme nicht nur an der unzutreffenden ursprünglichen Begründungserwägung festgehalten, sondern zugleich in aller Deutlichkeit bekundet, dass entgegen ihrer Behauptung, es sei eine umfassende Abwägung erfolgt, die erforderliche nähere Prüfung der Lockerungseignung noch gar nicht stattgefunden hatte. Das damit eingestandene Prüfungs- und Abwägungsdefizit springt im Übrigen auch insofern ins Auge, als sich die Stellungnahme mit keinem Wort zu der Frage verhält, weshalb nicht ungeachtet etwaiger Prognoseunsicherheiten die Lockerungsvoraussetzungen des § 11 Abs. 2 StVollzG dadurch gewährleistet werden können, dass Ausführungen mit entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen vorgesehen werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 10. September 2008 - 2 BvR 719/08 -, juris). Nachdem der Beschwerdeführer längst die Haftdauer überschritten hatte, jenseits derer einem zu lebenslanger Haft Verurteilten nach § 13 Abs. 1, 3 StVollzG sogar Urlaub aus dem geschlossenen Vollzug gewährt werden kann, waren Feststellungen dazu offensichtlich nicht entbehrlich.

37

Die Erwägungen, mit denen das Landgericht den lockerungsbezogenen Inhalt der Vollzugsplanfortschreibung dennoch unbeanstandet gelassen hat, gehen an diesen Mängeln der angefochtenen Maßnahme der Justizvollzugsanstalt vorbei und sind auch sonst nicht nachvollziehbar. Das Landgericht hat angenommen, Anhaltspunkte für eine Flucht- oder Missbrauchsgefahr lägen beim Beschwerdeführer nicht vor; auf Flucht- oder Missbrauchsgefahr habe sich die Vollzugsanstalt auch nicht gestützt. Unter dieser Voraussetzung konnte die Entscheidung der Justizvollzugsanstalt, Lockerungen vollzugsplanerisch jedenfalls bis zur Festsetzung der Mindestverbüßungszeit auszuschließen, nur auf der Grundlage einer Ermessensausübung dahingehend, dass Lockerungen unabhängig von den Versagungsgründen nach § 11 Abs. 2 StVollzG nicht zu gewähren seien, Bestand haben (vgl. zur Zulässigkeit rein ermessensbasierter Versagung von Vollzugslockerung statt vieler Arloth, StVollzG, 2. Auflage 2008, § 11 Rn. 3, 12; Ullenbruch, in: Schwind/Böhm/Jehle, StVollzG, 4. Auflage 2005, § 11 Rn. 26). Dass die Justizvollzugsanstalt eine Ermessensentscheidung in diesem Sinne getroffen habe, hat das Landgericht offenbar auch angenommen. Zu deren Rechtfertigung wären aber, voraussetzungsgemäß, von der Frage des Vorliegens einer Flucht- oder Missbrauchsgefahr unabhängige Ermessensgründe erforderlich gewesen. Tragfähige Gründe dieser Art hat das Landgericht nicht festgestellt; sie waren - ganz abgesehen von den Grenzen des zulässigen Nachschiebens von Ermessenserwägungen im gerichtlichen Verfahren - auch weder in der Vollzugsplanfortschreibung noch in der behördlichen Stellungnahme zum Antrag des Beschwerdeführers auf gerichtliche Entscheidung aufzufinden. In der behördlicherseits angeführten Begründung, dass zunächst die Festlegung der Mindestverbüßungsdauer abgewartet werden müsse, offenbarte sich vielmehr je nachdem, ob dies als Rechts- oder als Ermessenserwägung aufzufassen war, ein Ermessensnichtgebrauch oder -fehlgebrauch.

IV.

38

1. Der Beschluss des Landgerichts beruht auf dem festgestellten Grundrechtsverstoß. Er ist gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben, soweit er die in der Vollzugsplanfortschreibung vom 10. Oktober 2007 getroffene Feststellung zur Frage der Gewährung von Vollzugslockerungen betrifft. Die Sache ist insoweit an das Landgericht zurückzuverweisen. Der Beschluss des Oberlandesgerichts, das allein in dieser Frage mit der Rechtsbeschwerde angerufen war, wird damit gegenstandslos.

39

2. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung ergibt sich aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Tenor

Die Beschlüsse des Amtsgerichts Kempten (Allgäu) vom 8. April 2009 - 2 Gs 808/09 - und des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 29. April 2009 und vom 19. Mai 2009 - 1 Qs 91/09 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Artikel 103 Absatz 1 des Grundgesetzes. Sie werden aufgehoben. Die Sache wird zur Entscheidung über die Kosten an das Landgericht Kempten (Allgäu) zurückverwiesen.

...

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft den Anspruch auf rechtliches Gehör.

I.

2

1. Der Beschwerdeführer, der sich wegen des Verdachts von Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz in Untersuchungshaft befand, beantragte, ihm das Einbringen und den Besitz seiner Gitarre zu gestatten. Der Ermittlungsrichter lehnte dies mit angegriffenem Beschluss vom 8. April 2009 ab, ohne dem Beschwerdeführer die in dem Verfahren abgegebene Stellungnahmen der Justizvollzugsanstalt und der Staatsanwaltschaft zu übersenden. Die Gitarre sei mit dem Zweck der Untersuchungshaft und der Ordnung der Vollzugsanstalt nicht vereinbar (§ 119 Abs. 3 und 4 StPO a.F.). Drogenkonsum gefährde die Sicherheit in der Justizvollzugsanstalt. Es bestehe der dringende Verdacht, dass der Beschwerdeführer vor seiner Inhaftierung Suchtmittel missbraucht habe. Ein Musikinstrument eigne sich hervorragend als Versteck für Drogen. Insbesondere bestehe die Gefahr, dass andere Gefangene an den Beschwerdeführer heranträten und die Gitarre als ideales Versteck für Drogen und andere sicherheitsgefährdende Gegenstände nutzten. Zudem könnten die Gitarre selbst oder ihre Saiten als gefährliche Werkzeuge gegen Mitgefangene oder Vollzugspersonal eingesetzt werden.

3

2. Mit der Beschwerde rügte der Beschwerdeführer einen Verstoß gegen seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) durch Nichtübersendung der eingeholten Stellungnahmen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müsse er über die Äußerungen der Gegenseite informiert werden. Ohne Kenntnis des Sach- und Streitstandes könne er sein Anhörungsrecht nicht effektiv wahrnehmen. Der Inhalt der Stellungnahmen ergebe sich auch nicht aus dem Beschluss. Daher könne er nicht angeben, was er hätte erwidern können, wenn ihm das rechtliche Gehör gewährt worden wäre. Im Übrigen sei die Begründung des Beschlusses auch nicht haltbar. Die Justizvollzugsanstalt verleihe über die Straffälligenhilfe oder über den Geistlichen selbst Gitarren; auch Ersatzsaiten seien jederzeit erhältlich. Somit könne der Gitarre und den Saiten kein Sicherheitsrisiko innewohnen. Ein Sicherheitsrisiko durch das Einbringen einer Gitarre von außen lasse sich mit minimalem Aufwand - durch Inspektion mithilfe eines kleinen Spiegels - beseitigen. Eine solche Inspektion könne auch im Rahmen der regelmäßigen Haftraumkontrollen erfolgen.

4

Das Landgericht verwarf mit angegriffenem Beschluss vom 29. April 2009 die Beschwerde "aus den zutreffenden, durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräfteten Gründen des angefochtenen Beschlusses".

5

3. Hiergegen beantragte der Beschwerdeführer "die Nachholung des rechtlichen Gehörs gemäß § 33a StPO". Das Gericht habe nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor Erlass einer Entscheidung zu prüfen, ob den Verfahrensbeteiligten rechtliches Gehör gewährt worden sei; zu dem Verfahrensstoff, über den informiert werden müsse, gehörten unter anderem Stellungnahmen der Gegenseite. Sein Anspruch aus Art. 103 Abs. 1 GG sei in gravierender Weise verletzt worden. Das rechtliche Gehör sei auch im Beschwerderechtszug nicht nachgeholt worden.

6

Mit angegriffenem Beschluss vom 19. Mai 2009 gab das Landgericht der "Gegenvorstellung … keine Folge". Der Beschwerdeführer übersehe, dass es sich vorliegend um ein Beschwerde- und nicht um ein Antragsverfahren handele. Das Amtsgericht habe seiner Beschwerde nicht abgeholfen. Von der Staatsanwaltschaft sei die Beschwerde ohne weitere Stellungnahme dem Landgericht vorgelegt worden. Im vorliegenden Beschlussverfahren werde dem Beschwerdeführer nur ein allgemeines, jedoch kein spezielles, auf einzelne rechtliche Argumente bezogenes Gehör gewährt. Im Übrigen gebe es keinerlei Argument der Verfolgungsbehörde, zu welchem der Beschwerdeführer hätte gehört werden können. Der die Beschwerde verwerfende Beschluss der Kammer offenbare nach seiner Sachlogik vielmehr, dass der Beschwerdevortrag vollkommen ungeeignet gewesen sei, die zutreffenden Gründe des amtsgerichtlichen Beschlusses zu entkräften.

7

4. Seit dem 4. April 2009 konnte der Beschwerdeführer eine Leihgitarre, seit dem 22. Dezember 2009 eine über einen Versandhändler erworbene eigene Gitarre in seinem Haftraum nutzen. Seit dem 11. Februar 2010 befindet er sich nicht mehr in Untersuchungshaft, sondern in Strafhaft in einer anderen Justizvollzugsanstalt.

II.

8

1. Mit seiner fristgerecht erhobenen Verfassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer geltend, seine Grundrechte aus Art. 103 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG seien verletzt. Ihm sei nicht, wie nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geboten, Gelegenheit gegeben worden, zu dem entscheidungserheblichen Vortrag der Gegenseite Stellung zu nehmen. Der Inhalt der Stellungnahmen gehe auch aus dem Beschluss des Amtsgerichts nicht hervor. Ein weiterer Vortrag sei ihm daher nach wie vor nicht möglich. Die Versagung der Einbringung seiner Privatgitarre werde den grundrechtlichen Anforderungen nicht gerecht, weil sie vernachlässige, dass Schwierigkeiten der Überwachung im Rahmen des Zumutbaren hinzunehmen seien. Dieser Rahmen sei, wie auch die Praxis der Verleihung von Gitarren zeige, hier nicht überschritten. Die Justizvollzugsanstalt Kempten verfüge zudem, wie er inzwischen erfahren habe, über ein Durchleuchtungsgerät, das die Kontrolle einer eingebrachten Gitarre wesentlich vereinfache.

9

2. Der Freistaat Bayern hält die Verfassungsbeschwerde für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet.

10

a) Der Verfassungsbeschwerde fehle das Rechtsschutzbedürfnis, weil sich das Rechtsschutzziel erledigt habe. Seit dem 4. April 2009 habe dem Beschwerdeführer eine Leihgitarre der Justizvollzugsanstalt zur Benutzung auf seinem Haftraum zur Verfügung gestanden. Jedenfalls durch den späteren Bezug einer eigenen Gitarre aus sicherer Quelle sei das sachliche Interesse des Beschwerdeführers verwirklicht. Ein schutzwürdiges Interesse an der Einbringung derjenigen Gitarre, auf die sich der ursprüngliche Antrag bezog, bestehe nicht mehr. Abgesehen davon habe sich das mit der Verfassungsbeschwerde verfolgte Rechtsschutzziel jedenfalls dadurch erledigt, dass der Beschwerdeführer sich seit dem 11. Februar 2010 nicht mehr in Untersuchungshaft, sondern in einer anderen Justizvollzugsanstalt in Strafhaft befinde. Die Voraussetzungen für das Fortbestehen eines Rechtsschutzbedürfnisses trotz Erledigung des verfolgten Begehrens lägen nicht vor. Der in dem Verbot des Einbringens einer eigenen Gitarre liegende Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit sei nicht folgenschwer und jedenfalls im vorliegenden Fall auch nicht besonders tiefgreifend. Dadurch, dass die Justizvollzugsanstalt Leihgitarren zur Verfügung stelle, sei gewährleistet gewesen, dass der Beschwerdeführer nur zeitweise, nämlich bis zum Freiwerden einer Leihgitarre, gehindert gewesen sei, in der Untersuchungshaft Gitarre zu spielen. Ein Rechtsschutzbedürfnis sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr gegeben. Die rein abstrakte Möglichkeit, dass der Beschwerdeführer erneut unter vergleichbaren Voraussetzungen zur Vollziehung von Untersuchungshaft in die Justizvollzugsanstalt Kempten kommen könne, genüge hierfür nicht.

11

b) Die Verfassungsbeschwerde sei zudem unbegründet.

12

aa) Der Eingriff in das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit sei verfassungsrechtlich gerechtfertigt gewesen. Insoweit bilde § 119 Abs. 3 StPO (a.F.) eine zureichende gesetzliche Grundlage für Einschränkungen grundrechtlicher Freiheiten von Untersuchungsgefangenen. Angesichts des Verdachts von Straftaten gegen das Betäubungsmittelgesetz und des beim Beschwerdeführer festgestellten Betäubungsmittelkonsums habe die Gefahr bestanden, dass die Gitarre genutzt werde, um Drogen in die Anstalt zu schmuggeln. Dieser Gefahr hätte nicht gleichermaßen wirksam durch eine Untersuchung des Instruments begegnet werden können. Die Vollzugserfahrung zeige, dass der Erfindungsreichtum in Bezug auf Drogenverstecke kaum Grenzen kenne. Eine Untersuchung des Resonanzkörpers der Gitarre mittels Spiegel sei daher keineswegs ausreichend. Selbst sorgfältigste Kontrolle hätte nicht mit der nötigen Sicherheit ausschließen können, dass versteckte Betäubungsmittel übersehen werden und in die Anstalt gelangen. Hinzu komme, dass die notwendige eingehendere Kontrolle des Instruments angesichts der Vielfalt der Versteckmöglichkeiten mit der Gefahr von Beschädigungen und daraus folgenden Amtshaftungsansprüchen einhergehe. Die Sicherheitsanforderungen der Anstalt seien mit dem Interesse des Beschwerdeführers am Gitarrespiel in einen angemessenen Ausgleich gebracht worden, weil die Anstalt ihn auf die Warteliste für die Überlassung einer anstaltseigenen Leihgitarre aufgenommen und ihm eine solche zeitnah ausgehändigt habe.

13

bb) Im Ergebnis beeinträchtigten die angefochtenen Entscheidungen den Beschwerdeführer auch nicht in seinem grundrechtsgleichen Recht auf rechtliches Gehör. Zwar hätte das Amtsgericht dem Beschwerdeführer Gelegenheit geben müssen, sich zu den Stellungnahmen der Justizvollzugsanstalt und der Staatsanwaltschaft zu äußern. Nachdem dies versäumt worden sei, hätte das Landgericht die Gehörsgewährung nachholen müssen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör sei aber nur beeinträchtigt, wenn die angefochtenen Entscheidungen auf der Gehörsverletzung beruhten (mit Verweis auf BVerfGE 86, 133 <147>). Im vorliegenden Fall sei jedoch auszuschließen, dass dem Anliegen des Beschwerdeführers stattgegeben worden wäre, wenn er Gelegenheit erhalten hätte, sich zu den Stellungnahmen zu äußern. Was er der Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt, der sich die Staatsanwaltschaft angeschlossen habe, entgegengehalten hätte, ergebe sich aus seiner Beschwerdebegründung vom 15. April 2009, denn die Gründe, mit denen das Amtsgericht eine Einbringung der Gitarre in die Anstalt abgelehnt habe, hätten sich im Wesentlichen mit der Argumentation der Justizvollzugsanstalt gedeckt.

III.

14

1. Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt ist (§ 93b Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), und gibt ihr statt. Die Entscheidungskompetenz der Kammer ist gegeben (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG); die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Gerichte bei der Gewährung rechtlichen Gehörs sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt (vgl. BVerfGE 19, 32 <36 f.>; 20, 347 <349>; 50, 280 <285 f.>; 55, 95 <98>; 67, 96 <99 f.>; 70, 180 <189>; 89, 381 <392>; 101, 106 <129>).

15

a) Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Insbesondere fehlt es nicht an dem notwendigen Rechtsschutzbedürfnis. Insoweit kann offenbleiben, ob eine Erledigung des im fachgerichtlichen Verfahren in der Sache verfolgten Rechtsschutzbegehrens, mit der für dieses Begehren das Rechtsschutzinteresse entfällt, zwangsläufig auch für die in dieser Angelegenheit wegen einer Verletzung rechtlichen Gehörs erhobenen Verfassungsbeschwerde das Rechtsschutzinteresse entfallen lässt. Denn das Rechtsschutzbedürfnis ist hier auch hinsichtlich des verfolgten materiellen Rechtsschutzziels nicht entfallen.

16

Mit der Überlassung einer Leihgitarre erledigte sich nicht das auf Gestattung des Besitzes der eigenen Gitarre gerichtete Begehren. Auch der Erwerb einer neuen, eigenen Gitarre hat das Rechtsschutzinteresse nicht in Wegfall gebracht. Das gilt auch, wenn ein Interesse des Beschwerdeführers, die schon früher in seinem Eigentum befindliche Gitarre zu nutzen, infolgedessen nicht mehr bestehen sollte. Der Aufwand des Erwerbs einer neuen Gitarre war gerade durch die vom Beschwerdeführer als grundrechtswidrig beanstandeten Entscheidungen veranlasst; der Beschwerdeführer nahm ihn in Kauf, um den Folgen des gerügten Grundrechtsverstoßes soweit wie möglich und zulässig auszuweichen. Durch ein solches für den Beschwerdeführer mit Nachteilen verbundenes Ausweichen entfällt das Rechtsschutzinteresse nicht (vgl. BVerfGE 34, 165 <180>).

17

Dass der Beschwerdeführer sich zwischenzeitlich nicht mehr in Untersuchungshaft und nicht mehr in derselben Justizvollzugsanstalt, sondern andernorts in Strafhaft befindet, berührt ungeachtet der dadurch eingetretenen Erledigung sein Rechtsschutzbedürfnis ebenfalls nicht. Bei gewichtigen Grundrechtsverstößen besteht das Rechtsschutzbedürfnis für eine Verfassungsbeschwerde fort, wenn die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich typischerweise auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene nach dem regelmäßigen Geschäftsgang eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kaum erlangen kann (vgl. BVerfGE 110, 77; 117, 244 <268>; für den Fall der Verlegung eines Strafgefangenen BVerfGK 11, 54 <59>).

18

Der Verstoß gegen die grundrechtliche Gewährleistung des rechtlichen Gehörs, die der Wahrung der Subjektstellung der Beteiligten im gerichtlichen Verfahren dient (vgl. BVerfGE 84, 188 <190>; 107, 395 <409>), stellt unabhängig von dem in dem jeweiligen Verfahren verfolgten Rechtsschutzziel jedenfalls dann einen gewichtigen Grundrechtsverstoß dar, wenn er beharrlich erfolgt und sich damit nicht mehr als Versehen erklären lässt (vgl. BVerfGE 90, 22 <25>). Diese Voraussetzung ist hier sowohl hinsichtlich des Beschlusses des Amtsgerichts, das die Möglichkeit, den begangenen Gehörsverstoß im Abhilfeverfahren zu beheben (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl. 2010, § 306 Rn. 7), nicht genutzt hat, als auch hinsichtlich der Beschlüsse des Landgerichts erfüllt.

19

Im Hinblick auf die typischerweise kurze Dauer der Untersuchungshaft kann ein Untersuchungsgefangener nach dem regelmäßigen Geschäftsgang eine stattgebende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Maßnahmen in deren Vollzug auch nicht erlangen, während die Untersuchungshaft noch andauert. Entfiele das Rechtsschutzbedürfnis für Verfassungsbeschwerden, die Maßnahmen im Vollzug der Untersuchungshaft betreffen, jeweils mit dem Übergang des Betroffenen in die Strafhaft oder mit einer aufgrund dessen erfolgenden Verlegung, so fiele ein wirksamer verfassungsgerichtlicher Grundrechtsschutz in diesem Bereich weitgehend aus. Der Umstand, dass die Fachgerichte und das Bundesverfassungsgericht oft nicht zu einer Entscheidung innerhalb kurzer Zeit in der Lage sind, darf nicht dazu führen, dass eine Verfassungsbeschwerde allein wegen des vom Beschwerdeführer nicht zu vertretenden Zeitablaufs als unzulässig verworfen wird und auf diese Weise nachhaltig in die Rechte eines Betroffenen eingreifende Beschlüsse des Ermittlungsrichters der verfassungsrechtlichen Überprüfung entzogen werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 28. September 1999 - 2 BvR 1897/95 u.a. -, NJW 2000, S. 273).

20

b) Die angegriffenen Beschlüsse verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 103 Abs. 1 GG.

21

aa) Das Amtsgericht hat den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör missachtet, indem es über den Antrag des Beschwerdeführers entschied, ohne ihm die Stellungnahme der Gegenseite zur Kenntnis zu geben.

22

Nach Art. 103 Abs. 1 GG hat der Einzelne Anspruch darauf, vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort zu kommen, um als Subjekt Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können (vgl. BVerfGE 107, 395 <409>). Dementsprechend darf das Gericht nur Tatsachen verwerten, zu denen die Beteiligten vorher Stellung nehmen konnten (vgl. BVerfGE 20, 347 <349>; 70, 180 <189>; 89, 381 <392>; 101, 106 <129>). Der bei einer Entscheidung berücksichtigte Tatsachenvortrag eines Verfahrensbeteiligten muss den anderen Verfahrensbeteiligten vor der Entscheidung durch Übersendung der betreffenden Schriftsätze zur Kenntnis gebracht worden sein. Die Verfahrensbeteiligten müssen grundsätzlich Gelegenheit haben, sich zu Stellungnahmen der Gegenseite in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu äußern (vgl. BVerfGE 19, 32 <36>; 49, 325 <328>; BVerfGK 7, 438 <441>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 6. August 1992 - 2 BvR 628/92 -, juris; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. Februar 2009 - 1 BvR 188/09 -, NVwZ 2009, S. 580; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Juli 2009 - 2 BvR 1575/09 -, juris; zur Bedeutung des Rechts auf Äußerung zum Vortrag der Gegenseite als Grundlage des Vertrauens der Verfahrensbeteiligten in die Arbeit der Justiz vgl. EGMR, Urteil vom 21. Februar 2002, Ziegler v. Switzerland, Appl. no. 33499/96, Rn. 38; Urteil vom 19. Mai 2005, Steck-Risch et al. v. Liechtenstein, Appl. no. 63151/00, Rn. 57). Das Amtsgericht hat unter Verstoß gegen dieses Verfahrensgebot entschieden.

23

bb) Der Verstoß ist weder vom Amtsgericht im Abhilfeverfahren (§ 306 Abs. 2 StPO) noch vom Landgericht auf die Beschwerde und die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers hin geheilt worden. Vielmehr hat das Landgericht mit den angegriffenen Beschlüssen seinerseits das Grundrecht des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör verletzt.

24

(1) Zwar kann ein Gehörsverstoß grundsätzlich - auch in einem höherinstanzlichen Verfahren - geheilt werden, wenn das Gericht in der Lage ist, das nunmehr zur Kenntnis genommene Vorbringen zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 5, 22 <24>; 62, 392 <397>; 73, 322 <326 f.>; 107, 395 <411 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 7. Oktober 2009 - 1 BvR 178/09 -, GRUR-RR 2009, S. 441 <442>). Dies ist hier jedoch nicht geschehen. Das Landgericht war zwar in der Lage zu berücksichtigen, was der Beschwerdeführer zuerst mit seiner Beschwerde und später mit seiner Anhörungsrüge vorgetragen hatte. Es war aber nicht in der Lage zu berücksichtigen, was der Beschwerdeführer im Falle der gebotenen - rechtzeitigen - Gewährung rechtlichen Gehörs zu den Stellungnahmen von Justizvollzugsanstalt und Staatsanwaltschaft vorgetragen haben würde, da es sich auf die Rüge des Beschwerdeführers, die Vorenthaltung der Stellungnahmen verletze seinen Anspruch auf rechtliches Gehör, nicht veranlasst gesehen hat, dem Beschwerdeführer diese zur Kenntnis zu geben.

25

(2) Das Landgericht hat danach mit dem angegriffenen Beschluss vom 29. April 2009 den vom Amtsgericht begangenen Gehörsverstoß fortwirken lassen und damit das Grundrecht aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Überdies hat es einen originären - unmittelbar eigenen - Gehörsverstoß begangen, indem es das Beschwerdevorbringen des Beschwerdeführers nicht in der gebotenen Weise berücksichtigt hat.

26

Es hat die Beschwerde mit Tenorbegründung "aus den zutreffenden, durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräfteten Gründen des angefochtenen Beschlusses" kostenfällig verworfen. Daraus wird erkennbar, dass es die vom Beschwerdeführer erhobene Rüge einer Verletzung des Anspruchs aus Art. 103 Abs. 1 GG, falls überhaupt zur Kenntnis genommen, jedenfalls nicht in der notwendigen Weise erwogen hat. Die Begründung erschöpft sich in der Bezugnahme auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses und geht damit am Inhalt der Gehörsrüge des Beschwerdeführers vorbei. Denn die Begründung des angefochtenen amtsgerichtlichen Beschlusses setzt sich mit der vor dem Landgericht erhobenen Rüge des Beschwerdeführers, das Amtsgericht habe unter Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör entschieden, ohne ihm die im Verfahren abgegebenen behördlichen Stellungnahmen zur Kenntnis gebracht zu haben, nicht auseinander. Sie enthält zum Umgang mit diesen Stellungnahmen auch sonst keinerlei Ausführungen, die diese Rüge - sei es auch nur vermeintlich - entkräften könnten.

27

(3) Mit dem angegriffenen Beschluss vom 19. Mai 2009 hat das Landgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör erneut verletzt, indem es auf die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers hin den gerügten Gehörsverstoß nicht korrigiert oder geheilt hat. Die Anhörungsrüge war im recht verstandenen Interesse des Beschwerdeführers  (vgl. BVerfGE 122, 190 <198>) dahin auszulegen, dass der Beschwerdeführer, der zur Nutzung des Rechtsbehelfs der Anhörungsrüge vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde gehalten war  (vgl.   BVerfGK   5,   337   <338>; 9, 28 <33>   ) , auch den vom Landgericht selbst begangenen Gehörsverstoß beanstandete; insoweit war sie statthaft. Dennoch hat das Landgericht den Gehörsverstoß, der darin lag, dass es bei seiner Beschwerdeentscheidung die Gehörsrüge des Beschwerdeführers nicht zur Kenntnis genommen oder jedenfalls nicht erwogen hatte, nicht korrigiert oder geheilt, sondern in Abrede gestellt.

28

c) Angesichts der festgestellten Verstöße gegen das Grundrecht aus Art. 103 Abs. 1 GG kann offen bleiben, ob die Verfassungsbeschwerde auch insoweit begründet ist, als der Beschwerdeführer die Verletzung des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip rügt.

29

2. Die angegriffenen Entscheidungen sind aufzuheben und die Sache ist - angesichts der eingetretenen Erledigung nur noch zur Entscheidung über die Kosten - an das Landgericht Kempten (Allgäu) zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG).

30

Eine gerichtliche Entscheidung kann allerdings nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen Verstoßes gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs nur dann aufgehoben werden, wenn nicht auszuschließen ist, dass die Anhörung des Beteiligten zu einer anderen, ihm günstigeren Entscheidung geführt hätte; nur dann beruht die Entscheidung darauf, dass der Beteiligte nicht gehört wurde (vgl. BVerfGE 7, 239 <241>; 13, 132 <145>; 52, 131 <152 f.>; 89, 381 <392 f.>).

31

Dass bei pflichtgemäßer Gehörsgewährung eine abweichende Entscheidung ausgeschlossen gewesen wäre, kann hier schon deshalb nicht festgestellt werden, weil der Inhalt der fraglichen Stellungnahmen dem Beschwerdeführer bis heute nicht zur Kenntnis gegeben worden ist. Daher kann ihm nicht nur, wie er bereits mit seiner Anhörungsrüge zutreffend festgestellt hat, nicht vorgeworfen werden, dass er nicht mitgeteilt hat, was er bei rechtzeitiger Gehörsgewährung vorgebracht haben würde. Es fehlt damit auch die Grundlage für eine Beurteilung dahingehend, dass eine andere als die ergangene Entscheidung bei pflichtgemäßer Gehörsgewährung ausgeschlossen gewesen wäre. Anders könnte es sich verhalten, wenn festzustellen wäre, dass dem Begehren des Beschwerdeführers ganz unabhängig von jeglichem Vorbringen von Rechts wegen nicht hätte entsprochen werden dürfen. Eine solche Feststellung lässt sich jedoch - erst recht seitens des Bundesverfassungsgerichts, das die primäre Zuständigkeit der Fachgerichte für die Anwendung und Auslegung des einfachen Rechts zu respektieren hat (vgl. BVerfGE 106, 28 <45>; zum Strafvollzug BVerfGK 2, 102 <104>) - hier nicht treffen.

32

3. Die Entscheidung über die Erstattung der Auslagen folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Kommt die Behörde in den Fällen des § 114 Absatz 2 Satz 2 sowie des § 115 Absatz 2 Satz 2 und Absatz 4 der ihr in der einstweiligen Anordnung oder im Beschluss auferlegten Verpflichtung nicht nach, gilt § 172 der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend. Im Übrigen sind die Vorschriften der Strafprozessordnung und die auf der Grundlage des § 32a Absatz 2 Satz 2 und Absatz 4 Satz 1 Nummer 6, des § 32b Absatz 5 und des § 32f Absatz 6 der Strafprozessordnung erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend anzuwenden, soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt.

(2) Auf die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe sind die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Die Entscheidung nach § 93b und § 93c ergeht ohne mündliche Verhandlung. Sie ist unanfechtbar. Die Ablehnung der Annahme der Verfassungsbeschwerde bedarf keiner Begründung.

(2) Solange und soweit der Senat nicht über die Annahme der Verfassungsbeschwerde entschieden hat, kann die Kammer alle das Verfassungsbeschwerdeverfahren betreffenden Entscheidungen erlassen. Eine einstweilige Anordnung, mit der die Anwendung eines Gesetzes ganz oder teilweise ausgesetzt wird, kann nur der Senat treffen; § 32 Abs. 7 bleibt unberührt. Der Senat entscheidet auch in den Fällen des § 32 Abs. 3.

(3) Die Entscheidungen der Kammer ergehen durch einstimmigen Beschluß. Die Annahme durch den Senat ist beschlossen, wenn mindestens drei Richter ihr zustimmen.