Bundesverfassungsgericht Urteil, 16. Dez. 2014 - 2 BvE 2/14

ECLI:ECLI:DE:BVerfG:2014:es20141216.2bve000214
bei uns veröffentlicht am16.12.2014

Gründe

A.

1

Gegenstand des Verfahrens ist eine Äußerung der Antragsgegnerin im Vorfeld der Landtagswahl 2014 in Thüringen, durch die sich die an dieser Wahl teilnehmende Antragstellerin in ihrem Recht auf Chancengleichheit im Wettbewerb der politischen Parteien verletzt sieht.

I.

2

Am 23. Juni 2014 nahm die Antragsgegnerin an der Eröffnung der Sommertagung des Thüringer Landesprogramms für Demokratie, Weltoffenheit und Toleranz und der in diesem Rahmen stattfindenden Verleihung des Thüringer Demokratiepreises in Weimar teil. Verantwortlich für die Durchführung dieser Veranstaltung war der Freistaat Thüringen.

3

Daneben stand sie an diesem Tag der Thüringischen Landeszeitung für ein Interview zur Verfügung, das am 25. Juni 2014 erschien. Gegenstand des Interviews war die Bekämpfung des Rechtsextremismus, die Ausgestaltung des in der Zuständigkeit der Antragsgegnerin liegenden Demokratieprogramms des Bundes, die Abschaffung der Extremismusklausel, die Frauenquote auf Führungsebene, die Anbringung der Regenbogenflagge am Ministerium und das Elterngeld. Außerdem wurde die Antragsgegnerin im Rahmen des Interviews auf den möglichen Einzug der Antragstellerin in den Thüringer Landtag und sich daraus ergebende Konsequenzen angesprochen. Auf die Frage, wie mit Anträgen der Antragstellerin im Parlament oder auf Kommunalebene umzugehen sei, antwortete die Antragsgegnerin:

"Das Gefährliche an der NPD ist, dass sie versucht, ihr Molotow-Cocktail-Image abzulegen. Sie kommt nicht mehr mit Springerstiefeln und Glatzen daher, sondern im feinen Nadelstreifenanzug. Sie tut so, also ob sie sich sozial engagiert. Aber dahinter versteckt sich die Ideologie von Hitler - und jedes Parlament muss sich beraten, wie es damit umgeht. Meine Erfahrung aus dem Landtag in Mecklenburg-Pommern ist: der Antrag wird abgelehnt und ein Demokrat spricht für alle demokratischen Fraktionen, um dabei deutlich zu machen, dass der Antrag nur vermeintlich soziales Engagement ist und dahinter etwas anderes steckt. Das hat sich in Schwerin bewährt - und kann ein Beispiel sein. Aber ich werde im Thüringer Wahlkampf mithelfen, alles dafür zu tun, dass es erst gar nicht so weit kommt bei der Wahl im September. Ziel Nummer 1 muss sein, dass die NPD nicht in den Landtag kommt."

4

Im Begleittext des Interviews wird sowohl auf das Ministeramt als auch auf die Parteizugehörigkeit der Antragsgegnerin hingewiesen.

II.

5

1. Die Antragstellerin sieht sich durch die Erklärung, ihr Einzug in den Thüringer Landtag müsse verhindert werden und die Antragsgegnerin werde im Wahlkampf mithelfen, dieses Ziel zu erreichen, in ihrem Recht auf Chancengleichheit gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG verletzt und trägt zur Begründung ihres hierauf gerichteten Feststellungsantrags vor:

6

a) Die Antragsgegnerin habe die angegriffene Äußerung in ihrer amtlichen Eigenschaft getätigt. Dass sie an der Eröffnung der Sommertagung des Landesprogramms für Demokratie, Weltoffenheit und Toleranz und der Verleihung des Thüringer Demokratiepreises als Bundesfamilienministerin teilgenommen habe, ergebe sich bereits aus der Presseerklärung ihres Ministeriums vom 23. Juni 2014. Daher seien auch ihre Äußerungen im Rahmen des Interviews mit der Thüringischen Landeszeitung am Rande dieser Veranstaltung als Äußerungen der Bundesfamilienministerin und nicht als private Äußerungen der Antragsgegnerin in ihrer Eigenschaft als stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende anzusehen.

7

Kontext und Inhalt des Interviews unterstrichen, dass die Antragsgegnerin sich in ihrer amtlichen Eigenschaft geäußert habe. Das gesamte Interview stelle sich als Statement der Bundesfamilienministerin dar, die über die Arbeit ihres Hauses berichte. Ihre Funktion als stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende werde in dem gesamten Interview an keiner Stelle erwähnt.

8

b) Damit verstoße die angegriffene Äußerung gegen die aus dem Recht der politischen Parteien auf Chancengleichheit folgende Pflicht staatlicher Organe zur Neutralität im Wahlkampf.

9

Zwar dürfe die Regierung auch im Wahlkampf die Öffentlichkeit über wichtige Vorgänge unterrichten und Warnungen aussprechen. Dies gelte auch für die Warnung vor tatsächlichen oder vermeintlichen verfassungswidrigen Bestrebungen. Diese zulässige Öffentlichkeitsarbeit der Exekutive dürfe aber nicht zu unzulässiger Wahlwerbung führen. Sie habe sich daher im Rahmen des dem einzelnen Organ zugewiesenen Aufgabenbereichs zu halten und sachbezogen, informierend und parteineutral zu sein.

10

Demgegenüber habe die Antragsgegnerin außerhalb ihrer verfassungsrechtlichen Zuständigkeiten gehandelt, da Fragen des präventiven Verfassungsschutzes dem Geschäftsbereich des Innenministeriums zugeordnet seien. Auch sei nicht ersichtlich, welche Zuständigkeitsnorm die Antragsgegnerin ermächtigen solle, sich zur thüringischen Landespolitik zu äußern. Mit der Aufforderung, den Einzug der Antragstellerin in den Thüringer Landtag zu verhindern, habe die Antragsgegnerin ganz gezielt in den laufenden Wahlkampf eingegriffen und dadurch das Gebot parteipolitischer Neutralität verletzt.

11

2. Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

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a) Der Antrag sei bereits unzulässig, weil ihre Äußerungen keine rechtserheblichen Maßnahmen darstellten, die allein Gegenstand eines Organstreits sein könnten. Darüber hinaus fehle es an der rechtlichen Betroffenheit der Antragstellerin, deren Möglichkeit, sich zur Wahl zu stellen, unangetastet geblieben sei.

13

b) Der Antrag sei auch unbegründet.

14

aa) Staatlichen Organen sei es zwar in amtlicher Funktion verwehrt, Parteien zu unterstützen oder diese zu bekämpfen. Handelten sie jedoch nicht in amtlicher Funktion, stehe es ihnen frei, wie jeder andere Bürger aktiv am Wahlkampf mitzuwirken und ihre Meinung frei zu äußern.

15

Die Antragsgegnerin habe sich vorliegend nicht in amtlicher Funktion betätigt. Die beanstandeten Sätze habe sie als stellvertretende Vorsitzende der SPD und nicht als Bundesministerin geäußert. Sie seien in einem Interview am Rande einer Preisverleihung gefallen, die vom Ministerium der Antragsgegnerin weder organisiert oder veranstaltet noch finanziell unterstützt worden sei. Interviews seien keine Maßnahmen, die ausschließlich Amtsinhabern zur Verfügung stünden. Öffentliche Mittel seien dafür nicht erforderlich. Die angekündigte Mithilfe der Antragsgegnerin im Thüringer Wahlkampf könne sich nur auf parteipolitische Aktivitäten beziehen, da die Antragsgegnerin in Thüringen keine Ämter innehabe. Die Verwendung der "Ich"-Form in den beanstandeten Äußerungen sei ein eindeutiger Beleg, dass die Antragsgegnerin sich als stellvertretende SPD-Vorsitzende geäußert habe und habe äußern wollen. Dies bestätige auch die Schilderung ihrer Erfahrungen im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, die sich ausschließlich auf parteipolitische Tätigkeiten bezögen. Die Erwähnung des Amtes der Antragsgegnerin im Interview sei demgegenüber unschädlich.

16

bb) Die beanstandeten Äußerungen verstießen auch nicht gegen das Neutralitätsgebot. Im gesamten Interview finde sich keine Passage, die auch nur annähernd als Aufforderung verstanden werden könne, eine bestimmte Partei zu wählen oder nicht zu wählen. Schon gar nicht sei den angegriffenen Sätzen eine "Warnung" zu entnehmen, sondern lediglich ein Aufruf zur Beteiligung an der Wahl. Die Antragsgegnerin identifiziere sich mit der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe, sich mit dem Rechtsextremismus auseinanderzusetzen, und sei als Bundesministerin auch verpflichtet, aktiv für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten. Diese aus dem Prinzip der wehrhaften Demokratie entspringende Verpflichtung könne zur Folge haben, dass gegenüber Parteien, die extremistischen Bestrebungen anhingen, eine neutrale Position gerade nicht eingenommen werden könne, sofern das Recht politischer Parteien auf Chancengleichheit gewahrt bleibe.

17

3. Einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat der Senat mit Beschluss vom 15. Juli 2014 abgelehnt.

18

Daraufhin hat die Antragstellerin im Hauptsacheverfahren ergänzend vorgetragen, dass die Antragsgegnerin gegen das Sachlichkeitsgebot verstoßen habe, indem sie behauptet habe, die Antragstellerin wolle ihr "Molotow-Cocktail-Image" ablegen, sie komme nicht mehr mit "Springerstiefeln und Glatze" daher, sondern im feinen "Nadelstreifenanzug" und hinter ihrem sozialen Engagement stecke die "Ideologie von Hitler". Soweit das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss die Behauptung der Antragsgegnerin aufgreife, sie habe persönliche Erlebnisse aus ihrer Zeit im Landtag Mecklenburg-Vorpommern wiedergegeben und daraus die Möglichkeit einer Qualifizierung der streitgegenständlichen Interview-Passage als private Äußerung ableite, sei zu beachten, dass sie diese Erkenntnisse in amtlicher Eigenschaft als Landesministerin in Mecklenburg-Vorpommern und nicht als Privatperson gewonnen habe.

19

4. Das Bundesverfassungsgericht hat den in § 65 Abs. 2 BVerfGG genannten Verfassungsorganen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, von der kein Gebrauch gemacht wurde.

20

5. In der mündlichen Verhandlung vom 22. Juli 2014 haben die Beteiligten ihren Vortrag vertieft und ergänzt.

B.

21

Der Antrag ist zulässig.

22

Der Antragstellerin steht zur Verfolgung ihres Anliegens der Organstreit gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG offen. Sie macht geltend, als politische Partei durch eine Maßnahme der gemäß § 63 BVerfGG parteifähigen Antragsgegnerin (vgl. BVerfGE 90, 286 <338>) in ihrem Recht auf Chancengleichheit bei Wahlen gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt zu sein (vgl. BVerfGE 44, 125 <137>; 121, 30 <57> m.w.N.).

23

Die Antragstellerin behauptet, die Antragsgegnerin habe die verfassungsrechtlichen Grenzen ihrer Äußerungsbefugnisse überschritten und damit zu ihren Lasten unzulässig in den Wahlkampf eingewirkt. Sie wendet sich nur gegen die in ihrem Antrag wörtlich zitierten Passagen des Interviews der Antragsgegnerin, die die Ankündigung ihrer Beteiligung am Thüringer Wahlkampf und die Erklärung, primäres Ziel müsse es sein, den Einzug der Antragstellerin in den Landtag zu verhindern, zum Gegenstand haben. Im vorliegenden Verfahren ist daher allein darüber zu entscheiden, ob die Antragsgegnerin durch diese im Antrag ausdrücklich bezeichnete Aussage die Antragstellerin in ihrem Recht aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG verletzt hat. Denn im Organstreitverfahren wird der Streitgegenstand durch die im Antrag genannte Maßnahme oder Unterlassung und durch die Bestimmungen des Grundgesetzes begrenzt, gegen die die Maßnahme oder Unterlassung verstoßen haben soll (§ 64 Abs. 2 BVerfGG). An diese Begrenzung des Streitstoffes ist das Bundesverfassungsgericht gebunden (vgl. BVerfGE 68, 1 <63> m.w.N.).

24

Die angegriffene Aussage der Antragsgegnerin stellt eine rechtserhebliche Maßnahme im Sinne des § 64 Abs. 1 BVerfGG dar (vgl. BVerfGE 118, 277 <317> m.w.N.). Es erscheint nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die Antragsgegnerin dadurch das Recht der Antragstellerin auf Chancengleichheit bei Wahlen verletzt hat (vgl. BVerfGE 40, 287 <293>; 44, 125 <146>; 63, 230 <243>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 10. Juni 2014 - 2 BvE 4/13 -, juris, Rn. 19). Dass die Antragstellerin dadurch nicht gehindert war, an der Landtagswahl in Thüringen teilzunehmen, vermag hieran nichts zu ändern.

C.

25

Der Antrag ist unbegründet. Die von der Antragstellerin angegriffene Äußerung der Antragsgegnerin ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden und verletzt die Antragstellerin nicht in ihrem Recht auf Wahrung der Chancengleichheit der politischen Parteien (Art. 21 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG).

I.

26

Der durch Art. 21 GG den Parteien zuerkannte verfassungsrechtliche Status gewährleistet das Recht, gleichberechtigt am politischen Wettbewerb teilzunehmen (1.). Damit unvereinbar ist jede parteiergreifende Einwirkung von Staatsorganen als solchen zugunsten oder zulasten einzelner oder aller am politischen Wettbewerb beteiligten Parteien (2.). Die sich aus diesem Neutralitätsgebot ergebenden Auswirkungen für das Handeln von Staatsorganen und der Maßstab verfassungsgerichtlicher Kontrolle seiner Beachtung sind für jedes Staatsorgan unter Berücksichtigung seiner Stellung im Verfassungsgefüge gesondert zu bestimmen; daher sind die für Äußerungen des Bundespräsidenten geltenden Maßstäbe auf die Bundesregierung nicht übertragbar (3.). Mitglieder der Bundesregierung haben bei Wahrnehmung ihrer amtlichen Funktionen die Pflicht zu strikter Neutralität (4.). Das Neutralitätsgebot gilt, soweit die Äußerung eines Mitglieds der Bundesregierung unter spezifischer Inanspruchnahme der Autorität seines Amtes oder der damit verbundenen Ressourcen erfolgt (5.). Geltung und Beachtung des Neutralitätsgebots unterliegen bei Äußerungen von Bundesministern uneingeschränkter verfassungsgerichtlicher Kontrolle (6.).

27

1. a) In der freiheitlichen Demokratie des Grundgesetzes geht alle Staatsgewalt vom Volke aus und wird von ihm in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt (Art. 20 Abs. 1 und 2 GG). Wahlen vermögen demokratische Legitimation im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG nur zu verleihen, wenn sie frei sind. Dies erfordert nicht nur, dass der Akt der Stimmabgabe frei von Zwang und unzulässigem Druck bleibt, wie es Art. 38 Abs. 1 GG gebietet, sondern auch, dass die Wähler ihr Urteil in einem freien, offenen Prozess der Meinungsbildung gewinnen und fällen können (vgl. BVerfGE 20, 56 <97>; 44, 125 <139>).

28

b) Im Wahlakt muss sich die Willensbildung vom Volk zu den Staatsorganen hin vollziehen, nicht umgekehrt von den Staatsorganen zum Volk hin (vgl. BVerfGE 44, 125 <140>). In einem freiheitlichen Staat, in dem der Mehrheitswille in den Grenzen der Rechtsstaatlichkeit entscheidet, müssen Minderheitsgruppen die Möglichkeit haben, zur Mehrheit zu werden. Demokratische Gleichheit fordert, dass der jeweils herrschenden Mehrheit und der oppositionellen Minderheit bei jeder Wahl aufs Neue grundsätzlich die gleichen Chancen im Wettbewerb um die Wählerstimmen offengehalten werden. Die Gewährleistung gleicher Chancen im Wettbewerb um Wählerstimmen ist ein unabdingbares Element des vom Grundgesetz gewollten freien und offenen Prozesses der Meinungs- und Willensbildung des Volkes (vgl. BVerfGE 44, 125 <145>).

29

c) Dieser Prozess freier und offener Meinungs- und Willensbildung setzt in der modernen parlamentarischen Demokratie die Existenz politischer Parteien voraus (vgl. BVerfGE 44, 125 <145>). Der hervorragenden Bedeutung, die in diesem Prozess den politischen Parteien zukommt, hat das Grundgesetz dadurch Ausdruck verliehen, dass es ihnen in Art. 21 GG einen verfassungsrechtlichen Status zuerkannt hat. Er gewährleistet nicht nur ihre freie Gründung und Mitwirkung an der politischen Willensbildung des Volkes, sondern sichert diese Mitwirkung auch durch Regeln, die ihnen gleiche Rechte und gleiche Chancen gewähren (BVerfGE 44, 125 <139>).

30

d) Damit die Wahlentscheidung in voller Freiheit gefällt werden kann, ist es unerlässlich, dass die Parteien, soweit irgend möglich, gleichberechtigt am politischen Wettbewerb teilnehmen. Von dieser Einsicht her empfängt der Verfassungsgrundsatz der gleichen Wettbewerbschancen der politischen Parteien das ihm eigene Gepräge. Die Formalisierung des Gleichheitssatzes im Bereich der politischen Willensbildung des Volkes hat zur Folge, dass auch der Verfassungssatz von der Chancengleichheit der politischen Parteien in dem gleichen Sinne formal verstanden werden muss (vgl. BVerfGE 24, 300 <340 f.>; 44, 125 <146>). Das Recht der politischen Parteien auf Chancengleichheit im Wettbewerb gilt nicht nur für den Wahlvorgang selbst, sondern auch für die Wahlvorbereitung (vgl. BVerfGE 44, 125 <146>).

31

2. Das Recht politischer Parteien, gleichberechtigt am Prozess der Meinungs- und Willensbildung des Volkes teilzunehmen, wird verletzt, wenn Staatsorgane als solche parteiergreifend zugunsten oder zulasten einer politischen Partei oder von Wahlbewerbern in den Wahlkampf einwirken (vgl. BVerfGE 44, 125 <141, 146>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 10. Juni 2014 - 2 BvE 4/13 -, juris, Rn. 25). Eine solche Einwirkung verstößt gegen das Gebot der Neutralität des Staates im Wahlkampf und verletzt die Integrität der Willensbildung des Volkes durch Wahlen und Abstimmungen (vgl. BVerfGE 44, 125 <144>).

32

a) Willensbildung des Volkes und Willensbildung in den Staatsorganen vollziehen sich zwar in vielfältiger und tagtäglicher Wechselwirkung. Politisches Programm und Verhalten der Staatsorgane wirken unablässig auf die Willensbildung des Volkes ein und sind selbst Gegenstand der Meinungsbildung des Volkes; Meinungen aus dem Volk, sehr häufig vorgeformt und gestaltet vor allem in den politischen Parteien, aber auch zum Beispiel über Verbände und über Massenmedien, wirken auf die Willensbildung in den Staatsorganen ein (BVerfGE 44, 125 <139 f.>).

33

So sehr von dem Verhalten der Staatsorgane Wirkungen auf die Meinungs- und Willensbildung des Wählers ausgehen und dieses Verhalten selbst mit Gegenstand des Urteils des Wählers ist, so sehr ist es den Staatsorganen in amtlicher Funktion aber verwehrt, durch besondere Maßnahmen darüber hinaus auf die Willensbildung des Volkes bei Wahlen und in ihrem Vorfeld einzuwirken, um dadurch Herrschaftsmacht in Staatsorganen zu erhalten oder zu verändern. Staatsorgane haben als solche allen zu dienen und sich im Wahlkampf neutral zu verhalten (vgl. BVerfGE 44, 125 <143 f.>).

34

b) Diese Neutralitätspflicht staatlicher Organe besteht gegenüber allen Parteien, wenn nicht deren Verfassungswidrigkeit durch das Bundesverfassungsgericht festgestellt wurde. Bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kann niemand die Verfassungswidrigkeit einer Partei rechtlich geltend machen (vgl. BVerfGE 40, 287 <291>; 133, 100 <107>).

35

3. Die Konsequenzen, die sich für das Handeln eines Staatsorgans aus der Pflicht zur Beachtung des Rechts politischer Parteien auf gleichberechtigte Teilnahme am politischen Wettbewerb ergeben, und die Maßstäbe verfassungsgerichtlicher Kontrolle der Beachtung des Neutralitätsgebots sind für jedes Staatsorgan gesondert unter Zugrundelegung der ihm durch die Verfassung zugewiesenen Rechte und Pflichten zu bestimmen. Daher sind die Maßstäbe, die für Äußerungen des Bundespräsidenten in Bezug auf politische Parteien und deren Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht gelten (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 10. Juni 2014 - 2 BvE 4/13 -, juris), auf die Mitglieder der Bundesregierung nicht übertragbar. Sie sind vielmehr ein spezifischer Ausdruck der besonderen Stellung, die das Grundgesetz dem Bundespräsidenten zuweist.

36

Der Bundespräsident repräsentiert Staat und Volk der Bundesrepublik Deutschland nach außen und innen und soll die Einheit des Staates verkörpern (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 10. Juni 2014 - 2 BvE 2/09, 2 BvE 22 BvE 2/10 -, juris, Rn. 91 ff.). Wie er seine Repräsentations- und Integrationsaufgaben mit Leben erfüllt, entscheidet der Amtsinhaber grundsätzlich selbst (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 10. Juni 2014 - 2 BvE 4/13 -, juris, Rn. 22). Den verfassungsrechtlichen Erwartungen an das Amt des Bundespräsidenten und der gefestigten Verfassungstradition entspricht es zwar, dass der Bundespräsident eine gewisse Distanz zu den Zielen und Aktivitäten von politischen Parteien und gesellschaftlichen Gruppen wahrt (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 10. Juni 2014 - 2 BvE 2/09, 2 BvE 22 BvE 2/10 -, juris, Rn. 95 m.w.N.). Daraus allein folgen indes keine justiziablen Vorgaben für seine Amtsausübung (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 10. Juni 2014 - 2 BvE 4/13 -, juris, Rn. 23).

37

Das gilt auch für öffentliche Äußerungen. Im Unterschied zur Bundesregierung und deren Mitgliedern steht der Bundespräsident weder mit den politischen Parteien in direktem Wettbewerb um die Gewinnung politischen Einflusses noch stehen ihm in vergleichbarem Umfang Mittel zur Verfügung, die es ermöglichten, durch eine ausgreifende Informationspolitik auf die Meinungs- und Willensbildung des Volkes einzuwirken (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 10. Juni 2014 - 2 BvE 4/13 -, juris, Rn. 27). Der Bundespräsident kann vor diesem Hintergrund weitgehend frei darüber entscheiden, bei welcher Gelegenheit und in welcher Form er sich äußert. Namentlich sind Äußerungen des Bundespräsidenten nicht zu beanstanden, solange sie erkennbar einem Gemeinwohlziel verpflichtet und nicht auf die Ausgrenzung oder Begünstigung einer Partei um ihrer selbst willen angelegt sind (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 10. Juni 2014 - 2 BvE 4/13 -, juris, Rn. 28). Nicht mehr mit seiner Repräsentations- und Integrationsaufgabe in Einklang stehen Äußerungen, die keinen Beitrag zur sachlichen Auseinandersetzung leisten, sondern ausgrenzend wirken, wie dies grundsätzlich bei beleidigenden, insbesondere solchen Äußerungen der Fall ist, die in anderen Zusammenhängen als "Schmähkritik" qualifiziert werden (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 10. Juni 2014 - 2 BvE 4/13 -, juris, Rn. 29). Abgesehen davon können Äußerungen des Bundespräsidenten über eine Partei verfassungsgerichtlich nur daraufhin überprüft werden, ob er unter evidenter Vernachlässigung seiner Integrationsfunktion und damit willkürlich Partei ergriffen hat (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 10. Juni 2014, - 2 BvE 4/13 -, juris, Rn. 30).

38

4. Öffentliche Äußerungen von Mitgliedern der Bundesregierung sind vor dem Hintergrund ihrer Aufgaben und Befugnisse sowie ihrer verfassungsrechtlichen Stellung eigenständig zu beurteilen. Die Bundesregierung nimmt staatsleitende Funktionen wahr, die auch die Befugnis zur Öffentlichkeitsarbeit beinhalten (a). Ungeachtet der tatsächlichen Rückwirkungen ihres Handelns auf die Willensbildung des Volkes ist es ihr dabei von Verfassungs wegen versagt, parteiergreifend auf den Wettbewerb zwischen den politischen Parteien einzuwirken (b). Auch der einzelne Bundesminister hat bei der Ausübung seines Amtes entsprechend seiner Bindung an Gesetz und Recht das Neutralitätsgebot zu beachten (c). Nimmt er hingegen keine amtlichen Funktionen wahr, ist er an der Teilnahme am politischen Meinungskampf nicht gehindert (d).

39

a) Die Bundesregierung ist das oberste Organ der vollziehenden Gewalt (vgl. BVerfGE 9, 268 <282>). Gemeinsam mit den anderen dazu berufenen Verfassungsorganen obliegt ihr die Aufgabe der Staatsleitung (vgl. BVerfGE 11, 77 <85>; 26, 338 <395 f.>; 105, 252 <270>; 105, 279 <301>). Zwar vermitteln die einzeln in der Verfassung aufgeführten Aufgaben und Zuständigkeiten der Bundesregierung und ihrer Mitglieder (vgl. insbesondere Art. 23 Abs. 2, 3, 5, 6; Art. 24 Abs. 1a; Art. 26 Abs. 2; Art. 32 Abs. 3; Art. 37; Art. 42 Abs. 1; Art. 43; Art. 52 Abs. 2; Art. 53; Art. 53a Abs. 2; Art. 65; Art. 76; Art. 77 Abs. 2; Art. 80; Art. 80a Abs. 3; Art. 81; Art. 84 Abs. 2 bis 5; Art. 85 Abs. 2 bis 4; Art. 86; Art. 87a Abs. 4; Art. 87b Abs. 2; Art. 91 Abs. 2; Art. 104b Abs. 3; Art. 108 Abs. 7; Art. 109 Abs. 4; Art. 111; Art. 113; Art. 114; Art. 115a Abs. 1; Art. 115d Abs. 2; Art. 115f; Art. 115i Abs. 2; Art. 129 Abs. 1; Art. 130 Abs. 1; Art. 132 Abs. 4 GG) nur einen unvollständigen Ausschnitt des Aufgabenbestandes, der sich aus dem politischen Leitungsauftrag der Bundesregierung ergibt. Das Grundgesetz setzt die Kompetenz der Bundesregierung zur Staatsleitung im Sinne einer - abschließender Regelung nicht zugänglichen - verantwortlichen Leitung des Ganzen der inneren und äußeren Politik (vgl. BVerfGE 105, 279 <301>) jedoch stillschweigend voraus (vgl. BVerfGE 105, 252 <270>).

40

Diese Kompetenz zur Staatsleitung schließt als integralen Bestandteil die Befugnis der Bundesregierung zur Informations- und Öffentlichkeitsarbeit ein (vgl. BVerfGE 105, 252 <270>). Öffentlichkeitsarbeit von Regierung und gesetzgebenden Körperschaften ist nicht nur zulässig, sondern auch notwendig, um den Grundkonsens im demokratischen Gemeinwesen lebendig zu erhalten. Darunter fällt namentlich die Darlegung und Erläuterung der Politik der Regierung hinsichtlich getroffener Maßnahmen und künftiger Vorhaben angesichts bestehender oder sich abzeichnender Probleme sowie die sachgerechte, objektiv gehaltene Information über den Bürger unmittelbar betreffende Fragen und wichtige Vorgänge auch außerhalb oder weit im Vorfeld der eigenen gestaltenden politischen Tätigkeit (vgl. BVerfGE 20, 56 <100>; 44, 125 <147 f.>; 63, 230 <243>; 105, 252 <269>; 105, 279 <301 f.>).

41

b) Bei der Wahrnehmung der ihr übertragenen Aufgaben ist die Bundesregierung an die Grundrechte sowie an Gesetz und Recht gebunden (Art. 1 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 3 GG).

42

aa) Schon deshalb ist ihr jede Äußerung untersagt, die in anderen Zusammenhängen als "Schmähkritik" im Sinne der §§ 185 ff. StGB zu qualifizieren wäre.

43

bb) Ungeachtet dessen hat die Bundesregierung die Pflicht, das Recht der politischen Parteien auf Chancengleichheit aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG und das daraus folgende Neutralitätsgebot zu beachten.

44

Das Regierungshandeln beeinflusst die Meinungsbildung des Volkes in erheblichem Umfang und entfaltet Rückwirkungen auf dessen Wahlentscheidungen. Da das Regierungsprogramm die Vorstellungen der sie tragenden Parteien widerspiegelt und das Handeln der Regierung mit diesen Parteien verbunden wird, fließt die Bewertung dieses Handelns in die Wahlentscheidung ein und wirkt sich auf die Wahlchancen der im politischen Wettbewerb stehenden Parteien aus. Die Bundesregierung wird bei ihrem Handeln ebenso wie die sie tragenden Fraktionen und Abgeordneten im Parlament und die Opposition immer auch die Wählerinnen und Wähler im Blick haben. Dies ist Teil des politischen Prozesses einer freiheitlichen Demokratie, wie sie das Grundgesetz versteht (vgl. BVerfGE 44, 125 <140>). Sich daraus ergebende Ungleichheiten für die Teilnehmer des politischen Wettbewerbs sind hinzunehmen.

45

Die der Bundesregierung verliehene Autorität und die Verfügung über staatliche Ressourcen in personeller, technischer, medialer und finanzieller Hinsicht ermöglichen ihr allerdings nachhaltige Einwirkungen auf die politische Willensbildung des Volkes und beinhalten das Risiko erheblicher Wettbewerbsverzerrungen zwischen den politischen Parteien. Daher ist sie zur Beachtung des Neutralitätsgebotes verpflichtet. Sie hat jede über das bloße Regierungshandeln hinausgehende Maßnahme, die auf die Willensbildung des Volkes einwirkt und in parteiergreifender Weise auf den Wettbewerb zwischen den politischen Parteien Einfluss nimmt, zu unterlassen. Es ist ihr von Verfassungs wegen versagt, sich im Hinblick auf Wahlen mit politischen Parteien oder Wahlbewerbern zu identifizieren und die ihr zur Verfügung stehenden staatlichen Mittel und Möglichkeiten zu deren Gunsten oder Lasten einzusetzen (vgl. BVerfGE 44, 125 <141 ff.>).

46

Die zulässige Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung endet somit dort, wo die Wahlwerbung beginnt (vgl. BVerfGE 63, 230 <243>). Insoweit hat das Bundesverfassungsgericht Kriterien entwickelt, mit denen verhindert werden soll, dass unter Einsatz öffentlicher Mittel Regierungsparteien unterstützt und Oppositionsparteien bekämpft werden (vgl. BVerfGE 44, 125 <148 ff.>; 63, 230 <243 f.>).

47

cc) Im Rahmen der verfassungsrechtlichen Pflicht zum Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung hat die Bundesregierung sich mit verfassungsfeindlichen Bestrebungen zu befassen. Dabei vorgenommene Einschätzungen politischer Parteien als verfassungsfeindlich sind, soweit sie sich im Rahmen von Gesetz und Recht halten, Teil der öffentlichen Auseinandersetzung; die betroffene Partei muss sich dagegen mit den Mitteln des öffentlichen Meinungskampfes zur Wehr setzen (vgl. BVerfGE 40, 287 <291 ff.>; 133, 100 <107 f.>). Sie werden erst unzulässig, wenn sie auf sachfremden Erwägungen beruhen und damit den Anspruch der betroffenen Partei auf gleiche Wettbewerbschancen willkürlich beeinträchtigen (vgl. BVerfGE 40, 287 <293>).

48

Jenseits der Frage einer verfassungsgemäßen Rechtsgrundlage verbietet es das Recht politischer Parteien auf Chancengleichheit der Bundesregierung, eine nicht verbotene politische Partei in der Öffentlichkeit nachhaltig verfassungswidriger Zielsetzung und Betätigung zu verdächtigen, wenn ein solches Vorgehen bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass es auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl. BVerfGE 133, 100 <108>; früher bereits BVerfGE 40, 287 <293>). Diese Maßgaben gelten auch für die öffentliche Erörterung, ob gegen eine Partei ein Verbotsverfahren eingeleitet wird. Staatliche Stellen sind nicht gehindert, das Für und Wider dieser schwerwiegenden Maßnahme mit der gebotenen Sachlichkeit zur Debatte zu stellen. Erst wenn erkennbar wird, dass diese Debatte nicht entscheidungsorientiert, sondern mit dem Ziel der Benachteiligung der betroffenen Partei geführt wird, kommt eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 21 Abs. 1 GG in Betracht (BVerfGE 133, 100<108>).

49

c) Für das einzelne Mitglied der Bundesregierung kann nichts anderes gelten als für die Bundesregierung als Ganzes. Bei seiner Mitwirkung an der Wahrnehmung der Aufgaben der Bundesregierung nach Maßgabe des Art. 65 GG ist es ebenfalls an die Grundrechte sowie an Gesetz und Recht gebunden (Art. 1 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 3 GG). Soweit ein Mitglied der Bundesregierung im Rahmen seiner Ressortzuständigkeit ihm übertragene Regierungsaufgaben wahrnimmt, ist es daher in gleicher Weise wie die Bundesregierung als Ganzes zur Beachtung des Grundsatzes der Chancengleichheit politischer Parteien gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG verpflichtet. Auch dem einzelnen Bundesminister ist es im Rahmen seiner Regierungstätigkeit von Verfassungs wegen untersagt, sich im Hinblick auf Wahlen mit politischen Parteien zu identifizieren und sie unter Einsatz staatlicher Mittel zu unterstützen oder zu bekämpfen.

50

d) Dies schließt allerdings nicht aus, dass der Inhaber eines Ministeramtes außerhalb seiner amtlichen Funktionen am politischen Meinungskampf teilnimmt und in den Wahlkampf eingreift (vgl. BVerfGE 44, 125 <141>; VerfGH RP, Beschluss vom 21. Mai 2014 - VGH A 39/14 -, juris, Rn. 22).

51

aa) Im Parteienstaat des Grundgesetzes entspricht es der Ratio von Art. 21 GG, dass die Inhaber eines Regierungsamtes einer Partei angehören und in dieser auch Führungsverantwortung wahrnehmen. Die bloße Übernahme des Regierungsamtes soll insoweit gerade nicht dazu führen, dass dem Amtsinhaber die Möglichkeit parteipolitischen Engagements nicht mehr offensteht (vgl. VerfGH RP, Beschluss vom 21. Mai 2014 - VGH A 39/14 -, juris, Rn. 22 f.).

52

bb) Würde die Übernahme eines Regierungsamtes dazu führen, dass der Amtsinhaber durch die Bindung an das Neutralitätsgebot gehindert wäre, am politischen Wettbewerb teilzunehmen, würde dies zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung der die Regierung tragenden Parteien führen. Parteien, die als Sieger aus einer Wahlauseinandersetzung hervorgegangen sind, würden durch die fehlende Möglichkeit, auf die Mitarbeit der mit Regierungsämtern betrauten Parteimitglieder zurückzugreifen, in ihrem Recht auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb beschränkt. Mit der parteienstaatlichen Konzeption des Grundgesetzes, wie sie in Art. 21 GG Ausdruck gefunden hat, ist dies nicht zu vereinbaren.

53

5. Soweit der Inhaber eines Regierungsamtes am politischen Meinungskampf teilnimmt, muss aber sichergestellt sein, dass ein Rückgriff auf die mit dem Regierungsamt verbundenen Mittel und Möglichkeiten unterbleibt. Nimmt das Regierungsmitglied für sein Handeln die Autorität des Amtes oder die damit verbundenen Ressourcen in spezifischer Weise in Anspruch, ist es dem Neutralitätsgebot unterworfen.

54

a) Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass beim Handeln des Inhabers eines Ministeramtes eine strikte Trennung der Sphären des "Bundesministers", des "Parteipolitikers" und der politisch handelnden "Privatperson" nicht möglich ist (vgl. zum Mandat des Abgeordneten: BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 17. September 2013 - 2 BvR 2436/10, 2 BvE 62 BvE 6/08 -, juris, Rn. 98; anders noch BVerfGE 44, 125 <141>). Auch aus Sicht der Bürger wird der Inhaber eines Regierungsamtes regelmäßig in seiner Doppelrolle als Bundesminister und Parteipolitiker wahrgenommen (vgl. BVerfGE 44, 125 <187>, abweichende Meinung).

55

b) aa) Eine Beeinträchtigung der Chancengleichheit im politischen Wettbewerb findet nur statt, wenn der Inhaber eines Regierungsamtes Möglichkeiten nutzt, die ihm aufgrund seines Regierungsamtes zur Verfügung stehen, während sie den politischen Wettbewerbern verschlossen sind. Dies ist insbesondere gegeben, wenn die Äußerung unter Rückgriff auf die einem Regierungsmitglied zur Verfügung stehenden Ressourcen erfolgt oder eine erkennbare Bezugnahme auf das Regierungsamt vorliegt und damit die Äußerung mit einer aus der Autorität des Amtes fließenden besonderen Gewichtung versehen wird. Ist dies der Fall, unterliegt das Regierungsmitglied der Bindung an das Neutralitätsgebot. Ansonsten ist seine Äußerung dem allgemeinen politischen Wettbewerb zuzurechnen.

56

bb) Ob die Äußerung eines Mitglieds der Bundesregierung unter spezifischer Inanspruchnahme der Autorität des Regierungsamtes oder der mit ihm verbundenen Ressourcen stattgefunden hat, ist nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles zu bestimmen (vgl. VerfGH RP, Beschluss vom 21. Mai 2014 - VGH A 39/14 -, juris, Rn. 25).

57

(1) Ein spezifischer Rückgriff auf die mit seinem Regierungsamt verbundene Autorität liegt regelmäßig vor, wenn ein Bundesminister bei einer Äußerung ausdrücklich auf sein Ministeramt Bezug nimmt oder die Äußerung ausschließlich Maßnahmen oder Vorhaben des von ihm geführten Ministeriums zum Gegenstand hat. Amtsautorität wird ferner in Anspruch genommen, wenn der Amtsinhaber sich durch amtliche Verlautbarungen etwa in Form offizieller Publikationen, Pressemitteilungen oder auf offiziellen Internetseiten seines Geschäftsbereichs (vgl. VerfGH RP, Beschluss vom 21. Mai 2014 - VGH A 39/14 -, juris, Rn. 25) erklärt. Auch aus äußeren Umständen, wie der Verwendung von Staatssymbolen und Hoheitszeichen oder der Nutzung der Amtsräume, kann sich ein spezifischer Amtsbezug ergeben. Gleiches gilt für den äußerungsbezogenen Einsatz sonstiger Sach- oder Finanzmittel, die einem Regierungsmitglied aufgrund seines Amtes zur Verfügung stehen (vgl. BVerfGE 44, 125 <143>). Schließlich findet eine Inanspruchnahme der Autorität des Amtes statt, wenn ein Bundesminister sich im Rahmen einer Veranstaltung äußert, die von der Bundesregierung ausschließlich oder teilweise verantwortet wird, oder wenn die Teilnahme eines Bundesministers an einer Veranstaltung ausschließlich aufgrund seines Regierungsamtes erfolgt.

58

(2) Demgegenüber ist eine schlichte Beteiligung am politischen Wettbewerb insbesondere dann anzunehmen, wenn ein Regierungsmitglied im parteipolitischen Kontext agiert. Äußerungen auf Parteitagen oder vergleichbaren Parteiveranstaltungen wirken regelmäßig nicht in einer Weise auf die Willensbildung des Volkes ein, die das Recht politischer Parteien auf gleichberechtigte Teilnahme am politischen Wettbewerb tangiert, da die handelnden Personen primär als Parteipolitiker wahrgenommen werden.

59

(3) Veranstaltungen des allgemeinen politischen Diskurses (Talkrunden, Diskussionsforen, Interviews) bedürfen differenzierter Betrachtung. Der Inhaber eines Regierungsamtes kann hier sowohl als Regierungsmitglied als auch als Parteipolitiker oder Privatperson angesprochen sein. Häufig dienen derartige Veranstaltungen - insbesondere bei der Beteiligung einer Mehrzahl von Personen - dem themenbezogenen Austausch politischer Argumente und Positionen und sind daher vorrangig dem politischen Meinungskampf zuzuordnen. Dass dabei die Amtsbezeichnung verwendet wird, ist noch kein Indiz für die Inanspruchnahme von Amtsautorität, weil staatliche Funktionsträger ihre Amtsbezeichnung auch in außerdienstlichen Zusammenhängen führen dürfen (vgl. VerfGH RP, Beschluss vom 21. Mai 2014 - VGH A 39/14 -, juris, Rn. 26 m.w.N.). Auch insoweit kommt es letztlich für die Geltung des Neutralitätsgebots entscheidend darauf an, ob der Inhaber eines Regierungsamtes seine Aussagen in spezifischer Weise mit der Autorität des Regierungsamtes unterlegt. Dies kann im Rahmen derselben Veranstaltung bei einer Mehrzahl von Aussagen in unterschiedlicher Weise der Fall sein.

60

(4) Zeitungsinterviews stehen nicht nur Inhabern von Regierungsämtern, sondern auch Angehörigen der sie tragenden politischen Parteien und der Opposition offen. Die Auswahl der Interviewpartner liegt in der journalistischen Verantwortung des jeweiligen Presseorgans. Dass dabei Inhabern von Regierungsämtern besonderes Interesse zuteil wird, gehört zu den Gegebenheiten des politischen Wettbewerbs, die im Prozess einer freiheitlichen Demokratie hinzunehmen sind (vgl. zur Hinnahme weiterer tatsächlicher Unterschiede BVerfGE 8, 51 <67>; 14, 121 <134>; 52, 63 <89>; 78, 350 <358>; 85, 264 <297>).

61

Der Inhaber eines Regierungsamtes ist nicht verpflichtet, sich im Rahmen eines Interviews auf die Regierungstätigkeit betreffende Aussagen zu beschränken, da auch dies mit dem Recht politischer Parteien auf Chancengleichheit nicht zu vereinbaren wäre. Vielmehr ist er auch insoweit zur Teilnahme am politischen Meinungskampf befugt. Nimmt er aber für eine Aussage in einem Interview die mit seinem Amt verbundene Autorität in spezifischer Weise in Anspruch, ist er an das Neutralitätsgebot gebunden.

62

6. Die Geltung und Beachtung des aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG folgenden Neutralitätsgebots durch die Bundesregierung und ihre Mitglieder sind durch das Bundesverfassungsgericht überprüfbar.

63

Auch wenn die Bundesregierung als solche am Wettbewerb zwischen den politischen Parteien nicht teilnimmt, wirkt das Regierungshandeln - wie dargestellt (siehe oben Rn. 43 ff.) - in erheblichem Umfang auf die Willensbildung des Volkes ein. Die Mitglieder der Bundesregierung sind regelmäßig in den politischen Meinungskampf einbezogen. Die Bundesregierung selbst verfügt aufgrund ihrer Ressourcen und Machtbefugnisse über die Möglichkeit, durch intensive Informations- und Öffentlichkeitsarbeit die politische Meinungsbildung zu beeinflussen. Daher bedarf die Beachtung des aus dem Recht der politischen Parteien auf gleichberechtigte Teilnahme am politischen Wettbewerb folgenden Neutralitätsgebots uneingeschränkter Kontrolle. Angesichts der verfassungsrechtlichen Stellung der Bundesregierung und dem sich daraus ergebenden Risiko für die politischen Parteien ist für eine Reduktion des Kontrollmaßstabs auf willkürliche Verletzungen des Neutralitätsgebots kein Raum.

II.

64

Nach diesen Maßstäben ist die von der Antragstellerin angegriffene Äußerung der Antragsgegnerin verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie war zwar objektiv geeignet, zulasten der Antragstellerin inden Landtagswahlkampf in Thüringen einzuwirken (1). Sie verletzt das Recht der Antragstellerin auf gleichberechtigte Teilnahme am politischen Wettbewerb gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG aber nicht (2).

65

1. Die angegriffene Erklärung der Antragsgegnerin beinhaltet einen gegen die Antragstellerin gerichteten Wahlaufruf. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin beschränkt sie sich keineswegs auf eine allgemein gehaltene Aufforderung zur Wahlteilnahme, ohne dass sie als Aufruf verstanden werden könnte, eine bestimmte Partei zu wählen oder nicht zu wählen. Im Gegenteil: Mit der Aussage, primäres Ziel bei der Wahl im September müsse es sein, den Einzug der ausdrücklich benannten Antragstellerin in den Thüringer Landtag zu verhindern, fordert die Antragsgegnerin zu deren Nichtwahl auf.

66

Die beanstandete Äußerung beschränkt sich auch nicht auf eine Information über von der Antragsgegnerin vertretene Positionen oder Strategien oder deren Bewertung als verfassungsfeindlich. Die Frage der internen Zuständigkeitsverteilung bei der Wahrnehmung der Aufgabe der Bundesregierung, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu schützen, kann daher dahinstehen. Die beanstandete Äußerung der Antragsgegnerin reicht über die Wahrnehmung dieser Aufgabe hinaus, indem sie eine konkrete Aufforderung zu einem bestimmten Verhalten bei der Landtagswahl in Thüringen am 14. September 2014 enthält, das Ziel einer Verhinderung des Einzugs der Antragstellerin in den Landtag vorgibt und das Engagement der Antragsgegnerin zur Erreichung dieses Ziels ankündigt. Insoweit handelt es sich um ein parteiergreifendes Einwirken zulasten der Antragstellerin in den Landtagswahlkampf in Thüringen.

67

2. Die angegriffene Äußerung der Antragsgegnerin hat dennoch das Recht der Antragstellerin auf Chancengleichheit aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG nicht verletzt.

68

a) Eine mit Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG unvereinbare, diffamierende Äußerung, die in anderen Zusammenhängen als Schmähkritik im Sinne der §§ 185 ff. StGB zu bewerten wäre, liegt nicht vor. In der mit der Organklage allein angegriffenen Äußerung (siehe oben Rn. 23) fordert die Antragsgegnerin in sachlich gehaltener Form zur Nichtwahl der Antragstellerin bei der Landtagswahl in Thüringen auf und erklärt, dass sie beabsichtigt, zur Erreichung dieses Ziels beizutragen.

69

b) Die angegriffene Äußerung ist dem politischen Meinungskampf zuzuordnen. Denn die Antragsgegnerin hat bezogen auf diese Äußerung im Rahmen ihres Interviews mit der Thüringischen Landeszeitung nicht in spezifischer Weise auf die mit ihrem Regierungsamt verbundene Autorität zurückgegriffen und war daher auch nicht an die Beachtung des aus dem Recht politischer Parteien auf Chancengleichheit folgenden Neutralitätsgebots gebunden.

70

aa) Dass die Antragsgegnerin die beanstandete Äußerung unter Inanspruchnahme staatlicher Autorität oder Ressourcen ihres Amtes gemacht hat, lässt sich den äußeren Umständen, unter denen das Interview mit der Thüringischen Landeszeitung geführt wurde, nicht entnehmen.

71

(1) Insbesondere ergibt sich dies nicht aus der Tatsache, dass die Antragsgegnerin in Wahrnehmung ihres Amtes als Bundesministerin an der Eröffnung der Sommertagung des Landesprogramms für Demokratie, Weltoffenheit und Toleranz und der in diesem Rahmen stattfindenden Verleihung des Thüringer Demokratiepreises am 23. Juni 2014 in Weimar teilgenommen hat. Die Eröffnung der Tagung und das Interview der Antragsgegnerin mit der Thüringischen Landeszeitung stellen zwei unterschiedliche Sachverhalte dar, die getrennt voneinander zu beurteilen sind. Der bloße örtliche und zeitliche Zusammenhang führt nicht dazu, dass das Handeln in amtlicher Funktion bei der Veranstaltung des Freistaats Thüringen auf das am Rande geführte Interview ausstrahlt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Antragstellerin in Bezug genommenen Presseerklärung des von der Antragsgegnerin geführten Ministeriums, da diese ausschließlich die Teilnahme der Antragsgegnerin an der Eröffnung der Sommertagung des Thüringer Landesprogramms für Demokratie, Weltoffenheit und Toleranz zum Gegenstand hat.

72

(2) Auch die übrigen äußeren Umstände führen zu keinem anderen Ergebnis. Weder hat die Antragsgegnerin bei der Führung des Interviews auf die Verwendung von Staatssymbolen oder Hoheitszeichen zurückgegriffen noch ist ein äußerungsbezogener Einsatz von Sach- oder Finanzmitteln feststellbar, die der Antragsgegnerin aufgrund ihres Regierungsamtes zur Verfügung stehen. Die Anwesenheit der Antragsgegnerin in Weimar und der dadurch verursachte Aufwand waren durch die in Wahrnehmung ihres Regierungsamtes stattfindende Teilnahme an der Veranstaltung des Freistaates Thüringen veranlasst. Dass für die Führung des Interviews mit der Thüringischen Landeszeitung am Rande dieser Veranstaltung zusätzliche Sach- oder Finanzmittel aufgewandt wurden, ist weder vorgetragen noch in sonstiger Weise ersichtlich.

73

bb) Dem Interview selbst kann im Ergebnis ebenfalls nicht entnommen werden, dass die streitbefangene Äußerung der Antragsgegnerin unter spezifischer Inanspruchnahme der Autorität ihres Amtes erfolgte.

74

(1) Im Begleittext des Interviews wird sowohl auf deren Amt als Bundesministerin als auch auf ihre Parteizugehörigkeit hingewiesen. Daraus kann entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht geschlossen werden, dass das Interview als einheitliches Statement der Bundesfamilienministerin anzusehen ist.

75

(2) Das Interview hat zwar weitgehend die Regierungstätigkeit der Antragsgegnerin und Projekte des von ihr geführten Ministeriums zum Gegenstand. Ihre Aussagen zum Demokratieprogramm des Bundes, zur Abschaffung der Extremismusklausel, zum Anbringen der Regenbogenflagge und zum Elterngeld sind ausschließlich auf ihr Ministeramt bezogen. Hiervon ist aber der Teil des Interviews zu unterscheiden, der sich mit dem möglichen Einzug der Antragstellerin in den Thüringer Landtag sowie daraus sich ergebender Konsequenzen befasst und die streitbefangene Äußerung der Antragsgegnerin enthält. Diese Aussagen sind nicht mit der Autorität des Regierungsamtes unterlegt, so dass die Antragsgegnerin insoweit auch nicht zur Neutralität verpflichtet war.

76

(a) Es ist schon nicht erkennbar, dass die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang überhaupt in ihrer Eigenschaft als Mitglied der Bundesregierung angesprochen worden ist. Die Frage, deren Beantwortung zu der streitbefangenen Äußerung der Antragsgegnerin führte, bezieht sich auf den Umgang mit Anträgen der Antragstellerin in Landesparlamenten und Kommunalvertretungen. Sie betrifft damit ein Problem der politischen Strategie dort vertretener Parteien und nicht die Wahrnehmung von Regierungsaufgaben.

77

(b) Entsprechend hat die Antragsgegnerin geantwortet. Zwar ist die Einlassung der Antragsgegnerin, die Verwendung der "Ich"-Form in der beanstandeten Äußerung sei ein eindeutiger Beleg dafür, dass sie sich als stellvertretende SPD-Vorsitzende geäußert habe und habe äußern wollen, nicht überzeugend, da sie weder in denjenigen Passagen des Interviews, die ihr Handeln als Bundesministerin betreffen, auf die Verwendung dieser Form verzichtet hat noch ihre Funktion als stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD überhaupt an irgendeiner Stelle des Zeitungsartikels Erwähnung findet.

78

Die Antragsgegnerin nimmt aber bei der Beantwortung der Frage nach dem Umgang mit Anträgen der Antragstellerin im Parlament oder auf Kommunalebene ebenso wie in der gesamten Passage des Interviews, die sich auf den möglichen Einzug der Antragstellerin in den Thüringer Landtag bezieht, in keiner Weise auf ihr Amt als Mitglied der Bundesregierung und die damit einhergehende Autorität Bezug. Stattdessen verweist sie auf ihre Erfahrung im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern und damit auf persönliche Kenntnisse, die sie gerade nicht aufgrund ihrer Tätigkeit als Mitglied der Bundesregierung gewonnen hat. Dass sie diese Kenntnisse im Rahmen ihrer Tätigkeit als Landesministerin in Mecklenburg-Vorpommern erlangt hat, ändert hieran nichts. Ein Rückgriff auf die Autorität ihres Regierungsamtes findet insoweit nicht statt. Die Aussage der Antragsgegnerin stellt einen Beitrag zur parteipolitischen Auseinandersetzung dar. Hiergegen muss die Antragstellerin sich mit den Mitteln des öffentlichen Meinungskampfes zur Wehr setzen.

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Tenor 1. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, die Pressemitteilung 151/2015 "Rote Karte für die AfD" von der Homepage des Bundesministeriums für Bildung und Forschung einstweilen zu entfernen.

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(1) Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muß demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben.

(2) Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.

(3) Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen. Wird der Ausschluss festgestellt, so entfällt auch eine steuerliche Begünstigung dieser Parteien und von Zuwendungen an diese Parteien.

(4) Über die Frage der Verfassungswidrigkeit nach Absatz 2 sowie über den Ausschluss von staatlicher Finanzierung nach Absatz 3 entscheidet das Bundesverfassungsgericht.

(5) Das Nähere regeln Bundesgesetze.

(1) Dem Antragsteller und dem Antragsgegner können in jeder Lage des Verfahrens andere in § 63 genannte Antragsberechtigte beitreten, wenn die Entscheidung auch für die Abgrenzung ihrer Zuständigkeiten von Bedeutung ist.

(2) Das Bundesverfassungsgericht gibt von der Einleitung des Verfahrens dem Bundespräsidenten, dem Bundestag, dem Bundesrat und der Bundesregierung Kenntnis.

(1) Das Bundesverfassungsgericht entscheidet:

1.
über die Auslegung dieses Grundgesetzes aus Anlaß von Streitigkeiten über den Umfang der Rechte und Pflichten eines obersten Bundesorgans oder anderer Beteiligter, die durch dieses Grundgesetz oder in der Geschäftsordnung eines obersten Bundesorgans mit eigenen Rechten ausgestattet sind;
2.
bei Meinungsverschiedenheiten oder Zweifeln über die förmliche und sachliche Vereinbarkeit von Bundesrecht oder Landesrecht mit diesem Grundgesetze oder die Vereinbarkeit von Landesrecht mit sonstigem Bundesrechte auf Antrag der Bundesregierung, einer Landesregierung oder eines Viertels der Mitglieder des Bundestages;
2a.
bei Meinungsverschiedenheiten, ob ein Gesetz den Voraussetzungen des Artikels 72 Abs. 2 entspricht, auf Antrag des Bundesrates, einer Landesregierung oder der Volksvertretung eines Landes;
3.
bei Meinungsverschiedenheiten über Rechte und Pflichten des Bundes und der Länder, insbesondere bei der Ausführung von Bundesrecht durch die Länder und bei der Ausübung der Bundesaufsicht;
4.
in anderen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten zwischen dem Bunde und den Ländern, zwischen verschiedenen Ländern oder innerhalb eines Landes, soweit nicht ein anderer Rechtsweg gegeben ist;
4a.
über Verfassungsbeschwerden, die von jedermann mit der Behauptung erhoben werden können, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Artikel 20 Abs. 4, 33, 38, 101, 103 und 104 enthaltenen Rechte verletzt zu sein;
4b.
über Verfassungsbeschwerden von Gemeinden und Gemeindeverbänden wegen Verletzung des Rechts auf Selbstverwaltung nach Artikel 28 durch ein Gesetz, bei Landesgesetzen jedoch nur, soweit nicht Beschwerde beim Landesverfassungsgericht erhoben werden kann;
4c.
über Beschwerden von Vereinigungen gegen ihre Nichtanerkennung als Partei für die Wahl zum Bundestag;
5.
in den übrigen in diesem Grundgesetze vorgesehenen Fällen.

(2) Das Bundesverfassungsgericht entscheidet außerdem auf Antrag des Bundesrates, einer Landesregierung oder der Volksvertretung eines Landes, ob im Falle des Artikels 72 Abs. 4 die Erforderlichkeit für eine bundesgesetzliche Regelung nach Artikel 72 Abs. 2 nicht mehr besteht oder Bundesrecht in den Fällen des Artikels 125a Abs. 2 Satz 1 nicht mehr erlassen werden könnte. Die Feststellung, dass die Erforderlichkeit entfallen ist oder Bundesrecht nicht mehr erlassen werden könnte, ersetzt ein Bundesgesetz nach Artikel 72 Abs. 4 oder nach Artikel 125a Abs. 2 Satz 2. Der Antrag nach Satz 1 ist nur zulässig, wenn eine Gesetzesvorlage nach Artikel 72 Abs. 4 oder nach Artikel 125a Abs. 2 Satz 2 im Bundestag abgelehnt oder über sie nicht innerhalb eines Jahres beraten und Beschluss gefasst oder wenn eine entsprechende Gesetzesvorlage im Bundesrat abgelehnt worden ist.

(3) Das Bundesverfassungsgericht wird ferner in den ihm sonst durch Bundesgesetz zugewiesenen Fällen tätig.

Antragsteller und Antragsgegner können nur sein: der Bundespräsident, der Bundestag, der Bundesrat, die Bundesregierung und die im Grundgesetz oder in den Geschäftsordnungen des Bundestages und des Bundesrates mit eigenen Rechten ausgestatteten Teile dieser Organe.

(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.

(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.

(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.

(1) Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muß demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben.

(2) Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.

(3) Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen. Wird der Ausschluss festgestellt, so entfällt auch eine steuerliche Begünstigung dieser Parteien und von Zuwendungen an diese Parteien.

(4) Über die Frage der Verfassungswidrigkeit nach Absatz 2 sowie über den Ausschluss von staatlicher Finanzierung nach Absatz 3 entscheidet das Bundesverfassungsgericht.

(5) Das Nähere regeln Bundesgesetze.

(1) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, daß er oder das Organ, dem er angehört, durch eine Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners in seinen ihm durch das Grundgesetz übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist.

(2) Im Antrag ist die Bestimmung des Grundgesetzes zu bezeichnen, gegen die durch die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners verstoßen wird.

(3) Der Antrag muß binnen sechs Monaten, nachdem die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung dem Antragsteller bekannt geworden ist, gestellt werden.

(4) Soweit die Frist bei Inkrafttreten dieses Gesetzes verstrichen ist, kann der Antrag noch binnen drei Monaten nach Inkrafttreten gestellt werden.

Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

A.

1

Die Antragstellerin sieht sich durch Äußerungen des Antragsgegners im Vorfeld der Bundestagswahl 2013 in ihrem Recht auf Chancengleichheit im Wettbewerb der politischen Parteien verletzt.

I.

2

1. Im August 2013 nahm der Antragsgegner an einer Gesprächsrunde vor mehreren hundert Berufsschülern im Alter zwischen 18 und 25 Jahren in einem Schulzentrum in Berlin-Kreuzberg teil. In der unter dem Motto "22.09.2013 - Deine Stimme zählt!" stehenden Veranstaltung wies der Antragsgegner unter anderem auf die Bedeutung von freien Wahlen für die Demokratie hin und forderte die Schülerinnen und Schüler zu sozialem und politischem Engagement auf. Auf die Frage einer Schülerin ging der Antragsgegner auch auf Ereignisse ein, die mit den Protesten von Mitgliedern und Unterstützern der Antragstellerin gegen ein Asylbewerberheim in Berlin-Hellersdorf in Zusammenhang standen:

"Frage: Hallo, mein Name ist (…). Ich wohne zur Zeit in Hellersdorf, dort sind auch sehr viele NPD-Plakate, einige davon sind auch abgerissen und ich wollte fragen, ob Sie, wenn Sie jetzt gerade nicht in der Stellung wären, in der Sie sind, hätten Sie da auch mitgemacht oder ist ihnen da die Meinungsfreiheit - hat die da ein größeres Gewicht für Sie?

Antragsgegner: Nein, beim Plakateabreißen hätte ich nicht mitgemacht. Und wissen Sie auch, wir haben so viele Möglichkeiten, uns gegen Rechtsradikale zu verteidigen, und Gott sei Dank funktioniert das. Ich meine, wir haben gerade auch in Hellersdorf gesehen - ich habe mich selber da auch informiert, bin selber auch mal hingefahren, jedenfalls in die Gemeinde dort -, was passiert da nicht alles, um den Asylbewerbern zu zeigen, also ihr seid hier nicht in einem Niemandsland. Bei uns gibt es Leute, die haben eine politische Ansicht, die die Mehrheit der Deutschen nicht teilt, und wir sind in einem Land, wo die diese Ansicht auch laut sagen dürfen. Das kann uns peinlich sein, und mir als älterem Deutschen ist es enorm peinlich. Ich finde das von allen politischen Irrtümern eigentlich am Widerlichsten. Schauen Sie, ich bin ja noch in der Zeit von Adolf Hitler geboren, ich hab da nicht viel mitgekriegt, weil ich Baby und Kleinkind war, aber als ich fünf war, ging dieser ganze Spuk zu Ende. Und alles, was wir nachher hatten an Leiden, an deutscher Spaltung, an kommunistischer Diktatur, an Vertreibung der Deutschen aus dem Osten, alles hatte seinen Ursprung, weil wir Deutschen uns überhöht hatten, als das auserwählte Volk gelten wollten und andere erniedrigt, ausgebeutet, verfolgt, überfallen haben. All das hat mein Leben doch sehr sehr stark beeindruckt. Und dass in der Mitte unseres Volkes ausgerechnet rechtsradikale Überzeugungen wieder Gehör finden, das finde ich so eklig, ich kann gar nicht sagen wie eklig. Aber solange eine Partei nicht verboten ist, darf sie auch sich äußern, und das müssen wir auch ertragen. Eine freie Gesellschaft kann den Irrtum nicht verbieten und kann auch nicht verbieten, dass irrige Meinungen geäußert werden. Die können wir bekämpfen. Und wir bekämpfen die. Und das beruhigt mich. Wir brauchen da auch nicht nur unsere staatlichen Instanzen - die brauchen wir auch manchmal -, aber wir brauchen da Bürger, die auf die Straße gehen, die den Spinnern ihre Grenzen aufweisen und die sagen "bis hierher und nicht weiter". Und dazu sind Sie alle aufgefordert. (Applaus)

(Einwurf vom Podium, dass nur noch ein oder zwei Fragen vor Ende der Veranstaltung gestellt werden können)

Frage: Herr Bundespräsident (hier bin ich, hier oben - Gelächter), was halten Sie denn von einem Verbot der NPD? Weil, ich habe mich ein bisschen mit dem Thema auseinandergesetzt. Mir fällt es schwer, zu begreifen oder die Tatsache einfach anzuerkennen, dass ich mit meinem Steuergeld quasi Leute bezahle, die mich nicht in diesem Land haben wollen. Um es verschärft zu sagen, die wollen mich eigentlich tot sehen. Das ist für mich nicht verständlich (Applaus, Pfeifen). Wir müssen dafür sorgen, dass diese Partei, dieses Gedankengut, nicht in die Mitte der Gesellschaft kommen kann. Was die NPD jetzt in Mecklenburg-Vorpommern macht, in den neuen Bundesländern, sie richtet Straßenfeste aus, Kitaplätze werden finanziert teilweise, die gehen da hin, wo die Bundesregierung nicht rankommt, und ich finde halt, wir dürfen der NPD nicht diese Macht geben, da reinzustoßen. Was halten Sie davon? (Applaus)

Antragsgegner: Also erstmal: Das Gefühl, das Sie da geschildert haben, dass ihre Steuergelder - ich muss noch mehr Steuern bezahlen als Sie (Gelächter) und das tut mir noch mehr weh, wenn die zweckentfremdet werden, also diese Gefühle kann ich total teilen. Zweitens: Ich bin Mecklenburger, und es gibt in Mecklenburg keine sozial national befreiten Zonen, man kann dort überall hingehen. Es gibt zwei oder drei Stellen, wo die sich mit besonderer Dreistigkeit hervortun. Aber auch dort gibt es die Bündnisse, über die ich gesprochen habe. Wir brauchen keine übertriebene Angst zu haben, dass diese Menschen, die die Geschichte nicht verstanden haben, dass die in Deutschland noch irgendwann einmal an die Macht kommen würden. Diese Angst brauchen wir nicht zu haben. Und nun müssen wir uns fragen, wie begegnen wir ihnen in der richtigen Weise, wie grenzen wir ihre Aktivitäten ein, wie bekämpfen wir sie. Und da ist eine Möglichkeit, die ein Teil unserer Parteien und Abgeordneten jetzt versucht, die, diese Partei verbieten zu lassen. Ich bin nicht sicher, ob das das Allerwichtigste ist. Für mich ist das Allerwichtigste, dass wir weder in der Politik eine einzige Partei haben, die mit denen Bündnisse eingeht, noch dass wir als Bürger in der Gefahr sind, ihnen massenhaft zu folgen. Im Gegenteil. Überall wo sie auftreten sind wir 10, 20 oder 30 Mal mehr als die. Das heißt, wir sind diejenigen, die die Macht haben. Und wir sollten ihnen nicht unsere Angst schenken und so tun, als könnten sie diese Demokratie gefährden. Sie sind unappetitlich, wir müssen sie politisch bekämpfen, und es ist eine Frage, ob sie so gefährlich sind, dass unser Verfassungsgericht sie verbieten wird. Da warte ich geduldig ab. Meine - spüren Sie ganz deutlich heraus, das mag so sein, dass sie verboten werden, aber ich bin stolz, Präsident eines Landes zu sein, in dem die Bürger ihre Demokratie verteidigen, in dem sie Bündnisse schaffen und ihre Parteien auch so haben, dass sie sagen, das ist nicht unsere Welt. Die sind stolz auf ein Deutschland, das wir hassen, und sie hassen ein Deutschland, auf das wir stolz sind. Und da, da beißt die Maus keinen Faden ab. Und das können wir so oder so machen. Übrigens: Wir können die Partei verbieten, aber die Spinner und die Ideologen und die Fanatiker, die haben wir dann nicht aus der Welt geschafft. Die sind ja nicht in irgendwo in einem Lager dann. Sondern die suchen sich Kameradschaften und Cliquen, wo die dann weiter ihr Unwesen treiben. Das ist eben das, was wir uns dann bedenken müssen. Und diejenigen, die dem Parteiverbot kritisch gegenüber , sagen, die sind dann praktisch noch schwieriger zu kontrollieren. Also ich will mich da nicht deutlicher festlegen, aber Sie merken schon, dass ich stolz bin auf eine Bevölkerung, die hier wirklich aus der Geschichte gelernt hat und die genau weiß: Nie wieder. Und dazu gehören wir alle, die wir hier im Raum sitzen. (Applaus)

3

2. In der Presseberichterstattung über die Veranstaltung hieß es, der Antragsgegner unterstütze die Proteste gegen die Antragstellerin. Insbesondere wurden die Aussagen des Antragsgegners zitiert, "Wir brauchen Bürger, die auf die Straße gehen und den Spinnern ihre Grenzen aufweisen. Dazu sind Sie alle aufgefordert" und "Ich bin stolz, Präsident eines Landes zu sein, in dem die Bürger ihre Demokratie verteidigen".

4

3. Auf Nachfrage der Antragstellerin, ob die Presseberichte zutreffend seien, wonach der Antragsgegner gewalttätige Proteste gegen die Antragstellerin gutheiße und deren Mitglieder und Aktivisten als "Spinner" bezeichnet habe, teilte der Antragsgegner mit, dass sich diese Frage bei verständiger Würdigung der vorgelegten Medienberichte von selbst beantworte. Es werde aber klargestellt, dass der Antragsgegner - was der Medienberichterstattung auch zu entnehmen sei - nicht zu gewalttätigen Protesten aufgerufen habe. Vielmehr habe er auf den politischen Meinungskampf verwiesen, gerade wenn es um die Auseinandersetzung mit politischen Ansichten gehe, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung in Frage stellten.

II.

5

1. Die Antragstellerin begründet ihren im Rubrum wiedergegebenen Antrag wie folgt:

6

a) Die Organklage sei zulässig. Die Äußerungen des Antragsgegners seien eine rechtserhebliche Maßnahme im Rahmen eines verfassungsrechtlichen Rechtsverhältnisses zwischen den Beteiligten. Die Antragstellerin sei antragsbefugt, da die Äußerungen des Antragsgegners einen unmittelbaren Eingriff in den seinerzeit laufenden Bundestagswahlkampf zum Nachteil der Antragstellerin dargestellt und diese in ihrem Recht auf Chancengleichheit bei der Bundestagswahl verletzt hätten.

7

b) Der Antrag sei auch begründet.

Die beanstandeten Äußerungen des Antragsgegners verletzten die Antragstellerin in ihren Rechten aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1, Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dürfe der Meinungswettbewerb der Parteien im Wahlkampf nicht von staatlicher Seite beeinflusst oder verfälscht werden. Die Regierung müsse sich bei ihrer Öffentlichkeitsarbeit zurückhalten; diese habe insbesondere sachbezogen und informierend sowie parteipolitisch neutral zu sein. Diese Maßgaben gälten auch für den Antragsgegner. Daran gemessen seien die verfahrensgegenständlichen Äußerungen des Antragsgegners unzulässig. Sie fielen schon nicht in dessen verfassungsrechtliche Zuständigkeit. Ihm stehe es als "pouvoir neutre" des Grundgesetzes im Gegensatz zur Regierung nicht zu, Warnungen vor politischen Parteien auszusprechen, schon gar nicht in der heißen Phase des Wahlkampfes vor Erstwählern. Die Äußerungen des Antragsgegners über die Antragstellerin seien geeignet, dieser im Bundestagswahlkampf erheblich zu schaden, weil gerade das Staatsoberhaupt bei den überwiegend jungen Zuhörern großen Respekt genieße. Der Antragsgegner habe in Kenntnis der Gewaltbereitschaft der Gegendemonstrationen diese pauschal und ohne ausdrückliche Gewalt-Distanzierung gutgeheißen und unterstützt. Er müsse sich daher die von Dritten verübte Gewalt als von ihm gebilligt zurechnen lassen.

8

Erschwerend komme hinzu, dass der Antragsgegner die Antragstellerin namentlich genannt habe und ausdrücklich auf das geplante, gegen die Antragstellerin gerichtete Verbotsverfahren zu sprechen gekommen sei. Daher könnten die Äußerungen nicht als "Gefahrenwarnung" zulässig sein, weil solche Warnungen parteipolitisch neutral erfolgen müssten.

9

Schließlich verstießen die vom Antragsgegner ausgesprochenen "Warnungen" auch gegen das Sachlichkeitsgebot. Die Bezeichnung von Mitgliedern, Aktivisten und Unterstützern der Antragstellerin als "Spinner" verlasse den Boden einer sachlichen Diskussion. Nach dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont grenzten die Äußerungen an Schmähkritik.

2. Der Senat hat einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 17. September 2013 abgelehnt sowie den dagegen erhobenen Widerspruch mit Beschluss vom 19. September 2013 als unzulässig verworfen (jeweils zum Aktenzeichen 2 BvE 4/13, juris).

10

3. Das Bundesverfassungsgericht hat den in § 65 Abs. 2 BVerfGG genannten Verfassungsorganen, den im Deutschen Bundestag oder in einem Landtag vertretenen Parteien sowie Parteien, die weder im Bundes- noch in einem Landtag oder im Europäischen Parlament vertreten sind, aber im Jahre 2013 Anspruch auf staatliche Parteienfinanzierung hatten, Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Geäußert hat sich lediglich der Bundespräsident als Antragsgegner.

11

4. Der Antragsgegner beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

12

a) Der Antrag sei bereits unzulässig, weil die Äußerungen des Antragsgegners keine rechtserhebliche Maßnahme darstellten, die Gegenstand eines Organstreits sein könne.

13

b) Der Antrag sei auch unbegründet.

Nach der Verfassungsordnung des Grundgesetzes komme dem Bundespräsidenten eine integrative Funktion zu. Zwar sei er vor allem in parteipolitischer Hinsicht zu größtmöglicher Unparteilichkeit und Neutralität verpflichtet. Als Hüter der Verfassung müsse der Bundespräsident aber nötigenfalls klar zugunsten der verfassungstreuen Kräfte Stellung beziehen. Die Verfassung erwarte von ihm die Abwehr von Angriffen aus dem politischen Raum auf die grundgesetzliche Ordnung, gerade auch durch seine Reden und Äußerungen.

14

Der Antragsgegner habe das Gebot der parteipolitischen Neutralität und das Recht der Antragstellerin auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb beachtet. Er habe betont, dass eine politische Partei sich äußern dürfe, solange sie nicht verboten sei, und sich dagegen gewandt, Plakate der Antragstellerin abzureißen. Negative Werturteile habe er ausschließlich über Personen abgegeben, die rechtsradikale Überzeugungen verträten. Mitglieder nicht verbotener Parteien seien ebenso wenig wie Nichtmitglieder davor geschützt, dass Repräsentanten der streitbaren Demokratie wie der Antragsgegner die freiheitliche Demokratie des Grundgesetzes in ihren Äußerungen verteidigten und sich gegen rechtsradikale Meinungen und Handlungen wendeten sowie ihre Ablehnung gegenüber Rechtsradikalen zum Ausdruck brächten.

15

Wenn und soweit die Antragstellerin Rechtsradikale als Mitglieder ihrer Partei dulde oder deren Mitgliedschaft wünsche, müsse sie in Kauf nehmen, dass der Antragsgegner diese im Rahmen der Erfüllung seines verfassungsmäßigen Auftrags zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung kritisch beurteile. Insbesondere sei er verpflichtet, das Grundrecht auf Asyl aus Art. 16a GG zu schützen.

16

Nichts anderes ergebe sich aus dem Grundsatz der Chancengleichheit politischer Parteien, der nur die Partei selbst, nicht ihre Mitglieder, Aktivisten und Unterstützer schütze. Die Äußerungen des Antragsgegners stellten zudem keine Identifizierung mit politischen Parteien oder Wahlbewerbern im Hinblick auf Wahlen dar. Der Antragsgegner habe sich im Bundestagswahlkampf nicht selbst zur Wiederwahl gestellt und auch nicht dafür geworben, dass die Bundesregierung oder die sie tragenden Parteien wiedergewählt werden.

17

5. In der mündlichen Verhandlung vom 25. Februar 2014 haben die Beteiligten ihren Vortrag vertieft und ergänzt.

B.

18

Der Antrag ist zulässig.

19

Der Antragstellerin steht zur Verfolgung ihres Anliegens der Organstreit offen. Sie macht geltend, als politische Partei durch eine Maßnahme des Antragsgegners als anderes Verfassungsorgan (vgl. BVerfGE 62, 1 <33>) in ihrem Recht auf Chancengleichheit bei Wahlen gemäß Art. 21 Abs. 1, Art. 38 Abs. 1 GG verletzt zu sein (vgl. BVerfGE 121, 30 <57> m.w.N.; 44, 125 <137> m.w.N.). Die Antragstellerin wendet sich gegen eine rechtserhebliche Maßnahme (vgl. BVerfGE 118, 277 <317> m.w.N.), indem sie behauptet, der Antragsgegner habe die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Äußerungsbefugnisse überschritten und damit zulasten der Antragstellerin unzulässig in den Wahlkampf eingewirkt. Nach ihrem Vortrag erscheint es auch nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der Antragsgegner durch die angegriffenen Äußerungen das Recht der Antragstellerin auf Chancengleichheit bei Wahlen verletzt hat (vgl. BVerfGE 40, 287 <293>; 44, 125 <146>; 63, 230 <243>). Insoweit unterscheidet sich die vorliegende Fallgestaltung von der, die dem Senatsbeschluss vom 25. März 1981 - 2 BvE 1/79 - (BVerfGE 57, 1) zugrunde lag und die durch das Fehlen entsprechenden Vorbringens gekennzeichnet war (vgl. BVerfGE 57, 1 <7 ff.>).

C.

20

Der Antrag ist unbegründet. Die von der Antragstellerin angegriffenen Äußerungen des Antragsgegners sind von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden und verletzen daher die Antragstellerin nicht in ihrem Recht auf Wahrung der Chancengleichheit der politischen Parteien.

I.

21

Der Bundespräsident hat neben der Wahrnehmung der ihm durch die Verfassung ausdrücklich zugewiesenen Befugnisse kraft seines Amtes insbesondere die Aufgabe, im Sinne der Integration des Gemeinwesens zu wirken. Wie der Bundespräsident diese Aufgabe wahrnimmt, entscheidet er grundsätzlich autonom; ihm kommt diesbezüglich ein weiter Gestaltungsspielraum zu (1.). Das Handeln des Bundespräsidenten findet seine Grenzen in der Bindung an die Verfassung und die Gesetze (2.). Der Bundespräsident hat demgemäß das Recht der Parteien auf freie und gleiche Mitwirkung bei der politischen Willensbildung des Volkes gemäß Art. 21 GG zu achten, jedoch können Äußerungen des Bundespräsidenten, die die Chancengleichheit der Parteien berühren, gerichtlich nur dann beanstandet werden, wenn er mit ihnen unter evidenter Vernachlässigung seiner Integrationsaufgabe und damit willkürlich Partei ergreift (3.).

22

1. Der Bundespräsident repräsentiert Staat und Volk der Bundesrepublik Deutschland nach außen und innen und soll die Einheit des Staates verkörpern (vgl. Senatsurteil vom 10. Juni 2014 - 2 BvE 2/09, 2 BvE 22 BvE 2/10 -, Rn. 91 ff.). Wie der Bundespräsident seine Repräsentations- und Integrationsaufgaben mit Leben erfüllt, entscheidet der Amtsinhaber grundsätzlich selbst. Besteht eine wesentliche Aufgabe des Bundespräsidenten darin, durch sein öffentliches Auftreten die Einheit des Gemeinwesens sichtbar zu machen und diese Einheit mittels der Autorität des Amtes zu fördern, muss ihm insoweit ein weiter Gestaltungsspielraum zukommen. Der Bundespräsident kann - wie der Antragsgegner überzeugend dargelegt hat - den mit dem Amt verbundenen Erwartungen nur gerecht werden, wenn er auf gesellschaftliche Entwicklungen und allgemeinpolitische Herausforderungen entsprechend seiner Einschätzung eingehen kann und dabei in der Wahl der Themen ebenso frei ist wie in der Entscheidung über die jeweils angemessene Kommunikationsform. Der Bundespräsident bedarf daher, auch soweit er auf Fehlentwicklungen hinweist oder vor Gefahren warnt und dabei die von ihm als Verursacher ausgemachten Kreise oder Personen benennt, über die seinem Amt immanente Befugnis zu öffentlicher Äußerung hinaus keiner gesetzlichen Ermächtigung.

23

Den verfassungsrechtlichen Erwartungen an das Amt des Bundespräsidenten und der gefestigten Verfassungstradition seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland entspricht es, dass der Bundespräsident eine gewisse Distanz zu Zielen und Aktivitäten von politischen Parteien und gesellschaftlichen Gruppen wahrt (vgl. Senatsurteil vom 10. Juni 2014 - 2 BvE 2/09, 2 BvE 22 BvE 2/10 -, Rn. 95 m.w.N.). Daraus allein folgen indes keine justiziablen Vorgaben für die Amtsausübung. Insbesondere ist der Bundespräsident nicht etwa, wie die Antragstellerin meint, von Rechts wegen gehalten, seinen Äußerungen stets eine umfassende und nachvollziehbare Abwägung zugrunde zu legen und darüber in seinen Verlautbarungen Rechenschaft zu geben.

24

2. Der Bundespräsident übt Staatsgewalt im Sinne von Art. 20 Abs. 2 GG aus und ist gemäß Art. 1 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 3 GG an die Grundrechte sowie an Gesetz und Recht gebunden, was in der Eidesformel (Art. 56 GG), mittelbar in den Immunitätsregeln (Art. 60 Abs. 4 i.V.m. Art. 46 Abs. 2 GG) sowie in den Voraussetzungen einer Anklage gemäß Art. 61 Abs. 1 Satz 1 GG wiederholten Ausdruck findet. Der Bundespräsident steht in keinerlei Hinsicht "über dem Gesetz".

25

3. Zu den vom Bundespräsidenten zu achtenden Rechten gehört das Recht politischer Parteien auf Chancengleichheit aus Art. 21 Abs. 1 GG, soweit es um die Chancengleichheit bei Wahlen geht, in Verbindung mit Art. 38 Abs. 1 GG oder Art. 28 Abs. 1 GG. Dieses Recht kann dadurch verletzt werden, dass Staatsorgane zugunsten oder zulasten einer politischen Partei in den Wahlkampf einwirken (vgl. BVerfGE 44, 125 <146>). Eine die Gleichheit ihrer Wettbewerbschancen beeinträchtigende Wirkung kann für eine Partei auch von der Kundgabe negativer Werturteile über ihre Ziele und Betätigungen ausgehen (vgl. BVerfGE 40, 287 <293>). Wann dies der Fall ist, hängt von der jeweiligen Fallgestaltung ab.

26

a) So hat der Senat für die Abgrenzung zulässiger Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung von einem (unzulässigen) parteiergreifenden Einwirken auf den Wahlkampf Kriterien entwickelt, mit denen verhindert werden soll, dass die Öffentlichkeitsarbeit durch Einsatz öffentlicher Mittel den die Regierung tragenden Parteien zu Hilfe kommt und die Oppositionsparteien bekämpft (vgl. BVerfGE 44, 125 <148 ff.>). Geht es bei dieser Fallgestaltung in erster Linie darum, den Prozess der freien und offenen Meinungs- und Willensbildung des Volkes gegenüber vom Informationsinteresse der Öffentlichkeit nicht gedeckten Einflussnahmen der Bundesregierung zugunsten der sie tragenden Parteien abzuschirmen, sind die verfassungsrechtlichen Grenzen negativer Werturteile in den Verfassungsschutzberichten des Bundesministeriums des Innern von einem anderen Ausgangspunkt her zu bestimmen. Derartige Werturteile sind im Rahmen der verfassungsrechtlichen Pflicht zum Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung grundsätzlich zulässig; die betroffene Partei kann sich im Kampf um die öffentliche Meinung dagegen zur Wehr setzen (vgl. BVerfGE 40, 287 <291 ff.>). Sie werden erst dann unzulässig, wenn sie auf sachfremden Erwägungen beruhen und damit den Anspruch der betroffenen Partei auf gleiche Wettbewerbschancen willkürlich beeinträchtigen (vgl. BVerfGE 40, 287 <293>). Diesen Ansatz hat der Senat auch für die Beteiligung staatlicher Stellen an der öffentlichen Auseinandersetzung über die Einleitung eines gegen die Antragstellerin gerichteten Verbotsverfahrens aufgegriffen und ausgesprochen, dass das Recht politischer Parteien auf Chancengleichheit als ein wesentlicher Bestandteil der demokratischen Grundordnung es staatlichen Stellen verwehrt, eine nicht verbotene politische Partei in der Öffentlichkeit nachhaltig verfassungswidriger Zielsetzung und Betätigung zu verdächtigen, wenn ein solches Vorgehen bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass es auf sachfremden Erwägungen beruht (BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 20. Februar 2013 - 2 BvE 11/12 -, NVwZ 2013, S. 568 <569>, Rn. 22; zu Abwägungen bei negativen Werturteilen in Verfassungsschutzberichten über Presseerzeugnisse vgl. BVerfGE 113, 63 <75 ff.>).

27

b) Diese Erwägungen lassen sich nicht ohne weiteres für die verfassungsrechtliche Beurteilung negativer Äußerungen des Bundespräsidenten über bestimmte Parteien heranziehen. Weder steht der Bundespräsident mit den politischen Parteien in direktem Wettbewerb um die Gewinnung politischen Einflusses, noch stehen ihm Mittel zur Verfügung, die es ihm wie etwa der Bundesregierung ermöglichten, durch eine ausgreifende Informationspolitik auf die Meinungs- und Willensbildung des Volkes einzuwirken. Es gehört auch nicht zu seinen Befugnissen, die Öffentlichkeit regelmäßig über radikale Bestrebungen zu informieren oder über einen Antrag auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Partei (Art. 21 Abs. 2 GG) zu befinden. Äußerungen des Bundespräsidenten haben andererseits kraft seiner Stellung besonderes Gewicht, und eine öffentliche Auseinandersetzung mit dem Bundespräsidenten folgt anderen Gegebenheiten als die mit direkten politischen Konkurrenten oder einer von ihnen getragenen Bundesregierung. Folglich sind die Grenzen der Äußerungsbefugnisse des Bundespräsidenten gesondert zu bestimmen.

28

In Erfüllung seiner Repräsentations- und Integrationsaufgabe obliegt es dem Bundespräsidenten, im Interesse der Wahrung und Förderung des Gemeinwesens das Wort zu ergreifen und die Öffentlichkeit durch seine Beiträge auf von ihm identifizierte Missstände und Fehlentwicklungen - insbesondere solche, die den Zusammenhalt der Bürger und das friedliche Zusammenleben aller Einwohner gefährden - aufmerksam zu machen sowie um Engagement bei deren Beseitigung zu werben. Er kann in diesem Sinn integrierend nur wirken, wenn es ihm freisteht, nicht nur die Risiken und Gefahren für das Gemeinwohl, sondern auch mögliche Ursachen und Verursacher zu benennen. Gehen Risiken und Gefahren nach Einschätzung des Bundespräsidenten von einer bestimmten politischen Partei aus, ist er nicht gehindert, die von ihm erkannten Zusammenhänge zum Gegenstand seiner öffentlichen Äußerungen zu machen. Dem steht die verfassungsrechtliche Erwartung nicht entgegen, dass der Bundespräsident - insbesondere zu Wahlkampfzeiten -eine gewisse Distanz zu Zielen und Aktivitäten von politischen Parteien und gesellschaftlichen Gruppen wahrt (oben Rn. 25), weil mit ihr nicht die Vorstellung eines politisch indifferenten Amtswalters verbunden ist. Äußerungen des Bundespräsidenten sind dabei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, solange sie erkennbar einem Gemeinwohlziel verpflichtet und nicht auf die Ausgrenzung oder Begünstigung einer Partei um ihrer selbst willen angelegt sind.

29

Entsprechend diesen Grundsätzen kann der Bundespräsident auch weitgehend frei darüber entscheiden, bei welcher Gelegenheit und in welcher Form er sich äußert und in welcher Weise er auf die jeweilige Kommunikationssituation eingeht. Er ist insbesondere nicht gehindert, sein Anliegen auch in zugespitzter Wortwahl vorzubringen, wenn er dies für angezeigt hält. Mit der Repräsentations- und Integrationsaufgabe des Bundespräsidenten nicht mehr im Einklang stehen Äußerungen, die keinen Beitrag zur sachlichen Auseinandersetzung liefern, sondern ausgrenzend wirken, wie dies grundsätzlich bei beleidigenden, insbesondere solchen Äußerungen der Fall sein wird, die in anderen Zusammenhängen als "Schmähkritik" (vgl. BVerfGE 93, 266 <294> m.w.N.) qualifiziert werden.

30

c) Die verfassungsgerichtliche Kontrolle von Äußerungen des Bundespräsidenten, die die Chancengleichheit der Parteien berühren, hat zu berücksichtigen, dass es ausschließlich Sache des Bundespräsidenten selbst ist, darüber zu befinden, wie er seine Amtsführung gestaltet und seine Integrationsfunktion wahrnimmt. Inwieweit er sich dabei am Leitbild eines "neutralen Bundespräsidenten" orientiert, unterliegt weder generell noch im Einzelfall gerichtlicher Überprüfung. Andererseits widerspräche es rechtsstaatlichen Grundsätzen, wären politische Parteien, deren Recht auf Chancengleichheit ein wesentlicher Bestandteil der demokratischen Grundordnung ist, im Verhältnis zum Bundespräsidenten rechtsschutzlos gestellt. Vor diesem Hintergrund erscheint es geboten, aber auch ausreichend, negative Äußerungen des Bundespräsidenten über eine Partei gerichtlich daraufhin zu überprüfen, ob er mit ihnen unter evidenter Vernachlässigung seiner Integrationsfunktion und damit willkürlich Partei ergriffen hat.

II.

31

Nach diesem Maßstab sind die von der Antragstellerin angegriffenen Äußerungen des Antragsgegners nicht zu beanstanden. Der Antragsgegner hat sich mit seinen, wie sich jedenfalls aus dem Gesamtzusammenhang ergibt, auch auf die Antragstellerin bezogenen Äußerungen gegen geschichtsvergessene rechtsradikale und fremdenfeindliche Überzeugungen gewandt und dazu aufgerufen, mit demokratischen Mitteln zu verhindern, dass sich diese Überzeugungen durchsetzen. Damit hat der Antragsgegner sich im Rahmen seiner Repräsentations- und Integrationsfunktion gehalten und nicht willkürlich gegen die Antragstellerin Partei ergriffen.

32

1. Soweit die Antragstellerin sich in ihren Rechten dadurch verletzt sieht, dass der Antragsgegner Proteste gegen die Antragstellerin in Berlin-Hellersdorf öffentlich unterstützt habe, bleibt der Antrag ohne Erfolg. Dass der Bundespräsident gewaltsame Proteste gegen die Antragstellerin unterstützt oder auch nur gutgeheißen hätte, lässt sich seinen Äußerungen bei der gebotenen objektiven Auslegung - entgegen der Auffassung der Antragstellerin - nicht entnehmen. Der Bundespräsident hat eingangs seiner Antwort ausdrücklich darauf hingewiesen, bereits das Abreißen von Plakaten nicht zu billigen. Es konnte daher kein Zweifel bestehen, dass er erst recht gewalttätige Auseinandersetzungen mit der Antragstellerin ablehnte. Im Weiteren hat er lediglich in der Sache auf die Meinungs- und Versammlungsfreiheit (Art. 5, 8 GG) hingewiesen und zum politischen Meinungskampf aufgefordert. Hierzu war er befugt.

33

2. Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist auch die Verwendung des Wortes "Spinner" im konkreten Zusammenhang. Der Antragsgegner hat damit über die Antragstellerin und ihre Anhänger und Unterstützer ein negatives Werturteil abgegeben, das isoliert betrachtet durchaus als diffamierend empfunden werden und auf eine unsachliche Ausgrenzung der so Bezeichneten hindeuten kann. Hier indes dient, wie sich aus dem Duktus der Äußerungen des Antragsgegners ergibt, die Bezeichnung als "Spinner" - neben derjenigen als "Ideologen" und "Fanatiker" - als Sammelbegriff für Menschen, die die Geschichte nicht verstanden haben und, unbeeindruckt von den verheerenden Folgen des Nationalsozialismus, rechtsradikale - nationalistische und antidemokratische - Überzeugungen vertreten (zur grundgesetzlichen Ordnung als Gegenentwurf zur nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft vgl. BVerfGE 124, 300 <327 ff.>). Die mit der Bezeichnung als "Spinner" vorgenommene Zuspitzung sollte den Teilnehmern an der Veranstaltung nicht nur die Unbelehrbarkeit der so Angesprochenen verdeutlichen, sondern auch hervorheben, dass sie ihre Ideologie vergeblich durchzusetzen hofften, wenn die Bürger ihnen "ihre Grenzen aufweisen". Indem der Antragsgegner, anknüpfend an die aus der Unrechtsherrschaft des Nationalsozialismus zu ziehenden Lehren, zu bürgerschaftlichem Engagement gegenüber politischen Ansichten, von denen seiner Auffassung nach Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung ausgehen und die er von der Antragstellerin vertreten sieht, aufgerufen hat, hat er für die dem Grundgesetz entsprechende Form der Auseinandersetzung mit solchen Ansichten (vgl. insoweit BVerfGE 124, 300 <330 f.>) geworben und damit die ihm von Verfassungs wegen gesetzten Grenzen negativer öffentlicher Äußerungen über politische Parteien nicht überschritten.

(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.

(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.

(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.

(1) Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muß demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben.

(2) Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.

(3) Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen. Wird der Ausschluss festgestellt, so entfällt auch eine steuerliche Begünstigung dieser Parteien und von Zuwendungen an diese Parteien.

(4) Über die Frage der Verfassungswidrigkeit nach Absatz 2 sowie über den Ausschluss von staatlicher Finanzierung nach Absatz 3 entscheidet das Bundesverfassungsgericht.

(5) Das Nähere regeln Bundesgesetze.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

(2) Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.

(3) Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz.

(1) Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muß demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben.

(2) Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.

(3) Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen. Wird der Ausschluss festgestellt, so entfällt auch eine steuerliche Begünstigung dieser Parteien und von Zuwendungen an diese Parteien.

(4) Über die Frage der Verfassungswidrigkeit nach Absatz 2 sowie über den Ausschluss von staatlicher Finanzierung nach Absatz 3 entscheidet das Bundesverfassungsgericht.

(5) Das Nähere regeln Bundesgesetze.

Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

A.

1

Die Antragstellerin sieht sich durch Äußerungen des Antragsgegners im Vorfeld der Bundestagswahl 2013 in ihrem Recht auf Chancengleichheit im Wettbewerb der politischen Parteien verletzt.

I.

2

1. Im August 2013 nahm der Antragsgegner an einer Gesprächsrunde vor mehreren hundert Berufsschülern im Alter zwischen 18 und 25 Jahren in einem Schulzentrum in Berlin-Kreuzberg teil. In der unter dem Motto "22.09.2013 - Deine Stimme zählt!" stehenden Veranstaltung wies der Antragsgegner unter anderem auf die Bedeutung von freien Wahlen für die Demokratie hin und forderte die Schülerinnen und Schüler zu sozialem und politischem Engagement auf. Auf die Frage einer Schülerin ging der Antragsgegner auch auf Ereignisse ein, die mit den Protesten von Mitgliedern und Unterstützern der Antragstellerin gegen ein Asylbewerberheim in Berlin-Hellersdorf in Zusammenhang standen:

"Frage: Hallo, mein Name ist (…). Ich wohne zur Zeit in Hellersdorf, dort sind auch sehr viele NPD-Plakate, einige davon sind auch abgerissen und ich wollte fragen, ob Sie, wenn Sie jetzt gerade nicht in der Stellung wären, in der Sie sind, hätten Sie da auch mitgemacht oder ist ihnen da die Meinungsfreiheit - hat die da ein größeres Gewicht für Sie?

Antragsgegner: Nein, beim Plakateabreißen hätte ich nicht mitgemacht. Und wissen Sie auch, wir haben so viele Möglichkeiten, uns gegen Rechtsradikale zu verteidigen, und Gott sei Dank funktioniert das. Ich meine, wir haben gerade auch in Hellersdorf gesehen - ich habe mich selber da auch informiert, bin selber auch mal hingefahren, jedenfalls in die Gemeinde dort -, was passiert da nicht alles, um den Asylbewerbern zu zeigen, also ihr seid hier nicht in einem Niemandsland. Bei uns gibt es Leute, die haben eine politische Ansicht, die die Mehrheit der Deutschen nicht teilt, und wir sind in einem Land, wo die diese Ansicht auch laut sagen dürfen. Das kann uns peinlich sein, und mir als älterem Deutschen ist es enorm peinlich. Ich finde das von allen politischen Irrtümern eigentlich am Widerlichsten. Schauen Sie, ich bin ja noch in der Zeit von Adolf Hitler geboren, ich hab da nicht viel mitgekriegt, weil ich Baby und Kleinkind war, aber als ich fünf war, ging dieser ganze Spuk zu Ende. Und alles, was wir nachher hatten an Leiden, an deutscher Spaltung, an kommunistischer Diktatur, an Vertreibung der Deutschen aus dem Osten, alles hatte seinen Ursprung, weil wir Deutschen uns überhöht hatten, als das auserwählte Volk gelten wollten und andere erniedrigt, ausgebeutet, verfolgt, überfallen haben. All das hat mein Leben doch sehr sehr stark beeindruckt. Und dass in der Mitte unseres Volkes ausgerechnet rechtsradikale Überzeugungen wieder Gehör finden, das finde ich so eklig, ich kann gar nicht sagen wie eklig. Aber solange eine Partei nicht verboten ist, darf sie auch sich äußern, und das müssen wir auch ertragen. Eine freie Gesellschaft kann den Irrtum nicht verbieten und kann auch nicht verbieten, dass irrige Meinungen geäußert werden. Die können wir bekämpfen. Und wir bekämpfen die. Und das beruhigt mich. Wir brauchen da auch nicht nur unsere staatlichen Instanzen - die brauchen wir auch manchmal -, aber wir brauchen da Bürger, die auf die Straße gehen, die den Spinnern ihre Grenzen aufweisen und die sagen "bis hierher und nicht weiter". Und dazu sind Sie alle aufgefordert. (Applaus)

(Einwurf vom Podium, dass nur noch ein oder zwei Fragen vor Ende der Veranstaltung gestellt werden können)

Frage: Herr Bundespräsident (hier bin ich, hier oben - Gelächter), was halten Sie denn von einem Verbot der NPD? Weil, ich habe mich ein bisschen mit dem Thema auseinandergesetzt. Mir fällt es schwer, zu begreifen oder die Tatsache einfach anzuerkennen, dass ich mit meinem Steuergeld quasi Leute bezahle, die mich nicht in diesem Land haben wollen. Um es verschärft zu sagen, die wollen mich eigentlich tot sehen. Das ist für mich nicht verständlich (Applaus, Pfeifen). Wir müssen dafür sorgen, dass diese Partei, dieses Gedankengut, nicht in die Mitte der Gesellschaft kommen kann. Was die NPD jetzt in Mecklenburg-Vorpommern macht, in den neuen Bundesländern, sie richtet Straßenfeste aus, Kitaplätze werden finanziert teilweise, die gehen da hin, wo die Bundesregierung nicht rankommt, und ich finde halt, wir dürfen der NPD nicht diese Macht geben, da reinzustoßen. Was halten Sie davon? (Applaus)

Antragsgegner: Also erstmal: Das Gefühl, das Sie da geschildert haben, dass ihre Steuergelder - ich muss noch mehr Steuern bezahlen als Sie (Gelächter) und das tut mir noch mehr weh, wenn die zweckentfremdet werden, also diese Gefühle kann ich total teilen. Zweitens: Ich bin Mecklenburger, und es gibt in Mecklenburg keine sozial national befreiten Zonen, man kann dort überall hingehen. Es gibt zwei oder drei Stellen, wo die sich mit besonderer Dreistigkeit hervortun. Aber auch dort gibt es die Bündnisse, über die ich gesprochen habe. Wir brauchen keine übertriebene Angst zu haben, dass diese Menschen, die die Geschichte nicht verstanden haben, dass die in Deutschland noch irgendwann einmal an die Macht kommen würden. Diese Angst brauchen wir nicht zu haben. Und nun müssen wir uns fragen, wie begegnen wir ihnen in der richtigen Weise, wie grenzen wir ihre Aktivitäten ein, wie bekämpfen wir sie. Und da ist eine Möglichkeit, die ein Teil unserer Parteien und Abgeordneten jetzt versucht, die, diese Partei verbieten zu lassen. Ich bin nicht sicher, ob das das Allerwichtigste ist. Für mich ist das Allerwichtigste, dass wir weder in der Politik eine einzige Partei haben, die mit denen Bündnisse eingeht, noch dass wir als Bürger in der Gefahr sind, ihnen massenhaft zu folgen. Im Gegenteil. Überall wo sie auftreten sind wir 10, 20 oder 30 Mal mehr als die. Das heißt, wir sind diejenigen, die die Macht haben. Und wir sollten ihnen nicht unsere Angst schenken und so tun, als könnten sie diese Demokratie gefährden. Sie sind unappetitlich, wir müssen sie politisch bekämpfen, und es ist eine Frage, ob sie so gefährlich sind, dass unser Verfassungsgericht sie verbieten wird. Da warte ich geduldig ab. Meine - spüren Sie ganz deutlich heraus, das mag so sein, dass sie verboten werden, aber ich bin stolz, Präsident eines Landes zu sein, in dem die Bürger ihre Demokratie verteidigen, in dem sie Bündnisse schaffen und ihre Parteien auch so haben, dass sie sagen, das ist nicht unsere Welt. Die sind stolz auf ein Deutschland, das wir hassen, und sie hassen ein Deutschland, auf das wir stolz sind. Und da, da beißt die Maus keinen Faden ab. Und das können wir so oder so machen. Übrigens: Wir können die Partei verbieten, aber die Spinner und die Ideologen und die Fanatiker, die haben wir dann nicht aus der Welt geschafft. Die sind ja nicht in irgendwo in einem Lager dann. Sondern die suchen sich Kameradschaften und Cliquen, wo die dann weiter ihr Unwesen treiben. Das ist eben das, was wir uns dann bedenken müssen. Und diejenigen, die dem Parteiverbot kritisch gegenüber , sagen, die sind dann praktisch noch schwieriger zu kontrollieren. Also ich will mich da nicht deutlicher festlegen, aber Sie merken schon, dass ich stolz bin auf eine Bevölkerung, die hier wirklich aus der Geschichte gelernt hat und die genau weiß: Nie wieder. Und dazu gehören wir alle, die wir hier im Raum sitzen. (Applaus)

3

2. In der Presseberichterstattung über die Veranstaltung hieß es, der Antragsgegner unterstütze die Proteste gegen die Antragstellerin. Insbesondere wurden die Aussagen des Antragsgegners zitiert, "Wir brauchen Bürger, die auf die Straße gehen und den Spinnern ihre Grenzen aufweisen. Dazu sind Sie alle aufgefordert" und "Ich bin stolz, Präsident eines Landes zu sein, in dem die Bürger ihre Demokratie verteidigen".

4

3. Auf Nachfrage der Antragstellerin, ob die Presseberichte zutreffend seien, wonach der Antragsgegner gewalttätige Proteste gegen die Antragstellerin gutheiße und deren Mitglieder und Aktivisten als "Spinner" bezeichnet habe, teilte der Antragsgegner mit, dass sich diese Frage bei verständiger Würdigung der vorgelegten Medienberichte von selbst beantworte. Es werde aber klargestellt, dass der Antragsgegner - was der Medienberichterstattung auch zu entnehmen sei - nicht zu gewalttätigen Protesten aufgerufen habe. Vielmehr habe er auf den politischen Meinungskampf verwiesen, gerade wenn es um die Auseinandersetzung mit politischen Ansichten gehe, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung in Frage stellten.

II.

5

1. Die Antragstellerin begründet ihren im Rubrum wiedergegebenen Antrag wie folgt:

6

a) Die Organklage sei zulässig. Die Äußerungen des Antragsgegners seien eine rechtserhebliche Maßnahme im Rahmen eines verfassungsrechtlichen Rechtsverhältnisses zwischen den Beteiligten. Die Antragstellerin sei antragsbefugt, da die Äußerungen des Antragsgegners einen unmittelbaren Eingriff in den seinerzeit laufenden Bundestagswahlkampf zum Nachteil der Antragstellerin dargestellt und diese in ihrem Recht auf Chancengleichheit bei der Bundestagswahl verletzt hätten.

7

b) Der Antrag sei auch begründet.

Die beanstandeten Äußerungen des Antragsgegners verletzten die Antragstellerin in ihren Rechten aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1, Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dürfe der Meinungswettbewerb der Parteien im Wahlkampf nicht von staatlicher Seite beeinflusst oder verfälscht werden. Die Regierung müsse sich bei ihrer Öffentlichkeitsarbeit zurückhalten; diese habe insbesondere sachbezogen und informierend sowie parteipolitisch neutral zu sein. Diese Maßgaben gälten auch für den Antragsgegner. Daran gemessen seien die verfahrensgegenständlichen Äußerungen des Antragsgegners unzulässig. Sie fielen schon nicht in dessen verfassungsrechtliche Zuständigkeit. Ihm stehe es als "pouvoir neutre" des Grundgesetzes im Gegensatz zur Regierung nicht zu, Warnungen vor politischen Parteien auszusprechen, schon gar nicht in der heißen Phase des Wahlkampfes vor Erstwählern. Die Äußerungen des Antragsgegners über die Antragstellerin seien geeignet, dieser im Bundestagswahlkampf erheblich zu schaden, weil gerade das Staatsoberhaupt bei den überwiegend jungen Zuhörern großen Respekt genieße. Der Antragsgegner habe in Kenntnis der Gewaltbereitschaft der Gegendemonstrationen diese pauschal und ohne ausdrückliche Gewalt-Distanzierung gutgeheißen und unterstützt. Er müsse sich daher die von Dritten verübte Gewalt als von ihm gebilligt zurechnen lassen.

8

Erschwerend komme hinzu, dass der Antragsgegner die Antragstellerin namentlich genannt habe und ausdrücklich auf das geplante, gegen die Antragstellerin gerichtete Verbotsverfahren zu sprechen gekommen sei. Daher könnten die Äußerungen nicht als "Gefahrenwarnung" zulässig sein, weil solche Warnungen parteipolitisch neutral erfolgen müssten.

9

Schließlich verstießen die vom Antragsgegner ausgesprochenen "Warnungen" auch gegen das Sachlichkeitsgebot. Die Bezeichnung von Mitgliedern, Aktivisten und Unterstützern der Antragstellerin als "Spinner" verlasse den Boden einer sachlichen Diskussion. Nach dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont grenzten die Äußerungen an Schmähkritik.

2. Der Senat hat einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 17. September 2013 abgelehnt sowie den dagegen erhobenen Widerspruch mit Beschluss vom 19. September 2013 als unzulässig verworfen (jeweils zum Aktenzeichen 2 BvE 4/13, juris).

10

3. Das Bundesverfassungsgericht hat den in § 65 Abs. 2 BVerfGG genannten Verfassungsorganen, den im Deutschen Bundestag oder in einem Landtag vertretenen Parteien sowie Parteien, die weder im Bundes- noch in einem Landtag oder im Europäischen Parlament vertreten sind, aber im Jahre 2013 Anspruch auf staatliche Parteienfinanzierung hatten, Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Geäußert hat sich lediglich der Bundespräsident als Antragsgegner.

11

4. Der Antragsgegner beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

12

a) Der Antrag sei bereits unzulässig, weil die Äußerungen des Antragsgegners keine rechtserhebliche Maßnahme darstellten, die Gegenstand eines Organstreits sein könne.

13

b) Der Antrag sei auch unbegründet.

Nach der Verfassungsordnung des Grundgesetzes komme dem Bundespräsidenten eine integrative Funktion zu. Zwar sei er vor allem in parteipolitischer Hinsicht zu größtmöglicher Unparteilichkeit und Neutralität verpflichtet. Als Hüter der Verfassung müsse der Bundespräsident aber nötigenfalls klar zugunsten der verfassungstreuen Kräfte Stellung beziehen. Die Verfassung erwarte von ihm die Abwehr von Angriffen aus dem politischen Raum auf die grundgesetzliche Ordnung, gerade auch durch seine Reden und Äußerungen.

14

Der Antragsgegner habe das Gebot der parteipolitischen Neutralität und das Recht der Antragstellerin auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb beachtet. Er habe betont, dass eine politische Partei sich äußern dürfe, solange sie nicht verboten sei, und sich dagegen gewandt, Plakate der Antragstellerin abzureißen. Negative Werturteile habe er ausschließlich über Personen abgegeben, die rechtsradikale Überzeugungen verträten. Mitglieder nicht verbotener Parteien seien ebenso wenig wie Nichtmitglieder davor geschützt, dass Repräsentanten der streitbaren Demokratie wie der Antragsgegner die freiheitliche Demokratie des Grundgesetzes in ihren Äußerungen verteidigten und sich gegen rechtsradikale Meinungen und Handlungen wendeten sowie ihre Ablehnung gegenüber Rechtsradikalen zum Ausdruck brächten.

15

Wenn und soweit die Antragstellerin Rechtsradikale als Mitglieder ihrer Partei dulde oder deren Mitgliedschaft wünsche, müsse sie in Kauf nehmen, dass der Antragsgegner diese im Rahmen der Erfüllung seines verfassungsmäßigen Auftrags zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung kritisch beurteile. Insbesondere sei er verpflichtet, das Grundrecht auf Asyl aus Art. 16a GG zu schützen.

16

Nichts anderes ergebe sich aus dem Grundsatz der Chancengleichheit politischer Parteien, der nur die Partei selbst, nicht ihre Mitglieder, Aktivisten und Unterstützer schütze. Die Äußerungen des Antragsgegners stellten zudem keine Identifizierung mit politischen Parteien oder Wahlbewerbern im Hinblick auf Wahlen dar. Der Antragsgegner habe sich im Bundestagswahlkampf nicht selbst zur Wiederwahl gestellt und auch nicht dafür geworben, dass die Bundesregierung oder die sie tragenden Parteien wiedergewählt werden.

17

5. In der mündlichen Verhandlung vom 25. Februar 2014 haben die Beteiligten ihren Vortrag vertieft und ergänzt.

B.

18

Der Antrag ist zulässig.

19

Der Antragstellerin steht zur Verfolgung ihres Anliegens der Organstreit offen. Sie macht geltend, als politische Partei durch eine Maßnahme des Antragsgegners als anderes Verfassungsorgan (vgl. BVerfGE 62, 1 <33>) in ihrem Recht auf Chancengleichheit bei Wahlen gemäß Art. 21 Abs. 1, Art. 38 Abs. 1 GG verletzt zu sein (vgl. BVerfGE 121, 30 <57> m.w.N.; 44, 125 <137> m.w.N.). Die Antragstellerin wendet sich gegen eine rechtserhebliche Maßnahme (vgl. BVerfGE 118, 277 <317> m.w.N.), indem sie behauptet, der Antragsgegner habe die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Äußerungsbefugnisse überschritten und damit zulasten der Antragstellerin unzulässig in den Wahlkampf eingewirkt. Nach ihrem Vortrag erscheint es auch nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der Antragsgegner durch die angegriffenen Äußerungen das Recht der Antragstellerin auf Chancengleichheit bei Wahlen verletzt hat (vgl. BVerfGE 40, 287 <293>; 44, 125 <146>; 63, 230 <243>). Insoweit unterscheidet sich die vorliegende Fallgestaltung von der, die dem Senatsbeschluss vom 25. März 1981 - 2 BvE 1/79 - (BVerfGE 57, 1) zugrunde lag und die durch das Fehlen entsprechenden Vorbringens gekennzeichnet war (vgl. BVerfGE 57, 1 <7 ff.>).

C.

20

Der Antrag ist unbegründet. Die von der Antragstellerin angegriffenen Äußerungen des Antragsgegners sind von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden und verletzen daher die Antragstellerin nicht in ihrem Recht auf Wahrung der Chancengleichheit der politischen Parteien.

I.

21

Der Bundespräsident hat neben der Wahrnehmung der ihm durch die Verfassung ausdrücklich zugewiesenen Befugnisse kraft seines Amtes insbesondere die Aufgabe, im Sinne der Integration des Gemeinwesens zu wirken. Wie der Bundespräsident diese Aufgabe wahrnimmt, entscheidet er grundsätzlich autonom; ihm kommt diesbezüglich ein weiter Gestaltungsspielraum zu (1.). Das Handeln des Bundespräsidenten findet seine Grenzen in der Bindung an die Verfassung und die Gesetze (2.). Der Bundespräsident hat demgemäß das Recht der Parteien auf freie und gleiche Mitwirkung bei der politischen Willensbildung des Volkes gemäß Art. 21 GG zu achten, jedoch können Äußerungen des Bundespräsidenten, die die Chancengleichheit der Parteien berühren, gerichtlich nur dann beanstandet werden, wenn er mit ihnen unter evidenter Vernachlässigung seiner Integrationsaufgabe und damit willkürlich Partei ergreift (3.).

22

1. Der Bundespräsident repräsentiert Staat und Volk der Bundesrepublik Deutschland nach außen und innen und soll die Einheit des Staates verkörpern (vgl. Senatsurteil vom 10. Juni 2014 - 2 BvE 2/09, 2 BvE 22 BvE 2/10 -, Rn. 91 ff.). Wie der Bundespräsident seine Repräsentations- und Integrationsaufgaben mit Leben erfüllt, entscheidet der Amtsinhaber grundsätzlich selbst. Besteht eine wesentliche Aufgabe des Bundespräsidenten darin, durch sein öffentliches Auftreten die Einheit des Gemeinwesens sichtbar zu machen und diese Einheit mittels der Autorität des Amtes zu fördern, muss ihm insoweit ein weiter Gestaltungsspielraum zukommen. Der Bundespräsident kann - wie der Antragsgegner überzeugend dargelegt hat - den mit dem Amt verbundenen Erwartungen nur gerecht werden, wenn er auf gesellschaftliche Entwicklungen und allgemeinpolitische Herausforderungen entsprechend seiner Einschätzung eingehen kann und dabei in der Wahl der Themen ebenso frei ist wie in der Entscheidung über die jeweils angemessene Kommunikationsform. Der Bundespräsident bedarf daher, auch soweit er auf Fehlentwicklungen hinweist oder vor Gefahren warnt und dabei die von ihm als Verursacher ausgemachten Kreise oder Personen benennt, über die seinem Amt immanente Befugnis zu öffentlicher Äußerung hinaus keiner gesetzlichen Ermächtigung.

23

Den verfassungsrechtlichen Erwartungen an das Amt des Bundespräsidenten und der gefestigten Verfassungstradition seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland entspricht es, dass der Bundespräsident eine gewisse Distanz zu Zielen und Aktivitäten von politischen Parteien und gesellschaftlichen Gruppen wahrt (vgl. Senatsurteil vom 10. Juni 2014 - 2 BvE 2/09, 2 BvE 22 BvE 2/10 -, Rn. 95 m.w.N.). Daraus allein folgen indes keine justiziablen Vorgaben für die Amtsausübung. Insbesondere ist der Bundespräsident nicht etwa, wie die Antragstellerin meint, von Rechts wegen gehalten, seinen Äußerungen stets eine umfassende und nachvollziehbare Abwägung zugrunde zu legen und darüber in seinen Verlautbarungen Rechenschaft zu geben.

24

2. Der Bundespräsident übt Staatsgewalt im Sinne von Art. 20 Abs. 2 GG aus und ist gemäß Art. 1 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 3 GG an die Grundrechte sowie an Gesetz und Recht gebunden, was in der Eidesformel (Art. 56 GG), mittelbar in den Immunitätsregeln (Art. 60 Abs. 4 i.V.m. Art. 46 Abs. 2 GG) sowie in den Voraussetzungen einer Anklage gemäß Art. 61 Abs. 1 Satz 1 GG wiederholten Ausdruck findet. Der Bundespräsident steht in keinerlei Hinsicht "über dem Gesetz".

25

3. Zu den vom Bundespräsidenten zu achtenden Rechten gehört das Recht politischer Parteien auf Chancengleichheit aus Art. 21 Abs. 1 GG, soweit es um die Chancengleichheit bei Wahlen geht, in Verbindung mit Art. 38 Abs. 1 GG oder Art. 28 Abs. 1 GG. Dieses Recht kann dadurch verletzt werden, dass Staatsorgane zugunsten oder zulasten einer politischen Partei in den Wahlkampf einwirken (vgl. BVerfGE 44, 125 <146>). Eine die Gleichheit ihrer Wettbewerbschancen beeinträchtigende Wirkung kann für eine Partei auch von der Kundgabe negativer Werturteile über ihre Ziele und Betätigungen ausgehen (vgl. BVerfGE 40, 287 <293>). Wann dies der Fall ist, hängt von der jeweiligen Fallgestaltung ab.

26

a) So hat der Senat für die Abgrenzung zulässiger Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung von einem (unzulässigen) parteiergreifenden Einwirken auf den Wahlkampf Kriterien entwickelt, mit denen verhindert werden soll, dass die Öffentlichkeitsarbeit durch Einsatz öffentlicher Mittel den die Regierung tragenden Parteien zu Hilfe kommt und die Oppositionsparteien bekämpft (vgl. BVerfGE 44, 125 <148 ff.>). Geht es bei dieser Fallgestaltung in erster Linie darum, den Prozess der freien und offenen Meinungs- und Willensbildung des Volkes gegenüber vom Informationsinteresse der Öffentlichkeit nicht gedeckten Einflussnahmen der Bundesregierung zugunsten der sie tragenden Parteien abzuschirmen, sind die verfassungsrechtlichen Grenzen negativer Werturteile in den Verfassungsschutzberichten des Bundesministeriums des Innern von einem anderen Ausgangspunkt her zu bestimmen. Derartige Werturteile sind im Rahmen der verfassungsrechtlichen Pflicht zum Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung grundsätzlich zulässig; die betroffene Partei kann sich im Kampf um die öffentliche Meinung dagegen zur Wehr setzen (vgl. BVerfGE 40, 287 <291 ff.>). Sie werden erst dann unzulässig, wenn sie auf sachfremden Erwägungen beruhen und damit den Anspruch der betroffenen Partei auf gleiche Wettbewerbschancen willkürlich beeinträchtigen (vgl. BVerfGE 40, 287 <293>). Diesen Ansatz hat der Senat auch für die Beteiligung staatlicher Stellen an der öffentlichen Auseinandersetzung über die Einleitung eines gegen die Antragstellerin gerichteten Verbotsverfahrens aufgegriffen und ausgesprochen, dass das Recht politischer Parteien auf Chancengleichheit als ein wesentlicher Bestandteil der demokratischen Grundordnung es staatlichen Stellen verwehrt, eine nicht verbotene politische Partei in der Öffentlichkeit nachhaltig verfassungswidriger Zielsetzung und Betätigung zu verdächtigen, wenn ein solches Vorgehen bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass es auf sachfremden Erwägungen beruht (BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 20. Februar 2013 - 2 BvE 11/12 -, NVwZ 2013, S. 568 <569>, Rn. 22; zu Abwägungen bei negativen Werturteilen in Verfassungsschutzberichten über Presseerzeugnisse vgl. BVerfGE 113, 63 <75 ff.>).

27

b) Diese Erwägungen lassen sich nicht ohne weiteres für die verfassungsrechtliche Beurteilung negativer Äußerungen des Bundespräsidenten über bestimmte Parteien heranziehen. Weder steht der Bundespräsident mit den politischen Parteien in direktem Wettbewerb um die Gewinnung politischen Einflusses, noch stehen ihm Mittel zur Verfügung, die es ihm wie etwa der Bundesregierung ermöglichten, durch eine ausgreifende Informationspolitik auf die Meinungs- und Willensbildung des Volkes einzuwirken. Es gehört auch nicht zu seinen Befugnissen, die Öffentlichkeit regelmäßig über radikale Bestrebungen zu informieren oder über einen Antrag auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Partei (Art. 21 Abs. 2 GG) zu befinden. Äußerungen des Bundespräsidenten haben andererseits kraft seiner Stellung besonderes Gewicht, und eine öffentliche Auseinandersetzung mit dem Bundespräsidenten folgt anderen Gegebenheiten als die mit direkten politischen Konkurrenten oder einer von ihnen getragenen Bundesregierung. Folglich sind die Grenzen der Äußerungsbefugnisse des Bundespräsidenten gesondert zu bestimmen.

28

In Erfüllung seiner Repräsentations- und Integrationsaufgabe obliegt es dem Bundespräsidenten, im Interesse der Wahrung und Förderung des Gemeinwesens das Wort zu ergreifen und die Öffentlichkeit durch seine Beiträge auf von ihm identifizierte Missstände und Fehlentwicklungen - insbesondere solche, die den Zusammenhalt der Bürger und das friedliche Zusammenleben aller Einwohner gefährden - aufmerksam zu machen sowie um Engagement bei deren Beseitigung zu werben. Er kann in diesem Sinn integrierend nur wirken, wenn es ihm freisteht, nicht nur die Risiken und Gefahren für das Gemeinwohl, sondern auch mögliche Ursachen und Verursacher zu benennen. Gehen Risiken und Gefahren nach Einschätzung des Bundespräsidenten von einer bestimmten politischen Partei aus, ist er nicht gehindert, die von ihm erkannten Zusammenhänge zum Gegenstand seiner öffentlichen Äußerungen zu machen. Dem steht die verfassungsrechtliche Erwartung nicht entgegen, dass der Bundespräsident - insbesondere zu Wahlkampfzeiten -eine gewisse Distanz zu Zielen und Aktivitäten von politischen Parteien und gesellschaftlichen Gruppen wahrt (oben Rn. 25), weil mit ihr nicht die Vorstellung eines politisch indifferenten Amtswalters verbunden ist. Äußerungen des Bundespräsidenten sind dabei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, solange sie erkennbar einem Gemeinwohlziel verpflichtet und nicht auf die Ausgrenzung oder Begünstigung einer Partei um ihrer selbst willen angelegt sind.

29

Entsprechend diesen Grundsätzen kann der Bundespräsident auch weitgehend frei darüber entscheiden, bei welcher Gelegenheit und in welcher Form er sich äußert und in welcher Weise er auf die jeweilige Kommunikationssituation eingeht. Er ist insbesondere nicht gehindert, sein Anliegen auch in zugespitzter Wortwahl vorzubringen, wenn er dies für angezeigt hält. Mit der Repräsentations- und Integrationsaufgabe des Bundespräsidenten nicht mehr im Einklang stehen Äußerungen, die keinen Beitrag zur sachlichen Auseinandersetzung liefern, sondern ausgrenzend wirken, wie dies grundsätzlich bei beleidigenden, insbesondere solchen Äußerungen der Fall sein wird, die in anderen Zusammenhängen als "Schmähkritik" (vgl. BVerfGE 93, 266 <294> m.w.N.) qualifiziert werden.

30

c) Die verfassungsgerichtliche Kontrolle von Äußerungen des Bundespräsidenten, die die Chancengleichheit der Parteien berühren, hat zu berücksichtigen, dass es ausschließlich Sache des Bundespräsidenten selbst ist, darüber zu befinden, wie er seine Amtsführung gestaltet und seine Integrationsfunktion wahrnimmt. Inwieweit er sich dabei am Leitbild eines "neutralen Bundespräsidenten" orientiert, unterliegt weder generell noch im Einzelfall gerichtlicher Überprüfung. Andererseits widerspräche es rechtsstaatlichen Grundsätzen, wären politische Parteien, deren Recht auf Chancengleichheit ein wesentlicher Bestandteil der demokratischen Grundordnung ist, im Verhältnis zum Bundespräsidenten rechtsschutzlos gestellt. Vor diesem Hintergrund erscheint es geboten, aber auch ausreichend, negative Äußerungen des Bundespräsidenten über eine Partei gerichtlich daraufhin zu überprüfen, ob er mit ihnen unter evidenter Vernachlässigung seiner Integrationsfunktion und damit willkürlich Partei ergriffen hat.

II.

31

Nach diesem Maßstab sind die von der Antragstellerin angegriffenen Äußerungen des Antragsgegners nicht zu beanstanden. Der Antragsgegner hat sich mit seinen, wie sich jedenfalls aus dem Gesamtzusammenhang ergibt, auch auf die Antragstellerin bezogenen Äußerungen gegen geschichtsvergessene rechtsradikale und fremdenfeindliche Überzeugungen gewandt und dazu aufgerufen, mit demokratischen Mitteln zu verhindern, dass sich diese Überzeugungen durchsetzen. Damit hat der Antragsgegner sich im Rahmen seiner Repräsentations- und Integrationsfunktion gehalten und nicht willkürlich gegen die Antragstellerin Partei ergriffen.

32

1. Soweit die Antragstellerin sich in ihren Rechten dadurch verletzt sieht, dass der Antragsgegner Proteste gegen die Antragstellerin in Berlin-Hellersdorf öffentlich unterstützt habe, bleibt der Antrag ohne Erfolg. Dass der Bundespräsident gewaltsame Proteste gegen die Antragstellerin unterstützt oder auch nur gutgeheißen hätte, lässt sich seinen Äußerungen bei der gebotenen objektiven Auslegung - entgegen der Auffassung der Antragstellerin - nicht entnehmen. Der Bundespräsident hat eingangs seiner Antwort ausdrücklich darauf hingewiesen, bereits das Abreißen von Plakaten nicht zu billigen. Es konnte daher kein Zweifel bestehen, dass er erst recht gewalttätige Auseinandersetzungen mit der Antragstellerin ablehnte. Im Weiteren hat er lediglich in der Sache auf die Meinungs- und Versammlungsfreiheit (Art. 5, 8 GG) hingewiesen und zum politischen Meinungskampf aufgefordert. Hierzu war er befugt.

33

2. Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist auch die Verwendung des Wortes "Spinner" im konkreten Zusammenhang. Der Antragsgegner hat damit über die Antragstellerin und ihre Anhänger und Unterstützer ein negatives Werturteil abgegeben, das isoliert betrachtet durchaus als diffamierend empfunden werden und auf eine unsachliche Ausgrenzung der so Bezeichneten hindeuten kann. Hier indes dient, wie sich aus dem Duktus der Äußerungen des Antragsgegners ergibt, die Bezeichnung als "Spinner" - neben derjenigen als "Ideologen" und "Fanatiker" - als Sammelbegriff für Menschen, die die Geschichte nicht verstanden haben und, unbeeindruckt von den verheerenden Folgen des Nationalsozialismus, rechtsradikale - nationalistische und antidemokratische - Überzeugungen vertreten (zur grundgesetzlichen Ordnung als Gegenentwurf zur nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft vgl. BVerfGE 124, 300 <327 ff.>). Die mit der Bezeichnung als "Spinner" vorgenommene Zuspitzung sollte den Teilnehmern an der Veranstaltung nicht nur die Unbelehrbarkeit der so Angesprochenen verdeutlichen, sondern auch hervorheben, dass sie ihre Ideologie vergeblich durchzusetzen hofften, wenn die Bürger ihnen "ihre Grenzen aufweisen". Indem der Antragsgegner, anknüpfend an die aus der Unrechtsherrschaft des Nationalsozialismus zu ziehenden Lehren, zu bürgerschaftlichem Engagement gegenüber politischen Ansichten, von denen seiner Auffassung nach Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung ausgehen und die er von der Antragstellerin vertreten sieht, aufgerufen hat, hat er für die dem Grundgesetz entsprechende Form der Auseinandersetzung mit solchen Ansichten (vgl. insoweit BVerfGE 124, 300 <330 f.>) geworben und damit die ihm von Verfassungs wegen gesetzten Grenzen negativer öffentlicher Äußerungen über politische Parteien nicht überschritten.

(1) Beamte und Richter, die im Zeitpunkte des Inkrafttretens dieses Grundgesetzes auf Lebenszeit angestellt sind, können binnen sechs Monaten nach dem ersten Zusammentritt des Bundestages in den Ruhestand oder Wartestand oder in ein Amt mit niedrigerem Diensteinkommen versetzt werden, wenn ihnen die persönliche oder fachliche Eignung für ihr Amt fehlt. Auf Angestellte, die in einem unkündbaren Dienstverhältnis stehen, findet diese Vorschrift entsprechende Anwendung. Bei Angestellten, deren Dienstverhältnis kündbar ist, können über die tarifmäßige Regelung hinausgehende Kündigungsfristen innerhalb der gleichen Frist aufgehoben werden.

(2) Diese Bestimmung findet keine Anwendung auf Angehörige des öffentlichen Dienstes, die von den Vorschriften über die "Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus" nicht betroffen oder die anerkannte Verfolgte des Nationalsozialismus sind, sofern nicht ein wichtiger Grund in ihrer Person vorliegt.

(3) Den Betroffenen steht der Rechtsweg gemäß Artikel 19 Abs. 4 offen.

(4) Das Nähere bestimmt eine Verordnung der Bundesregierung, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muß demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben.

(2) Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.

(3) Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen. Wird der Ausschluss festgestellt, so entfällt auch eine steuerliche Begünstigung dieser Parteien und von Zuwendungen an diese Parteien.

(4) Über die Frage der Verfassungswidrigkeit nach Absatz 2 sowie über den Ausschluss von staatlicher Finanzierung nach Absatz 3 entscheidet das Bundesverfassungsgericht.

(5) Das Nähere regeln Bundesgesetze.

Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik und trägt dafür die Verantwortung. Innerhalb dieser Richtlinien leitet jeder Bundesminister seinen Geschäftsbereich selbständig und unter eigener Verantwortung. Über Meinungsverschiedenheiten zwischen den Bundesministern entscheidet die Bundesregierung. Der Bundeskanzler leitet ihre Geschäfte nach einer von der Bundesregierung beschlossenen und vom Bundespräsidenten genehmigten Geschäftsordnung.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muß demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben.

(2) Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.

(3) Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen. Wird der Ausschluss festgestellt, so entfällt auch eine steuerliche Begünstigung dieser Parteien und von Zuwendungen an diese Parteien.

(4) Über die Frage der Verfassungswidrigkeit nach Absatz 2 sowie über den Ausschluss von staatlicher Finanzierung nach Absatz 3 entscheidet das Bundesverfassungsgericht.

(5) Das Nähere regeln Bundesgesetze.

(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.

(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.

(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.

(1) Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muß demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben.

(2) Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.

(3) Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen. Wird der Ausschluss festgestellt, so entfällt auch eine steuerliche Begünstigung dieser Parteien und von Zuwendungen an diese Parteien.

(4) Über die Frage der Verfassungswidrigkeit nach Absatz 2 sowie über den Ausschluss von staatlicher Finanzierung nach Absatz 3 entscheidet das Bundesverfassungsgericht.

(5) Das Nähere regeln Bundesgesetze.