Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 27. Juli 2016 - 1 BvR 1241/16

ECLI: ECLI:DE:BVerfG:2016:rk20160727.1bvr124116
published on 27/07/2016 00:00
Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 27. Juli 2016 - 1 BvR 1241/16
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Gericht

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Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt K… wird abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos (§ 40 Abs. 3 GOBVerfG).

Gründe

I.

1

In Streit vor den Sozialgerichten stand die vorläufige Versorgung des minderjährigen Beschwerdeführers im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes mit einem Kopfschutzhelm.

2

Das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht hatte mit Beschluss vom 12. Mai 2016 die Beschwerde gegen die Entscheidung des Sozialgerichts Kiel vom 5. April 2016 zurückgewiesen.

II.

3

1. Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG). Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt bezeichneten Grundrechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).

4

2. Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts sind Sache der Fachgerichte; das Bundesverfassungsgericht beanstandet nur die Verletzung von Verfassungsrecht. Die Schwelle eines Verstoßes gegen Verfassungsrecht, den das Bundesverfassungsgericht zu korrigieren hat, ist erst erreicht, wenn die Auslegung oder Anwendung des Rechts durch die Fachgerichte Fehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs, beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den konkreten Rechtsfall von einigem Gewicht sind (vgl. BVerfGE 89, 1 <9 f.>; 99, 145 <160>).

5

Der Vortrag des Beschwerdeführers lässt einen Grundrechtsverstoß durch die Auslegung und Anwendung der Vorschrift über den gerichtlichen Eilrechtsschutz (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG) nicht erkennen.

6

3. Der Beschwerdeführer wird durch die Entscheidung nicht in seinen Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip sowie Art. 2 Abs. 2 GG verletzt.

7

Auf der Grundlage des vorliegend anzuwendenden § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG haben die Gerichte im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu prüfen, ob dem Antragsteller ein Abwarten bis zur Hauptsacheentscheidung zuzumuten ist, oder ob eine vorläufige Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile im Einzelfall notwendig ist. Dabei ist zu berücksichtigen, ob der Antragsteller die Zeit bis zur Entscheidung in der Hauptsache mit eigenen Mitteln - oder mit zumutbarer Hilfe Dritter - überbrücken kann (vgl. Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 17. April 2015 - L 4 AS 137/15 B ER -, juris; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 28. März 2011 - L 5 KR 20/11 B ER -, juris).

8

Vor diesem Hintergrund greift die Argumentation des Beschwerdeführers, er selbst verfüge als Minderjähriger über keinerlei Vermögen, zu kurz. Es ist weder hinreichend substantiiert vorgetragen noch ist ersichtlich, inwieweit die Berücksichtigung auch des Vermögens der nach § 1601 BGB unterhaltspflichtigen Eltern durch die Sozialgerichte im Rahmen des Eilverfahrens verfassungsrechtlich zu beanstanden wäre und die Eltern die Kosten in Höhe von 243,88 Euro nicht vorzuleisten in der Lage wären.

9

4. Der Beschwerdeführer ist vorliegend auch nicht in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG verletzt.

10

Bereits der Vorwurf des Beschwerdeführers, der Prüfungsmaßstab des Landessozialgerichts sei nicht erkennbar, trifft nicht zu, da das Gericht im Rahmen der Prüfung des Anordnungsanspruchs ausdrücklich auf eine im einstweiligen Rechtsschutz grundsätzlich gebotene summarische Prüfung abgestellt hat. Im Übrigen verkennt der Beschwerdeführer auch die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 19 Abs. 4 GG an die Prüfung eines Anspruchs im Eilverfahren.

11

Art. 19 Abs. 4 GG stellt besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr beseitigt werden können (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 -; juris). Dann sind die Gerichte verpflichtet, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch zu prüfen, sondern abschließend, wenn sie sich an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren wollen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. November 2007 - 1 BvR 2496/07 -; juris). Ist die abschließende Prüfung nicht möglich, ist eine Folgenabwägung durchzuführen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass in den Fällen, in denen ohne die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes weniger schwere Beeinträchtigungen zu erwarten sind, die summarische Prüfung eines Anordnungsanspruchs, also des Erfolgs in der Hauptsache, verfassungsrechtlich zulässig ist.

12

Sozialgericht und Landessozialgericht sind im Ergebnis nicht davon ausgegangen, dass ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare Beeinträchtigungen für den Beschwerdeführer drohen würden; das Landessozialgericht hat folgerichtig eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache bezüglich eines Hilfsmittelanspruchs vorgenommen. Das Sozialgericht hatte - weil es bereits den Anordnungsgrund verneint hatte - ebenso folgerichtig auf die Prüfung eines Anordnungsanspruchs verzichtet.

13

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

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(1) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag 1. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen,2. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungskla

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published on 17/03/2017 00:00

Tenor I. Der Antragsgegner wird vorläufig verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit von 16.03.2017 bis 31.05.2017 Arbeitslosengeld II in Form eines Darlehens in Höhe von 300,- Euro monatlich zu gewähren. Im Übrigen wird der An
published on 04/09/2017 00:00

Diese Entscheidung zitiert Tenor 1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. 2. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. 3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhil
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Annotations

(1) Die Verfassungsbeschwerde bedarf der Annahme zur Entscheidung.

(2) Sie ist zur Entscheidung anzunehmen,

a)
soweit ihr grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt,
b)
wenn es zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 genannten Rechte angezeigt ist; dies kann auch der Fall sein, wenn dem Beschwerdeführer durch die Versagung der Entscheidung zur Sache ein besonders schwerer Nachteil entsteht.

(1) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag

1.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen,
2.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen,
3.
in den Fällen des § 86a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.
Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder die Anordnung der sofortigen Vollziehung kann mit Auflagen versehen oder befristet werden. Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag die Maßnahmen jederzeit ändern oder aufheben.

(2) Soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Absatz 1 und 3, die §§ 930 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(3) Die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 sind schon vor Klageerhebung zulässig.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag

1.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen,
2.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen,
3.
in den Fällen des § 86a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.
Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder die Anordnung der sofortigen Vollziehung kann mit Auflagen versehen oder befristet werden. Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag die Maßnahmen jederzeit ändern oder aufheben.

(2) Soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Absatz 1 und 3, die §§ 930 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(3) Die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 sind schon vor Klageerhebung zulässig.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

Verwandte in gerader Linie sind verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.