Bundessozialgericht Urteil, 02. Aug. 2017 - B 6 KA 16/16 R

ECLI:ECLI:DE:BSG:2017:020817UB6KA1616R0
bei uns veröffentlicht am02.08.2017

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 26. April 2016 (S 2 KA 223/14) wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Honorierung vertragsärztlicher Leistungen im Quartal IV/2013.

2

Der Kläger ist Facharzt für Urologie und betreibt eine Praxis in K. Der Planungsbereich ist wegen Überversorgung für Neuzulassungen gesperrt. Im Quartal IV/2013 verteilte die beklagte KÄV das Honorar erstmals nach einer neu beschlossenen Systematik, die sich deutlich von den zuvor praktizierten Verteilungsregelungen unterschied. Jedem Arzt wurde auf der Basis der Abrechnungswerte des Quartals IV/2012 ein "Punktzahlvolumen (PZV)" zugewiesen, das mit 10 Cent je Punkt vergütet wird. Die darüber hinaus abgerechneten Leistungen wurden lediglich mit einem Restpunktwert honoriert, der im streitbefangenen Quartal bei 3,2147 Cent lag.

3

Die Fallzahl in der Praxis des Klägers liegt seit Jahren unter dem Durchschnitt der Arztgruppe. Unter Geltung der Vergütung nach Regelleistungsvolumina (RLV) betrug die RLV-relevante Fallzahl des Klägers im Quartal IV/2012 599, der Durchschnitt der Fachgruppe bewegte sich um 900 Fälle. Der Kläger sieht sich durch die Verteilung des Honorars unter Anwendung der PZV - wie auch schon in den Jahren 2009 und 2010 durch die RLV (dazu Senatsurteile vom 2.8.2017 - B 6 KA 3/17 R und 7/17 R) - gleichheitswidrig benachteiligt, weil kleinere Praxen keine Chance hätten, den durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe zu erreichen.

4

Mit Schreiben vom 27.9.2013, korrigiert mit Schreiben vom 2.10.2013, wies die Beklagte dem Kläger das PZV für das Quartal IV/2013 zu. Aufgrund einer PZV-relevanten Punktzahlmenge des Quartals IV/2012 in Höhe von 215 864 wurde ihm unter Anwendung der arztgruppenspezifischen Quote zur Dämpfung der Auswirkungen zwischen den Arztgruppen und eines arztindividuellen Anpassungsfaktors ein PZV in Höhe von 151 366,8 Punkten zugewiesen. Die Schreiben enthielten keine Rechtsbehelfsbelehrung. Das durchschnittliche PZV der Fachgruppe der Urologen betrug für das Quartal IV/2013 240 746,4 Punkte. Der Kläger erhob gegen die Mitteilung Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid vom 7.5.2014 zurückgewiesen wurde.

5

Mit Honorarbescheid vom 14.4.2014 bewilligte die Beklagte dem Kläger für das Quartal IV/2013 ein Honorar in Höhe 16 819,42 Euro für erbrachte PZV-relevante Leistungen in einem Umfang von 203 712 Punkten bei 560 Fällen. Dabei vergütete sie die das PZV übersteigende restliche Forderung in Höhe von 52 345,2 Punkten zu einem Restpunktwert in Höhe von 3,2147 Cent in Höhe von insgesamt 1682,74 Euro. Auch gegen den Honorarbescheid erhob der Kläger Widerspruch. Die Regelungen für die Bildung der PZV würden ein Mindestmaß an Transparenz und Nachvollziehbarkeit vermissen lassen. Auch genüge die Regelung den Vorgaben des BSG zu den Wachstumsmöglichkeiten kleiner Praxen nicht.

6

Das HVM-Team der Beklagten erläuterte die Honorarverteilungssystematik mit Schreiben vom 23.6.2014. Darin ist unter anderem ausgeführt, es sei vorsorglich eine Prüfung durchgeführt worden, ob der Kläger das Aufgreifkriterium von 15 % Honorarverlust im Bereich des PZV erfülle. Der Kläger habe gegenüber dem Quartal IV/2012 im Bereich des PZV jedoch nur einen Honorarverlust von 0,3 % zu verzeichnen, sodass das Aufgreifkriterium nicht erfüllt werde.

7

Mit Widerspruchsbescheid vom 13.8.2014 wies die Beklagte den Widerspruch gegen die Honorarabrechnung zurück. Sie erläuterte die Honorarverteilungssystematik unter Verweis auf das Schreiben des HVM-Teams vom 23.6.2014. Wenn das PZV eines Arztes unter 50 % des Durchschnitts-PZV der Arztgruppe liege, werde diesem von Amts wegen ein Mindest-PZV in Höhe von 50 % des Durchschnitts-PZV zugewiesen. Diese Grenze (50 % von 240 746) habe der Kläger überschritten.

8

Das SG hat die gegen die PZV-Mitteilung und gegen den Honorarbescheid - jeweils in Gestalt der Widerspruchsbescheide - erhobenen Klagen verbunden und abgewiesen. Die PZV-Mitteilung und der Honorarbescheid seien formell rechtmäßig und wiesen gemessen an den durch die höchstrichterliche Rechtsprechung entwickelten Anforderungen eine hinreichende Begründung auf. Es sei ausreichend, wenn die Beklagte in der PZV-Mitteilung und im Honorarbescheid jeweils die Daten und Zahlen darstelle, die konkret den jeweiligen Arzt beträfen. Die Honorarverteilungsregelungen selbst seien veröffentlicht und in einer Broschüre verständlich aufbereitet worden. Die Mitteilung des Durchschnitts-PZV der Arztgruppe sei nicht erforderlich, da diese Information für die Berechnung des PZV des Arztes nicht relevant sei.

9

Das anzuwendende System der Honorarverteilung beruhe auf § 87b SGB V in der im Quartal IV/2013 gültigen Fassung. Bei der Ausgestaltung habe die Beklagte Gestaltungsfreiheit, die seitens der Gerichte zu respektieren sei. Es sei unter keinem Gesichtspunkt ersichtlich, dass die Beweggründe der Beklagten, unerwünschte Effekte der Honorarverteilungssystematik auf der Grundlage eines PZV zu beseitigen, sachfremd seien. Das fallzahlabhängige System der Budgetzuweisung und -berechnung im RLV/QZV-Bereich habe in der Vergangenheit zu Fallzahlsteigerungen geführt, von denen die Ärzte im Folgejahresquartal nur dann hätten profitieren können, wenn in der Fachgruppe nicht zugleich andere Mitglieder die Leistungsfälle steigerten; dieser Mechanismus habe zu einem niedrigeren RLV/QZV-Fallwert geführt.

10

Von diesem System habe sich die Beklagte nach dem Auslaufen der gesetzlichen Vorgaben für die Vergütung nach RLV lösen und tendenziell zu der bis Ende 2003 praktizierten Verteilungssystematik nach praxisindividuellen PZV zurückkehren dürfen. Die dazu im HVM enthaltenen Vorgaben zur Überleitung der Vergütungen aus der Zeit des RLV seien nicht zu beanstanden. Die Regelungen ermöglichten unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen, innerhalb von fünf Jahren den Umsatzdurchschnitt der Arztgruppe im PZV-relevanten Bereich zu erreichen. Weitergehende Zuwachsmöglichkeiten unabhängig von Fallzahl- und Punktzahlzuwächsen seien nicht geboten. Besonderen Konstellationen könne durch Honorarausgleichsmaßnahmen Rechnung getragen werden; dahingehende Anträge habe der Kläger nicht gestellt und wären auch erfolglos geblieben (Urteil vom 26.4.2016).

11

Mit seiner Sprungrevision macht der Kläger geltend, bereits in formeller Hinsicht sei die PZV-Mitteilung IV/2013 insoweit rechtswidrig, als das Durchschnitts-PZV der Gruppe nicht mitgeteilt werde, obwohl es sich um eine für die Berechnung des PZV des Arztes erforderliche Größe handele. Ob der einzelne Arzt der Gruppe der unterdurchschnittlich abrechnenden Ärzte zuzuordnen sei, ob ihm ein Mindest-PZV zuzuweisen sei und in welcher Weise und in welchem Umfang er bei Überschreitung seines eigenen unterdurchschnittlichen PZVs an der Zugewinnregelung für unterdurchschnittlich abrechnende Ärzte partizipiere, ergebe sich allein aus einem Vergleich mit dem Durchschnitts-PZV der Gruppe. Aus den Angaben der Beklagten im Widerspruchsbescheid, der PZV-Mitteilung IV/2014 und den im Klageverfahren übermittelten Übersichten über das Durchschnittshonorar der Arztgruppe ergäben sich im Übrigen nicht erklärbare Diskrepanzen.

12

Im PZV-relevanten Leistungsbereich werde ein Mehr an Leistungen am Patienten nicht vergütet, sondern führe nur zu einer arztindividuellen höheren Auslastung im PZV, die die Zugewinnregelung nach HVM Teil C Ziffer 3 bei der Fortentwicklung der PZV ab dem Quartal IV/2014 auslöse. Hierbei handele es sich indessen nicht um eine Regelung, die speziell die Belange unterdurchschnittlicher Praxen berücksichtige. Da Zugewinnanteile in die Durchschnitts-PZV mit einflössen, entferne sich das Durchschnitts-PZV der Gruppe bei unverändert gebliebenem PZV weiter von diesem und das Maß der Unterdurchschnittlichkeit werde erhöht; ein Aufschluss könne nicht gelingen. Eine Steigerung der Fälle mit PZV-relevanten Leistungen erweise sich im überversorgten Planungsbereich der Stadt K. als nahezu unmöglich. Die Steigerungsrate von 10 % des Durchschnitts-PZV sei zu eng, zumal die Wachstumsregelung erst ab dem Quartal IV/2014 einsetze und bei maximalen jährlichen Zuwachsraten von 10 % des Durchschnitts-PZVs der Gruppe in den sich an das Moratorium im ersten Jahr anschließenden vier Jahren ein Wachstum auf maximal 90 % des Durchschnitts-PZVs ermögliche. Derartige Steigerungsraten seien durchgängig pro Quartal gar nicht erreichbar. Zudem sei das Durchschnitts-PZV keine konstante Größe und das Ausmaß der Weiterentwicklung hänge nicht primär vom eigenen Leistungsverhalten des Arztes, sondern von den übrigen Ärzten der Fachgruppe ab. Da die für Zuwächse der PZV zur Verfügung stehende Punktzahlmenge gedeckelt und begrenzt sei, führe eine Ausschöpfung der für Zuwächse der PZV insgesamt zur Verfügung stehenden Punktzahlmengen zudem zu einer Absenkung des Orientierungspunktwertes bzw zu einer Reduzierung des Restpunktwertes für abgestaffelte Vergütung. Die Regelung knüpfe auch an das bisherige Abrechnungsvolumen und die bisherige Honorarentwicklung des Arztes an, die durch die RLV/QZV in rechtswidriger Weise beschränkt gewesen sei.

13

Durch die zum 1.10.2013 vor Ablauf eines Fünf-Jahreszeitraumes eingeführte PZV-Vergütungsregelung werde erneut ein wachstumsbegrenzendes Moratorium von einem Jahr verordnet, nachdem ein solches bereits zu Beginn der RLV-Reform bestanden habe. Bereits bei Bildung der PZV würden die Belange unterdurchschnittlicher Praxen nicht berücksichtigt. Die Berechnung der PZV-relevanten Leistungsmenge erschließe sich bereits nicht, zudem führe die Multiplikation mit der arztgruppenspezifischen Quote und dem arztindividuellen Anpassungsfaktor zu einer Kürzung der Honorarforderung in einem überproportionalen Verhältnis von 25,70 %. Der für den Kläger nachteilige arztindividuelle Anpassungsfaktor unter 1,0 verstoße gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit, da er überdurchschnittlich abrechnenden Praxen, die den arztgruppenspezifischen Durchschnittspunktwert deutlich überschritten, ungleich bessere Startchancen und Honorarsteigerungsmöglichkeiten verschaffe. Auch die Multiplikation mit dem arztgruppenspezifischen Korrekturfaktor dürfe der Arztgruppe der Urologen, die zu den Verlierern gehöre, nicht aufgebürdet werden.

14

Die Beklagte sei gehalten, in einem erheblich überversorgten Gebiet für die Belange der überwiegend unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen Sonderregelungen zu schaffen. In K. liege der Versorgungsgrad bei 187,1 % mit sechs Ärzten oberhalb der Sperrgrenze und erhöhe sich im Laufe des Jahres 2016 weiter auf dann sieben Ärzte oberhalb der Sperrgrenze. Nach den vorgelegten Abrechnungsstatistiken habe sich gleichwohl rein rechnerisch die Arztzahl der Fachgruppe der Urologen geringfügig verringert, da Job-Sharern kein eigenes arztindividuelles PZV mehr zugewiesen werde. Dies erhöhe - ebenfalls rechnerisch - das Durchschnitts-PZV der Arztgruppe und suggeriere Leistungssteigerungen innerhalb der Gruppe und eine rückläufige Leistungsentwicklung bei unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen.

15

Geboten sei eine Regelung, die es unterdurchschnittlich abrechnenden Ärzten gestatte, die von ihnen im PZV-relevanten Leistungsbereich erbrachten unterhalb des Durchschnitts-PZV liegenden Leistungsmengen zum Orientierungspunktwert zu erbringen. Mit einer PZV-Regelung, die Wachstumsmöglichkeiten im budgetierten Bereich nicht mehr an Fallzahlsteigerungen, sondern an Leistungsmengenerhöhungen ankoppele, werde den Belangen unterdurchschnittlich abrechnender Praxen in einem überversorgten Gebiet nicht entsprochen.

16

Die von der Beklagten vorgelegte prospektive Simulation der Honorarentwicklung gehe von einem statischen Durchschnitts-PZV der Arztgruppe aus, das für das Startquartal mit einem falschen Ausgangswert von 240 746,4 Punkten (statt 235 455 Punkten) fingiert werde. Die Simulation unterstelle durchschnittliche jährliche Zuwachsraten von 10 % ab IV/2013; die Sonderzugewinnregelung setze indes erst ab IV/2014 ein. In den Quartalen IV/2013 bis III/2014 sei ein Wachstum jedoch ausgeschlossen und die Leistungsmenge aus den Vorjahresquartalen werde zudem gekürzt. Es werde durch Darstellung jeweils des Quartals IV eines jeden Jahres verfälschend suggeriert, dass der Kläger erst im Quartal IV/2015 singulär einen Sonderzugewinn von 7471,8 Punkten erreicht habe. Wenn auf jährliche Steigerungsraten von 10 % des Durchschnitts-PZV abgestellt werde, so sei in einer Simulation nach Abrechnungsjahren auch der jährliche Durchschnitts-Zuwachs auszuweisen. Im Jahresdurchschnitt könne sich eine 10 %-ige Wachstumsrate nicht ergeben, da eine quartalsweise Überschreitung nicht verrechenbar sei mit quartalsweisen Unterschreitungen der Wachstumsgrenze. Auch die retrospektive Betrachtung leide an den aufgezeigten Mängeln. Eine kontinuierliche Verringerung des Grades der Unterdurchschnittlichkeit ergebe sich nur, wenn in jedem Quartal ab Beginn der Weiterentwicklungsphase gleichbleibend und unverändert Steigerungsraten in maximaler Höhe von jeweils 10 % vom jeweiligen schwankenden Durchschnitts-PZV der Gruppe erreicht würden. Die kontinuierliche Erhöhung des Anteils unterdurchschnittlicher Praxen an der Gesamtzahl der niedergelassenen Urologen beweise, dass dieses Problem der Systematik innewohne. Aufgrund des zunehmenden Aufwärtstrends des die Wachstumsgrenze fixierenden Durchschnitts-PZV erfordere der jährlich 10%-ige Zugewinn immer höhere absolute Sonderzugewinnraten, die vor dem Hintergrund der bestehenden Überversorgung nicht realistisch seien. Die Darstellung der Entwicklung der Leistungsmengen und Honorare des Klägers seitens der Beklagten sei nicht aussagekräftig. Soweit die Beklagte Simulationsberechnungen vorgelegt habe, nach denen das Durchschnitts-PZV erreichbar sei, habe sie die Kürzung der Basisforderung im Quartal IV/2013 - in Relation zum Vorjahresquartal - und den Wachstumsausschluss bis zum Quartal III/2014 nicht berücksichtigt. Die Berechnung des Mindest-PZV im Basisquartal und der Basisforderung in IV/2013 sowie die Berechnung der Basisforderungen der Folgequartale seien nicht nachvollziehbar. Das PZV des Klägers habe in IV/2013 bei 61,17 %, in IV/2014 bei 61,69 %, in IV/2015 bei 65,28 % und in IV/2016 bei 66,33 % des Durchschnitts-PZV gelegen. Da mittlerweile konkrete Vergleichszahlen hinsichtlich der tatsächlichen Entwicklung des PZV-Gruppendurchschnitts im Vergleich zur PZV-Entwicklung des Klägers über 15 Quartale vorgelegt werden könnten, führten die Simulationen in die Irre. Eine Gegenüberstellung würde belegen, dass eine kontinuierliche Entwicklung Steigerungsraten von 10 % im Jahresdurchschnitt voraussetze, die jedoch bei der bestehenden Überversorgung und dem allgemeinen Fallzahlrückgang nicht gewährleistet seien.

17

Da ein nicht unerheblicher Anteil der unterdurchschnittlich abrechnenden Urologen in den nächsten drei Jahren die Altersgrenze erreichen werde, sei die neue PZV-Regelung extrem problematisch. Honorarverluste könnten nicht mehr ausgeglichen werden. Nachbesetzungen seien in einem überversorgten Gebiet nur noch unter engen Ausnahmen möglich. Bei einem Aufkauf der Praxis durch die Beklagte werde der drastisch heruntergefahrene Wert der Praxis nicht abgegolten. Die Praxis stelle einen wesentlichen Teil der Altersversorgung des Klägers dar.

18

Der Kläger habe zugunsten der Hinzugewinnung und Erhöhung des Behandlungsaufwandes seine OP-Tätigkeit eingeschränkt und seine Schwerpunkttätigkeit im Bereich der Haus- und Heimbesuche von Patienten in- und außerhalb der Regelsprechstundenzeiten deutlich ausgeweitet, auch um seinen Fallwert zu steigern. Er trage in entscheidender Weise zur Sicherstellung der urologischen Versorgung bei. Dies zeige sich in der höheren Ansatzhäufigkeit der Ziffer 01410 Einheitlicher Bewertungsmaßstab - EBM - (Ansatzhäufigkeit 11,6 % Kläger, 3,2 % Erbringerpraxen der Fachgruppe), Ziffer 01413 EBM (7,3 % Kläger, 4,4 % Erbringerpraxen der Fachgruppe) und Ziffer 01415 EBM (2,7 % Kläger, 1,1 % Erbringerpraxen der Fachgruppe). Er habe zudem einen überdurchschnittlichen Anteil der Versorgung von Patienten mit Kathetern nach Ziffer 02322 EBM (5,9 % Kläger, 5,1 % Erbringerpraxen der Fachgruppe), Ziffer 02323 EBM (24,3 % Kläger, 6,2 % Erbringerpraxen der Fachgruppe). Zudem bestehe ein Schwerpunkt bei der Abklärung von Fertilitätsstörungen. Sein Anteil an sonographischen Untersuchungen bezogen auf die Uro-Genital-Organe nach Ziffer 33043 EBM sei infolge einer gründlichen und zeitaufwändigen Untersuchung in diesem budgetierten Leistungsbereich gegenüber der Gruppe deutlich erhöht (96,4 % Kläger, 50 % Erbringerpraxen der Fachgruppe). Die Zahl junger Versicherter ab Beginn des 6. bis zum vollendeten 59. Lebensjahr, erkennbar an der Ansatzhäufigkeit der Ziffer 26211 EBM im budgetierten Bereich, überwiege beim Kläger deutlich (42,3 % Kläger, 28,1 % Erbringerpraxen der Fachgruppe). Richtigerweise könne es nur auf die Sicherstellung im Planungsbereich K. ankommen; bei entsprechender Verfeinerung der Vergleichsgruppe falle der Vergleich der Ansatzfrequenz noch deutlich höher zugunsten des Klägers aus. Der überproportionale Anstieg der Betriebskosten bei gleichzeitiger degressiver Entwicklung der Erlössituation sorge dafür, dass dem Kläger keine Mittel zum Ausbau seiner Praxis zur Verfügung stünden.

19

Der Kläger sei überdies durch den Widerruf von qualitätsgebundenen Genehmigungen wie der Onkologie-Genehmigung zur Teilnahme an einer qualifizierten ambulanten Versorgung durch die Festsetzung von Mindestpatientenzahlen erheblich belastet. Folge sei, dass eine Neuaufnahme von Patienten im Rahmen der Onkologie-Vereinbarung nicht mehr möglich sei und die Abrechnung im budgetierten Bereich erfolgen müsse. Der Widerruf der Genehmigung schlage sich als eine ungerechtfertigte Honorarbegrenzung der Praxis nieder.

20

Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Kiel vom 26.4.2016 und die PZV-Mitteilung vom 27.9.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7.5.2014 sowie die Honorarabrechnung vom 14.4.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.8.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über das PZV und das Honorar des Klägers für das Quartal IV/2013 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

21

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

22

Sie verweist darauf, die Regelungen zur Honorarverteilung im HVM entsprächen der Vorgabe des BSG, wonach umsatzmäßig unterdurchschnittlich abrechnende Praxen die reale Chance haben müssten, zumindest den durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe zu erreichen. Dies sei auf der Grundlage der im HVM vorgesehenen Regelungen möglich. Entgegen der Auffassung des Klägers seien bei Anwendung der Wachstumsregelung nicht lediglich 90 % des Durchschnittsvolumens erreichbar. Auch greife die Regelung nicht erst ab dem Folgejahresquartal IV/2014. Das BSG habe im Hinblick auf die mit der Einführung individueller Leistungsbudgets verfolgten Ziele der Punktwertstabilisierung und der Gewährleistung von Kalkulationssicherheit klargestellt, dass es auch unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen zumutbar sei, dass ihr pro Jahr mögliches Honorarwachstum beschränkt werde, solange ein Erreichen des Durchschnittsumsatzes innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren ermöglicht werde. Bereits mit Einführung der PZV erhielten unterdurchschnittliche Praxen zumindest ein PZV in Höhe von 50 % des Durchschnitts-PZV. Praxen mit einem faktisch unter dem halben Durchschnitt liegenden PZV hätten deshalb bereits ab dem Startquartal IV/2013 die Möglichkeit, ihr PZV bis zu dieser Grenze zu steigern. Insofern seien nur Ärzte mit einem PZV oberhalb 50 % des Durchschnitts für ein Jahr am Wachstum gehindert. In der Folgezeit könnten diese bis zu einer Höhe von 10 % des Durchschnitts-PZV der Arztgruppe hinzugewinnen, sodass diese innerhalb des vom BSG statuierten Fünf-Jahreszeitraumes den Durchschnitt der Arztgruppe erreichen könnten.

23

Retrospektive und prospektive Simulationen hätten ergeben, dass sämtliche unterdurchschnittlichen Praxen und auch der Kläger bei entsprechender Leistungssteigerung die Möglichkeit gehabt hätten, innerhalb von fünf Jahren zum Fachgruppendurchschnitt aufzuschließen. Bei der prospektiven Simulation sei von einem konstanten Fachgruppendurchschnitt ausgegangen worden, weil nicht bekannt sei, wie dieser sich tatsächlich entwickle. Die unterschiedlichen Wachstumsgrenzen von 240 746 Punkten und 235 455 Punkten beruhten darauf, dass nachträglich ermächtigte Ärzte ungeachtet ihres tatsächlichen Abrechnungsumfangs pauschal mit dem Faktor 0,5 berücksichtigt worden seien. Die Aussage des Klägers, dass bereits in IV/2013 von einem Zugewinn ausgegangen worden sei, sei nicht richtig; ein Zugewinn sei erstmals für IV/2014 ermöglicht worden. Das 4. Quartal eines jeden Jahres sei als Basisquartal ausgewählt worden.

24

Die vom Kläger geforderte Berücksichtigung bedarfsplanerischer Überlegungen im Rahmen der Honorarverteilung ergebe sich weder aus den gesetzlichen Vorgaben noch aus der Rechtsprechung des BSG. Das BSG habe betont, dass dem Vertragsarzt die Chance bleiben müsse, durch Qualität und Attraktivität seiner Behandlung oder auch durch bessere Praxisorganisation neue Patienten für sich zu gewinnen und so legitimer Weise seine Position im Wettbewerb zu verbessern; auf die Versorgungslage komme es insoweit nicht an. Die Überversorgung sei durch die bis 1993 bestehende Niederlassungsfreiheit und die zum Schutz des Eigentums bestehende Nachbesetzungsmöglichkeit für Vertragsarztsitze bedingt und sei für die Beklagte nicht beeinflussbar. Auch gebe es keine Honorargarantie; der Vertragsarzt trage das unternehmerische Risiko. Der Kläger habe seine Leistungsmenge gegenüber dem Quartal IV/2012 nicht gesteigert, sondern reduziert.

Entscheidungsgründe

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Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Die angefochtenen Bescheide über die Mitteilung des PZV und die Honorarabrechnung des Klägers im Quartal IV/2013 sind rechtmäßig.

26

1. Gesetzliche Grundlage der vom Kläger beanstandeten Verteilungsregelungen ist § 87b Abs 1 SGB V in der Fassung des GKV-VStG vom 22.12.2011 (BGBl I 2983). Nach dieser Vorschrift verteilt die KÄV die vereinbarten Gesamtvergütungen an die Ärzte, Psychotherapeuten, medizinischen Versorgungszentren sowie ermächtigten Einrichtungen, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, getrennt für die Bereiche der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung. Sie wendet bei der Verteilung den Verteilungsmaßstab an, der im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen festgesetzt worden ist. Bisherige Bestimmungen, insbesondere zur Zuweisung von arzt- und praxisbezogenen RLV, gelten nach § 87b Abs 1 Satz 3 SGB V bis zur Entscheidung über einen Verteilungsmaßstab vorläufig fort. Nach § 87b Abs 2 Satz 1 SGB V hat der Verteilungsmaßstab Regelungen vorzusehen, die verhindern, dass die Tätigkeit des Leistungserbringers über seinen Versorgungsauftrag nach § 95 Abs 3 SGB V oder seinen Ermächtigungsumfang hinaus übermäßig ausgedehnt wird; dabei soll dem Leistungserbringer eine Kalkulationssicherheit hinsichtlich der Höhe seines zu erwartenden Honorars ermöglicht werden.

27

Mit der Neufassung des § 87b SGB V durch das GKV-VStG ist der Gesetzgeber zur Verteilungssystematik aus der Zeit vor Inkrafttreten des GMG (1.1.2004) zurückgekehrt und hat die bundesgesetzlichen Vorgaben, insbesondere die Implementation von RLV weitgehend zurückgenommen (Wasem in Halbe/Orlowski/Preusker/Schiller/Wasem, Versorgungsstrukturgesetz, 2012, S 111). Die KÄVen dürfen - in Benehmen mit den Verbänden der Krankenkassen - seit 2012 die Honorarverteilung wieder nach eigenen Präferenzen gestalten. Bis sie von dieser Befugnis Gebrauch gemacht hatten, galten die Vorschriften über arzt- und praxisbezogene RLV fort (§ 87b Abs 1 Satz 3 SGB V),im Bereich der Beklagten bis zum Ende des Quartals III/2013.

28

Der Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Verteilungsregelungen der Beklagten (1.10.2013) beruht darauf, dass auch nach der Neufassung des § 87b SGB V durch das GKV-VStG nach Abs 4 dieser Vorschrift gewisse Vorgaben der KÄBV zu beachten waren, die erst im Herbst 2013 getroffen worden waren. Die Vorgaben nach § 87b Abs 4 Satz 1 SGB V bezogen sich auf die Festlegung und Anpassung des Vergütungsvolumens für die hausärztliche und fachärztliche Versorgung nach Abs 1 Satz 1 sowie auf Kriterien und Qualitätsanforderungen für die Anerkennung besonders förderungswürdiger Praxisnetze nach Abs 2 Satz 2 als Rahmenvorgabe für Richtlinien der KÄVen insbesondere zu Versorgungszielen; sie waren im Einvernehmen mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen zu bestimmen. Darüber hinaus hat die KÄBV Vorgaben insbesondere zu den Regelungen des Abs 2 Satz 1 bis 3 zu bestimmen; dabei ist das Benehmen mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen herzustellen. Die KÄBV hat am 2.9.2013 mit Wirkung zum 1.10.2013 Vorgaben nach § 87b Abs 4 SGB V erlassen und dabei die Beschlüsse zur Ausführung des § 87b Abs 2 SGB V in der bis Ende 2011 geltenden Fassung des GKV-WSG teilweise fortgeschrieben.

29

2. Die Beklagte hat im HVM vom 28.8.2013 mit Wirkung vom 1.10.2013 in Teil A die grundsätzliche Untergliederung und Trennung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV) geregelt. Die MGV untergliedert sich nach Teil B in die Vergütungsvolumina unter anderem für den hausärztlichen Versorgungsbereich und den fachärztlichen Versorgungsbereich. Teil B regelt die Durchführung der Verteilung, insbesondere die Leistungsvergütung vor der Trennung der Versorgungsbereiche und jeweils für den haus- und fachärztlichen Versorgungsbereich nach der Trennung. Die übrigen Leistungen werden nach Teil B Ziffer 3 Abs 6 im Rahmen arztindividuell ermittelter PZV vergütet. Innerhalb dieser PZV werden Leistungen mit dem Orientierungspunktwert vergütet, oberhalb mit dem Restpunktwert, der sich im Moment der Abrechnung rechnerisch aus der Gegenüberstellung der nicht vergüteten Leistungsmenge und den nicht verbrauchten Mitteln des Vergütungsvolumens des fachärztlichen Grundbetrages ergibt. Die Berechnung der PZV ist in Teil C des HVM geregelt.

30

a. Für die ersten vier Quartale der PZV-Systematik, also für die Quartale IV/2013 bis III/2014, wird nach Teil C Ziffer 2 Abs 1 für die Berechnung des arztindividuellen PZV auf die anerkannte Leistungsmenge aus dem jeweiligen Vorjahresquartal zurückgegriffen. Diese Leistungsmenge wird unter Berücksichtigung der ab dem Quartal IV/2013 geltenden Punktzahlen im EBM umgerechnet und ergibt so die PZV-relevante Leistungsmenge.

31

Auf die anerkannte PZV-relevante Leistungsmenge werden zwei Faktoren angewendet, eine arztgruppenspezifische Quote und ein arztindividueller Anpassungsfaktor. Die arztgruppenspezifische Quote dient der Dämpfung der Auswirkungen zwischen den Arztgruppen. Es handelt sich - vereinfacht ausgedrückt - um den Anteil der Leistungsmenge einer Arztgruppe, der zum Orientierungspunktwert vergütet werden kann. Damit sollte erreicht werden, dass die Umverteilung zwischen den Arztgruppen in einem Versorgungsbereich so gering wie möglich ist. Zunächst wird eine versorgungsbereichsspezifische Quote gebildet, bei der rechnerisch die entsprechend quotierte Leistungsmenge mit dem Orientierungspunktwert und die darüber hinaus gehende Leistungsmenge mit dem Punktwert 4 Cent vergütet werden könnte. Sodann wird ein arztgruppenspezifischer Korrekturfaktor gebildet, der die "verlierenden" Gruppen auf einen einheitlichen maximalen Verlust justiert. Vor Bildung der versorgungsbereichsspezifischen Quote wird ein Vorwegabzug von 2 % zur Dämpfung der Auswirkungen zwischen den Arztgruppen gebildet. Dieser Anteil steht zur Finanzierung eines einheitlichen maximalen Verlustes von 0,25 % zur Verfügung. Die arztgruppenspezifische Quote ist das Produkt der versorgungsbereichsspezifischen Quote nach Teil C Ziffer 2 Abs 2 des HVM mit dem arztgruppenspezifischen Korrekturwert nach Teil C Ziffer 2 Abs 3 des HVM.

32

Zur Ermittlung des arztindividuellen Anpassungsfaktors wird gemäß Teil C Ziffer 2 Abs 4 der Durchschnittsvergütungspunktwert des Arztes durch den Durchschnittsvergütungspunktwert der Arztgruppe dividiert. Dieser Wert soll das individuelle Mehrleistungsverhältnis des Arztes im Basisquartal abbilden. Mit "Mehrleistungen" ist dabei gemeint, dass der Arzt im Basisquartal sein RLV übersteigende Leistungen erbracht hat, die außerhalb des RLV (mit reduziertem Punktwert) vergütet worden sind. Der Durchschnittsvergütungspunktwert ergibt sich aus der gesamten Vergütung des Arztes im PZV-Bereich im Vorjahresquartal, dividiert durch die in diesem Bereich anerkannte Punktzahlanforderung nach Umstellung auf die neue EBM-Bewertung. Der Durchschnittsvergütungspunktwert der Arztgruppe ergibt sich aus der gesamten Vergütung der Arztgruppe im PZV-Bereich des Vorjahresquartals, dividiert durch die im PZV-Bereich anerkannte Punktzahlanforderung der Arztgruppe nach Umstellung auf die neue EBM-Systematik. Dabei wird verglichen, wie sich der Durchschnittspunktwert der Arztgruppe im Sinne einer Zusammenrechnung der innerhalb und außerhalb der RLV abgerechneten Leistungen zum Durchschnittspunktwert der einzelnen Praxis verhält. Hat eine Praxis genau denselben Durchschnittswert wie die Gruppe, beträgt der Anpassungsfaktor 1. Hat der Arzt einen geringen individuellen Punktwert, weil er im Basisquartal überdurchschnittlich mehr Leistungen außerhalb der RLV erbracht hat, sinkt der Anpassungsfaktor und damit das PZV.

33

Die arztindividuellen PZV in der Folgezeit beginnend mit dem Quartal IV/2014 ergeben sich gemäß Teil C Ziffer 3 des HVM bei PZV-Überschreitungen aus dem bisherigen PZV zuzüglich eines etwaigen Zugewinnvolumens. Bei Unterschreitung des bisherigen PZV wird dieses ggf reduziert. Nach Ziffer 3 Abs 3 steht für das Wachstum von PZV die Veränderungsrate der MGV zur Verfügung. Diese Rate wird auf die Summe aller PZV des Versorgungsbereichs angewendet und ergibt das zu verteilende PZV (Zugewinnmenge). Die Zugewinnmenge wird nach Teil C Ziffer 3 Abs 4 nach dem proportionalen Anteil der Überschreitungsmengen arztindividuell verteilt und ergibt das arztindividuelle Zugewinnvolumen. Dieses ist durch die doppelte Veränderungsrate der MGV nach oben begrenzt.

34

b. Für Ärzte mit unterdurchschnittlichem PZV (ohne Neupraxen, Wachstumspraxen, deren Vorjahresquartal innerhalb der ersten 16 Quartale nach Niederlassung liegt, Ermächtigte und Institutionen oder Einrichtungen) gilt gemäß Teil C Ziffer 4 Abs 1 des HVM ein Mindest-PZV je Arzt in Höhe von 50 % des Durchschnitts-PZV der Arztgruppe. Überschreitungen eines unterdurchschnittlichen PZVs werden bis zu einer Höhe von 10 % des Durchschnitts-PZV der Arztgruppe unmittelbar als Zugewinn des PZV für das Folgejahresquartal wirksam (Teil C Ziffer 4 Abs 1 Satz 2 HVM).

35

c. Die anerkannte PZV-relevante Leistungsmenge des Klägers aus dem Vorjahresquartal IV/2012, auf den zum 1.10.2013 gültigen EBM angepasst, betrug 215 864 Punkte. Diese wurde mit der arztgruppenspezifischen Quote zur Dämpfung der Auswirkungen zwischen den Arztgruppen von 0,765685 sowie seinem arztindividuellen Anpassungsfaktor von 0,915799 multipliziert. Der für die Berechnung des arztindividuellen Anpassungsfaktors heranzuziehende Durchschnittsvergütungspunktwert des Klägers betrug auf Basis des Quartals IV/2012 7,815032 Cent, der Durchschnittsvergütungspunktwert der Arztgruppe betrug auf Basis des Quartals IV/2012 8,533567 Cent. Es ergab sich das zugewiesene PZV von 151 366,8 Punkten. Innerhalb des PZV wurden die Leistungen nach der Euro-Gebührenordnung vergütet. Darüber hinausgehende Leistungen wurden im Quartal IV/2013 mit einem sich zum Zeitpunkt der Honorarabrechnung rechnerisch ergebenden Restpunktwert in Höhe von 3,2147 Cent vergütet.

36

Das Durchschnitts-PZV der Arztgruppe "Fachärzte für Urologie" belief sich für das Quartal IV/2013 auf 240 746,4 Punkte, das Mindest-PZV in Höhe von 50 % des Durchschnitts-PZV betrug 120 373,2 Punkte. Der Kläger lag mit 151 366,8 Punkten zwar unterhalb des Fachgruppendurchschnitts, aber nicht unterhalb von 50 % des Durchschnitts-PZV der Fachgruppe. Ein Mindest-PZV wurde dem Kläger daher nicht zugewiesen.

37

3. Diese Verteilungsregelungen hat die KÄV mit den angeforderten Bescheiden gegenüber dem Kläger im Ergebnis so umgesetzt, dass dieser nicht iS des § 54 Abs 2 Satz 1 SGG beschwert ist (a). Sie stehen - soweit sie in diesem Verfahren zu prüfen sind - mit Bundesrecht im Einklang (b).

38

a. Die Beklagte hat über die Zuweisung des PZV im streitbefangenen Quartal durch einen gegenüber dem endgültigen Honorarbescheid eigenständigen Verwaltungsakt entschieden, ohne dies allerdings hinreichend transparent zu machen. Die PZV-Zuweisung wird als "Mitteilung" bezeichnet; eine Rechtsmittelbelehrung war ihr nicht beigefügt. Im letzten Abschnitt der Zuweisung wird diese dann als "Bescheid" gekennzeichnet, was auch der Rechtslage (§ 31 Abs 1 Satz 1 SGB X) entspricht. Ersichtlich hat sich die Beklagte insoweit an der Rechtsprechung des Senats zum Verwaltungsaktcharakter der Zuweisung von RLV nach der bis Ende 2011 geltenden Rechtslage orientiert (BSG SozR 4-2500 § 87b Nr 1 RdNr 10). Die Rechtsprechung beruhte vor allem auf § 87b Abs 5 Satz 2 SGB V aF iVm § 85 Abs 4 Satz 9 SGB V, wonach Widerspruch und Klage keine aufschiebende Wirkung haben. Mit der Aufhebung der Regelungen über das RLV in § 87b SGB V aF durch das GKV-VStG ab dem 1.1.2012 ist auch die Verpflichtung der KÄV obsolet geworden, darüber durch Verwaltungsakt zu entscheiden. Wenn eine KÄV im Rahmen ihrer Gestaltungsfreiheit nach § 87b Abs 1 SGB V RLV fortführt oder zu einer anderen Systematik der Verteilung greift, gebietet Bundesrecht nicht, dass die KÄV über bestimmte Rechengrößen der Verteilung - wie etwa das PZV im HVM der Beklagten - vorab durch Verwaltungsakt entscheidet. Bundesrecht verlangt nur, dass für die Vertragsärzte zu jedem Zeitpunkt klar ist, ob eine "Mitteilung" über honorarrelevante Umstände eine Regelung iS des § 31 Abs 1 SGB X ist, deren Hinnahme dann zu den im Urteil vom 15.8.2012 (BSG SozR aaO, RdNr 11) beschriebenen Konsequenzen für die richterliche Kontrolle in nachfolgenden Honorarstreitverfahren führt. Die KÄV ist jedoch auch nach Außerkrafttreten des § 87b Abs 5 SGB V idF des GKV-WSG nicht gehindert, vor Erlass des endgültigen Honorarbescheides über zentrale Grundlagen der Honorarverteilung durch gesonderten Verwaltungsakt zu entscheiden. Das hat die Beklagte hier getan und konsequent über den Widerspruch des Klägers, den sie zutreffend als fristgerecht erhoben beurteilt hat, durch Widerspruchsbescheid entschieden. Diesen hat der Kläger mit der zulässigen Klage angegriffen, sodass seine Verfahrensrechte gewahrt sind.

39

Soweit der Kläger unter Verfahrensgesichtspunkten die Transparenz und Verständlichkeit der angefochtenen Bescheide rügt, führt das nicht zu deren Rechtswidrigkeit. Die Bescheide der Beklagten und deren Erläuterungen (auch) im gerichtlichen Verfahren richten sich an einen fachkundigen Personenkreis, der über die grundlegenden Fragestellungen der Honorarverteilung informiert ist. Dieser Kenntnisstand des Adressatenkreises prägt die Anforderungen an die Begründung von Bescheiden gemäß § 35 Abs 1 SGB X, wie der Senat mehrfach zur Wirtschaftlichkeitsprüfung entschieden hat(zuletzt BSG Urteil vom 30.11.2016 - B 6 KA 29/15 R - RdNr 29 mwN). Für Honorarbescheide oder solche die Honorarverteilung umsetzenden Bescheide gilt dasselbe. Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs lässt sich kein Begründungsdefizit feststellen. Die von dem Kläger immer wieder aufgegriffenen (vermeintlich oder tatsächlich) widersprüchlichen Angaben der Beklagten etwa zu Fallzahlen, Punktwerten, Durchschnittsgrößen und ähnliches hat die Beklagte jedenfalls soweit klären können, dass dem SG und dem Senat die Position der Beklagten deutlich geworden ist.

40

b. Die Regelungen im HVM der Beklagten über die Ermittlung des PZV und die Honorarverteilung im Übrigen stehen mit höherrangigem Recht in Einklang. Sie beachten die Grundsätze der Rechtsprechung des Senats zu den Wachstumsmöglichkeiten kleiner Praxen (aa) und bedürfen keiner Modifikation im Hinblick auf die tatsächlich in K. bestehende Überversorgung (bb).

41

aa. Der Kläger beanstandet die Regelung des HVM vor allem deshalb, weil sie ihm unter den tatsächlichen Gegebenheiten seiner Praxis und ihres Standortes keine Chance geben, zumindest den durchschnittlichen Honorarumsatz seiner Arztgruppe zu erreichen. Damit dringt er nicht durch, weil die maßgeblichen Bestimmungen des HVM den Grundsätzen der Rechtsprechung des Senats zu den Wachstumschancen unterdurchschnittlich abrechnender Praxen genügen und der Kläger die tatsächlichen Voraussetzungen für ein Wachstum seines Umsatzes - nämlich eine Erhöhung von Fallzahlen und Leistungsmenge - nicht geschaffen hat.

42

(1) Nach der Rechtsprechung des Senats müssen umsatzmäßig unterdurchschnittlich abrechnende Praxen die Möglichkeit haben, zumindest den durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe zu erreichen (stRspr, zusammenfassend BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 45 RdNr 23 bis 33 und Nr 50 RdNr 14 bis 16, jeweils mwN; vgl auch BSGE 113, 298 = SozR 4-2500 § 85 Nr 76, RdNr 49; BSG SozR 4-2500 § 87b Nr 2 RdNr 17). Dem Vertragsarzt muss die Chance bleiben, durch Qualität und Attraktivität seiner Behandlung oder auch durch eine bessere Organisation seiner Praxis neue Patienten für sich zu gewinnen und so legitimer Weise seine Position im Wettbewerb mit den Berufskollegen zu verbessern (stRspr, zB BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 50 RdNr 14; BSGE 113, 298 = SozR 4-2500 § 85 Nr 76, RdNr 49; BSG SozR 4-2500 § 87b Nr 2 RdNr 17; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 85 RdNr 34). Dieser Anspruch besteht grundsätzlich unabhängig von den Regelungen und Konzeptionen, denen die Honorarverteilung folgt. Das ergibt sich schon daraus, dass die Rechtsprechung ursprünglich zu praxisbezogenen Bemessungsgrenzen im vertragszahnärztlichen Vergütungssystem entwickelt worden war (BSGE 83, 58 = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 206 ff) und später auf Individualbudgets im vertragsärztlichen Bereich übertragen worden ist (BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5, RdNr 19). An dem Grundsatz hat der Senat auch für die Zeit der gesetzlich vorgeschriebenen Anwendung von RLV festgehalten (BSG SozR 4-2500 § 87b Nr 2), und er muss auch dann beachtet werden, wenn eine KÄV nach Auslaufen der RLV-Phase wieder zu einem System praxisindividuellen Budgets zurückkehrt.

43

Ausdrücklich hat der Senat klargestellt, dass die einzuräumende Chance auf Wachstum sich nicht auf Praxen in der Aufbauphase beschränken darf, sondern auch auf "alte" Praxen mit unterdurchschnittlichem Umsatz zu beziehen ist (vgl BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 45 RdNr 25 mwN). Während Praxen in der Aufbauphase ein sofortiges Wachstum auf den Fachgruppendurchschnitt möglich sein muss, unterliegt der Anspruch sonstiger unterdurchschnittlich abrechnender Praxen auf Honorarsteigerung bis zum Fachgruppendurchschnitt dem Vorbehalt, dass sie binnen fünf Jahren möglich sein muss; dabei darf ein Moratorium von einem Jahr für Fallzahlerhöhungen festgelegt werden, wie dies nach den RLV-Regelungen der Fall war (vgl BSG SozR 4-2500 § 87b Nr 2 RdNr 39).

44

Nach der Rechtsprechung des Senats bezieht sich die Wachstumsmöglichkeit grundsätzlich allein auf eine Erhöhung der Zahl der von den Vertragsärzten behandelten Fälle bzw Patienten (BSGE 83, 52, 58 = SozR 3-2500 § 85 Nr 28, S 200, 207 f; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 27 S 189, 195; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 48, S 405, 411; BSGE 92, 10, 16 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5, S 35, 42 f; BSGE 92, 233, 238 f = SozR 4-2500 § 85 Nr 9, S 77, 83 f; BSGE 94, 50, 69 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, S 2, 21; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 32, S 238, 242; BSG Beschluss vom 28.11.2007 - B 6 KA 45/07 B - RdNr 8; BSG SozR 4-2500 § 87b Nr 2, RdNr 19; siehe auch BSG Beschluss vom 19.7.2006 - B 6 KA 1/06 B - Juris; Engelhard in Hauck/Noftz, SGB, 10/16, § 85 SGB V, RdNr 256 f).

45

In einer Entscheidung vom 28.1.2009 hat der Senat offengelassen, ob eine Steigerungsmöglichkeit auch in der Form gewährt werden kann oder muss, dass anstelle eines Fallzahlzuwachses auch Fallwertsteigerungen zu berücksichtigen sind, die etwa auf einer Veränderung in der Morbidität des behandelten Patientenstammes oder einer Veränderung der Behandlungsausrichtung beruhen (vgl BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 45 RdNr 27; vgl auch Clemens in Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, 3. Aufl 2013, Kap 13 RdNr 268; gegen eine solche Öffnung Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Januar 2016, K § 85 RdNr 256g). In seiner Entscheidung vom 17.2.2016 hat der Senat klargestellt, dass eine solche Verpflichtung nur in besonderen Fallkonstellationen in Betracht kommt, etwa bei einer wesentlichen Änderung der Praxisausrichtung (vgl BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 85 RdNr 35). Im Beschluss vom 28.6.2017 hat der Senat das dahin präzisiert, dass eine solche Konstellation nicht in Frage steht, wenn diesen Umständen, die typischerweise mit höheren Fallwerten verbunden sind, bereits durch die Möglichkeit zur Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten und/oder durch qualifikationsgebundene Zusatzvolumina Rechnung getragen wird (vgl BSG Beschluss vom 28.6.2017 - B 6 KA 89/16 B).

46

(2) Diesen Anforderungen werden die HVM-Regelungen gerecht. Eine Steigerung der Behandlungsfallzahlen und des Leistungsumfangs wirkt sich - zeitversetzt - auch in einer Erhöhung des PZV aus. Dass der Kläger eine solche in dem von ihm für erforderlich gehaltenen Umfang nicht erreicht hat, beruht darauf, dass er seine Fallzahlen oder Fallwerte nicht nachhaltig steigern konnte. Die Zahl der Behandlungsfälle in seiner Praxis schwankt seit Jahren zwischen ca 500 und maximal 626 (Quartal I/2015). Der Wechsel im Vergütungssystem von RLV zu PZV hat daran nichts geändert: die Fallzahl im Quartal II/2010 stimmt nahezu exakt mit derjenigen im Quartal II/2014 überein, und die Grenze von 600 Fällen überschreitet der Kläger sowohl unter Geltung von RLV (IV/2009, IV/2012) wie unter Geltung von PZV (I/2014, I/2015). Die um 900 schwankenden Durchschnittsfallzahlen der Arztgruppe unterschreitet der Kläger konstant um ca 1/3.

47

Der HVM der Beklagten enthält eine Regelung für besonders kleine Praxen, denen immer ein Mindest-PZV in Höhe von 50 % des Durchschnitts-PZV zugewiesen wird. Davon konnte der Kläger nicht profitieren, weil sein PZV regelmäßig in der Nähe oder oberhalb von 60 % des Durchschnitts-PZV lag.

48

Betroffen war der Kläger vor allem durch die Heranziehung des Quartals IV/2012 als Referenzquartal für die Bildung des PZV. Die von ihm vom Quartal IV/2011 zum Quartal IV/2012 erreichte Steigerung der RLV-relevanten Fallzahl von 533 auf 589 hat sich nach der Umstellung des Vergütungssystems zum Quartal IV/2013 nicht zugunsten des Klägers auswirken können; wäre auch im Quartal IV/2013 ein RLV nach dem bis Ende 2012 praktizierten System ermittelt worden, hätte der Kläger davon profitiert. Zusätzlich ist der Kläger dadurch beschwert, dass der zwischen dem Quartal IV/2012 und dem Quartal IV/2013 erreichte Patientenzugewinn dazu geführt hat, dass der Kläger im Basisquartal IV/2012 deutlich mehr Leistungen außerhalb der RLV abgerechnet hat als die Arztgruppe und folglich einen niedrigeren Durchschnittspunktwert als diese hatte. Nach dem oben (2.a. am Ende, RdNr 32) erläuterten Berechnungsmodell hat das zur Anwendung eines reduzierten Anpassungsfaktors bei der Ermittlung des PZV des Klägers geführt; auch insoweit kam dem Kläger die bei (hypothetischer) Fortsetzung des alten Vergütungssystems zwangsläufige Erhöhung der RLV im Quartal IV/2013 nicht mehr zu Gute. Insoweit kann die Regelung des HVM für die Quartale IV/2013 bis IV/2014 als "Moratorium" im Sinne der Rechtsprechung des Senats angesehen werden, in dem ausnahmsweise kleine Praxen, die keine Neupraxen sind, an dem erreichten Umsatzniveau festgehalten werden. Diese Regelung ist indessen zulässig, weil den kleinen Praxen insgesamt nach Teil C Ziff 3 Abs 4 des HVM hinreichende Zuwachsmöglichkeiten eingeräumt wurden. Nach Abschluss der ein Jahr umfassenden Umstellungsphase kann eine Praxis ihr PZV um maximal 10 % des Durchschnitts-PZV der Arztgruppe pro Jahr steigern. Die Einbeziehung normativ vorgegebener Wachstumsmöglichkeiten in die Prüfung von zeitlich befristeten Moratorien hält der Senat für geboten, weil andernfalls nicht sicher beurteilt werden kann, ob der Durchschnittsumsatz effektiv binnen fünf Jahren erreichbar ist (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 45 RdNr 32 ff). Ob die Regelung über die Wachstumsmöglichkeiten allen unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen innerhalb von fünf Jahren das Erreichen des Durchschnittswertes ermöglicht hat, kann der Senat offenlassen. Der Kläger ist jedenfalls nicht beschwert, weil für ihn normativ diese Möglichkeit bestand. Sein PZV lag im streitbefangenen Quartal bei 61,17 % des Durchschnitts; bei einem Anstieg um jeweils 10 % des Durchschnitts, der bei ca 240 000 im Quartal lag, pro Jahr hätte der Kläger den Durchschnitt innerhalb von fünf Jahren nach der Systemumstellung im streitbefangenen Quartal erreichen können. Tatsächlich ist das PZV des Klägers bis zum Quartal IV/2016 nur auf ca 66 % des Durchschnitts gestiegen. Es verhält sich im Übrigen fast exakt genauso zum Durchschnitts-PZV, wie sich die Fallzahlen des Klägers zum Durchschnitt der Arztgruppen verhalten. Der Umstand, dass infolge der Entscheidung der Beklagten für das Quartal IV/2012 als Referenzquartal das PZV des Klägers im Quartal IV/2013 niedriger ausgefallen ist, als wenn ein anderes Quartal mit geringerem Fallzahlzuwachs herangezogen worden wäre, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die Entscheidung der KÄV für ein Referenzquartal entfaltet wie jede Stichtagsregelung im Einzelfall Härten, die die Betroffenen grundsätzlich hinnehmen müssen.

49

(3) Von vornherein kein normativer Ansatzpunkt besteht für die Forderung des Klägers, kleineren Praxen müssten alle Leistungen mit dem Orientierungswert von 10 Cent vergütet werden, solange sie nicht das Durchschnitts-PZV der Arztgruppen erreichen. Das läuft auf die Forderung hinaus, kleinen Praxen alle abgerechneten Punkte ungeachtet der Zahl der in der Praxis versorgten Patienten mit dem Orientierungswert zu vergüten, und hätte eine gravierende Ungleichbehandlung von durchschnittlich oder überdurchschnittlich abrechnenden Praxen zur Folge. Die Vorstellung des Klägers, auf diese Weise würden kleine Praxen den großen Praxen hinsichtlich des PZV immer dann gleichgestellt, wenn und soweit sie bestrebt seien, Fallzahl und Behandlungstiefe auszuweiten, das aber aus Gründen nicht realisieren könnten, die außerhalb ihres Einflusses liegen, ist verfehlt. Grundlage für die Honorierung vertragsärztlicher Leistungen können nur tatsächlich abgerechnete Fälle und erbrachte Leistungen sein, nicht Bereitschaft und Absicht des Arztes, diese auszuweiten.

50

bb. Im Übrigen macht der Kläger unter dem Aspekt einer Kompensationspflicht der Beklagten im Rahmen der Honorarverteilung nicht in erster Linie geltend, dass er an einem Wachstum gerade durch die Regelungen zur Honorarverteilung gehindert würde, sondern dass er den Umfang seiner Tätigkeit aufgrund einer zunehmenden Überversorgung mit Urologen in dem Planungsbereich, in dem er seinen Sitz hat, nicht wesentlich habe steigern können.

51

Zutreffend ist, dass der Kläger weder seine Fallzahlen noch seinen Fallwert nennenswert gesteigert hat. Soweit der Kläger dabei einen Zusammenhang mit - aus seiner Sicht - ungerechtfertigten Sonderbedarfszulassungen herstellt, ist schon nicht deutlich geworden, ob solche in den letzten Jahren in seinem Planungsbereich (Stadt K.) erteilt worden sind. Der Hinweis auf eine aktuelle Sonderbedarfszulassung eines Urologen in N. geht an der Sache vorbei. Wenn in dem Planungsbereich N./R.-E. trotz genereller Überversorgung für die Stadt N. ein Versorgungsdefizit bestehen sollte, läge auf der Hand, dass eine Sonderbedarfszulassung dort nicht mit der Begründung abgelehnt werden kann, in der 35 km entfernten Stadt K. stünden mehrere unterdurchschnittlich ausgelastete urologische Praxen zur Verfügung, die Patienten aus N. übernehmen könnten.

52

Feststellungen zu der Frage, ob sich der Grad der Überversorgung in dem Planungsbereich tatsächlich in den letzten Jahren erhöht hat, hat das SG nicht getroffen und auf der Grundlage der vom SG getroffenen Feststellungen kann auch nicht beurteilt werden, ob etwaige Entscheidungen der Zulassungsgremien rechtmäßig sind. Darauf kommt es für die vorliegende Entscheidung indes nicht an. Selbst wenn dem Kläger durch die Zulassung weiterer Vertragsärzte wirtschaftliche Nachteile entstanden sein sollten, wäre die Beklagte nicht verpflichtet, dies durch Gewährung zusätzlichen Honorars auszugleichen. Es existieren weder gesetzliche noch verfassungsrechtliche Bestimmungen, die es gebieten würden, die fehlende Auslastung einer Praxis aufgrund geringer Patientenzahlen und daraus folgende geringe Honorarforderungen - losgelöst von Fragen der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung oder von einzelfallbezogenen Härten - durch Ausgleichsregelungen bei der Honorarverteilung dauerhaft zu kompensieren. Ein subjektives Recht auf Ausgleich der durch die Konkurrenz bedingten Einkommenseinbußen gibt es nicht, und auch Grundrechte gewähren kein Recht auf Fernhaltung von Konkurrenz (BSG Urteil vom 7.2.2007 - B 6 KA 8/06 R - BSGE 98, 98 = SozR 4-1500 § 54 Nr 10, RdNr 23).

53

Wie das BSG bereits im Zusammenhang mit der Anfechtungsbefugnis bei Konkurrentenklagen entschieden hat, dienen die Vorschriften zur Bedarfsplanung nicht dem Schutz der wirtschaftlichen Interessen des bereits niedergelassenen Vertragsarztes, sondern der Sicherung der Leistungsfähigkeit und der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung als Gemeinwohlaufgabe (BSG Urteil vom 7.2.2007 - B 6 KA 8/06 R - BSGE 98, 98 = SozR 4-1500 § 54 Nr 10 RdNr 16, 21; vgl auch BVerfG Beschluss vom 27.4.2001 - 1 BvR 1282/99 - MedR 2001, 639 RdNr 9). Auch das Grundgesetz garantiert umfassenden Rechtsschutz nur unter der Voraussetzung, dass die Verletzung einer Rechtsposition geltend gemacht wird, die die Rechtsordnung im Interesse des Einzelnen gewährt. Welche Rechte der Einzelne danach geltend machen kann, bestimmt sich - abgesehen von Grundrechten und sonstigen verfassungsmäßigen Rechten - nach den Regelungen des einfachen Rechts (BVerfG Beschluss vom 23.5.2006 - 1 BvR 2530/04 - BVerfGE 116, 1, 11; BVerfG Beschluss vom 9.1.1991 - 1 BvR 207/87 - BVerfGE 83, 182 f, jeweils mwN).

54

Wenn die wirtschaftlichen Interessen des Klägers nicht durch die Erteilung regulärer Zulassungen, sondern durch Sonderbedarfszulassungen oder Ermächtigungen wesentlich beeinträchtigt worden sein sollten, hätte er wegen des Vorrangs seiner Zulassung grundsätzlich die Möglichkeit gehabt, mit Widerspruch und Klage gegen die Entscheidung der Zulassungsgremien vorzugehen, um rechtswidrige Entscheidungen zu verhindern (vgl BVerfG Beschluss vom 17.8.2004 - 1 BvR 378/00 - SozR 4-1500 § 54 Nr 4). Die zur Verwirklichung des Grundrechts aus Art 12 Abs 1 GG erforderliche angemessene Verfahrensgestaltung ist damit gewährleistet. Soweit subjektive Rechte des Klägers durch Zulassungsentscheidungen nicht verletzt werden, er von der Möglichkeit, gegen rechtswidrige Zulassungsentscheidungen vorzugehen keinen Gebrauch macht oder sich die Entscheidung der Zulassungsgremien als rechtmäßig erweist, hat er keine rechtlichen Möglichkeiten, gegen die dadurch möglicherweise bedingten Einkommenseinbußen vorzugehen. Vielmehr muss er sich darum bemühen, die Auslastung seiner Praxis etwa durch ein besonders attraktives Angebot (bezogen auf Praxisausstattung, Praxisorganisation, Öffnungszeiten, ua) zu steigern und dadurch seine Position im Wettbewerb mit anderen zugelassenen Vertragsärzten zu verbessern. Zwar findet die Berufsausübung des Vertragsarztes in einem staatlichen regulierten Markt statt (BVerfG Beschluss vom 17.8.2004 - 1 BvR 378/00 - SozR 4-1500 § 54 Nr 4 RdNr 24; BVerfG Beschluss vom 20.3.2001 - 1 BvR 491/96 - BVerfGE 103, 172, 185 ff = SozR 3-5520 § 25 Nr 4) und das System der Bedarfsplanung bedingt - auch wenn darin nicht das primäre Ziel liegt -, dass dieser nicht in gleichem Maße wie andere freiberuflich tätige Berufsgruppen der Konkurrenz ausgesetzt ist (vgl BVerfG Beschluss vom 17.8.2004 - 1 BvR 378/00 - SozR 4-1500 § 54 Nr 4 RdNr 21). Andererseits ist auch die Tätigkeit des Vertragsarztes durch ein erhebliches Maß an Handlungsfreiheit in beruflicher und persönlicher Hinsicht geprägt. Dementsprechend bestimmt § 32 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV, dass der Vertragsarzt seine Tätigkeit persönlich in freier Praxis auszuüben hat(vgl BSG Urteil vom 30.11.2016 - B 6 KA 38/15 R - BSGE = SozR 4-2500 § 75 Nr 18, RdNr 102). Kennzeichnend für die freiberufliche Tätigkeit des Vertragsarztes ist, dass er das wirtschaftliche Risiko der Praxis trägt (BSG Urteil vom 23.6.2010 - B 6 KA 7/09 R - BSGE 106, 222 = SozR 4-5520 § 32 Nr 4, RdNr 37 f). Dies verkennt der Kläger, wenn er geltend macht, dass es ihm gerade wegen der unbefriedigenden Erlössituation nicht möglich sei, die Attraktivität seiner Praxis etwa durch weitere Investitionen in die Praxisausstattung zu steigern und dass die dadurch bedingten Einkommenseinbußen durch besondere Regelungen zum Honoraranspruch kleiner Praxen kompensiert werden müssten. Auch wenn es dem Kläger ohne eigenes Verschulden nicht gelingt, die Attraktivität seiner Praxis zu steigern und dadurch die Fallzahlen zu erhöhen, gibt es keine Verpflichtung der beklagten KÄV, dies durch eine entsprechende Ausgestaltung des Honorarsystems zu kompensieren. Der BewA sowie die Partner des HVV dürften nicht einmal berechtigt gewesen sein, Regelungen zu treffen, mit denen kleine Praxen mit niedrigen Patientenzahlen unabhängig von Sicherstellungserfordernissen dauerhaft gestützt werden, weil dies mit dem gesetzlich vorgegebenen System der RLV grundsätzlich nicht zu vereinbaren ist (für den hier maßgebenden Zeitraum des Jahres 2009 vgl BSG Urteil vom 5.6.2013 - B 6 KA 47/12 R; zu der für Abrechnungszeiträume bis zum 31.12.2008 maßgebenden Rechtslage vgl bereits BSG Urteil vom 18.8.2010 - B 6 KA 27/09 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 58 RdNr 38 ff; BSG Urteil vom 6.2.2013 - B 6 KA 13/12 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 73). Darauf kommt es hier indes nicht an; entscheidend ist, dass jedenfalls keine entsprechende Verpflichtung des Gesetzgebers oder der untergesetzlichen Normgeber bestand.

55

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Der Kläger trägt die Kosten des von ihm ohne Erfolg geführten Rechtsmittels.

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Bundessozialgericht Urteil, 05. Juni 2013 - B 6 KA 47/12 R

bei uns veröffentlicht am 05.06.2013

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 06. Feb. 2013 - B 6 KA 13/12 R

bei uns veröffentlicht am 06.02.2013

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 26. Januar 2012 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 18. Aug. 2010 - B 6 KA 27/09 R

bei uns veröffentlicht am 18.08.2010

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 24. Juni 2009 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 23. Juni 2010 - B 6 KA 7/09 R

bei uns veröffentlicht am 23.06.2010

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 17. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundessozialgericht Urteil, 02. Aug. 2017 - B 6 KA 16/16 R.

Bundessozialgericht Urteil, 24. Jan. 2018 - B 6 KA 2/17 R

bei uns veröffentlicht am 24.01.2018

Tenor Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 15. November 2016 aufgehoben. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgericht

Referenzen

Tenor

Die Revision des Klägers gegen die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 8. November 2016 (L 4 KA 40/14, L 4 KA 41/14, L 4 KA 42/14 und L 4 KA 43/14) wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Revisionsverfahren trägt der Kläger zu 15/16 und die Beklagte zu 1/16. Die Kosten der Verfahren S 16 KA 1153/13 und L 4 KA 43/14 trägt der Kläger zu 3/4 und die Beklagte zu 1/4, die Kosten der Verfahren S 16 KA 376/10, S 16 KA 1150/13 und S 16 KA 1152/13 sowie L 4 KA 40/14, L 4 KA 41/14 und L 4 KA 42/14 trägt der Kläger.

Tatbestand

1

Streitig ist die Honorierung vertragsärztlicher Leistungen des Klägers für die Quartale I/2009 bis IV/2009.

2

Der Kläger ist als Facharzt für Urologie zur vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk der Beklagten zugelassen. Mit Schreiben vom 19.12.2008 wies die Beklagte ihm für das Quartal I/2009 ein Regelleistungsvolumen (RLV) in Höhe von 14 431,65 Euro zu. Für das Quartal II/2009 wurde dem Kläger zunächst mit Schreiben vom 25.3.2009 ein RLV von 11 267,66 Euro zugewiesen und mit Schreiben vom 7.5.2009 auf 11 373,06 Euro korrigiert. Für das Quartal III/2009 wies die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 4.6.2009 ein RLV in Höhe von 11 917,24 Euro zu. Für das Quartal IV/2009 wies sie dem Kläger mit Schreiben vom 28.9.2009 ein RLV in Höhe von 12 478,78 Euro zu. Diese Zuweisung erfolgte unter Vorbehalt ua zum Zwecke der rechnerischen Überprüfung. Mit Schreiben vom 12.11.2009 wies die Beklagte dem Kläger für das Quartal IV/2009 wiederum unter Vorbehalt ein RLV in Höhe von nur noch 12 370,64 Euro zu.

3

Der Kläger stellte einen Härtefallantrag, machte Praxisbesonderheiten geltend und legte jeweils Widerspruch gegen die RLV-Zuweisung für die Quartale I/2009 bis IV/2009 ein.

4

Für das Quartal I/2009 setzte die Beklagte das Honorar des Klägers einschließlich eines Zusatzbudgets für radiologische Diagnostik vor Abzug des Verwaltungskostenbeitrages auf insgesamt 27 414,58 Euro fest. Der Kläger hatte RLV-relevante Leistungen in einem Umfang von insgesamt 16 443,92 Euro erbracht, die in Höhe von 14 810,78 Euro vergütet wurden. Zur Verlustbegrenzung auf 7,5 % wurde ein Konvergenzzuschlag von 1855,08 Euro gewährt.

5

Bezugnehmend auf die Widersprüche gegen die RLV-Mitteilungen für die Quartale I/2009 und II/2009 sowie den Härtefallantrag teilte das HVM-Team der Beklagten dem Kläger mit Schreiben vom 16.9.2009 mit, dass weder Praxisbesonderheiten anerkannt noch sonstige Ausgleichsmaßnahmen vorgenommen werden könnten. Entsprechend den Regelungen des Erweiterten Bewertungsausschusses (EBewA) ergäben sich Praxisbesonderheiten aus einem besonderen Versorgungsauftrag oder einer besonderen, für die Versorgung bedeutsamen Spezialisierung. Zuschläge auf den durchschnittlichen Fallwert der Arztgruppe könnten genehmigt werden, sofern aus den Praxisbesonderheiten zusätzlich eine Überschreitung des durchschnittlichen Fallwertes der Arztgruppe um mindestens 30 % resultiere. Eine Fallwertüberschreitung von mindestens 30 % liege in den Quartalen I/2009 und II/2009 nicht vor. Für das Quartal I/2009 habe die Abweichung der Fallpunktzahl des Klägers -10,89 % und für das Quartal II/2009 -7,86 % betragen. Ein Ausgleich eines Honorarverlustes von mehr als 15 % gegenüber dem Vorjahresquartal werde bereits durch die Konvergenzregelung ausgeschlossen, die den Honorarverlust auf 7,5 % reduziere.

6

Für das Quartal II/2009 setzte die Beklagte den Honoraranspruch des Klägers einschließlich eines Zusatzbudgets für radiologische Diagnostik vor Abzug des Verwaltungskostenbeitrages auf 27 542,52 Euro fest. Erbrachte RLV-relevante Leistungen in einem Umfang von insgesamt 16 938,68 Euro wurden in Höhe von 12 223,96 Euro vergütet. Zur Verlustbegrenzung auf 7,5 % wurde ein Konvergenzzuschlag von 3162,53 Euro gewährt.

7

Für das Quartal III/2009 setzte die Beklagte den Honoraranspruch des Klägers einschließlich eines Zusatzbudgets für radiologische Diagnostik vor Abzug des Verwaltungskostenbeitrages auf 23 192,20 Euro fest. Erbrachte RLV-relevante Leistungen in einem Umfang von insgesamt 15 766,55 Euro wurden in Höhe von 12 387,26 Euro vergütet. Die Beklagte errechnete einen Honorarverlust des Klägers gegenüber III/2008 in Höhe von 7,94 % und gewährte mit der Begründung keinen Konvergenzzuschlag, dass nur Verluste über 9 % ausgeglichen würden.

8

Für das Quartal IV/2009 setzte die Beklagte den Honoraranspruch des Klägers einschließlich eines Zusatzbudgets für radiologische Diagnostik vor Abzug des Verwaltungskostenbeitrages auf 26 098,16 Euro fest. Erbrachte RLV-relevante Leistungen in einem Umfang von insgesamt 18 020 Euro wurden in Höhe von 13 135,55 Euro vergütet. Zur Verlustbegrenzung auf 9 % wurde ein Konvergenzzuschlag von 495,70 Euro gewährt.

9

Gegen die Honorarabrechnungen für die Quartale I/2009 bis IV/2009 legte der Kläger jeweils Widerspruch ein und beantragte die Anerkennung von Praxisbesonderheiten sowie einen Ausgleich für eingetretene Honorarverluste.

10

Mit Widerspruchsbescheid vom 17.11.2010 wies die Beklagte sämtliche Widersprüche des Klägers hinsichtlich der Mitteilungen der RLV und der Honorarabrechnungen der Quartale I/2009 bis IV/2009 (sowie für weitere Quartale I/2010 und II/2010, die nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, sondern des Verfahrens zum Aktenzeichen B 6 KA 7/17 R sind) zurück. Sie stellte die angewandte Honorarverteilungssystematik dar. Werde das RLV nach Ablauf der Vierwochenfrist gemäß § 87b Abs 5 Satz 1 SGB V, aber vor Beginn des Geltungszeitraumes zugewiesen, führe dies nicht zu einer Fortgeltung des vorherigen RLV. Es handele sich nur um eine Ordnungsfrist. Die Wachstumsregelung nach Teil D Ziffer 2 des Honorarverteilungsvertrages (HVV) finde keine Anwendung, da der Kläger bereits mehr als fünf Jahre zugelassen sei. Durch die RLV werde ein Wachstum jeweils mit Wirkung für das entsprechende Quartal des Folgejahres zugelassen. Soweit auf Praxisbesonderheiten abgestellt werde, werde auf das Schreiben des HVM-Teams vom 16.9.2009 verwiesen. Fallwertzuschläge wegen Überschreitung des durchschnittlichen Fallwertes der Arztgruppe um 30 % seien nicht zu gewähren. In den vier Quartalen des Jahres 2009 habe der Kläger den durchschnittlichen Fallwert der Fachgruppe um 10,89 % (Quartal I/2009), um 7,86 % (Quartal II/2009), um 3,53 % (Quartal III/2009) und um 1,60 % (Quartal IV/2009) unterschritten.

11

Dagegen hat sich der Kläger mit seiner Klage gewandt, die zunächst unter dem Aktenzeichen S 16 KA 376/10 geführt wurde. Das SG Kiel hat die Verfahren quartalsweise getrennt.

12

Das SG Kiel hat den Klagen bezogen auf die hier allein streitgegenständlichen Quartale des Jahres 2009 mit vier Urteilen vom 12.2.2014 (S 16 KA 376/10, S 16 KA 1150/13, S 16 KA 1152/13 und S 16 KA 1153/13) stattgegeben und die Beklagte unter Änderung der RLV-Mitteilung und der Honorarabrechnung verpflichtet, die Honorierung des Klägers in den Quartalen I/2009 bis IV/2009 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Das BSG habe bisher offengelassen, wie der Fachgruppendurchschnitt bei unterdurchschnittlich abrechnenden Altpraxen erreicht werden könne, deren Patientenzahlen wie im Fall des Klägers nicht mehr unproblematisch steigerbar seien. Eine solche unterdurchschnittliche Praxis sei besonders schutzwürdig, sodass hier eine Steigerung des Fallwertes maximal zum Fachgruppendurchschnitt ermöglicht werden müsse. In diesem Sinne müsse die Honorierung in den streitigen Quartalen erneut beschieden werden. Darüber hinaus hätte die Beklagte bei der Honorierung des Klägers im Quartal I/2009 ebenso wie in den Folgequartalen die besondere Situation der Praxis im Sinne eines Härtefalles individuell würdigen und dieses in den jeweiligen Honorarabrechnungen berücksichtigen müssen.

13

Das LSG hat die Urteile des SG Kiel vom 12.2.2014 betreffend die Honorierung in den Quartalen I/2009 bis IV/2009 auf die Berufungen der Beklagten vom 12.8.2014 unter den Aktenzeichen L 4 KA 40/14, L 4 KA 41/14, L 4 KA 42/14 und L 4 KA 43/14 aufgehoben, die Klagen jeweils abgewiesen und die Revisionen zugelassen.

14

Die Beklagte habe das RLV und den Honoraranspruch des Klägers für die Quartale I/2009 bis IV/2009 rechtmäßig festgesetzt und einen höheren Honoraranspruch des Klägers zu Recht abgelehnt. Der gerichtlichen Prüfung von Praxisbesonderheiten und Härtefallgesichtspunkten stehe nicht entgegen, dass das HVM-Team der Beklagten am 16.9.2009 für die Quartale I/2009 und II/2009 gesondert und nach der Zuweisung des RLV sowie nach der Honorarabrechnung über die vom Kläger im jeweiligen Widerspruchsverfahren vorgebrachten Praxisbesonderheiten und Härtefallgesichtspunkte entschieden habe. Praxisbesonderheiten seien gemäß Ziffer 5.4.1 der 1. Ergänzungsvereinbarung auf Antrag zu prüfen; der Antrag könne auch im Widerspruchsverfahren gestellt werden. Die Anerkennung eines Härtefalles erfolge gemäß Ziffer 5.4.1 der 1. Ergänzungsvereinbarung antragsunabhängig. Eine zusprechende Entscheidung werde nach § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen die RLV-Mitteilung und den Honorarbescheid, da diese mit jener Entscheidung abgeändert werde. Wenn die Prüfung des HVM-Teams dazu führe, dass keine Praxisbesonderheiten oder Härtefallgesichtspunkte anzuerkennen seien und es bei der Festsetzung des mitgeteilten RLV oder des berechneten Honoraranspruchs verbleibe, handele es sich um einen partiellen Zweitbescheid, der die Festsetzung des RLV unter Berücksichtigung der standardisierten Berechnungsfaktoren und ohne Anerkennung von Praxisbesonderheiten bzw den Honoraranspruch ohne weitere Härtefallgesichtspunkte bestätige und ergänzend erläutere. Hinsichtlich der Quartale III/2009 und IV/2009 stehe einer gerichtlichen Prüfung nicht entgegen, dass das HVM-Team nicht gesondert über die im Widerspruchsverfahren vorgebrachten Praxisbesonderheiten und Härtefallgesichtspunkte entschieden habe. Eines gesonderten Verwaltungs- und Widerspruchsverfahrens bedürfe es nicht. Dies würde zu einer erheblichen Erschwerung der Rechtsverfolgung in einem Quartal führen.

15

Die Bewertung des Senats stehe nicht im Widerspruch zur Entscheidung des BSG vom 15.8.2012 (B 6 KA 38/11 R). Dort habe das BSG klargestellt, dass für die gerichtliche Klärung von gesonderten Feststellungen (Bemessungsgrundlagen, Budgets, RLV), Teilelementen und Vorfragen nur dann und nur solange Raum sei, wie die jeweiligen Quartalshonorarbescheide noch nicht bestandskräftig seien. Das gelte auch, wenn entsprechende Feststellungen Gegenstand gesonderter Verwaltungsakte geworden seien. Der Gesetzgeber habe in § 87b Abs 3 Satz 3 SGB V vorgesehen, dass Praxisbesonderheiten zu berücksichtigen seien, soweit dazu Veranlassung bestehe. Sie seien danach bereits bei der Zuweisung der RLV zu berücksichtigen. Das RLV lasse sich nicht in die standardisierte Berechnung aus RLV-relevanter Fallzahl des Arztes, RLV-Fallwert der Arztgruppe und arztindividuellen Morbiditätsfaktor einerseits und einen ausschöpfbaren Mehrbetrag für anerkannte Praxisbesonderheiten andererseits aufteilen. Die Anerkennung von Praxisbesonderheiten habe der Gesetzgeber in § 87b Abs 3 Satz 3 SGB V antragsunabhängig formuliert. Auch dies spreche gegen die Notwendigkeit zweier gesonderter Verwaltungs-, Widerspruchs- und Klageverfahren für die Bestimmung aller Berechnungselemente des einmal in die Honorarabrechnung einzustellenden RLV. Gleiches gelte für die Anerkennung von Härtefallgesichtspunkten im Rahmen der vertragsärztlichen Honorarabrechnung.

16

Auch die RLV-Mitteilungsbescheide für die Quartale I/2009 vom 19.12.2008, II/2009 vom 25.3.2009 und vom 7.5.2009, III/2009 vom 4.6.2009 sowie für das Quartal IV/2009 vom 28.9.2009 und vom 12.11.2009 seien rechtmäßig. Sie seien zwar verspätet ergangen. § 87b Abs 5 Satz 1 SGB V bestimme, dass das RLV dem Vertragsarzt jeweils spätestens vier Wochen vor Beginn seiner Geltungsdauer zugewiesen sein müsse. Hierbei handele es sich jedoch um eine reine Ordnungsfrist, sodass das Fristversäumnis nicht zu einer Unwirksamkeit der Zuweisungen führe.

17

Zu Unrecht rüge der Kläger, dass die Berechnung seines RLV nicht nachvollziehbar und die Bescheide zu unbestimmt seien. Auch das Begründungserfordernis des § 35 Abs 1 SGB X sei nicht verletzt. Die Beklagte habe den Kläger zutreffend der Fachgruppe der urologisch tätigen Fachärzte zugeordnet und das RLV auch im Übrigen zutreffend berechnet.

18

Ebenfalls zu Unrecht wende sich der Kläger dagegen, dass die Fallwerte nicht zumindest mit einer Höhe von 29,75 Euro die Ordinationsgebühr für Rentner (21,17 Euro) und die Leistung Sonografie (8,58 Euro) abdecken würden. Diese Betrachtung übersehe, dass sich die Fallwerte an Durchschnittswerten orientierten.

19

Praxisbesonderheiten seien nicht anzuerkennen. Der EBewA und die Partner der Gesamtverträge hätten bei der Ausgestaltung der nach § 87b Abs 3 Satz 3 SGB V zu berücksichtigenden Praxisbesonderheiten einen weiten Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum. Nach Teil F Ziffer 3.6 des Beschlusses des EBewA vom 27./28.8.2008 seien weitere Einzelheiten über Praxisbesonderheiten durch die Gesamtvertragspartner zu regeln. Diese Regelung sei durch das Landesschiedsamt mit Beschluss vom 25.11.2008, Teil D Ziffer 4 sowie durch die Vertragspartner in der 1. Ergänzungsvereinbarung vom 12.2.2009, Ziffer 5.4.2, getroffen worden. Danach sei erforderlich, dass sich Praxisbesonderheiten aus einem besonderen Versorgungsauftrag oder einer besonderen fachlichen Spezialisierung ergäben, wenn dadurch der durchschnittliche Gruppenfallwert um 30 % überschritten werde. Da der Kläger den durchschnittlichen Gruppenfallwert in allen streitbefangenen Quartalen unterschreite, bedürfe es auch keiner Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Grenzziehung bei einer 30 %igen Überschreitung gerechtfertigt sei oder nicht. Die vom Kläger geltend gemachten Besonderheiten begründeten keinen Anspruch auf Grundlage der Öffnungsklausel in Teil A Ziffer 4 des Beschlusses des EBewA in seiner 10. Sitzung vom 27.2.2009, wonach die Gesamtvertragspartner aus Gründen der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung im Einzelfall eine Praxisbesonderheit feststellen könnten, obwohl die vorgegebene Überschreitung nicht vorliege. Besuchsleistungen bei Versicherten in Pflegeheimen und die Ziffer 32013 EBM-Ä seien bei dem Kläger in den streitgegenständlichen Quartalen bereits nicht RLV-relevant gewesen und daher nicht budgetiert vergütet worden. Die Ziffern 01410, 02322 und 02323 EBM-Ä machten keinen sicherstellungsrelevanten Anteil am Leistungsgeschehen der Praxis des Klägers aus.

20

Auch die Honorarbescheide seien nicht zu beanstanden. Es sei nicht ersichtlich, dass die Berechnung fehlerhaft sei. Die Härtefallregelung nach Teil F Ziffer 3.7 des Beschlusses des EBewA vom 27./28.8.2008 in Verbindung mit Ziffer 5.4.3 der 1. Ergänzungsvereinbarung stelle auf einen Honorarverlust von 15 % gegenüber dem Vorjahresquartal ab. Der Honorarverlust des Klägers sei bereits durch die Konvergenzregelung auf weniger als 15 % begrenzt. Für das Begehren des Klägers, keinen Verlust gegenüber den Jahren 2007 oder 2008 zu erleiden, gebe es keine Grundlage. Auch die geltend gemachte Existenzgefährdung begründe für sich keinen Ausgleichsanspruch. Aus der eingereichten Einnahme-- und Ausgabenübersicht sei eine Existenzgefährdung bereits nicht ersichtlich, da sich ein Überschuss aus vertragsärztlicher Tätigkeit im Jahr 2009 von 62 000 Euro ergebe. Zudem seien auch Einnahmen aus privatärztlicher Tätigkeit zu berücksichtigen. Einen höheren Vergütungsanspruch könne der Kläger auch nicht daraus ableiten, dass er besonders sparsam Arzneimittel verordne und Sprechstundenbedarf beziehe. Gesichtspunkte der wirtschaftlichen Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit könnten bei der Honorarverteilung nicht berücksichtigt werden.

21

Der Kläger sei nicht unzulässig im Wachstum seiner Praxis eingeschränkt. Der Umstand, dass ihm eine Steigerung der Fallzahl nicht gelinge, begründe keinen Anspruch auf einen höheren RLV-Fallwert oder auf Ausgleichszahlungen aus einer allgemeinen Härtefallklausel. Da der Zulassungsbereich K. mit Urologen überversorgt sei, sei keine Mangelversorgung der Versicherten zu befürchten. Auch die vom Kläger geltend gemachten Praxisbesonderheiten seien nicht sicherstellungsrelevant. Soweit der Kläger kritisiere, dass zu viele Urologen zugelassen worden seien, sei dieser Umstand bei der Honorarverteilung nicht zu berücksichtigen. Das unternehmerische Risiko, im Vergleich zu seinen Kollegen derselben Fachgruppe einen geringeren Zulauf von Versicherten zu haben, habe die Honorarverteilungssystematik einem Vertragsarzt nicht abzunehmen.

22

Der Kläger macht mit seinen Revisionen geltend, die Vereinbarungen zur Honorierung der vertragsärztlichen Leistungen seien aufgrund der fehlenden Berücksichtigung der schutzwürdigen Belange unterdurchschnittlich abrechnender Altpraxen, die ihren Sitz in einem überversorgten zulassungsgesperrten Gebiet hätten, rechtswidrig. Die Vorgaben verstießen gegen das Gebot der leistungsproportionalen Verteilung des Honorars sowie gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit und das Willkürverbot. Sie stünden weder mit dem von der Ermächtigungsgrundlage des § 87b Abs 2 Satz 1 SGB V verfolgten Ziel der Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Arztes und der Arztpraxis noch mit sonstigen legitimen Zielen wie der Erhöhung der Kalkulationssicherheit und der Punktwertstabilität in Einklang. Er gehöre dem überwiegenden Teil von über 70 % unterdurchschnittlich abrechnender Urologen an, was durch die fortgesetzte Zulassung weiterer Urologen im gesperrten, drastisch überversorgten Planungsbereich der Stadt K. durch die Beklagte verursacht werde. Dies treffe kleine Praxen besonders hart, da die Betriebskosten im Verhältnis zu den Einnahmen überproportional stiegen. Systembedingt sei ihm weder eine Fallzahlsteigerung noch - aufgrund des fallzahlabhängigen Vergütungsmodells - eine Umsatzsteigerung möglich. Seine Fallzahlen hätten sich von 577 im Quartal I/2009 auf 537 im Quartal II/2010 kontinuierlich verringert. Im selben Verhältnis habe sich die durchschnittliche Fallzahl der Arztgruppe von 923 im Quartal I/2009 auf 888,7 im Quartal II/2010 verringert

23

Auch sei die Beklagte ihren Beobachtungs- und Reaktionspflichten beim Abschluss der Gesamtverträge nicht nachgekommen. § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V gestatte es den Vertragspartnern, einen Zuschlag auf den Orientierungspunktwert zu vereinbaren, um insbesondere regionale Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur zu berücksichtigen und dabei der im Planungsbereich herrschenden Überversorgung Rechnung zu tragen.

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Erforderlich sei eine Sonderregelung, die - vergleichbar der Regelungen für psychotherapeutische Praxen - ein Wachstum innerhalb von fünf Jahren nicht nur zum Durchschnittshonorar der Gruppe, sondern zum Durchschnittsüberschuss ermöglichen müsse. Die bundesgesetzlichen Vorgaben in § 87a Abs 2 Satz 2 und § 87 Abs 2 f SGB V schlössen dies nicht aus. In Planungsbereichen, in denen schon lange vor Einführung der RLV-Vergütungssystematik eine eklatante Überversorgung mit einem überwiegenden Anteil von unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen vorhanden gewesen sei, überschreite die unterschiedslose Anwendung des Regelungskonzeptes die Grenze der Rechtssetzungsbefugnis des Normgebers.

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Das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers werde nicht dadurch in Frage gestellt, dass er zur Vermeidung überproportionaler Verluste einen Konvergenzzuschlag erhalten habe und dass seine das RLV überschreitende Honorarforderung abgestaffelt vergütet worden sei. Es verblieben Honorarverluste. Zudem sei die Konvergenzregelung eine reine Übergangsregelung mit zeitlich beschränkter Dauer, die auf alle Praxen zur Anwendung gekommen sei und sich daher nicht eigne, die bei ihm bestehenden Besonderheiten zu kompensieren.

26

Die Beklagte habe seine mit der Widerspruchseinlegung gestellten Anträge auf Anerkennung von Praxisbesonderheiten und Härtefallgesichtspunkten nur einmalig betreffend die Quartale I/2009 und II/2009 beschieden. Eine Einbeziehung nach § 86 SGG sei nicht zutreffend. Bezüglich der Quartale III/2009 bis II/2010 sei im laufenden Widerspruchsverfahren keine Entscheidung über die Anträge ergangen. Die Entscheidung sei vielmehr erst im Widerspruchsbescheid durch den funktional und sachlich unzuständigen Vorstand getroffen worden. Eine "erstinstanzliche" Behördenentscheidung über die Anträge des Klägers sei insoweit nicht getroffen worden. Dies stelle einen schweren Verfahrensfehler dar, da über den Antrag gesondert zu entscheiden gewesen sei.

27

Im HVV für das Jahr 2009 fehle es an einer Regelung zur Geltendmachung von Praxisbesonderheiten. Die Beklagte sei nicht befugt, an die Stelle einer fehlenden Regelung für 2009 den Grundsatzbeschluss des Vorstandes vom 4.3.2009 zu setzen. Die Regelungen seien im HVV selbst zu treffen. Für das Jahr 2009 sei somit auf die allgemeine Regelung durch den EBewA mit Beschluss vom 27.2.2009, Teil A Ziffer 4, abzustellen. Danach habe eine Praxisbesonderheit im Einzelfall auch bei einer Überschreitung des durchschnittlichen Fallwertes der Arztgruppe von unter 30 % festgestellt werden können; feste Grenzwerte seien nicht vorgegeben gewesen. Dem Kläger sei aus Sicherstellungsgründen ein Fallwertzuschlag aufgrund der höheren Anzahl von Leistungen im Bereich der Besuchs- und Visitentätigkeit bei Patienten zu Hause und in Pflegeheimen nach Ziffer 01410 EBM-Ä (Ansatzhäufigkeit 8,4 % Kläger, 3,8 % Erbringerpraxen der Fachgruppe), Ziffer 01413 EBM-Ä (8,3 % Kläger, 2,3 % Erbringerpraxen der Fachgruppe) und Ziffer 01415 EBM-Ä (2,0 % Kläger, 0,6 % Erbringerpraxen der Fachgruppe) zu gewähren. Er habe zudem einen überdurchschnittlichen Anteil der Versorgung von Patienten mit Kathetern nach Ziffer 02322 EBM-Ä (7,4 % Kläger, 5,9 % Erbringerpraxen der Fachgruppe), Ziffer 02323 EBM-Ä (16,7 % Kläger, 5,3 % Erbringerpraxen der Fachgruppe). Zudem bestehe ein Schwerpunkt bei der Abklärung von Fertilitätsstörungen nach Ziffer 32013 EBM-Ä (1,8 % Kläger, 0,8 % Erbringerpraxen der Fachgruppe). Richtigerweise könne es nur auf die Sicherstellung im Planungsbereich K. ankommen, sodass der Vergleich der Ansatzfrequenz noch deutlich höher zugunsten des Klägers ausfallen würde. Soweit das LSG ausführe, Besuchsleistungen seien nicht RLV-relevant, übersehe es, dass für die Anerkennung von Praxisbesonderheiten nicht nur auf Leistungen aus dem budgetierten Bereich abzustellen sei.

28

Ferner sei ihm das RLV für das Quartal II/2009 verspätet zugewiesen worden. Daher stehe ihm ein höheres RLV zu, das auf der Grundlage von Fallzahlen und Fallwerten aus vorangegangenen Quartalen zu berechnen sei.

29

Ferner halte er daran fest, dass die fehlende Umsetzung der Vorgaben in § 87b Abs 3 Satz 6 SGB V, wonach "Alter" und "Geschlecht" gleichwertig als Morbiditätskriterien nebeneinander stünden, rechtswidrig sei.

30

Der Kläger beantragt,
die Urteile des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 8.11.2016 (L 4 KA 40/14, L 4 KA 41/14, L 4 KA 42/14 und L 4 KA 43/14) aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen die Urteile des SG Kiel vom 12.2.2014 (S 16 KA 376/10, S 16 KA 1150/13, S 16 KA 1152/13 und S 16 KA 1153/13) zurückzuweisen.

31

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

32

Gesonderte Regelungen für das Wachstum unterdurchschnittlich abrechnender Altpraxen seien im Hinblick auf die Honorarverteilungssystematik entbehrlich, da jeder Arzt die Möglichkeit habe, durch Fallzahlerhöhungen innerhalb eines Zeitraumes von fünf Jahren den Durchschnitt der Fachgruppe zu erreichen. Für das vom Kläger darüber hinausgehend geltend gemachte Wachstum zum Durchschnittsüberschuss gebe es keine Grundlage. Hieran ändere auch die Überversorgung im Planungsbereich K. nichts. Das BSG habe stets betont, dass dem Vertragsarzt im Hinblick auf Berufsfreiheit und Honorarverteilungsgerechtigkeit die Chance bleiben müsse, durch Qualität und Attraktivität seiner Behandlung oder durch bessere Organisation seiner Praxis neue Patienten für sich zu gewinnen und so legitimer Weise seine Position im Wettbewerb mit den Berufskollegen zu verbessern. Das wirtschaftliche Risiko bleibe beim Vertragsarzt und es obliege auch nicht der KÄV, durch Honorarverteilungsregelungen regulierend in den Markt einzugreifen.

33

Hinsichtlich der Anerkennung von Praxisbesonderheiten sei in den HVV eine Regelung aufgenommen worden, die im Einklang mit dem insoweit maßgebenden Beschluss des EBewA vom 27.2.2009 stehe. Dass die Gesamtvertragspartner nicht von der dort eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht hätten, eine Regelung zur Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten bei einer Überschreitung des Fallwertes der Arztgruppe um weniger als 30 % zu treffen, sei nicht zu beanstanden.

34

Entgegen der Auffassung des LSG seien Praxisbesonderheiten nicht bereits bei der Zuweisung von RLV zu berücksichtigen. Die Gesamtvertragspartner hätten sich auf ein Antragsverfahren zur Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten in einem gesonderten Verwaltungsverfahren verständigt. Auch seien Zahlungsansprüche bei einer nachträglichen Erhöhung des RLV gemäß § 87b Abs 5 Satz 5 SGB V rückwirkend zu erfüllen. Wenn entsprechende Anträge nicht gestellt oder bestandskräftig abgelehnt worden seien, seien Praxisbesonderheiten oder Härtefallgesichtspunkte, für die ebenfalls ein Antragserfordernis bestehe, im Rahmen angefochtener Honorarabrechnungen folglich nicht zu prüfen. Es handele sich bei der isolierten Bescheidung von Anträgen auf Anerkennung von Praxisbesonderheiten bzw Härtefällen um die isoliert anfechtbare Festlegung von Bemessungsgrundlagen, die bei der Ermittlung des Honoraranspruchs heranzuziehen seien.

35

Der Senat hat die Verfahren B 6 KA 3/17 R, B 6 KA 4/17 R, B 6 KA 5/17 R und B 6 KA 6/17 R mit Beschluss vom 3.7.2017 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen B 6 KA 3/17 R verbunden.

Entscheidungsgründe

36

Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Die angefochtenen Bescheide waren im Wesentlichen nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuweisung eines höheren RLV bzw höheren Honorars für die Quartale I/2009 bis III/2009. Fehlerhaft war lediglich die Absenkung der RLV-Zuweisung für das Quartal IV/2009 von ursprünglich 12 478,78 Euro auf 12 370,64 Euro. Insoweit hat die Beklagte den Klageanspruch anerkannt.

37

1. Rechtsgrundlage der hier maßgebenden Regelungen zur Vergütung von Vertragsärzten ist § 87b Abs 1 Satz 1 SGB V in der vom 1.7.2008 bis 22.9.2011 geltenden und deshalb in den streitbefangenen Quartalen anzuwendenden Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes (GKV-WSG) vom 26.3.2007 (BGBl I 378; im Folgenden: aF). Danach wurden die vertragsärztlichen Leistungen ab dem 1.1.2009 von den KÄVen auf der Grundlage der regional geltenden Euro-Gebührenordnung nach § 87a Abs 2 SGB V vergütet. Dieser Vergütung lag die von den Krankenkassen mit befreiender Wirkung an die jeweilige KÄV zu zahlende Morbiditätsbedingte Gesamtvergütung (MGV) für die gesamte vertragsärztliche Versorgung der Versicherten mit Wohnort im Bezirk der KÄV (§ 87a Abs 3 Satz 1 SGB V) zugrunde. Nach § 87b Abs 2 Satz 1 SGB V in der genannten Fassung waren zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Arztes und der Arztpraxis arzt- und praxisbezogene RLV festzulegen. Ein RLV in diesem Sinne war nach § 87b Abs 2 Satz 2 SGB V aF die von einem Arzt oder der Arztpraxis in einem bestimmten Zeitraum abrechenbare Menge der vertragsärztlichen Leistungen, die mit den in der Euro-Gebührenordnung nach § 87a Abs 2 SGB V aF enthaltenen und für den Arzt oder die Arztpraxis geltenden Preisen zu vergüten war. Abweichend von § 87b Abs 1 Satz 1 SGB V war die das RLV überschreitende Leistungsmenge mit abgestaffelten Preisen zu vergüten(§ 87b Abs 2 Satz 3 Halbsatz 1 SGB V aF). Nach § 87b Abs 3 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V aF waren die Werte für die RLV nach § 87b Abs 2 SGB V aF morbiditätsgewichtet und differenziert nach Arztgruppen und nach Versorgungsgraden sowie unter Berücksichtigung der Besonderheiten kooperativer Versorgungsformen festzulegen. Die Morbidität nach Satz 1 war gemäß § 87b Abs 2 Satz 6 SGB V aF mit Hilfe der Morbiditätskriterien Alter und Geschlecht zu bestimmen. Die Aufgabe, bundeseinheitliche Vorgaben für die Honorarverteilung zu treffen, welche von den regionalen HVV-Partnern zu beachten waren, war dem BewA - zusätzlich zu seiner originären Kompetenz der Leistungsbewertung nach § 87 Abs 2 SGB V - übertragen worden(BSG Urteil vom 19.8.2015 - B 6 KA 34/14 R - BSGE 119, 231 = SozR 4-2500 § 87b Nr 7 RdNr 25 mwN). Nach § 87b Abs 4 Satz 1 SGB V aF hatte der BewA erstmalig bis zum 31.8.2008 das Verfahren zur Berechnung und zur Anpassung der RLV nach § 87b Abs 2 und 3 SGB V aF sowie Art und Umfang, das Verfahren und den Zeitpunkt der Übermittlung der dafür erforderlichen Daten zu bestimmen.

38

Seinem hierauf gründenden Regelungsauftrag ist der EBewA für den streitbefangenen Zeitraum durch den - in der Folge mehrfach geänderten - Beschluss nach § 87 Abs 4 SGB V in seiner 7. Sitzung am 27./28.8.2008 (DÄ 2008, A-1995) mit Wirkung vom 1.9.2008 nachgekommen. Nach Teil F Ziffer 1.2.1 des vorgenannten Beschlusses werden die RLV nach Maßgabe von Teil F Ziffern 2 und 3 für das jeweilige Abrechnungsquartal ermittelt. Den Rechenweg für die Bestimmung des arztindividuellen RLV hat der EBewA in der Anlage 2 zu Teil F Ziffer 1 des Beschlusses vom 27./28.8.2008 wie folgt vorgegeben: Zunächst ist anhand der im Beschluss festgelegten Berechnungsformel und auf der Grundlage des (angepassten) Vergütungsvolumens 2007 das "vorläufige RLV-Vergütungsvolumen" - getrennt nach hausärztlichem und fachärztlichem Versorgungsbereich - zu ermitteln und sodann aus diesem unter Vornahme vorgegebener Abzüge (insbesondere für abgestaffelte Leistungen, erwartete Zahlungen für Neupraxen, für Ärzte und Einrichtungen, die kein RLV erhalten, sowie der Vergütungen des Jahres 2007 für bestimmte Leistungen, im hausärztlichen Bereich auch für zu erwartende Zahlungen für Qualitätszuschläge) das jeweilige "RLV-Vergütungsvolumen" eines Versorgungsbereichs zu bilden (Ziffer 2). Gemäß der unter Teil F der Ziffer 3 vorgegebenen Formel ist anschließend der arztgruppenspezifische Anteil hieran zu berechnen, und gemäß Teil F der Ziffer 4 der arztgruppenspezifische Fallwert. Die Multiplikation dieses Fallwertes mit der Fallzahl des Arztes (Ziffer 5) sowie eine morbiditätsbezogene Differenzierung nach Altersklassen gemäß der unter Ziffer 6 aufgeführten Formel ergibt dann unter Anwendung der konkreten (regionalen) Berechnungsformel das arztindividuelle RLV. Vereinfacht dargestellt ergibt sich die Höhe des arzt- und praxisbezogenen RLV damit aus der Multiplikation der Fallzahl des Arztes im Vorjahresquartal mit dem arztgruppenspezifischen Fallwert. Ferner sollten die Partner der Gesamtverträge gemäß Teil F Ziffer 3.6 Regelungen für Praxisbesonderheiten und gemäß Ziffer 3.7 Regelungen als Ausgleich von überproportionalen Honorarverlusten schaffen.

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Der durch das Landesschiedsamt am 25.11.2008 für den Bezirk der beklagten KÄV festgesetzte HVV für die Honorierung vertragsärztlicher Leistungen im Jahr 2009 nimmt in Teil D Ziffer 1.2 für die Berechnung der RLV Bezug auf die Vorgaben der Beschlüsse des EBewA Teil F nebst Anlagen 1 und 2, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist.

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2. Die dargestellten gesetzlichen und untergesetzlichen Vorgaben hat die Beklagte bei der Festsetzung der RLV des Klägers zutreffend umgesetzt und dieses RLV in nicht zu beanstandender Weise der Bemessung des Honorars zugrunde gelegt. Anhaltspunkte für Fehler bezogen auf die Berechnung des RLV oder die Honorarberechnung sind auch unter Berücksichtigung des umfangreichen Vorbringens des Klägers nicht ersichtlich.

41

a) Entgegen der Auffassung des Klägers ist sein Honorar nicht deshalb fehlerhaft zu niedrig festgesetzt worden, weil die Vorgabe aus § 87b Abs 3 Satz 6 SGB V aF nicht umgesetzt worden wäre. Wie oben dargelegt, war die bei der Festlegung der RLV zu berücksichtigende Morbidität gemäß § 87b Abs 3 Satz 6 SGB V aF mit Hilfe der Morbiditätskriterien Alter und Geschlecht zu bestimmen. In seinem Beschluss vom 27./28.8.2008 hat der EBewA dazu unter Teil F Ziffer 3.2.2 festgestellt, dass das abgerechnete Volumen durch das Kriterium "Geschlecht" nicht signifikant beeinflusst wird. Dementsprechend konnte der EBewA die gesetzlichen Vorgaben nur umsetzen, indem er dem Geschlecht keinen Faktor oder - gleichbedeutend - den Faktor 1,0 zuordnet. Eine Vorgabe dahin, dass der BewA fiktiv von anderen als den tatsächlich bestehenden Verhältnissen auszugehen hätte, kann § 87b Abs 2 Satz 6 SGB V aF nicht entnommen werden (vgl bereits BSG Urteil vom 11.12.2013 - B 6 KA 4/13 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 5 RdNr 29).

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b) Auch die Konvergenzregelungen, die mit der Neugestaltung des Vergütungssystems zum 1.1.2009 eingeführt worden sind, verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Dabei kann offenbleiben, ob die vom BewA und von den Gesamtvertragspartnern getroffenen Regelungen zur Begrenzung überproportionaler Honorarverluste insgesamt rechtmäßig sind. Nach § 87b Abs 3 Satz 5 SGB V(idF des GKV-WSG vom 26.3.2007, BGBl I 378) können Anteile der Gesamtvergütung für die Bildung von Rückstellungen zur Berücksichtigung einer Zunahme von an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte, für Sicherstellungsaufgaben und zum Ausgleich von überproportionalen Honorarverlusten verwendet werden. Der EBewA hat in seiner 7. Sitzung am 27./28.8.2008 unter Teil F einen Beschluss zur Berechnung und zur Anpassung von arzt- und praxisbezogenen RLV nach § 87b Abs 2 und 3 SGB V aF gefasst(DÄ 2008, A-1988). In Teil F Ziffer 3.7 ermächtigte er die Partner der Gesamtverträge zu Ausgleichszahlungen im Fall von Honorarverlusten um mehr als 15 % gegenüber dem Vorjahresquartal, die durch die Umstellung der Mengensteuerung auf die neue Systematik oder dadurch begründet waren, dass extrabudgetäre Leistungen nicht fortgeführt worden waren. Mit Beschlüssen vom 15.1.2009 (DÄ 2009, A-308) und vom 27.2.2009 (DÄ 2009, A-574) machte der EBewA weitere Vorgaben zum Ausgleich überproportionaler Honorarverluste und übertrug den Gesamtvertragspartnern die nähere Ausgestaltung. Für Schleswig-Holstein vereinbarten die Vertragspartner des HVV eine Begrenzung der Verluste und Gewinne, wobei der Kläger von der Verlustbegrenzung auf maximal 7,5 % in den Quartalen I/2009 und II/2009 sowie auf maximal 9 % in den Quartalen III/2009 und IV/2009 profitierte. Allein im Quartal III/2009 blieb sein Honorarverlust unterhalb des Grenzwertes, sodass er keinen Konvergenzzuschlag erhalten hat. Ob die von den Gesamtvertragspartnern getroffene Regelung zur Begrenzung von Gewinnen mit höherrangigem Recht vereinbar ist (vgl zu dieser Problematik, allerdings bezogen auf eine abweichende Fallgestaltung: BSG Urteil vom 5.6.2013 - B 6 KA 47/12 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 3 RdNr 16 ff), kann unter diesen Umständen dahingestellt bleiben, weil sie auf den Kläger wegen der in allen streitgegenständlichen Quartalen eingetretenen Honorarverluste keine Anwendung gefunden hat.

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3. Der Umstand, dass der Kläger im Vergleich zu anderen im Bezirk der Beklagten niedergelassenen Urologen in erheblich unterdurchschnittlichem Umfang vertragsärztliche Leistungen abrechnet, begründet keinen Anspruch auf Erhöhung des RLV oder auf ein höheres Honorar. Der Vergütungsanspruch des Vertragsarztes ist grundsätzlich auf die angemessene und leistungsgerechte Teilhabe an der von den Krankenkassen an seine KÄV entrichteten MGV entsprechend Art und Umfang der von ihm erbrachten und abrechnungsfähigen Leistungen nach Maßgabe der geltenden Verteilungsregelungen begrenzt (vgl BSG Urteil vom 23.3.2011 - B 6 KA 6/10 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 63 RdNr 13, 25 mwN). Für eine Verpflichtung der Vertragspartner auf Bundesebene, die Kostenstrukturen kleinerer Praxen unabhängig von Fragen der Sicherstellung der Versorgung besonders zu berücksichtigen, gibt es keine Grundlage (zu Laborpraxen vgl BSG Urteil vom 11.10.2006 - B 6 KA 46/05 R - BSGE 97, 170 = SozR 4-2500 § 87 Nr 13, RdNr 37). Auch soweit der Kläger im Berufungsverfahren einen Mindestpunktwert begehrt hat, der zumindest die Ordinationsgebühr und die Leistung Sonografie abdecken müsse, besteht hierauf kein Anspruch. Wie der Senat bereits mit Urteil vom 11.12.2013 (B 6 KA 6/13 R - SozR 4-2500 § 87 Nr 29) entschieden hat, ist eine KÄV nicht verpflichtet, das RLV eines Vertragsarztes so zu bemessen, dass die wesentlichen Leistungen seines Fachgebiets rechnerisch in jedem Behandlungsfall mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung vergütet werden.

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4. Der Kläger wird durch die im Bezirk der beklagten KÄV geltenden Regelungen auch nicht rechtswidrig in seinen Wachstumsmöglichkeiten eingeschränkt. Nach ständiger Rechtsprechung müssen umsatzmäßig unterdurchschnittliche Praxen allerdings die Möglichkeit haben, durch Erhöhung der Zahl der von ihnen behandelten Patienten den durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe zu erreichen (vgl zB BSG Urteil vom 28.1.2009 - B 6 KA 5/08 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 45 RdNr 24 ff; BSG Urteil vom 21.10.1998 - B 6 KA 71/97 R - BSGE 83, 52, 59 = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 208 f; BSG Urteil vom 10.12.2003 - B 6 KA 54/02 R - BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5, RdNr 19 mwN). Der Vertragsarzt muss die Chance haben, durch Qualität und Attraktivität seiner Behandlung oder auch durch eine bessere Organisation seiner Praxis neue Patienten für sich zu gewinnen und so legitimer Weise seine Position im Wettbewerb mit den Berufskollegen zu verbessern (stRspr, vgl BSG Urteil vom 5.6.2013 - B 6 KA 32/12 R - BSGE 113, 298 = SozR 4-2500 § 85 Nr76, RdNr 49; BSG Urteil vom 17.7.2013 - B 6 KA 44/12 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 2 RdNr 17; BSG Urteil vom 28.1.2009 - B 6 KA 5/08 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 45 RdNr 24; BSG Urteil vom 3.2.2010 - B 6 KA 1/09 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 50 RdNr 14; BSG Urteil vom 17.2.2016 - B 6 KA 4/15 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 85 RdNr 34). Die Wachstumsmöglichkeiten dürfen sich nicht auf Praxen in der Aufbauphase beschränken, sondern sind auch auf bereits etablierte Praxen mit unterdurchschnittlichem Umsatz zu beziehen (vgl BSG Urteil vom 17.2.2016 - B 6 KA 4/15 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 85 RdNr 34; BSG Urteil vom 28.1.2009 - B 6 KA 5/08 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 45 RdNr 25 mwN). Während Praxen in der Aufbauphase ein sofortiges Wachstum auf den Fachgruppendurchschnitt möglich sein muss, ist es bezogen auf andere unterdurchschnittlich abrechnende Praxen ausreichend, wenn der Fachgruppendurchschnitt binnen fünf Jahren erreicht werden kann (BSG Urteil vom 28.1.2009 - B 6 KA 5/08 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 45 RdNr 29 mwN).

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Diesen Vorgaben werden die in Teil F des Beschlusses des EBewA vom 27./28.8.2008 und im HVV der Beklagten getroffenen Regelungen zur Wachstumsmöglichkeit von Praxen gerecht:

a) Nach Teil F Ziffer 3.5 des og Beschlusses des EBewA beschließen die Partner der Gesamtverträge für Neuzulassungen von Vertragsärzten und Umwandlung der Kooperationsform Anfangs- und Übergangsregelungen. Über das Verfahren der Umsetzung einigen sich die Gesamtvertragspartner. Der für den Bezirk der beklagten KÄV durch das Landesschiedsamt am 25.11.2008 festgesetzte, durch Ziffer 3 der 1. Ergänzungsvereinbarung vom 12.2.2009 neu gefasste Teil D Ziffer 2.1 HVV enthält eine entsprechende Sonderregelung für Praxen in der Wachstumsphase, die innerhalb des abzurechnenden Quartals weniger als fünf Jahre niedergelassen sind und deren RLV-relevante Fallzahl unterdurchschnittlich ist. Diesen Ärzten werden die Leistungen bis zu einer individuellen Obergrenze aus individueller Fallzahl bis maximal zur durchschnittlichen Fallzahl der Arztgruppe und RLV-Fallwert der Arztgruppe nach der Euro-Gebührenordnung vergütet.

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Auf den Kläger findet diese für Praxen in der Aufbauphase geschaffene Regelung keine Anwendung, da er seine vertragsärztliche Praxis in den streitgegenständlichen Quartalen bereits seit mehr als fünf Jahren geführt hatte. Die Praxis des Klägers ist somit keine Aufbaupraxis, sondern eine sonstige unterdurchschnittlich abrechnende Praxis. Sein Honorar lag in den hier maßgebenden Quartalen nur wenig über der Hälfte des Fachgruppendurchschnitts. So erzielte er im Quartal I/2009 ein Honorar in Höhe von 27 414,58 Euro, während der Fachgruppendurchschnitt bei 52 376,48 Euro lag. Vergleichbare Verhältnisse bestanden in den Quartalen II/2009 bis IV/2009.

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Damit ist es grundsätzlich ausreichend, dass er die Möglichkeit hat, den Fachgruppendurchschnitt innerhalb von fünf Jahren zu erreichen. Diesen Anforderungen werden die hier maßgebenden Vorschriften zur Honorarverteilung gerecht, ohne dass es dazu einer Sonderregelung bedarf. Die og Anforderungen zu den Wachstumsmöglichkeiten kleiner Praxen gelten unabhängig von der Ausgestaltung der Honorarverteilung und der Art der Begrenzungsregelung (BSG Urteil vom 3.2.2010 - B 6 KA 1/09 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 50 RdNr 16) und damit auch für die Festlegung von RLV (BSG Urteil vom 5.6.2013 - B 6 KA 32/12 R - BSGE 113, 298 = SozR 4-2500 § 85 Nr 76, RdNr 50). Anders als etwa bei Individualbudgets, die an das Honorar einer Praxis in einem vorangegangenen Abrechnungsquartal anknüpfen, kann der Arzt sein Budget unter Geltung der RLV durch eine Erhöhung seiner Fallzahl bis zum Durchschnitt der Fachgruppe und auch darüber hinaus steigern. Da das RLV des einzelnen Arztes nach Anlage 2 Nr 5 des Beschlusses vom 27/28.8.2008 im Grundsatz durch die Multiplikation des arztgruppenspezifischen Fallwertes mit der Fallzahl des Arztes im Vorjahresquartal berechnet wird, führt eine Erhöhung der Fallzahl zu einer entsprechenden Erhöhung des RLV im entsprechenden Quartal des Folgejahres. Der Umstand, dass sich eine Erhöhung der Fallzahlen nicht im aktuellen Quartal, sondern jeweils erst im entsprechenden Quartal des Folgejahres in Form einer Erhöhung des RLV auswirkt, ist nicht zu beanstanden. Ausschlaggebend ist, dass der Fachgruppendurchschnitt auch unter Berücksichtigung eines solchen "Moratoriums" innerhalb von fünf Jahren realistisch und in effektiver Weise erreicht werden kann (BSG Urteil vom 28.1.2009 - B 6 KA 5/08 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 45 RdNr 32 f; vgl BSG Urteil vom 17.7.2013 - B 6 KA 44/12 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 2 RdNr 39, 41). Das ist hier der Fall. Der Kläger hat eine Erhöhung des RLV nur deshalb nicht erreicht, weil er seine Patientenzahlen - nach seinen Darlegungen aufgrund der Konkurrenzsituation (vgl dazu nachfolgend c), RdNr 51 ff) - tatsächlich nicht wesentlich steigern konnte.

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b) Soweit der Senat in einer Entscheidung vom 28.1.2009 (B 6 KA 5/08 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 45 RdNr 27) erwogen hat, ob eine Steigerungsmöglichkeit auch in der Form gewährt werden kann oder muss, dass anstelle eines Fallzahlzuwachses (oder zumindest gleichberechtigt daneben) auch Fallwertsteigerungen zu berücksichtigen sind, hat er in einer Entscheidung vom 17.2.2016 (B 6 KA 4/15 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 85 RdNr 35; vgl auch BSG Beschluss vom 28.6.2017 - B 6 KA 89/16 B - RdNr 9; Clemens in Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, 3. Aufl 2013, Kap 13 RdNr 268; Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand 10/2016, K § 85 RdNr 256g) klargestellt, dass eine solche Verpflichtung nur in besonderen Fallkonstellationen in Betracht kommen kann, etwa im Zusammenhang mit einer Änderung der Praxisausrichtung. Dafür gibt es hier keine Anhaltspunkte. Neben der Fallzahl lag auch der Fallwert der klägerischen Praxis im hier maßgebenden Zeitraum unter dem Durchschnitt der Fachgruppe.

49

Der Kläger möchte eine Leistungsmengensteigerung und eine Steigerung seines individuellen Fallwertes belegen, indem er seinen arztindividuellen Fallwert, den er durch Division der eigenen Honorarforderung im RLV-Bereich durch die eigene RLV-relevante Fallzahl berechnet, mit dem arztgruppenspezifischen RLV-Fallwert seiner Arztgruppe vergleicht. Der arztgruppenspezifische Fallwert spiegelt aber nicht das tatsächliche Leistungsgeschehen in der Arztgruppe im Durchschnitt wieder, sondern ist Ergebnis der vom EBewA in Anlage 2 Nr 4 zum Beschluss vom 27./28.8.2008 vorgegebenen Rechenoperation. Eine Fallwertüberschreitung im Verhältnis zum durchschnittlichen Gruppenfallwert liegt beim Kläger nach den gemäß § 163 SGG für den Senat bindenden Feststellungen des LSG nicht vor. Gesichtspunkte, die Anlass geben könnten, an deren Richtigkeit zu zweifeln, kann der Senat auch dem Vorbringen des Klägers nicht entnehmen. Danach hat der Kläger den Gruppenfallwert in allen vier Quartalen des Jahres 2008, die Grundlage für die Ermittlung des RLV im Jahr 2009 waren, unterschritten.

50

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass einer mit höheren Fallwerten verbundenen besonderen Praxisausrichtung nach dem Beschluss des EBewA vom 27./28.8.2008 sowie dem für den Bezirk der Beklagten vereinbarten HVV, ua durch die Möglichkeit zur Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten Rechnung zu tragen war. Dass der Kläger von diesen Regelungen nicht profitiert, ist darauf zurückzuführen, dass keine im vorliegenden Zusammenhang maßgebenden Praxisbesonderheiten vorliegen (vgl dazu nachfolgend 5.b), RdNr 59 ff).

51

c) Im Übrigen macht der Kläger nicht in erster Linie geltend, dass er an einem Wachstum gerade durch die Regelungen zur Honorarverteilung gehindert würde, sondern dass er den Umfang seiner Tätigkeit aufgrund einer zunehmenden Überversorgung mit Urologen in dem Planungsbereich, in dem er seinen Sitz hat, nicht wesentlich habe steigern können.

52

Zutreffend ist, dass der Kläger weder seine Fallzahlen noch seinen Fallwert nennenswert gesteigert hat. Soweit der Kläger dabei einen Zusammenhang mit - aus seiner Sicht ungerechtfertigten - Sonderbedarfszulassungen herstellt, ist schon nicht deutlich geworden, ob solche in den letzten Jahren in seinem Planungsbereich (Stadt K.) erteilt worden sind. Der Hinweis auf eine aktuelle Sonderbedarfszulassung eines Urologen in N. geht an der Sache vorbei. Wenn in dem Planungsbereich N. trotz genereller Überversorgung für die Stadt N. ein Versorgungsdefizit bestehen sollte, läge auf der Hand, dass eine Sonderbedarfszulassung dort nicht mit der Begründung abgelehnt werden kann, in der 35 km entfernten Stadt K. stünden mehrere unterdurchschnittlich ausgelastete urologische Praxen zur Verfügung, die Patienten aus N. übernehmen könnten.

53

Feststellungen zu der Frage, ob sich der Grad der Überversorgung in dem Planungsbereich tatsächlich in den letzten Jahren erhöht hat, hat das LSG nicht getroffen und auf der Grundlage der vom LSG getroffenen Feststellungen kann auch nicht beurteilt werden, ob etwaige Entscheidungen der Zulassungsgremien rechtmäßig sind. Darauf kommt es für die vorliegende Entscheidung indes nicht an. Selbst wenn dem Kläger durch die Zulassung weiterer Vertragsärzte wirtschaftliche Nachteile entstanden sein sollten, wäre die Beklagte nicht verpflichtet, dies durch Gewährung zusätzlichen Honorars auszugleichen. Es existieren weder gesetzliche noch verfassungsrechtliche Bestimmungen, die es gebieten würden, die fehlende Auslastung einer Praxis aufgrund geringer Patientenzahlen und daraus folgende geringe Honorarforderungen - losgelöst von Fragen der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung oder von einzelfallbezogenen Härten - durch Ausgleichsregelungen bei der Honorarverteilung dauerhaft zu kompensieren. Ein subjektives Recht auf Ausgleich der durch die Konkurrenz bedingten Einkommenseinbußen gibt es nicht, und auch Grundrechte gewähren kein Recht auf Fernhaltung von Konkurrenz (BSG Urteil vom 7.2.2007 - B 6 KA 8/06 R - BSGE 98, 98 = SozR 4-1500 § 54 Nr 10, RdNr 23).

54

Wie das BSG bereits im Zusammenhang mit der Anfechtungsbefugnis bei Konkurrentenklagen entschieden hat, dienen die Vorschriften zur Bedarfsplanung nicht dem Schutz der wirtschaftlichen Interessen der bereits niedergelassenen Vertragsärzte, sondern der Sicherung der Leistungsfähigkeit und der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung als Gemeinwohlaufgabe (BSG Urteil vom 7.2.2007 - B 6 KA 8/06 R - BSGE 98, 98 = SozR 4-1500 § 54 Nr 10, RdNr 16, 21; vgl auch BVerfG Beschluss vom 27.4.2001 - 1 BvR 1282/99 - MedR 2001, 639 RdNr 9). Auch das Grundgesetz garantiert umfassenden Rechtsschutz nur unter der Voraussetzung, dass die Verletzung einer Rechtsposition geltend gemacht wird, die die Rechtsordnung im Interesse des Einzelnen gewährt. Welches Recht der Einzelne danach geltend machen kann, bestimmt sich - abgesehen von Grundrechten und sonstigen verfassungsmäßigen Rechten - nach den Regelungen des einfachen Rechts (BVerfG Beschluss vom 23.5.2006 - 1 BvR 2530/04 - BVerfGE 116, 1, 11; BVerfG Beschluss vom 9.1.1991 - 1 BvR 207/87 - BVerfGE 83, 182 f, jeweils mwN).

55

Wenn die wirtschaftlichen Interessen des Klägers dagegen nicht durch die Erteilung regulärer Zulassungen, sondern durch Sonderbedarfszulassungen oder Ermächtigungen wesentlich beeinträchtigt worden sein sollten, hätte er wegen des Vorrangs seiner Zulassung grundsätzlich die Möglichkeit gehabt, mit Widerspruch und Klage gegen die Entscheidung der Zulassungsgremien vorzugehen, um rechtswidrige Entscheidungen zu verhindern (vgl BVerfG Beschluss vom 17.8.2004 - 1 BvR 378/00 - SozR 4-1500 § 54 Nr 4). Die zur Verwirklichung des Grundrechts aus Art 12 Abs 1 GG erforderliche angemessene Verfahrensgestaltung ist damit gewährleistet. Soweit subjektive Rechte des Klägers durch Zulassungsentscheidungen nicht verletzt werden, er von der Möglichkeit, gegen rechtswidrige Zulassungsentscheidungen vorzugehen keinen Gebrauch macht oder sich die Entscheidung der Zulassungsgremien als rechtmäßig erweist, hat er keine rechtlichen Möglichkeiten, gegen die dadurch möglicherweise bedingten Einkommenseinbußen vorzugehen. Vielmehr muss er sich darum bemühen, die Auslastung seiner Praxis etwa durch ein besonders attraktives Angebot (bezogen auf Praxisausstattung, Praxisorganisation, Öffnungszeiten, ua) zu steigern und dadurch seine Position im Wettbewerb mit anderen zugelassenen Vertragsärzten zu verbessern. Zwar findet die Berufsausübung des Vertragsarztes in einem staatlich regulierten Markt statt (BVerfG Beschluss vom 17.8.2004 - 1 BvR 378/00 - SozR 4-1500 § 54 Nr 4 RdNr 24; BVerfG Urteil vom 20.3.2001 - 1 BvR 491/96 - BVerfGE 103, 172, 185 ff = SozR 3-5520 § 25 Nr 4) und das System der Bedarfsplanung bedingt - auch wenn darin nicht das primäre Ziel liegt -, dass dieser nicht in gleichem Maße wie andere freiberuflich tätige Berufsgruppen der Konkurrenz ausgesetzt ist (vgl BVerfG Beschluss vom 17.8.2004 - 1 BvR 378/00 - SozR 4-1500 § 54 Nr 4 RdNr 21). Andererseits ist auch die Tätigkeit des Vertragsarztes durch ein erhebliches Maß an Handlungsfreiheit in beruflicher und persönlicher Hinsicht geprägt. Dementsprechend bestimmt § 32 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV, dass der Vertragsarzt seine Tätigkeit persönlich in freier Praxis auszuüben hat(vgl BSG Urteil vom 30.11.2016 - B 6 KA 38/15 R - BSGE (vorgesehen) = SozR 4-2500 § 75 Nr 18, RdNr 102). Kennzeichnend für die freiberufliche Tätigkeit des Vertragsarztes ist, dass er das wirtschaftliche Risiko der Praxis trägt (BSG Urteil vom 23.6.2010 - B 6 KA 7/09 R - BSGE 106, 222 = SozR 4-5520 § 32 Nr 4, RdNr 37 f). Dies verkennt der Kläger, wenn er geltend macht, dass es ihm gerade wegen der unbefriedigenden Erlössituation nicht möglich sei, die Attraktivität seiner Praxis etwa durch weitere Investitionen in die Praxisausstattung zu steigern und dass die dadurch bedingten Einkommenseinbußen durch besondere Regelungen zum Honoraranspruch kleiner Praxen kompensiert werden müssten. Auch wenn es dem Kläger ohne eigenes Verschulden nicht gelingt, die Attraktivität seiner Praxis zu steigern und dadurch die Fallzahlen zu erhöhen, gibt es keine Verpflichtung der beklagten KÄV, dies durch eine entsprechende Ausgestaltung des Honorarsystems zu kompensieren. Der BewA sowie die Partner des HVV dürften nicht einmal berechtigt gewesen sein, Regelungen zu treffen, mit denen kleine Praxen mit niedrigen Patientenzahlen unabhängig von Sicherstellungserfordernissen dauerhaft gestützt werden, weil dies mit dem gesetzlich vorgegebenen System der RLV grundsätzlich nicht zu vereinbaren ist (für den hier maßgebenden Zeitraum des Jahres 2009 vgl BSG Urteil vom 5.6.2013 - B 6 KA 47/12 R - zu der für Abrechnungszeiträume bis zum 31.12.2008 maßgebenden Rechtslage vgl bereits BSG Urteil vom 18.8.2010 - B 6 KA 27/09 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 58 RdNr 38 ff; BSG Urteil vom 6.2.2013 - B 6 KA 13/12 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 73). Darauf kommt es hier indes nicht an; entscheidend ist, dass jedenfalls keine entsprechende Verpflichtung des Gesetzgebers oder der untergesetzlichen Normgeber bestand.

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5. Der Kläger kann auch nicht aufgrund von Praxisbesonderheiten oder aufgrund einer Härteklausel ein höheres RLV bzw ein höheres Honorar beanspruchen. Der Senat ist zwar nicht an einer inhaltlichen Prüfung gehindert (a). Praxisbesonderheiten (b) oder ein Härtefall (c) liegen jedoch nicht vor.

57

a) Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klage bezogen auf die geltend gemachten Praxisbesonderheiten und die Härtefallentscheidung in den Quartalen III/2009 und IV/2009 nicht bereits deshalb als unzulässig abzuweisen ist, weil es an entsprechenden Verwaltungsentscheidungen fehlen würde. Die Beklagte hat in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid im Zusammenhang mit der Frage der Rechtmäßigkeit der RLV-Zuweisung und der Honorarhöhe auch zu der Frage Stellung genommen, ob Praxisbesonderheiten oder ein Härtefall vorliegen. Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Widerspruchsbescheid auch nicht mit der Begründung als teilweise fehlerhaft anzusehen, dass es insoweit an einem Ausgangsbescheid fehlen würde (zu einer solchen Konstellation vgl BSG Urteil vom 18.1.2011 - B 2 U 15/10 R - SGb 2012, 178 RdNr 13; BSG Urteil vom 30.3.2004 - B 4 RA 48/01 R - Juris RdNr 14 f). Die Beklagte durfte die Frage, ob das RLV bzw das Honorar aufgrund von Praxisbesonderheiten oder eines Härtefalles zu erhöhen war, zum Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens machen, obwohl im Ausgangsbescheid zu dieser Frage nicht ausdrücklich Stellung genommen wird und obwohl gesonderte Entscheidungen dazu im laufenden Widerspruchsverfahren allein bezogen auf die Quartale I/2009 und II/2009 ergangen sind.

58

Dem steht nicht die Rechtsprechung des Senats entgegen, nach der die Zuweisung des RLV ebenso wie andere Bemessungsgrundlagen für die Honorarfestsetzung gesondert durch Bescheid festgestellt werden können (vgl BSG Urteil vom 15.8.2012 - B 6 KA 38/11 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 1 RdNr 10 mwN). Aus dem Umstand, dass die Möglichkeit zur Klärung von Bemessungsgrundlagen in einem gesonderten Verwaltungsverfahren besteht, kann nicht geschlossen werden, dass die Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren in jedem Fall getrennt geführt werden müssten. Das gilt auch für die Entscheidung über das Vorliegen eines Härtefalles (aA Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand 10/2016, § 85 RdNr 257j, § 87b RdNr 114). Zwar ist der Senat in einem Urteil vom 9.12.2004 (B 6 KA 44/03 R - BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2 RdNr 16; vgl auch BSG Urteil vom 8.2.2006 - B 6 KA 25/05 R - BSGE 96, 53 = SozR 4-2500 § 85 Nr 23 RdNr 39) davon ausgegangen, dass ein gesonderter Bescheid, der das Vorliegen eines Härtefalles zum Gegenstand hat, nicht nach § 86 SGG Gegenstand des Verwaltungsverfahrens oder nach § 96 SGG Gegenstand des Gerichtsverfahrens wird, das die Rechtmäßigkeit eines Honorarbescheides zum Gegenstand hat. Die Besonderheit dieses Falles bestand jedoch darin, dass der Honorarverteilungsmaßstab eine Entscheidung über den Härtefall auf gesonderten Antrag vorsah und dass bei Vorliegen eines Härtefalles "Sonderzahlungen" geleistet wurden, über die nach dem dort maßgebenden HVM erst nach der Entscheidung über den Honoraranspruch entschieden werden konnte. Vorliegend hat die Beklagte dagegen nach Ziffer 5.4.1 der 1. Ergänzungsvereinbarung vom 12.2.2009 zu dem für Schleswig-Holstein vereinbarten HVV antragsunabhängig über das Vorliegen eines Härtefalles zu entscheiden. Die Anerkennung von Praxisbesonderheiten erfolgt nach Ziffer 5.4.2 der 1. Ergänzungsvereinbarung zwar antragsabhängig. Ausschlaggebend ist indes, dass die Anerkennung eines Härtefalles - ebenso wie die Anerkennung von Praxisbesonderheiten - keinen Anspruch auf eine Sonderzahlung auslöst, sondern dass es sich dabei um einen von mehreren Faktoren handelt, die Bedeutung für die Höhe des RLV bzw des Honoraranspruchs haben. Da die Höhe des RLV bzw des Honoraranspruchs Gegenstand der Ausgangsbescheide ist, hat die Beklagte die Möglichkeit auch die - hier vom Kläger bereits in der Widerspruchsbegründung ausdrücklich angesprochenen - Fragen zum Vorliegen von Praxisbesonderheiten und eines Härtefalles zum Gegenstand des Widerspruchsbescheides zu machen. Für eine solche Entscheidung ist nach der Verfassung der KÄV deren Vorstand zuständig.

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b) Die Entscheidung der Beklagten, bei Festsetzung des RLV des Klägers keine Praxisbesonderheiten zu berücksichtigen, ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden.

60

Nach § 87b Abs 3 Satz 3 SGB V aF sind "Praxisbesonderheiten"(zum Begriff im Rahmen der Honorarverteilung vgl BSG Urteil vom 22.6.2005 - B 6 KA 80/03 R - SozR 4-2500 § 87 Nr 10 RdNr 35) zu berücksichtigen, soweit Veranlassung dazu besteht. Das Verfahren zur Berechnung und zur Anpassung der RLV nach § 87b Abs 2 und 3 SGB V aF - und damit auch zur Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten nach Abs 3 Satz 3 - bestimmt nach § 87b Abs 4 Satz 1 SGB V aF erstmalig zum 31.8.2008 der Bewertungsausschuss. In Umsetzung dieser Vorgabe bestimmt Teil F Ziffer 3.6 Sätze 1 bis 3 des Beschlusses vom 27./28.8.2008, dass Praxisbesonderheiten zwischen den Partnern der Gesamtverträge geregelt werden. Praxisbesonderheiten ergeben sich aus einem besonderen Versorgungsauftrag oder einer besonderen, für die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung, wenn zusätzlich eine aus den Praxisbesonderheiten resultierende Überschreitung des durchschnittlichen Fallwertes der Arztgruppe von mindestens 30 % vorliegt. Über das Verfahren der Umsetzung einigen sich die Partner der Gesamtverträge. Nach Teil A Ziffer 4 des Beschlusses des EBewA aus seiner 10. Sitzung vom 27.2.2009 (DÄ 2009, A-574 f) können die Partner der Gesamtverträge aus Gründen der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung abweichend von diesem Grenzwert (Überschreitung des durchschnittlichen Fallwertes der Arztgruppe in Höhe von mindestens 30 %) im Einzelfall eine Praxisbesonderheit feststellen, obwohl die so vorgegebene Überschreitung nicht vorliegt.

61

Von der Möglichkeit zu einer solchen abweichenden Feststellung haben die Gesamtvertragspartner in Schleswig-Holstein keinen Gebrauch gemacht, sodass es bei der durch den BewA festgelegten Grenze der Überschreitung des Fallwertes der Arztgruppe um mindestens 30 % bleibt. Zur weiteren Umsetzung haben sie in der 1. Ergänzungsvereinbarung vom 12.2.2009 zu dem vom Landesschiedsamt am 25.11.2008 festgesetzten HVV mWv 1.1.2009 unter Ziffer 5.4.2 vereinbart, dass der Arzt für Praxisbesonderheiten Zuschläge auf den durchschnittlichen Fallwert der Arztgruppe beantragen kann. Der Antrag soll die Leistungen unter Angabe der EBM-Ziffern benennen, in denen sich die Praxisbesonderheit ausdrückt. Praxisbesonderheiten können sich aus einem besonderen Versorgungsauftrag oder einer besonderen, für die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung ergeben, wenn zusätzlich eine aus den Praxisbesonderheiten resultierende Überschreitung des durchschnittlichen Fallwertes der Arztgruppe von mindestens 30 % vorliegt. Unter Ziffer 6 der 1. Ergänzungsvereinbarung ist für das Jahr 2009 zudem geregelt, dass der Vorstand der Beklagten die Grundsatzentscheidungen über die Anerkennung von Praxisbesonderheiten, über Ausgleichszahlungen bei überproportionalen Honorarverlusten sowie über Ausnahmen von der Abstaffelungsregelung trifft. Dazu hat der Vorstand der Beklagten einen Beschluss vom 4.2.2009 getroffen, in dem bestimmt wird, dass als Eingangskriterium zur Prüfung von Praxisbesonderheiten eine Mindestüberschreitung des durchschnittlichen RLV-Fallwertes in Punkten um mindestens 30 % gilt. Sofern zusätzlich ein Gesamthonorarverlust der Praxis bei gleicher Leistungserbringung um mindestens 5 % gegenüber dem Vorjahresquartal prognostiziert ist, können Fallwertzuschläge beschlossen werden. Sobald diese Voraussetzungen vorliegen, werden die geltend gemachten Praxisbesonderheiten überprüft. Diese berechnen sich aus der Bewertung der Praxisbesonderheit in EBM-Punkten multipliziert mit dem Orientierungswert.

62

Der Anerkennung von Praxisbesonderheiten steht danach bereits entgegen, dass der Fallwert des Klägers den Durchschnitt der Fachgruppe nach den Feststellungen des LSG, an die der Senat gemäß § 163 SGG gebunden ist, in den hier maßgebenden Quartalen nicht überschreitet. Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner Auseinandersetzung mit der von dem Kläger aufgeworfenen Frage, ob die Grenzziehung bei einer Überschreitung des Gruppenfallwertes um mindestens 30 % rechtmäßig ist und ob die Anerkennung von Praxisbesonderheiten entsprechend dem og Vorstandsbeschluss davon abhängig gemacht werden darf, dass zusätzlich ein Gesamthonorarverlust der Praxis bei gleicher Leistungserbringung um mindestens 5 % gegenüber dem Vorjahresquartal zu prognostizieren ist. Es liegt auf der Hand, dass eine Anhebung des RLV aufgrund von Praxisbesonderheiten jedenfalls ausgeschlossen ist, wenn der Arzt den durchschnittlichen Fallwert der Fachgruppe - wie hier - nicht überschreitet, sondern dahinter zurückbleibt.

63

c) Der Kläger kann schließlich auch nicht unter Härtegesichtspunkten ein höheres Honorar beanspruchen.

64

Der für den Bezirk der Beklagten durch das Landesschiedsamt am 25.11.2008 festgesetzte HVV bestimmte in der Fassung der 1. Ergänzungsvereinbarung vom 12.2.2009 unter Teil D Ziffer 4.1, dass eine Praxis insbesondere dann als Härtefall gilt, wenn eine unangemessene Auswirkung der Abstaffelungsregelung bei Bildung der RLV je Arzt vorliegt, oder wenn das Gesamthonorar je Arzt mindestens 15 % gegenüber dem Vorjahreswert gefallen ist und die Einbuße auf einer Inhomogenität gegenüber der RLV-Gruppenbildung beruht.

65

Eine Reduzierung des Gesamthonorars um mindestens 15 % ist bei dem Kläger bereits aufgrund der og Konvergenzregelungen nicht eingetreten, die die Verluste in den Quartalen I/2009 und II/2009 auf maximal 7,5 % und in den Quartalen III/2009 und IV/2009 auf maximal 9 % begrenzen. Damit werden existenzbedrohende Honorarminderungen ausgeschlossen. Dass es erforderlich sein könnte, das RLV des Klägers aus Gründen der Sicherstellung zu erhöhen, steht ebenfalls nicht in Frage. Soweit der Kläger eine spezielle Ausrichtung seiner Praxis unter Hinweis auf erbrachte Allgemeine Laboruntersuchungen nach Ziffer 32013 EBM-Ä (Diagnostik und Therapie von Fertilitätsstörungen) geltend macht, steht einer Berücksichtigung nicht nur der geringe Anteil der Behandlungsfälle, in denen er diese Leistung abgerechnet hat, sondern auch der Umstand entgegen, dass diese nach Teil F Ziffer 2.2 iVm Anlage 2 Nr 2 Buchst b zu Teil F des Beschlusses des EBewA vom 27./28.8.2008 (DÄ 2008, A-1988), geändert durch Teil A Ziffer 9 Nr 2b des Beschlusses vom 20.4.2009 (DÄ 2009, A-942) nicht dem RLV unterlagen, sodass deren Erbringung von vornherein keine Erhöhung des RLV rechtfertigen kann. Weitere vom Kläger zur Begründung eines Härtefalles angeführte Leistungen betreffen arztgruppenübergreifende allgemeine Gebührenordnungspositionen. Der Kläger verweist indes selbst auf eine erhebliche Überversorgung mit Urologen im Planungsbereich seiner Niederlassung, und es gibt auch unter Berücksichtigung seines Vorbringens keine Anhaltspunkte dafür, dass er Leistungen erbringen würde, die von anderen Vertragsärzten nicht in ausreichendem Umfang erbracht werden. Auch gibt es keine konkreten Hinweise für eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz der Praxis oder für gravierende Verwerfungen der regionalen Versorgungsstruktur. Unter diesen Umständen liegt der nach ständiger Rechtsprechung (vgl BSG Urteil vom 15.7.2015 - B 6 KA 28/14 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 84 RdNr 26 mwN; BSG Urteil vom 8.2.2012 - B 6 KA 14/11 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 69 RdNr 25; BSG Urteil vom 29.6.2011 - B 6 KA 17/10 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 66 RdNr 29) als Voraussetzung für einen Härtefall zu fordernde unabweisbare Stützungsbedarf eindeutig nicht vor.

66

6. Die RLV-Zuweisungsbescheide für Quartale des Jahres 2009 sind auch nicht deshalb rechtswidrig, weil dem Kläger das RLV nicht spätestens vier Wochen vor Beginn des Geltungszeitraums des RLV zugewiesen worden ist und eine Zuweisung des RLV nach Ablauf der Frist hat auch nicht zur Folge, dass die RLV-Zuweisungen aus dem Vorquartal nach § 87b Abs 5 Satz 4 SGB V aF fortgelten würde.

67

§ 87b Abs 5 Satz 1 SGB V aF bestimmt, dass die KÄV dem Arzt das RLV spätestens vier Wochen vor Beginn der Geltungsdauer des RLV zuzuweisen hat. Diese Frist ist bei keiner der streitgegenständlichen RLV-Zuweisungen gewahrt: Die Zuweisung des RLV für das Quartal I/2009 erfolgte mit Schreiben vom 19.12.2008, für das Quartal II/2009 mit Schreiben vom 25.3.2009, für das Quartal III/2009 mit Schreiben vom 4.6.2009 und für das Quartal IV/2009 mit Schreiben vom 28.9.2009. Wie der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 15.8.2012 (BSG Urteil - B 6 KA 38/11 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 1 RdNr 18 ff, 26) im Einzelnen dargelegt hat, handelt es sich bei der genannten Vier-Wochen-Frist jedoch um eine bloße Ordnungsfrist. § 87b Abs 5 Satz 4 SGB V aF regelt die Folgen einer nicht rechtzeitigen Zuweisung von RLV (in Gestalt einer vorläufigen Fortgeltung des RLV aus dem Vorquartal), ohne dabei an die Vier-Wochen-Frist des Satzes 1 anzuknüpfen. Rechtzeitig wird in § 87b Abs 5 Satz 4 SGB V aF vielmehr mit "vor Beginn des Geltungszeitraums" gleichgesetzt. Da die RLV für die vier Quartale des Jahres 2009 hier jeweils vor Beginn des Geltungszeitraums zugewiesen wurden, ist die Zuweisung "rechtzeitig" im Sinne dieser Vorschrift erfolgt. Im Quartal II/2009 ist der Kläger durch die Korrektur mit Bescheid vom 7.5.2009 begünstigt worden.

68

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach hat der Kläger die Kosten des unter dem Aktenzeichen L 4 KA 43/14 geführten Berufungsverfahrens und des vorangegangenen Klageverfahrens zu 3/4 und die Beklagte zu 1/4 zu tragen, da sie jeweils teilweise unterlegen sind (§ 154 Abs 1, § 155 Abs 1 Satz 1 VwGO), nachdem die Beklagte den Klaganspruch bezogen auf das Quartal IV/2009 teilweise anerkannt hat. Bezogen auf die Quartale I/2009 bis III/2009, die Gegenstand der beim Schleswig-Holsteinischen LSG unter den Aktenzeichen L 4 KA 40/14, L 4 KA 41/14 und L 4 KA 42/14 geführten Berufungsverfahren und der vorangegangenen Klageverfahren waren, bleibt es bei der Kostentragung durch den Kläger; die dagegen eingelegten Revisionen waren ohne Erfolg, sodass ihm die Kosten zur Last fallen (§ 154 Abs 2 VwGO). Für das Revisionsverfahren hat der Senat das teilweise Obsiegen des Klägers zu einem Viertel in einem von vier Revisionen nach § 155 VwGO mit insgesamt 1/16 bewertet.

(1) Die Kassenärztliche Vereinigung verteilt die vereinbarten Gesamtvergütungen an die Ärzte, Psychotherapeuten, medizinischen Versorgungszentren sowie ermächtigten Einrichtungen, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, getrennt für die Bereiche der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung; dabei sollen die von fachärztlich tätigen Ärzten erbrachten hausärztlichen Leistungen nicht den hausärztlichen Teil der Gesamtvergütungen und die von hausärztlich tätigen Ärzten erbrachten fachärztlichen Leistungen nicht den fachärztlichen Teil der Gesamtvergütungen mindern. Die Kassenärztliche Vereinigung wendet bei der Verteilung den Verteilungsmaßstab an, der im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen festgesetzt worden ist. Die Vergütung der Leistungen im Notfall und im Notdienst erfolgt aus einem vor der Trennung für die Versorgungsbereiche gebildeten eigenen Honorarvolumen mit der Maßgabe, dass für diese Leistungen im Verteilungsmaßstab keine Maßnahmen zur Begrenzung oder Minderung des Honorars angewandt werden dürfen; Gleiches gilt unter Beachtung der nach § 87a Absatz 3b Satz 7 beschlossenen Vorgaben für die Vergütung der Leistungen des Versorgungsbereichs der Kinder- und Jugendmedizin, die gegenüber Patienten erbracht werden, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Bisherige Bestimmungen, insbesondere zur Zuweisung von arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumen, gelten bis zur Entscheidung über einen Verteilungsmaßstab vorläufig fort.

(2) Der Verteilungsmaßstab hat Regelungen vorzusehen, die verhindern, dass die Tätigkeit des Leistungserbringers über seinen Versorgungsauftrag nach § 95 Absatz 3 oder seinen Ermächtigungsumfang hinaus übermäßig ausgedehnt wird; dabei soll dem Leistungserbringer eine Kalkulationssicherheit hinsichtlich der Höhe seines zu erwartenden Honorars ermöglicht werden. Der Verteilungsmaßstab hat der kooperativen Behandlung von Patienten in dafür gebildeten Versorgungsformen angemessen Rechnung zu tragen. Für Praxisnetze, die von den Kassenärztlichen Vereinigungen anerkannt sind, müssen gesonderte Vergütungsregelungen vorgesehen werden; für solche Praxisnetze können auch eigene Honorarvolumen als Teil der morbiditätsbedingten Gesamtvergütungen nach § 87a Absatz 3 gebildet werden. Im Verteilungsmaßstab sind Regelungen zur Vergütung psychotherapeutischer Leistungen der Psychotherapeuten, der Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, der Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie, der Fachärzte für Nervenheilkunde, der Fachärzte für psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie der ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte zu treffen, die eine angemessene Höhe der Vergütung je Zeiteinheit gewährleisten. Im Verteilungsmaßstab dürfen keine Maßnahmen zur Begrenzung oder Minderung des Honorars für anästhesiologische Leistungen angewandt werden, die im Zusammenhang mit vertragszahnärztlichen Behandlungen von Patienten mit mangelnder Kooperationsfähigkeit bei geistiger Behinderung oder schwerer Dyskinesie notwendig sind. Widerspruch und Klage gegen die Honorarfestsetzung sowie gegen deren Änderung oder Aufhebung haben keine aufschiebende Wirkung.

(2a) Mindert sich die Fallzahl in einem die Fortführung der Arztpraxis gefährdenden Umfang infolge einer Pandemie, Epidemie, Endemie, Naturkatastrophe oder eines anderen Großschadensereignisses, soll die Kassenärztliche Vereinigung im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen im Verteilungsmaßstab geeignete Regelungen zur Fortführung der vertragsärztlichen Tätigkeit des Leistungserbringers vorsehen. Regelungen nach Satz 1 können auch bei einer Minderung von Fallzahlen von Leistungen vorgesehen werden, die nach § 87a Absatz 3 Satz 5 Nummer 1, 3, 4, 5 und 6 und Satz 6 vergütet werden. In der Vergangenheit gebildete und noch nicht aufgelöste Rückstellungen im Rahmen der Honorarverteilung sollen ebenfalls verwendet werden. Eine weitere Voraussetzung für die Zahlung von Kompensationszahlungen ist, dass der vertragsärztliche Leistungserbringer die in § 19a Absatz 1 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte festgelegten Mindestsprechstunden einhält. Bei einer Unterschreitung der in § 19a Absatz 1 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte festgelegten Mindestsprechstunden können Kompensationszahlungen nur vorgenommen werden, wenn der vertragsärztliche Leistungserbringer durch eine Pandemie, Epidemie, Endemie, Naturkatastrophe oder ein anderes Großschadensereignis verursachte rechtfertigende Gründe für die Unterschreitung nachweist.

(3) Hat der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen einen Beschluss nach § 100 Absatz 1 oder 3 getroffen, dürfen für Ärzte der betroffenen Arztgruppe im Verteilungsmaßstab Maßnahmen zur Fallzahlbegrenzung oder -minderung nicht bei der Behandlung von Patienten des betreffenden Planungsbereiches angewendet werden. Darüber hinausgehend hat der Verteilungsmaßstab geeignete Regelungen vorzusehen, nach der die Kassenärztliche Vereinigung im Einzelfall verpflichtet ist, zu prüfen, ob und in welchem Umfang diese Maßnahme ausreichend ist, die Sicherstellung der medizinischen Versorgung zu gewährleisten. Die Kassenärztliche Vereinigung veröffentlicht einmal jährlich in geeigneter Form Informationen über die Grundsätze und Versorgungsziele des Honorarverteilungsmaßstabs.

(4) Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat Vorgaben zur Festlegung und Anpassung des Vergütungsvolumens für die hausärztliche und fachärztliche Versorgung nach Absatz 1 Satz 1 sowie Kriterien und Qualitätsanforderungen für die Anerkennung besonders förderungswürdiger Praxisnetze nach Absatz 2 Satz 3 als Rahmenvorgabe für Richtlinien der Kassenärztlichen Vereinigungen, insbesondere zu Versorgungszielen, im Einvernehmen mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen zu bestimmen. Darüber hinaus hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung Vorgaben insbesondere zu den Regelungen des Absatzes 2 Satz 1 bis 4 und zur Durchführung geeigneter und neutraler Verfahren zur Honorarbereinigung zu bestimmen; dabei ist das Benehmen mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen herzustellen. Die Vorgaben nach den Sätzen 1 und 2 sind von den Kassenärztlichen Vereinigungen zu beachten. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben bis spätestens zum 23. Oktober 2015 Richtlinien nach Satz 1 zu beschließen.

(5) Die Regelungen der Absätze 1 bis 4 gelten nicht für vertragszahnärztliche Leistungen.

(1) An der vertragsärztlichen Versorgung nehmen zugelassene Ärzte und zugelassene medizinische Versorgungszentren sowie ermächtigte Ärzte und ermächtigte Einrichtungen teil. Medizinische Versorgungszentren sind ärztlich geleitete Einrichtungen, in denen Ärzte, die in das Arztregister nach Absatz 2 Satz 3 eingetragen sind, als Angestellte oder Vertragsärzte tätig sind. Der ärztliche Leiter muss in dem medizinischen Versorgungszentrum selbst als angestellter Arzt oder als Vertragsarzt tätig sein; er ist in medizinischen Fragen weisungsfrei. Sind in einem medizinischen Versorgungszentrum Angehörige unterschiedlicher Berufsgruppen, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, tätig, ist auch eine kooperative Leitung möglich. Die Zulassung erfolgt für den Ort der Niederlassung als Arzt oder den Ort der Niederlassung als medizinisches Versorgungszentrum (Vertragsarztsitz).

(1a) Medizinische Versorgungszentren können von zugelassenen Ärzten, von zugelassenen Krankenhäusern, von Erbringern nichtärztlicher Dialyseleistungen nach § 126 Absatz 3, von anerkannten Praxisnetzen nach § 87b Absatz 2 Satz 3, von gemeinnützigen Trägern, die aufgrund von Zulassung oder Ermächtigung an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, oder von Kommunen gegründet werden. Erbringer nichtärztlicher Dialyseleistungen nach § 126 Absatz 3 sind jedoch nur zur Gründung fachbezogener medizinischer Versorgungszentren berechtigt; ein Fachbezug besteht auch für die mit Dialyseleistungen zusammenhängenden ärztlichen Leistungen im Rahmen einer umfassenden Versorgung der Dialysepatienten. Die Gründung eines medizinischen Versorgungszentrums ist nur in der Rechtsform der Personengesellschaft, der eingetragenen Genossenschaft oder der Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder in einer öffentlich rechtlichen Rechtsform möglich. Die Zulassung von medizinischen Versorgungszentren, die am 1. Januar 2012 bereits zugelassen sind, gilt unabhängig von der Trägerschaft und der Rechtsform des medizinischen Versorgungszentrums unverändert fort; die Zulassung von medizinischen Versorgungszentren, die von Erbringern nichtärztlicher Dialyseleistungen nach § 126 Absatz 3 gegründet wurden und am 10. Mai 2019 bereits zugelassen sind, gilt unabhängig von ihrem Versorgungsangebot unverändert fort. Für die Gründung von medizinischen Versorgungszentren durch Kommunen findet § 105 Absatz 5 Satz 1 bis 4 keine Anwendung.

(1b) Ein zahnärztliches medizinisches Versorgungszentrum kann von einem Krankenhaus nur gegründet werden, soweit der Versorgungsanteil der vom Krankenhaus damit insgesamt gegründeten zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentren an der vertragszahnärztlichen Versorgung in dem Planungsbereich der Kassenzahnärztlichen Vereinigung, in dem die Gründung des zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentrums beabsichtigt ist, 10 Prozent nicht überschreitet. In Planungsbereichen, in denen der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad um bis zu 50 Prozent unterschritten ist, umfasst die Gründungsbefugnis des Krankenhauses für zahnärztliche medizinische Versorgungszentren mindestens fünf Vertragszahnarztsitze oder Anstellungen. Abweichend von Satz 1 kann ein Krankenhaus ein zahnärztliches medizinisches Versorgungszentrum unter den folgenden Voraussetzungen gründen:

1.
in einem Planungsbereich, in dem der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad um mehr als 50 Prozent unterschritten ist, sofern der Versorgungsanteil der vom Krankenhaus damit insgesamt gegründeten zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentren an der vertragszahnärztlichen Versorgung in diesem Planungsbereich 20 Prozent nicht überschreitet,
2.
in einem Planungsbereich, in dem der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad um mehr als 10 Prozent überschritten ist, sofern der Versorgungsanteil der vom Krankenhaus gegründeten zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentren an der vertragszahnärztlichen Versorgung in diesem Planungsbereich 5 Prozent nicht überschreitet.
Der Zulassungsausschuss ermittelt den jeweils geltenden Versorgungsanteil auf Grundlage des allgemeinen bedarfsgerechten Versorgungsgrades und des Standes der vertragszahnärztlichen Versorgung. Hierzu haben die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen umfassende und vergleichbare Übersichten zum allgemeinen bedarfsgerechten Versorgungsgrad und zum Stand der vertragszahnärztlichen Versorgung am 31. Dezember eines jeden Jahres zu erstellen. Die Übersichten sind bis zum 30. Juni des jeweils folgenden Jahres zu erstellen und in geeigneter Weise in den amtlichen Mitteilungsblättern der Kassenzahnärztlichen Vereinigungen zu veröffentlichen. Die Sätze 1 bis 6 gelten auch für die Erweiterung bestehender zahnärztlicher medizinischer Versorgungszentren eines Krankenhauses.

(2) Um die Zulassung als Vertragsarzt kann sich jeder Arzt bewerben, der seine Eintragung in ein Arzt- oder Zahnarztregister (Arztregister) nachweist. Die Arztregister werden von den Kassenärztlichen Vereinigungen für jeden Zulassungsbezirk geführt. Die Eintragung in ein Arztregister erfolgt auf Antrag

1.
nach Erfüllung der Voraussetzungen nach § 95a für Vertragsärzte und nach § 95c für Psychotherapeuten,
2.
nach Ableistung einer zweijährigen Vorbereitungszeit für Vertragszahnärzte.
Das Nähere regeln die Zulassungsverordnungen. Um die Zulassung kann sich ein medizinisches Versorgungszentrum bewerben, dessen Ärzte in das Arztregister nach Satz 3 eingetragen sind. Für die Zulassung eines medizinischen Versorgungszentrums in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist außerdem Voraussetzung, dass die Gesellschafter entweder selbstschuldnerische Bürgschaftserklärungen oder andere Sicherheitsleistungen nach § 232 des Bürgerlichen Gesetzbuchs für Forderungen von Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen gegen das medizinische Versorgungszentrum aus dessen vertragsärztlicher Tätigkeit abgeben; dies gilt auch für Forderungen, die erst nach Auflösung des medizinischen Versorgungszentrums fällig werden. Die Anstellung eines Arztes in einem zugelassenen medizinischen Versorgungszentrum bedarf der Genehmigung des Zulassungsausschusses. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die Voraussetzungen des Satzes 5 erfüllt sind; Absatz 9b gilt entsprechend. Anträge auf Zulassung eines Arztes und auf Zulassung eines medizinischen Versorgungszentrums sowie auf Genehmigung der Anstellung eines Arztes in einem zugelassenen medizinischen Versorgungszentrum sind abzulehnen, wenn bei Antragstellung für die dort tätigen Ärzte Zulassungsbeschränkungen nach § 103 Abs. 1 Satz 2 angeordnet sind oder der Zulassung oder der Anstellungsgenehmigung Festlegungen nach § 101 Absatz 1 Satz 8 entgegenstehen. Abweichend von Satz 9 ist einem Antrag trotz einer nach § 103 Absatz 1 Satz 2 angeordneten Zulassungsbeschränkung stattzugeben, wenn mit der Zulassung oder Anstellungsgenehmigung Festlegungen nach § 101 Absatz 1 Satz 8 befolgt werden. Für die in den medizinischen Versorgungszentren angestellten Ärzte gilt § 135 entsprechend.

(2a) (weggefallen)

(3) Die Zulassung bewirkt, daß der Vertragsarzt Mitglied der für seinen Kassenarztsitz zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung wird und zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung im Umfang seines aus der Zulassung folgenden Versorgungsauftrages berechtigt und verpflichtet ist. Die Zulassung des medizinischen Versorgungszentrums bewirkt, dass die in dem Versorgungszentrum angestellten Ärzte Mitglieder der für den Vertragsarztsitz des Versorgungszentrums zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung sind und dass das zugelassene medizinische Versorgungszentrum insoweit zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt und verpflichtet ist. Die vertraglichen Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung sind verbindlich. Die Einhaltung der sich aus den Sätzen 1 und 2 ergebenden Versorgungsaufträge sind von der Kassenärztlichen Vereinigung bundeseinheitlich, insbesondere anhand der abgerechneten Fälle und anhand der Gebührenordnungspositionen mit den Angaben für den zur ärztlichen Leistungserbringung erforderlichen Zeitaufwand nach § 87 Absatz 2 Satz 1 zweiter Halbsatz, zu prüfen. Die Ergebnisse sowie eine Übersicht über die gegebenenfalls getroffenen Maßnahmen sind den Landes- und Zulassungsausschüssen sowie der für die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung zuständigen Aufsichtsbehörde jeweils zum 30. Juni des Jahres zu übermitteln.

(4) Die Ermächtigung bewirkt, daß der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt und verpflichtet ist. Die vertraglichen Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung sind für sie verbindlich. Die Absätze 5 bis 7, § 75 Abs. 2 und § 81 Abs. 5 gelten entsprechend.

(5) Die Zulassung ruht auf Beschluß des Zulassungsausschusses, wenn der Vertragsarzt seine Tätigkeit nicht aufnimmt oder nicht ausübt, ihre Aufnahme aber in angemessener Frist zu erwarten ist, oder auf Antrag eines Vertragsarztes, der in den hauptamtlichen Vorstand nach § 79 Abs. 1 gewählt worden ist. Unter den gleichen Voraussetzungen kann bei vollem Versorgungsauftrag das Ruhen der Hälfte oder eines Viertels der Zulassung beschlossen werden; bei einem drei Viertel Versorgungsauftrag kann das Ruhen eines Viertels der Zulassung beschlossen werden.

(6) Die Zulassung ist zu entziehen, wenn ihre Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vorliegen, der Vertragsarzt die vertragsärztliche Tätigkeit nicht aufnimmt oder nicht mehr ausübt oder seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt. Der Zulassungsausschuss kann in diesen Fällen statt einer vollständigen auch die Entziehung derHälfteoder eines Viertels der Zulassung beschließen. Einem medizinischen Versorgungszentrum ist die Zulassung auch dann zu entziehen, wenn die Gründungsvoraussetzungen des Absatzes 1a Satz 1 bis 3 länger als sechs Monate nicht mehr vorliegen. Die Gründereigenschaft nach Absatz 1a Satz 1 bleibt auch für die angestellten Ärzte bestehen, die auf ihre Zulassung zugunsten der Anstellung in einem medizinischen Versorgungszentrum verzichtet haben, solange sie in dem medizinischen Versorgungszentrum tätig sind und Gesellschafter des medizinischen Versorgungszentrums sind. Die Gründungsvoraussetzung nach Absatz 1a Satz 1 liegt weiterhin vor, sofern angestellte Ärzte die Gesellschafteranteile der Ärzte nach Absatz 1a Satz 1 oder der Ärzte nach Satz 4 übernehmen und solange sie in dem medizinischen Versorgungszentrum tätig sind; die Übernahme von Gesellschafteranteilen durch angestellte Ärzte ist jederzeit möglich. Medizinischen Versorgungszentren, die unter den in Absatz 1a Satz 4 erster Halbsatz geregelten Bestandsschutz fallen, ist die Zulassung zu entziehen, wenn die Gründungsvoraussetzungen des Absatzes 1 Satz 6 zweiter Halbsatz in der bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Fassung seit mehr als sechs Monaten nicht mehr vorliegen oder das medizinische Versorgungszentrum gegenüber dem Zulassungsausschuss nicht bis zum 30. Juni 2012 nachweist, dass die ärztliche Leitung den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 3 entspricht.

(7) Die Zulassung endet, wenn die vertragsärztliche Tätigkeit in einem von Zulassungsbeschränkungen betroffenen Planungsbereich nicht innerhalb von drei Monaten nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung aufgenommen wird, mit dem Tod, mit dem Wirksamwerden eines Verzichts, mit dem Ablauf des Befristungszeitraumes oder mit dem Wegzug des Berechtigten aus dem Bezirk seines Kassenarztsitzes. Die Zulassung eines medizinischen Versorgungszentrums endet mit dem Wirksamwerden eines Verzichts, der Auflösung, dem Ablauf des Befristungszeitraumes oder mit dem Wegzug des zugelassenen medizinischen Versorgungszentrums aus dem Bezirk des Vertragsarztsitzes.

(8) (weggefallen)

(9) Der Vertragsarzt kann mit Genehmigung des Zulassungsausschusses Ärzte, die in das Arztregister eingetragen sind, anstellen, sofern für die Arztgruppe, der der anzustellende Arzt angehört, keine Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind und der Anstellung keine Festlegungen nach § 101 Absatz 1 Satz 8 entgegenstehen; hiervon abweichend ist eine Anstellungsgenehmigung trotz einer angeordneten Zulassungsbeschränkung zu erteilen, wenn mit der Anstellung Festlegungen nach § 101 Absatz 1 Satz 8 befolgt werden. Sind Zulassungsbeschränkungen angeordnet, gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass die Voraussetzungen des § 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 erfüllt sein müssen. Das Nähere zu der Anstellung von Ärzten bei Vertragsärzten bestimmen die Zulassungsverordnungen. Absatz 5 gilt entsprechend.

(9a) Der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmende Vertragsarzt kann mit Genehmigung des Zulassungsausschusses Ärzte, die von einer Hochschule mindestens halbtags als angestellte oder beamtete Hochschullehrer für Allgemeinmedizin oder als deren wissenschaftliche Mitarbeiter beschäftigt werden und in das Arztregister eingetragen sind, unabhängig von Zulassungsbeschränkungen anstellen. Bei der Ermittlung des Versorgungsgrades in einem Planungsbereich sind diese angestellten Ärzte nicht mitzurechnen.

(9b) Eine genehmigte Anstellung nach Absatz 9 Satz 1 ist auf Antrag des anstellenden Vertragsarztes vom Zulassungsausschuss in eine Zulassung umzuwandeln, sofern der Umfang der Tätigkeit des angestellten Arztes einem ganzen, einem halben oder einem drei Viertel Versorgungsauftrag entspricht; beantragt der anstellende Vertragsarzt nicht zugleich bei der Kassenärztlichen Vereinigung die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens nach § 103 Absatz 3a, wird der bisher angestellte Arzt Inhaber der Zulassung.

(10) (weggefallen)

(11) (weggefallen)

(11a) (weggefallen)

(11b) (weggefallen)

(12) (weggefallen)

(13) In Zulassungssachen der Psychotherapeuten und der überwiegend oder ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte (§ 101 Abs. 3 Satz 1) treten abweichend von § 96 Abs. 2 Satz 1 und § 97 Abs. 2 Satz 1 an die Stelle der Vertreter der Ärzte Vertreter der Psychotherapeuten und der Ärzte in gleicher Zahl; unter den Vertretern der Psychotherapeuten muß mindestens ein Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut oder ein Psychotherapeut mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen sein. Für die erstmalige Besetzung der Zulassungsausschüsse und der Berufungsausschüsse nach Satz 1 werden die Vertreter der Psychotherapeuten von der zuständigen Aufsichtsbehörde auf Vorschlag der für die beruflichen Interessen maßgeblichen Organisationen der Psychotherapeuten auf Landesebene berufen.

(1) Die Kassenärztliche Vereinigung verteilt die vereinbarten Gesamtvergütungen an die Ärzte, Psychotherapeuten, medizinischen Versorgungszentren sowie ermächtigten Einrichtungen, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, getrennt für die Bereiche der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung; dabei sollen die von fachärztlich tätigen Ärzten erbrachten hausärztlichen Leistungen nicht den hausärztlichen Teil der Gesamtvergütungen und die von hausärztlich tätigen Ärzten erbrachten fachärztlichen Leistungen nicht den fachärztlichen Teil der Gesamtvergütungen mindern. Die Kassenärztliche Vereinigung wendet bei der Verteilung den Verteilungsmaßstab an, der im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen festgesetzt worden ist. Die Vergütung der Leistungen im Notfall und im Notdienst erfolgt aus einem vor der Trennung für die Versorgungsbereiche gebildeten eigenen Honorarvolumen mit der Maßgabe, dass für diese Leistungen im Verteilungsmaßstab keine Maßnahmen zur Begrenzung oder Minderung des Honorars angewandt werden dürfen; Gleiches gilt unter Beachtung der nach § 87a Absatz 3b Satz 7 beschlossenen Vorgaben für die Vergütung der Leistungen des Versorgungsbereichs der Kinder- und Jugendmedizin, die gegenüber Patienten erbracht werden, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Bisherige Bestimmungen, insbesondere zur Zuweisung von arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumen, gelten bis zur Entscheidung über einen Verteilungsmaßstab vorläufig fort.

(2) Der Verteilungsmaßstab hat Regelungen vorzusehen, die verhindern, dass die Tätigkeit des Leistungserbringers über seinen Versorgungsauftrag nach § 95 Absatz 3 oder seinen Ermächtigungsumfang hinaus übermäßig ausgedehnt wird; dabei soll dem Leistungserbringer eine Kalkulationssicherheit hinsichtlich der Höhe seines zu erwartenden Honorars ermöglicht werden. Der Verteilungsmaßstab hat der kooperativen Behandlung von Patienten in dafür gebildeten Versorgungsformen angemessen Rechnung zu tragen. Für Praxisnetze, die von den Kassenärztlichen Vereinigungen anerkannt sind, müssen gesonderte Vergütungsregelungen vorgesehen werden; für solche Praxisnetze können auch eigene Honorarvolumen als Teil der morbiditätsbedingten Gesamtvergütungen nach § 87a Absatz 3 gebildet werden. Im Verteilungsmaßstab sind Regelungen zur Vergütung psychotherapeutischer Leistungen der Psychotherapeuten, der Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, der Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie, der Fachärzte für Nervenheilkunde, der Fachärzte für psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie der ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte zu treffen, die eine angemessene Höhe der Vergütung je Zeiteinheit gewährleisten. Im Verteilungsmaßstab dürfen keine Maßnahmen zur Begrenzung oder Minderung des Honorars für anästhesiologische Leistungen angewandt werden, die im Zusammenhang mit vertragszahnärztlichen Behandlungen von Patienten mit mangelnder Kooperationsfähigkeit bei geistiger Behinderung oder schwerer Dyskinesie notwendig sind. Widerspruch und Klage gegen die Honorarfestsetzung sowie gegen deren Änderung oder Aufhebung haben keine aufschiebende Wirkung.

(2a) Mindert sich die Fallzahl in einem die Fortführung der Arztpraxis gefährdenden Umfang infolge einer Pandemie, Epidemie, Endemie, Naturkatastrophe oder eines anderen Großschadensereignisses, soll die Kassenärztliche Vereinigung im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen im Verteilungsmaßstab geeignete Regelungen zur Fortführung der vertragsärztlichen Tätigkeit des Leistungserbringers vorsehen. Regelungen nach Satz 1 können auch bei einer Minderung von Fallzahlen von Leistungen vorgesehen werden, die nach § 87a Absatz 3 Satz 5 Nummer 1, 3, 4, 5 und 6 und Satz 6 vergütet werden. In der Vergangenheit gebildete und noch nicht aufgelöste Rückstellungen im Rahmen der Honorarverteilung sollen ebenfalls verwendet werden. Eine weitere Voraussetzung für die Zahlung von Kompensationszahlungen ist, dass der vertragsärztliche Leistungserbringer die in § 19a Absatz 1 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte festgelegten Mindestsprechstunden einhält. Bei einer Unterschreitung der in § 19a Absatz 1 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte festgelegten Mindestsprechstunden können Kompensationszahlungen nur vorgenommen werden, wenn der vertragsärztliche Leistungserbringer durch eine Pandemie, Epidemie, Endemie, Naturkatastrophe oder ein anderes Großschadensereignis verursachte rechtfertigende Gründe für die Unterschreitung nachweist.

(3) Hat der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen einen Beschluss nach § 100 Absatz 1 oder 3 getroffen, dürfen für Ärzte der betroffenen Arztgruppe im Verteilungsmaßstab Maßnahmen zur Fallzahlbegrenzung oder -minderung nicht bei der Behandlung von Patienten des betreffenden Planungsbereiches angewendet werden. Darüber hinausgehend hat der Verteilungsmaßstab geeignete Regelungen vorzusehen, nach der die Kassenärztliche Vereinigung im Einzelfall verpflichtet ist, zu prüfen, ob und in welchem Umfang diese Maßnahme ausreichend ist, die Sicherstellung der medizinischen Versorgung zu gewährleisten. Die Kassenärztliche Vereinigung veröffentlicht einmal jährlich in geeigneter Form Informationen über die Grundsätze und Versorgungsziele des Honorarverteilungsmaßstabs.

(4) Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat Vorgaben zur Festlegung und Anpassung des Vergütungsvolumens für die hausärztliche und fachärztliche Versorgung nach Absatz 1 Satz 1 sowie Kriterien und Qualitätsanforderungen für die Anerkennung besonders förderungswürdiger Praxisnetze nach Absatz 2 Satz 3 als Rahmenvorgabe für Richtlinien der Kassenärztlichen Vereinigungen, insbesondere zu Versorgungszielen, im Einvernehmen mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen zu bestimmen. Darüber hinaus hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung Vorgaben insbesondere zu den Regelungen des Absatzes 2 Satz 1 bis 4 und zur Durchführung geeigneter und neutraler Verfahren zur Honorarbereinigung zu bestimmen; dabei ist das Benehmen mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen herzustellen. Die Vorgaben nach den Sätzen 1 und 2 sind von den Kassenärztlichen Vereinigungen zu beachten. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben bis spätestens zum 23. Oktober 2015 Richtlinien nach Satz 1 zu beschließen.

(5) Die Regelungen der Absätze 1 bis 4 gelten nicht für vertragszahnärztliche Leistungen.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

(1) Die Kassenärztliche Vereinigung verteilt die vereinbarten Gesamtvergütungen an die Ärzte, Psychotherapeuten, medizinischen Versorgungszentren sowie ermächtigten Einrichtungen, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, getrennt für die Bereiche der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung; dabei sollen die von fachärztlich tätigen Ärzten erbrachten hausärztlichen Leistungen nicht den hausärztlichen Teil der Gesamtvergütungen und die von hausärztlich tätigen Ärzten erbrachten fachärztlichen Leistungen nicht den fachärztlichen Teil der Gesamtvergütungen mindern. Die Kassenärztliche Vereinigung wendet bei der Verteilung den Verteilungsmaßstab an, der im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen festgesetzt worden ist. Die Vergütung der Leistungen im Notfall und im Notdienst erfolgt aus einem vor der Trennung für die Versorgungsbereiche gebildeten eigenen Honorarvolumen mit der Maßgabe, dass für diese Leistungen im Verteilungsmaßstab keine Maßnahmen zur Begrenzung oder Minderung des Honorars angewandt werden dürfen; Gleiches gilt unter Beachtung der nach § 87a Absatz 3b Satz 7 beschlossenen Vorgaben für die Vergütung der Leistungen des Versorgungsbereichs der Kinder- und Jugendmedizin, die gegenüber Patienten erbracht werden, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Bisherige Bestimmungen, insbesondere zur Zuweisung von arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumen, gelten bis zur Entscheidung über einen Verteilungsmaßstab vorläufig fort.

(2) Der Verteilungsmaßstab hat Regelungen vorzusehen, die verhindern, dass die Tätigkeit des Leistungserbringers über seinen Versorgungsauftrag nach § 95 Absatz 3 oder seinen Ermächtigungsumfang hinaus übermäßig ausgedehnt wird; dabei soll dem Leistungserbringer eine Kalkulationssicherheit hinsichtlich der Höhe seines zu erwartenden Honorars ermöglicht werden. Der Verteilungsmaßstab hat der kooperativen Behandlung von Patienten in dafür gebildeten Versorgungsformen angemessen Rechnung zu tragen. Für Praxisnetze, die von den Kassenärztlichen Vereinigungen anerkannt sind, müssen gesonderte Vergütungsregelungen vorgesehen werden; für solche Praxisnetze können auch eigene Honorarvolumen als Teil der morbiditätsbedingten Gesamtvergütungen nach § 87a Absatz 3 gebildet werden. Im Verteilungsmaßstab sind Regelungen zur Vergütung psychotherapeutischer Leistungen der Psychotherapeuten, der Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, der Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie, der Fachärzte für Nervenheilkunde, der Fachärzte für psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie der ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte zu treffen, die eine angemessene Höhe der Vergütung je Zeiteinheit gewährleisten. Im Verteilungsmaßstab dürfen keine Maßnahmen zur Begrenzung oder Minderung des Honorars für anästhesiologische Leistungen angewandt werden, die im Zusammenhang mit vertragszahnärztlichen Behandlungen von Patienten mit mangelnder Kooperationsfähigkeit bei geistiger Behinderung oder schwerer Dyskinesie notwendig sind. Widerspruch und Klage gegen die Honorarfestsetzung sowie gegen deren Änderung oder Aufhebung haben keine aufschiebende Wirkung.

(2a) Mindert sich die Fallzahl in einem die Fortführung der Arztpraxis gefährdenden Umfang infolge einer Pandemie, Epidemie, Endemie, Naturkatastrophe oder eines anderen Großschadensereignisses, soll die Kassenärztliche Vereinigung im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen im Verteilungsmaßstab geeignete Regelungen zur Fortführung der vertragsärztlichen Tätigkeit des Leistungserbringers vorsehen. Regelungen nach Satz 1 können auch bei einer Minderung von Fallzahlen von Leistungen vorgesehen werden, die nach § 87a Absatz 3 Satz 5 Nummer 1, 3, 4, 5 und 6 und Satz 6 vergütet werden. In der Vergangenheit gebildete und noch nicht aufgelöste Rückstellungen im Rahmen der Honorarverteilung sollen ebenfalls verwendet werden. Eine weitere Voraussetzung für die Zahlung von Kompensationszahlungen ist, dass der vertragsärztliche Leistungserbringer die in § 19a Absatz 1 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte festgelegten Mindestsprechstunden einhält. Bei einer Unterschreitung der in § 19a Absatz 1 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte festgelegten Mindestsprechstunden können Kompensationszahlungen nur vorgenommen werden, wenn der vertragsärztliche Leistungserbringer durch eine Pandemie, Epidemie, Endemie, Naturkatastrophe oder ein anderes Großschadensereignis verursachte rechtfertigende Gründe für die Unterschreitung nachweist.

(3) Hat der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen einen Beschluss nach § 100 Absatz 1 oder 3 getroffen, dürfen für Ärzte der betroffenen Arztgruppe im Verteilungsmaßstab Maßnahmen zur Fallzahlbegrenzung oder -minderung nicht bei der Behandlung von Patienten des betreffenden Planungsbereiches angewendet werden. Darüber hinausgehend hat der Verteilungsmaßstab geeignete Regelungen vorzusehen, nach der die Kassenärztliche Vereinigung im Einzelfall verpflichtet ist, zu prüfen, ob und in welchem Umfang diese Maßnahme ausreichend ist, die Sicherstellung der medizinischen Versorgung zu gewährleisten. Die Kassenärztliche Vereinigung veröffentlicht einmal jährlich in geeigneter Form Informationen über die Grundsätze und Versorgungsziele des Honorarverteilungsmaßstabs.

(4) Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat Vorgaben zur Festlegung und Anpassung des Vergütungsvolumens für die hausärztliche und fachärztliche Versorgung nach Absatz 1 Satz 1 sowie Kriterien und Qualitätsanforderungen für die Anerkennung besonders förderungswürdiger Praxisnetze nach Absatz 2 Satz 3 als Rahmenvorgabe für Richtlinien der Kassenärztlichen Vereinigungen, insbesondere zu Versorgungszielen, im Einvernehmen mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen zu bestimmen. Darüber hinaus hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung Vorgaben insbesondere zu den Regelungen des Absatzes 2 Satz 1 bis 4 und zur Durchführung geeigneter und neutraler Verfahren zur Honorarbereinigung zu bestimmen; dabei ist das Benehmen mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen herzustellen. Die Vorgaben nach den Sätzen 1 und 2 sind von den Kassenärztlichen Vereinigungen zu beachten. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben bis spätestens zum 23. Oktober 2015 Richtlinien nach Satz 1 zu beschließen.

(5) Die Regelungen der Absätze 1 bis 4 gelten nicht für vertragszahnärztliche Leistungen.

(1) Die Krankenkasse entrichtet nach Maßgabe der Gesamtverträge an die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung mit befreiender Wirkung eine Gesamtvergütung für die gesamte vertragsärztliche Versorgung der Mitglieder mit Wohnort im Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung einschließlich der mitversicherten Familienangehörigen.

(2) Die Höhe der Gesamtvergütung wird im Gesamtvertrag vereinbart; die Landesverbände der Krankenkassen treffen die Vereinbarung mit Wirkung für die Krankenkassen der jeweiligen Kassenart. Die Gesamtvergütung ist das Ausgabenvolumen für die Gesamtheit der zu vergütenden vertragsärztlichen Leistungen; sie kann als Festbetrag oder auf der Grundlage des Bewertungsmaßstabes nach Einzelleistungen, nach einer Kopfpauschale, nach einer Fallpauschale oder nach einem System berechnet werden, das sich aus der Verbindung dieser oder weiterer Berechnungsarten ergibt. Die Vereinbarung unterschiedlicher Vergütungen für die Versorgung verschiedener Gruppen von Versicherten ist nicht zulässig. Die Vertragsparteien haben auch eine angemessene Vergütung für nichtärztliche Leistungen im Rahmen sozialpädiatrischer und psychiatrischer Tätigkeit und für eine besonders qualifizierte onkologische Versorgung zu vereinbaren; das Nähere ist jeweils im Bundesmantelvertrag zu vereinbaren. Die Vergütungen der Untersuchungen nach den §§ 22, 25 Abs. 1 und 2, § 26 werden als Pauschalen vereinbart. Beim Zahnersatz sind Vergütungen für die Aufstellung eines Heil- und Kostenplans nicht zulässig. Soweit die Gesamtvergütung auf der Grundlage von Einzelleistungen vereinbart wird, ist der Betrag des Ausgabenvolumens nach Satz 2 zu bestimmen. Ausgaben für Kostenerstattungsleistungen nach § 13 Abs. 2 und nach § 53 Abs. 4 mit Ausnahme der Kostenerstattungsleistungen nach § 13 Abs. 2 Satz 6 und Ausgaben auf Grund der Mehrkostenregelung nach § 28 Abs. 2 Satz 3 sind auf das Ausgabenvolumen nach Satz 2 anzurechnen.

(2a) (weggefallen)

(2b) (weggefallen)

(2c) Die Vertragspartner nach § 82 Abs. 1 können vereinbaren, daß für die Gesamtvergütungen getrennte Vergütungsanteile für die an der vertragsärztlichen Versorgung beteiligten Arztgruppen zugrunde gelegt werden; sie können auch die Grundlagen für die Bemessung der Vergütungsanteile regeln. § 89 Abs. 1 gilt nicht.

(2d) Die Punktwerte für zahnärztliche Leistungen ohne Zahnersatz dürfen im Jahr 2023 gegenüber dem Vorjahr höchstens um die um 0,75 Prozentpunkte verminderte durchschnittliche Veränderungsrate nach § 71 Absatz 3 angehoben werden. Die Punktwerte für zahnärztliche Leistungen ohne Zahnersatz dürfen im Jahr 2024 gegenüber dem Vorjahr höchstens um die um 1,5 Prozentpunkte verminderte durchschnittliche Veränderungsrate nach § 71 Absatz 3 angehoben werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Leistungen nach den §§ 22, 22a, 26 Absatz 1 Satz 5, § 87 Absatz 2i und 2j sowie Leistungen zur Behandlung von Parodontitis für Versicherte, die einem Pflegegrad nach § 15 des Elften Buches zugeordnet sind oder in der Eingliederungshilfe nach § 99 des Neunten Buches leistungsberechtigt sind. Das Bundesministerium für Gesundheit evaluiert bis zum 30. September 2023 die Auswirkungen der Begrenzung der Anhebungen der Punktwerte nach Satz 1 auf den Umfang der Versorgung der Versicherten mit Leistungen zur Behandlung von Parodontitis.

(3) In der vertragszahnärztlichen Versorgung vereinbaren die Vertragsparteien des Gesamtvertrages die Veränderungen der Gesamtvergütungen unter Berücksichtigung der Zahl und Struktur der Versicherten, der Morbiditätsentwicklung, der Kosten- und Versorgungsstruktur, der für die vertragszahnärztliche Tätigkeit aufzuwendenden Arbeitszeit sowie der Art und des Umfangs der zahnärztlichen Leistungen, soweit sie auf einer Veränderung des gesetzlichen oder satzungsmäßigen Leistungsumfangs beruhen. Bei der Vereinbarung der Veränderungen der Gesamtvergütungen ist der Grundsatz der Beitragssatzstabilität (§ 71) in Bezug auf das Ausgabenvolumen für die Gesamtheit der zu vergütenden vertragszahnärztlichen Leistungen ohne Zahnersatz neben den Kriterien nach Satz 1 zu berücksichtigen. Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt. Die Krankenkassen haben den Kassenzahnärztlichen Vereinigungen die Zahl ihrer Versicherten vom 1. Juli eines Jahres, die ihren Wohnsitz im Bezirk der jeweiligen Kassenzahnärztlichen Vereinigung haben, gegliedert nach den Altersgruppen des Vordrucks KM 6 der Statistik über die Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung bis zum 1. Oktober des Jahres mitzuteilen.

(3a) Die Gesamtvergütungen nach Absatz 3 dürfen im Jahr 2023 gegenüber dem Vorjahr höchstens um die um 0,75 Prozentpunkte verminderte durchschnittliche Veränderungsrate nach § 71 Absatz 3 angehoben werden. Im Jahr 2024 dürfen die Gesamtvergütungen für zahnärztliche Leistungen ohne Zahnersatz gegenüber dem Vorjahr höchstens um die um 1,5 Prozentpunkte verminderte durchschnittliche Veränderungsrate nach § 71 Absatz 3 angehoben werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Leistungen nach den §§ 22, 22a, 26 Absatz 1 Satz 5, § 87 Absatz 2i und 2j sowie Leistungen zur Behandlung von Parodontitis für Versicherte, die einem Pflegegrad nach § 15 des Elften Buches zugeordnet sind oder in der Eingliederungshilfe nach § 99 des Neunten Buches leistungsberechtigt sind. Das Bundesministerium für Gesundheit evaluiert bis zum 30. September 2023 die Auswirkungen der Begrenzung der Anhebungen der Gesamtvergütungen nach Satz 1 auf den Umfang der Versorgung der Versicherten mit Leistungen zur Behandlung von Parodontitis.

(4) Die Kassenzahnärztliche Vereinigung verteilt die Gesamtvergütungen an die Vertragszahnärzte. Sie wendet dabei in der vertragszahnärztlichen Versorgung den im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen festgesetzten Verteilungsmaßstab an. Bei der Verteilung der Gesamtvergütungen sind Art und Umfang der Leistungen der Vertragszahnärzte zugrunde zu legen; dabei ist jeweils für die von den Krankenkassen einer Kassenart gezahlten Vergütungsbeträge ein Punktwert in gleicher Höhe zugrunde zu legen. Der Verteilungsmaßstab hat sicherzustellen, dass die Gesamtvergütungen gleichmäßig auf das gesamte Jahr verteilt werden. Der Verteilungsmaßstab hat Regelungen zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Vertragszahnarztes entsprechend seinem Versorgungsauftrag nach § 95 Absatz 3 Satz 1 vorzusehen. Widerspruch und Klage gegen die Honorarfestsetzung sowie ihre Änderung oder Aufhebung haben keine aufschiebende Wirkung.

(1) Die Kassenärztliche Vereinigung verteilt die vereinbarten Gesamtvergütungen an die Ärzte, Psychotherapeuten, medizinischen Versorgungszentren sowie ermächtigten Einrichtungen, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, getrennt für die Bereiche der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung; dabei sollen die von fachärztlich tätigen Ärzten erbrachten hausärztlichen Leistungen nicht den hausärztlichen Teil der Gesamtvergütungen und die von hausärztlich tätigen Ärzten erbrachten fachärztlichen Leistungen nicht den fachärztlichen Teil der Gesamtvergütungen mindern. Die Kassenärztliche Vereinigung wendet bei der Verteilung den Verteilungsmaßstab an, der im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen festgesetzt worden ist. Die Vergütung der Leistungen im Notfall und im Notdienst erfolgt aus einem vor der Trennung für die Versorgungsbereiche gebildeten eigenen Honorarvolumen mit der Maßgabe, dass für diese Leistungen im Verteilungsmaßstab keine Maßnahmen zur Begrenzung oder Minderung des Honorars angewandt werden dürfen; Gleiches gilt unter Beachtung der nach § 87a Absatz 3b Satz 7 beschlossenen Vorgaben für die Vergütung der Leistungen des Versorgungsbereichs der Kinder- und Jugendmedizin, die gegenüber Patienten erbracht werden, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Bisherige Bestimmungen, insbesondere zur Zuweisung von arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumen, gelten bis zur Entscheidung über einen Verteilungsmaßstab vorläufig fort.

(2) Der Verteilungsmaßstab hat Regelungen vorzusehen, die verhindern, dass die Tätigkeit des Leistungserbringers über seinen Versorgungsauftrag nach § 95 Absatz 3 oder seinen Ermächtigungsumfang hinaus übermäßig ausgedehnt wird; dabei soll dem Leistungserbringer eine Kalkulationssicherheit hinsichtlich der Höhe seines zu erwartenden Honorars ermöglicht werden. Der Verteilungsmaßstab hat der kooperativen Behandlung von Patienten in dafür gebildeten Versorgungsformen angemessen Rechnung zu tragen. Für Praxisnetze, die von den Kassenärztlichen Vereinigungen anerkannt sind, müssen gesonderte Vergütungsregelungen vorgesehen werden; für solche Praxisnetze können auch eigene Honorarvolumen als Teil der morbiditätsbedingten Gesamtvergütungen nach § 87a Absatz 3 gebildet werden. Im Verteilungsmaßstab sind Regelungen zur Vergütung psychotherapeutischer Leistungen der Psychotherapeuten, der Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, der Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie, der Fachärzte für Nervenheilkunde, der Fachärzte für psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie der ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte zu treffen, die eine angemessene Höhe der Vergütung je Zeiteinheit gewährleisten. Im Verteilungsmaßstab dürfen keine Maßnahmen zur Begrenzung oder Minderung des Honorars für anästhesiologische Leistungen angewandt werden, die im Zusammenhang mit vertragszahnärztlichen Behandlungen von Patienten mit mangelnder Kooperationsfähigkeit bei geistiger Behinderung oder schwerer Dyskinesie notwendig sind. Widerspruch und Klage gegen die Honorarfestsetzung sowie gegen deren Änderung oder Aufhebung haben keine aufschiebende Wirkung.

(2a) Mindert sich die Fallzahl in einem die Fortführung der Arztpraxis gefährdenden Umfang infolge einer Pandemie, Epidemie, Endemie, Naturkatastrophe oder eines anderen Großschadensereignisses, soll die Kassenärztliche Vereinigung im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen im Verteilungsmaßstab geeignete Regelungen zur Fortführung der vertragsärztlichen Tätigkeit des Leistungserbringers vorsehen. Regelungen nach Satz 1 können auch bei einer Minderung von Fallzahlen von Leistungen vorgesehen werden, die nach § 87a Absatz 3 Satz 5 Nummer 1, 3, 4, 5 und 6 und Satz 6 vergütet werden. In der Vergangenheit gebildete und noch nicht aufgelöste Rückstellungen im Rahmen der Honorarverteilung sollen ebenfalls verwendet werden. Eine weitere Voraussetzung für die Zahlung von Kompensationszahlungen ist, dass der vertragsärztliche Leistungserbringer die in § 19a Absatz 1 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte festgelegten Mindestsprechstunden einhält. Bei einer Unterschreitung der in § 19a Absatz 1 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte festgelegten Mindestsprechstunden können Kompensationszahlungen nur vorgenommen werden, wenn der vertragsärztliche Leistungserbringer durch eine Pandemie, Epidemie, Endemie, Naturkatastrophe oder ein anderes Großschadensereignis verursachte rechtfertigende Gründe für die Unterschreitung nachweist.

(3) Hat der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen einen Beschluss nach § 100 Absatz 1 oder 3 getroffen, dürfen für Ärzte der betroffenen Arztgruppe im Verteilungsmaßstab Maßnahmen zur Fallzahlbegrenzung oder -minderung nicht bei der Behandlung von Patienten des betreffenden Planungsbereiches angewendet werden. Darüber hinausgehend hat der Verteilungsmaßstab geeignete Regelungen vorzusehen, nach der die Kassenärztliche Vereinigung im Einzelfall verpflichtet ist, zu prüfen, ob und in welchem Umfang diese Maßnahme ausreichend ist, die Sicherstellung der medizinischen Versorgung zu gewährleisten. Die Kassenärztliche Vereinigung veröffentlicht einmal jährlich in geeigneter Form Informationen über die Grundsätze und Versorgungsziele des Honorarverteilungsmaßstabs.

(4) Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat Vorgaben zur Festlegung und Anpassung des Vergütungsvolumens für die hausärztliche und fachärztliche Versorgung nach Absatz 1 Satz 1 sowie Kriterien und Qualitätsanforderungen für die Anerkennung besonders förderungswürdiger Praxisnetze nach Absatz 2 Satz 3 als Rahmenvorgabe für Richtlinien der Kassenärztlichen Vereinigungen, insbesondere zu Versorgungszielen, im Einvernehmen mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen zu bestimmen. Darüber hinaus hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung Vorgaben insbesondere zu den Regelungen des Absatzes 2 Satz 1 bis 4 und zur Durchführung geeigneter und neutraler Verfahren zur Honorarbereinigung zu bestimmen; dabei ist das Benehmen mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen herzustellen. Die Vorgaben nach den Sätzen 1 und 2 sind von den Kassenärztlichen Vereinigungen zu beachten. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben bis spätestens zum 23. Oktober 2015 Richtlinien nach Satz 1 zu beschließen.

(5) Die Regelungen der Absätze 1 bis 4 gelten nicht für vertragszahnärztliche Leistungen.

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

(1) Die Kassenärztliche Vereinigung verteilt die vereinbarten Gesamtvergütungen an die Ärzte, Psychotherapeuten, medizinischen Versorgungszentren sowie ermächtigten Einrichtungen, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, getrennt für die Bereiche der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung; dabei sollen die von fachärztlich tätigen Ärzten erbrachten hausärztlichen Leistungen nicht den hausärztlichen Teil der Gesamtvergütungen und die von hausärztlich tätigen Ärzten erbrachten fachärztlichen Leistungen nicht den fachärztlichen Teil der Gesamtvergütungen mindern. Die Kassenärztliche Vereinigung wendet bei der Verteilung den Verteilungsmaßstab an, der im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen festgesetzt worden ist. Die Vergütung der Leistungen im Notfall und im Notdienst erfolgt aus einem vor der Trennung für die Versorgungsbereiche gebildeten eigenen Honorarvolumen mit der Maßgabe, dass für diese Leistungen im Verteilungsmaßstab keine Maßnahmen zur Begrenzung oder Minderung des Honorars angewandt werden dürfen; Gleiches gilt unter Beachtung der nach § 87a Absatz 3b Satz 7 beschlossenen Vorgaben für die Vergütung der Leistungen des Versorgungsbereichs der Kinder- und Jugendmedizin, die gegenüber Patienten erbracht werden, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Bisherige Bestimmungen, insbesondere zur Zuweisung von arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumen, gelten bis zur Entscheidung über einen Verteilungsmaßstab vorläufig fort.

(2) Der Verteilungsmaßstab hat Regelungen vorzusehen, die verhindern, dass die Tätigkeit des Leistungserbringers über seinen Versorgungsauftrag nach § 95 Absatz 3 oder seinen Ermächtigungsumfang hinaus übermäßig ausgedehnt wird; dabei soll dem Leistungserbringer eine Kalkulationssicherheit hinsichtlich der Höhe seines zu erwartenden Honorars ermöglicht werden. Der Verteilungsmaßstab hat der kooperativen Behandlung von Patienten in dafür gebildeten Versorgungsformen angemessen Rechnung zu tragen. Für Praxisnetze, die von den Kassenärztlichen Vereinigungen anerkannt sind, müssen gesonderte Vergütungsregelungen vorgesehen werden; für solche Praxisnetze können auch eigene Honorarvolumen als Teil der morbiditätsbedingten Gesamtvergütungen nach § 87a Absatz 3 gebildet werden. Im Verteilungsmaßstab sind Regelungen zur Vergütung psychotherapeutischer Leistungen der Psychotherapeuten, der Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, der Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie, der Fachärzte für Nervenheilkunde, der Fachärzte für psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie der ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte zu treffen, die eine angemessene Höhe der Vergütung je Zeiteinheit gewährleisten. Im Verteilungsmaßstab dürfen keine Maßnahmen zur Begrenzung oder Minderung des Honorars für anästhesiologische Leistungen angewandt werden, die im Zusammenhang mit vertragszahnärztlichen Behandlungen von Patienten mit mangelnder Kooperationsfähigkeit bei geistiger Behinderung oder schwerer Dyskinesie notwendig sind. Widerspruch und Klage gegen die Honorarfestsetzung sowie gegen deren Änderung oder Aufhebung haben keine aufschiebende Wirkung.

(2a) Mindert sich die Fallzahl in einem die Fortführung der Arztpraxis gefährdenden Umfang infolge einer Pandemie, Epidemie, Endemie, Naturkatastrophe oder eines anderen Großschadensereignisses, soll die Kassenärztliche Vereinigung im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen im Verteilungsmaßstab geeignete Regelungen zur Fortführung der vertragsärztlichen Tätigkeit des Leistungserbringers vorsehen. Regelungen nach Satz 1 können auch bei einer Minderung von Fallzahlen von Leistungen vorgesehen werden, die nach § 87a Absatz 3 Satz 5 Nummer 1, 3, 4, 5 und 6 und Satz 6 vergütet werden. In der Vergangenheit gebildete und noch nicht aufgelöste Rückstellungen im Rahmen der Honorarverteilung sollen ebenfalls verwendet werden. Eine weitere Voraussetzung für die Zahlung von Kompensationszahlungen ist, dass der vertragsärztliche Leistungserbringer die in § 19a Absatz 1 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte festgelegten Mindestsprechstunden einhält. Bei einer Unterschreitung der in § 19a Absatz 1 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte festgelegten Mindestsprechstunden können Kompensationszahlungen nur vorgenommen werden, wenn der vertragsärztliche Leistungserbringer durch eine Pandemie, Epidemie, Endemie, Naturkatastrophe oder ein anderes Großschadensereignis verursachte rechtfertigende Gründe für die Unterschreitung nachweist.

(3) Hat der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen einen Beschluss nach § 100 Absatz 1 oder 3 getroffen, dürfen für Ärzte der betroffenen Arztgruppe im Verteilungsmaßstab Maßnahmen zur Fallzahlbegrenzung oder -minderung nicht bei der Behandlung von Patienten des betreffenden Planungsbereiches angewendet werden. Darüber hinausgehend hat der Verteilungsmaßstab geeignete Regelungen vorzusehen, nach der die Kassenärztliche Vereinigung im Einzelfall verpflichtet ist, zu prüfen, ob und in welchem Umfang diese Maßnahme ausreichend ist, die Sicherstellung der medizinischen Versorgung zu gewährleisten. Die Kassenärztliche Vereinigung veröffentlicht einmal jährlich in geeigneter Form Informationen über die Grundsätze und Versorgungsziele des Honorarverteilungsmaßstabs.

(4) Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat Vorgaben zur Festlegung und Anpassung des Vergütungsvolumens für die hausärztliche und fachärztliche Versorgung nach Absatz 1 Satz 1 sowie Kriterien und Qualitätsanforderungen für die Anerkennung besonders förderungswürdiger Praxisnetze nach Absatz 2 Satz 3 als Rahmenvorgabe für Richtlinien der Kassenärztlichen Vereinigungen, insbesondere zu Versorgungszielen, im Einvernehmen mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen zu bestimmen. Darüber hinaus hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung Vorgaben insbesondere zu den Regelungen des Absatzes 2 Satz 1 bis 4 und zur Durchführung geeigneter und neutraler Verfahren zur Honorarbereinigung zu bestimmen; dabei ist das Benehmen mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen herzustellen. Die Vorgaben nach den Sätzen 1 und 2 sind von den Kassenärztlichen Vereinigungen zu beachten. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben bis spätestens zum 23. Oktober 2015 Richtlinien nach Satz 1 zu beschließen.

(5) Die Regelungen der Absätze 1 bis 4 gelten nicht für vertragszahnärztliche Leistungen.

(1) Ein schriftlicher oder elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt ist mit einer Begründung zu versehen. In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Die Begründung von Ermessensentscheidungen muss auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist.

(2) Einer Begründung bedarf es nicht,

1.
soweit die Behörde einem Antrag entspricht oder einer Erklärung folgt und der Verwaltungsakt nicht in Rechte eines anderen eingreift,
2.
soweit demjenigen, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne Begründung für ihn ohne weiteres erkennbar ist,
3.
wenn die Behörde gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlässt und die Begründung nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist,
4.
wenn sich dies aus einer Rechtsvorschrift ergibt,
5.
wenn eine Allgemeinverfügung öffentlich bekannt gegeben wird.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1 bis 3 ist der Verwaltungsakt schriftlich oder elektronisch zu begründen, wenn der Beteiligte, dem der Verwaltungsakt bekannt gegeben ist, es innerhalb eines Jahres seit Bekanntgabe verlangt.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. Dezember 2014 aufgehoben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 3. April 2013 mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte bei seiner erneuten Entscheidung die Rechtsauffassung des erkennenden Senats zu beachten hat.

Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sowie die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2. bis 6.

Tatbestand

1

Im Streit steht die Rechtmäßigkeit von Honorarkürzungen aufgrund von Wirtschaftlichkeitsprüfungen der Behandlungsweise in den Quartalen III/2005, IV/2005 und IV/2006 in Höhe von insgesamt 3263,75 Euro.

2

Die zu 1. beigeladene Fachärztin für Allgemeinmedizin nimmt seit dem 1.7.1997 im Bezirk der klagenden KÄV an der vertragsärztlichen Versorgung teil; sie führt die Zusatzbezeichnung Diabetologie. Mit Bescheid vom 19.10.2009 setzte die Prüfungsstelle nach Durchführung einer - auf einzelne Gebührenordnungspositionen (GOP) des einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen (EBM-Ä, hier in der Fassung des bis Ende 2007 geltenden "EBM 2000 plus") bezogenen - statistischen Vergleichsprüfung Honorarkürzungen für die Quartale III/2005 und IV/2005 fest: Bei Leistungen nach der Nr 03311 EBM-Ä ("Ganzkörperstatus") sowie der Nr 03320 EBM-Ä ("Elektrokardiographische Untersuchung") erfolgte eine Kürzung auf das Doppelte des gewichteten Vergleichsgruppendurchschnitts (+ 100 %). Hiergegen legte die Beigeladene zu 1. Widerspruch ein. Mit weiterem Bescheid vom 23.8.2010 setzte die Prüfungsstelle Honorarkürzungen bezüglich des Quartals IV/2006 fest: Leistungen nach Nr 03120 EBM-Ä ("Beratung, Erörterung und/oder Abklärung") wurden bis auf eine Überschreitung des gewichteten Vergleichsgruppendurchschnitts um + 60 % (einschließlich eines Bonus von 10 % für Praxisbesonderheiten) gekürzt. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch.

3

Mit Widerspruchsbescheid vom 30.8.2011 (aus der Sitzung vom 4.5.2011) gab der beklagte Beschwerdeausschuss dem Widerspruch gegen den Bescheid vom 19.10.2009 (Quartale III/2005 und IV/2005) - unter Zurückweisung im Übrigen - teilweise statt. Der Beklagte bestätigte die Kürzungen bei den GOP Nr 03320 und 03311 EBM-Ä auf die - beim Doppelten des Vergleichsgruppendurchschnitts angenommene - Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis, bereinigte allerdings bei der GOP Nr 03311 EBM-Ä vorab die Überschreitungswerte um einen als Praxisbesonderheit anerkannten Mehraufwand für Kinder bis fünf Jahren. Bezüglich der Nr 03120 EBM-Ä bestätigte der Beklagte die Entscheidung der Prüfungsstelle, insoweit das "offensichtliche Missverhältnis" bei einer Überschreitung des Vergleichsgruppendurchschnitts um 50 % anzusetzen, ebenso deren Entscheidung, für die Quartale III und IV/2005 "das Kürzungsmaß" wegen der Einführung des neuen EBM-Ä um einen "Bonus" von 50 % anzuheben. Zugleich wies der Beklagte (im Ergebnis) den Widerspruch gegen den Bescheid vom 23.8.2010 (Quartal IV/2006) zurück und bestätigte die Kürzung bei der GOP Nr 03120 EBM-Ä auf eine Überschreitung um 50 %; allerdings erkannte er vorab in jedem "Diabetikerfall", in dem keine internistische "Chronikerziffer" (3210) abgerechnet wurde, je ein Gespräch nach der Nr 03120 EBM-Ä zu.

4

Auf die Klage der KÄV hat das SG den Bescheid des Beklagten aufgehoben und diesen verurteilt, erneut über die gegen die Bescheide der Prüfungsstelle erhobenen Widersprüche der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. zu entscheiden (Urteil vom 3.4.2013). Der Bescheid vom 30.8.2011 enthalte keine ausreichende Begründung dazu, weshalb der Beklagte bei den von ihm beanstandeten GOP unterschiedliche Grenzen zum Vorliegen eines offensichtlichen Missverhältnisses angesetzt und entsprechende Kürzungen vorgenommen habe. Die - von der Klägerin in Zweifel gezogene - statistische Vergleichbarkeit der Nr 03311 EBM-Ä sei hingegen gegeben, weil entscheidend sei, dass der obligate Leistungsinhalt erbracht werde; allein hieraus entstehe bereits eine Aussagekraft hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung.

5

Auf die Berufung des Beklagten hat das LSG das Urteil des SG geändert, die Klage abgewiesen und die Anschlussberufung der Beigeladenen zu 1. zurückgewiesen (Urteil vom 18.12.2014). Zur Begründung hat das LSG - unter teilweiser Inbezugnahme der erstinstanzlichen Entscheidung - ausgeführt, entgegen der Auffassung des SG seien die Prüfgremien nicht verpflichtet, bei ihrer Entscheidung über die Grenze des offensichtlichen Missverhältnisses und über die Höhe des Regresses die Entscheidungen zu einzelnen GOP zueinander in Beziehung zu setzen und Unterschiede zu begründen, weil die Entscheidungen zur Wirtschaftlichkeit hinsichtlich einzelner GOP nicht von der Entscheidung zu anderen GOP abhingen. Einer zusätzlichen Begründung im angefochtenen Bescheid habe es auch ansonsten nicht bedurft. Der Beklagte habe nachvollziehbar dargelegt, dass ein Mehraufwand hinsichtlich der GOP Nr 03120 EBM-Ä durch die Betreuung von Heimpatienten nicht begründbar sei, da die von der Beigeladenen zu 1. abgerechnete GOP Nr 03002 EBM-Ä eine kontinuierliche Betreuung beinhalte; hinsichtlich der GOP Nr 03311 EBM-Ä habe der Beklagte in nicht zu beanstandender Weise dargelegt, dass der routinemäßige Ansatz unwirtschaftlich gewesen sei.

6

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von Bundesrecht. Wenn nach der Rechtsprechung des BSG bei unterschiedlichen Voraussetzungen Kürzungen in gleicher Höhe eine weitergehende Begründung erforderten, um die Korrektheit der durchgeführten Ermessensentscheidung überprüfen zu können, bedürfe eine unterschiedliche Festsetzung des "offensichtlichen Missverhältnisses" bei identischen Voraussetzungen ebenfalls einer weitergehenden Begründung. Mit Recht habe das SG entschieden, dass hier auch für den sachkundigen Adressaten nicht erkennbar sei, warum der Beklagte das offensichtliche Missverhältnis in unterschiedlicher Höhe festgesetzt habe. Es liege daher ein Begründungsmangel vor.

7

Bei seiner erneuten Entscheidung werde der Beklagte auch seine Entscheidung zur Kürzung der Nr 03311 EBM-Ä korrigieren müssen, da insoweit die Voraussetzungen für eine statistische Vergleichsprüfung nicht vorlägen. Aus der Abrechnung der Nr 03311 EBM-Ä ergebe sich kein eindeutiger Leistungsinhalt, weil die GOP neben einem obligaten noch einen fakultativen Leistungsinhalt habe. Solange nicht klar sei, in welchem Umfang der geprüfte Arzt auf der einen und die zum Vergleich herangezogenen Kollegen auf der anderen Seite tatsächlich auch die fakultative Leistungsalternative erbracht hätten, sei der Schluss von der Überschreitung des Durchschnitts der Fallwerte auf eine Unwirtschaftlichkeit logisch nicht nachvollziehbar, da die wesentlichen Bedingungen der abgerechneten GOP möglicherweise nicht identisch seien. Betreue ein Arzt - wie die Beigeladene zu 1. - einen überdurchschnittlichen Anteil von Patienten in beschützenden Wohnheimen oder Pflege- und Altenheimen, sei nachvollziehbar, dass bei der Betreuung eines in seiner Kommunikationsfähigkeit eingeschränkten Personenkreises häufiger "eingehende Untersuchungen" erforderlich sein könnten. Die fakultative Leistungsalternative werde dabei weniger zum Einsatz kommen als bei Patienten, die dem Arzt bisher nicht bekannt seien. In der gleichen Zeit könne ein Arzt mehr Leistungen (allein mit dem obligaten Leistungsinhalt) erbringen als die Vergleichsgruppe.

8

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 18.12.2014 aufzuheben und das Urteil des SG Mainz vom 3.4.2013 mit der Maßgabe abzuändern, dass der Beklagte bei seiner erneuten Entscheidung die Rechtsauffassung des BSG zu beachten hat.

9

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

10

Bereits aus dem Tenor der angefochtenen Verwaltungsentscheidung gehe ausreichend hervor, warum er - der Beklagte - unterschiedliche Grenzen zum offensichtlichen Missverhältnis bei den verschiedenen Einzelleistungen gezogen habe, da er dort auf die Berücksichtigung der Einführung eines neuen EBM-Ä sowie eines Mehranteils für Kinder hingewiesen habe. Zudem hätten sämtliche Kürzungen über der von der Rechtsprechung des BSG als vertretbar angesehenen Überschreitungstoleranz von 40 % gelegen. Die Entscheidung der Prüfgremien zur Wirtschaftlichkeit einzelner GOP hänge nicht von der Entscheidung zu anderen GOP ab, da bereits die Leistungslegenden der einzelnen GOP grundsätzlich unterschiedlich und schon deshalb nicht miteinander vergleichbar seien. Auch bezüglich der GOP Nr 03311 EBM-Ä sei die Entscheidung nicht zu beanstanden: Ob eine GOP einen obligaten und fakultativen Leistungsinhalt aufweise, habe keine Auswirkung auf die statistische Aussagekraft einer Vergleichsprüfung.

11

Die Beigeladenen haben weder Anträge gestellt noch sich sonst geäußert.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision der KÄV ist zulässig (stRspr des BSG zur Rechtsmittelbefugnis und Aktivlegitimation der KÄVen in Angelegenheiten der Wirtschaftlichkeitsprüfung, vgl zB BSGE 92, 283, 289 = SozR 4-2500 § 106 Nr 5, RdNr 21; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 12 mwN; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 34 RdNr 17; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 35 RdNr 16) und auch begründet. Der angefochtene Bescheid des beklagten Beschwerdeausschusses, der alleiniger Gegenstand des Verfahrens ist (stRspr, vgl zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 15 mwN; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 11 mwN), ist nicht rechtmäßig. Der Beklagte wird daher erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats über die Widersprüche der Klägerin gegen die Bescheide der Prüfungsstelle vom 19.10.2009 und vom 23.8.2010 zu entscheiden haben.

13

1. Rechtsgrundlage der Honorarkürzung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise ist § 106 Abs 2 SGB V(hier zugrunde zu legen idF des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003, BGBl I 2190, 2214, die in den Quartalen III/2005 bis IV/2006 galt; zur Maßgeblichkeit des im jeweiligen Prüfzeitraum geltenden Rechts siehe BSGE 117, 149 = SozR 4-2500 § 106 Nr 48, RdNr 37 ff). Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung unter anderem durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen auf der Grundlage von arztbezogenen und versichertenbezogenen Stichproben (aaO Satz 1 Nr 2) geprüft. Über diese in Satz 1 aaO vorgesehenen Prüfungsarten hinaus können die Landesverbände der Krankenkassen mit den KÄVen gemäß § 106 Abs 2 Satz 4 SGB V Prüfungen ärztlicher oder ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten oder andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren. Nach den Feststellungen des SG waren nach § 10 Abs 1 Nr 3 der hier einschlägigen Prüfvereinbarung arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach Durchschnittswerten vorgesehen.

14

Bei dieser Prüfmethode wird der Aufwand des geprüften Arztes je Fall mit dem durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe - im Regelfall der Arztgruppe, der der Arzt angehört - verglichen. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass die Vergleichsgruppe im Durchschnitt insgesamt wirtschaftlich handelt (stRspr, vgl zB BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 54 S 303; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 2 RdNr 14, 15; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19, RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 35 RdNr 17). Ergibt die Prüfung, dass der Behandlungs- oder Verordnungsaufwand des geprüften Arztes - beim Gesamtfallwert, bei Sparten- oder bei Einzelleistungswerten - in offensichtlichem Missverhältnis zum durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe steht, diesen nämlich in einem Ausmaß überschreitet, das sich nicht mehr durch Unterschiede in der Praxisstruktur wie Praxisbesonderheiten und/oder sog kompensierende Einsparungen erklären lässt, so ist die Folgerung der Unwirtschaftlichkeit gerechtfertigt (stRspr, s dazu zB BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 57 S 319; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 19; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19, RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 35 RdNr 17).

15

2. Es ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass der Beklagte die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise im Wege einer auf Einzelleistungen bezogenen Prüfung nach Durchschnittswerten untersucht hat.

16

a. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann eine Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten auch auf Einzelleistungswerte - also auf einzelne GOP des EBM-Ä - bezogen werden (vgl zB BSGE 76, 53, 57 f = SozR 3-2500 § 106 Nr 26 S 148 f; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 3 RdNr 9; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 13). Eine derartige, auf Teilbereiche der ärztlichen Tätigkeit beschränkte Gegenüberstellung von Fallkosten ist unter der Voraussetzung einer hinreichenden Vergleichbarkeit zulässig, da der Vertragsarzt verpflichtet ist, in dem Sinne umfassend wirtschaftlich zu behandeln, dass das Wirtschaftlichkeitsgebot auch in jedem Teilbereich seiner Tätigkeit gewahrt ist (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 15). Voraussetzung eines Einzelleistungsvergleichs ist es, dass es sich bei der geprüften GOP um eine fachgruppentypische Leistung handelt, also um eine solche, die für die Vergleichsgruppe prägend ist und zumindest von einem größeren Teil der Fach- bzw Vergleichsgruppenmitglieder regelmäßig in nennenswerter Zahl erbracht wird (stRspr, vgl zB BSGE 76, 53, 57 = SozR 3-2500 § 106 Nr 26 S 148 f; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 3 RdNr 9 mwN; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 24). Eine fachgruppentypische Leistung liegt insbesondere dann vor, wenn sie von über 50 % der Mitglieder der Fach- bzw Vergleichsgruppe erbracht wird (BSGE 74, 70, 76 = SozR 3-2500 § 106 Nr 23 S 130; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 3 RdNr 11; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 24). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nach den - nicht von den Beteiligten angegriffenen - Feststellungen des SG erfüllt.

17

b. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist eine hinreichende Vergleichbarkeit auch in Bezug auf die GOP Nr 03311 EBM-Ä ("Ganzkörperstatus") gegeben, auch wenn diese sowohl einen obligatorischen als auch einen fakultativen Leistungsinhalt hat.

18

Obligater Leistungsinhalt der GOP ist die Erhebung des Ganzkörperstatus (dh eine Untersuchung "von Kopf bis Fuß" - vgl Kölner Kommentar zum EBM, Stand 1.4.2016, zu Nr 27310 EBM-Ä nF); fakultativer Inhalt ist die Leistung nach der Nr 03312 EBM-Ä, dh die "klinisch-neurologische Basisdiagnostik", wobei die Nr 03312 EBM-Ä ihrerseits "obligate" Leistungsinhalte - Erhebung des Reflexstatus sowie Prüfung der Motorik und der Sensibilität - und fakultative Leistungsinhalte hat. Die Nr 03312 EBM-Ä ist nicht neben der Nr 03311 EBM-Ä berechnungsfähig. Eine GOP ist nach Nr 2.1 Abs 1 der Allgemeinen Bestimmungen zum EBM-Ä nur dann berechnungsfähig, wenn der Leistungsinhalt vollständig erbracht worden ist. Die Vollständigkeit der Leistungserbringung ist nach Abs 2 aaO gegeben, wenn die "obligaten" Leistungsinhalte erbracht worden sind. Der "fakultative" Leistungsinhalt tritt daher nicht - quasi als "aliud" - an die Stelle des obligatorischen, sondern vielmehr hinzu. Erbringt ein Arzt neben dem Ganzkörperstatus auch die klinisch-neurologische Basisdiagnostik, erhält er diese - isoliert mit 175 Punkten bewertete - Leistung nicht gesondert vergütet, sondern nur insgesamt 300 Punkte für die Nr 03311 EBM-Ä.

19

Dass eine GOP auch fakultative Leistungsbestandteile hat, steht einer statistischen Vergleichsprüfung nicht entgegen. Maßgeblich ist allein, dass es sich um eine fachgruppentypische Leistung handelt, die von der großen Mehrzahl der Ärzte der Fachgruppe regelmäßig erbracht wird. Wenn ein Arzt eine GOP signifikant häufiger erbringt und abrechnet als die Vergleichsgruppe, ohne dass dies durch Praxisbesonderheiten erklärbar ist, begründet allein dies die Annahme der Unwirtschaftlichkeit. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass entweder der geprüfte Arzt oder die Vergleichsgruppe in größerem oder geringerem Umfang zusätzlich fakultative Leistungsbestandteile erbringen.

20

Soweit die Klägerin vorträgt, dass ein Arzt, der lediglich den obligatorischen Teil der Leistung erbringe, gegenüber einem Arzt, der zusätzlich den fakultativen Leistungsbestandteil erbringe, einen Zeitvorteil besitze, also insgesamt mehr Leistungen erbringen könne, ohne dass dies unwirtschaftlich sei, legt sie nicht schlüssig dar, wieso dies auch in Bezug auf die Beigeladene zu 1. gelten soll. So wird zum einen vorgetragen, dass diese wegen der Betreuung von Heimbewohnern weniger fakultative Leistungsbestandteile als der Durchschnitt der Vergleichsgruppe erbringe, weil die Patienten bekannt seien, zum anderen, dass gerade die Betreuung von Demenzkranken vermehrt Leistungen nach der Nr 03311 EBM-Ä erforderten, weil sich diese nur eingeschränkt artikulieren könnten. Dabei bleibt zum einen offen, wieso sich der Umstand, dass die Patienten dem Arzt bekannt sind, allein auf die Erbringung der fakultativen Leistungsteile und nicht auch auf deren obligatorischen Leistungsinhalt auswirken soll. Zum anderen läge es in Bezug auf kommunikationsgestörte Patienten nahe, dass dann, wenn dieser Umstand dem Grunde nach zu einem erhöhten Untersuchungsbedarf führte, sowohl von einem erhöhten Bedarf nach einer (obligatorischen) Erhebung des Ganzkörperstatus als auch nach einer (fakultativen) klinisch-neurologischen Basisdiagnostik auszugehen wäre.

21

Unabhängig davon verdeutlicht die Argumentation, dass etwaige Unterschiede in Bezug auf die Leistungserbringung bei derartigen Leistungen ggf bei der Prüfung von Praxisbesonderheiten zu berücksichtigen wären - sowie möglicherweise im Rahmen von Plausibilitätsprüfungen nach § 106a SGB V -, dies jedoch die Vergleichbarkeit der Leistungserbringung nicht dem Grunde nach infrage stellt.

22

3. Es ist auch - im Grundsatz - nicht beanstanden, wenn Prüfgremien im Rahmen einer Einzelleistungsprüfung die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis teilweise bei einer Überschreitung des Durchschnitts der Vergleichsgruppe um 100 %, teilweise hingegen bereits bei einer Überschreitung von zB 50 % festsetzen.

23

Die Prüfgremien sind zum einen nicht gehalten, die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bei allen geprüften GOP einheitlich festzusetzen. So steht ihnen bei der Festlegung des für das offensichtliche Missverhältnis maßgeblichen Grenzwertes ein - gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer - Beurteilungsspielraum zu (stRspr, zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 12; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 34 RdNr 41-42; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 35 RdNr 36), weil die Festlegung auch bei Berücksichtigung aller relevanten Umstände eine wertende Entscheidung erfordert (BSGE 74, 70, 71 = SozR 3-2500 § 106 Nr 23 S 125; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 25 S 139). Schon damit ist die Annahme nicht vereinbar, dass zwischen einzelnen GOP nicht aus Sachgründen differenziert werden dürfe. Zudem hängt die Festlegung der Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis von einer Vielzahl von Faktoren - etwa von der Homogenität und der Streubreite - ab, die es geradezu bedingen, dass die Grenzwerte je nach GOP unterschiedlich hoch angesetzt werden.

24

Die Prüfgremien sind zum anderen auch bei einer Einzelleistungsprüfung grundsätzlich berechtigt, Grenzwerte festzulegen, die das Doppelte des Vergleichsgruppendurchschnitts unterschreiten. Zwar liegt es bei einem Einzelleistungsvergleich grundsätzlich nahe, bei der Festlegung der Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis höhere Grenzwerte als bei einem Gesamtvergleich in Betracht zu ziehen, weil die Aussagekraft des Vergleichs tendenziell geringer und die Gefahr von Fehlinterpretationen größer ist, da sich unterschiedliche Diagnose- und Behandlungsmethoden der Ärzte hier naturgemäß stärker auswirken (stRspr, vgl BSGE 62, 24, 30 = SozR 2200 § 368n Nr 48 S 162; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 11 S 57 f; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 12; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 24). Daher hat der Senat in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, dass bei einer Einzelleistungsprüfung ein "offensichtliches Missverhältnis" - typisierend - jedenfalls dann angenommen werden kann, wenn der entsprechende Wert der Vergleichsgruppe um mehr als 100 % überschritten wird (siehe zB BSGE 74, 70, 76 = SozR 3-2500 § 106 Nr 23 S 130; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 12; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 3 RdNr 16), um die verbleibenden Unwägbarkeiten einer statistischen Vergleichsprüfung zu erfassen (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 12).

25

Dieser Wert stellt allerdings keine absolute Untergrenze dar (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 3 RdNr 17), sondern kann unterschritten werden. Nach der Senatsrechtsprechung kommt ein niedrigerer Grenzwert in besonderen Fällen in Betracht, etwa bei Einzelleistungen mit einer sehr homogenen Kostenverteilung und nur geringer Streuung (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 11 S 58), bei einer homogenen Vergleichsgruppenzusammensetzung und vergleichsgruppentypischen Leistungen (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 12; BSG Urteil vom 23.2.2005 - B 6 KA 79/03 R - RdNr 22, Juris = ArztR 2005, 291, 293), bei Arztgruppen mit einem engen Leistungsspektrum (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 3 RdNr 16)und bei genau umrissenen, nicht anders ersetzbaren Einzelleistungen innerhalb einer hinreichend homogenen Vergleichsgruppe (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 3 RdNr 16; BSG Urteil vom 23.2.2005 - B 6 KA 79/03 R - RdNr 22, Juris = ArztR 2005, 291, 293). Dies gilt insbesondere für typische Grundleistungen, die nur in bestimmten, genau umschriebenen Krankheitszuständen zum Einsatz kommen (BSGE 74, 70, 74 = SozR 3-2500 § 106 Nr 23 S 128). Es müssen also Besonderheiten vorliegen, welche die Annahme rechtfertigen, dass nur geringe Unsicherheiten in Bezug auf den durch den statistischen Vergleich begründeten Anscheinsbeweis der Unwirtschaftlichkeit bestehen.

26

Soweit sich in einigen Entscheidungen des Senats im Anschluss an die vorstehend genannten Umstände die Wendung findet, dass selbst gegen Grenzwerte von unter 40 % keine Bedenken bestünden, wenn die Prüfgremien Besonderheiten der Praxis von vornherein mitberücksichtigt haben, es also um eine Grenzwertfestlegung geht, die erfolgt, nachdem der statistische Vergleich bereits um anerkennenswerte individuelle Umstände des Arztes bereinigt worden ist (so BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 3 RdNr 17; BSG ArztR 2005, 291, 293), stellt der Senat klar, dass diese Aussage nicht in dem Sinne zu verstehen ist, dass bei einem Vergleich derart bereinigter Werte auch bei einer Einzelleistungsprüfung ohne Weiteres niedrigere Grenzwerte zulässig sind. Dies würde eine Gleichstellung der Einzelleistungsprüfung mit einem Gesamtfallwertvergleich bedeuten, die angesichts der bereits dargelegten Besonderheiten einer auf einzelne GOP beschränkten Prüfung nicht gerechtfertigt wäre. Der Senat hält daran fest, dass ein das Doppelte des Vergleichsgruppendurchschnitts unterschreitender Grenzwert nur dann in Betracht kommt, wenn einer der genannten besonderen Umstände vorliegt.

27

4. Ob der Beklagte nach diesen Maßstäben berechtigt war, die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bei der GOP Nr 03120 EBM-Ä ("Beratung, Erörterung und/oder Abklärung") unterhalb des Doppelten des Vergleichsgruppendurchschnitts festzusetzen, vermag der Senat nicht abschließend zu beurteilen, weil sich der Begründung des Bescheides nicht entnehmen lässt, aufgrund welcher besonderen Umstände sich der Beklagte dazu berechtigt gesehen hat, den Grenzwert bei einer Überschreitung des Vergleichsgruppendurchschnitts um 50 % anzusetzen. Die Entscheidung des Beklagten leidet daher jedenfalls unter einem Begründungsmangel. Auf diesem Begründungsmangel beruht der Bescheid, sodass er keinen Bestand haben kann.

28

a. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats müssen die Prüfgremien ihre Ausführungen zum Vorliegen der Voraussetzungen für Maßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung derart verdeutlichen, dass im Rahmen der - infolge von Beurteilungs- und Ermessensspielräumen eingeschränkten - gerichtlichen Überprüfung zumindest die zutreffende Anwendung der einschlägigen Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 2 RdNr 11 - jeweils unter Hinweis auf BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 25 S 139; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 49 RdNr 58, 61). Die Begründungspflicht des § 35 Abs 1 SGB X dient als Korrektiv zu den weitgehenden Spielräumen und der nur eingeschränkt möglichen Überprüfung der Prüfbescheide durch die Gerichte(BSGE 69, 138, 142 = SozR 3-2500 § 106 Nr 6 S 25) und damit dem Interesse eines effektiven Rechtsschutzes (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 2 RdNr 11; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 49 RdNr 58; zur Bedeutung der Begründungsanforderungen im Hinblick auf Art 19 Abs 4 GG vgl auch BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 56 RdNr 21). Durch entsprechende Begründungsanforderungen wird daher die Überprüfbarkeit der Prüfbescheide gewährleistet (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 49 RdNr 58).

29

Diese Anforderungen dürfen zwar nicht überspannt werden, da sich gerade Maßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung regelmäßig an einen sachkundigen Personenkreis richten, sodass sich die Begründung auf die Angabe der maßgebend tragenden Erwägungen beschränken kann (vgl BSGE 74, 70, 75 = SozR 3-2500 § 106 Nr 23 S 129; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 2 RdNr 11); jedoch müssen die Ausführungen erkennen lassen, wie das Behandlungsverhalten des Arztes bewertet wurde und auf welchen Erwägungen die betroffene Kürzungsmaßnahme beruht (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 2 RdNr 11; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 49 RdNr 61; siehe schon BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 41 S 225).

30

Damit sie auf ihre sachliche Richtigkeit und Plausibilität hin überprüft werden können, müssen grundsätzlich auch die zur Festlegung des offensichtlichen Missverhältnisses und des entsprechenden Grenzwerts angestellten Erwägungen im Bescheid genannt werden oder zumindest für die Beteiligten und das Gericht erkennbar sein (BSGE 74, 70, 71 = SozR 3-2500 § 106 Nr 23 S 125; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 25 S 139). Soweit Prüfgremien die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis "typisierend" bei 100 % festlegen, bedarf es keiner vertieften Begründung (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 14). Setzen sie die Grenze hingegen bei einem Einzelleistungsvergleich niedriger an, ist es geboten, dass sie die hierfür maßgeblichen Gründe im Bescheid verdeutlichen, weil sich damit die Rechtfertigung der Grenzziehung nicht mehr aus der vom Senat gebilligten "Typisierung" ergibt. Zumindest für den fachkundigen Arzt muss erkennbar sein, warum die Prüfgremien sich dazu entschlossen haben, den Grenzwert niedriger festzusetzen.

31

b. Dem Bescheid des Beklagten lässt sich nicht entnehmen, aus welchem Grund dieser sich dazu berechtigt gesehen hat, bei der GOP Nr 03120 EBM-Ä die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bei lediglich 50 % anzusetzen. Auf Seite 12 der Bescheidbegründung wird diesbezüglich allein darauf verwiesen, dass diese Gesprächsleistung von fast allen Praxen der Fachgruppe in großem Umfang ebenfalls erbracht werde, sodass es sich hierbei um eine absolut fachgruppentypische Leistung handele. Auf Seite 14 des Bescheides heißt es sodann: "Das offensichtliche Missverhältnis wird bei dieser fachgruppentypischen GOP beim gewichteten Vergleichsgruppendurchschnitt + 50 % angesiedelt."

32

Vergleicht man die im Bescheid des Beklagten verwendete Formulierung mit den vom Senat aufgestellten Anforderungen an einen Einzelleistungsvergleich ("fachgruppentypische Leistung, die zumindest von einem größeren Teil der Fachgruppenmitglieder regelmäßig in nennenswerter Zahl erbracht wird"), verbleibt nichts an eigenständiger Aussage, um die niedrigere Grenzwertfestsetzung zu erklären. Zudem verwendet der Beklagte die Begründung "fachgruppentypische GOP" zB auch bei der Nr 03311 EBM-Ä, bei der er jedoch die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bei + 100 % ansetzt. Eine weitergehende Begründung für die deutliche Differenzierung zwischen den geprüften GOP enthält der Bescheid nicht.

33

Soweit der Beklagte darauf verweist, dass bereits aus dem Tenor seiner Entscheidung ausreichend hervorgehe, warum er die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bei den verschiedenen Einzelleistungen unterschiedlich bestimmt habe, ist diese Argumentation nicht nachvollziehbar. Dem dortigen Hinweis auf den wegen der Einführung des neuen EBM-Ä gewährten "Bonus" lässt sich nichts dafür entnehmen, warum der Beklagte die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bei einer Überschreitung des Vergleichsgruppendurchschnitts um 50 % angesetzt hat. Der Hinweis auf die Berücksichtigung eines "Mehranteils" für Kinder bis zu fünf Jahren bezieht sich auf die GOP Nr 03311 EBM-Ä, bei der die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis ohnehin (typisierend) bei 100 % angesetzt wurde.

34

Nach alledem wird der Beklagte bei seiner erneuten Entscheidung näher darzulegen haben, welche bei der Erbringung und Abrechnung der GOP Nr 03120 EBM-Ä bestehenden Besonderheiten es rechtfertigen, die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bei dieser GOP bei einer Überschreitung des Vergleichsgruppendurchschnitts von 50 % anzunehmen.

35

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO.

36

Danach hat der Beklagte die Kosten des Revisionsverfahrens sowie des Berufungsverfahrens zu tragen, da er unterlegen ist (§ 154 Abs 1 VwGO). Eine Erstattung der Kosten der Beigeladenen im Revisionsverfahren bzw der Beigeladenen zu 2. bis 6. im Berufungsverfahren ist nicht veranlasst.

(1) Die Krankenkasse entrichtet nach Maßgabe der Gesamtverträge an die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung mit befreiender Wirkung eine Gesamtvergütung für die gesamte vertragsärztliche Versorgung der Mitglieder mit Wohnort im Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung einschließlich der mitversicherten Familienangehörigen.

(2) Die Höhe der Gesamtvergütung wird im Gesamtvertrag vereinbart; die Landesverbände der Krankenkassen treffen die Vereinbarung mit Wirkung für die Krankenkassen der jeweiligen Kassenart. Die Gesamtvergütung ist das Ausgabenvolumen für die Gesamtheit der zu vergütenden vertragsärztlichen Leistungen; sie kann als Festbetrag oder auf der Grundlage des Bewertungsmaßstabes nach Einzelleistungen, nach einer Kopfpauschale, nach einer Fallpauschale oder nach einem System berechnet werden, das sich aus der Verbindung dieser oder weiterer Berechnungsarten ergibt. Die Vereinbarung unterschiedlicher Vergütungen für die Versorgung verschiedener Gruppen von Versicherten ist nicht zulässig. Die Vertragsparteien haben auch eine angemessene Vergütung für nichtärztliche Leistungen im Rahmen sozialpädiatrischer und psychiatrischer Tätigkeit und für eine besonders qualifizierte onkologische Versorgung zu vereinbaren; das Nähere ist jeweils im Bundesmantelvertrag zu vereinbaren. Die Vergütungen der Untersuchungen nach den §§ 22, 25 Abs. 1 und 2, § 26 werden als Pauschalen vereinbart. Beim Zahnersatz sind Vergütungen für die Aufstellung eines Heil- und Kostenplans nicht zulässig. Soweit die Gesamtvergütung auf der Grundlage von Einzelleistungen vereinbart wird, ist der Betrag des Ausgabenvolumens nach Satz 2 zu bestimmen. Ausgaben für Kostenerstattungsleistungen nach § 13 Abs. 2 und nach § 53 Abs. 4 mit Ausnahme der Kostenerstattungsleistungen nach § 13 Abs. 2 Satz 6 und Ausgaben auf Grund der Mehrkostenregelung nach § 28 Abs. 2 Satz 3 sind auf das Ausgabenvolumen nach Satz 2 anzurechnen.

(2a) (weggefallen)

(2b) (weggefallen)

(2c) Die Vertragspartner nach § 82 Abs. 1 können vereinbaren, daß für die Gesamtvergütungen getrennte Vergütungsanteile für die an der vertragsärztlichen Versorgung beteiligten Arztgruppen zugrunde gelegt werden; sie können auch die Grundlagen für die Bemessung der Vergütungsanteile regeln. § 89 Abs. 1 gilt nicht.

(2d) Die Punktwerte für zahnärztliche Leistungen ohne Zahnersatz dürfen im Jahr 2023 gegenüber dem Vorjahr höchstens um die um 0,75 Prozentpunkte verminderte durchschnittliche Veränderungsrate nach § 71 Absatz 3 angehoben werden. Die Punktwerte für zahnärztliche Leistungen ohne Zahnersatz dürfen im Jahr 2024 gegenüber dem Vorjahr höchstens um die um 1,5 Prozentpunkte verminderte durchschnittliche Veränderungsrate nach § 71 Absatz 3 angehoben werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Leistungen nach den §§ 22, 22a, 26 Absatz 1 Satz 5, § 87 Absatz 2i und 2j sowie Leistungen zur Behandlung von Parodontitis für Versicherte, die einem Pflegegrad nach § 15 des Elften Buches zugeordnet sind oder in der Eingliederungshilfe nach § 99 des Neunten Buches leistungsberechtigt sind. Das Bundesministerium für Gesundheit evaluiert bis zum 30. September 2023 die Auswirkungen der Begrenzung der Anhebungen der Punktwerte nach Satz 1 auf den Umfang der Versorgung der Versicherten mit Leistungen zur Behandlung von Parodontitis.

(3) In der vertragszahnärztlichen Versorgung vereinbaren die Vertragsparteien des Gesamtvertrages die Veränderungen der Gesamtvergütungen unter Berücksichtigung der Zahl und Struktur der Versicherten, der Morbiditätsentwicklung, der Kosten- und Versorgungsstruktur, der für die vertragszahnärztliche Tätigkeit aufzuwendenden Arbeitszeit sowie der Art und des Umfangs der zahnärztlichen Leistungen, soweit sie auf einer Veränderung des gesetzlichen oder satzungsmäßigen Leistungsumfangs beruhen. Bei der Vereinbarung der Veränderungen der Gesamtvergütungen ist der Grundsatz der Beitragssatzstabilität (§ 71) in Bezug auf das Ausgabenvolumen für die Gesamtheit der zu vergütenden vertragszahnärztlichen Leistungen ohne Zahnersatz neben den Kriterien nach Satz 1 zu berücksichtigen. Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt. Die Krankenkassen haben den Kassenzahnärztlichen Vereinigungen die Zahl ihrer Versicherten vom 1. Juli eines Jahres, die ihren Wohnsitz im Bezirk der jeweiligen Kassenzahnärztlichen Vereinigung haben, gegliedert nach den Altersgruppen des Vordrucks KM 6 der Statistik über die Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung bis zum 1. Oktober des Jahres mitzuteilen.

(3a) Die Gesamtvergütungen nach Absatz 3 dürfen im Jahr 2023 gegenüber dem Vorjahr höchstens um die um 0,75 Prozentpunkte verminderte durchschnittliche Veränderungsrate nach § 71 Absatz 3 angehoben werden. Im Jahr 2024 dürfen die Gesamtvergütungen für zahnärztliche Leistungen ohne Zahnersatz gegenüber dem Vorjahr höchstens um die um 1,5 Prozentpunkte verminderte durchschnittliche Veränderungsrate nach § 71 Absatz 3 angehoben werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Leistungen nach den §§ 22, 22a, 26 Absatz 1 Satz 5, § 87 Absatz 2i und 2j sowie Leistungen zur Behandlung von Parodontitis für Versicherte, die einem Pflegegrad nach § 15 des Elften Buches zugeordnet sind oder in der Eingliederungshilfe nach § 99 des Neunten Buches leistungsberechtigt sind. Das Bundesministerium für Gesundheit evaluiert bis zum 30. September 2023 die Auswirkungen der Begrenzung der Anhebungen der Gesamtvergütungen nach Satz 1 auf den Umfang der Versorgung der Versicherten mit Leistungen zur Behandlung von Parodontitis.

(4) Die Kassenzahnärztliche Vereinigung verteilt die Gesamtvergütungen an die Vertragszahnärzte. Sie wendet dabei in der vertragszahnärztlichen Versorgung den im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen festgesetzten Verteilungsmaßstab an. Bei der Verteilung der Gesamtvergütungen sind Art und Umfang der Leistungen der Vertragszahnärzte zugrunde zu legen; dabei ist jeweils für die von den Krankenkassen einer Kassenart gezahlten Vergütungsbeträge ein Punktwert in gleicher Höhe zugrunde zu legen. Der Verteilungsmaßstab hat sicherzustellen, dass die Gesamtvergütungen gleichmäßig auf das gesamte Jahr verteilt werden. Der Verteilungsmaßstab hat Regelungen zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Vertragszahnarztes entsprechend seinem Versorgungsauftrag nach § 95 Absatz 3 Satz 1 vorzusehen. Widerspruch und Klage gegen die Honorarfestsetzung sowie ihre Änderung oder Aufhebung haben keine aufschiebende Wirkung.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. November 2016 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auf 5582,82 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Beteiligten streiten um die Höhe des Honorars der Klägerin in den Quartalen I, III und IV/2011. Die Klägerin ist seit Dezember 2008 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Die beklagte KÄV ging davon aus, dass es sich bei der Praxis der Klägerin bezogen auf die streitgegenständlichen Quartale um eine „Jungpraxis“ handelt. Sie wies der Klägerin für die genannten Quartale deshalb zunächst - ausdrücklich vorläufig - ein RLV zu, das auf der Grundlage der durchschnittlichen Fallzahl der Arztgruppe ermittelt worden war. Mit den später ergangenen Honorarbescheiden änderte die Beklagte die RLV-Zuweisung, indem sie anstelle der durchschnittlichen Fallzahl die (unter dem Durchschnitt der Fachgruppe liegende) tatsächliche Fallzahl der Klägerin zugrunde legte. Daraus folgten Vergütungsquoten von 79,93 % im Quartal I/2011, 89,16 % im Quartal III/2011 und 91,14 % im Quartal IV/2011. Widersprüche, Klage und Berufung der Klägerin, mit der sie sich im Wesentlichen gegen die Berechnung des RLV unter Zugrundelegung ihrer tatsächlichen Fallzahl anstelle des Durchschnitts der Fachgruppe wandte, blieben ohne Erfolg.

2

Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil macht die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) geltend.

3

II. Die Beschwerde der Klägerin ist nicht begründet. Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache liegt nicht vor.

4

1. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BSG Beschluss vom 29.11.2006 - B 6 KA 23/06 B - SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 mwN; BSG Beschluss vom 28.04.2005 - B 9a/9 VG 15/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 5 RdNr 3). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt dann, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist und/oder wenn sie sich ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften und/oder aus der bereits vorliegenden Rechtsprechung klar beantworten lässt (hierzu s zB BSG Beschluss vom 31.3.1993 - 13 BJ 215/92 - SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6; BSG Beschluss vom 13.5.1997 - 13 BJ 271/96 - SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; vgl auch BSG Beschluss vom 30.9.1992 - 11 BAr 47/92 - SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; BSG Beschluss vom 30.3.2000 - B 12 KR 2/00 B - SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Diese Anforderungen sind verfassungsrechtlich unbedenklich (s die BVerfG-Angaben im BSG Beschluss vom 29.11.2006 - B 6 KA 23/06 B - SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 sowie BVerfG Beschluss vom 15.2.2006 - 1 BvR 2597/05 - SozR 4-1500 § 160a Nr 16 RdNr 4 f; BVerfG Beschluss vom 14.4.2010 - 1 BvR 2856/07 - SozR 4-1500 § 160a Nr 24 RdNr 5).

5

Die Klägerin fragt,
„ob es zulässig ist, das RLV einer sich im dritten Aufbaujahr befindlichen Vertragsarztpraxis erst nach Abschluss des Abrechnungsquartals anhand der tatsächlichen Fallzahl und des durchschnittlichen Fallwerts der Arztgruppe im Vorjahresquartal zu berechnen“.

6

Soweit der Fragestellung die Annahme der Klägerin zugrunde liegt, dass ihr RLV nicht mit dem aktuellen Fallwert, sondern dem Fallwert der Fachgruppe aus dem entsprechenden Quartal des Vorjahres gebildet worden sei, so trifft dies nicht zu. Richtig ist, dass für die Berechnung des Fallwerts an das entsprechende Vorjahresquartal angeknüpft wird. Das gilt aber nicht nur für die Klägerin oder andere Jungpraxen. Vielmehr kam der nach Teil F I Nr 3.2.1 BewA-Beschluss vom 26.3.2010 (218. Sitzung vom 26.3.2010 idF der Beschlussfassung in der 242. Sitzung) allgemein maßgebende arztgruppenspezifische Fallwert zur Anwendung. Da der Berechnung der RLV der Klägerin kein anderer Fallwert zugrunde gelegt wurde als der Berechnung des RLV der anderen Ärzte ihrer Arztgruppe, erreicht sie bei durchschnittlicher Fallzahl auch die durchschnittliche Höhe des RLV. Damit kann sie auch den Durchschnittsumsatz der Fachgruppe erreichen. Dass die Klägerin ein niedrigeres RLV als der Durchschnitt der Fachgruppe erreicht, liegt in deren unterdurchschnittlicher Fallzahl begründet.

7

Im Rahmen der Begründung der Klärungsfähigkeit konkretisiert die Klägerin die Rechtsfrage indes dahingehend, dass es ihr auf die Frage ankommt, ob ihr nicht - anstelle der Berechnung des RLV unter Berücksichtigung ihrer tatsächlichen Fallzahl im Abrechnungsquartal - ein RLV in Höhe des Durchschnitts der Fachgruppe hätte zuerkannt werden müssen. Insoweit ist die Beschwerde der Klägerin jedoch nicht begründet, weil sich diese Frage aus der bereits vorliegenden Rechtsprechung klar beantworten lässt:

8

Nach ständiger Rechtsprechung müssen umsatzmäßig unterdurchschnittliche Praxen - typischerweise insbesondere neu gegründete Praxen - die Möglichkeit haben, durch Erhöhung der Zahl der von ihnen behandelten Patienten den durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe zu erreichen (vgl zB BSG Urteil vom 21.10.1998 - B 6 KA 71/97 R - BSGE 83, 52, 55, 58 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 204, 207 f; BSG Urteil vom 10.12.2003 - B 6 KA 54/02 - BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5, RdNr 23 mwN). Daraus folgt, dass Honorarbegrenzungsregelungen grundsätzlich nicht so ausgestaltet werden müssen, dass ein Erreichen des Durchschnittsumsatzes unabhängig von der Fallzahl erreicht werden kann. Dies gilt auch für umsatzmäßig unterdurchschnittliche Praxen in der Aufbauphase. Der Unterschied zu anderen unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen besteht lediglich darin, dass Praxen in der Aufbauphase die Möglichkeit haben müssen, den durchschnittlichen Umsatz nicht erst „in absehbarer Zeit“ und damit innerhalb von fünf Jahren (vgl BSG Urteil vom 10.3.2004 - B 6 KA 3/03 R - BSGE 92, 233 = SozR 4-2500 § 85 Nr 9, RdNr 18; BSG Urteil vom 28.1.2009 - B 6 KA 5/08 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 45 RdNr 29) zu erreichen, sondern dass ihnen die Steigerung auf den Durchschnittsumsatz sofort ermöglicht werden muss (vgl BSG Urteil vom 17.7.2013 - B 6 KA 44/12 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 2 RdNr 18; BSG Urteil vom 3.2.2010 - B 6 KA 1/09 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 50 RdNr 15).

9

Soweit der Senat in einigen Urteilen formuliert hat, dass neu gegründete Praxen für die Zeit des Aufbaus von der Wachstumsbegrenzung „völlig freizustellen“ seien (BSG Urteil vom 10.3.2004 - B 6 KA 3/03 R - BSGE 92, 233 = SozR 4-2500 § 85 Nr 9, RdNr 19; BSG Urteil vom 28.1.2009 - B 6 KA 5/08 - SozR 4-2500 § 85 Nr 45 RdNr 28), handelte es sich um eine Formulierung, die sich in erster Linie auf die Möglichkeit zur Steigerung der Fallzahl bezog. Auf die Möglichkeit zu einem Wachstum allein durch eine Steigerung des Fallwerts hat der Senat diese Aussage hingegen nie bezogen. Soweit der Senat in einer Entscheidung vom 28.1.2009 (B 6 KA 5/08 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 45 RdNr 27) erwogen hat, ob eine Steigerungsmöglichkeit auch in der Form gewährt werden kann oder muss, dass anstelle eines Fallzahlzuwachses (oder zumindest gleichberechtigt daneben) auch Fallwertsteigerungen zu berücksichtigen sind, hat er in seiner (in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde unberücksichtigt gebliebenen) Entscheidung vom 17.2.2016 (B 6 KA 4/15 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 85 RdNr 35) klargestellt, dass eine solche Verpflichtung nur in besonderen Fallkonstellationen in Betracht kommt, etwa im Zusammenhang mit einer Änderung der Praxisausrichtung. Eine solche Konstellation steht hier nicht infrage: In dem hier maßgebenden Zeitraum wurde einer typischerweise mit höheren Fallwerten verbundenen besonderen Praxisausrichtung, ua durch qualifikationsgebundene Zusatzvolumen und durch die Möglichkeit zur Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten Rechnung getragen. Dass die Klägerin von diesen Regelungen nicht profitiert, ist darauf zurückzuführen, dass sie die Voraussetzungen nicht erfüllt. Eine besondere Praxisausrichtung oder eine Spezialisierung macht sie nicht geltend und dafür bestehen auch keine Anhaltspunkte. Ihr Fallwert lag kontinuierlich unter dem durchschnittlichen Fallwert der Fachgruppe. Dass die Klägerin unter diesen Umständen und unter Berücksichtigung der dazu in der Rechtsprechung des BSG entwickelten Maßstäbe nicht beanspruchen kann, dass ihr als Jungpraxis - unabhängig von der tatsächlichen Fallzahl - ein RLV mindestens in Höhe des Durchschnitts der Fachgruppe zugebilligt wird, unterliegt keinem Zweifel.

10

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt die Klägerin die Kosten des von ihr erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO).

11

3. Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 3 Satz 1, § 47 Abs 1 und 3 GKG.

(1) Der Vertragsarzt hat die vertragsärztliche Tätigkeit persönlich in freier Praxis auszuüben. Bei Krankheit, Urlaub oder Teilnahme an ärztlicher Fortbildung oder an einer Wehrübung kann er sich innerhalb von zwölf Monaten bis zur Dauer von drei Monaten vertreten lassen. Eine Vertragsärztin kann sich in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit einer Entbindung bis zu einer Dauer von zwölf Monaten vertreten lassen. Dauert die Vertretung länger als eine Woche, so ist sie der Kassenärztlichen Vereinigung mitzuteilen. Der Vertragsarzt darf sich grundsätzlich nur durch einen anderen Vertragsarzt oder durch einen Arzt, der die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 erfüllt, vertreten lassen. Überschreitet innerhalb von zwölf Monaten die Dauer der Vertretung einen Monat, kann die Kassenärztliche Vereinigung beim Vertragsarzt oder beim Vertreter überprüfen, ob der Vertreter die Voraussetzungen nach Satz 5 erfüllt und keine Ungeeignetheit nach § 21 vorliegt.

(2) Die Beschäftigung von Assistenten gemäß § 3 Abs. 3 bedarf der Genehmigung der Kassenärztlichen Vereinigung. Im Übrigen darf der Vertragsarzt einen Vertreter oder einen Assistenten nur beschäftigen,

1.
wenn dies im Rahmen der Aus- oder Weiterbildung oder aus Gründen der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung erfolgt,
2.
während Zeiten der Erziehung von Kindern bis zu einer Dauer von 36 Monaten, wobei dieser Zeitraum nicht zusammenhängend genommen werden muss, und
3.
während der Pflege eines pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung bis zu einer Dauer von sechs Monaten.
Die Beschäftigung von Ärzten als Weiterbildungsassistenten nach Satz 2 Nummer 1 erste Alternative ist bei Antrag auf Teilnahme zur vertragsärztlichen Versorgung auch nach Abschluss der Weiterbildung zulässig für die Zeit bis zur Entscheidung über den Antrag. Die Kassenärztliche Vereinigung kann die in Satz 2 Nummer 2 und 3 genannten Zeiträume verlängern. Für die Beschäftigung eines Vertreters oder Assistenten ist die vorherige Genehmigung der Kassenärztlichen Vereinigung erforderlich. Die Dauer der Beschäftigung ist zu befristen. Die Genehmigung ist zu widerrufen, wenn die Beschäftigung eines Vertreters oder Assistenten nicht mehr begründet ist; sie kann widerrufen werden, wenn in der Person des Vertreters oder Assistenten Gründe liegen, welche beim Vertragsarzt zur Entziehung der Zulassung führen können.

(3) Die Beschäftigung eines Assistenten darf nicht der Vergrößerung der Kassenpraxis oder der Aufrechterhaltung eines übergroßen Praxisumfangs dienen. In den Fällen der Beschäftigung eines Assistenten im Rahmen der Weiterbildung nach § 75a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch hat die Kassenärztliche Vereinigung im Verteilungsmaßstab nach § 87b des Fünften Buches Sozialgesetzbuch festzulegen, in welchem Umfang abweichend von Satz 1 und § 87b Absatz 2 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch eine Vergrößerung der Kassenpraxis zulässig ist; bei der Festlegung ist insbesondere der von der Praxis zu zahlende Anhebungsbetrag nach § 75a Absatz 1 Satz 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch zu berücksichtigen.

(4) Der Vertragsarzt hat Vertreter und Assistenten zur Erfüllung der vertragsärztlichen Pflichten anzuhalten.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23. Juli 2015 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Im Streit steht, ob der dem Kläger erteilte disziplinar-rechtliche Verweis rechtmäßig ist.

2

Der Kläger nimmt als Facharzt für Allgemeinmedizin an der vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk der beklagten KÄV teil. Mit Schreiben vom 8.10.2012 setzte er die Beklagte darüber in Kenntnis, dass er am 10.10.2012 zusammen mit fünf anderen Kollegen "das allen Berufsgruppen verfassungsrechtlich zustehende Streikrecht" ausüben und deshalb an diesem Tag seine Praxis schließen werde. Eine Notfallversorgung werde gewährleistet, indem zum Beispiel über den Anrufbeantworter und einen Aushang an der Praxis auf einen die Notfallversorgung übernehmenden Kollegen hingewiesen werde. Mit diesem Warnstreik werde der Forderung nach einem ärztlichen Honorarsystem Ausdruck verliehen, welches feste Preise ohne irgendeine Form von Mengenbegrenzungen vorsehe. Am 10.10.2012 schloss der Kläger nach den Feststellungen des SG seine Praxis, ebenso - wie mit weiterem Schreiben vom 19.11.2012 angekündigt - am 21.11.2012. Auf Antrag des Vorstandes der Beklagten eröffnete der Disziplinarausschuss ein Disziplinarverfahren gegen den Kläger und gab ihm dies mit Beschluss vom 23.1.2013 bekannt; die ihm eingeräumte Gelegenheit zur Stellungnahme nahm der Kläger mit Schreiben vom 26.2.2013 wahr.

3

Mit Bescheid vom 7.5.2013 erteilte die Beklagte dem Kläger einen Verweis, da er seine Pflichten als Vertragsarzt verletzt habe. Vertragsärzte seien grundsätzlich verpflichtet, am Vertragsarztsitz in den Praxisräumen Sprechstunde zu halten. Die Praxisschließung zur Ausübung eines Warnstreiks sei nicht durch Art 9 Abs 3 GG gerechtfertigt. Der Gesetzgeber habe den Kassenärzten das Recht vorenthalten, ihre Leistungsbedingungen durch Streik zu erkämpfen. Der Kläger habe in nachhaltiger Weise gegen seine Präsenzpflicht verstoßen und auch schuldhaft gehandelt, denn er habe erkennen können, dass der Gesetzgeber kollektive Ärztestreiks zu Recht als eine "schwerwiegende Verletzung vertragsärztlicher Pflichten" gewertet habe und diese mit harten Sanktionen möglichst verhindern wolle. Da derartige Verstöße gegen die Präsenzpflicht in der vertragsärztlichen Leistungserbringung als schwerwiegend einzustufen seien, andererseits zugunsten des Klägers zu berücksichtigen sei, dass er zum ersten Mal disziplinarisch auffällig geworden sei, werde ein Verweis für angemessen und erforderlich gehalten.

4

Die hiergegen vom Kläger erhobene Klage ist erfolglos geblieben (Urteil des SG vom 23.7.2015 - berichtigt mit Beschluss vom 27.1.2016). Zur Begründung hat das SG ausgeführt, nach § 24 Abs 2 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) müsse der Vertragsarzt am Vertragsarztsitz seine Sprechstunde halten, also in den Sprechstundenzeiten dauernd für die ärztliche Versorgung der Patienten bereit sein, sofern er keinen zulässigen Unterbrechungsgrund vorweisen könne. Einer der in § 32 Abs 1 Satz 2 Ärzte-ZV genannten Unterbrechungsgründe habe nicht vorgelegen; auch ein sonstiger Unterbrechungsgrund, der im Rahmen einer Güterabwägung berücksichtigt werden könne, liege nicht vor. Weder im SGB V, noch in der Ärzte-ZV oder den Verträgen sei ein Streikrecht als Grund für eine Unterbrechung der Praxistätigkeit vorgesehen. Vielmehr sprächen die Vorschriften insbesondere des SGB V eher gegen ein solches Streikrecht. So hätten nach § 75 Abs 1 SGB V die KÄVen und die KÄBV die vertragsärztliche Versorgung in dem in § 73 Abs 2 SGB V bezeichneten Umfang sicherzustellen und den Krankenkassen (KKen) und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspreche. Die Bedeutung des Sicherstellungsauftrags bestehe insbesondere darin, dass es eine verantwortliche Institution gebe, die letztlich immer dafür Sorge zu tragen habe, dass gesetzlich Krankenversicherten eine ambulante ärztliche Versorgung gewährt werden könne. Daraus, dass der Vertragsarzt an diesem System teilnehme, folgere der Gesetzgeber, dass der Vertragsarzt die Erfüllung des Sicherstellungsauftrags zu fördern und alles zu unterlassen habe, was die Sicherstellung und Durchführung der vertragsärztlichen Versorgung gefährden oder ausschließen könnte.

5

Auch aus Art 9 Abs 3 GG könne kein Recht auf Unterbrechung der Sprechstundenverpflichtung hergeleitet werden. Bereits der Schutzbereich des Art 9 Abs 3 GG sei nicht eröffnet. Trotz der weiten Fassung des Art 9 Abs 3 GG entspreche es der historischen Entwicklung, dass primär auf die Arbeitnehmereigenschaft abgestellt werde. Die Vertragsärzte seien jedoch nicht als Arbeitnehmer einzustufen, die des Schutzes des Art 9 Abs 3 GG bedürften. Die Tätigkeit des Vertragsarztes in freier Praxis werde durch die Merkmale der individuellen Unabhängigkeit in persönlicher und beruflicher Hinsicht und das Tragen des wirtschaftlichen Risikos sowie die Beteiligung an wirtschaftlichen Erfolgen der Praxis konkretisiert. Auch sei das Verhältnis der Vertragsärzte zur KÄV ein anderes als das der Arbeitnehmer zu "ihrer" Gewerkschaft, denn der Streik der Vertragsärzte diene dazu, Druck auf beide Verhandlungsparteien, also auch auf die KÄV als Interessenvertretung der Ärzte, auszuüben. Auch Art 11 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) vermöge zu keiner anderen Beurteilung führen, denn auch hier seien Freiberufler vom Schutzbereich nicht erfasst.

6

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von Bundesrecht. Ein Streik von Vertragsärzten sei dann gerechtfertigt, wenn er sich unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse des Vertragsarztrechts und des Ärztestreiks als solcher als verhältnismäßig darstelle. Ein absolutes Streikverbot, das über allem stehe, gebe es auch im Vertragsarztrecht nicht; Vertragsärzte könnten im Ergebnis nicht schlechter gestellt werden als zB Arbeitnehmer oder Beamte. Ein vollständiger Ausschluss vom Streikrecht sei weder verfassungsrechtlich noch europarechtlich haltbar. Demnach könne ein Warnstreik von Vertragsärzten, der eine ausreichende Notfallversorgung gewährleiste und verhältnismäßig sei, rechtmäßig sein; ein rechtmäßiger Streik wiederum dürfte nicht zur Verhängung einer Disziplinarmaßnahme führen. Nach dem klaren Wortlaut des Art 9 Abs 3 GG sei auch die Berufsgruppe der Ärzte als Grundrechtsträger vom Schutzbereich dieser Vorschrift umfasst. Was für Ärzte gelte, gelte auch für Vertragsärzte. Dass Vertragsärzte im rechtlichen Sinne keine klassischen Arbeitnehmer seien, sondern vielmehr als Freiberufler eingestuft würden, führe nicht dazu, dass diese generell von einem Streikrecht ausgeschlossen wären. Dem Wortlaut des Art 9 Abs 3 GG sei ein solcher Ausschluss nicht zu entnehmen; vielmehr gelte es für "jedermann" und deshalb für alle Menschen in ihrer Eigenschaft als Berufsangehörige. Die Notwendigkeit, eine individuelle Verhandlungsschwäche mit Hilfe kollektiver Interessenvertretungen auszugleichen, liege ohne Zweifel auch beim Vertragsarzt vor. Die KÄVen seien durch ihre Doppelfunktion als Interessenvertretung und Körperschaft kein gleichwertiger Ersatz für eine Koalition nach Art 9 Abs 3 GG, da es ihnen als Körperschaft des öffentlichen Rechts verboten sei, sich im Fall einer gewünschten Boykottmaßnahme gegen die KKen zu stellen.

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Hinzu komme, dass der Status des Vertragsarztes, gerade in Bezug auf den vielfältigen Pflichtenkatalog, den er zu übernehmen habe, gegenüber einem klassischen Freiberufler so stark limitiert sei, dass er durchaus "arbeitnehmerähnliche Züge" enthalte. Dies sei bei der Auslegung des Art 9 Abs 3 GG zu berücksichtigen. Das vertragsärztliche Honorar werde - wie bei einem Arbeitnehmer - von einem einzigen "Arbeitgeber" bezahlt, nämlich der KÄV. Zudem könne der Vertragsarzt weder sein Honorarrisiko streuen noch die Auswahl seiner Kunden selektieren, sondern müsse mit Sanktionen rechnen, wenn er seine Verpflichtungen auch nur gegenüber einem einzelnen gesetzlich versicherten Patienten nicht erfülle. Auch die wirtschaftliche Freiheit, das "ob" und "wie" der Arbeitsleistung frei zu bestimmen, sei bei einem Vertragsarzt deutlich eingeschränkt. Wenn er im Rahmen seiner Sprechstundentätigkeit dem Grunde nach "rund um die Uhr" zur Verfügung zu stehen habe, habe er keine freie Verfügung mehr über seine eigene Arbeitskraft und könne insbesondere seine Arbeitszeit nicht mehr frei wählen. Die meisten Ärzte seien auf eine Teilnahme an diesem System dringend angewiesen.

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Nach europarechtlichen Vorgaben sei Art 9 Abs 3 GG - wie beispielsweise auch Art 33 Abs 5 GG - so auszulegen, dass diese Auslegung nicht im Widerspruch zur EMRK stehe. In jüngerer Zeit habe das BVerwG festgestellt, dass das statusbezogene Streikverbot nach Art 33 Abs 5 GG und die funktionsbezogenen Gewährleistungen nach Art 11 EMRK in Bezug auf Beamte, die außerhalb der genuinen Hoheitsverwaltung eingesetzt seien, inhaltlich miteinander unvereinbar seien. Für Vertragsärzte gelte nichts anderes. Stehe somit fest, dass Vertragsärzte sowohl vom Schutzbereich des Art 9 Abs 3 GG als auch des Art 11 Abs 1 EMRK erfasst seien, greife die angefochtene Disziplinarmaßnahme in das daraus resultierende Recht des Vertragsarztes ein, sich mit anderen Vertragsärzten kollektiv zusammenzuschließen. Der Eingriff in die Schutzbereiche sei auch nicht gerechtfertigt. Ein verfassungsrechtlich normiertes absolutes Streikverbot bestehe für Vertragsärzte nicht.

9

Auch das vertragsärztliche System schließe ein Recht auf Streik und andere kollektiv abgestimmte Kampfmaßnahmen nicht wirksam aus oder begrenze diese. Zwar könne ein Ärztestreik den Sicherstellungsauftrag der KÄVen gefährden, doch lasse sich hieraus kein generelles bzw absolutes Streikverbot herleiten. So sei der Sicherstellungsauftrag der KÄVen schon durch die hausarztzentrierte oder die besondere Versorgung eingeschränkt. Auch § 95b Abs 1 SGB V schließe einen Ärztestreik, der nicht mit einem kollektiven Verzicht der Zulassungen verbunden sei, nicht aus. Es könne auch nicht allgemein und mit Gewissheit abstrakt behauptet werden, dass jeder Streik zwangsläufig die Finanzierbarkeit oder die Funktionsfähigkeit des Systems gefährde. Schließlich ergebe sich ein konkludentes Streikverbot auch nicht aus dem vertragsärztlichen Pflichtenkatalog. Gegen die Verpflichtung, mindestens 20 Stunden wöchentlich in Form von Sprechstunden zur Verfügung zu stehen, habe er - der Kläger - mit seinen zweimaligen eintägigen Warnstreiks nicht verstoßen. Das SG stelle zu Unrecht auf einen Verstoß gegen § 32 Abs 1 Satz 2 Ärzte-ZV ab, weil die Vorschrift allein den Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung normiere. Soweit das SG auf eine "Unterbrechung" der Sprechstunde abstelle, sei diese zulässig, soweit eine einzelfallbezogene Güterabwägung den Vorrang anderer Schutzgüter ergebe. Danach sei der Streik vorliegend rechtmäßig, weil eine ausreichende Notfallversorgung bzw eine kollegiale Vertretung sichergestellt gewesen sei und er weder die finanzielle Stabilität oder die Funktionsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gefährdet habe. Auch die allgemeine "Treuepflicht" des Vertragsarztes könne nicht weitergehen als zB die Einschränkung des Streikrechts für Beamte.

10

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.7.2015 sowie den Bescheid des Disziplinarausschusses der Beklagten vom 7.5.2013 aufzuheben.

11

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

12

Der Kläger sei seiner Präsenzpflicht nicht nachgekommen, indem er an zwei Tagen seine Praxis geschlossen und somit den Versicherten nicht zur Verfügung gestanden habe. Es habe auch kein zulässiger Grund für eine Unterbrechung bzw Nichtableistung der Sprechstundentätigkeit vorgelegen. Der Schutzbereich des Art 9 Abs 3 GG sei nicht eröffnet, weil ein Streikrecht ein klassisches Recht von Arbeitnehmern sei; der Kläger sei jedoch Freiberufler, sodass es an dem einen Arbeitnehmer charakterisierenden Abhängigkeitsverhältnis fehle. Auch ein arbeitnehmerähnliches wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis sei bei Vertragsärzten nicht gegeben. Art 11 Abs 1 EMRK führe zu keiner anderen Beurteilung; hieran ändere auch die jüngere Rechtsprechung des EGMR zum Streikrecht von Beamten nichts. Ausschlaggebend sei dort weder die Arbeitnehmereigenschaft noch die hohe Einbindung von Beamten in die staatliche Sphäre gewesen, sondern das Kriterium der abhängigen Beschäftigung. Selbst wenn Vertragsärzte vom Schutzbereich des Art 9 Abs 3 GG und des Art 11 Abs 1 EMRK erfasst würden, habe der Gesetzgeber diesen jedenfalls das Recht vorenthalten, ihre Leistungsbedingungen durch Streik zu erkämpfen. An die Stelle des Tarifkampfes trete im Vertragsarztrecht das gesetzlich geregelte Schlichtungsverfahren. Ein systemimmanentes Streikverbot lasse sich mit dem Sicherstellungsauftrag gemäß § 75 Abs 1 SGB V begründen. Das gesetzgeberische Ziel, streikähnliche Auseinandersetzungen auszuschließen, habe sich nur durch die Bildung der KÄVen als Körperschaften mit Pflichtmitgliedschaft erreichen lassen. Als politischer Ausgleich für den Verzicht der Vertragsärzte auf die Möglichkeit eines streikähnlichen Honorarkampfes sei den KÄVen der Sicherstellungsauftrag übertragen worden. Der Sicherstellungsauftrag bestehe ungeachtet des selektivvertraglichen Versorgungssystems unverändert fort. Eine Gefährdung des Sicherstellungsauftrags liege bereits dann vor, wenn die Versorgung eines Teils der Patienten nicht entsprechend der gesetzlichen und vertraglichen Erfordernisse vorgenommen werden könne.

13

Für die Funktionsfähigkeit des vertragsärztlichen Systems sei es unentbehrlich, dass jeder Vertragsarzt seinen vertragsärztlichen Pflichten - wozu auch die Einhaltung der Präsenzpflicht nach § 24 Abs 2 Ärzte-ZV gehöre - jederzeit nachkomme. Die Sicherung einer angemessenen Versorgung der großen Mehrzahl der Bürger im Krankheitsfall zu bezahlbaren Konditionen sei ein Gemeinwohlbelang von überragender Wichtigkeit, die auch entsprechende Grundrechtseinschränkungen rechtfertige. Im Unterschied zu Arbeitnehmern hätten Vertragsärzte die Möglichkeit, sich für oder gegen eine Eingliederung ins System zu entscheiden. Die Funktionsfähigkeit dieses Systems werde nachhaltig gefährdet, wenn einzelne Vertragsärzte durch Streiks oder streikähnliche Maßnahmen ihre Praxis schlössen und der vertragsärztlichen Versorgung nicht mehr zur Verfügung stünden. Mehrstündige, kollektive Praxisschließungen von Vertragsärzten aufgrund abgesprochener Streikaktionen stellten nicht unerhebliche Verweigerungen der vertragsärztlichen Tätigkeit dar und kämen einem Warnstreik von Beschäftigten öffentlicher Verkehrsbetriebe gleich. Mit der in § 72a Abs 1 SGB V normierten Rechtsfolge habe der Gesetzgeber ein Streikverbot für Vertragsärzte statuiert. Der Sicherstellungsauftrag verpflichte die KÄVen, disziplinarisch gegen Mitglieder vorzugehen, die auch nur zeitweise bzw kurzfristig die erforderliche vertragsärztliche Versorgung verweigerten, wenn sie ihren Sicherstellungsauftrag nicht verlieren wolle. Wenn selbst die äußerst harte Sanktion einer sechsjährigen Wiederzulassungssperre keinen Verstoß gegen Art 9 Abs 3 GG darstelle, müsse dies erst recht für ein sich aus dem Sicherstellungsauftrag ergebendes Streikverbot gelten.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat zu Recht die Entscheidung der Beklagten, dem Kläger einen Verweis zu erteilen, als rechtmäßig angesehen. Der Kläger hat dadurch, dass er seine Praxis am 10.10.2012 sowie am 21.11.2012 geschlossen hatte, um mit anderen Ärzten an einem "Warnstreik" teilzunehmen, seine vertragsärztlichen Pflichten schuldhaft verletzt.

15

A. 1. Rechtsgrundlage der Disziplinarmaßnahme ist § 81 Abs 5 Satz 1 SGB V in Verbindung mit der Satzung der Beklagten. Nach § 81 Abs 5 Satz 1 SGB V müssen die Satzungen der KÄVen die Voraussetzungen und das Verfahren zur Verhängung von Maßnahmen gegen Mitglieder bestimmen, die ihre vertragsärztlichen Pflichten nicht oder nicht ordnungsgemäß erfüllen. Als Disziplinarmaßnahme kommen je nach Schwere der Verfehlung eine Verwarnung, ein Verweis, eine Geldbuße oder die Anordnung des Ruhens der Zulassung bis zu zwei Jahren in Betracht (aaO Satz 2). Das Höchstmaß der Geldbußen kann bis zu 10 000 Euro (§ 81 Abs 5 Satz 3 SGB V idF bis 22.7.2015) bzw bis zu 50 000 Euro (§ 81 Abs 5 Satz 3 SGB V idF ab 23.7.2015) betragen.

16

Nach § 3 Abs 2 der Satzung der Beklagten(in der ab 1.1.2010 geltenden Fassung) ist diese befugt, gegen Mitglieder, die ihre Pflichten nicht oder in nicht ausreichender Weise erfüllen, nach den Bestimmungen der - als Bestandteil dieser Satzung geregelten - Disziplinarordnung (DO) Maßnahmen zu ergreifen. Nach § 1 Satz 1 DO kann ein Disziplinarverfahren gegen ein Mitglied der KÄV durchgeführt werden, wenn dieses die ihm durch Gesetz, Satzung, Vertrag, Richtlinien und satzungsmäßige Bestimmungen oder Weisungen obliegenden vertragsärztlichen Pflichten nicht oder nicht ordnungsgemäß erfüllt. Zu den in § 13 Abs 1 DO aufgeführten Disziplinarmaßnahmen gehört der Verweis, der dort als "Tadel eines pflichtwidrigen Verhaltens mit der Aufforderung, die sich aus Gesetz, Satzung oder Vertrag ergebenden Pflichten in gehöriger Weise zu erfüllen", umschrieben ist.

17

Die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme setzt - neben der Verletzung vertragsärztlicher Pflichten - zudem voraus, dass der Vertragsarzt schuldhaft gehandelt hat (BSG Beschluss vom 8.5.1996 - 6 BKa 67/95 - Juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 9.12.2004 - B 6 KA 70/04 B - Juris RdNr 9; siehe auch BSG SozR 3-2500 § 81 Nr 7 S 37; BSG Beschluss vom 28.8.1996 - 6 BKa 22/96 - Juris RdNr 4).

18

2. Das Disziplinarrecht der KÄVen ist verfassungsgemäß und verstößt insbesondere nicht gegen Art 12 Abs 1 GG (BSG SozR 3-2500 § 81 Nr 9 S 49; Steinmann-Munzinger in juris-PK SGB V, 3. Aufl 2016, § 81 RdNr 52 f; siehe hierzu auch BSG Beschluss vom 20.3.1996 - 6 BKa 1/96 - Juris). Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die gesetzlichen Vorgaben für die Festsetzung von Disziplinarmaßnahmen hinreichend bestimmt sind (BSG SozR 3-2500 § 81 Nr 7 S 29; BSG SozR 3-2500 § 81 Nr 9 S 49; siehe auch BSG Urteil vom 14.3.2001 - B 6 KA 67/00 R - Juris RdNr 13 = MedR 2002, 47 = USK 2001-126).

19

§ 75 Abs 2 Satz 2 SGB V bestimmt ausdrücklich, dass es zu den Aufgaben der KÄVen gehört, die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu überwachen und die Vertragsärzte, soweit notwendig, unter Anwendung der in § 81 Abs 5 SGB V vorgesehenen Maßnahmen zur Erfüllung dieser Pflichten anzuhalten. Im Übrigen bedingt die den KÄVen gemäß § 75 Abs 1 Satz 1 SGB V auferlegte Gewährleistungsverpflichtung deren Disziplinargewalt(Steinmann-Munzinger aaO RdNr 53). Nach § 75 Abs 1 Satz 1 SGB V haben die KÄVen und die KÄBV die vertragsärztliche Versorgung in dem in § 73 Abs 2 SGB V bezeichneten Umfang sicherzustellen und den KKen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Diese Gewährleistungsverpflichtungen können sie nur erfüllen, wenn ihnen Sanktionsmöglichkeiten gegenüber denjenigen Mitgliedern zur Verfügung stehen, die ihre Pflichten als Vertragsarzt nicht ordnungsgemäß erfüllen (BSG Beschluss vom 20.3.1996 - 6 BKa 1/96 - Juris RdNr 5).

20

3. Ob ein Vertragsarzt seine vertragsärztlichen Pflichten verletzt hat - dh das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen -, ist gerichtlich voll überprüfbar, ohne dass der KÄV oder ihrem Disziplinarorgan ein Beurteilungsspielraum zusteht (BSGE 62, 127, 128 = SozR 2200 § 368m Nr 3 S 3). Lediglich bei der Auswahl der Disziplinarmaßnahme und bei der Festsetzung ihrer Höhe ist der Disziplinarausschuss grundsätzlich ermächtigt, nach seinem Ermessen zu handeln, sodass die Entscheidung nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar ist (BSGE 62, 127, 129 = SozR 2200 § 368m Nr 3 S 3; BSG SozR 3-2500 § 81 Nr 9 S 51); insoweit ist der Bescheid daher nur bei Ermessensüberschreitung oder bei Ermessensfehlgebrauch rechtswidrig (BSG SozR 3-2500 § 81 Nr 9 S 51).

21

B. Nach diesen Maßstäben ist der Bescheid der Beklagten rechtmäßig.

22

Der Bescheid der Beklagten ist formell rechtmäßig; insbesondere bedarf es keines Vorverfahrens (§ 81 Abs 5 Satz 4 SGB V). Der angefochtene Bescheid ist auch in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden; die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine disziplinarische Reaktion auf das Verhalten des Klägers als Vertragsarzt liegen vor und rechtfertigen den Ausspruch eines Verweises. Der Kläger hat seine vertragsärztlichen Pflichten dadurch verletzt, dass er seine Praxis während der Sprechstundenzeit geschlossen hat, um an einem "Warnstreik" teilzunehmen (1.); der Kläger handelte auch schuldhaft (2.). Schließlich ist auch die verhängte Disziplinarmaßnahme als solche nicht zu beanstanden (3.).

23

1. Der Kläger hat die ihm obliegenden vertragsärztlichen Pflichten dadurch verletzt, dass er entgegen seiner in § 24 Abs 2 Ärzte-ZV normierten Verpflichtung, am Vertragsarztsitz eine Sprechstunde zu halten, seine Praxis an zwei Tagen geschlossen hatte, um an einem "Warnstreik" teilzunehmen(a.), und ihm für die Praxisschließung keine diese rechtfertigenden Gründe zur Seite gestanden haben (b.).

24

a. aa. Nach § 24 Abs 2 Ärzte-ZV iVm § 98 Abs 1 Satz 1 SGB V muss der Vertragsarzt am Vertragsarztsitz seine Sprechstunde halten, also persönlich in Form von Sprechstunden zur Verfügung stehen(Schallen, Ärzte-ZV, 7. Aufl 2009, § 24 RdNr 19). Diese - aus dem Gebot der persönlichen Leistungserbringung folgende (BSGE 120, 197 = SozR 4-5520 § 20 Nr 4, RdNr 30)- sogenannte "Präsenzpflicht" steht im Zusammenhang mit der Pflicht zur Behandlungsübernahme nach dem Sachleistungsprinzip und der Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung (Hartmannsgruber in Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 3. Aufl 2015, Abschnitt 7 RdNr 1235): Wer nicht in der Praxis erreichbar ist, kann auch diese Pflichten nicht erfüllen. Durch diese Pflichten soll es den KÄVen ermöglicht werden, ihren Sicherstellungsauftrag nach § 75 Abs 1 SGB V zu erfüllen.

25

Konkretisiert wird dies durch § 17 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä): Nach § 17 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 BMV-Ä ist der Vertragsarzt gehalten, an seinem Vertragsarztsitz - sowie ggf weiteren Tätigkeitsorten - Sprechstunden entsprechend dem Bedürfnis nach einer ausreichenden und zweckmäßigen vertragsärztlichen Versorgung mindestens in dem in § 17 Abs 1a BMV-Ä geregelten Umfang festzusetzen und seine Sprechstunden auf einem Praxisschild bekanntzugeben. Die Sprechstunden sind grundsätzlich mit festen Uhrzeiten auf dem Praxisschild anzugeben (Satz 2 aaO). Der sich aus der Zulassung des Vertragsarztes ergebende Versorgungsauftrag ist dadurch zu erfüllen, dass der Vertragsarzt an seinem Vertragsarztsitz persönlich mindestens 20 Stunden wöchentlich in Form von Sprechstunden zur Verfügung steht (§ 17 Abs 1a Satz 1 BMV-Ä in der ab 1.7.2007 geltenden und seither unveränderten Fassung).

26

bb. Dieser Verpflichtung ist der Kläger am 10.10.2012 sowie am 21.11.2012 nicht nachgekommen. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob der Kläger ggf ungeachtet der Praxisschließungen die Vorgabe von mindestens 20 Wochenstunden erfüllt hat:

27

Darauf kommt es zum einen schon deshalb nicht an, weil er jedenfalls an einem Tag, an dem er üblicherweise (und wie auf dem Praxisschild bekanntzugeben) seiner Praxistätigkeit nachging, seine Praxis geschlossen hatte. Sprechstunden sind nicht nur anzukündigen, sondern auch einzuhalten (Pawlita in juris-PK SGB V, 3. Aufl 2016, § 95 RdNr 445; siehe auch BSG SozR 4-5520 § 24 Nr 1 RdNr 18). Der Vertragsarzt muss in den Sprechstundenzeiten dauernd für die vertragsärztliche Versorgung der Patienten bereit sein, sofern er keinen zulässigen Unterbrechungsgrund vorweisen kann (Bayerisches LSG Urteil vom 15.1.2014 - L 12 KA 91/13 - Juris RdNr 18 = GesR 2014, 362 ff = NZS 2014, 518 ff = MedR 2014, 840 ff). Er vernachlässigt daher seine Versorgungsverpflichtung, die er mit der Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit übernimmt, wenn er regelmäßig angekündigte Sprechstunden nicht einhält, was unzumutbare Wartezeiten für die Patienten zur Folge hätte (BSG SozR 4-5520 § 24 Nr 1 RdNr 18).

28

Zum anderen bestimmt § 17 Abs 1a Satz 1 BMV-Ä nur den zeitlichen (Gesamt-)Umfang der Sprechstunden, nicht aber deren Verteilung auf die einzelnen Wochentage. Diese sind grundsätzlich gleichmäßig auf die einzelnen Wochentage zu verteilen und dürfen nicht etwa "geblockt" werden (etwa durch zwei zehnstündige Sprechstunden am Wochenanfang). Es entspricht der Rechtsprechung des Senats, dass eine ärztliche Praxis in den Zeiten, in denen kein Notfalldienst eingerichtet ist, grundsätzlich für die Versorgung der Versicherten erreichbar sein muss und nicht nur Sprechstunden an einzelnen Wochentagen anbieten darf (BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 29 RdNr 44). Dies folgt bereits aus § 17 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 BMV-Ä, wonach die Sprechstunden "entsprechend dem Bedürfnis nach einer ausreichenden und zweckmäßigen vertragsärztlichen Versorgung" festzusetzen sind. Im Übrigen bestimmt § 17 Abs 2 BMV-Ä, dass bei der Verteilung der Sprechstunden "auf den einzelnen Tag" - gemeint ist damit nicht allein deren Verteilung innerhalb des Tages, sondern auch ihre Verteilung auf die Wochentage - die "Besonderheiten des Praxisbereiches und die Bedürfnisse der Versicherten (z.B. durch Sprechstunden am Abend oder an Samstagen)" zu berücksichtigen sind. Den Bedürfnissen der Versicherten entspricht es am ehesten, wenn sie den Vertragsarzt an jedem Werktag aufsuchen können.

29

cc. Der Pflichtverstoß entfällt auch nicht deswegen, weil eine Notfallversorgung gesichert war und der Kläger seine Patienten darüber informiert hatte, welche Ärzte ihre Praxis geöffnet hatten (siehe hierzu noch ). Dies stellt kein gesetzeskonformes Surrogat für die Wahrnehmung des vom Kläger übernommenen Versorgungsauftrags dar; maßgeblich ist allein, dass der Kläger seine Praxis geschlossen hatte, ohne hierzu berechtigt zu sein, und deswegen nicht für die Versorgung der Patienten zur Verfügung stand.

30

b. Der Kläger war auch nicht aufgrund normativ anerkannter (aa.) bzw sonstiger anerkennenswerte Gründe (bb.) zur Praxisschließung berechtigt.

31

aa. In welchen Fällen ein Vertragsarzt berechtigt ist, seine Praxis (vorübergehend) zu schließen, ist zwar nicht explizit geregelt, folgt jedoch grundsätzlich aus § 32 Abs 1 Ärzte-ZV iVm § 98 Abs 1 Satz 1 SGB V. Danach ist der Vertragsarzt verpflichtet, die vertragsärztliche Tätigkeit persönlich auszuüben (Satz 1 aaO). Inhalt der - persönlich auszuübenden - Tätigkeit ist die Durchführung von Sprechstunden. Er kann sich jedoch in den in § 32 Abs 1 Satz 2, Abs 2 Ärzte-ZV genannten Konstellationen - in begrenztem zeitlichen Umfang - vertreten lassen. Aus dieser Regelung ist nicht allein der Schluss zu ziehen, dass der Vertragsarzt bei Nichtvorliegen der dort genannten Gründe sich nicht vertreten lassen darf, sondern seine Tätigkeit persönlich auszuüben hat. Vielmehr lässt die Regelung darüber hinaus den Erst-recht-Schluss zu, dass einem Vertragsarzt bei Nichtvorliegen der in § 32 Ärzte-ZV genannten Gründe (bzw sonstiger anerkennenswerter Gründe) auch nicht das Recht zusteht, den Praxisbetrieb - und sei es nur vorübergehend - vollständig einzustellen.

32

Gründe für eine Vertretung sind Krankheit, Urlaub oder Teilnahme an ärztlicher Fortbildung oder an einer Wehrübung (§ 32 Abs 1 Satz 2 Ärzte-ZV); bei Ärztinnen tritt eine Vertretung im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit einer Entbindung hinzu (aaO Satz 3). Als (weitere) Gründe für eine - längerfristige - Vertretung (bzw die Beschäftigung von Assistenten) nennt § 32 Abs 2 Satz 2 Ärzte-ZV Kindererziehungszeiten(Nr 2 aaO), die Pflege eines pflegebedürftigen nahen Angehörigen (Nr 3 aaO) sowie eine Vertretung im Rahmen der Aus- und Weiterbildung oder aus Gründen der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung (Nr 1 aaO). Derartige Gründe werden jedoch vom Kläger weder geltend gemacht noch liegen solche vor. Unterbrechungen aus anderen Gründen sind - grundsätzlich (siehe noch bb.) - unzulässig (Hartmannsgruber in Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 3. Aufl 2015, Abschnitt 7 RdNr 1237).

33

bb. Der Kläger war vorliegend auch nicht aus anderen - nicht von § 32 Ärzte-ZV erfassten - Gründen berechtigt, seine Praxis zu schließen. In welchen Fällen Vertragsärzte - über die in § 32 Ärzte-ZV geregelten Konstellationen hinaus - ihre Praxis während der regulären Sprechstundenzeiten schließen dürfen, ohne gegen ihre vertragsärztlichen Pflichten zu verstoßen, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Außerhalb von § 32 Ärzte-ZV kommen als rechtfertigende Gründe etwa gerichtliche Zeugenvorladungen und Hausbesuche in Betracht (siehe hierzu Hesral in Ehlers, Disziplinarrecht für Ärzte und Zahnärzte, 2. Aufl 2013, RdNr 87; ebenso Bäune in Bäune/Meschke/Rothfuß, Ärzte-ZV, § 24 RdNr 3). Die Teilnahme an einem vertragsärztlichen "Warnstreik" ist jedenfalls kein Anlass, der eine Praxisschließung rechtfertigen könnte, da derartige ärztliche "Kampfmaßnahmen" durch die Bestimmungen des Vertragsarztrechts ausgeschlossen sind (siehe B.1.c.).

34

c. Die Durchsetzung ärztlicher Forderungen durch "Kampfmaßnahmen" - hierzu gehören neben "(Warn-)Streiks" etwa Boykottaufrufe gegen bestimmte KKen, aber auch andere Maßnahmen, wie zB die ohne sachlichen Grund erfolgende Verweigerung der Annahme neuer Patienten bzw die Nichtvergabe von Terminen bei planbaren Eingriffen - steht nicht mit den Bestimmungen des Vertragsarztrechts im Einklang (ein "Streikrecht" der Vertragsärzte verneinend: Burkardt, Ärztliche Standespflichten und Streikrecht der Kassenärzte und der in Krankenhäusern privatrechtlich angestellten Ärzte, Dissertation 1971, S 21 f mwN; Hencke in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand Januar 2016, § 72 SGB V RdNr 14; Thiele, DVBl 1977, 556 ff; Wenner, GesR 2009, 505, 516; Zacher, ZfS 1966, 129, 161; ders, Abhandlungen zum Sozialrecht, 1993, 582, 615; differenzierend und ein "Streikrecht" für den Fall einer gravierenden Systemstörung bejahend: Kern in Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl 2010, § 16 RdNr 4; Uhlenbruck, RdA 1972, 327, 334; ein Streikrecht auf der Grundlage von Art 12 Abs 1 GG bejahend: Sodan/Schaks, VSSR 2014, 89, 112 ff).

35

Der Senat hat vorliegend allein darüber zu befinden, ob Praxisschließungen zum Zweck der Durchführung streikähnlicher ärztlicher "Kampfmaßnahmen" eine Verletzung der vertragsärztlichen Pflichten darstellen. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten ausdrücklich erklärt, ein "Streikrecht" ausüben zu wollen. Damit hat er sein Handeln in dem Sinne verstanden, an einer planmäßigen und gemeinschaftlich durchgeführten "Arbeitsniederlegung" - dh der Einstellung einer an sich zu erbringenden Arbeitsleistung - teilzunehmen (zum Streikbegriff siehe Treber in Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 16. Aufl 2015, § 191 RdNr 8; Linsenmaier in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 16. Aufl 2016, Art 9 GG RdNr 161).

36

Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob einmalige Praxisschließungen innerhalb der üblichen Sprechstundenzeiten, die allein zu dem Zweck einer Teilnahme des Vertragsarztes an einer Protestversammlung oder -kundgebung erfolgen, generell oder unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sind.

37

Die durch Art 5 Abs 1 GG und Art 8 GG geschützten Grundrechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit stehen auch Vertragsärzten zu und können - unter der Voraussetzung, dass zumindest ein Notdienst sichergestellt ist - im Grundsatz auch eine vorübergehende Praxisschließung rechtfertigen. Zu welchem Zweck diese Versammlung abgehalten wird und gegen wen sie sich richtet, ist dabei unerheblich. Ungeachtet des Gebots des Zusammenwirkens (§ 72 Abs 1 Satz 1 SGB V)kann sich die Versammlung auch auf eine Beeinflussung der KKen, der eigenen KÄV der Vertragsärzte oder aber des Gesetzgebers richten. Die KÄVen werden jedoch zur Vermeidung einer Umgehung des "Streikverbots" durch vorgebliche "Demonstrationen" in jedem Einzelfall - insbesondere bei wiederkehrenden Aktionen - sorgfältig zu prüfen haben, ob es sich (noch) um eine durch Art 8 GG geschützte Versammlung oder vielmehr um einen - vertragsärztliche Pflichten verletzenden - "Streik" handelt.

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Eine - auch eine vorübergehende Praxisschließung rechtfertigende - Teilnahme an einer Versammlung könnte dann anzunehmen sein, wenn dabei das auf eine größere Öffentlichkeit zielende demonstrative Element - im Sinne einer "machtvollen Kundgebung" - im Mittelpunkt steht und die Schließung der Praxis gleichsam nur unvermeidliche Folge der Demonstrationsabsicht ist. Steht hingegen das Bestreben im Vordergrund, durch eine Beeinträchtigung der Versorgung der Versicherten Druck auf die KKen auszuüben und wird diese Maßnahme lediglich medial unterstützt, liegt hingegen ein - unzulässiger - "Streik" vor.

39

aa. Ein ausdrückliches Verbot von kollektiven "Kampfmaßnahmen" der Ärzteschaft bzw eine dem gleichkommende Sanktionierung entsprechenden Verhaltens enthalten allerdings weder das SGB V noch das auf dessen Grundlage ergangene Recht.

40

Zwar bestimmt § 95b Abs 1 SGB V, dass es mit den Pflichten eines Vertragsarztes nicht vereinbar ist, in einem mit anderen Ärzten aufeinander abgestimmten Verhalten auf die Zulassung als Vertragsarzt zu verzichten (sogenannter "Kollektivverzicht"); entsprechende Pflichtverstöße haben (ua) gemäß § 95b Abs 2 SGB V eine sechsjährige Wiederzulassungssperre zur Folge(zur Rechtmäßigkeit dieser Regelung siehe die Urteile des BSG vom 27.6.2007 - B 6 KA 37/06 R - BSGE 98, 294 = SozR 4-2500 § 95b Nr 1, - B 6 KA 38/06 R - USK 2007-68 und - B 6 KA 39/06 R - nicht veröffentlicht, sowie die Urteile vom 17.6.2009 - B 6 KA 16/08 R - BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr 2, - B 6 KA 18/08 R - SozR 4-1500 § 54 Nr 15 und - B 6 KA 14/08 R - nicht veröffentlicht). § 95b SGB V gilt jedoch sowohl nach seinem Wortlaut als auch nach seinem Sinn und Zweck nur für den Fall eines kollektiven Verzichts auf die Zulassung und kann nicht auf andere "Kampfmaßnahmen" - wie vorübergehende Praxisschließungen - analog angewandt werden.

41

Allerdings lässt der Umstand, dass der Gesetzgeber allein den Fall eines kollektiven Zulassungsverzichts explizit sanktioniert hat, auch nicht den Umkehrschluss zu, dass er alle übrigen "Kampfmaßnahmen" der Vertragsärzte als zulässig erachtet. Dass sich der Gesetzgeber in Bezug auf den "Kollektivverzicht" zu einer expliziten gesetzlichen Reaktion veranlasst sah, beruht gerade darauf, dass das Mittel des "Kollektivverzichts" aus dem Bewusstsein heraus entwickelt wurde, dass andere "Kampfmaßnahmen" - insbesondere ein "Ärztestreik" - rechtlich ausgeschlossen sind (siehe hierzu Ludes, Die Honorierung kassenärztlicher Leistungen als Instrument zur Angebotssteuerung im ambulanten Sektor, 1986, S 57 ff: Rückgabe der Zulassung als "Quasi-Streik"). Mit Aktionen in Form eines "Kollektivverzichts" sollte der Umstand genutzt werden, dass Vertragsärzte rechtlich nicht gehindert sind, ihre Zulassungen zurückzugeben bzw auf diese zu verzichten. Die gesetzliche Regelung soll einen derartigen Missbrauch dieses Rechts verhindern; sanktioniert wird der rechtsmissbräuchliche, von den Vertragsärzten lediglich als Druckmittel in der Erwartung eingesetzte Verzicht, die vertragsärztliche Versorgung könne auf Dauer nicht ohne sie auskommen (siehe Gesetzesbegründung zum Gesundheitsstrukturgesetz , BT-Drucks 12/3608 S 95 zu § 95b Abs 1 SGB V).

42

Auch § 72a Abs 1 SGB V, der den Übergang des Sicherstellungsauftrags auf die KKen vorsieht, wenn mehr als 50 vH aller in einem Zulassungsbezirk oder regionalen Planungsbereich niedergelassenen Vertragsärzte auf ihre Zulassung nach § 95b Abs 1 SGB V verzichten oder die vertragsärztliche Versorgung verweigern und die Aufsichtsbehörde festgestellt hat, dass dadurch die vertragsärztliche Versorgung nicht mehr sichergestellt ist, kann weder im Sinne eines "Streikverbots" noch im (umgekehrten) Sinne einer gesetzlichen Tolerierung aller übrigen "Kampfmaßnahmen" verstanden werden. Zwar käme der Fall einer "Verweigerung" vertragsärztlicher Leistungen im Ergebnis einem "Streik" gleich. Der Annahme, dass der Gesetzgeber damit allein den Fall eines "flächendeckenden" Streiks sanktionieren wollte, steht jedoch die Wertung entgegen, dass der Gesetzgeber eine Sanktionierung etwaiger Streikmaßnahmen von Vertragsärzten durch Disziplinarmaßnahmen der KÄVen als grundsätzlich ausreichend erachten durfte und nur im Falle einer "flächendeckenden" Verweigerung der vertragsärztlichen Tätigkeit zusätzlich das schärfere Schwert eines Entzugs des Sicherstellungsauftrags für erforderlich erachtet.

43

bb. Die Unzulässigkeit von gegen die KKen (und ggf auch gegen die KÄVen) gerichteten "Kampfmaßnahmen" der Vertragsärzte ergibt sich jedoch aus der gesetzlichen Konzeption des Vertragsarztrechts. Dieses stellt ein in sich geschlossenes System dar, durch dessen Ausgestaltung der Gesetzgeber die partiell gegenläufigen Interessen der KKen auf der einen und der Leistungserbringer auf der anderen Seite zum Ausgleich gebracht hat, um auf diese Weise eine verlässliche Versorgung der Versicherten zu angemessenen Bedingungen sicherzustellen.

44

Der Gesetzgeber hat das Vertragsarztrecht bewusst so konzipiert, dass die Versorgung der Versicherten mit vertragsärztlichen Leistungen ungeachtet der Interessengegensätze zwischen den Leistungserbringern und den Kostenträgern unter allen Umständen gewährleistet bleibt. Dies wird durch bestimmte, das Vertragsarztrecht prägende Strukturelemente erreicht, deren wesentlicher Zweck darin besteht, Störungen der Patientenversorgung zu verhindern. Das vom Gesetzgeber geschaffene System ist dabei vorrangig auf einen Interessenausgleich ausgerichtet, stellt jedoch zugleich sicher, dass auch im Falle unüberbrückbarer Gegensätze zwischen Leistungserbringern und Kostenträgern die Versorgung der Versicherten gewährleistet bleibt. Wesentliche Strukturelemente des Vertragsarztrechts sind die Trennung der Rechtskreise (siehe dazu <(1)>), die Übertragung des Sicherstellungsauftrags auf die KÄVen (siehe dazu <(2)>) sowie ein "Kollektivvertragssystem" (siehe dazu <(3)>). Dieses System ist das Ergebnis einer jahrzehntelangen, durch wiederkehrende Auseinandersetzungen und Interessengegensätze geprägten Entwicklung und daher auf den Ausgleich dieser Gegensätze angelegt (siehe dazu <(4)>).

45

(1) Das Vertragsarztrecht ist zunächst so ausgestaltet, dass grundsätzlich (zu Ausnahmen durch Selektivverträge siehe §§ 73b, 140a SGB V)unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen den KKen als Kostenträgern und den Ärzten als Leistungserbringern vermieden werden (vgl BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 130): Rechtliche Beziehungen bestehen allein zwischen den KKen bzw deren Verbänden und den - als Körperschaften des öffentlichen Rechts organisierten (§ 77 Abs 5 SGB V)- KÄVen, welche in einer Doppelfunktion zugleich die Rechte der Vertragsärzte wahrzunehmen haben (§ 75 Abs 2 Satz 1 SGB V). Auf Bundesebene gilt Entsprechendes für deren Spitzenorganisationen, die KÄBV und den Spitzenverband Bund der KKen. Allein zwischen diesen Vertragsparteien werden die maßgeblichen Leistungsbedingungen ausgehandelt und in Form von Bundesmantelverträgen (§ 82 Abs 1 Satz 1 SGB V)bzw auf regionaler Ebene in Form von Gesamtverträgen (§ 83 Satz 1 SGB V) vereinbart. Dies gilt insbesondere für die Höhe der Vergütungen, die von den Landesverbänden der KKen und den Ersatzkassen mit der jeweiligen KÄV vereinbart und von der jeweiligen KK als "Gesamtvergütung" für alle in einem bestimmten Zeitraum erbrachten vertragsärztlichen Leistungen insgesamt gezahlt werden(§ 85 Abs 1, § 87a Abs 3 Satz 1 SGB V). Die Verteilung der Gesamtvergütungen auf die einzelnen Vertragsärzte wiederum ist alleinige Aufgabe der jeweiligen KÄV. Bei der Berechnung und Zahlung der Gesamtvergütungen und deren Verteilung handelt es sich um zwei eigenständige, formal getrennte Rechtskreise (stRspr des BSG, zB BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 9 RdNr 32; BSGE 105, 224 = SozR 4-2500 § 85 Nr 52, RdNr 33).

46

Die Trennung der Rechtskreise sowie der Umstand, dass sich bei den Vertragsverhandlungen Körperschaften des öffentlichen Rechts gegenüberstehen, die an Recht und Gesetz gebunden sind, bewirkt schon für sich genommen eine gewisse "Verrechtlichung" und damit Versachlichung der Auseinandersetzungen.

47

(2) Ein zentrales Element des Vertragsarztrechts und damit des Systems der GKV stellt der den KÄVen übertragene "Sicherstellungsauftrag" dar.

48

§ 72 Abs 1 Satz 1 SGB V bestimmt grundlegend(in der Art einer "Generalklausel", so Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, Stand September 2016, § 72 RdNr 6), dass Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, medizinische Versorgungszentren (MVZ) und KKen zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten zusammenwirken. Ungeachtet dieser alle Beteiligten treffenden Verpflichtung zur Zusammenarbeit überträgt das Gesetz durch § 75 Abs 1 Satz 1 SGB V die konkrete Aufgabe der Sicherstellung der (Regel-)Versorgung den vertragsärztlichen Körperschaften. Danach haben die KÄVen und die KÄBV die vertragsärztliche Versorgung in dem in § 73 Abs 2 SGB V bezeichneten Umfang sicherzustellen und den KKen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht (sogenannter "Sicherstellungsauftrag"). Aus dieser Aufgabenübertragung resultiert die Gesamtverantwortung der vertragsärztlichen Körperschaften für die ordnungsgemäße Durchführung der vertragsärztlichen Versorgung (stRspr des BSG, zB BSGE 79, 97, 99 f = SozR 3-5545 § 23 Nr 1 S 4; BSGE 109, 182 = SozR 4-2500 § 103 Nr 8, RdNr 13). Ob den KÄVen der Sicherstellungsauftrag für die vertragsärztliche Versorgung als politischer Ausgleich für den Verzicht der Kassenärzte auf die Möglichkeit des streikähnlichen Honorarkampfes übertragen wurde (so Hess in Kasseler Komm, SGB V, Stand Juni 2016, § 75 RdNr 3) oder ob die Übertragung auf die KÄVen nicht primär deswegen erfolgte, weil sie die Sicherstellung der Versorgung (über ihre Mitglieder) am besten gewährleisten können, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung.

49

Entgegen der Auffassung des Klägers ist dieser Sicherstellungsauftrag auch nicht dadurch obsolet geworden, dass § 73b SGB V ("Hausarztzentrierte Versorgung") und § 140a SGB V ("Besondere Versorgung") den Abschluss von Selektivverträgen zwischen KKen und Leistungserbringern ermöglichen, bei deren Durchführung der Sicherstellungsauftrag der KÄV eingeschränkt ist(siehe hierzu § 73b Abs 4 Satz 6 und § 140a Abs 1 Satz 4 SGB V; BSGE 100, 52 = SozR 4-2500 § 140d Nr 1, RdNr 21). Dass nunmehr ein Teil der vertragsärztlichen Versorgung über Selektivverträge organisiert wird, ändert im Grundsatz nichts daran, dass die KÄVen weiterhin die vertragsärztliche Versorgung sicherzustellen haben. Das Gesetz spricht allein von einer "Einschränkung", nicht hingegen von einer "Aufhebung" des Sicherstellungsauftrags; zudem gilt die gesetzliche Einschränkung nur, "soweit" die Versorgung durch Selektivverträge durchgeführt wird. Ob bzw unter welchen Voraussetzungen der den KÄVen verbliebene Sicherstellungsauftrag etwa für die hausärztliche Versorgung obsolet werden kann, wenn die überwiegende Zahl der Vertragsärzte an Selektivverträgen beteiligt ist, bedarf gegenwärtig keiner Entscheidung.

50

Die sich aus § 75 Abs 1 Satz 1 SGB V ergebende Verpflichtung trifft zwar unmittelbar allein die KÄV als Körperschaft. Umgesetzt wird die Sicherstellung aber von den gemäß § 72 Abs 1 Satz 1 SGB V an der vertragsärztlichen Versorgung mitwirkenden Vertragsärzten (und Psychotherapeuten) als Mitglieder der KÄV(BSGE 88, 20, 27 = SozR 3-2500 § 75 Nr 12 S 73). Die KÄV kann ihre Sicherstellungsverpflichtung nur erfüllen, wenn ihre Mitglieder wiederum ihrer Verpflichtung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung nachkommen, dh die zur vertragsärztlichen Versorgung ihres jeweiligen Fachgebiets gehörenden Leistungen auch anbieten und erbringen (BSGE 88, 20, 27 = SozR 3-2500 § 75 Nr 12 S 73). Daher ist der einzelne Vertragsarzt gemäß §§ 70 Abs 1, 72 Abs 1 Satz 1, 75 Abs 1 SGB V in diesen Sicherstellungsauftrag eingebunden(BSG Urteil vom 14.3.2001 - B 6 KA 67/00 R - Juris RdNr 26 = MedR 2002, 47 = USK 2001-126).

51

Gewährleistet wird die Umsetzung des Sicherstellungsauftrags der KÄV dadurch, dass die zugelassenen Vertragsärzte - sowie die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden angestellten Ärzte nach Maßgabe dieser Vorschrift - (Zwangs-)Mitglieder der für sie zuständigen Körperschaft KÄV werden (§ 77 Abs 3 SGB V). Der einzelne Vertragsarzt wird gemäß § 95 Abs 3 Satz 1 SGB V aufgrund seiner Zulassung kraft Gesetzes zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung in dem durch den Sicherstellungsauftrag festgelegten Umfang verpflichtet(BSG Urteil vom 12.10.1994 - 6 RKa 29/93 - Juris RdNr 10 = USK 94139; BSGE 88, 193, 197 f = SozR 3-2500 § 79a Nr 1 S 6); Entsprechendes gilt für MVZ (§ 95 Abs 3 Satz 2 SGB V)und ermächtigte Ärzte (§ 95 Abs 4 Satz 1 SGB V). Dementsprechend haben (ua) die Vertragsärzte an der Erfüllung des den Versicherten zustehenden Anspruchs auf ärztliche Behandlung mitzuwirken (BSGE 88, 20, 26 = SozR 3-2500 § 75 Nr 12 S 73; BSG Urteil vom 14.3.2001 - B 6 KA 67/00 R - Juris RdNr 26 = MedR 2002, 47 = USK 2001-126). Die KÄVen haben die Vertragsärzte ggf mit den Mitteln des Disziplinarrechts dazu anzuhalten, sich der Mitwirkung an der vertragsärztlichen Versorgung nicht ohne sachlichen Grund - auch nicht in Teilbereichen - zu entziehen (BSG aaO), und sie haben durch die Zwangsmitgliedschaft der an der Versorgung teilnehmenden Vertragsärzte und die hiermit verbundene Disziplinargewalt über diese auch die Möglichkeit hierzu.

52

Durch die Übertragung des Sicherstellungsauftrags erfolgt eine Inpflichtnahme der KÄV und - hiervon abgeleitet - der dieser angehörenden Vertragsärzte der Art, dass sie für den Gemeinwohlbelang der Funktionsfähigkeit der GKV Verantwortung zu tragen haben. Die Vertragsärzte sind aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der KÄV nicht allein als deren Erfüllungsgehilfen zu betrachten; vielmehr übernimmt (auch) der einzelne Vertragsarzt mit seinem Beitritt zum vertragsärztlichen System die Verantwortung für den Erhalt dieses Systems (so ausdrücklich die Gesetzesbegründung zum GSG, BT-Drucks 12/3608 S 95 zu § 95b Abs 3 SGB V). Damit ist die Bereitschaft der Vertragsärzte zur Einhaltung der vertragsärztlichen Vorschriften und zur Kooperation mit den vertragsärztlichen Institutionen wesentlich für die Sicherung des Systems der vertragsärztlichen Versorgung und der Funktionsfähigkeit der GKV (vgl BVerfG Beschluss vom 26.9.2016 - 1 BvR 1326/15 - RdNr 43 - Juris). Ohne diese auch tatsächliche Gewährleistung einer störungsfreien Versorgung der Versicherten durch die KÄVen und ihre Mitglieder wäre es nicht zu rechtfertigen, dass die Sicherstellungsaufgaben nicht denjenigen Körperschaften übertragen worden sind, die - über die Beiträge ihrer Mitglieder - die Versorgung finanzieren.

53

Der den KÄVen übertragene Auftrag zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung ist von zentraler Bedeutung für die Funktionsfähigkeit des Systems der GKV. Das kommt bereits dadurch zum Ausdruck, dass die "Sicherstellung der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung" ausweislich der Überschrift Gegenstand des gesamten Ersten Titels des Kapitels 4 Abschnitt 2 des SGB V ist. Die Bedeutung des Sicherstellungsauftrags für den Systemerhalt bestätigen zudem zahlreiche gesetzliche Vorschriften, die dessen Erfüllung gewährleisten bzw Systemstörungen verhindern sollen: So sieht § 72a Abs 1 SGB V den Übergang des Sicherstellungsauftrags auf die KKen vor, wenn mehr als 50 vH aller in einem Zulassungsbezirk oder regionalen Planungsbereich niedergelassenen Vertragsärzte auf ihre Zulassung nach § 95b Abs 1 SGB V verzichten oder die vertragsärztliche Versorgung verweigern und die Aufsichtsbehörde festgestellt hat, dass dadurch die vertragsärztliche Versorgung nicht mehr sichergestellt ist. Die Regelung bezweckt, abgestimmte Boykottaktionen zur Herbeiführung erheblicher Versorgungsengpässe und Erlangung einer nötigungsgleichen Verhandlungsposition zu unterbinden (Hesral in juris-PK SGB V, 3. Aufl 2016 § 72a RdNr 19). Mit dem Übergang des Sicherstellungsauftrags sind die KKen insbesondere berechtigt, mit Ärzten - aber auch mit Krankenhäusern - Einzel- und Gruppenverträge zu schließen (§ 72a Abs 3 Satz 1 SGB V)und Eigeneinrichtungen nach § 140 Abs 2 SGB V zu errichten(§ 72a Abs 3 Satz 2 SGB V).

54

Zudem steht den KKen dann, wenn die KÄV ihrem Sicherstellungsauftrag aus Gründen, die sie zu vertreten hat, nicht nachkommt, das Recht zu, die in den Gesamtverträgen nach § 85 oder § 87a SGB V vereinbarten Vergütungen teilweise zurückzubehalten(§ 75 Abs 1 Satz 2 SGB V). Die Einzelheiten haben die Partner des BMV-Ä gemäß § 75 Abs 1 Satz 3 SGB V vertraglich zu regeln; entsprechende Regelungen enthält § 54 Abs 3 BMV-Ä idF ab 1.10.2013 - einschließlich eines Schadensersatzanspruchs der KK (siehe § 54 Abs 3 Satz 12 BMV-Ä). Zweck der Regelung ist es, den KKen "die Möglichkeit" - letztlich ein Druckmittel (so auch Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, Stand September 2016, § 75 RdNr 4e) - in die Hand zu geben, um die KÄVen zur Einhaltung ihrer Gewährleistungsverpflichtung anzuhalten (Gesetzesbegründung zum GKV-Modernisierungsgesetz , BT-Drucks 15/1525 S 98). Von der KÄV zu vertretende Gründe für ein Versagen des Sicherstellungsauftrags können in einem gesetzwidrigen Verhalten (Boykottaufrufe etc) oder in einem systematischen Unterlassen gesetzlich gebotener oder vertraglich vereinbarter Maßnahmen bestehen, wenn kausal damit Sicherstellungsdefizite verbunden sind (Hess in Kasseler Komm, SGB V, Stand Juni 2016, § 75 RdNr 36a). Nach Sinn und Zweck der Regelung dürften die Voraussetzungen für einen Einbehalt schon dann erfüllt sein, wenn die KÄV nicht in der gebotenen Weise (etwa durch Einleitung von Disziplinarverfahren und/oder durch Verlautbarungen, die auf die Pflichtwidrigkeit der geplanten Maßnahmen hinweisen) ärztlichen "Kampfmaßnahmen" entgegentritt oder diese sogar befürwortet.

55

(3) Das System der vertragsärztlichen Versorgung ist als sogenanntes "Kollektivvertragssystem" konzipiert. Dies bedeutet zum einen, dass die für die Tätigkeit der Vertragsärzte maßgeblichen Bedingungen nicht durch zwischen dem einzelnen Arzt und der einzelnen KK geschlossene Einzelverträge, sondern durch Kollektivverträge der KKen(-Verbände) auf der einen und den vertragsärztlichen Körperschaften (KÄVen, KÄBV bzw KZÄBV) auf der anderen Seite bestimmt werden. Das gesetzlich vorgegebene System verzichtet damit zwar nicht darauf, dass die maßgeblichen Leistungsbedingungen, insbesondere die Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen, ausgehandelt werden; dies wird aber nicht durch "Marktkräfte", sondern durch Verbände gesteuert (BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 130).

56

Zum anderen ist Wesensmerkmal des vertragsärztlichen Kollektivvertragssystems, dass die beteiligten Körperschaften der KKen und der Ärzte als "gemeinsame Selbstverwaltung" die Einzelheiten der vertragsärztlichen Versorgung auf der Grundlage gesetzlicher Vorgaben weitgehend selbst regeln. Die Selbstverwaltung und das Zusammenwirken der Beteiligten zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung der Versicherten stellt einen "Grundzug" des Vertragsarztrechts dar (Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik zum Gesetz über die Regelung der Beziehungen zwischen Ärzten, Zahnärzten und KKen - GKAR, BT-Drucks <2. Wahlperiode> 1313 S 3). Auch der erkennende Senat hat es als "Leitgedanken" des Vertragsarztrechts bezeichnet, dass die vertragsärztliche Versorgung "in allen ihrer Verästelungen wesentlich vom eigenverantwortlichen Zusammenwirken der KKen und der Kassenärzte sowie ihrer Verbände in gemeinsamer Selbstverwaltung getragen wird" (BSGE 36, 151, 154 = SozR Nr 7 zu § 368g RVO unter Bezugnahme auf BSGE 20, 73, 84 = SozR Nr 1 zu § 368h RVO). Dieses System kollektivvertraglicher Normsetzung bildet ein Regelungsinstrumentarium eigener Art (BSGE 81, 73, 82 = SozR 3-2500 § 92 Nr 7 S 57).

57

Rechtliche Grundlage des Kollektivvertragssystems ist § 72 Abs 2 SGB V. Danach ist die vertragsärztliche Versorgung im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Richtlinien des GBA durch schriftliche Verträge der KÄVen mit den Verbänden der KKen zu regeln. Ausgehend hiervon bestimmt etwa § 83 Satz 1 SGB V, dass die KÄVen mit den für ihren Bezirk zuständigen Landesverbänden der KKen und den Ersatzkassen Gesamtverträge über die vertragsärztliche Versorgung der Mitglieder zu schließen haben. Den allgemeinen Inhalt der Gesamtverträge wiederum haben deren Spitzenorganisationen auf Bundesebene - die KÄBV (§ 77 Abs 4 SGB V) sowie der Spitzenverband Bund der KKen (§ 217a SGB V) - in Bundesmantelverträgen zu vereinbaren (§ 82 Abs 1 Satz 1 SGB V). Zu den gesetzlich vorgeschriebenen Vereinbarungen gehören darüber hinaus - auf der Ebene der KÄVen - etwa Punktwertvereinbarungen nach § 87a Abs 2 Satz 1 SGB V und Arzneimittelvereinbarungen nach § 84 Abs 1 SGB V. Auf Bundesebene haben die dortigen Vertragspartner durch einen von ihnen gebildeten Bewertungsausschuss (§ 87 Abs 1 Satz 1 SGB V)insbesondere einen einheitlichen Bewertungsmaßstab (als Bestandteil der Bundesmantelverträge) zu vereinbaren, welcher den Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen und ihr wertmäßiges, (grundsätzlich) in Punkten ausgedrücktes Verhältnis zueinander bestimmt (§ 87 Abs 2 Satz 1 SGB V).

58

Den hierzu zwischen den Vertragspartnern der gemeinsamen Selbstverwaltung geschlossenen Vereinbarungen kommt zudem Rechtsnormqualität zu (sogenannte "Normsetzungsverträge", vgl BSGE 81, 86, 89 = SozR 3-2500 § 87 Nr 18 S 84; BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 64 ff; BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 13 RdNr 26; BSG Urteil vom 17.2.2016 - B 6 KA 47/14 R - SozR 4-2500 § 87 Nr 32 RdNr 22 - zu Regelungen des einheitlichen Bewertungsmaßstabs; BSGE 76, 48, 51 = SozR 3-2500 § 120 Nr 5 S 29 - zu Gesamtverträgen; BSG Beschluss vom 28.9.2016 - B 6 KA 11/16 B - nicht veröffentlicht, RdNr 10 - zu Richtgrößenvereinbarungen nach § 84 Abs 6 SGB V aF), mit der Folge, dass sie nicht allein für die Vertragsparteien, sondern auch für die Vertragsärzte und die gesetzlich krankenversicherten Patienten verbindlich sind.

59

Über die gemeinsame Vertragsgestaltung hinaus sind die vertragsärztlichen Körperschaften und die KKen(-Verbände) als "gemeinsame Selbstverwaltung" in vielfältiger Weise miteinander verbunden: So wirken sie im GBA nach § 91 SGB V zusammen, welcher die zur Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten beschließt(§ 92 Abs 1 Satz 1 SGB V); in dessen Beschlussgremium entsenden die Spitzenorganisationen der Ärzte wie auch der KKen Mitglieder (§ 91 Abs 2 Satz 1 SGB V). Weitere Entscheidungsgremien, in denen KKen und KÄVen zusammenarbeiten, sind zB Landesausschüsse nach § 90 SGB V, Zulassungs- und Berufungsausschüsse nach §§ 96, 97 SGB V sowie Beschwerdeausschüsse nach § 106 Abs 4 SGB V.

60

Die Übertragung des Rechts, die eigenen Angelegenheiten im Wesentlichen selbst durch entsprechende Verträge zu gestalten, und das den Kollektivvertragspartnern damit gewährte hohe Maß an Autonomie macht es zugleich erforderlich, durch entsprechende Rahmenbedingungen sicherzustellen, dass die Beteiligten ihren Verpflichtungen auch nachkommen. Die KÄVen und die KKen-Verbände sind zugleich gezwungen, beim Abschluss der Vereinbarungen über die vertragsärztliche Versorgung einen Interessenausgleich mit der jeweils anderen Seite zu finden (BSGE 81, 73, 82 = SozR 3-2500 § 92 Nr 7 S 57). Diese Verpflichtung zum Interessenausgleich wird bereits durch das in § 72 Abs 1 Satz 1 SGB V normierte "Zusammenwirkungsgebot"(Hesral in juris-PK SGB V, 3. Aufl 2016, § 72 RdNr 7)verdeutlicht.

61

Um zu verhindern, dass ein vertragsloser und damit "regelungsloser" Zustand eintritt, verlässt sich der Gesetzgeber allerdings weder allein auf das vorerwähnte Gebot einer vertrauensvollen Zusammenarbeit der Vertragspartner noch auf die Möglichkeit, mit Aufsichtsmitteln nach § 89 SGB IV auf die als Körperschaften des öffentlichen Rechts unter staatlicher Aufsicht stehenden Vertragspartner einzuwirken(siehe hierzu § 78 Abs 1 für die KÄBV und die KÄVen, § 208 Abs 1 Satz 1 SGB V für die Landesverbände der KKen, § 217d Satz 3 iVm § 208 Abs 2 Satz 1 SGB V für den Spitzenverband Bund der KKen), auch wenn diese Maßnahmen bis zur Einsetzung eines "Staatskommissars" reichen können (siehe hierzu § 79a Abs 1 SGB V; BSGE 88, 193 = SozR 3-2500 § 79a Nr 1). Vielmehr wird das reibungslose Funktionieren der vertragsärztlichen Versorgung durch zwei weitere für das vertragsärztliche Kollektivvertragssystem typische Gestaltungselemente abgesichert, nämlich durch gesetzlich vorgeschriebene Schlichtungsverfahren sowie die gesetzlich angeordnete Fortgeltung ausgelaufener Verträge bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung.

62

Diese Regelungen gewährleisten, dass ein vertragsloser Zustand vermieden wird (vgl BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2, RdNr 30); gleichzeitig verhindern sie, dass einer der Beteiligten durch die Blockade der Vertragsverhandlungen und den sich aus einem vertragslosen Zustand ergebenden Auswirkungen auf die vertragsärztliche Versorgung ein ihm genehmes Verhandlungsergebnis erzwingen kann. Im Streitfall soll das erforderliche Ergebnis - der Abschluss eines Vertrages über die vertragsärztliche Versorgung - nicht durch Mittel des "Arbeitskampfes" (im Sinne von "Streik" und "Aussperrung") erzwungen werden. Vielmehr wird den Vertragspartnern im Falle der Nichteinigung der Streitgegenstand entzogen und die Entscheidungshoheit auf das neutrale Schiedsamt übertragen, dessen Entscheidung wiederum zur gerichtlichen Überprüfung gestellt werden kann.

63

So bestimmt § 89 Abs 1 SGB V, dass dann, wenn ein Vertrag über die vertragsärztliche Versorgung ganz oder teilweise nicht zustande kommt(Satz 1 aaO) oder wenn ein neuer Vertrag nach Kündigung des alten nicht bis zu dessen Ablauf zustande kommt (Satz 3 aaO), das - neben Vertretern der Vertragsparteien mit drei unparteiischen Mitgliedern besetzte - (Landes-)Schiedsamt den Vertragsinhalt innerhalb von drei Monaten festsetzt (siehe hierzu Düring/Schnapp in Schnapp/Düring, Handbuch des sozialrechtlichen Schiedsverfahrens, 2. Aufl 2016, S 57 ff). Für den Fall, dass der für eine Entscheidung des Schiedsamts erforderliche Antrag nicht gestellt wird, sieht § 89 Abs 1a Satz 1 SGB V für gesetzlich vorgeschriebene Verträge - wie etwa Gesamtverträge nach § 83 SGB V, deren Inhalt insbesondere die Vereinbarung der Gesamtvergütungen ist(vgl § 85 Abs 2 Satz 1 SGB V) - eine Antragstellung durch die Aufsichtsbehörden vor. Schließlich hat der Gesetzgeber auch für den Fall Vorsorge getroffen, dass das Schiedsamt seinerseits untätig bleibt: Kommt ein Vertrag nicht innerhalb von drei Monaten durch Schiedsspruch zustande und verstreicht sodann auch eine dem Schiedsamt von der Aufsichtsbehörde gesetzte Frist, setzt diese den Vertragsinhalt fest (§ 89 Abs 1 Satz 5 und Abs 1a Satz 3 iVm Abs 1 Satz 5 SGB V). Schließlich wird bestimmt, dass Klagen gegen die Festsetzung des Schiedsamts keine aufschiebende Wirkung haben (§ 89 Abs 1 Satz 6, Abs 1a Satz 4 SGB V), der von diesem festgesetzte Vertragsinhalt also sofort Geltung erlangt.

64

Für den Fall, dass die den Bewertungsausschuss bildenden Organisationen - im Regelfall also die KÄBV und der Spitzenverband Bund der KKen - keine Einigung über die dem Bewertungsausschuss übertragenen Aufgaben, namentlich den Inhalt des Bewertungsmaßstabs nach § 87 Abs 1 SGB V, erzielen, sieht § 87 Abs 5 SGB V eine Entscheidung durch den - um einen unparteiischen Vorsitzenden und zwei weitere unparteiische Mitglieder erweiterten(§ 87 Abs 4 Satz 1 SGB V) -erweiterten Bewertungsausschuss vor (siehe hierzu Altmiks in Schnapp/Düring aaO, S 205 ff).

65

Flankiert werden die Schiedsregelungen durch die Bestimmungen über die Fortgeltung bisheriger Verträge. Zwecks Verhinderung eines vertragslosen Zustandes im Zeitraum zwischen Vertragsablauf und Schiedsamtsentscheidung bestimmt etwa § 89 Abs 1 Satz 4 SGB V, dass ein gekündigter Vertrag bis zur Entscheidung des Schiedsamts fortgilt. Dies wird weder durch das Scheitern der Schiedsverhandlungen in Frage gestellt noch dadurch, dass ein Schiedsentscheid nicht binnen der Dreimonatsfrist des § 89 Abs 1 Satz 3 SGB V ergeht(BSGE 88, 193, 202 = SozR 3-2500 § 79a Nr 1 S 11). Ebenso bestimmt § 84 Abs 1 Satz 3 SGB V, dass dann, wenn eine Arzneimittelvereinbarung nicht bis zum Ablauf der in § 84 Abs 1 Satz 1 SGB V genannten Frist zustande kommt, die bisherige Vereinbarung bis zum Abschluss einer neuen Vereinbarung oder einer Entscheidung durch das Schiedsamt weiter gilt.

66

(4) Die gesetzlichen Regelungen zum Vertragsarztrecht sind in "jahrzehntelanger Entwicklung aus den Interessengegensätzen und dem Interessenausgleich zwischen der Ärzteschaft und den KKen" entstanden (so ausdrücklich die Gesetzesbegründung zum ersten Entwurf eines GKAR, BT-Drucks <2. Wahlperiode> 87 S 14 - A. Allgemeiner Teil I. Entwicklung des Kassenarztrechts).

67

Nach dem "Gesetz betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter" (Krankenversicherungsgesetz ) vom 15.6.1883 (RGBl 73) konnten die KKen nach eigenem Ermessen und in freier Vereinbarung mit ihnen genehmen Ärzten bürgerlich-rechtliche (Einzel-)Dienstverträge über die ärztliche Versorgung ihrer Versicherten schließen (Gesetzesbegründung zum GKAR aaO; siehe hierzu auch Rompf, VSSR 2007, 1, 5 ff). So ermächtigte der mit Gesetz vom 10.4.1892 (RGBl 379) in das KVG eingefügte § 6a die KKen, durch Statut zu bestimmen, welche Ärzte die Versicherten behandeln konnten; die Bezahlung anderer als der im Statut benannten Ärzte war ausgeschlossen. Die durch den zunehmenden Organisationsgrad der GKV bedingten Auswirkungen dieser Machtstellung auf die Ärzteschaft (ausführlich hierzu Käsbauer, Die Neuordnung der Rechtsbeziehungen zwischen Ärzten und KKen durch das Berliner Abkommen vom 23.12.1913, Dissertation, 2015, S 54 ff) führten zur Gründung ärztlicher Interessenorganisationen (namentlich des Leipziger Verbandes bzw "Hartmannbundes"), die insbesondere für eine Erhöhung der Honorare, die freie Arztwahl sowie die Ablösung der Einzelverträge durch Kollektivverträge eintraten (Rompf aaO; Gesetzesbegründung zum GKAR aaO).

68

Die an die Stelle des KVG tretende RVO vom 19.7.1911 (RGBl 509) übernahm die bestehenden Strukturen des KVG und entsprach damit nicht den Interessen der Ärzteschaft (Zacher, ZfS 1966, 129, 131). Vielmehr wurde die Position der Ärzte weiter geschwächt, da die KKen durch § 370 Satz 1 RVO ermächtigt wurden, den Versicherten an Stelle von Sachleistungen zwei Drittel des durchschnittlichen Krankengeldes zu gewähren, sofern die ärztliche Versorgung ernstlich dadurch gefährdet wurde, dass die KK keinen Vertrag zu angemessenen Bedingungen mit einer ausreichenden Zahl von Ärzten schließen konnte oder dass die Ärzte den Vertrag nicht einhielten; hierdurch wurde den Ärzten ein effektives Druckmittel - die Kündigung der Verträge - entzogen, weil die Versicherten in diesem Fall Ärzte konsultieren konnten, die keine Verträge mit den KKen geschlossen hatten (Ziermann, Inhaltsbestimmung und Abgrenzung der Normsetzungskompetenzen des Gemeinsamen Bundesausschusses und der Bewertungsausschüsse im Recht der GKV, Dissertation 2007, S 20). Daraufhin wurde auf einem außerordentlichen Ärztetag am 26.10.1913 ein allgemeiner Streik ab dem Inkrafttreten der RVO - dh ab dem 1.1.1914 - beschlossen (Zacher, ZfS 1966, 129, 131). Auf Vermittlung der Reichsregierung wurde am 23.12.1913 zwischen den Spitzenverbänden der KKn und der Ärzteschaft das sogenannte "Berliner Abkommen" (abgedruckt bei Käsbauer aaO S 405 ff) vereinbart. Nach diesem - auf privatrechtlicher Grundlage zwischen Ärzten und KKen geschaffenen - Vertragssystem(zu den Einzelheiten siehe Käsbauer aaO S 149 ff) verblieb es beim Einzelvertragssystem. Jedoch verzichteten die KKen auf die einseitige Bestimmung der Zahl, der Auswahl und der Beschäftigungsbedingungen der Ärzte zugunsten einer gemeinsamen Regelung durch paritätisch besetzte Ausschüsse unter ausschlaggebender Mitwirkung eines beamteten Vorsitzenden (vgl Nr 5 und 6 des Abkommens). Auch sah das Abkommen vor, dass der Leipziger Verband auf eine Weitergeltung der alten Verträge bis zum Abschluss eines neuen Vertrages hinwirken sollte (siehe hierzu auch Rompf aaO Fußnote 59: Verpflichtung zur Weiterbehandlung).

69

Bedingt durch das Auslaufen des zunächst auf zehn Jahre befristeten und nunmehr kündbaren "Berliner Abkommens" sowie durch die Auswirkungen der Geldentwertung (Rompf aaO S 10; Käsbauer aaO S 195 ff) kam es auf der Grundlage eines Ermächtigungsgesetzes vom 13.10.1923 (RGBl 943) mit der Verordnung der Reichsregierung über Ärzte und KKen vom 30.10.1923 (RGBl 1051) erstmals zu einer normativen Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen Ärzten und KKen. Mit dieser Verordnung wurde der wesentliche Teil des "Berliner Abkommens" in die RVO aufgenommen (Gesetzesbegründung zum GKAR aaO; Käsbauer aaO S 211 mwN). Geregelt wurde die Bildung eines Reichsausschusses für Ärzte und KKen (§§ 1 bis 6), von Landesausschüssen (§§ 7 bis 9)sowie von Einigungs- und Schiedsstellen (§§ 10 bis 17). Die Nichtbeachtung von Schiedsamtsentscheidungen durch den Arzt konnte einen Zulassungsausschluss von bis zu fünf Jahren nach sich ziehen, während für die Verbände der Ärzte und der KKen eine Schadensersatzpflicht bestand (§ 17 der Verordnung). Durch die Verordnung über Krankenhilfe bei den KKen vom 30.10.1923 (RGBl I 1054) wurde hingegen ua - in § 6 - bestimmt, dass die ärztliche Versorgung im Sinne von § 370 RVO insbesondere als ernstlich gefährdet gilt, wenn ein für die ausreichende Versorgung unentbehrlicher Teil der Ärzte den geschlossenen Vertrag nicht einhält(Nr 1), sich nach Ablauf oder Abbruch des Vertrags weigert, die Behandlung vorläufig unter den bisher geltenden Bedingungen fortzusetzen (Nr 2) oder sich weigert, über die künftigen Bedingungen vor den Schiedsstellen zu verhandeln (Nr 3). Der Inhalt der "Verordnung über Ärzte und KKen" wurde durch die Bekanntmachung vom 15.12.1924 (RGBl I 779, 821 ff) - als §§ 368a bis 368t - in die RVO aufgenommen.

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Die Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er Jahre und die daraus resultierende Massenarbeitslosigkeit mit entsprechender Verringerung des Beitragsaufkommens sowie die Absenkung der Krankenkassenbeiträge zur Finanzierung der Arbeitslosenversicherung bedingte eine Reduzierung der Krankenversicherungsausgaben (Käsbauer aaO S 265 ff). Hierzu dienten die durch die Notverordnung vom 26.7.1930 (RGBl I 311, 321 ff) umgesetzten Maßnahmen. Zu diesen gehörten insbesondere die Normierung eines Wirtschaftlichkeitsgebots und eine mit dessen Verletzung verbundene Schadensersatzpflicht des Arztes sowie die Aufnahme von Regelungen gegen eine übermäßige Ausdehnung des kassenärztlichen Dienstes (§ 368 Abs 2 RVO) und eine Verschärfung des § 370 RVO durch die Reduzierung der anstelle einer Sachleistung zu gewährenden Barleistung auf 80 vH der wirklichen Kosten, die zugleich als Zahlung im Sinne der ärztlichen Gebührenordnung galt, und die Einführung eines Kündigungsrechts bei übermäßigen Ausgaben der KK.

71

Die insbesondere aus diesen Maßnahmen resultierenden Spannungen zwischen Ärzten und KKen (vgl Rompf aaO S 14) führten dazu, dass es auf Initiative und unter maßgeblicher Mitwirkung des Reichsarbeitsministeriums 1931 zu einer Vereinbarung zwischen der Ärzteschaft und den größten Verbänden der KKen kam, die auf der einen Seite Forderungen der Ärzteschaft nach großzügigerer Zulassung durch eine Absenkung der Verhältniszahl entgegenkam und auf der anderen Seite den Forderungen der KKen nach Abgeltung der gesamten Behandlung durch einen festen Abgeltungsbetrag für jeden Versicherten - sogenannte "Kopfpauschale" - entsprach (Gesetzesbegründung zum GKAR aaO). Da die Innungs-, Betriebs- und Landeskrankenkassen dem Kompromiss nicht zustimmten (Rompf aaO), erfolgte mit der Vierten Verordnung des Reichspräsidenten vom 8.12.1931 (RGBl I 699, 718 ff = Fünfter Teil Kapitel I ) auf der Grundlage des vorgenannten Übereinkommens (Gesetzesbegründung zum GKAR aaO S 14 f) eine gesetzliche Regelung. Deren Inhalt wurde nachfolgend durch die Verordnung über die kassenärztliche Versorgung vom 14.1.1932 (RGBl I 19) im Wege einer Neufassung der §§ 368 bis 373 in die RVO eingearbeitet.

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Mit dieser Neuregelung erhielt das Vertragsarztrecht weitgehend seine noch heute gültigen Strukturen. So wurde zur Regelung des "kassenärztlichen Dienstes" der Abschluss von Gesamtverträgen zwischen KKen und KÄVen auf der Grundlage der von den Spitzenverbänden vereinbarten Mantelverträge vorgeschrieben (§ 1 der Notverordnung = § 368 RVO nF), die Zahlung einer nach Kopfpauschalen bemessenen Gesamtvergütung bestimmt (§ 2 = § 368e Abs 1 RVO nF) sowie deren mit befreiender Wirkung erfolgenden Zahlung an die KÄV, welcher deren Verteilung oblag (§ 3 = § 368e Abs 2 RVO nF). Zudem wurde bestimmt, dass die KÄV die Erfüllung der den Kassenärzten obliegenden Verpflichtungen zu überwachen hatte und dass sie den KKen gegenüber die Gewähr dafür übernahm, dass die kassenärztliche Versorgung den Anforderungen entsprach (§ 4 = § 368d Abs 2 und 3 RVO nF). Nach § 368p Abs 3 Satz 3 Halbsatz 2 RVO wurde zudem bestimmt, dass bis zur Entscheidung des Reichsschiedsamts über das gegen eine Entscheidung des Schiedsamts eingelegte Rechtsmittel die Vergütung in der Höhe fortzuzahlen war, in der sie vor Erlass der angefochtenen Entscheidung gewährt wurde.

73

Der nachkonstitutionelle Gesetzgeber hat an das überkommene Regelungskonzept angeknüpft und es weiter ausgebaut (BSGE 78, 70, 78 = SozR 3-2500 § 92 Nr 6 S 33; BSGE 81, 73, 83 = SozR 3-2500 § 92 Nr 7 S 58). Mit dem GKAR vom 17.8.1955 (BGBl I 513) hat er dabei bewusst - in der Erkenntnis, dass in der Vergangenheit mehrfach heftige Kämpfe zwischen der Ärzteschaft und den KKen entbrannt seien, die zeitweise die Grundlagen der GKV zu erschüttern gedroht hätten, im Ergebnis aber zu der beiderseitigen Erkenntnis geführt hätten, dass im Interesse der ärztlichen Versorgung der Versicherten das verständnisvolle Zusammenwirken der Ärzteschaft und der KKen in einer umfassenden Gemeinschaftsarbeit unerlässlich sei (Gesetzesbegründung zum GKAR, BT-Drucks <2. Wahlperiode> 87 S 14) - die wesentlichen Strukturen des bisherigen Rechts übernommen. Ausdrücklich hervorgehoben wurde, dass dann, wenn keine Einigung über den Inhalt der Gesamtverträge erzielt werde, ein "Einigungsverfahren" gelte, das notfalls zu einer Zwangsschlichtung führe, und dass bis zur endgültigen Entscheidung die Vergütung gemäß § 368h Abs 5 RVO in der bisherigen Höhe weiterzuzahlen sei(Ausschussbericht zum GKAR, BT-Drucks <2. Wahlperiode> 1313 S 4). Auf die Übernahme der sogenannten "Misstrauensparagraphen" (§§ 370 ff der RVO) werde verzichtet, da Ärztestreiks uÄ aufgrund der gesetzlich vorgegebenen Zwangsschlichtung ausgeschlossen erschienen (Ausschussbericht aaO). Die Gesetzesbegründung betont damit den engen Zusammenhang zwischen der "Zwangsschlichtung" auf der einen und dem Verzicht auf die "Misstrauensparagraphen" auf der anderen Seite: Es habe Einigkeit darüber bestanden, dass der - im Gesetzgebungsverfahren diskutierte - Wegfall der Zwangsschlichtung die Wiedereinführung der §§ 370 ff RVO zur Folge haben müsse; daher habe man im Interesse der Sicherstellung der ärztlichen Versorgung der Versicherten an der Zwangsschlichtung festgehalten (Ausschussbericht aaO S 6 zu d) Schlichtung).

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Auch dem nachkonstitutionellen Gesetzgeber kam es damit maßgeblich darauf an, im Interesse der Sicherstellung der ärztlichen Versorgung der Versicherten einen vertragslosen Zustand zu verhindern. Dabei wurde als selbstverständlich vorausgesetzt, dass die (vorübergehende) Fortgeltung der bestehenden Vereinbarungen auch ihren Niederschlag in einer durch "Kampfmaßnahmen" unbeeinträchtigten Versorgung der Versicherten findet. Hierauf weisen gerade die im Gesetzgebungsverfahren diskutierten Alternativen "Zwangsschlichtung" oder "Misstrauensparagraphen" hin: Den KKen sollte kein Mittel nach Art des § 370 RVO aF in die Hand gegeben werden, um auf "Kampfmaßnahmen" der Vertragsärzte angemessen reagieren zu können, sondern es sollte durch die Verpflichtung der KKen und KÄVen zum Zusammenwirken und die ggf zwangsweise Herbeiführung einer Einigung von vornherein ausgeschlossen werden, dass es überhaupt zu "Kampfmaßnahmen" kommt.

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Hieran hat der Gesetzgeber auch nachfolgend festgehalten. So hat er mit dem Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz ( vom 27.6.1977, BGBl I 1069) eine dreimonatige Frist für das Wirksamwerden eines Zulassungsverzichts eingeführt (siehe hierzu §§ 368a Abs 7, 368c Nr 15 RVO iVm den Zulassungsordnungen). Hierdurch sollten die KÄVen rechtzeitig von einer Veränderung der Versorgungssituation Kenntnis erlangen und ggf geeignete Sicherstellungsmaßnahmen ergreifen können (Ausschussbericht zum KVKG, BT-Drucks 8/338 S 63 zu Art 1 Nr 28); damit sollte vermieden werden, dass sich ein Vertragsarzt mit sofortiger Wirkung von seinen Verpflichtungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung lösen kann (Ausschussbericht aaO S 52 Allgemeiner Teil III.1.; zu den Hintergründen siehe auch Ludes aaO S 57 ff).

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Im Zusammenhang mit der Einfügung der gesetzlichen Regelungen zur Begegnung von Maßnahmen in Form eines "Kollektivverzichts" durch das GSG vom 21.12.1992 (BGBl I 2266) - hierzu gehört insbesondere der Übergang des Sicherstellungsauftrags auf die KKen (§ 72a SGB V) und die sechsjährige Wiederzulassungssperre (§ 95b SGB V), aber auch die Regelungen in § 13 Abs 2 Satz 7 SGB V und § 140 Abs 2 Satz 2 SGB V - hat er nicht nur durch die ergriffenen Maßnahmen, sondern auch durch die Gesetzesbegründung deutlich gemacht, dass er jegliche Beeinträchtigung der vertragsärztlichen Versorgung durch ärztliche "Kampfmaßnahmen" für nicht hinnehmbar ansieht. Die Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung seien für den Vertragsarzt verbindlich und er habe dementsprechend die Erfüllung des Sicherstellungsauftrags zu fördern und alles zu unterlassen, was die Sicherstellung und die Durchführung der vertragsärztlichen Versorgung gefährden oder ausschließen könnte; jede Schädigung der vom Körperschaftszweck erfassten Interessen der Beteiligten habe zu unterbleiben (Gesetzesbegründung zum GSG, BT-Drucks 12/3608 S 95 zu § 95b Abs 1 SGB V).

77

Durch das GMG vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) hat der Gesetzgeber den KKen mit § 75 Abs 1 Satz 2 SGB V die Möglichkeit eröffnet, die Gesamtvergütungen teilweise zurückzubehalten, wenn die KÄVen ihrer Sicherstellungsverpflichtung nicht nachkommen. Zudem wurde bestimmt, dass die Satzung der KÄVen auch Bestimmungen über die vertragsärztlichen Pflichten zur Ausfüllung des Sicherstellungsauftrags enthalten muss (§ 81 Abs 1 Satz 1 Nr 9 SGB V). Hierdurch soll nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 15/1525 S 99 zu Art 1 Nr 59) rein betriebswirtschaftlich motivierten Praxisschließungen vor Ende des Abrechnungsquartals entgegengewirkt werden.

78

cc. Mit diesem in sich geschlossenen, in der Kontinuität einer mehr als hundertjährigen Entwicklung stehenden und bis in die jüngere Zeit durch den Gesetzgeber fortentwickelten System des Vertragsarztrechts sind "Kampfmaßnahmen" der Vertragsärzte nicht vereinbar (in diesem Sinne auch LSG Berlin Urteil vom 5.12.2001 - L 7 KA 17/99 - RdNr 29 ff - Juris, zu Streikaufrufen der KZÄV).

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(1) (a) Es würde das dargestellte Regelwerk des Vertragsarztrechts konterkarieren, wenn sich die Vertragsärzte dem vom Gesetzgeber mit der Schiedsregelung und der Fortgeltung von Verträgen beabsichtigten Zweck, eine störungsfreie ärztliche Versorgung der Versicherten sicherzustellen, durch "(Warn-)Streiks" ganz oder auch nur partiell entziehen könnten. Insbesondere die Verpflichtung zur Weiterarbeit unter den bisherigen Bedingungen bis zum Abschluss oder der Festsetzung einer neuen Vereinbarung, die bereits Eingang in die Bestimmungen des Berliner Abkommens gefunden hatte und nachfolgend in die RVO übernommen wurde (siehe § 368p Abs 3 Satz 3 Halbsatz 2 RVO idF der Verordnung vom 14.1.1932), verfolgt den erkennbaren Zweck, jede - und sei es auch nur vorübergehende - Unterbrechung oder Beeinträchtigung der Versorgung der in der GKV versicherten Patienten auszuschließen.

80

Eine der Intention des Gesetzgebers zuwiderlaufende Störung der Versorgung liegt mithin auch dann vor, wenn es sich bei den ärztlichen "Kampfmaßnahmen" lediglich um "Nadelstiche" - also um zeitlich, örtlich oder vom Ausmaß her begrenzte Maßnahmen wie etwa "Warnstreiks" - handelt. Auch in der mit einem vertragsärztlichen "Warnstreik" verbundenen mehrstündigen Praxisschließung liegt eine nicht unerhebliche Verweigerung der vertragsärztlichen Versorgung (so auch LSG Berlin Urteil vom 5.12.2001 - L 7 KA 17/99 - Juris RdNr 34 = NZS 2002, 386 ff = Breith 2002, 495 ff = MedR 2002, 370 ff). Auch derartige partielle "Kampfmaßnahmen" beeinträchtigen die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten. Die teilnehmenden Vertragsärzte stehen für die Dauer des "Warnstreiks" nicht für die Versorgung der Versicherten zur Verfügung, obwohl ihre Teilnahme hieran geboten und erforderlich ist:

81

Die KÄVen und ihre Mitglieder haben gemäß § 75 Abs 1 Satz 1 SGB V zu gewährleisten, dass die vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn alle Vertragsärzte im vorgesehenen und als erforderlich erachteten Umfang an der Versorgung teilnehmen. Die vertragsärztliche Bedarfsplanung mit der Feststellung eines bedarfsgerechten Versorgungsgrades und der Feststellung von Überversorgung beruht auf der Prämisse, dass die Vertragsärzte die für ihre Fachgebiete oder für ihren Versorgungsbereich wesentlichen Leistungen anbieten und erbringen (BSGE 88, 20, 27 = SozR 3-2500 § 75 Nr 12 S 73), und damit natürlich erst recht auf der Annahme, dass die Vertragsärzte überhaupt Leistungen im Umfang des übernommenen Versorgungsauftrags erbringen. Dass im Rahmen der vertragsärztlichen Bedarfsplanung auch diejenigen Vertragsärzte berücksichtigt werden, die tatsächlich kaum Sprechstunden verlässlich durchführen, ist ein auch vom Senat beklagter Missstand (vgl BSG SozR 4-5520 § 24 Nr 1 RdNr 18), der nicht der mit der Bedarfsplanung verfolgten Intention einer gleichmäßigen und ausreichenden Versorgung entspricht. Dieser Umstand ändert aber nichts daran, dass nur ein Tätigwerden im Umfang des übernommenen Versorgungsauftrags den rechtlichen Vorgaben genügt.

82

Dem entspricht die in § 81 Abs 1 Satz 1 Nr 10 SGB V normierte Vorgabe, dass die Satzung der KÄV auch Bestimmungen über die vertragsärztlichen Pflichten zur Ausfüllung des Sicherstellungsauftrags enthalten muss. Hintergrund dieser ausdrücklichen Verpflichtung ist nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 15/1525 S 99 zu Nr 59) die Beobachtung, dass Vertragsärzte vor Ende eines Abrechnungszeitraums ihre Praxis schließen, weil das individuelle Abrechnungsvolumen ihrer Praxis erschöpft ist. Mit einem derartigen Verhalten setzten sich diese Vertragsärzte in Widerspruch zu der aus ihrer Zulassung resultierenden Verpflichtung, der vertragsärztlichen Versorgung in vollem Umfang zur Verfügung zu stehen und nicht aus betriebswirtschaftlichen Gründen ihre Praxis zu schließen (aaO). Diesem Verhalten hat der Gesetzgeber auch mit Blick auf § 32 Abs 1 Ärzte-ZV, der eine Praxisschließung nur unter den dort geregelten Voraussetzungen erlaubt, entgegenwirken wollen(vgl Vahldiek in Hauck/Noftz, SGB V, Stand September 2016, § 81 RdNr 26). Auch dies stützt die Annahme, dass jede nicht durch Sachgründe bedingte bzw gerechtfertigte Unterbrechung der vertragsärztlichen Versorgung mit einer Systemstörung gleichzusetzen ist.

83

Es ist im Übrigen gerade der Zweck der als "Kampfmaßnahme" ("Warn-Streik") konzipierten vorübergehenden Praxisschließung, dass sich diese Maßnahme auf die Versorgung der Versicherten auswirkt, weil hierdurch ein Nachgeben der KKen in den (Vergütungs-)Verhandlungen erzwungen werden soll: Es soll den KKen - vorerst zeitlich und vom Umfang her begrenzt - aufgezeigt werden, welche Situation eintreten könnte, wenn diese nicht auf die Forderungen der Ärzteschaft eingehen. "Warnstreiks" von Vertragsärzten kommen in ihrer Wirkung einem Warnstreik der Beschäftigten eines öffentlichen Versorgungsunternehmens gleich, bei dem ebenfalls aufgrund einer kurzfristigen Arbeitsniederlegung durch die Öffentlichkeit vermittelter Druck auf die Verhandlungspartner ausgeübt werden soll (LSG Berlin aaO RdNr 34).

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(b) Ebenso würde es dem vom Gesetzgeber angestrebten Interessenausgleich zwischen den KKen und den Ärzten zuwiderlaufen, wenn die Vertragsärzte die Möglichkeit besäßen, die KKen durch - die ärztliche Versorgung der Mitglieder der KKen beeinträchtigende - "Kampfmaßnahmen", wie vorübergehende Praxisschließungen, unter Druck zu setzen. Der vom Gesetzgeber beabsichtige Ausgleich der partiell gegenläufigen Interessen würde unter diesen Umständen daran scheitern, dass die KKen einen zu Lasten ihrer Versicherten geführten Kampf um Vergütungen und Vertragsbedingungen im Regelfall nicht lange durchhalten würden und daher gezwungen wären, auf die Forderungen der Ärzte bzw der KÄV einzugehen (in diesem Sinne auch Ludes aaO S 59, 60). Denn der von den Vertragsärzten durch "Kampfmaßnahmen" ausgeübte Druck richtete sich nur vermeintlich gegen die KKen selbst; unmittelbar betroffen wären vielmehr die Patienten, die ärztlicher Behandlung bedürfen und diese Behandlung nur in begrenztem zeitlichen Umfang oder gar nicht aufschieben können; diese würden letztlich von den Vertragsärzten als "Geiseln" genommen. Vertragsärzte dürfen ihre Auseinandersetzungen mit der KÄV und den KKen aber nicht auf dem Rücken der Versicherten austragen (Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, § 30 RdNr 6), vor allem, weil die Versicherten auf die Höhe der vertragsärztlichen Vergütungen keinen Einfluss haben (Wenner, GesR 2009, 505, 517). Im Ergebnis würden die widerstreitenden Interessen also nicht ausgeglichen, sondern es käme im Extremfall zu einem einseitigen "Diktat" zu Lasten der KKen.

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(c) Dass der Gesetzgeber ein derartiges "Diktat" nicht hinzunehmen bereit ist, bestätigen auch die bereits erwähnten Regelungen in § 72a und § 95b SGB V. Der Gesetzgeber hat mit diesen Vorschriften deutlich zu erkennen gegeben, dass "Kampfmaßnahmen" mit der vertragsärztlichen Tätigkeit unvereinbar sind. Die sehr scharfen Sanktionen im Falle eines abgesprochenen Systemausstiegs - namentlich die sechsjährige Wiederzulassungssperre - wären nur beschränkt plausibel, wenn "Ärztestreiks" unter Beibehaltung des Zulassungsstatus zulässig wären. Denn es stellte sich die Frage, worin der Unterschied zwischen einem - sanktionierten - abgesprochenen Zulassungsverzicht mit der Intention, nach Erfüllung der finanziellen Forderungen sofort wieder in das System zurückzukehren, und einem zeitlich unbefristeten Streik unter Beibehaltung des Zulassungsstatus bestehen könnte.

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Die Wertung eines systemimmanenten Ausschlusses von "Kampfmaßnahmen" der Vertragsärzte bestätigt der Umstand, dass der nachkonstitutionelle Gesetzgeber - anders, als dies unter der Geltung des "Misstrauensparagraphen" § 370 RVO der Fall war - den KKen kein Instrumentarium in die Hand gegeben hat, um vorübergehenden und ggf auch "niedrigschwelligen" Störungen der Versorgung entgegentreten zu können. Wollte man den Vertragsärzten ein "Streikrecht" zugestehen, müsste man im Übrigen zugleich den KKen die Möglichkeit eröffnen, hierauf adäquat reagieren zu können. Während die Arbeitgeber im Falle eines Streiks ihrer Beschäftigten zur Herstellung der Kampf- bzw Verhandlungsparität (vgl BVerfGE 84, 212, 225) die Möglichkeit der Aussperrung - also der Suspendierung der Hauptleistungspflichten aus dem Arbeitsverhältnis (vgl Treber in Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 16. Aufl 2015, § 191 RdNr 12) - haben, sind vergleichbare Gegenmaßnahmen den KKen für den Regelfall verwehrt (auf die "sehr begrenzten Substitutionsmöglichkeiten" der KK weist auch Ludes hin).

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So ist es ihnen grundsätzlich (vgl § 140 Abs 2 Satz 1 SGB V) versagt, durch Schaffung von Eigeneinrichtungen etwaigen "Kampfmaßnahmen" der Ärzte vorzubeugen. Ebenso wenig sind die KKen berechtigt, eine ambulante Behandlung ihrer Mitglieder durch Krankenhäuser statt durch Vertragsärzte sicherstellen zu lassen, weil die ambulante Versorgung Aufgabe der niedergelassenen Ärzte ist und ihnen hier - grundsätzlich - der Vorrang zukommt (stRspr des BSG, vgl zB BSGE 88, 20, 27 = SozR 3-2500 § 75 Nr 12 S 73; BSG SozR 4-2500 § 76 Nr 2 RdNr 13; siehe auch BVerfG SozR 4-1500 § 54 Nr 4 RdNr 15 ff). Etwas anderes gilt allein in dem (Extrem-)Fall, dass mehr als 50 vH der Vertragsärzte in einem Zulassungsbereich oder Planungsbezirk nach § 95b Abs 1 SGB V (sogenannter "Kollektivverzicht") auf ihre Zulassung verzichtet haben oder die vertragsärztliche Versorgung verweigern und damit - nach entsprechender Feststellung der Aufsichtsbehörde - der Sicherstellungsauftrag nach § 72a SGB V auf die KKen übergeht. Insoweit lässt das Gesetz auch die Neuerrichtung von Eigeneinrichtungen zur Erfüllung des Sicherstellungsauftrags (§ 72a Abs 3 Satz 2, § 140 Abs 2 Satz 2 SGB V) und den Abschluss von Verträgen mit Krankenhäusern ua zu (§ 72a Abs 3 Satz 1 SGB V).

88

Einem "Ärztestreik" steht schließlich auch entgegen, dass die von den KKen an die KÄVen gezahlte Gesamtvergütung eine Gesamtmenge an Leistungen vergüten soll, die sich nach dem mit der Morbiditätsstruktur der Versicherten verbundenen Behandlungsbedarf bemisst (vgl § 87a Abs 3 Satz 2 SGB V). Da davon auszugehen ist, dass mit Praxisschließungen konfrontierte Versicherte in gewissem Umfang darauf verzichten werden, "eingepreiste" Behandlungen nachzufragen, etwa um lange Wartezeiten bei den "Vertretungs-Praxen" zu vermeiden, erhalten Vertragsärzte, die aufgrund von "Warnstreiks" oÄ ihre Leistungen zurückhalten, einen Anteil der - abstrakt bemessenen - Gesamtvergütung zu Unrecht.

89

(2) Die gegen wesentliche Strukturelemente des vertragsarztrechtlichen Systems erhobenen Einwände überzeugen nicht. Soweit geltend gemacht wird, dass das gesetzlich vorgeschriebene Verfahren zur Streitschlichtung durch (Landes- oder Bundes-)Schiedsämter nach § 89 SGB V bzw durch den erweiterten Bewertungsausschuss nach § 87 Abs 4 SGB V untauglich sei, weil es nicht sicherstelle, dass die Interessen der Ärzteschaft gewahrt würden, geht dies fehl. Dass die unparteiischen Mitglieder der genannten Gremien oftmals den Ausschlag geben werden, ist einem Schlichtungsverfahren ebenso immanent wie der Umstand, dass die Entscheidung des Schiedsorgans zu Lasten der einen wie auch der anderen Seite ausgehen kann.

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Der weitere Einwand, dass die Sozialgerichtsbarkeit ihrer Überprüfungspflicht nur unzureichend nachkomme, weil sie bei der Überprüfung der Schiedssprüche starke Zurückhaltung übe (so auch Sodan/Schaks, VSSR 2014, 89, 112), trifft ebenfalls nicht zu. Die eingeschränkte Überprüfbarkeit der Schiedssprüche bzw der Entscheidungen des erweiterten Bewertungsausschusses beruht zum einen auf dem Umstand, dass es sich nach der gesetzlichen Konstruktion auch bei den an die Stelle der vertraglichen Vereinbarung tretenden Entscheidungen der Schiedsorgane um untergesetzliche Normsetzung handelt, sodass die hierfür geltenden Prüfmaßstäbe anzuwenden sind und insbesondere die Gestaltungsfreiheit des Normgebers zu respektieren ist (stRspr des BSG, vgl zum Bewertungsausschuss: BSGE 88, 126, 134 = SozR 3-2500 § 87 Nr 29 S 153; BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 86; zu Gesamtvergütungsvereinbarungen: BSGE 95, 141 RdNr 17 = SozR 4-2500 § 83 Nr 2 RdNr 25; BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 5 RdNr 17; siehe auch BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 72 RdNr 33 mwN). Zum anderen besitzen Schiedsämter eine besondere Gestaltungsfreiheit, die dem auf den Interessenausgleich angelegten Wesen der Schiedssprüche und dem ihnen immanenten Kompromisscharakter Rechnung trägt und die nicht geringer ist als der Gestaltungsspielraum der Vertragspartner (stRspr des BSG, vgl BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 11; BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 § 85 Nr 41, RdNr 13). Dies gilt nicht allein für Schiedsämter nach § 89 SGB V, sondern gleichermaßen für den erweiterten Bewertungsausschuss, da es sich bei der in § 87 Abs 4 SGB V vorgesehenen Erweiterung des Bewertungssauschusses um ein in den Normsetzungsvorgang inkorporiertes Schiedsverfahren handelt(BSGE 90, 61, 62 f = SozR 3-2500 § 87 Nr 35 S 202; BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 75). Auch diesen besonderen Gestaltungsspielraum haben die Gerichte zu respektieren.

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Der Feststellung, dass die rechtlichen Vorgaben des Vertragsarztrechts einen Streik der Vertragsärzte nicht zulassen, steht schließlich auch nicht das Urteil des 3. Senats des BSG vom 25.9.2001 (B 3 KR 14/00 R - BSGE 89, 19 = SozR 3-2500 § 125 Nr 7)entgegen, mit dem dieser einen Boykottaufruf des Zentralverbandes der Krankengymnasten als zulässig angesehen hat (aA Sodan/Schaks, VSSR 2014, 89, 116). Unabhängig von dem Gesichtspunkt, dass das für die Krankengymnasten geltende Regelwerk nicht ohne Weiteres mit dem Vertragsarztrecht vergleichbar ist, hat der 3. Senat des BSG seine auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen gestützte Entscheidung namentlich damit begründet, dass innerhalb des Systems der GKV kein geeignetes Konfliktlösungsinstrument zur Verfügung stehe, welches die berechtigten wirtschaftlichen Interessen der Krankengymnasten berücksichtige (BSGE 89, 19, 24 = SozR 3-2500 § 125 Nr 7 S 28). Derartige Konfliktlösungsinstrumente stellen jedoch ein wesentliches Strukturelement des Vertragsarztrechts dar.

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dd. Das "Streikverbot" gilt nicht allein für zugelassene Vertragsärzte, sondern auch für MVZ, da diese kraft ihrer Zulassung denselben vertragsärztlichen Vorgaben unterliegen (siehe hierzu BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 14 RdNr 15, 25 für die Verpflichtung des MVZ zur Teilnahme am vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst). Das MVZ kann seinen ihm kraft seiner Zulassung zugewiesenen Versorgungsauftrag nur durch die bei ihm tätigen angestellten Ärzte oder Vertragsärzte erfüllen (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 80 RdNr 35). Das dargestellte "Streikverbot" gilt generell für alle Ärzte, die innerhalb des GKV-Systems an der Versorgung der Versicherten beteiligt sind. Es ist also auch von Ärzten zu beachten, die als angestellte Ärzte bei in Einzelpraxis tätigen Ärzten, in Berufsausübungsgemeinschaften (BAG) oder in MVZ beschäftigt sind, ebenso - soweit die vertragsärztliche Tätigkeit betroffen ist - auch von ermächtigten Ärzten:

93

Wesensmerkmal der vertragsärztlichen Versorgung ist - wie dargestellt -, dass die KÄVen die Versorgung sicherzustellen haben und sich zur Gewährleistung dieser Verpflichtung ihrer Mitglieder "bedienen". Durch die Zwangsmitgliedschaft in der KÄV - die gemäß § 77 Abs 3 Satz 1 SGB V auch angestellte Ärzte umfasst, sofern sie mindestens halbtags beschäftigt sind(§ 77 Abs 3 Satz 2 SGB V - nach Art 1 Nr 1 des GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetzes, BT-Drucks 18/10605 S 7 zu § 77 Abs 3 Satz 2 SGB V ist zukünftig eine Grenze von zehn Stunden pro Woche vorgesehen) - und die daraus resultierende Disziplinargewalt wird den KÄVen die Möglichkeit eröffnet, ihre Mitglieder zur Gewährleistung des ihr obliegenden Sicherstellungsauftrags heranziehen. Dies spricht dafür, dass grundsätzlich alle Ärzte, die am Sicherstellungsauftrag mitwirken, dem systemimmanenten "Streikverbot" unterliegen. Dies ist nicht zuletzt deswegen von Bedeutung, weil die Zahl der angestellten Ärzte erheblich zugenommen hat (siehe hierzu auch Gesetzesbegründung zum GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetz, BT-Drucks 18/10605 S 24 f zu § 77 Abs 3 Satz 2 SGB V)und daher Zweifel angebracht sind, ob die KÄVen ohne deren Einbeziehung noch die Sicherstellung der Versorgung gewährleisten könnten.

94

Etwas anderes gilt für den Fall, dass angestellte Ärzte durch eine Arbeitsniederlegung allein Druck auf ihren Arbeitgeber ausüben wollen. Insoweit sind sie angestellten Krankenhausärzten vergleichbar und damit auch berechtigt, ihre Forderungen gegenüber ihrem Arbeitgeber durch Arbeitskampfmaßnahmen durchzusetzen. Mit dem Streikverbot im dargestellten Sinne auch für angestellte Ärzte im MVZ, in einer BAG und bei einzelnen Vertragsärzten wird die Koalitionsfreiheit (Art 9 Abs 3 GG) der als Arbeitnehmer tätigen Ärzte nicht in verfassungswidriger Weise beschränkt. Deren Berufsverbände sind nicht gehindert, auf den Abschluss eines Tarifvertrages mit (potentiellen) Verbänden ärztlicher Kooperationen oder auch mit Einrichtungen hinzuwirken und in diesem Rahmen auch einen Arbeitskampf zu führen. Dieser darf sich nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts allerdings nur auf tariflich regelbare Ziele richten (stRspr, vgl BAGE 122, 134, 156 = NZA 2007, 987, RdNr 79), also ausdrücklich nicht auf eine Verbesserung der Honorierung der Leistung des MVZ oder der BAG, bei dem die ärztlichen Arbeitnehmer, die der KÄV angehören, tätig sind.

95

d. Der sich aus dem Gesamtzusammenhang der Regelungen des Vertragsarztrechts ergebende Ausschluss ärztlicher "Kampfmaßnahmen" steht auch mit Verfassungsrecht (sowie Menschenrechten) im Einklang. Dabei lässt der Senat dahingestellt, ob sich der Kläger überhaupt - dem Grunde nach - auf derartige Rechte berufen könnte (siehe aa.), weil diese jedenfalls in zulässiger Weise durch das Gesetz beschränkt worden sind (siehe hierzu bb.).

96

aa. (1) Es bedarf keiner abschließenden Entscheidung, ob der Kläger als Vertragsarzt aus Art 9 Abs 3 GG Rechte herleiten könnte.

97

Art 9 Abs 3 Satz 1 GG bestimmt, dass für jedermann und für alle Berufe das Recht gewährleistet ist, zur Wahrung und zur Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden. Das als "Koalitionsfreiheit" bezeichnete Grundrecht (vgl etwa BVerfGE 88, 103, 113) soll gewährleisten, dass die Beteiligten selbst und eigenverantwortlich, grundsätzlich frei von staatlicher Einflussnahme über die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen bestimmen (BVerfGE 50, 290, 367). Zu den geschützten Tätigkeiten gehört im Bereich der individuellen Koalitionsfreiheit die Gründung sowie der Beitritt zu einer Koalition, der Verbleib in der Koalition und die Teilnahme an der geschützten Tätigkeit (vgl BVerfGE 116, 202, 217 mwN). Im Bereich der kollektiven Koalitionsfreiheit werden zum einen der Bestand und damit die verbandsbezogenen Tätigkeiten und zum anderen die nach außen gerichteten koalitionsspezifischen Aktivitäten geschützt (Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 14. Aufl 2016, Art 9 RdNr 37 mwN). In den Schutzbereich des Art 9 Abs 3 GG sind solche Betätigungen einbezogen, die dem Zweck der Koalitionen dienen, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu wahren und zu fördern (BVerfG Beschluss vom 6.2.2007 - 1 BvR 978/05 - RdNr 22 - Juris = BVerfGK 10, 250 unter Hinweis auf BVerfGE 28, 295, 305). Zu den geschützten Tätigkeiten gehört insbesondere der Streik, der auf den Abschluss von Tarifverträgen gerichtet ist (vgl BVerfGE 92, 365, 393 f = SozR 3-4100 § 116 Nr 3 S 115).

98

Ob sich auch Ärzte im Rahmen ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit auf dieses Grundrecht berufen können, ist zweifelhaft. Schon dem Grunde nach stellt sich die Frage, ob Koalitionen von Angehörigen eines freien Berufes bzw Selbstständigen überhaupt in den Schutzbereich des Art 9 Abs 3 GG einbezogen sind (a); erst recht unterliegt es gravierenden Zweifeln, ob ein "Warnstreik" von Vertragsärzten eine koalitionsmäßige Betätigung im Sinne des Art 9 Abs 3 GG darstellen kann (b).

99

(a) Der Senat lässt es - wie bereits in seinem Urteil zum "Kollektivverzicht" (BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr 2, RdNr 81)- weiterhin offen, ob Art 9 Abs 3 GG so zu verstehen ist, dass Träger der Koalitionsfreiheit nicht allein Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind, sondern sich grundsätzlich alle Menschen in ihrer Eigenschaft als Angehörige eines Berufes - also auch Selbstständige - hierauf berufen können. Diese Frage wird, soweit sie überhaupt Erörterung findet, in Rechtsprechung (bejahend wohl LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 9.4.2008 - L 3 KA 139/06 - Juris RdNr 50; LSG Berlin Urteil vom 5.12.2001 - L 7 KA 17/99 - Juris RdNr 30 = NZS 2002, 386 ff = Breith 2002, 495 ff = MedR 2002, 370 ff; verneinend LSG für das Saarland Urteil vom 4.4.2000 - L 2/3 K 31/95 - Juris RdNr 32) und Schrifttum (verneinend Scholz in Maunz/Dürig, GG, Stand Mai 2016, Art 9 RdNr 180) unterschiedlich beantwortet.

100

Auch wenn der Begriff "Beruf" es nicht per se ausschließt, auch die freien Berufe miteinzubeziehen, wird der Schutzbereich des Art 9 Abs 3 Satz 1 GG sowohl in der Rechtsprechung als auch im Schrifttum regelmäßig allein auf "Arbeitnehmer" und "Arbeitgeber" bezogen (aus dem Schrifttum zB Scholz aaO RdNr 174, 178; Bauer in Dreier, GG, 2013, Art 9 RdNr 67; Sodan in ders, GG, 3. Aufl 2015, Art 9 RdNr 21; Jarass aaO, Art 9 RdNr 43; Kannengießer in Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 13. Aufl 2014, Art 9 RdNr 23). Soweit das BVerfG ausgeführt hat, dass die Koalitionsfreiheit nach Art 9 Abs 3 GG - obwohl historisch vor allem den Arbeitnehmern vorenthalten und von diesen erstritten - nicht als Arbeitnehmer-Grundrecht ausgestaltet sei, hat es daran angeschlossen, dass das Grundrecht ebenso den Arbeitgebern zustehe (BVerfGE 84, 212, 224).

101

Wären daher vom Schutzbereich des Art 9 Abs 3 GG nicht nur in erster Linie, sondern ausschließlich Arbeitnehmer und Arbeitgeber erfasst, könnten sich Vertragsärzte - sofern sie nicht in der Funktion eines Arbeitgebers betroffen sind - nicht auf dieses Grundrecht berufen. Der Vertragsarzt ist kein Arbeitnehmer (Sodan/Schaks, VSSR 2014, 89, 94 f; Zacher, ZfS 1966, 129, 158), sondern er übt einen freien Beruf aus (allg Ansicht, siehe zB Zacher, ZfS 1966, 129, 157; Sodan/Schaks, VSSR 2014, 89, 91; Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 18 RdNr 39 ff).

102

Der Kläger kann - unabhängig davon, ob dieser Umstand überhaupt eine Geltung des Art 9 Abs 3 GG begründen könnte - auch nicht damit durchdringen, dass Vertragsärzte aufgrund des "vielfältigen Pflichtenkanons" des Vertragsarztrechts jedenfalls im Ergebnis Arbeitnehmern gleichzustellen seien. Der Begriff des "Arbeitnehmers" ist vor allem durch das Merkmal unselbstständiger Arbeit gekennzeichnet (Scholz aaO RdNr 178 mwN) und dieses Merkmal ist auch für den Arbeitnehmerbegriff des Art 9 Abs 3 GG maßgebend. Auch "arbeitnehmerähnliche Personen" unterfallen daher nur dann dem Schutzbereich des Art 9 Abs 3 Satz 1 GG, wenn sie persönliche Arbeitsleistungen in wirtschaftlicher Abhängigkeit erbringen (Sodan/Schaks, VSSR 2014, 89, 99; siehe auch Linsenmaier in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 16. Aufl 2016, Art 9 GG RdNr 28). Diese Voraussetzungen erfüllen Vertragsärzte - ungeachtet gefühlter Abhängigkeiten - nicht ansatzweise (so im Ergebnis auch Uhlenbruck, RdA 1972, 327, 334). Es fehlt zweifelsfrei an der für unselbstständige Beschäftigungsverhältnisse kennzeichnenden persönlichen Abhängigkeit: Eine durch Handlungsfreiheit in beruflicher und persönlicher Hinsicht geprägte Tätigkeit ist gerade Wesensmerkmal einer Tätigkeit in freier Praxis im Sinne des § 32 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV(BSGE 106, 222 = SozR 4-5520 § 32 Nr 4, RdNr 37 f).

103

(b) Aber auch wenn man davon ausgeht, dass auch Angehörige freier Berufe dem Grunde nach Koalitionen im Sinne des Art 9 Abs 3 GG bilden und koalitionsspezifische Rechte wahrnehmen könnten, erscheint es jedenfalls als sehr fernliegend, dass die durch Art 9 Abs 3 GG gewährleisteten koalitionsspezifischen Rechte und Betätigungen - insbesondere der Abschluss von Tarifverträgen sowie Arbeitskampfmaßnahmen wie Streik und Aussperrung - der Sache nach Anwendung auf das Handeln der Vertragsärzte finden können.

104

Wesensmerkmal der durch Art 9 Abs 3 GG gewährleisteten Rechte ist es, dass zwischen den Beteiligten Verhandlungen über die "Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen" - hierzu gehören insbesondere das Arbeitsentgelt sowie die anderen materiellen Arbeitsbedingungen (BVerfGE 100, 271, 282 = SozR 3-4300 § 275 Nr 1 S 5 f, mwN)- geführt werden und beide Seiten die Möglichkeiten haben, ihre diesbezüglichen Vorstellungen ggf durch Arbeitskampfmaßnahmen durchzusetzen. Eine solche Konstellation besteht in Bezug auf das Verhältnis zwischen Vertragsärzten und KKen jedoch nicht:

105

Zum einen stehen sich Vertragsärzte und KKen überhaupt nicht als ("Tarif"-)Vertragspartner oder Gegner gegenüber, weil es aufgrund der spezifischen Konstruktion des Vertragsarztrechts (siehe hierzu B.1.c.bb.) keine unmittelbaren Rechtsbeziehungen zwischen Vertragsärzten und KKen gibt. Die maßgeblichen Verträge über die "Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen" werden zwischen den KKen bzw ihren Verbänden und den K(Z)ÄVen, der KÄBV bzw der KZÄBV geschlossen. Insbesondere wird die Höhe des vertragsärztlichen Honorars - in Form einer "Gesamtvergütung" - allein zwischen den KKen(-Verbänden) und den KÄVen verhandelt und vereinbart. Zwischen den Kontrahenten etwaiger "Kampfmaßnahmen" der Vertragsärzte und den die für das Vertragsarztrecht maßgeblichen "Arbeitsbedingungen" aushandelnden Vertragspartnern besteht mithin gerade keine Identität. Ein Streik, der sich nicht gegen einen Tarifvertragspartner wendet und kein Ziel verfolgt, das mit den Mitteln des "kollektiven Arbeitsrechts" regelbar wäre, stellt jedoch einen unzulässigen politischen Streik dar (vgl Linsenmaier in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 16. Aufl 2016, Art 9 GG RdNr 119; Jarass aaO, Art 9 RdNr 40 mwN).

106

Zum anderen sind auch die Verhandlungsspielräume der "eigentlichen" Vertragspartner - der KKen und KÄVen bzw ihrer Spitzenorganisationen - aufgrund ihrer Gesetzesbindung stark eingeschränkt. Namentlich bei der Bestimmung der Höhe der zu vereinbarenden Gesamtvergütung sind die Vertragspartner nicht frei; vielmehr enthält das Gesetz hierzu Vorgaben, die die Vertragspartner teilweise zwingend zu beachten, teilweise jedenfalls zu berücksichtigen haben. So bestimmt etwa § 87a Abs 3 Satz 2 SGB V für den vertragsärztlichen Bereich, dass die Vertragspartner zur Bestimmung der Höhe der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung den mit der Zahl und der Morbiditätsstruktur der Versicherten verbundenen Behandlungsbedarf als Punktzahlvolumen auf der Grundlage des einheitlichen Bewertungsmaßstabs zu vereinbaren haben. Für die vertragszahnärztliche Versorgung gibt § 85 Abs 3 Satz 1 und 2 SGB V die Faktoren vor, die bei der Vereinbarung der Veränderung der Gesamtvergütung zu berücksichtigen sind; zu diesen gehört etwa der Grundsatz der Beitragssatzstabilität (§ 71 SGB V). Selbst wenn sich die Vertragspartner über die gesetzlichen Vorgaben hinwegsetzen würden, stünde der Erreichung des ärztlichen "Kampfzieles" entgegen, dass die Partner der Kollektivverträge staatlicher Aufsicht unterliegen. Gemäß § 71 Abs 4 Satz 1 SGB V sind die Vereinbarungen über die Vergütung der Leistungen (ua) nach den §§ 83 und 85 SGB V den für die Vertragsparteien zuständigen Aufsichtsbehörden vorzulegen; diese können die Vereinbarungen bei einem Rechtsverstoß innerhalb von zwei Monaten nach deren Vorlage beanstanden (§ 71 Abs 4 Satz 2 SGB V).

107

Schließlich fehlte es auch an der erforderlichen "Waffengleichheit" bzw einem "Verhandlungsgleichgewicht" (Kannengießer aaO RdNr 31) zwischen den Kontrahenten eines "Arbeitskampfes" der Vertragsärzte, weil den KKen anders als Arbeitgebern nicht die Möglichkeit der "Aussperrung" - im Sinne einer vorübergehenden Suspendierung des aus der Zulassung folgenden Rechts zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung - zukommt.

108

(2) Für Art 11 Abs 1 EMRK gilt nichts anderes, da die Norm einen vergleichbaren Schutzbereich wie Art 9 Abs 3 GG aufweist. Danach hat jede Person das Recht, sich frei und friedlich mit anderen zu versammeln und sich frei mit anderen zusammenzuschließen; dazu gehört auch das Recht, zum Schutz seiner Interessen Gewerkschaften zu gründen und Gewerkschaften beizutreten. Art 11 Abs 1 EMRK gewährleistet damit die Koalitionsfreiheit insoweit, als ausdrücklich das Recht eingeräumt wird, Gewerkschaften zum Schutz der Interessen der Mitglieder zu bilden und sich ihnen anzuschließen (Kluth in Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum GG, Stand August 2016, C Art 9 RdNr 142). So werden ua das Eintreten der Gewerkschaft für die Interessen ihrer Mitglieder und das Streikrecht als Mittel des Arbeitskampfes gewährleistet, wobei der in allen Konventionsstaaten bekannte Begriff der "Gewerkschaft" - als Zusammenschluss abhängig Beschäftigter zur Vertretung ihrer Interessen aus dem Beschäftigungsverhältnis - vorausgesetzt wird (Kluth aaO RdNr 143 mwN). Auch insoweit bestehen die in Bezug auf Art 9 Abs 3 GG dargestellten Zweifel an einer Anwendbarkeit der Norm auf "(Warn-)Streiks" von Vertragsärzten, ohne dass dies einer abschließenden Entscheidung bedarf.

109

(3) Ebenfalls keiner Entscheidung bedarf es, ob das Verbot von Arbeitskampfmaßnahmen einen Eingriff in die durch Art 12 Abs 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit darstellt (in diesem Sinne Sodan/Schaks, VSSR 2014, 89, 110 f).

110

bb. Unabhängig davon, ob sich Vertragsärzte überhaupt auf die angeführten Grund- und Menschenrechte berufen können, stellt der inzidente Ausschluss gegen die KK oder gegen die KÄV gerichteter streikähnlicher "Kampfmaßnahmen" durch das Vertragsarztrecht - nicht anders als die sechsjährige Wiederzulassungssperre nach § 95b Abs 2 SGB V(siehe hierzu BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr 2, RdNr 68 ff, 81)- eine verfassungsrechtlich unbedenkliche, zum Schutz der Stabilität der vertragsärztlichen Versorgung erforderliche Begrenzung des Art 9 Abs 3 GG, des Art 12 Abs 1 GG sowie des Art 11 Abs 1 EMRK dar.

111

Die in Art 9 Abs 3 GG garantierte Koalitionsfreiheit kann, obwohl sie ohne Gesetzesvorbehalt gewährt wird, zum Schutz von Rechtsgütern und Gemeinwohlbelangen eingeschränkt werden, denen gleichermaßen verfassungsrechtlicher Rang gebührt (stRspr, vgl BVerfGE 84, 212, 228; BVerfGE 100, 271, 283 = SozR 3-4300 § 275 Nr 1 S 6; BVerfGE 103, 293, 306; BVerfG Beschluss vom 6.2.2007 - 1 BvR 978/05 - RdNr 23 - Juris = BVerfGK 10, 250, 256); hierzu gehört auch die finanzielle Stabilität und Funktionsfähigkeit der Sozialversicherung (BVerfGE 103, 293, 306 f; Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 14. Aufl 2016, Art 9 RdNr 53). Für Art 12 Abs 1 GG und für Art 11 Abs 1 EMRK gilt nichts anderes. Der durch ein Verbot von "Kampfmaßnahmen" der Vertragsärzte - vorliegend in der Form eines "Warnstreiks" - (ggf) bewirkte Eingriff in die genannten Grund- und Menschenrechte ist verfassungskonform, weil er wichtigen Gemeinwohlbelangen dient, zur Erreichung der gesetzgeberischen Ziele geeignet und erforderlich ist sowie insgesamt verhältnismäßig ist.

112

(1) Die Verhinderung ärztlicher "Kampfmaßnahmen" dient gewichtigen Gemeinwohlbelangen, nämlich zum einen der Sicherstellung der Versorgung der gesetzlich Versicherten (siehe hierzu BVerfGE 103, 172, 184 = SozR 3-5520 § 25 Nr 4 S 27; BVerfG SozR 4-1500 § 54 Nr 4 RdNr 16, 25), zum anderen der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Systems der GKV (BVerfGE 68, 193, 218 = SozR 5495 Art 5 Nr 1 S 3; BVerfGE 103, 172, 184 f, 192 = SozR 3-5520 § 25 Nr 4 S 27, 32 f; BVerfGE 114, 196, 248 = SozR 4-2500 § 266 Nr 9 RdNr 139; BVerfG SozR 4-2500 § 5 Nr 1 RdNr 24; BVerfGE 123, 186, 264 = SozR 4-2500 § 6 Nr 8 RdNr 233; zuletzt BVerfG Beschluss vom 26.9.2016 - 1 BvR 1326/15 - RdNr 43 - Juris; BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 139; BSGE 98, 294 = SozR 4-2500 § 95b Nr 1, RdNr 34; siehe auch BVerfG SozR 4-2500 § 87 Nr 6 RdNr 13). Neben ihrer Funktionsfähigkeit ist auch die finanzielle Stabilität des Systems der GKV bzw dessen Finanzierbarkeit als ein Gemeinwohlbelang von hohem Rang anerkannt (vgl BVerfGE 68, 193, 218 = SozR 5495 Art 5 Nr 1 S 3; BVerfGE 70, 1, 26, 29 = SozR 2200 § 376d Nr 1 S 8, 10; BVerfGE 82, 209, 230; BVerfG SozR 3-2500 § 34 Nr 1 S 4; BVerfG SozR 3-2500 § 73 Nr 3 S 17; BVerfGE 103, 172, 184 f, 192 = SozR 3-5520 § 266 Nr 9 S 27, 32; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 30 S 229; BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 136; BSG SozR 4-2500 § 130 Nr 1 RdNr 27; BSG SozR 4-5562 § 8 Nr 5 RdNr 22). Letztlich dient die Sicherung der finanziellen Stabilität der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Systems (vgl BVerfGE 123, 186, 264 = SozR 4-2500 § 6 Nr 8 RdNr 233).

113

Das Sozialstaatsprinzip (Art 20 Abs 1 GG) enthält einen Gestaltungsauftrag an den Gesetzgeber; es verpflichtet ihn unter anderem, für einen Ausgleich der sozialen Gegensätze zu sorgen (BVerfGE 100, 271, 284 = SozR 3-4300 § 275 Nr 1 S 7 mwN). Dies gilt auch für den Bereich der GKV (vgl BVerfGE 123, 186, 263 = SozR 4-2500 § 6 Nr 8 RdNr 229). Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 9.12.2004 (BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 134 ff) dargelegt hat, ist das bestehende System einer Gesundheitsversorgung durch ein Sozialversicherungssystem - dessen wesentlicher Bestandteil das Vertragsarztrecht ist - als solches nicht "beliebig", sondern in dieser oder ähnlicher Form geboten. Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht frei, ob er ein System errichten und erhalten will, das allen oder zumindest der großen Mehrzahl der Bürger eine angemessene Versorgung im Krankheitsfall gewährleistet, sondern er hat auch einkommensschwachen Bevölkerungsteilen einen vollen Krankenversicherungsschutz zu moderaten Beiträgen zu ermöglichen (vgl BVerfGE 103, 172, 185 = SozR 3-5520 § 25 Nr 4 S 27). Unabhängig von der Ausgestaltung des Krankenversicherungssystems im Einzelnen besteht ein struktureller Gegensatz zwischen dem Ziel einer qualitativ hochstehenden Gesundheitsversorgung zu bezahlbaren Konditionen und den Interessen der Leistungserbringer an möglichst hohen Einkünften aus ihrer Tätigkeit, der vom Gesetzgeber zum Ausgleich zu bringen ist (BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 134, 140; siehe hierzu schon BVerfGE 103, 172, 185 = SozR 3-5520 § 25 Nr 4 S 27; siehe auch BVerfGE 101, 331, 348). Die Sicherung einer solchen angemessenen Versorgung zu bezahlbaren Konditionen ist ein Gemeinwohlbelang von überragender Wichtigkeit (BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 134).

114

Für die Einschränkung der Berufsausübung ist anerkannt, dass die Versorgung der Patienten als hohes Gut von öffentlichem Interesse die Regulierung der vertragsärztlichen Versorgung mit den daraus resultierenden Beschränkungen der Berufsfreiheit der Leistungserbringer legitimiert (BVerfG SozR 4-1500 § 54 Nr 4 RdNr 16, 25); Rang und Gemeinwohlbedeutung der Funktionsfähigkeit der GKV sind dabei von solchem Gewicht, dass denjenigen, die ihre berufliche Tätigkeit in diesem System und unter seinem Schutz ausüben, stärkere Reglementierungen zugemutet werden können als anderen freiberuflich tätigen Personen, die in einem allein durch die Marktkräfte gesteuerten System arbeiten (BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 139). Für eine (etwaige) Beschränkung des Rechts auf Koalitionsfreiheit gilt nichts anderes, da sich dieses Recht - wenn überhaupt - gerade aus der beruflichen Betätigung der Vertragsärzte ergibt.

115

Die genannten Gemeinwohlbelange würden durch ärztliche "Kampfmaßnahmen" in Form von "Warnstreiks" oÄ beeinträchtigt: Zum einen würden "Kampfmaßnahmen" unmittelbar eine Störung der vertragsärztlichen Versorgung der GKV-Versicherten bewirken, weil die hieran teilnehmenden Vertragsärzte nicht für eine Versorgung zur Verfügung stünden. Zum anderen besteht die Gefahr, dass die "Kampfmaßnahmen" - ihrem Zweck entsprechend - zu Kostensteigerungen führen, sei es aufgrund überproportionaler Honorarsteigerungen für die Vertragsärzte oder zumindest für einzelne Gruppen von Vertragsärzten, sei es - wie vom Kläger im Rahmen seines "Warnstreiks" gefordert - als Folge eines durch "Kampfmaßnahmen" erzwungenen Honorarsystems mit festen Preisen und ohne irgendeine Form der Mengenbegrenzung; diese Kostensteigerungen wären wiederum geeignet, die finanzielle Stabilität der GKV zu beeinträchtigen. Eine Gefährdung der Funktionsfähigkeit des Systems der GKV durch die mit den "Kampfmaßnahmen" verbundenen Engpässe in der Versorgung und absehbaren Ausgabenerhöhungen für die KKen wäre mit dem gesetzgeberischen Ziel und der sozialstaatlichen Verpflichtung, im Rahmen der GKV eine funktionsfähige und bedarfsgerechte Patientenversorgung zu bezahlbaren Preisen zu gewährleisten (BVerfGE 123, 186, 242 = SozR 4-2500 § 6 Nr 8 RdNr 171; BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr 2, RdNr 52; siehe schon BVerfGE 103, 172, 186 = SozR 3-5520 § 25 Nr 4 S 28), unvereinbar.

116

(2) Der Eingriff in die verfassungsmäßigen Rechte der Vertragsärzte ist auch zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich. Eine Maßnahme ist geeignet, wenn der gewünschte Erfolg mit ihrer Hilfe gefördert werden kann, und sie ist erforderlich, wenn kein anderes, gleich wirksames, das betreffende Grundrecht nicht oder doch weniger fühlbar einschränkendes (milderes) Mittel zur Verfügung steht (vgl BVerfGE 63, 88, 115 = SozR 7610 § 1587b Nr 3 S 7; BVerfGE 70, 1, 28 = SozR 2200 § 376d Nr 1 S 10 mwN; BSGE 61, 1, 2 = SozR 2200 § 368a Nr 16 S 58; BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr 2, RdNr 72).

117

Das "Streikverbot" für Vertragsärzte ist geeignet, die genannten Gemeinwohlbelange zu fördern: Unterbleiben "Warnstreiks" oder andere "Kampfmaßnahmen" der Vertragsärzte, weil die andernfalls drohenden Disziplinarmaßnahmen präventive Wirkung haben, oder weil jedenfalls die Möglichkeit besteht, pflichtwidrig handelnde Ärzte zu disziplinieren und ggf - im Extremfall - aus dem System auszuschließen, kommt es weder zu einer Störung in der Versorgung der Versicherten noch zu einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der GKV. Ebenso wird eine Gefährdung der finanziellen Stabilität der KKen durch überhöhte Honorarsteigerungen vermieden.

118

Darüber hinaus ist das generelle Verbot vertragsärztlicher "Kampfmaßnahmen" und die damit verbundene Möglichkeit einer Sanktionierung abweichenden Verhaltens auch erforderlich, weil keine milderen Mittel erkennbar sind. Insbesondere genügt es nicht, lediglich solche "Warnstreiks" auszuschließen, die ohne vorherige Information der Versicherten und ohne ausreichenden "Notdienst" durchgeführt werden, weil sich - ausgehend von einer gebotenen Versorgung der Versicherten durch alle an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte - jede nicht gerechtfertigte Versorgungsunterbrechung als Störung des Systems der vertragsärztlichen Versorgung darstellt (siehe hierzu schon ); die Organisation eines "Notdienstes" und die Information der Patienten über behandlungsbereite Ärzte ändert hieran nichts.

119

(3) Schließlich ist der Eingriff auch im engeren Sinne verhältnismäßig, da bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist (zu diesen Anforderungen vgl BVerfGE 103, 1, 10 mwN; vgl auch BVerfGE 100, 271, 286 = SozR 3-4300 § 275 Nr 1 S 9 sowie BVerfG SozR 4-2500 § 135 Nr 16 RdNr 14 = BVerfGK 17, 381, 386; BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr 2, RdNr 75), bzw Eingriffszweck und Eingriffsintensität in einem angemessenen Verhältnis stehen (so zB BVerfGE 123, 186, 238 f = SozR 4-2500 § 6 Nr 8 RdNr 165).

120

Der mit dem "Streikverbot" für Vertragsärzte verfolgte Zweck, der auf eine Verhinderung der Systemgefährdung gerichtet ist (vgl zu diesem Maßstab BVerfG Beschluss vom 26.9.2016 - 1 BvR 1326/15 - RdNr 44 - Juris), und die Intensität des Eingriffs in die Rechte des Klägers stehen in einem angemessenen Verhältnis zueinander: Leistungserbringer innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung profitieren einerseits von den Vorteilen des öffentlich-rechtlichen Systems des Vertragsarztrechts, müssen im Interesse der Funktionsfähigkeit und Finanzierbarkeit des Systems unter Umständen aber auch Einschränkungen hinnehmen, die ihnen das Berufsrecht nicht abverlangt (BVerfG SozR 4-2500 § 135 Nr 2 RdNr 29; BSGE 88, 20, 24 = SozR 3-2500 § 75 Nr 12 S 70; BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 135).

121

Wer aus diesem System Nutzen zieht, indem er davon lebt, muss zum Erhalt des Systems auch Eingriffe ertragen, die ein Unternehmen, dass sich auf dem Markt behaupten muss, nicht hinnehmen müsste (Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 13 RdNr 11 mwN). Dies gilt umso mehr, als Vertragsärzte die Möglichkeit haben, sich für oder gegen die Eingliederung in das System der GKV in Kenntnis der damit für sie verbundenen Vor- und Nachteile zu entscheiden (BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 135). Mit der Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit akzeptiert der Vertragsarzt - oder hat es zumindest hinzunehmen -, dass er im Rahmen seiner Tätigkeit gewissen Beschränkungen unterworfen ist; die Option, von den Vorteilen des Systems zu profitieren, aber ansonsten nach Marktgesetzen agieren zu können, steht Vertragsärzten nicht zu.

122

Der erkennende Senat wie auch das BVerfG haben wiederholt darauf hingewiesen, dass die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit die Teilhabe an einem umfassenden Leistungssystem der GKV ermöglicht, von dem auch die Leistungserbringer profitieren (BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 135, 139; siehe hierzu auch BVerfGE 103, 172, 185 f = SozR 3-5520 § 25 Nr 4 S 27 f; BVerfG SozR 3-2500 § 73 Nr 3 S 17). Mit dem Erwerb des besonderen Status eines Vertragsarztes sind verschiedene Begünstigungen verbunden: So wird ihm der Zugang zum Kreis der GKV-Versicherten als potentielle Patienten eröffnet und es werden ihm sichere, insolvenzgeschützte und auch auskömmliche Einnahmen von öffentlich-rechtlichen Institutionen als Schuldnern gewährt (BSGE 88, 20, 24 = SozR 3-2500 § 75 Nr 12 S 70); sie sind - anders als viele andere freiberuflich tätige Berufsgruppen - durch ihre öffentlich-rechtlichen Vergütungsansprüche gegen die KÄVen davor geschützt, ihre erbrachten Leistungen nicht, nicht vollständig oder nicht in angemessener Zeit honoriert zu bekommen, was ihnen ein hohes Maß an Planungssicherheit gewährleistet (BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 135).

123

Innerhalb dieses Systems sind Vertragsärzte aufgrund von Zulassungsbeschränkungen, insbesondere aber aufgrund des ihnen eingeräumten Vorrangs im Bereich der ambulanten ärztlichen Versorgung, weitgehend gegen Konkurrenz geschützt (vgl BVerfG SozR 4-1500 § 54 Nr 4 RdNr 21). Externe Anbieter - insbesondere Krankenhäuser - erhalten in der Regel nur bei Vorliegen eines nicht durch die am System beteiligten Leistungserbringer gedeckten Bedarfs Zugang hierzu. Zudem können sich Vertragsärzte im Wege der defensiven Konkurrentenklage gegen das Hinzutreten weiterer Leistungserbringer wehren, sofern der dem Konkurrenten eingeräumte Status gegenüber demjenigen des Anfechtenden nachrangig ist (stRspr, vgl BSGE 98, 98 = SozR 4-1500 § 54 Nr 10; BSGE 99, 145 = SozR 4-2500 § 116 Nr 4; BSGE 103, 269 = SozR 4-1500 § 54 Nr 16, RdNr 19; BSGE 105, 10 = SozR 4-5520 § 24 Nr 3, RdNr 19). Nicht zuletzt sind die Vertragsärzte durch das Kollektivvertragssystem davor geschützt, als Einzelne und im Wettbewerb mit anderen Ärzten die Vertragsbedingungen mit marktstarken KKen aushandeln zu müssen.

124

Den Interessen der Vertragsärzte an einer angemessenen Vergütung der von ihnen innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung erbrachten Leistungen trägt § 72 Abs 2 SGB V Rechnung. Danach ist die vertragsärztliche Versorgung ua so zu regeln, dass die ärztlichen Leistungen angemessen vergütet werden. Die Einhaltung dieses zwingenden gesetzlichen Gebots der Angemessenheit der Vergütung (siehe hierzu schon BSGE 68, 291, 296 = SozR 3-1500 § 54 Nr 7 S 16)können die Vertragsärzte gerichtlich klären lassen. Speziell den Vertragsärzten wird aus ihrer Tätigkeit für die Versicherten der KKen seit Jahrzehnten und bis heute ein Einkommen ermöglicht, das weit über dem Durchschnittseinkommen der pflichtversicherten Arbeitnehmer liegt (BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 135; in diesem Sinne schon BVerfGE 103, 172, 192) und auch bei einem Vergleich mit anderen Berufsgruppen mit akademischer Qualifikation eine Spitzenstellung gewährt.

125

Angesichts der Unvereinbarkeit ärztlicher "Kampfmaßnahmen" mit dem System des Vertragsarztrechts und der durch diese bewirkten Störung des Systems der Gesundheitsversorgung stellt sich das systemimmanente Verbot ärztlicher "Kampfmaßnahmen" als vergleichsweise geringfügiger Eingriff in die Rechte der Vertragsärzte dar. Diese werden durch ein "Streikverbot" keineswegs schutzlos gestellt, weil durch die gesetzlich vorgeschriebenen Schlichtungsverfahren in ausreichendem Umfang sichergestellt ist, dass ihre Interessen Berücksichtigung finden. Der Ausschluss von "Kampfmaßnahmen" ist daher Vertragsärzten ohne Weiteres zumutbar, weil es dieser zur Durchsetzung ihrer legitimen Interessen nicht bedarf. Sofern Vertragsärzte der Auffassung sind, dass sich die sie vertretende KÄV in den Verhandlungen mit den KKen als zu nachgiebig erweist, haben sie die Möglichkeit, über die Wahlen zur Vertreterversammlung Einfluss auf die Organe der KÄV zu nehmen.

126

2. Der Kläger handelte auch schuldhaft. Die Feststellung der Beklagten, dass der Kläger zumindest grob fahrlässig gehandelt hat, begegnet keinen Bedenken. Der Umstand, dass ein vertragsärztlicher Pflichtenverstoß begangen wurde, verliert nicht dadurch an Bedeutung, dass der Betroffene in Unkenntnis war oder sich in einem Irrtum über die Rechtslage befand bzw dass zur Zulässigkeit einer konkreten Verhaltensweise noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung vorlag (BSG Urteil vom 14.3.2001 - B 6 KA 67/00 R - Juris RdNr 27 = MedR 2002, 47 = USK 2001-126; BSG Beschluss vom 15.8.2012 - B 6 KA 13/12 B - Juris RdNr 12).

127

3. Schließlich ist der Bescheid der Beklagten auch hinsichtlich der ausgewählten Disziplinarmaßnahme nicht zu beanstanden. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Unabhängig davon erscheint ein Verweis als die "zweitmildeste" Disziplinarmaßnahme ("Tadel") zur Ahndung des Pflichtenverstoßes angemessen.

128

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach hat der Kläger die Kosten des erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen (§ 154 Abs 2 VwGO).

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 17. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Tatbestand

1

Im Streit steht die Rückforderung vertragsärztlichen Honorars für die Quartale IV/1996 bis I/2001.

2

Der Kläger nahm bis zum 30.6.2004 als Radiologe an der vertragsärztlichen Versorgung in S. teil. Zunächst - ab 1.7.1989 bis zum 30.9.1996 - führte er eine Gemeinschaftspraxis mit Dr. B., welcher auf seine Zulassung zum 30.9.1996 verzichtete. Unter dem 17.7.1996 schloss der Kläger mit dem Arzt für Radiologische Diagnostik und für Strahlentherapie Dr. H. sowie dem Arzt für Radiologische Diagnostik Dr. M. einen "Gesellschaftsvertrag über die Errichtung einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis". Danach war vorgesehen, dass Dr. B. nach seinem Ausscheiden seine Geschäftsanteile an Dres. H. und M. verkaufen und diese an seiner Stelle in die Gemeinschaftspraxis eintreten sollten. Als Hauptsitz der Gemeinschaftspraxis wurde S. bestimmt; weitere Praxisteile sollten in V. und im Krankenhaus W. betrieben werden. An Gewinnen und Verlusten sowie am Anlagevermögen waren der Kläger zu ½, die beiden anderen Ärzte zu je ¼ beteiligt. Zum geschäftsführenden Gesellschafter wurde der Kläger bestimmt. Gemäß "Gesellschafterbeschluss" vom 17.7.1996 war die Aufnahme eines weiteren Partners - "voraussichtlich" des zu 2. beigeladenen Dr. Ph. - vorgesehen (Nr 16a des Beschlusses). Der vierte Partner sollte sich gemäß Ziff 18a des Beschlusses "KV-rechtlich im Außenverhältnis ab 1.10.1996 niederlassen, und zwar offiziell in Gemeinschaftspraxis mit Dr. P. "; mit ihm sollte ein "Probejahr (freie Mitarbeit)" vereinbart werden (Nr 18b).

3

Am 30.7.1996 schlossen die "Gemeinschaftspraxis" Dres. P., H. und M. sowie der Beigeladene zu 2. sodann einen sogenannten Kooperationsvertrag. Dieser beinhaltete im Wesentlichen, dass der Beigeladene zu 2. ab dem 1.10.1996 bis zum Ablauf einer Probezeit als "freier Mitarbeiter" der "Gemeinschaftspraxis" tätig werden sollte. Nach beiderseits befriedigendem Ablauf der Probezeit sollte der Mitarbeiter am 1.10.1997 "partnerschaftlich eingebunden werden, und zwar bei Herstellung paritätischer Gesellschaftsanteile" (Ziff 6a der Präambel des Vertrages). Auf ein Mitarbeiterverhältnis waren auch die Detailregelungen (Zahlung eines Festgehalts ua) ausgerichtet. Ein "ggf. dem Zulassungsausschuss vorzulegender Vertrag" sollte zwischen den Vertragsparteien keine eigene Rechtswirkung entfalten (Ziff 2c der Präambel). Nach Ziff 6b der Präambel sollte der Mitarbeiter "im Außenverhältnis" den Gemeinschaftspraxis-Anteil des ausscheidenden Partners Dr. B. "erwerben" (Satz 1), aber hieraus keine Rechte herleiten können (Satz 2). Ebenso war bestimmt, dass der Vertragsarztsitz "der Praxis gehört" und bei "Ausscheiden ohne Gemeinschaftspraxis-Eintritt … vom freien Mitarbeiter … unentgeltlich (formal) zu übertragen" ist (Satz 4).

4

Der Beigeladene zu 2. bewarb sich auf den zur Nachbesetzung ausgeschriebenen Vertragsarztsitz von Dr. B. und wurde vom Zulassungsausschuss zum 1.10.1996 als Facharzt für Diagnostische Radiologie für den Vertragsarztsitz S. zugelassen. Zugleich genehmigte der Zulassungsausschuss den Antrag des Klägers sowie des Beigeladenen zu 2. auf Führung einer Gemeinschaftspraxis. Dres. H. und M. erhielten die Genehmigung zum Führen einer Gemeinschaftspraxis in V. Zu der im Kooperationsvertrag vorgesehenen partnerschaftlichen Einbindung des Beigeladenen zu 2. in die durch Dres. P. (Kläger), H. und M. gebildete "Gemeinschaftspraxis" kam es in der Folgezeit nicht. Insbesondere nahm er nach den Feststellungen des LSG im streitgegenständlichen Zeitraum nicht an Gesellschafterversammlungen teil. Unstimmigkeiten zwischen den beteiligten Ärzten führten dazu, dass die zwischen dem Kläger und Dres. H. und M. bestehende Gesellschaft zum 31.12.2001 beendet wurde. Die zu 1. beigeladene "Gemeinschaftspraxis" wurde zum 31.3.2001 beendet.

5

Die Beigeladene zu 1. rechnete als "Gemeinschaftspraxis Dr. P./Dr. Ph." Leistungen ab, die in der Praxis in S. und in einem ausgelagerten, mit einem CT-Gerät ausgestatteten Praxisteil im Kreiskrankenhaus S. erbracht worden waren. In den Quartalen IV/1996 bis I/2001 erhielt sie Honorarzahlungen in einer Gesamthöhe von 4 145 507,66 DM. Mit inhaltlich identischen, sowohl an den Kläger als auch an den Beigeladenen zu 2. adressierten Bescheiden vom 30.11.2001 - dem Kläger am 5.12.2001 zugestellt - hob die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) die Honorarbescheide für die Quartale IV/1996 bis I/2001 auf und forderte die in diesen Quartalen ihres Erachtens zu Unrecht gezahlten Honorare in Höhe von insgesamt 1 785 135,03 DM (von der Beklagten in 880 578,27 Euro umgerechnet) zurück. Beide Ärzte hätten die Genehmigung zur gemeinschaftlichen Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit durch vorsätzlich falsche Angaben über die gesellschaftsrechtliche Beteiligung erlangt. Die Höhe des neu festzusetzenden Honorars des Klägers sei unter Zugrundelegung des Fachgruppendurchschnitts ermittelt worden.

6

Der hiergegen vom Kläger eingelegte Widerspruch blieb erfolglos. Auf Antrag des Klägers hat das LSG mit Beschluss vom 13.8.2002 (L 3 KA 161/02 ER) die aufschiebende Wirkung des Widerspruches insgesamt angeordnet. Auf die Klage des Klägers hat das SG die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufgehoben und dies damit begründet, für die Rechtmäßigkeit der Honorarrückforderung komme es allein auf die eingereichten Sammelerklärungen an. Diese seien jedenfalls im Hinblick auf die Leistungserbringung nicht "falsch" (Urteil vom 13.10.2004).

7

Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Richtigstellungs- und Rückforderungsbescheid sei rechtmäßig, auch wenn er an den Kläger und den Beigeladenen zu 2., nicht jedoch an die zu 1. beigeladene "Gemeinschaftspraxis" gerichtet gewesen sei. Der Bescheid erweise sich auch inhaltlich als rechtmäßig. Eine Abrechnung sei auch dann falsch, wenn die vertragsärztliche Tätigkeit, in deren Rahmen die Leistungen erbracht worden seien, nicht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der vertragsärztlichen Versorgung ausgeübt worden sei. Dies gelte auch für den Fall der Leistungserbringung durch eine nur formal bestehende Gemeinschaftspraxis.

8

Für die Rechtmäßigkeit der Honorargewährung komme es nicht nur auf die formelle Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung an, sondern der Vertragsarzt müsse vielmehr auch materiell berechtigt sein, Leistungen in der vertragsärztlichen Versorgung zu erbringen. Daher sei die Beklagte berechtigt, im Falle eines Gestaltungsmissbrauchs der Rechtsformen vertragsärztlicher Kooperation die Honorarabrechnungen der beteiligten Ärzte sachlich-rechnerisch richtig zu stellen. Dies gelte auch für Fälle, in denen nach außen hin eine Gemeinschaftspraxis mit entsprechender Genehmigung des Zulassungsausschusses betrieben worden sei, die Genehmigung aber nicht hätte erteilt werden dürfen oder hätte widerrufen werden müssen, weil eine gemeinschaftliche Berufsausübung nie gewollt gewesen oder später nicht mehr realisiert worden sei. Dieser Fall sei vorliegend gegeben, denn die Beigeladene zu 1. sei ungeachtet ihrer formellen Genehmigung keine Gemeinschaftspraxis gewesen, weil der Beigeladene zu 2. tatsächlich als angestellter Arzt tätig geworden sei.

9

Unverzichtbar für die Annahme einer Tätigkeit in "freier Praxis" sei, dass dem Gesellschafter Mitgliedschaftsrechte in Form von Mitwirkungsrechten, insbesondere Stimmrechten, durch den Gesellschaftsvertrag eingeräumt würden, weil ansonsten nicht angenommen werden könne, dass der Arzt den Einsatz der der Praxis zugeordneten sachlichen und persönlichen Mittel selbst bestimme. Dem Beigeladenen zu 2. seien weder nach Vertragslage noch tatsächlich Mitwirkungsmöglichkeiten an den zentralen, die Struktur der Praxis in S. bestimmenden Entscheidungen eingeräumt worden. Hierüber hätten allein der Kläger und die Dres. H. und M. in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter der GbR, die die wirkliche Trägerin der Praxis in S. und V. gewesen sei, befunden. Der Beigeladene zu 2. sei nie in die Gesellschaft aufgenommen worden und habe insbesondere an keiner Gesellschafterversammlung teilgenommen. Dass er bei seiner Arbeit in der CT-Außenstelle selbstständig habe arbeiten können, ändere daran nichts, da die GbR über die Rechtsmacht verfügt habe, sich im Konfliktfall gegen den Beigeladenen zu 2. durchzusetzen. Dieser sei zudem weder an Gewinnen noch Verlusten der Praxis beteiligt gewesen, sondern habe ein festes Gehalt bezogen. Auch eine Beteiligung am Vermögen der Gemeinschaftspraxis habe zu keiner Zeit vorgelegen.

10

Die Beklagte habe die sachlich-rechnerischen Richtigstellungen in Anknüpfung an die in den strittigen Quartalen unrichtigen Sammelerklärungen durchführen dürfen. Den Kläger treffe auch ein Verschulden, zumindest im Sinne grober Fahrlässigkeit. Er habe aufgrund der Verträge wissen müssen, dass der Beigeladene zu 2. in Wirklichkeit nur die Stellung eines unselbstständig tätigen Assistenten inne gehabt habe. Bei der Neufestsetzung des Honorars sei die Beklagte in nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass die vom Beigeladenen zu 2. erarbeiteten Honorare zu Unrecht ausgezahlt worden seien. Die Schätzung der verbleibenden Honorare anhand der durchschnittlichen Einnahmen einer radiologischen Einzelpraxis bewege sich im Rahmen der höchstrichterlichen Rechtsprechung (Urteil vom 17.12.2008, MedR 2009, 497 = GesR 2009, 206).

11

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von Bundesrecht. Die bundesmantelvertraglichen Bestimmungen über die sachlich-rechnerische Richtigstellung von Honorarforderungen stellten keine ausreichende Rechtsgrundlage für die streitbefangene Honorarrückforderung dar, da die abgerechneten Leistungen entsprechend den Vorgaben des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen erbracht und abgerechnet worden seien. Die Beklagte mache vielmehr einen vermeintlichen "sonstigen Schaden" geltend. Der Anwendung der Regelungen über die sachlich-rechnerische Richtigstellung stehe im Übrigen die Drittbindungswirkung der ihm - dem Kläger - und dem Beigeladenen zu 2. erteilten Gemeinschaftspraxis-Genehmigung entgegen. Diese Genehmigung habe statusbegründenden Charakter. Die Kompetenz der Zulassungsgremien sei abschließend und lückenlos; auch die Beklagte sei an deren Entscheidung gebunden. Diese Kompetenzverteilung und die daraus resultierende Drittbindungswirkung könne die Beklagte nicht dadurch umgehen, dass sie einseitig im Wege der Aufhebung erteilter Honorarbescheide ihre Ansicht durchzusetzen versuche.

12

Selbst wenn man unterstelle, dass der Vertrag über die Gemeinschaftspraxis vertragsarztrechtlich bedenklich sei, könne ihm - dem Kläger - als juristischem Laien, der einen solchen Vertrag unter fachlicher Beratung durch einen bundesweit anerkannten Spezialisten auf dem Gebiet des Vertragsarztrechts abgeschlossen habe, nicht der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs gemacht werden. Die Frage der fehlerhaften Vertragsgestaltung sei erst in das Blickfeld der Beklagten gerückt, nachdem gegen den beratenden Rechtsanwalt ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sei, das mit einer Verurteilung geendet habe. Der Vertrag sei von ihm - dem Kläger - freiwillig vorgelegt worden; nur dadurch habe die Beklagte Kenntnis von diesem erhalten. Dies spreche gegen die ihm unterstellte Absicht der Irreführung.

13

Im Übrigen sei der Beigeladene zu 2. in "freier Praxis" tätig gewesen; er habe den ausgelagerten Praxisteil am Krankenhaus S. selbstständig und eigenverantwortlich geführt. Der Kooperationsvertrag stehe den Anforderungen einer Tätigkeit in "freier Praxis" nicht entgegen. Der Beigeladene zu 2. habe seine Tätigkeit frei und eigenverantwortlich ausgeübt, habe Beginn, Dauer und Ende seiner Tätigkeit frei bestimmt und über den Einsatz des nichtärztlichen Personals verfügt. Unzutreffend sei auch, dass der Beigeladene zu 2. an keiner Gesellschafterversammlung teilgenommen habe. Unabhängig davon hätte das LSG den Beteiligten einen Hinweis darauf geben müssen, dass es seine Entscheidung wesentlich auf die Feststellung stützen wolle, dass sich aus den Protokollen der Gesellschafterversammlungen eine Mitwirkung des Beigeladenen zu 2. nicht ergebe. Das LSG habe dies jedoch nicht getan und so den Beteiligten keine Möglichkeit gegeben, diesbezüglich Beweis anzutreten. Das Fehlen einer Beteiligung am Gesellschaftsvermögen vermöge ebenso wenig wie eine feste Gewinnbeteiligung und der Ausschluss einer Verlustbeteiligung die wirtschaftliche Unabhängigkeit des Arztes zu gefährden. Eine unterschiedliche Ausgestaltung der Rechte der Gesellschafter sei jedenfalls für eine Übergangszeit des "Kennenlernens" von in der Regel drei Jahren - aber auch darüber hinaus - zulässig.

14

Wie das BVerfG entschieden habe, sei der Begriff des "freien Berufes" ein soziologischer Begriff und kein eindeutiger Rechtsbegriff, aus dem präzise normative Wirkungen abgeleitet werden könnten. Es obliege dem Gesetzgeber, die Merkmale eines "freien" Berufs im Einzelnen festzulegen und damit das Berufsbild zu fixieren. Die Unbestimmtheit des § 32 Abs 1 Satz 1 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) lasse eine Auslegung, die konkrete Anforderungen an die Vertragsgestaltung stelle, um so weniger zu, als die Regelung damit in die Nähe einer Berufszugangsregelung gerückt werde. Schließlich verstoße § 32 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV in der Auslegung des LSG gegen den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG, wenn sich Partner einer Gemeinschaftspraxis einem drohenden Honorarregress bereits dadurch entziehen könnten, dass sie ihre internen vertraglichen Regelungen geheim hielten. Schließlich scheide, da der angefochtene Bescheid dem Kläger am 5.12.2001 zugestellt worden sei, eine sachlich-rechnerische Richtigstellung von Quartalsbescheiden, die vor dem 5.12.1997 ergangen seien, aus.

15

Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 17.12.2008 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Hannover vom 13.10.2004 zurückzuweisen.

16

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

17

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend. Insbesondere stehe der sachlich-rechnerischen Richtigstellung keine "Drittbindungswirkung" durch die vom Zulassungsausschuss erteilte Gemeinschaftspraxisgenehmigung entgegen. Denn die angefochtenen Bescheide hätten keinen Einfluss auf den Zulassungsstatus des Klägers. Sie - die Beklagte - sei berechtigt, das Honorar einer Scheingemeinschaftspraxis in der Weise zu reduzieren, dass die einzelnen Ärzte so behandelt würden, als wären sie in einer Einzelpraxis tätig gewesen. Es liege ein offenkundiger Rechtsmissbrauch vor, wenn bereits in der Präambel des Kooperationsvertrages bestimmt werde, dass ein ggf dem Zulassungsausschuss vorzulegender Vertrag keine Bindungswirkung entfalten werde. Die behauptete gleichberechtigte Mitwirkung des Beigeladenen zu 2. an Entscheidungen werde durch die vorliegenden Unterlagen widerlegt. Dessen Befragung vor dem LSG habe ergeben, dass er noch nicht einmal Kenntnis gehabt habe, wann die regulären Gesellschafterversammlungen stattgefunden hätten. Für Fälle von Abrechnungsbetrug gelte die vierjährige Verjährungsfrist nicht.

18

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Entscheidungsgründe

19

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das LSG hat seine Klage zu Recht unter Aufhebung des Urteils des SG abgewiesen. Die Beklagte hat die der Beigeladenen zu 1. erteilten Honorarbescheide zu Recht aufgrund sachlich-rechnerischer Richtigstellung teilweise aufgehoben und von den an ihr beteiligten Ärzten zu viel gezahltes Honorar zurückverlangt. Sie hat den Rückforderungsbetrag auch der Höhe nach zutreffend berechnet.

20

1. Die Entscheidung des LSG ist verfahrensfehlerfrei zustande gekommen. Soweit der Kläger rügt, das Berufungsgericht habe den Beteiligten einen Hinweis darauf geben müssen, es werde seine Entscheidung wesentlich auf die Feststellung stützen, dass sich aus den Protokollen eine Mitwirkung des Beigeladenen zu 2. an Entscheidungen über "Praxisangelegenheiten" nicht ergebe, macht er einen Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs im Sinne einer Überraschungsentscheidung geltend. Eine Überraschungsentscheidung liegt nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG (vgl BVerfGE 84, 188, 190; BVerfGE 86, 133, 144 f; BVerfGE 98, 218, 263; zuletzt BVerfG , Beschluss vom 7.10.2009 - 1 BvR 178/09 - juris RdNr 8) wie auch des BSG (BSG SozR 3-4100 § 103 Nr 4 S 23; BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 6 RdNr 17)dann vor, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wende gibt, mit der auch ein gewissenhafter Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verfahrensverlauf selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen braucht.

21

Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall, denn Art 103 Abs 1 GG begründet keine umfassende Frage-, Aufklärungs- und Informationspflicht des Gerichts (stRspr des BVerfG, vgl BVerfGE 66, 116, 147; BVerfGE 84, 188, 190; BVerfGE 86, 133, 144; BVerfG , Beschluss vom 27.11.2008 - 2 BvR 1012/08 - juris RdNr 6). Prozessbeteiligte - insbesondere anwaltlich vertretene - müssen grundsätzlich von sich aus alle vertretbaren Gesichtspunkte in Betracht ziehen und sich in ihrem Vortrag darauf einstellen (BVerfGE 86, 133, 144 f; BVerfGE 98, 218, 263; BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 6 RdNr 18 mwN). Der Anspruch auf rechtliches Gehör soll lediglich verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten (BSG Urteil vom 11.11.2003 - B 2 U 32/02 R - NZS 2004, 660 ff unter Hinweis auf BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 1 mwN). Dementsprechend liegt keine unzulässige Überraschungsentscheidung vor, wenn die betroffene Sach- oder Rechtsfrage bereits Gegenstand von Äußerungen der Beteiligten des Verfahrens war, das zu der angegriffenen Entscheidung führte (BVerfG, , Beschluss vom 12.7.2006 - 2 BvR 513/06 - BVerfGK 8, 376). So liegt es auch hier, denn die Frage einer Tätigkeit des Beigeladenen zu 2. in "freier Praxis" - für deren Beantwortung ggf auch eine Beteiligung an Gesellschafterversammlungen Bedeutung haben kann - hat von Beginn des Verfahrens an im Mittelpunkt der rechtlichen Auseinandersetzung gestanden.

22

2. Die Beklagte hat die allgemeinen Vorgaben für eine Richtigstellung der Abrechnungen der Beigeladenen zu 1. beachtet.

23

a) Rechtsgrundlage der aufgrund sachlich-rechnerischer Richtigstellung erfolgten Aufhebung der Honorarbewilligungen für die Quartale IV/1996 bis I/2001 sind hier noch § 45 Abs 2 Satz 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte bzw § 34 Abs 4 Satz 2 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen (EKV-Ä)(für Zeiträume ab 1.1.2004 vgl nunmehr § 106a SGB V idF des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003, BGBl I 2190).

24

Nach diesen im Wesentlichen gleichlautenden Vorschriften hat die KÄV von Amts wegen oder auf Antrag einer Krankenkasse die Befugnis, die von Vertragsärzten eingereichten Abrechnungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu prüfen und nötigenfalls richtig zu stellen (stRspr, vgl BSGE 89, 90, 93 f = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 6; BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 5 RdNr 13). Dies kann auch im Wege nachgehender Richtigstellung erfolgen (stRspr, vgl BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 4 RdNr 10 mwN; BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6, RdNr 11). Aus diesen Bestimmungen ergibt sich weiter, dass der Vertragsarzt das Honorar, das ihm nach sachlich-rechnerischer Abrechnungskorrektur nicht mehr zusteht, erstatten muss (BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 11; BSGE 103, 1 = SozR 4-2500 § 106a Nr 7, RdNr 13).

25

b) Der Anwendung dieser bundesmantelvertraglichen Regelungen steht nicht entgegen, dass vorliegend nicht Abrechnungsverstöße im engeren Sinne - etwa der fehlerhafte Absatz von Gebührennummern - in Rede stehen. Zwar geht es bei der sachlich-rechnerischen Richtigstellung vor allem um die Auslegung und Anwendung der Gebührenordnungen (s schon BSGE 42, 268, 270 = SozR 2200 § 368n Nr 9, S 21 f), jedoch hat der Senat die entsprechenden bundesmantelvertraglichen Vorschriften in ständiger Rechtsprechung umfassend verstanden.

26

Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen des Vertrags(zahn)arztes zielt auf die Feststellung, ob die Leistungen rechtmäßig, also im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen oder satzungsrechtlichen Vorschriften des Vertragsarztrechts - mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebots -, erbracht und abgerechnet worden sind (BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 4 RdNr 10; BSGE 102, 134 = SozR 4-2500 § 295 Nr 2, RdNr 15; s schon BSG SozR 5557 Nr 5451 Nr 1 S 2). Dies entspricht den Formulierungen in den zu § 106a SGB V erlassenen Richtlinien(vgl § 3 Abs 1 und 2 iVm § 4 der Richtlinien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Spitzenverbände der Krankenkassen zum Inhalt und zur Durchführung der Abrechnungsprüfungen der KÄVen und der Krankenkassen, DÄ 2004, A 2555 bzw A 3135; § 5 Abs 1 iVm Abs 3 der Richtlinien der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung und der Spitzenverbände der Krankenkassen nach § 106a SGB V, zm 2008, S 111 ff).

27

Die Befugnis zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung der Honorarforderung auf bundesmantelvertraglicher Rechtsgrundlage besteht danach nicht nur im Falle rechnerischer und gebührenordnungsmäßiger Fehler, sondern erfasst auch Fallgestaltungen, in denen der Vertragsarzt Leistungen unter Verstoß gegen Vorschriften über formale oder inhaltliche Voraussetzungen der Leistungserbringung durchgeführt und abgerechnet hat (BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6, RdNr 11). Dementsprechend hat der Senat in seiner Rechtsprechung das Rechtsinstitut der sachlich-rechnerischen Richtigstellung zB bei der Abrechnung fachfremder Leistungen (vgl ua BSGE 93, 170 = SozR 4-2500 § 95 Nr 8; BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 1)oder qualitativ mangelhafter Leistungen angewandt, aber auch bei Leistungen eines nicht genehmigten Assistenten (BSG SozR 3-5525 § 32 Nr 1 S 3 f)sowie bei der Aufrechterhaltung eines übergroßen Praxisumfangs mit Hilfe eines Assistenten (BSG SozR 4-5520 § 32 Nr 2), bei der Abrechnung von Leistungen, die nach stationärer Aufnahme erbracht werden (BSG SozR 4-2500 § 39 Nr 3 RdNr 8; s hierzu auch die Nachweise bei BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6, RdNr 11),bei der Nichtbeachtung der bereichsspezifischen Vorschriften zur Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung im Rahmen der vertragsärztlichen Abrechnung (BSGE 102, 134 = SozR 4-2500 § 295 Nr 2, RdNr 15)und schließlich bei einem Missbrauch vertragsarztrechtlicher Kooperationsformen (BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6; zuletzt BSG Beschluss vom 5.11.2008 - B 6 KA 17/07 B - juris).

28

Die Beklagte hat die sachlich-rechnerische Richtigstellung daher zu Recht darauf stützen dürfen, dass sich die Beigeladene zu 1. durch die angeblich gemeinsame Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit des Klägers mit dem Beigeladenen zu 2. vertragsärztliches Honorar verschafft hat, das sie - bzw der Kläger in Einzelpraxis - bei Beachtung der vertragsärztlichen Pflichten nicht hätte erzielen können. Diesen auf pflichtwidriger Verhaltensweise beruhenden Honoraranteil darf die KÄV sachlich-rechnerisch richtig stellen und insoweit bereits ausgezahltes Honorar zurückfordern. Sie ist nicht darauf beschränkt, den Pflichtenverstoß disziplinarisch zu ahnden und/oder auf die Entziehung der Zulassung hinzuwirken (BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6, RdNr 12).

29

c) Die Beklagte war auch berechtigt, eine Honorarrückforderung - statt gegenüber der zu 1. beigeladenen "Gemeinschaftspraxis" - gegenüber dem Kläger geltend zu machen.

30

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide, die Quartale betreffen, in denen eine Praxis als Gemeinschaftspraxis (jetzt Berufsausübungsgemeinschaft) geführt wurde, nicht an die Gemeinschaftspraxis, sondern nur an einen der Partner gerichtet wurden (vgl BSGE 89, 90, 93 = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 6). Die Partner einer Gemeinschaftspraxis können jeder für sich in Anspruch genommen werden (BSGE 89, 90, 92 f = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 5; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 16).

31

Zum anderen rechtfertigt sich der an den Kläger gerichtete Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid auch dadurch, dass eine Gemeinschaftspraxis lediglich pro forma bestand. Weil dies materiell-rechtlich die Zusammenarbeit zweier in "freier Praxis" tätiger Ärzte voraussetzt, der Beigeladene zu 2. jedoch in Wirklichkeit lediglich als Angestellter des Klägers (bzw der "Gesellschaft") tätig war (s dazu unter 3. b cc), war der Kläger somit tatsächlich in Einzelpraxis tätig. Die Beklagte ist - jedenfalls in Bezug auf die Vergütung vertragsärztlicher Leistungen - nicht an lediglich formal bestehende, materiell-rechtlich jedoch rechtswidrige Statusentscheidungen gebunden (s unter 3. c). "Vertragspartner" der Beklagten war daher der Kläger, so dass auch die Rückabwicklung im Verhältnis Kläger-Beklagte zu erfolgen hat.

32

3. Die Beklagte war auch in der Sache berechtigt, die Abrechnungen der "Gemeinschaftspraxis" für die streitgegenständlichen Quartale richtig zu stellen. Denn die "Gemeinschaftspraxis", der (auch) der Kläger angehörte, hat in dieser Zeit Leistungen abgerechnet, die im Widerspruch zu bindenden Vorgaben des Vertragsarztrechts erbracht wurden. Die vom Zulassungsausschuss genehmigte, aus ihm und dem zu 2. beigeladenen Arzt Dr. Ph. bestehende Gemeinschaftspraxis existierte tatsächlich nicht. Dr. Ph. war lediglich als Angestellter des Klägers tätig, und die Genehmigung zur Beschäftigung eines angestellten Arztes hatte die Beklagte nicht erteilt.

33

Die vertraglich zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 2. vereinbarte Kooperation erfüllte die Voraussetzungen des § 33 Abs 2 Satz 1 Ärzte-ZV nicht, weil der zu 2. beigeladene Dr. Ph. nicht in freier Praxis im Sinne des § 32 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV tätig war. Über die berufliche und persönliche Selbstständigkeit, die für die Ausübung der Tätigkeit des Vertragsarztes in "freier Praxis" erforderlich ist, verfügte Dr. Ph. zu keinem Zeitpunkt. Dieser Arzt trug nach den Vereinbarungen zwischen ihm und dem Kläger das wirtschaftliche Risiko der Praxis nicht mit und war in keiner Weise am Wert der Praxis beteiligt, die durch seine Tätigkeit mit geschaffen wurde. Jedenfalls soweit beides explizit ausgeschlossen ist, wird die ärztliche Tätigkeit nicht mehr in freier Praxis ausgeübt.

34

a) Nach § 33 Abs 2 Satz 1 Ärzte-ZV ist die gemeinsame Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit zulässig unter allen zugelassenen Leistungserbringern. Das setzt die (auch materiell rechtmäßige) Zulassung eines jeden einzelnen Mitglieds der Gemeinschaftspraxis voraus (vgl Engelmann, ZMGR 2004, 3, 10). Schon hieran fehlt es. Denn der Beigeladene zu 2. war - wie das LSG zutreffend festgestellt hat - bereits nicht als Arzt in freier Praxis, sondern tatsächlich als "freier Mitarbeiter" tätig. Da das Vertragsarztrecht den Typus des "freien Mitarbeiters" nicht kennt, ist der Beigeladene zu 2. vertragsarztrechtlich als "angestellter Arzt" bzw als "Assistent" zu qualifizieren. Derartige Tätigkeiten sind nur mit entsprechender Genehmigung zulässig; daran fehlte es jedoch.

35

b) Nach § 32 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV hat der Vertragsarzt die vertragsärztliche Tätigkeit persönlich in "freier Praxis" auszuüben. Dies war dem Beigeladenen zu 2. gesellschaftsvertraglich nicht möglich, und er hat es auch tatsächlich nicht getan.

36

aa) Der Begriff der "freien Praxis" ist nicht zu unbestimmt, um hieraus Anforderungen an die vertragsärztliche Tätigkeit abzuleiten. Dem steht auch nicht die Aussage des BVerfG entgegen, dass der (vergleichbare) Begriff "freier Beruf" kein eindeutiger Rechtsbegriff, sondern ein soziologischer Begriff sei, der aus einer bestimmten gesellschaftlichen Situation erwachsen sei und aus dem sich keine präzise normative Wirkungen ableiten ließen (BVerfGE 10, 354, 364). Abgesehen davon, dass das BVerfG diese Aussagen getätigt hat, um der (gegenteiligen) Auffassung entgegenzutreten, dieser Begriff beinhalte einen spezifischen, gesteigerten Gehalt an Freiheit (vgl BVerfG aaO), unterscheidet sich die Situation vornehmlich dadurch, dass der ähnliche Begriff der "freien Praxis" vorliegend nicht im allgemeinen - "soziologischen" - Sinne gebraucht wird, sondern durch die Regelungen in § 32 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV wie auch in § 98 Abs 2 Nr 13 SGB V ("nach den Grundsätzen der Ausübung eines freien Berufes …") normativen Gehalt bekommen hat. Darüber hinaus ist der Begriff der "freien Praxis" durch zahlreiche Entscheidungen des BSG weiter konkretisiert worden (s unter 3. b bb).

37

Im Übrigen hat auch das BVerfG in verschiedenen Entscheidungen den Kerngehalt dieses Begriffes dahingehend umschrieben, dass der Arztberuf durch ein hohes Maß an eigener Verantwortlichkeit und eigenem Risiko in wirtschaftlicher Beziehung charakterisiert sei (BVerfGE 9, 338, 351). Das Berufsbild der freiberuflich Tätigen trage im Ganzen den "unternehmerischen Zug", der auf Selbstverantwortung, individuelle Unabhängigkeit und eigenes wirtschaftliches Risiko gegründet sei (BVerfGE 10, 354, 369). Der frei praktizierende Arzt habe die freie Verfügung über die eigene Arbeitskraft, könne insbesondere seine Arbeitszeit frei einteilen, er trage aber auch das volle wirtschaftliche Berufsrisiko (BVerfGE 16, 286, 294). Mithin wird eine Tätigkeit in "freier Praxis" unzweifelhaft durch die Merkmale individuelle Unabhängigkeit und Tragung des wirtschaftlichen Risikos konkretisiert.

38

bb) Was für eine Tätigkeit persönlich in freier Praxis im Sinne des § 32 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV - im Gegensatz zu einem Angestelltenverhältnis im Sinne des § 32b Ärzte-ZV - erforderlich ist, hat das BSG in seinen Urteilen vom 16.3.1973 (BSGE 35, 247 = SozR Nr 1 zu § 5 EKV-Ärzte = NJW 1973, 1435), vom 16.7.2003 (BSG SozR 4-5520 § 33 Nr 2)und vom 28.11.2007 (BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103 Nr 3)vorgezeichnet. Das Merkmal erfordert mehr, als nach den §§ 705 ff BGB für die Stellung als Gesellschafter erforderlich ist. Die vertragsärztliche Tätigkeit muss in beruflicher und persönlicher Selbstständigkeit gesichert sein; erhebliche Einflussnahmen Dritter müssen ausgeschlossen sein; insbesondere darf nicht in Wahrheit ein verstecktes Angestelltenverhältnis vorliegen (BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103 Nr 3, RdNr 26, anknüpfend an BSG SozR 4-5520 § 33 Nr 2; vgl auch BSGE 91, 164 RdNr 17, 18 = SozR 4-5520 § 33 Nr 1 RdNr 16, 17; - jeweils betreffend Gemeinschaftspraxis). Zur erforderlichen eigenverantwortlichen Gestaltung ärztlicher Tätigkeit gehört es, dass der Arzt ein wirtschaftliches Risiko trägt, insoweit es maßgebend von seiner Arbeitskraft abhängen muss, in welchem Umfang seine freiberufliche Tätigkeit Einkünfte erbringt (BSGE 35, 247, 252 = SozR Nr 1 zu § 5 EKV-Ärzte = NJW 1973, 1435, 1437 - betreffend Facharzt für Laboratoriumsmedizin). Zudem muss der Arzt die Befugnis haben, den medizinischen Auftrag nach eigenem Ermessen zu gestalten sowie über die räumlichen und sächlichen Mittel, ggf auch über den Einsatz von Hilfspersonal zu disponieren oder jedenfalls an der Disposition mitzuwirken (BSGE 35, 247, 250 = NJW 1973, 1435, 1436; BSGE 76, 59, 64 = SozR 3-5520 § 20 Nr 1 S 7; BSGE 80, 130, 132 f = SozR 3-5520 § 20 Nr 2 S 13).

39

Somit beinhaltet die Tätigkeit in "freier Praxis" zum einen eine wirtschaftliche Komponente - die Tragung des wirtschaftlichen Risikos wie auch eine Beteiligung an den wirtschaftlichen Erfolgen der Praxis - und zum anderen eine ausreichende Handlungsfreiheit in beruflicher und persönlicher Hinsicht.

40

Für das Maß an Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit, das einem Arzt bei der von ihm bei seinem Antrag auf Zulassung geplanten und dann ausgeübten vertragsärztlichen Tätigkeit verbleibt, können zivilrechtliche Vereinbarungen, die er bezogen auf die Arztpraxis getroffen hat, Bedeutung haben. Dies gilt nicht nur für Gemeinschaftspraxen (hierzu s BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103 Nr 3, RdNr 25 f), sondern auch in anderen Fällen, etwa dann, wenn einem Arzt die Praxisräume und -ausstattung von einem anderen zur Verfügung gestellt werden und dieser sich erhebliche Einflussmöglichkeiten auf die Praxisausstattung und den Praxisbetrieb vorbehält. In solchen Fällen ist es Aufgabe der Zulassungsgremien, aber ggf auch der Sozialgerichte und der KÄVen, die zivilrechtlichen Verhältnisse in die Überprüfung einzubeziehen (hierzu zuletzt BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103 Nr 3, RdNr 26 mwN).

41

cc) Die dargestellten Voraussetzungen einer Tätigkeit in "freier Praxis" waren im Falle des Beigeladenen zu 2. schon nicht gegeben, als er zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen wurde. Sie sind angesichts der gescheiterten Aufnahme in die "Gesellschaft" ebenso wenig während seiner anschließenden Tätigkeit eingetreten. Der Beigeladene zu 2. trug nämlich zu keinem Zeitpunkt ein erkennbares wirtschaftliches Risiko (1) und war an der Verwertung des von ihm erarbeiteten Praxiswerts nicht beteiligt (2). Ob er darüber hinaus auch in seiner Dispositionsfreiheit eingeschränkt war, bedarf keiner abschließenden Entscheidung (3).

42

(1) Das Erfordernis, dass es beim Vertragsarzt "maßgebend von seiner Arbeitskraft abhängen" muss, in welchem Umfang seine freiberufliche Tätigkeit Einkünfte erbringt (BSGE 35, 247, 252 = SozR Nr 1 zu § 5 EKV-Ärzte = NJW 1973, 1435, 1437), ihn also im positiven wie im negativen Sinne die Chance und das Risiko des beruflichen Erfolges oder Misserfolges persönlich treffen müssen, ist der Notwendigkeit geschuldet, den Status des Vertragsarztes von dem Status des angestellten Arztes abzugrenzen. Nur dann ist das Merkmal beruflicher und persönlicher Selbstständigkeit gegeben und liegt nicht ein (verstecktes) Angestelltenverhältnis vor. Dies bedeutet insbesondere, dass der Vertragsarzt nicht wie ein Angestellter nur ein Festgehalt erhalten darf. Vielmehr muss ihm maßgeblich der Ertrag seiner vertragsärztlichen Tätigkeit zugute kommen, ebenso wie ein eventueller Verlust zu seinen Lasten gehen muss. Dieses Erfordernis muss von Anbeginn der vertragsärztlichen Tätigkeit erfüllt sein, kann mithin nicht für die Dauer einer "Probezeit" suspendiert werden.

43

Diese Teilhabe an Gewinn und Verlust der laufenden Praxistätigkeit kann nicht allein auf den Kapitaleinsatz bezogen werden, der bei der ärztlichen Tätigkeit nicht die ausschlaggebende Rolle spielt, wie der Senat bereits in einer früheren Entscheidung (Urteil vom 16.3.1973 - BSGE 35, 247, 252 = SozR Nr 1 zu § 5 EKV-Ärzte = NJW 1973, 1435, 1436 f ) ausgeführt hat. Fehlender wirtschaftlicher Erfolg einer Praxis wirkt sich im Übrigen vor allem in Gestalt einer Reduzierung des sogenannten Unternehmerlohns aus, weil die laufenden Praxiskosten nicht sogleich einem Umsatzrückgang angepasst werden können, und kann auch zum Auflaufen von Verbindlichkeiten führen. Ob im Übrigen die Gewichtung von Kapitaleinsatz und persönlicher Arbeitskraft des Arztes, die im Urteil vom 16.3.1973 zum Ausdruck kommt, heute im Zuge der Veränderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der vertragsärztlichen Tätigkeit anders vorgenommen werden müsste, bedarf hier keiner Entscheidung.

44

Diese Voraussetzungen lagen, wie vom LSG zutreffend festgestellt, nicht vor:
Nach dem - die Rahmenbedingungen für das Tätigwerden des Beigeladenen zu 2. in der "Gemeinschaftspraxis" regelnden - Kooperationsvertrag sollte der Beigeladene zu 2. kein wirtschaftliches Risiko tragen (Ziff 2a und b der Präambel zum Kooperationsvertrag); gemäß § 4 des Vertrages erhielt er ein Festgehalt("regelmäßige Vergütung pro Arbeitswoche"). Die "Abrechnung von Privat- und Kassenpatienten" oblag allein "den Praxisinhabern" (§ 5 Abs 1 des Vertrages); zudem war der Beigeladene zu 2. "im Innenverhältnis" von allen Honorarkürzungs- und Regressansprüchen freigestellt (§ 2 Abs 6 des Vertrages). Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass diese - eine "Mitunternehmerschaft" des Beigeladenen zu 2. in Bezug auf die Einkünfte ausschließenden - Regelungen in der Folgezeit nicht mehr gegolten haben. Denn zu dessen avisierten Eintritt in die von Dres. P., H. und M. gebildete Gesellschaft ist es unzweifelhaft nicht gekommen, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG bestätigt hat. Der Beigeladene zu 2. hat bekräftigt, dass es bis 2001 bei den im Vertrag vereinbarten Zahlungen geblieben sei und er auch in der Folgezeit ein Festgehalt erhalten habe. Die im Schrifttum erörterte Frage, ob die Zahlung eines Festgewinnanteils für die Annahme einer Tätigkeit in "eigener Praxis" ausreichen kann (s hierzu Gummert/Meier, MedR 2007, 1, 4 f), stellt sich vorliegend nicht, da der Beigeladene zu 2. gerade keine gewinnbezogenen Zahlungen erhalten hat.

45

Auch wenn die für bzw gegen eine Tätigkeit in "freier Praxis" sprechenden Gesichtspunkte grundsätzlich in ihrer Gesamtheit in die Abwägung einzubeziehen sind, stellt der Umstand, dass sich die Einkommenssituation des Beigeladenen zu 2. nicht von der eines "freien Mitarbeiters" bzw der eines Angestellten unterschied, ein so wesentliches Indiz gegen eine selbstständige Tätigkeit in "freier Praxis" dar, dass bereits aus diesem Grunde die Entscheidung des LSG zu bestätigen ist. Daher kann es dahingestellt bleiben, ob der Beigeladene zu 2. im Übrigen Einfluss auf die Führung der - letztlich auch die "Gemeinschaftspraxis" beherrschenden, vom Kläger sowie Dres. H. und M. gebildeten - "Gesellschaft" hatte.

46

Da es bereits an jeglicher Tragung eines wirtschaftlichen Risikos fehlt, kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob im Falle von Gemeinschaftspraxen (bzw Berufsausübungsgemeinschaften) jeder Partner auch substantiell am Gesellschaftsvermögen beteiligt werden muss (s hierzu die Nachweise bei Gummert/Meier, MedR 2007, 1, 6 f mit Fn 57 bis 60) oder ob - ggf auch nur für eine Übergangsfrist - auch eine sogenannte "Null-Beteiligung" unschädlich sein kann. Dieser Aspekt könnte lediglich dann Bedeutung haben, wenn die Bewertung des vorrangigen (einkommensbezogenen) Kriteriums der "Tragung des wirtschaftlichen Risikos" keine eindeutige Aussage erlaubt. Allerdings sprechen gewisse Gesichtspunkte dafür, dass eine Beteiligung am Gesellschaftsvermögen nicht ausnahmslos erforderlich ist. Wenn ein Arzt sowohl am wirtschaftlichen Gewinn wie auch an einem etwaigen Verlust beteiligt ist, also das Einkommens-Risiko trägt, muss er nicht auch noch zwingend das weitere (Vermögens-)Risiko tragen. So könnten Gestaltungen zulässig sein, in denen Ärzte (gemeinsam) nicht nur die Praxisräume, sondern auch die komplette Praxisausstattung anmieten, ihr Kapitaleinsatz also gegen Null geht, oder in denen ein alteingesessener Vertragsarzt mit einem jungen Arzt, der in fernerer Zukunft die Praxis übernehmen soll, zunächst eine Gemeinschaftspraxis bildet, in der die gesamte Praxisausstattung dem "Alt-Arzt" gehört.

47

(2) Ein wesentlicher Mangel an ausreichender Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit ergab sich ferner daraus, dass dem Beigeladenen zu 2. bei Beendigung seiner vertragsärztlichen Tätigkeit keine Chance auf Verwertung des auch von ihm erarbeiteten Praxiswertes blieb. Für die Annahme einer gemeinschaftlichen Berufsausübung im Rahmen einer Gemeinschaftspraxis ist - unabhängig von der Frage einer Beteiligung der Partner an den Investitionen und Kosten der Praxis - grundsätzlich eine Beteiligung am immateriellen Wert der Praxis (dem sogenannten "Goodwill") erforderlich, da dies Ausfluss der mit einer Tätigkeit in "freier Praxis" verbundenen Chancen ist. Dabei kann die vertragliche Ausgestaltung im Einzelfall unterschiedlich sein (BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6, RdNr 14).

48

Zwar sind Einschränkungen des für Einzelpraxen typischen Rechts, im Falle der Aufgabe der Praxistätigkeit über die Verwertung des Praxiswerts - insbesondere durch Ausschreibung des Vertragsarztsitzes in Verbindung mit dem Abschluss eines Vertrages mit dem Praxisnachfolger über einen Kaufpreis in Höhe des Verkehrswertes der Praxis (§ 103 Abs 4 SGB V) - zu verfügen, dann üblich, wenn es sich um eine Gemeinschaftspraxis handelt. Bei ihr sind die Bindungen und Arbeitsteilungen unter den Praxispartnern zu beachten; diese rechtfertigen Beschränkungen der Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit jedes einzelnen Partners. Dabei werden auch die Rechte des Ausscheidenden häufig beschränkt, nämlich zB auf den Anspruch auf Abfindungszahlungen reduziert (s dazu H.-J. Rieger, Verträge zwischen Ärzten in freier Praxis, 8. Aufl 2009: Heidelberger Musterverträge, Heft 41, Teil 2: Kooperationsverträge, Vertrag für Gemeinschaftspraxis, § 14, S 46-48).

49

Selbst derart beschränkte Teilhaberechte am Wert der Praxis waren aber durch den Kooperationsvertrag ausgeschlossen. Dort war insbesondere bestimmt, dass der freie Mitarbeiter den Gemeinschaftspraxis-Anteil "nur im Außenverhältnis" erwirbt und hieraus keine Rechte herleiten kann; zudem hat er den Anteil bei einem Ausscheiden unentgeltlich auf die "Gemeinschaftspraxis" zu übertragen (Ziff 6b der Präambel). Auch ist er nicht am "Good-Will" der Praxis beteiligt (Ziff 7 der Präambel). Selbst wenn man dies ggf für die Dauer einer begrenzten "Probezeit" akzeptieren wollte, käme dies im Falle des Beigeladenen zu 2. schon wegen der auf unbestimmte Zeit fortgesetzten Probezeit nicht zum Tragen.

50

(3) Dahingestellt bleiben kann, ob der Beigeladene zu 2. ausreichende Dispositionsfreiheit in beruflicher und persönlicher Hinsicht besaß. Das Erfordernis, dass der Arzt die Befugnis haben muss, den medizinischen Auftrag nach eigenem Ermessen zu gestalten sowie über die räumlichen und sächlichen Mittel, ggf auch über den Einsatz von Hilfspersonal zu disponieren oder jedenfalls an der Disposition mitzuwirken (BSGE 35, 247, 250 = NJW 1973, 1435, 1436), hat zum Inhalt, dass erhebliche Einflussnahmen Dritter bei der Gestaltung des medizinischen Auftrags und bei der Disposition über das Hilfspersonal ausgeschlossen sein müssen. Entsprechendes gilt für die Disposition über die Sachausstattung der Praxis. Dies sind Ausprägungen der rechtlichen Vorgabe, dass die vertragsärztliche Tätigkeit "persönlich in freier Praxis" ausgeübt werden muss (§ 32 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV), wofür wesentlich ist, dass er die Verfügungsmacht über die Praxis hat. Selbst wenn die Praxis und deren Inventar nicht unbedingt in seinem Eigentum stehen müssen, muss er neben der Gestaltung des medizinischen Auftrags und neben der Personalhoheit auch in einem gewissen Umfang die Sachherrschaft haben. Nur dann ist eine Verfügungsmacht über die Praxis und eine Tätigkeit "in freier Praxis" gegeben.

51

Nach den Feststellungen des LSG steht nicht in Zweifel, dass der Beigeladene zu 2. bei der Gestaltung des medizinischen Auftrags in ausreichendem Maß "sein eigener Herr" war. Insoweit hat das LSG jedoch zutreffend darauf verwiesen, dass erhebliche (fachliche) Entscheidungs- und Handlungsspielräume allen höheren Dienstleistungen eigen sind. Bezüglich der Frage, ob dem Beigeladenen zu 2. in ausreichendem Maße die Personalhoheit verblieben ist, liegt es schon aus Gründen der - im Gesamtinteresse liegenden - Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Praxis nahe, dass er wohl im ausreichenden Maße über das für seine Tätigkeit erforderliche Personal verfügen konnte. Auch die Weisungsbefugnis gegenüber dem nichtärztlichen Hilfspersonal dürfte angesichts der Notwendigkeiten, die eng mit der eigentlichen ärztlichen Tätigkeit zusammenhängen, bestanden haben. Offen bleiben kann, ob dem Beigeladenen zu 2. das Recht zustand, über die Organisation des Inventars und der sächlichen Hilfsmittel, die Materialwirtschaft, die kaufmännische und administrative Ausgestaltung der Arztpraxis zu bestimmen. Zweifellos konnte er nicht über größere Anschaffungen bestimmen, da die Mittel dazu von der "Gesellschaft", an der er nicht beteiligt war, aufgebracht wurden. Andererseits dürften ihm die für seine Tätigkeit erforderlichen Materialien und Geräte zur Verfügung gestanden haben.

52

c) Einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung steht schließlich nicht entgegen, dass der Beigeladene zu 2. formal zugelassen und die zu 1. beigeladene Gemeinschaftspraxis formal genehmigt war, und diese Zulassung bzw Genehmigung nicht mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben werden kann (vgl hierzu BSG SozR 4-5520 § 24 Nr 2 RdNr 14 - Genehmigung der Verlegung des Vertragsarztsitzes; dies aufgreifend BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103 Nr 3, RdNr 25; LSG Nordhrein-Westfalen, Urteil vom 13.9.2006 - L 11 KA 30/06 - MedR 2008, 50; Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, 2008, § 20 RdNr 47). Denn der Beigeladene zu 2. hätte nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen werden dürfen, weil - aus den vorstehend dargelegten Gründen - von vornherein die Voraussetzungen für eine Zulassung fehlten; Entsprechendes gilt für die Gemeinschaftspraxis-Genehmigung. In derartigen Fällen steht dem Vertragsarzt ungeachtet des rückwirkend nicht korrigierbaren Status kein Honorar zu (so auch Wenner aaO RdNr 48; Engelmann, ZMGR 2004, 3, 13; Schallen, Zulassungsverordnung, 7. Aufl 2009, § 33 RdNr 142 ff).

53

aa) Ein die Zulassungsvoraussetzungen nicht erfüllender oder für die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit ungeeigneter Arzt, der sich die Vertragsarztzulassung unter Vorspiegelung falscher Tatsachen verschafft hat, kann nicht unter Berufung auf den dadurch erworbenen formalrechtlichen Status vertragsärztliche Leistungen erbringen und abrechnen (BSGE 76, 153, 155 = SozR 3-2500 § 95 Nr 5 S 22 unter Hinweis auf BSG SozR 2200 § 368f Nr 1). Dies gilt entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung (vgl Spoerr/Fenner, MedR 2002, 109, 115) nicht allein - wie in den bereits entschiedenen Fällen - dann, wenn es an der erforderlichen Approbation und damit bereits an der Erbringung ärztlicher Leistungen fehlt, und/oder, wenn der Arzt rückwirkend auf seine Zulassung verzichtet hat (vgl Spoerr/Fenner aaO). Vielmehr ist eine Berufung auf einen formalrechtlichen Status - jedenfalls soweit es die Abrechnungsprüfung betrifft - auch in anderen Fällen ausgeschlossen, in denen die Zulassungsgremien eine Zulassung bei Kenntnis der genauen Umstände nicht erteilt hätten bzw nicht hätten erteilen dürfen (in diesem Sinne - Honorarrückforderung im Falle des Rechtsmissbrauchs - auch Gummert/Meier, MedR 2007, 1, 9; vgl weiterhin Clemens/Steinhilper in Laufs/Kern , Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl 2010, § 35 RdNr 78 ff).

54

Dies gilt insbesondere im Falle einer missbräuchlichen Nutzung von Gestaltungsformen. Ein Gestaltungsmissbrauch in Form eines Missbrauchs der Rechtsform liegt nicht nur - wie vom Senat bereits entschieden - dann vor, wenn rechtlich in Praxisgemeinschaft verbundene Ärzte die Patienten wie Mitglieder einer Gemeinschaftspraxis behandeln (vgl BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6, RdNr 16 ff; BSG, Beschluss vom 5.11.2008 - B 6 KA 17/07 B - juris), sondern auch in anderen Fällen, in denen die formal gewählte Rechtsform nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht. Vorliegend haben der Kläger und der Beigeladene zu 2. die Kooperationsform Gemeinschaftspraxis dadurch missbräuchlich genutzt, dass beide die vertragsärztliche Tätigkeit nicht "gemeinsam" ausgeübt haben, sondern faktisch der Kläger in Einzelpraxis tätig war und den Beigeladenen zu 2. - ohne entsprechende Genehmigung - als Assistenten bzw Angestellten beschäftigte.

55

Für die Rechtmäßigkeit der Gewährung vertragsärztlichen Honorars kommt es nicht allein darauf an, dass der Vertragsarzt formell zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist, sondern er muss vielmehr auch materiell berechtigt sein, Leistungen in der vertragsärztlichen Versorgung zu erbringen (Engelmann, ZMGR 2004, 3, 13 unter Bezugnahme auf BSGE 76, 153, 155 = SozR 3-2500 § 95 Nr 5 S 22 unter Hinweis auf BSG SozR 2200 § 368f Nr 1). Zudem sind die mit der Verleihung des Status einer Gemeinschaftspraxis verbundenen Vorteile gegenüber einer Einzelpraxis nur gerechtfertigt, wenn die rechtsförmige Gestaltung der Kooperation die Gewähr dafür bietet, dass die mit der Genehmigung der gemeinsamen Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit verbundenen Rechte und Pflichten ordnungsgemäß wahrgenommen werden (BSG SozR 4-5520 § 33 Nr 2 RdNr 22).

56

bb) Einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung wie auch einer daraus resultierenden Rückforderung vertragsärztlichen Honorars steht eine etwaige "Tatbestandswirkung" bzw Drittbindungswirkung (zur Terminologie s BSG SozR 3-2500 § 95a Nr 2 S 6; s auch Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl 2008, § 43 RdNr 105) der Zulassung bzw der Gemeinschaftspraxisgenehmigung in dem Sinne, dass andere Behörden bzw Gerichte an diese Entscheidung ohne Rücksicht auf ihren Inhalt gebunden sind (vgl Roos in v. Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, Vor § 39 RdNr 4 mwN),nicht entgegen. Drittbindungswirkung hat der Senat etwa einem Arztregistereintrag im Rahmen eines Zulassungsverfahrens (vgl BSG SozR 3-2500 § 95a Nr 2; BSG SozR 3-2500 § 95c Nr 1; eingrenzend aber BSGE 104, 128 = SozR 4-2500 § 95 Nr 15, RdNr 15 ff) sowie der Approbationsentscheidung im Rahmen einer Arztregistereintragung (BSGE 95, 94 = SozR 4-2500 § 95c Nr 1)beigemessen. Ob eine solche Drittbindungswirkung besteht, ist bereichsspezifisch durch Auslegung der einschlägigen Normen entsprechend ihrem Regelungszweck zu ermitteln; sie kommt insbesondere dann in Betracht, wenn eine Behörde für den Erlass eines gestaltenden bzw konstitutiv-feststellenden Verwaltungsaktes mit einem Regelungsmonopol ausgestattet ist (BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr 2, RdNr 42 mwN). Sie erfordert das Vorhandensein entsprechender gesetzlicher Regelungen, in denen der Umfang der Bindung wiederum bereichsspezifisch und abhängig von ihrem erkennbaren Regelungszweck unterschiedlich ausgestaltet sein kann (BSG aaO mwN).

57

Es kann dahingestellt bleiben, in welchem Umfang eine Drittbindungswirkung der Entscheidungen der Zulassungsgremien zu bejahen ist, denn zumindest bezogen auf die vorliegende Konstellation wirken sich der Status des zu 2. beigeladenen Arztes als Vertragsarzt wie die ebenfalls statusbegründende Genehmigung der zu 1. beigeladenen Gemeinschaftspraxis nicht auf die Berechtigung der Beklagten aus, aus der gesetzwidrigen Gestaltung der beruflichen Kooperation die notwendigen vergütungsrechtlichen Folgerungen zu ziehen. Der Status des zugelassenen Vertragsarztes und der genehmigten Gemeinschaftspraxis sichern die vertragsärztliche Tätigkeit im Rechtsverhältnis zu Dritten ab (s hierzu schon BSG SozR 4-2500 § 96 Nr 1 RdNr 16 mwN). Die Versicherten können sich darauf verlassen, durch einen zugelassenen Arzt im Rahmen des Sachleistungsprinzips behandelt zu werden; die von einem solchen Arzt ausgestellten Verordnungen sind wirksam und - von der hier nicht relevanten Situation des kollusiven Zusammenwirkens mit einem Apotheker abgesehen - von diesem auszuführen (BSG aaO; vgl auch BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103 Nr 3, RdNr 25). Solange der Status nicht beseitigt ist, wird der betreffende Arzt im Rahmen der Bedarfsplanung berücksichtigt und darf seine organschaftlichen Mitwirkungsrechte innerhalb der KÄV wahrnehmen.

58

Das alles spielt im Rechtsverhältnis zwischen der KÄV und ihrem Mitglied keine Rolle mehr, wenn bekannt ist, dass der Arzt von seiner Zulassung keinen gesetzeskonformen Gebrauch gemacht hat. Für den Rückgriff der KÄV auf die tatsächlichen Verhältnisse bedarf es entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung (Spoerr/Fenner, MedR 2002, 109, 112 f) nicht der rückwirkenden Beseitigung des Status (ebenso Engelmann, ZMGR 2004, 3, 13; Clemens/ Steinhilper aaO, RdNr 76 ff). Im Innenverhältnis zur KÄV schützt der verliehene, aber rechtswidrig erlangte bzw genutzte Status den betroffenen Arzt zumindest in vergütungsrechtlicher Hinsicht nicht.

59

Insoweit besteht eine Parallele zur Beamtenernennung, die durch Täuschung herbeigeführt worden ist. Diese ist nicht nichtig, sondern vielmehr mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (vgl § 14 Abs 1 Nr 1 Bundesbeamtengesetz - BBG -). Im Innenverhältnis hat dies ua zur Folge, dass der Beamte die erhaltene Besoldung zu erstatten hat (s hierzu Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 23.10.1979 - IV 1423/77 - juris, dort RdNr 18 f), sofern der Dienstherr sein Ermessen (vgl § 15 Satz 4 BBG in der ab 12.2.2009 gültigen Fassung = § 14 Satz 2 BBG in der bis 11.2.2009 gültigen Fassung) nicht dahingehend ausübt, dass sie ihm belassen wird. Im Außenverhältnis zu Dritten sind die bis zur Zustellung der Erklärung der Rücknahme vorgenommenen Amtshandlungen jedoch in gleicher Weise gültig, wie wenn ein Beamter sie ausgeführt hätte (§ 15 Satz 3 BBG). Wegen der mehrpoligen Rechtsbeziehungen im Vertragsarztrecht scheidet hier die rückwirkende Beseitigung des Status aus; vergleichbar dem Dienstherrn im Beamtenverhältnis darf aber die KÄV aus der zu Unrecht erfolgten Verleihung des Status die erforderlichen Konsequenzen ziehen. Ihr gegenüber entfaltet der Status dann keine Schutzwirkung mehr.

60

d) Der Aufhebung der ursprünglichen Honorarbescheide steht auch die vierjährige Ausschlussfrist, innerhalb derer der Bescheid über die sachlich-rechnerische Richtigstellung ergehen muss (s hierzu BSGE 89, 90, 103 = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 16; BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 14; BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 12), nicht entgegen. Die Ausschlussfrist beginnt in allen Fällen der Richtigstellung von Honorarbescheiden mit dem Tag nach der Bekanntgabe des für den Abrechnungszeitraum maßgeblichen Honorarbescheids zu laufen (BSG MedR 2008, 100 RdNr 18; BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr 35, RdNr 18; ebenso das weitere Urteil vom 28.3.2007- B 6 KA 28/06 R -; BSG, Urteil vom 5.5.2010 - B 6 KA 5/09 R - RdNr 28 iVm 31, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen), begann mithin für das Quartal IV/1996 mit der Mitte April 1997 erfolgten Bekanntgabe der Honorarbescheide und endete dementsprechend Mitte April 2001. Da der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid erst am 30.11.2001 erlassen worden ist, ist dieser in Bezug auf Teile der Honorarrückforderung nicht innerhalb der Ausschlussfrist erlassen worden.

61

Nach Ablauf der Ausschlussfrist ergehende Kürzungs- bzw Rückforderungsbescheide können - auch wenn die Richtigstellung von fehlerhaften vertragsärztlichen Abrechnungen grundsätzlich kein Verschulden des Vertragsarztes voraussetzt (BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6 RdNr 28)- regelmäßig nur noch dann Rechtswirkungen entfalten, wenn die Vertrauensschutzausschlusstatbestände des § 45 SGB X(Abs 2 iVm Abs 4 Satz 1) vorliegen (grundlegend BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 14; ebenso BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 12; BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr 35, RdNr 16; BSG, Urteil vom 5.5.2010 - B 6 KA 5/09 R - RdNr 32, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Dies ist jedoch hier der Fall. Denn die Honorarbescheide beruhen zum einen auf Angaben, die der Kläger grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig gemacht hat (§ 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X), zum anderen hat er die Rechtswidrigkeit der Honorarbescheide zumindest infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt (§ 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X).

62

Für den Senat bestehen auf der Grundlage der Feststellungen des LSG keine Zweifel, dass der Kläger wusste, dass der zu 2. beigeladene Dr. Ph. im Innenverhältnis nicht Mitglied der Gemeinschaftspraxis werden sollte bzw dass es hierzu noch einer ausdrücklichen Aufnahme des Beigeladenen zu 2. in die Gesellschaft bedurft hätte, zu der es später nicht gekommen ist. Die ausdrückliche Wendung in den geschlossenen Verträgen, für die Binnenbeziehungen der Beteiligten soll es auf die den Zulassungsgremien vorgelegten Verträge nicht ankommen, lässt deutlich erkennen, dass den Beteiligten die Unrechtmäßigkeit der Konstruktion bewusst war. Dass diese nach Darstellung des Klägers auf anwaltlicher Beratung beruhte, hat offenbar strafverfahrensrechtliche Konsequenzen für den betroffenen Rechtsanwalt gehabt und mag Schadensersatzansprüche des Klägers gegen diesen Rechtsanwalt begründen. Als langjährig tätiger Vertragsarzt hat der Kläger jedoch gewusst, dass ein Arzt, der weder am Erfolg noch am Wertzuwachs der Praxis beteiligt sein sollte, kein Partner einer Gemeinschaftspraxis sein kann. Im Übrigen hatte der damals beratende Rechtsanwalt M. den Kläger bereits im Jahre 1998 (mit an die Mitglieder der "Gesellschaft" gerichtetem Schreiben vom 9.7.1998) mitgeteilt, dass er erneut auf das "Problem Dr. Ph." gestoßen sei, das er mit den Beteiligten zu unterschiedlichen Zeitpunkten bereits angesprochen habe, und darauf aufmerksam gemacht, dass "aufgrund der neuesten Entwicklungen" KÄVen und Zulassungsausschüsse vermehrt die Auffassung verträten, dass Ärzte, die kein unternehmerisches Risiko trügen, nicht in "freier Praxis" niedergelassen seien. Da die Gefahr einer Rückforderung der Gesamthonorare bestehe, solle das Problem schnell gelöst werden.

63

4. Die verfassungsrechtlichen Erwägungen des Klägers gegen seine Rückzahlungspflicht greifen nicht durch.

64

a) Es begegnet zunächst keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit an eine Tätigkeit in "freier Praxis" zu binden (zur hinreichenden Bestimmtheit des Begriffes s bereits unter 3. b aa). Diese Einschränkung hat vor Art 12 Abs 1 GG Bestand, weil sie durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist und nicht weitergeht, als es die rechtfertigenden Gemeinwohlbelange erfordern. Eingriffszweck und Eingriffsintensität stehen in einem angemessenen Verhältnis zueinander (vgl hierzu BSGE 91, 164 RdNr 14 = SozR 4-5520 § 33 Nr 1 RdNr 13 mwN). Wie bereits dargelegt, dient das Merkmal "in freier Praxis" der Abgrenzung der vertragsärztlichen Tätigkeit im Sinne des § 32 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV von der eines Angestellten im Sinne des § 32b Ärzte-ZV (bzw der eines Assistenten). Diese Abgrenzung ist erforderlich, weil mit der Zuordnung zu der einen oder der anderen Gruppe erheblich voneinander abweichende Rechte und Pflichten verbunden sind. Insbesondere ist im Rahmen einer Beschäftigung von Angestellten und Assistenten eine Ausweitung der Leistungsmenge nur in begrenztem Umfang möglich.

65

b) Soweit der Kläger darüber hinaus einen Gleichheitsverstoß annimmt, weil Ärzte, die keine Verträge vorlegen würden, besser gestellt wären, geht er fehl. Wie der Senat bereits entschieden hat, sind Vertragsärzte verpflichtet, den Zulassungsgremien Verträge über die Gemeinschaftspraxis vorzulegen (BSG, Urteil vom 16.7.2003 - B 6 KA 34/02 R - SozR 4-5520 § 33 Nr 2 RdNr 24; ebenso BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103 Nr 3, RdNr 26). Dass die Vorlage solcher Verträge in früheren Zeiten noch nicht üblich gewesen sein mag und es vorliegend nicht um deren Vorlage im Genehmigungsverfahren, sondern in einem Verfahren auf Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung geht, ändert nichts daran, dass auch die KÄVen die Befugnis und Aufgabe haben, die Vorlage der Verträge zu verlangen, wenn dies zur Prüfung der Abrechnung auf ihre sachliche Richtigkeit erforderlich ist (vgl oben 3. b bb letzter Absatz).

66

c) Die rückwirkende Aufhebung der Honorarbescheide und die Pflicht zu vollständiger Erstattung der zu Unrecht erhaltenen Honorare ist für die betroffenen Ärzte auch (im engeren Sinne) verhältnismäßig, da bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt ist (vgl BVerfGE 76, 196, 207; BVerfGE 85, 248, 259 mwN; BVerfGE 94, 372, 390). Bei der Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht des öffentlichen Interesses an der Erhaltung des Systems der vertragsärztlichen Versorgung ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Rechtsfolge nicht aus Umständen resultiert, die vom Vertragsarzt nicht zu beeinflussen sind, wie etwa das Überschreiten einer bestimmten Altersgrenze oder eines bestimmten Versorgungsgrades in einem Planungsgebiet (s hierzu BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr 2, RdNr 75). Vielmehr hat der Kläger die Ursache selbst gesetzt (vgl hierzu BSG aaO), indem er sich bewusst und in zumindest möglicher Kenntnis der Folgen für die gewählte Form der Zusammenarbeit mit dem Beigeladenen zu 2. entschieden hat.

67

Zudem ist die Rechtsfolge unvermeidlich, um die Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung zu erhalten. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG haben Bestimmungen, die die Vergütung ärztlicher Leistungen von der Erfüllung bestimmter formaler oder inhaltlicher Voraussetzungen abhängig machen, innerhalb dieses Systems die Funktion, zu gewährleisten, dass sich die Leistungserbringung nach den für die vertragsärztliche Versorgung geltenden gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen vollzieht. Das wird dadurch erreicht, dass dem Vertragsarzt für Leistungen, die unter Verstoß gegen derartige Vorschriften bewirkt werden, auch dann keine Vergütung zusteht, wenn die Leistungen im Übrigen ordnungsgemäß erbracht wurden (BSG SozR 4-2500 § 39 Nr 3 RdNr 14 mwN; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 47 mwN). Daher steht dem Vertragsarzt für Leistungen, die nicht gemäß den Bestimmungen des Vertragsarztrechts erbracht worden sind, auch kein Vergütungsanspruch auf bereicherungsrechtlicher Grundlage zu. Denn die Bestimmungen des Leistungserbringungsrechts über die Erfüllung bestimmter formaler oder inhaltlicher Voraussetzungen der Leistungserbringung könnten ihre Steuerungsfunktion nicht erfüllen, wenn der Vertragsarzt die rechtswidrig bewirkten Leistungen über einen Wertersatzanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung im Ergebnis dennoch vergütet bekäme (BSG SozR 4-2500 § 39 Nr 3 RdNr 14). Dies gilt selbst dann, wenn bei Wahl der rechtmäßigen Gestaltungsform der Honoraranspruch ebenso hoch gewesen wäre.

68

Diese Aussagen gelten auch für den vorliegenden Fall. Könnten Verstöße gegen die für die Leistungserbringung maßgeblichen Bestimmungen nur mit Wirkung für die Zukunft sanktioniert werden, ginge deren Steuerungsfunktion verloren, weil für Vertragsärzte jeglicher Anreiz fehlte, sich normgemäß zu verhalten. Im Gegenteil bestünde gerade ein Anreiz zu normwidrigen Verhalten, wenn die Früchte des Handelns dem Arzt verblieben.

69

5. Schließlich ist der Rückforderungsbetrag auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Die Beklagte durfte das verbleibende Honorar im Wege der Schätzung ermitteln und dabei ein Honorar in Höhe des Fachgruppendurchschnitts festsetzen (BSG SozR 3-5550 § 35 Nr 1 S 6, 8). Diese Schätzung hat sich das LSG in nicht zu beanstandender Weise zu Eigen gemacht (zu den Anforderungen vgl BSG aaO S 9).

70

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach hat der Kläger die Kosten des erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen (§ 154 Abs 2 VwGO). Eine Erstattung von Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, weil sie keine Anträge gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Die Klägerin, die seit 2007 als Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist, wendet sich gegen Honorarkürzungen in den Quartalen II und III/2009 aufgrund der "Vereinbarung über Verfahrensregelungen zur Vermeidung von überproportionalen Honorarverlusten bedingt durch die Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung in 2009" (Konvergenzvereinbarung), die die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) mit den Krankenkassen abgeschlossen hatte.

2

Die Beklagte kürzte ihr Honorar für das Quartal II/2009 (Gesamthonorar 60 843,18 Euro) in Anwendung dieser Konvergenzvereinbarung um einen Betrag in Höhe von 6077,92 Euro, im Quartal III/2009 (Gesamthonorar 61 337,62 Euro) um einen Betrag in Höhe von 6653,16 Euro. In dieser Vereinbarung hieß es:

"§ 2 Konvergenz

1. Verringert sich das Honorar einer Arztpraxis und das Honorar je Fall für ambulant erbrachte Leistungen der Morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (ohne Laborleistungen und -kosten des Kapitels 32 EBM, Kosten und Wegegebühren, Leistungen des Kapitels 35.2 EBM) um mehr als 5 % gegenüber dem Vorjahresquartal - bezogen auf die im entsprechenden Quartal des Jahres 2009 gültige Definition der Leistungsbereiche - erfolgt eine Ausgleichszahlung.

2. Die Ausgleichszahlung wird bis 95 % des Fallwertes, maximal jedoch bis 95 % des Honorars, jeweils bezogen auf das entsprechende Vorjahresquartal und den nach 1. definierten Leistungsbereichen, geleistet. Voraussetzung für eine Ausgleichszahlung ist, dass das Regelleistungsvolumen der betroffenen Arztpraxis ausgeschöpft ist.

3. Honorarsteigerungen im Bereich der Leistungen außerhalb der MGV - bezogen auf die im entsprechenden Quartal des Jahres 2009 gültige Definition der Leistungsbereiche - sowie der Leistungen des Kapitels 35.2 EBM werden mit dem Ausgleichsbetrag nach 2. verrechnet. Dies gilt nicht für Leistungen aus Selektivverträgen (§§ 73b, c, 140d).

4. bis 6. …

7. Die Ausgleichszahlung nach 2. wird quartalsweise unter Berücksichtigung der nachfolgenden Bestimmungen durch die KVBW im Rahmen der Honorarverteilung sichergestellt:

a) Zur Finanzierung der Ausgleichszahlungen nach 2. werden die Honorarumsätze derjenigen Praxen einer Quotierung zugeführt, deren Honorarumsätze für Leistungen der Morbiditätsorientierten Gesamtvergütung (ohne Laborleistungen und -kosten des Kapitels 32 EBM, Kosten und Wegegebühren, Leistungen nach Kapitel 35.2 EBM) im aktuellen Abrechnungsquartal um 5 % über den entsprechenden Vorjahreshonorarumsätzen liegen. Verluste im Bereich der Leistungen außerhalb der MGV - bezogen auf die im entsprechenden Quartal des Jahres 2009 gültige Definition der Leistungsbereiche - sowie der Leistungen des Kapitels 35.2 EBM werden hierbei berücksichtigt.

b) Die Ausgleichszahlungen nach 2. werden aus dem jeweiligen Versorgungsbereich unter Verwendung sämtlicher im Rahmen der Honorarverteilung nicht ausgeschöpften Finanzmittel geleistet.

8. …"

3

Grundlage für die Vereinbarung war zum einen der Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses (EBewA) vom 27./28.8.2008, der in Teil F Ziffer 3.7 festlegte:

"Verringert sich das Honorar einer Arztpraxis um mehr als 15 % gegenüber dem Vorjahresquartal, können die Kassenärztlichen Vereinigungen im Einvernehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich befristete Ausgleichszahlungen an die Arztpraxis leisten, sofern die Honorarminderung mit der Umstellung der Mengensteuerung auf die neue Systematik oder dadurch begründet ist, dass die Partner der Gesamtverträge bisherige Regelungen zu den sogenannten extrabudgetären Leistungen, Leistungsarten und Kostenerstattungen nicht fortgeführt haben. Über das Verfahren der Umsetzung einigen sich die Partner der Gesamtverträge."

4

In Teil G des Beschlusses hieß es, dass von der Summe der für den Bezirk einer KÄV nach § 87a Abs 3 SGB V insgesamt vereinbarten morbiditätsbedingten Gesamtvergütungen (MGVen) Anteile für die Bildung von Rückstellungen ua zum Ausgleich von überproportionalen Honorarverlusten verwendet werden.

5

Diesen Beschluss ergänzte der EBewA am 15.1.2009 wie folgt:

"1. Zur Vermeidung von überproportionalen Honorarverlusten und zur Sicherung der flächendeckenden Versorgung mit vertragsärztlichen Leistungen sind die im Beschlussteil F des Erweiterten Bewertungsausschusses in der 7. Sitzung vom 27./28. August 2008 beschlossenen Regelungen, insbesondere zu den Praxisbesonderheiten (Ziffer 3.6), zum Ausgleich von überproportionalen Honorarverlusten (Ziffer 3.7) und zur Modifikation von relevanten Arztgruppen (Anlage 1), anzuwenden. Sollte es nach Anwendung dieser Regelungen nachweislich weiterhin zu überproportionalen Honorarverlusten und zu Problemen der Sicherung der flächendeckenden Versorgung mit vertragsärztlichen Leistungen kommen, können die Partner der Gesamtverträge einvernehmlich - ab dem 1. April 2009 und zeitlich begrenzt bis zum 31. Dezember 2010 - das unter den Ziffern 2. - 4. dargestellte Verfahren zur schrittweisen Anpassung der Regelleistungsvolumen (Konvergenzverfahren) beschließen, sofern die Honorarverluste nicht durch von der Praxis zu verantwortende Gründe entstanden und durch die Umstellung der Mengensteuerung auf die neue Systematik begründet sind. Es ist sicherzustellen, dass bei der Bewertung der Höhe der Honorarverluste der GKV-Gesamtumsatz einer Praxis einschließlich der zu erwartenden Vergütung für Leistungen außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung und einschließlich der Vergütung aus Vorwegabzügen berücksichtigt wird.

2. Soweit die Gesamtvertragspartner Sonderregelungen nach 1. treffen, werden diese mit dem Ziel einer schrittweisen Anpassung der Regelleistungsvolumen an die sich aus der Beschlussfassung des Erweiterten Bewertungsausschusses zur Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung ergebenden Regelleistungsvolumen ausgestaltet. Hierzu legen die Partner der Gesamtverträge prozentuale Grenzwerte für die Höhe der Umsatzveränderungen im Vergleich zum Vorjahresquartal fest. Dabei kann von der Vorgabe des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses zur Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung im Jahr 2009, Beschluss Teil F, 3.7 zur Höhe des Honorarverlustes, abgewichen werden. Die fortlaufenden Anpassungen des EBM mit Wirkung ab 1. Januar 2008 sind versorgungsbereichs- und arztgruppenbezogen zu berücksichtigen."

6

Diesen Beschluss wiederum änderte der EBewA nochmals am 27.2.2009 durch folgende Regelung:

"1. Zur Vermeidung von überproportionalen Honorarverlusten und zur Sicherung der flächendeckenden Versorgung mit vertragsärztlichen Leistungen können die Partner der Gesamtverträge einvernehmlich - ab dem 1. April 2009 und zeitlich begrenzt bis zum 31. Dezember 2010 - ein Verfahren zur schrittweisen Anpassung der Steuerung der vertragsärztlichen Leistungen, insbesondere der arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumen (Konvergenzverfahren), beschließen, sofern diese Honorarverluste durch die Umstellung der Steuerung auf die neue Systematik begründet sind.

2. Soweit die Partner der Gesamtverträge ein Verfahren nach 1. beschließen, wird dieses mit dem Ziel einer schrittweisen Anpassung der Steuerung der vertragsärztlichen Leistungen, insbesondere der arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumen, an die sich aus der Beschlussfassung des Erweiterten Bewertungsausschusses zur Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung ergebenden Vorgaben ausgestaltet."

7

Die Beklagte nahm für das Jahr 2009 in die mit den Krankenkassen geschlossene Honorarverteilungsvereinbarung (HVV) folgende Regelung auf:

"§ 12 Ausgleich von überproportionalen Honorarverlusten

1. Verringert sich das Honorar einer Arztpraxis und das Honorar je Fall um mehr als 15 % gegenüber dem Vorjahresquartal, prüft die Kassenärztliche Vereinigung auf Antrag des Arztes, inwiefern eine befristete Ausgleichszahlung an die Arztpraxis erfolgen kann. Die Ausgleichszahlung erfolgt versorgungsbereichsspezifisch aus den Rückstellungen gemäß Teil B Anlage 3. Sie wird geleistet, bis 85 % des Fallwertes des Vorjahresquartals, maximal jedoch 85 % des Gesamthonorars des Vorjahresquartals erreicht sind.

2. Voraussetzung hierfür ist, dass die Honorarminderung durch die Umstellung der Mengensteuerung auf die neue Systematik entstanden ist oder dadurch begründet ist, dass bis zum Quartal 4/2008 vereinbarte extrabudgetäre Leistungen und Kostenerstattungen nicht fortgeführt werden."

8

Die Widersprüche der Klägerin gegen die Honorarbescheide für die Quartale II/2009 und III/2009 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.7.2010 zurück. Das SG hat mit Urteil vom 20.12.2011 die Beklagte unter Änderung der Honorarbescheide zur erneuten Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verurteilt. Mit der Konvergenzvereinbarung hätten die Vertragspartner die bundeseinheitlich vorgegebenen Regelungen zu den Regelleistungsvolumen (RLV) faktisch ausgesetzt und die Vergütung in Orientierung an den Honorarumsätzen der Vorjahresquartale vorgenommen. Dies stelle eine praxisindividuelle Budgetierung dar, die mit den normativen Vorgaben für die Zeit ab dem 1.1.2009 nicht vereinbar gewesen sei.

9

Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Der Gesetzgeber habe in § 87b Abs 3 Satz 5 SGB V die Möglichkeit eröffnet, Rückstellungen für den Ausgleich überproportionaler Honorarverluste zu bilden. Einen Ausgleich der erwarteten Honorarverluste durch Abschöpfung von Honorarzuwächsen habe er nicht vorgesehen. Auch auf die Beschlüsse des EBewA könne die Beklagte sich nicht stützen. Sie berufe sich vor allem auf den Beschluss vom 15.1.2009, der unter Ziffer 2 vorgesehen habe, dass die Vertragspartner im Zusammenhang mit der schrittweisen Anpassung der RLV auch Grenzwerte für die Höhe der Umsatzveränderungen im Vergleich zum Vorjahresquartal festlegen dürften. Diese Regelung sei im Beschluss vom 27.2.2009 wortidentisch aufgenommen worden, mit der Ausnahme, dass die Befugnis zur Festlegung von Grenzwerten entfallen sei. Soweit die Beklagte unter Hinweis auf ein Rundschreiben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KÄBV) ausführe, mit dem Änderungsbeschluss vom 27.2.2009 seien nur die methodischen Vorgaben des vorangegangenen Beschlusses gestrichen worden, finde diese Auffassung im Wortlaut des Beschlusses keine Grundlage. Der EBewA habe vielmehr ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bei der Bildung der Rückstellungen zum Zwecke der Vermeidung von Unterdeckungen die finanziellen Auswirkungen der Regelungen über Ausgleichszahlungen zu berücksichtigen seien. Die Finanzierungsregelung der Konvergenzvereinbarung widerspreche zudem der Honorarverteilungs- und Vergütungsvereinbarung, die in § 12 Abs 1 ausdrücklich vorsehe, dass die Ausgleichszahlungen für überproportionale Honorarverluste versorgungsbereichsspezifisch aus den Rückstellungen erfolgen sollten. Weder der HVV noch der Konvergenzvereinbarung sei zu entnehmen, dass Ausgleichszahlungen zunächst über die Abschöpfung der Umsatzsteigerung zu finanzieren seien und erst ergänzend auf Rückstellungen zurückzugreifen sein solle. Nach den Angaben der Beklagten seien die Ausgleichszahlungen in Höhe von insgesamt ca 67 Mio Euro durch Gewinnabschöpfungen in Höhe von 55 Mio Euro und aus Rückstellungen in Höhe von 12 Mio Euro finanziert worden. Die Finanzierung der Ausgleichszahlungen im Wege von Rückstellungen treffe alle Vertragsärzte in gleicher Weise und entspreche dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit. Die Honorarkürzungen nach der Konvergenzvereinbarung im Fall der Klägerin habe dazu geführt, dass das errechnete RLV für die Klägerin nicht vollständig gewährt worden sei. Selbst eine Anhebung des der Klägerin zugewiesenen RLV hätte keine Auswirkung auf das verbleibende Gesamthonorar gehabt, weil eine Erhöhung des Honorars durch die Differenzbildung komplett abgeschöpft worden wäre. Die Konvergenzregelung verstoße auch deshalb gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit, weil sie die Finanzierungslast in weitem Umfang den Praxen mit geringerem Umsatzvolumen aufbürde.

10

Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten. Entgegen der Auffassung des LSG ergebe sich eine Rechtsgrundlage für die Konvergenzvereinbarung aus dem Beschluss des EBewA vom 15.1.2009. Dass dieser Beschluss eine Regelung zur Finanzierung der Honorarverluste durch Abschöpfung von Umsatzzuwächsen bei den Gewinnerpraxen enthalte, folge schon aus dem Wortlaut, nämlich den in Ziffer 2 verwendeten Pluralformulierungen, wonach "die Vertragspartner Grenzwerte für die Höhe der Umsatzveränderungen im Vergleich zum Vorjahresquartal festlegen" oder "die Anwendung der Beschränkung der Umsatzveränderungen der einzelnen Arztpraxen auf die mit den Grenzwerten festgelegte Höhe unter den folgenden Bedingungen erfolgt …". Zweifelsfrei ergebe sich dies aber auch aus der im Beschluss veröffentlichten Protokollnotiz zu Ziffer 2 des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Spitzenverband). Diese laute:

"a) Für den Zeitraum 1. April 2009 bis 31. Dezember 2009 betragen die Grenzwerte gemäß Ziffer 2 80 % bzw 120 % des Umsatzes der Arztpraxis bzw des Arztes im jeweiligen Basisquartal 2008.

b) Für den Zeitraum 1. Januar 2010 bis 31. Dezember 2010 betragen die Grenzwerte gemäß Ziffer 2 70 % bzw 130 % des Umsatzes der Arztpraxis bzw des Arztes im jeweiligen Basisquartal 2008."

11

Durch die Angabe der jeweiligen zweiten Prozentzahl stehe eindeutig fest, dass nach dem Willen der Vertragspartner die Finanzierung des Ausgleichs der Honorarverluste über die Begrenzung der Honorarzuwächse erfolge und allenfalls subsidiär auf Rückstellungen zurückzugreifen sei. Der Beschluss des EBewA vom 27.2.2009 habe sich nur bezüglich der methodischen Vorgaben von dem Beschluss vom 15.1.2009 abgegrenzt mit der Folge, dass die Grundaussage dieses Beschlusses etwa zur Finanzierungsmöglichkeit der Honorarverluste durch Abzüge bei Gewinnerpraxen weiterhin Gültigkeit behalten habe. Nach einem Rundschreiben der KÄBV vom 2.3.2009 sei bei der Überarbeitung des Beschlusses insbesondere dem Wunsch verschiedener KÄVen nach der Ermöglichung einer größtmöglichen regionalen Flexibilität bei der Umsetzung Rechnung getragen worden. Dementsprechend seien die im bisherigen Beschluss enthaltenen methodischen Vorgaben weitestgehend gestrichen worden. Daraus könne nicht der Schluss gezogen werden, dass eine Heranziehung der Gewinnerpraxen nicht mehr möglich sein sollte. Diese Ansicht entspreche offenbar auch der Auffassung des BSG, das in seinem Urteil vom 18.8.2010 (B 6 KA 16/09 R) ausgeführt habe, dass sich die dortige Beklagte zur Rechtfertigung ihrer Ausgleichsregelung nicht auf den Beschluss des EBewA vom 15.1.2009 berufen könne, weil die Regelung allein für die Zeit ab Inkrafttreten der gesetzlichen Änderungen Geltung beanspruchen könne. Die erheblichen Honorarverluste von teilweise über 50 % durch die Umstellung des Vergütungssystems hätten nicht ohne Rückgriff auf die Gewinner allein durch Rückstellungen finanziert werden können. Eine Finanzierung allein aus Rückstellungen hätte dazu geführt, dass die ohnehin schon niedrigen Fallwerte im RLV noch weiter hätten abgesenkt werden müssen. Schließlich hätten die Vertragspartner die Konvergenzphase zeitlich auf einen kurzen Zeitraum von nur sechs Quartalen, nämlich vom 1.1.2009 bis zum 30.6.2010, befristet. Die Vereinbarung stelle sich als ein Verfahren der schrittweisen Anpassung an die Vorgaben des EBewA dar. Sie habe sich auch bewährt. So seien im Quartal I/2009 noch 22 % der Praxen zur Finanzierung der Honorarverluste herangezogen worden, im Quartal I/2010 nur noch 17 % und ab dem Quartal III/2010 habe auf eine Konvergenz ganz verzichtet werden können. Auch eine Unvereinbarkeit der Konvergenzvereinbarung mit der HVV sei nicht gegeben. § 12 HVV enthalte eine allgemeine Härtefallregelung für den Einzelfall entsprechend Teil F Ziffer 3.7 des Beschlusses des EBewA. Er regele also den Ausgleich solcher überproportionaler Honorarverluste, die nicht von der Konvergenzvereinbarung erfasst würden. Schließlich liege auch kein Verstoß gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit vor, denn eine systematische Schlechterstellung ertragsschwächerer Praxen sei nicht erfolgt.

12

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24.10.2012 sowie des Sozialgerichts Stuttgart vom 20.12.2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

13

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

14

Sie hält die angefochtenen Urteile für zutreffend.

Entscheidungsgründe

15

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das SG und das LSG haben in der Sache zu Recht entschieden, dass die Beklagte erneut über den Honoraranspruch der Klägerin zu entscheiden hat. Die Honorarbescheide der Beklagten sind rechtswidrig, weil die ihnen zugrunde liegenden Bestimmungen der Konvergenzvereinbarung unwirksam sind.

16

1. Die Bestimmung des § 2 Abs 7 Buchst a Konvergenzvereinbarung, wonach zur Finanzierung der Ausgleichszahlungen an Arztpraxen, deren Gesamthonorar und Fallwert sich gegenüber dem Vorjahresquartal um mehr als 5 % verringert hat, die Honorarumsätze derjenigen Praxen einer Quotierung zugeführt werden, deren Honorarumsätze im Abrechnungsquartal um 5 % über den Vorjahreshonorarumsätzen lagen, entsprach weder den gesetzlichen Vorgaben noch den Beschlüssen des EBewA.

17

a) Nach § 87b Abs 3 Satz 5 SGB V(idF des GKV-WSG vom 26.3.2007 - BGBl I 378) konnten Anteile der Summe der MGVen für die Bildung von Rückstellungen ua zum Ausgleich von überproportionalen Honorarverlusten verwendet werden. Der Gesetzgeber ermöglichte damit, auf problematische Auswirkungen der mit der Vergütungsreform zum 1.1.2009 erfolgten weit reichenden Umgestaltung des Vergütungssystems zu reagieren. Die Selbstverwaltung sollte in die Lage versetzt und in die Verantwortung genommen werden, überproportionalen Honorarverlusten zeitnah entgegenzusteuern (vgl Ausschussbericht BT-Drucks 16/4247 S 43). Bereits vom Wortlaut der Ermächtigung waren damit Ausgleichszahlungen der Praxen mit Honorarzuwächsen zugunsten von Praxen mit Honorarverlusten nicht erfasst. Das Gesetz nannte vielmehr ausdrücklich nur die Bildung von Rückstellungen als mögliches Finanzierungsinstrument für Ausgleichszahlungen bei überproportionalen Honorarverlusten. Nach § 87b Abs 4 Satz 2 SGB V bestimmte der Bewertungsausschuss (BewA) Vorgaben zur Umsetzung von Absatz 2 Satz 3, 6 und 7 sowie Grundsätze zur Bildung von Rückstellungen nach Absatz 3 Satz 5.

18

Es kann offenbleiben, ob die gesetzliche Regelung des § 87b Abs 3 Satz 5 SGB V so zu verstehen war, dass Ausgleichszahlungen ausschließlich über Rückstellungen zu finanzieren waren. Selbst wenn unterstellt wird, dass jedenfalls dem BewA ein Spielraum für die Implementierung weiterer Finanzierungsinstrumente verblieb (vgl zum Gestaltungsspielraum des BewA BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr 53, RdNr 22 f; zum Begriff der "Vorgaben" in § 87b Abs 4 Satz 2 SGB V vgl BSGE 111, 114 = SozR 4-2500 § 87 Nr 26, RdNr 36 mwN), kann die angegriffene Konvergenzregelung keinen Bestand haben, weil sie in den Beschlüssen des EBewA keine Grundlage findet.

19

Der EBewA hat in seiner 7. Sitzung am 27./28.8.2008 unter Teil F einen Beschluss zur Berechnung und zur Anpassung von arzt- und praxisbezogenen RLV nach § 87b Abs 2 und 3 SGB V gefasst(DÄ 2008, A-1988). In Teil F Ziffer 3.7 ermächtigte er die Partner der Gesamtverträge zu Ausgleichszahlungen im Fall von Honorarverlusten um mehr als 15% gegenüber dem Vorjahresquartal, die durch die Umstellung der Mengensteuerung auf die neue Systematik oder dadurch begründet waren, dass extrabudgetäre Leistungen nicht fortgeführt worden waren. Mit weiteren Beschlüssen vom 15.1.2009 (DÄ 2009, A-308) und 27.2.2009 (DÄ 2009, A-574) machte der EBewA erneut Vorgaben zum Ausgleich überproportionaler Honorarverluste. Der Inhalt der HVV und anderer Vereinbarungen hatte sich nach den vom EBewA getroffenen vorrangigen Bestimmungen zu richten (vgl zur Normenhierarchie zwischen Regelungen des BewA und HVV BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr 53, RdNr 24; SozR 4-2500 § 85 Nr 58 RdNr 19). Die genannten Beschlüsse des EBewA decken die Regelungen in der Konvergenzvereinbarung der Beklagten indes nicht.

20

aa) Gemäß Teil A Ziffer 1 des Beschlusses vom 27.2.2009 konnten die Partner der Gesamtverträge zur Vermeidung von überproportionalen Honorarverlusten und zur Sicherung der flächendeckenden Versorgung mit vertragsärztlichen Leistungen einvernehmlich - ab dem 1.4.2009 und zeitlich begrenzt bis zum 31.12.2010 - ein Verfahren zur schrittweisen Anpassung der Steuerung der vertragsärztlichen Leistungen, insbesondere der arzt- und praxisbezogenen RLV (Konvergenzverfahren), beschließen, sofern diese Honorarverluste durch die Umstellung der Steuerung auf die neue Systematik begründet waren. Nach Ziffer 2 des Beschlusses war, soweit die Partner der Gesamtverträge ein Verfahren nach Ziffer 1 beschlossen, dieses mit dem Ziel einer schrittweisen Anpassung der Steuerung der vertragsärztlichen Leistungen, insbesondere der arzt- und praxisbezogenen RLV, an die sich aus der Beschlussfassung des EBewA zur Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung ergebenden Vorgaben auszugestalten. Der Beschluss verhielt sich nicht zur Finanzierung von Ausgleichsregelungen, sondern ausschließlich zu einem Verfahren zur schrittweisen Anpassung der Steuerung der vertragsärztlichen Leistungen, insbesondere der RLV an die Vorgaben des EBewA. Das zu regelnde Verfahren betraf nach dem Wortlaut der Bestimmung nicht den nachträglichen Ausgleich von Honorarverlusten, sondern die - vorausschauende - Vermeidung der Entstehung von überproportionalen Honorarverlusten. Da die Auswirkungen der Umgestaltung des Vergütungssystems aber häufig erst im Nachhinein sichtbar werden, ist nach Sinn und Zweck auch ein der Honorarabrechnung nachgehendes Ausgleichsverfahren grundsätzlich von dem Beschluss des EBewA erfasst. Insofern ist davon auszugehen, dass die späteren Beschlüsse auf dem Beschluss vom 27./28.8.2008 aufbauten, der Ausgleichszahlungen ausdrücklich vorgesehen hatte.

21

Der Passus aus dem Beschluss des EBewA vom 15.1.2009, nach dem die Partner der Gesamtverträge prozentuale Grenzwerte für die Höhe der Umsatzveränderungen im Vergleich zum Vorjahresquartal festlegen können, woraus die Beklagte folgert, dass sowohl auf Verluste als auch auf Gewinne Bezug genommen worden sei, fand sich im späteren Beschluss vom 27.2.2009, mit dem der Beschluss vom 15.1.2009 geändert wurde, nicht mehr. Unabhängig davon enthielt keiner der beiden Beschlüsse eine ausdrückliche oder implizite Aussage, auf die sich eine generelle Inanspruchnahme der Praxen mit einem Honorarzuwachs zur Finanzierung von Ausgleichszahlungen stützen lassen könnte. Es war vielmehr stets nur von der Vermeidung überproportionaler Honorarverluste die Rede. Die Finanzierung wurde nur insoweit angesprochen, als eine Nachschusspflicht der Krankenkassen in Teil A Ziffer 8 ausgeschlossen wurde. Bei der Bildung von Rückstellungen waren die Auswirkungen der Verfahren zur Vermeidung von überproportionalen Honorarverlusten zum Zwecke der Vermeidung von Unterdeckungen zu berücksichtigen. Statt von Ausgleichszahlungen war mithin auch hier nur die Rede von Rückstellungen.

22

bb) Das LSG hat zutreffend dargelegt, dass sich die Beklagte zur Rechtfertigung der Ausgleichsregelung der Konvergenzvereinbarung nicht auf den Beschluss des EBewA vom 15.1.2009 berufen kann. Abgesehen davon, dass dieser Beschluss mit dem späteren Beschluss vom 27.2.2009 geändert wurde, hat der Senat bereits entschieden, dass die dort - in Teil A - den Partnern der Gesamtverträge eingeräumte Möglichkeit einer schrittweisen Anpassung der RLV im Rahmen eines sogenannten "Konvergenzverfahrens" inhaltlich die sich aus der gesetzlichen Umgestaltung des vertragsärztlichen Vergütungsrechts (§§ 87a ff SGB V idF des GKV-WSG vom 26.3.2007, BGBl I 378) zum 1.1.2009 und den hierzu ergangenen Beschlüssen des EBewA ergebenden Konsequenzen betraf und sich die Ermächtigung zu einer schrittweisen Anpassung auf die RLV bezog, nicht hingegen auf die Normierung von Ausgleichsregelungen außerhalb der Vergütung nach RLV (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 58 RdNr 43). Dafür sprechen auch die im weiteren normierte Überprüfung der Konvergenzregelungen durch den BewA (Ziffer 5) und die damit korrespondierenden Dokumentations- und Übermittlungspflichten der KÄVen (Ziffer 6).

23

Soweit die Beklagte sich auf die Verwendung des Plurals in Ziffer 2 des Beschlusses vom 15.1.2009 beruft ("prozentuale Grenzwerte für die Höhe der Umsatzveränderungen"), weist die Klägerin zu Recht darauf hin, dass diese Formulierungen im systematischen Zusammenhang gelesen werden müssen. Zum einen werden alle Ärzte und Fachgruppen erfasst, zum anderen ist Gegenstand der Sonderregelungen nach Ziffer 1 allein die Vermeidung von überproportionalen Honorarverlusten und von Problemen der Sicherung der flächendeckenden Versorgung mit vertragsärztlichen Leistungen. Dass die Verwendung des Plurals nicht dahin zu verstehen ist, dass auch negative Umsatzveränderungen gemeint sind, verdeutlichen die in Ziffer 2a genannten Voraussetzungen für eine Beschränkung der Umsatzveränderungen. Die die Grenzwerte überschreitende Höhe der Umsatzveränderung im Vergleich zum Vorjahresquartal muss danach durch nicht von der Praxis zu verantwortende Gründe entstanden, nicht gewollt und durch die Verteilung der Mengensteuerung auf die neue Systematik begründet sein. Diese Kriterien sind schwerlich auf die Fälle positiver Umsatzveränderungen anwendbar. Soweit die Ziffer 2 in dem von der Beklagten vertretenen Sinn zu verstehen sein und auch die Umsatzzuwächse erfassen sollte, würde § 2 Abs 7 Konvergenzvereinbarung daran kranken, dass die Heranziehung nicht an die besonderen Voraussetzungen der Ziffer 2a des Beschlusses vom 15.1.2009 geknüpft ist.

24

Die Protokollnotiz des GKV-Spitzenverbandes zu Ziffer 2 des Beschlusses, wonach im Jahr 2009 die Grenzwerte gemäß Ziffer 2 80 % bzw 120 % des Umsatzes der Arztpraxis im jeweiligen Basisquartal 2008 betragen, beinhaltet keine verbindliche Regelung. Es kommt vielmehr lediglich die Auffassung eines Vertragspartners zum Ausdruck. Auf diese Interpretation könnte die Konvergenzregelung im Übrigen schon deshalb nicht gestützt werden, weil sie erheblich abweichende Grenzwerte festlegt.

25

Die Auslegung des Beschlusses des EBewA vom 15.1.2009 im Rundschreiben der KÄBV vom 16.1.2009, wonach der über die Konvergenzregelungen hergestellte Ausgleich überproportionaler Honorarverluste, soweit diese nicht durch die Begrenzung überproportionaler Honorarzuwächse kompensiert werden könnten, aus den im Zusammenhang mit der Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung durch die KÄVen zu bildenden Rückstellungen zu finanzieren sei, ist ebenfalls nicht verbindlich und findet im Beschluss selbst keine Stütze. Im weiteren Rundschreiben vom 2.3.2009 ist von widersprüchlichen Regelungen im Beschluss vom 15.1.2009 die Rede, weshalb die methodischen Vorgaben im Interesse einer größtmöglichen regionalen Flexibilität im Beschluss vom 27.2.2009 aufgegeben worden seien. Angesichts der nicht vorhandenen Anknüpfungspunkte für die Ausgestaltung einer Ausgleichsregelung in den Beschlüssen des EBewA kann dem Hinweis auf die intendierte weitgehende regionale Flexibilität keine argumentative Stütze für § 2 Abs 7 Konvergenzvereinbarung entnommen werden.

26

cc) Der Beschluss des EBewA vom 27./28.8.2008 enthält schließlich ebenfalls keine Ermächtigungsgrundlage für die angefochtene Ausgleichsregelung. Er ermächtigt in Teil F Ziffer 3.7 lediglich zu Ausgleichszahlungen bei überproportionalen Honorarverlusten, die durch die Umstellung der Mengensteuerung auf die neue Systematik oder dadurch begründet sind, dass extrabudgetäre Leistungen nicht fortgeführt worden sind. Das Verfahren der Umsetzung bestimmen nach Satz 2 die Partner der Gesamtverträge. In Teil G findet sich auf der Grundlage des § 87b Abs 4 Satz 2 SGB V der Beschluss, dass von der MGV Anteile für die Bildung von Rückstellungen ua zum Ausgleich von überproportionalen Honorarverlusten zu verwenden waren. Ebenso wie der Gesetzgeber hatte der EBewA mithin die Vorstellung, dass Ausgleichszahlungen durch Rückstellungen finanziert werden sollten. Dementsprechend haben die Partner der HVV in § 12 ihrer Vereinbarung eine Ausgleichszahlung allein aus Rückstellungen vorgesehen. Da § 12 HVV eng an die Formulierungen in Ziffer 3.7 des Beschlusses vom 27./28.8.2008 angelehnt ist, ist nicht nachvollziehbar, dass es sich - wie die Beklagte vorträgt - um eine Härtefallregelung handeln soll, die dem Ausgleich solcher Honorarverluste dient, die nicht von der Konvergenzvereinbarung erfasst werden, etwa weil der betreffende Arzt sein RLV nicht ausgeschöpft hat. Das LSG hat zu Recht auch auf die Anlage 3b der HVV für das Jahr 2009 hingewiesen, wonach Rückstellungen zum Ausgleich von überproportionalen Honorarverlusten zu bilden waren unter Berücksichtigung der im Jahr 2009 zu erwartenden Änderung des Vergütungsbedarfs.

27

b) Selbst auf der Grundlage der Annahme, dass die Partner der Gesamtverträge dazu ermächtigt waren, Ausgleichszahlungen anders als durch Rückstellungen zu finanzieren, kann die Ausgleichsregelung nach § 2 Abs 7 Konvergenzvereinbarung keinen Bestand haben. Der Senat hat bereits zur Rechtslage bis zum 31.12.2008 (vgl dazu zuletzt Urteil vom 6.2.2013 - B 6 KA 13/12 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 73)entschieden, dass die mit dem System der Vergütung nach RLV ggf verbundenen Vorteile für die Vertragsärzte nicht ohne normative Grundlage im Bundesrecht durch die Partner der HVV so begrenzt werden dürfen, dass anstelle der RLV faktisch praxisindividuelle Budgets - bezogen auf die von den einzelnen Praxen im Referenzquartal erreichte Vergütung - zur Anwendung kommen (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 58 RdNr 39). Eine solche Konstellation liegt hier aber vor. Zwar sah die HVV der Beklagten die Bildung praxisindividueller RLV sowie die Bewertung der innerhalb des RLV liegenden Honoraranforderungen mit einem festen Punktwert vor. Diese in Erfüllung der gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben erlassenen Bestimmungen der HVV wurden jedoch durch die Ausgleichsregelungen nach § 2 Abs 7 Konvergenzvereinbarung korrigiert bzw konterkariert. Danach erfolgte ein Vergleich des für das aktuelle Abrechnungsquartal berechneten Honorars sowie des fallbezogenen Honorars der einzelnen Praxis mit dem Honorar sowie dem Honorar je Fall im entsprechenden Abrechnungsquartal des Jahres 2008. Hatte sich beides um mehr als 5 % gegenüber dem Vorjahresquartal verringert, erfolgte eine Ausgleichszahlung bis maximal 95 % des Honorars des Vorjahres. Finanziert wurde dies spiegelbildlich durch Quotierung der Honorarforderungen derjenigen, die die Vorjahreshonorarumsätze um 5 % gesteigert hatten. Somit bestimmte sich die Höhe des der Arztpraxis zustehenden Honorars im Ergebnis nicht maßgeblich nach arztgruppenspezifischen Grenzwerten und festen Punktwerten, sondern primär nach dem im Referenzquartal erzielten Honorar und Fallwert.

28

Je größer das durch die Ausgleichsregelung vorgegebene Ausmaß der Honorarkürzung im Falle einer Honorarsteigerung war, desto mehr entfernte sich der Honoraranspruch der einzelnen Arztpraxis von dem nach den gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben ermittelten Anspruch (vgl BSG aaO RdNr 42). Die Ausgleichsregelung führte im Ergebnis dazu, dass die von einer Arztpraxis abgerechneten Leistungen in einer Form vergütet wurden, die einem praxisindividuellen Individualbudget weitgehend vergleichbar war. Auch eine Praxis, deren Leistungsumfang sich innerhalb des vorgegebenen RLV hielt, erhielt diese Leistungen nur dann mit dem vorgesehenen festen Punktwert vergütet, wenn es - im Vergleich zum Referenzquartal - nicht zu einer Honorarveränderung um mehr als 5 % gekommen war. Wurde das im Referenzquartal erzielte Honorar um mehr als 5 % überschritten, wurde das - im ersten Schritt nach RLV und festem Punktwert berechnete - Honorar in einem zweiten Schritt um den übersteigenden Betrag gekürzt, mit der Folge, dass sich der "feste" Punktwert faktisch entsprechend dem Ausmaß der durch die Ausgleichsregelung bedingten Honorarkürzung verringerte. Das LSG hat zu Recht herausgestellt, dass auf diese Weise jede Honorarsteigerung der Klägerin durch die Ausgleichsregelung wieder abgeschöpft worden wäre.

29

c) Die Erwägung, die Kosten für die Stützung derjenigen Praxen, die infolge der Änderung der Systematik der vertragsärztlichen Vergütung zum 1.1.2009 überproportionale Honorareinbußen hinnehmen mussten, seien von den Praxen aufzubringen, die von den RLV besonders profitieren, rechtfertigt die Regelung in § 2 Abs 7 Konvergenzvereinbarung nicht. Zwar hält der Senat die Partner der HVV grundsätzlich für berechtigt, in der HVV zumindest für eine Übergangszeit Vorkehrungen zu treffen, dass eine Umstellung der Vergütung nicht zu existenzbedrohenden Honorarminderungen für bestehende Praxen trotz unveränderten Leistungsangebots führt (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 58 RdNr 46). Es steht außer Frage, dass eine KÄV bereits aufgrund des ihr nach § 75 Abs 1 SGB V obliegenden Sicherstellungsauftrags berechtigt ist, zwar nicht anstelle, jedoch ergänzend zu den RLV mit den Krankenkassenverbänden Maßnahmen zu vereinbaren, die eine Stützung gefährdeter Praxen beinhalten(vgl BSG aaO unter Bezugnahme auf BSGE 81, 86, 102 = SozR 3-2500 § 87 Nr 18 S 98). Dem steht nicht entgegen, dass Konvergenzregelungen nach den Beschlüssen des EBewA keine Nachschusspflicht der Krankenkassen auslösen. Ob die Grenze für einen überproportionalen Honorarverlust mit dem Erfordernis einer Stützung schon bei 5 % zu ziehen ist, ist äußerst zweifelhaft, bedarf aber keiner Entscheidung, weil die begünstigende Wirkung von § 2 Abs 7 Konvergenzvereinbarung nicht Gegenstand des vorliegenden Revisionsverfahrens ist. Ebenso ist die KÄV weiterhin nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, auch im Rahmen von RLV unterdurchschnittlich abrechnende Praxen wie auch sogenannte "Anfänger- oder Aufbaupraxen" zu stützen (BSG aaO).

30

Nach der Rechtsprechung des Senats bedingt indessen eine zulässige Ausgleichsregelung bei Fallwert- und Honorarminderungen nicht zwingend die Rechtmäßigkeit der zu ihrer Finanzierung erforderlichen Regelung zur Honorarkappung bei Honorarsteigerungen. Eine Art "Schicksalsgemeinschaft" der von den RLV besonders begünstigten und besonders belasteten Praxen besteht nicht (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 58 RdNr 47). Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass deutliche Honorarzuwächse einzelner Arztgruppen oder Praxen infolge der Veränderung des Vergütungssystems vom Normgeber ausdrücklich gewollt sind, zB weil bestimmte Vergütungsanreize gesetzt werden sollten oder das bisherige Honorarniveau im Vergleich zu anderen Gruppen als unzureichend angesehen wurde. Der Senat hat schon deshalb eine pauschale Inpflichtnahme aller "Gewinnerpraxen" zur Finanzierung der von den Partnern der HVV für erforderlich gehaltenen Verlustbegrenzung ausgeschlossen (BSG aaO). Sie könnte allenfalls in Betracht kommen, wenn sie daran geknüpft würde, dass in Anlehnung an die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Ausgleichszahlungen gefordert würde, dass bestimmte unter Versorgungsaspekten nicht gewollte Honorarsteigerungen ausschließlich durch die Umstellung des Vergütungssystems bedingt sind.

31

Erst recht ist eine pauschale Inanspruchnahme der Gewinner ausgeschlossen, wenn - wie die niedrigen Eingreifschwellen von minus 5 % für Stützungsmaßnahmen und von plus 5 % für Honorarkürzungen nahe legen - die Regelung eher den Charakter einer Bestandsschutzmaßnahme zugunsten etablierter Praxen denn einer Stützungsmaßnahme zugunsten gefährdeter Praxen hatte (BSG aaO RdNr 48). Die Auffüllbeträge und Honorarkürzungen nach § 2 Abs 7 Konvergenzvereinbarung glichen offenbar nicht nur extreme, ausreißerähnliche Verluste aus und begrenzten extreme Gewinne als Folge der neuen RLV, sondern schrieben faktisch gewachsene Vergütungsstrukturen fort. Dabei wurden, wie das LSG herausgestellt hat, in erheblichem Umfang umsatzschwächere Praxen zur Finanzierung umsatzstärkerer Praxen herangezogen. Die Hauptlast der Ausgleichsregelung hatten danach die Praxen mit einem Umsatz bis 30 000 Euro zu tragen. In den Umsatzklassen bis 30 000 Euro erbrachten im Quartal I/2009 1924 Praxen Leistungen, während nur 453 Praxen Ausgleichsleistungen erhielten. In allen darüberliegenden Umsatzklassen hatten jeweils mehr Praxen Stützungsbedarf als zur Finanzierung herangezogen wurden.

32

Die für die Stützung erforderlichen Auffüllbeträge müssen, wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 18.8.2010 ausgeführt hat (BSG aaO RdNr 49), gegebenenfalls aus der Gesamtvergütung - also zu Lasten aller Vertragsärzte - aufgebracht werden. Die Beklagte hätte daher erforderlich werdende Ausgleichszahlungen durch entsprechende Vorab-Einbehalte bei den Gesamtvergütungen bzw durch anteilige Honorarabzüge bei allen an der Honorarverteilung teilnehmenden Vertragsärzten bzw Praxen finanzieren müssen. Hierzu wäre sie nicht zuletzt im Hinblick auf § 87b Abs 3 Satz 5 SGB V auch berechtigt gewesen. Zweifellos hätte dies negative Rückwirkungen auf die Höhe der Punktwerte gehabt, es hätte aber zu einer dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit entsprechenden gleichmäßigen Belastung aller Vertragsärzte geführt. Das LSG hat insofern zu Recht darauf hingewiesen, dass dem Gesetzgeber klar gewesen ist, dass im Zuge der Einführung einer neuen Vergütungssystematik regional Verluste eintreten könnten, er dies aber im Interesse einer langfristigen Angleichung in Kauf genommen hat.

33

d) Die strittigen Regelungen rechtfertigen sich schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Anfangs- und Erprobungsregelung. Eine Regelung, die schon von ihrer Richtung oder Struktur prinzipiell systemfremd ist oder nicht mit höherrangigen Vorgaben übereinstimmt, kann auch unter dem Gesichtspunkt einer Anfangs- und Erprobungsregelung nicht hingenommen werden (vgl BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 16 S 107; BSGE 88, 126, 137 f = SozR 3-2500 § 87 Nr 29 S 157; BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr 53, RdNr 31; BSGE 106, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 54, RdNr 29). Nichts anderes gilt für eine Regelung, die ein untergesetzlicher Normgeber erlässt, ohne hierzu durch Gesetz ermächtigt worden zu sein.

34

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach hat die Beklagte die Kosten des erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen (§ 154 Abs 2 VwGO).

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 24. Juni 2009 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Im Streit steht die Höhe vertragsärztlichen Honorars für das Quartal IV/2005.

2

Der Kläger ist als Facharzt für Anästhesiologie zur vertragsärztlichen Versorgung in H. zugelassen. Mit Honorarbescheid vom 28.11.2006 (idF des Bescheides vom 6.8.2007) setzte die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) das Honorar des Klägers für das Quartal IV/2005 fest. Dabei wandte sie ihren Honorarverteilungsvertrag (HVV) an, welcher zeitgleich mit dem neu gefassten Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) zum 1.4.2005 in Kraft getreten war. Dieser HVV enthielt ua in Ziffer 7.5 eine "Regelung zur Vermeidung von Honorarverwerfungen nach Einführung des EBM 2000plus". Danach erfolgte nach Feststellung der Punktwerte und Quoten gemäß Ziffer 7.2 HVV ein Vergleich des für das aktuelle Abrechnungsquartal berechneten fallbezogenen Honoraranspruchs der einzelnen Praxis mit der fallbezogenen Honorarzahlung im entsprechenden Abrechnungsquartal des Jahres 2004 (beschränkt auf Leistungen, die dem budgetierten Teil der Gesamtvergütung unterliegen). Zeigte der Fallwertvergleich eine Fallwertminderung oder -erhöhung von jeweils mehr als 5 %, so erfolgte eine Begrenzung auf den maximalen Veränderungsrahmen von 5 % (Ziffer 7.5.1 HVV). Zudem sah Ziffer 6.3 HVV eine Vergütung der Leistungen innerhalb von Regelleistungsvolumina (RLV) vor: Dies betraf auch die vom Kläger erbrachten Leistungen nach Nr 05230 EBM-Ä. Unter Anwendung der Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV gelangte die Beklagte zu einem Korrekturbetrag von 25,6758 Euro je Fall; hieraus resultierte für das Quartal IV/2005 - bei 321 Fällen - eine Honorarkürzung in Höhe von 8241,92 Euro.

3

Während der Widerspruch des Klägers erfolglos blieb, hat das SG auf seine Klage die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides zur Neubescheidung nach Maßgabe seiner - des SG - Rechtsauffassung verpflichtet (Urteil des SG vom 24.9.2008). Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil des LSG vom 24.6.2009). Zur Begründung hat es ausgeführt, der Honorarbescheid sei zunächst insoweit rechtswidrig, als die Beklagte die nicht dem RLV unterliegenden Leistungen, wie etwa das Aufsuchen eines Kranken durch den Anästhesiologen (Nr 05230 EBM-Ä), entgegen den Vorgaben in Teil III 4.1 des Beschlusses des Bewertungsausschusses (BewA) zur Festlegung von RLV durch die KÄVen gemäß § 85 Abs 4 SGB V vom 29.10.2004 (nachfolgend als BRLV bezeichnet) innerhalb des RLV vergütet habe. Den vom BewA gemäß § 85 Abs 4a Satz 1 iVm Abs 4 Satz 7 SGB V zu beschließenden bundeseinheitlichen Vorgaben komme im Falle divergenter Regelungen der Vorrang zu. Die Vertragspartner des HVV seien hieran in der Weise gebunden, dass sie rechtswirksam keine abweichenden Regelungen treffen könnten. Zu den in Teil III 4.1 BRLV aufgeführten Leistungen, die nicht den RLV unterlägen, gehörten auch die streitgegenständlichen. Die Herausnahme bestimmter Leistungen aus den RLV durch den BRLV sei mit höherrangigem Recht vereinbar. RLV seien nicht die einzige Gestaltungsmöglichkeit für mengenbegrenzende Regelungen, wie sich aus der einleitenden Formulierung "insbesondere" in § 85 Abs 4 Satz 7 SGB V ergebe. Der BewA habe auch den Grundsätzen der Honorarverteilungsgerechtigkeit und der Leistungsgerechtigkeit der Honorarverteilung Rechnung zu tragen. Daher sei er nicht verpflichtet gewesen, alle Leistungen dem RLV zu unterwerfen.

4

Der Honorarbescheid für das Quartal IV/2005 sei auch insoweit rechtswidrig, als eine auf Ziffer 7.5 HVV gestützte Honorarkürzung erfolgt sei. Diese Regelung verstoße gegen zwingende Vorgaben des BRLV und sei nicht durch die Ermächtigungsgrundlage in § 85 Abs 4 SGB V iVm Art 12 GG gedeckt. Nach Sinn und Zweck der Neufassung des § 85 Abs 4 SGB V durch das GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) sei die Gestaltungsfreiheit der KÄVen und ihrer Vertragspartner bei der Honorarverteilung nunmehr insoweit eingeschränkt, als RLV nach arztgruppenspezifischen Grenzwerten und eine Vergütung der den Grenzwert überschreitenden Leistungen mit abgestaffelten Punktwerten für alle HVV verbindlich vorgegeben worden seien. Die in Ziffer 7.5 HVV geregelte Honorarkürzung sei nicht mit dem in § 85 Abs 4 SGB V idF des GMG sowie im BRLV als Teil des HVV verbindlich vorgegebenen System der RLV vereinbar und stelle auch keine zulässige Ergänzung dieses Systems dar. Zum einen bewirke die Regelung für die von Kürzungen betroffenen Praxen praktisch eine Vergütung nach einem praxisindividuellen Individualbudget; Individualbudgets seien jedoch mit dem System der RLV nicht vereinbar. Zum anderen sei eine Honorarverteilungsregelung, durch die der Honoraranspruch bei Praxen mit hohem Fallwert vermindert werde, wegen des alleinigen Anknüpfens an den Fallwert durch § 85 Abs 4 SGB V nicht gedeckt. Auch § 85 Abs 4 Satz 6 SGB V biete keine Rechtsgrundlage dafür, dass von besonders ertragreichen Praxen ein bestimmter Übermaßbetrag abgezogen und anderen Praxen zugewiesen werde; vielmehr solle durch die gesetzliche Vorgabe bereits das Entstehen solcher Übermaßbeträge durch übermäßige Ausdehnung der Tätigkeit des Arztes verhindert werden.

5

Die in Ziffer 7.5 HVV geregelte Honorarkürzung entspreche auch nicht den inhaltlichen Anforderungen an eine wirksame Berufsausübungsregelung. So könne nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass ein erheblich über dem Durchschnitt liegender Fallwert ein Indiz dafür sei, dass der betreffende Arzt seine Leistungen über das medizinisch Erforderliche hinaus ausgedehnt habe. Das ausschließliche Anknüpfen an die Höhe der durchschnittlichen Vergütung pro Behandlungsfall führe auch zu einer Stützung von Praxen mit hoher Fallzahl, sofern die Punktzahl je Behandlungsfall unter dem Durchschnitt der Fachgruppe gelegen habe, und umgekehrt zu weiteren Honorarbegrenzungen bei Praxen mit geringer Fallzahl, bei denen der Fallwert wegen Spezialisierung über dem Durchschnittswert gelegen habe, ungeachtet der möglicherweise schlechteren Ertragssituation. Zudem griffen derartige Regelungen in den freien Wettbewerb zwischen den Ärzten ein. Die Beklagte könne sich auch nicht auf den "Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses nach § 87 Abs. 4 SGB V in seiner 9. Sitzung am 15. Januar 2009 zur Umsetzung und Weiterentwicklung der arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumen nach § 87b Abs. 2 und 3 SGB V mit Wirkung zum 1. Januar 2009" (DÄ 2009, A 308 f; nachfolgend als "Beschluss vom 15.1.2009" bezeichnet) berufen, wonach die KÄVen und die Krankenkassenverbände im Rahmen einer sogenannten "Konvergenzphase" eine schrittweise Anpassung der RLV beschließen könnten, denn der Beschluss sei weder im Hinblick auf seinen Geltungszeitraum noch inhaltlich auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar. Die Regelung könne schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Anfangs- und Erprobungsregelung Geltung beanspruchen.

6

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung von Bundesrecht. Die Einbeziehung der Leistung nach Nr 05230 EBM-Ä in die RLV sei rechtmäßig. Rechtswidrig sei vielmehr die Vorgabe in Teil III 4.1 BRLV, bestimmte Leistungen nicht dem RLV zu unterwerfen. Der BewA sei zwar gesetzlich ermächtigt, mengensteuernde Maßnahmen, insbesondere RLV, einzuführen, nicht jedoch dazu, zwischen Leistungen zu differenzieren, die dem RLV unterfielen bzw nicht unterfielen. Nach § 85 Abs 4 Satz 7 SGB V seien für sämtliche vertragsärztlichen Leistungen arztgruppenspezifische Grenzwerte festzulegen; einzige Ausnahme stellten Leistungen dar, die keiner Mengenausweitung zugänglich seien. Diese Sichtweise lege auch die Regel-Ausnahme-Systematik des SGB V nahe, da das Gesetz selbst Ausnahmen vorsehe, wenn es Leistungen nicht den Maßgaben der budgetierten Gesamtvergütung unterwerfe. Die streitgegenständliche Nr 05230 EBM-Ä sei als typische Begleitleistung zu anderen ärztlichen Leistungen zumindest mittelbar der Mengenausweitung zugänglich. § 85 Abs 4a SGB V enthalte keine Ermächtigung des BewA zur Förderung bestimmter Leistungen im Wege der Konstituierung von Ausnahmen zu Mengenbegrenzungsregelungen.

7

Sie - die Beklagte - sei auch nicht zur ausnahmslosen Umsetzung der im BRLV enthaltenen Vorgaben verpflichtet gewesen, weil der Beschluss in seinem Teil III 2.2 den KÄVen die Möglichkeit eröffne, andere Steuerungsinstrumente anzuwenden, die in ihren Auswirkungen mit der gesetzlichen Regelung in § 85 Abs 4 SGB V vergleichbar seien. Dies sei, wie noch ausgeführt werde, bei ihr der Fall gewesen. Im Übrigen stellten die Regelungen im BRLV lediglich Empfehlungen, jedoch keine verbindlichen Vorgaben dar, da der Beschluss den Vertragspartnern des HVV Handlungsspielräume eröffne. Schließlich sei die Einbeziehung der streitbefangenen Leistungen in das RLV zumindest unter dem Gesichtspunkt einer Anfangs- und Erprobungsregelung gerechtfertigt. Der ihr - der Beklagten - eingeräumte erweiterte Gestaltungsspielraum werde obsolet, wenn sie trotz zahlreicher Abweichungsklauseln und Neuregelungen derart konkret gebunden wäre, dass sie bestimmte Leistungen vom RLV auszunehmen hätte.

8

Auch die Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV sei rechtmäßig; insbesondere verstoße sie nicht gegen zwingende Vorgaben des BewA. Dies werde durch den Beschluss des BewA vom 15.1.2009 bestätigt, der den Partnern der Gesamtverträge die Möglichkeit eröffne, im Rahmen eines sogenannten Konvergenzverfahrens eine schrittweise Anpassung des RLV zu beschließen und prozentuale Grenzwerte für die Höhe der Umsatzveränderungen im Vergleich zum Vorjahresquartal festzustellen, sofern durch die Umstellung der Mengensteuerung auf die neue Systematik Honorarverluste begründet worden seien. Dass der Beschluss für die Konvergenzphase einen Zeitraum vom 1.4.2009 bis 31.12.2010 vorsehe, stehe einer Anwendung auch für den Zeitraum ab dem Quartal II/2005 nicht entgegen, da Sinn und Zweck einer solchen Konvergenzphase die schrittweise Anpassung der vertragsärztlichen Vergütung an die RLV sei. Inhaltlich gehe es, wie der Beschluss ausdrücklich klarstelle, um die "Umstellung der Mengensteuerung auf die neue Systematik". Diese Umstellung sei bei ihr - der Beklagten - früher als bei anderen KÄVen bereits im Quartal II/2005 erfolgt. Die Notwendigkeit einer Anpassungs- bzw Übergangsregelung habe daher in ihrem Bereich bereits im Jahr 2005 bestanden und nicht erst - wie bei der Mehrzahl der KÄVen - im Jahr 2009. Es sei rechtmäßig und einzig praktikabel, die Konvergenzphase an dem Zeitpunkt der Einführung der RLV zu orientieren, da eine schrittweise Anpassung nur in diesem Zusammenhang Sinn mache. Es liege für sie - die Beklagte - nahe, dass die aus der neuen Systematik resultierenden Verwerfungen vom BewA zunächst nicht in vollem Umfang bedacht und daher im BRLV nicht geregelt worden seien. Dies stelle eine planwidrige Regelungslücke in den Beschlüssen des BewA dar und spreche für einen von den Vertragspartnern des HVV rechtskonform genutzten Gestaltungsspielraum zur Einführung von Ausgleichsregelungen.

9

Bei der Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV handele es sich nicht um eine Honorarbegrenzungsregelung zum Zwecke der Mengensteuerung, sondern um eine Maßnahme, die die Auswirkungen des zum Quartal II/2005 eingeführten EBM-Ä für bereits bestehende Praxen habe abfedern und den Arztpraxen eine Umstellung auf die neuen Honorarstrukturen habe ermöglichen sollen. Ausgleich und Kürzung dürften nicht losgelöst voneinander betrachtet werden; vielmehr sei eine mit der Ausgleichsregelung verfolgte Vermeidung von Honorarverwerfungen sowohl im Falle eines Ausgleichs als auch im Falle einer Kürzung denkbar. Ein Widerspruch zum Beschluss des BewA könne somit bereits aufgrund unterschiedlicher Regelungsziele nicht vorliegen. Die Ausgleichsregelung sei im Übrigen auch mit den Vorgaben des BRLV vereinbar, denn dieser sehe in Teil III 2.2 für eine Übergangszeit bis zum 31.12.2005 die Fortführung bereits vorhandener, in ihren Auswirkungen mit der gesetzlichen Regelung in § 85 Abs 4 SGB V vergleichbarer Steuerungsinstrumente vor. Arztgruppenspezifische Grenzwerte auf der Grundlage praxisindividueller Punktzahl-Obergrenzen genügten diesen Anforderungen, so dass keinesfalls vergleichbare Bestimmungen über eine (abgestaffelte) Regelleistungsvergütung hätten eingeführt werden müssen. Entscheidend sei, dass es sich bei den vor dem 1.4.2005 geltenden Steuerungsinstrumenten um solche gehandelt habe, die in ihren Auswirkungen vergleichbar gewesen seien. Es genüge eine Orientierung am gesetzgeberischen Ziel der Punktwertstabilisierung und Kalkulationssicherheit; einzig diese Zielsetzung sei entscheidend.

10

Des Weiteren sei die Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV - auch soweit Honorarkürzungen vorgesehen seien - zumindest unter dem Gesichtspunkt einer Anfangs- und Erprobungsregelung rechtmäßig. Der Honorarverteilung ab dem Quartal II/2005 hätten aufgrund des Inkrafttretens des EBM-Ä 2005 neue Rahmenbedingungen zugrunde gelegen, deren Auswirkungen nur schwer einzuschätzen gewesen seien. Dies gelte umso mehr, als zeitgleich die Vorgaben des BRLV betreffend die RLV in Kraft getreten seien. Sie - die Beklagte - sei auch ihrer Verpflichtung zur Beobachtung und ggf Nachbesserung der Regelung mit Wirkung für die Zukunft dadurch nachgekommen, dass der HVV ab dem 1.4.2007 im Falle von Fallwertveränderungen nur noch eine Honorarstützung vorsehe. Die Ausgleichsregelung sei schließlich bereits dem Grunde nach nicht mit der "Segeberger Wippe" vergleichbar, weil ihr eine gänzlich andere Systematik zugrunde liege; insbesondere stelle sie durch den Rückgriff auf praxisindividuelle Werte in der Vergangenheit keine Subvention dar.

11

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 24. Juni 2009 sowie des Sozialgerichts Marburg vom 24. September 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

12

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

13

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Eine zwingende Weisung des Gesetzgebers an den BewA, sämtliche Leistungen den RLV zu unterwerfen, enthalte § 85 Abs 4 Satz 7 SGB V nicht. Zudem dürfe der BewA nach seiner Aufgabenstellung auch andere als mengensteuernde Gesichtspunkte berücksichtigen. Der Beschluss des Erweiterten BewA vom 15.1.2009 betreffe nicht nur einen anderen zeitlichen Geltungsbereich, sondern auch inhaltlich eine vollständig andere rechtliche Situation. Die Ausgleichsregelung wirke honorarbegrenzend und stehe damit in Widerspruch zu § 85 Abs 4 Satz 7 und 8 SGB V. Die Umverteilung des Honorars von Praxen mit höherem Fallwert an solche mit geringerem Fallwert führe zu einer unzulässigen Wettbewerbsverzerrung, unabhängig davon, ob an den individuellen Fallwert oder an den Fallwertdurchschnitt der Fachgruppe angeknüpft werde.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.

15

Das SG und das LSG haben in der Sache zu Recht entschieden, dass die Beklagte erneut über den Honoraranspruch des Klägers zu entscheiden hat. Der Honorarbescheid der Beklagten ist rechtswidrig, weil die ihm zugrunde liegenden Bestimmungen des HVV in der hier maßgeblichen, ab dem 1.4.2005 geltenden Fassung - soweit sie im Streit stehen - unwirksam sind. Dies gilt zum einen für die Regelungen im HVV, die eine Einbeziehung auch solcher Leistungen in das RLV vorsehen, die nach Teil III 4.1 BRLV hiervon ausgenommen sind (1.). Zum anderen betrifft dies die Regelung in Ziffer 7.5 HVV, soweit diese bei der Überschreitung von Fallwertsteigerungsgrenzen Honorarkürzungen vorsieht (2.).

16

1. Die Bestimmungen im HVV, die die Zuordnung zu einem RLV auch für die Leistungen vorsahen, die nach Teil III 4.1 BRLV dem RLV nicht unterliegen, waren mit den im BRLV normierten vorrangigen Vorgaben des BewA nicht vereinbar.

17

a) In den Regelungen des HVV, den die Beklagte und die Krankenkassen zum 1.4.2005 vereinbart hatten, wurden die streitbefangenen Leistungen nach Nr 05230 EBM-Ä den RLV zugeordnet (vgl § 6 HVV betreffend Honorargruppe B 2.1 iVm Anlage zu Ziffer 6.2 HVV).

18

aa) Diese Regelung verstieß gegen die Vorgaben des BewA, die dieser - gemäß der ihm nach § 85 Abs 4a Satz 1 letzter Teilsatz SGB V übertragenen Aufgabe - am 29.10.2004 mit Wirkung für die Zeit ab 1.1.2005 beschlossen hatte (BRLV - DÄ 2004, A 3129). Gemäß Teil III Nr 2.1 iVm Nr 3 dieses Beschlusses waren die KÄVen verpflichtet, in der Honorarverteilung RLV in der Weise festzulegen, dass arztgruppeneinheitliche Fallpunktzahlen vorzusehen waren, aus denen durch Multiplikation mit individuellen Behandlungsfallzahlen praxisindividuelle Grenzwerte zu errechnen waren, in deren Rahmen die Vergütung nach einem festen Punktwert (sogenannter Regelleistungspunktwert) zu erfolgen hatte. Unter Teil III Nr 4.1 des Beschlusses waren tabellarisch die aus dem Arztgruppentopf zu vergütenden Leistungen aufgeführt, die dem RLV nicht unterlagen. Darin waren unter anderem - unter 5.2 - die Leistungen nach Nr 05230 EBM-Ä aufgeführt ("Aufsuchen eines Kranken durch Anästhesiologen").

19

bb) Diese Regelungen des BewA gehen denjenigen des HVV vor, wie der Senat bereits mit Urteil vom 3.2.2010 (B 6 KA 31/08 R - BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr 53) entschieden hat. Dies folgt daraus, dass in § 85 Abs 4 Satz 6 bis 8 iVm Abs 4a Satz 1 letzter Teilsatz SGB V vorgesehen ist, dass "der Bewertungsausschuss … den Inhalt der nach Absatz 4 Satz 4, 6, 7 und 8 zu treffenden Regelungen" bestimmt. Zudem ist in § 85 Abs 4 Satz 10 SGB V normiert, dass "die vom Bewertungsausschuss nach Absatz 4a Satz 1 getroffenen Regelungen … Bestandteil der Vereinbarungen nach Satz 2" sind. Durch diese beiden Bestimmungen ist klargestellt, dass der Inhalt des HVV sich nach den vom BewA normierten Vorgaben zu richten hat und dass diese Regelungen des BewA Bestandteil des HVV sind. Aus beidem folgt jeweils, dass die Bestimmungen des HVV nachrangig gegenüber den Vorgaben des BewA sind, sodass der HVV zurücktreten muss, soweit ein Widerspruch zwischen ihm und den Vorgaben des BewA vorliegt, es sei denn, dieser hätte Spielräume für die Vertragspartner des HVV gelassen.

20

cc) Wie der Senat ebenfalls mit Urteil vom 3.2.2010 (aaO unter RdNr 22 f) entschieden hat, ließen die Regelungen des BewA keine Spielräume für abweichende Regelungen zu, sondern waren von den Partnern des HVV strikt zu beachten. Dies gilt nicht nur in Bezug auf Dialyseleistungen, deren Einbeziehung in das RLV in jenem Verfahren strittig war, sondern gleichermaßen für die streitbefangenen Leistungen nach Nr 05230 EBM-Ä. Die Regelungen unter Teil III 4. BRLV bestimmten ausdrücklich, dass die dort aufgeführten Leistungen, Leistungsarten und Kostenerstattungen nicht dem RLV unterlagen, und sahen Abweichungen (Rückausnahmen) von den dort geregelten Ausnahmen nicht vor (4.: "Von der Anrechnung auf das Regelleistungsvolumen ausgenommen sind…"; 4.1: "…., die dem Regelleistungsvolumen nicht unterliegen").

21

Ausdrückliche Abweichungen von den Vorgaben des BewA waren nur insoweit gestattet, als die Übergangsregelung in Teil III Nr 2.2 BRLV vom 29.10.2004 zuließ, dass bisherige Steuerungsinstrumente fortgeführt wurden, deren Auswirkungen mit den Vorgaben des § 85 Abs 4 SGB V vergleichbar waren. Die in dem HVV enthaltene, vom BRLV abweichende Einbeziehung der Leistungen nach Nr 05230 EBM-Ä stellte indessen keine gemäß Nr 2.2 aaO zulässige Abweichung dar.

22

Wie der Senat in seinem Urteil vom 3.2.2010 (BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr 53, RdNr 23), das ebenfalls den hier maßgeblichen HVV der Beklagten in der ab dem 1.4.2005 geltenden Fassung betraf, bereits im Einzelnen dargelegt hat, fehlte es bereits vom Inhalt der Honorarverteilungsregelungen her an der Fortführung solcher "Steuerungsinstrumente, die in ihren Auswirkungen mit der gesetzlichen Regelung in § 85 Abs 4 SGB V vergleichbar sind": Die Honorarverteilung war bis Anfang 2005 auf der Grundlage praxisindividueller Punktzahl-Obergrenzen geregelt, wie in dem vom BSG(aaO) in Bezug genommenen Urteil des Hessischen LSG vom 23.4.2008 (L 4 KA 69/07) zum HVV der Beklagten ausgeführt worden ist. Diese Regelungsstrukturen stellen keine Steuerungsinstrumente dar, deren Auswirkungen mit den Vorgaben des § 85 Abs 4 SGB V vergleichbar sind. Überdies fehlte es auch an einer "Fortführung" von entsprechenden Steuerungsinstrumenten. Denn insgesamt wurden zum Quartal II/2005 im Vergleich zu den vorher geltenden Honorarverteilungsregelungen sehr viele Änderungen vorgenommen, wie sich aus der Zusammenstellung der Beklagten in ihrem Rundschreiben "Die Honorarverteilung ab dem 2. Quartal 2005" ergibt (BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr 53, aaO unter Hinweis auf "info.doc" Nr 2, 2005, S 37-45).

23

dd) Waren die Bestimmungen des HVV der Beklagten also mit den Vorgaben, die der BewA in Ausübung seiner Kompetenz gemäß § 85 Abs 4a Satz 1 letzter Teilsatz SGB V normiert hatte, nicht vereinbar, so folgt daraus entsprechend den allgemeinen Grundsätzen der Normengeltung und -hierarchie, dass die im Verhältnis zu den höherrangigen Regelungen des BewA nachrangigen Bestimmungen des HVV rechtswidrig und damit unwirksam waren(vgl BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr 53, RdNr 24; zur Normenhierarchie vgl auch die Rspr zum höheren Rang der vom BewA beschlossenen Regelungen des EBM-Ä gegenüber Honorarverteilungsregelungen: zB BSGE 86, 16, 25 = SozR 3-2500 § 87 Nr 23 S 124; BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 51 mwN; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 17 RdNr 12).

24

Wenn sich die Beklagte demgegenüber auf die ihr (zusammen mit den Krankenkassenverbänden) als Normgeber zustehende Gestaltungsfreiheit beruft, lässt sie unberücksichtigt, dass diese Gestaltungsfreiheit nur im Rahmen der gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben besteht. Gestaltungsspielräume der KÄVen bestehen nur - von der Struktur her der konkurrierenden Gesetzgebung nach Art 72 Abs 1 GG ähnlich -, soweit und solange höherrangige Normgeber - insbesondere der Gesetzgeber, aber auch der BewA innerhalb der ihm übertragenen Kompetenzen - die Materie nicht selbst geregelt haben.

25

b) Gegenüber dem Vorrang der BewA-Regelungen und der Unwirksamkeit der HVV-Bestimmungen greift nicht der Einwand der Beklagten durch, der Beschluss des BewA über die Freistellung von Leistungen - namentlich solcher nach Nr 05230 EBM-Ä - von den RLV sei unwirksam, weil er gegen höherrangiges Recht verstoße.

26

aa) Die Ansicht, diese Freistellung verstoße gegen die "Leitlinie" des § 85 Abs 4 Satz 6 und 7 SGB V und stelle deshalb keine zulässige Inhaltsbestimmung gemäß § 85 Abs 4a Satz 1 letzter Teilsatz SGB V dar, trifft nicht zu.

27

Der BewA hat im Rahmen der ihm gemäß § 85 Abs 4a Satz 1 letzter Teilsatz SGB V übertragenen Aufgabe, den Inhalt der nach Abs 4 Satz 7 zu treffenden Regelungen zu bestimmen und dabei RLV vorzusehen, ein gewisses Maß an Gestaltungsfreiheit(BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr 53, RdNr 26; zuletzt BSG Urteil vom 17.3.2010 - B 6 KA 43/08 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 54 RdNr 20 f, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Dies gilt sowohl für die Bestimmung derjenigen Arztgruppen, die nicht dem RLV unterliegen (zB der Nephrologen, dazu BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr 53, RdNr 26),als auch für abweichende Regelungen bezüglich einzelner Leistungen. Einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung des BewA, bestimmte Leistungen oder Leistungsgruppen aus den RLV herauszunehmen, hat es daher nicht bedurft.

28

Die Entscheidung, (ua) die streitgegenständlichen Leistungen nicht in die RLV einzubeziehen, hält sich auch im Rahmen dieser Gestaltungsmöglichkeiten. Wie der Senat bereits entschieden hat (s BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr 53, RdNr 26), lässt sich der Bestimmung des § 85 Abs 4 Satz 7 SGB V nicht entnehmen, dass RLV flächendeckend ohne jede Ausnahme geschaffen werden müssten. Vielmehr reichen Vorschriften aus, die für weite Bereiche RLV vorsehen. Dem hat der BewA Rechnung getragen, indem er in seinem Beschluss vom 29.10.2004 in Anlage 1 (zum Teil III Nr 3.1 Satz 1) die meisten Arztgruppen aufgeführt und somit vorgegeben hat, dass die HVV für diese Arztgruppen RLV vorsehen müssen.

29

bb) Die Gestaltungsfreiheit des BewA ist allerdings durch das Gebot der Gleichbehandlung gemäß Art 3 Abs 1 GG begrenzt. Er darf nicht willkürlich einige Arztgruppen bzw Leistungen einbeziehen und andere unberücksichtigt lassen. Vielmehr sind Ungleichbehandlungen nur insoweit zulässig, als sie durch sachliche Gründe gerechtfertigt sind (vgl hierzu zB BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 38 RdNr 15 f mit BVerfG-Angaben; BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr 53, RdNr 27 ).

30

Nach diesem Maßstab ist die - für den vorliegenden Rechtsstreit relevante - Nichteinbeziehung der Leistungen nach Nr 05230 EBM-Ä unbedenklich; denn in diesem Leistungsbereich bestehen Besonderheiten, die den BewA berechtigen - aber nicht verpflichten -, diese Leistungen von der Einbeziehung in RLV freizustellen. Als derartige Besonderheit hat es der Senat bereits in seinem Urteil vom 3.2.2010 (BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr 53, RdNr 28)gewertet, dass in einem Bereich eine Leistungs- und Mengenausweitung zwar nicht ausgeschlossen, diese Gefahr aber geringer ist als in anderen ärztlichen Bereichen.

31

Dies gilt auch für die hier in Rede stehenden Leistungen. Wie das LSG zutreffend dargelegt hat, sind auch diese nur mittelbar einer Mengenausweitung zugänglich. Zu einer mittelbaren Mengenausweitung kann es allein über eine Ausweitung der ihnen zugrundeliegenden Leistungen kommen. Gegenstand der Leistungen nach Nr 05230 EBM-Ä ist das "Aufsuchen eines Kranken in der Praxis eines anderen Arztes" durch einen Anästhesiologen zur Durchführung von Narkosen bzw Anästhesien; diese erfolgen insbesondere im Zusammenhang mit Leistungen des Kapitels 31 EBM-Ä, also mit ambulanten und belegärztlichen Operationen. Bei der anästhesistischen Begleitung ambulanter Operationen besteht naturgemäß eine starke Abhängigkeit der Anästhesiologen von den zuweisenden Operateuren (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 45 RdNr 19). Nur Letztere sind in der Lage, die Zahl der durchgeführten Operationen zu erhöhen.

32

Eine zulässige Erwägung stellt auch eine beabsichtigte Förderung bestimmter Leistungen durch die Nichteinbeziehung in die RLV dar. So hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 3.2.2010 (BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr 53, RdNr 28)dem BewA das Recht zugestanden, zu prüfen und ggf zu berücksichtigen, ob bestimmte Leistungen in höherem Maße förderungswürdig sind, weil die durch sie zu gewährleistende (flächendeckende) Versorgung noch nicht optimal ausgebaut ist. Dies wird (ex post) durch § 87a Abs 3 Satz 5 Halbsatz 2 SGB V sowie durch § 87b Abs 2 Satz 7 SGB V idF des GKV-Werttbewerbsstärkungsgesetzes (GKV-WSG) bestätigt, welche die Möglichkeit eröffnen, zum einen (weitere) vertragsärztliche Leistungen außerhalb der vereinbarten Gesamtvergütungen mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung zu vergüten, wenn diese besonders gefördert werden sollen(§ 87a Abs 3 Satz 5 Halbsatz 2 SGB V), zum anderen, weitere vertragsärztliche Leistungen außerhalb der RLV zu vergüten, dh nicht in die RLV einzubeziehen (§ 87b Abs 2 Satz 7 SGB V).

33

Eine derartige Förderung wird erkennbar auch hinsichtlich der streitgegenständlichen Leistungen nach Nr 05230 EBM-Ä bezweckt. Diese erfolgen insbesondere im Zusammenhang mit Leistungen des Kapitels 31 EBM-Ä, also mit ambulanten und belegärztlichen Operationen. Ambulante und belegärztliche Operationen wiederum unterliegen nach Teil III 4.1 BRLV ihrerseits nicht den RLV. Dies entspricht dem auch sonst erkennbaren Willen des Gesetzgebers, ambulante Operationen und belegärztliche Leistungen zu fördern (vgl §§ 116, 116a und 116b SGB V sowie § 121 Abs 1 Satz 1 SGB V; s auch Begründung des Regierungsentwurfs zum Entwurf des Gesundheits-Reformgesetzes BT-Drucks 11/2237, S 203 zu § 130 des Entwurfs<§ 121 SGB V>).

34

Ausgeschlossen war die Herausnahme der streitbefangenen Leistungen aus den RLV auch nicht etwa deshalb, weil eine derartige Befugnis dem Gesetzgeber vorbehalten sei. Zwar trifft es zu, dass der Gesetzgeber in verschiedenen Fällen die Geltung von Budgetierungen eingeschränkt hat (s § 85 Abs 2 Satz 4 und 5, Abs 2a, Abs 3a Satz 4, 6 und 7 SGB V). Hierin liegt aber keine abschließende Regelung, die es dem BewA verbieten würde, seinerseits Ausnahmen von der Geltung der RLV vorzugeben. Diese Bestimmungen stehen selbstständig neben den Sonderregelungen für RLV in § 85 Abs 4 Satz 7 iVm Abs 4a Satz 1 letzter Teilsatz SGB V(so bereits BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr 53, RdNr 30).

35

cc) Nach alledem waren die Vorgaben des BewA in seinem Beschluss vom 29.10.2004 über die Nichteinbeziehung von Leistungen nach Nr 05230 EBM-Ä in die RLV nicht zu beanstanden und daher wirksam.

36

c) Die diesen Vorgaben widersprechenden Regelungen des HVV lassen sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt von Anfangs- und Erprobungsregelungen rechtfertigen. Denn das kommt nach der Rechtsprechung des Senats regelmäßig nicht in Betracht, wenn eine Regelung schon von ihrer Struktur her mit höherrangigen Vorgaben nicht übereinstimmt (vgl BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 16 S 106 f; BSGE 88, 126, 137 f = SozR 3-2500 § 87 Nr 29 S 157; BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 35; zuletzt BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr 53, RdNr 31; sowie BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 54 RdNr 29, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen ).

37

Dies ist hier der Fall, wie der Senat bereits in seiner - die Einbeziehung von Dialyseleistungen in die RLV durch den HVV der Beklagten betreffenden - Entscheidung vom 3.2.2010 ( BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr 53, RdNr 31) festgestellt hat. Denn der Einbeziehung der streitbefangenen Leistungen in die RLV standen - wie dargelegt - verbindliche Vorgaben des BewA entgegen. Die Beklagte verkennt insoweit, dass der ihr im Rahmen einer Anfangs- und Erprobungsregelung eingeräumte erweiterte Gestaltungsspielraum nicht pauschal von der Beachtung der rechtlichen Vorgaben entbindet (vgl BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 50 RdNr 24). Dieser besondere Gestaltungsspielraum wird entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht dadurch obsolet, dass er nicht zum Erlass von Regelungen ermächtigt, die von vornherein den gesetzlichen oder vertraglichen Bestimmungen zuwiderlaufen.

38

2. Ebenfalls zu Recht haben die Vorinstanzen entschieden, dass die Regelung in Ziffer 7.5 HVV unwirksam ist, soweit sie eine Honorarkürzung bei einer Fallwerterhöhung im Vergleich zum Referenzquartal um mehr als 5 % bestimmt.

39

Die Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV entsprach insoweit weder den gesetzlichen Vorgaben nach § 85 Abs 4 SGB V noch den zu deren Umsetzung erlassenen Regelungen im BRLV. Der Gesetzgeber des GMG hat sich für das System der Vergütung nach RLV entschieden, weil er dieses für sachgerecht gehalten hat. Die damit ggf verbundenen Vorteile für die Vertragsärzte dürfen nicht ohne normative Grundlage im Bundesrecht durch die Partner der HVV so begrenzt werden, dass anstelle der RLV faktisch praxisindividuelle Budgets - bezogen auf die von den einzelnen Praxen im Referenzquartal erreichte Vergütung - zur Anwendung kommen. Entsprechendes gilt für die mit der grundlegenden Umgestaltung des EBM-Ä ggf verbundenen Honorarzuwächse. Eine zur Abweichung von diesen Vorgaben ermächtigende normative Grundlage liegt nicht vor.

40

a) Kernpunkt der gesetzlichen Neuregelung sind, wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 17.3.2010 (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 54 RdNr 14 ff, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen) dargelegt hat, nach § 85 Abs 4 Satz 7 SGB V zwei Vorgaben, nämlich die Festlegung arztgruppenspezifischer Grenzwerte und fester Punktwerte, sowie - gemäß § 85 Abs 4 Satz 8 SGB V - für darüber hinausgehende Leistungen abgestaffelte Punktwerte. Dabei kommt den festen Punktwerten besonderes Gewicht zu (BSG aaO RdNr 15). Diesen Vorgaben entsprachen die - maßgeblich durch Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV geprägten - Honorarverteilungsregelungen in dem ab 1.4.2005 geltenden HVV nicht.

41

Zwar sah der HVV unter Ziffer 6.3 HVV die Bildung praxisindividueller RLV sowie unter Ziffer 6.4 HVV die Bewertung der innerhalb des RLV liegenden Honoraranforderungen mit einem festen Punktwert vor. Diese in Erfüllung der gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben erlassenen Bestimmungen des HVV wurden jedoch durch die Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV korrigiert bzw konterkariert. Danach erfolgte nach Feststellung der Punktwerte und Quoten gemäß Ziffer 7.2 HVV ein Vergleich der für das aktuelle Abrechnungsquartal berechneten fallbezogenen Honoraranforderung der einzelnen Praxis mit der fallbezogenen Honorarzahlung im entsprechenden Abrechnungsquartal des Jahres 2004, in dessen Folge Fallwertsteigerungen von mehr als 5 % gekappt und Fallwertverluste von mehr als 5 % ausgeglichen wurden. Somit bestimmte sich die Höhe des der Arztpraxis zustehenden Honorars im Ergebnis nicht nach arztgruppenspezifischen Grenzwerten und festen Punktwerten, sondern primär nach dem im Referenzquartal maßgeblichen praxisindividuellen Fallwert.

42

Je größer das durch die Ausgleichsregelung vorgegebene Ausmaß der Honorarkürzung im Falle einer Fallwertsteigerung war, desto mehr entfernte sich der Honoraranspruch der einzelnen Arztpraxis von dem nach den gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben ermittelten Anspruch. Die Ausgleichsregelung führte im Ergebnis dazu, dass die von einer Arztpraxis abgerechneten Leistungen in einer Form vergütet wurden, die einem praxisindividuellen Individualbudget weitgehend vergleichbar war. Denn auch eine Praxis, deren Leistungsumfang sich innerhalb des vorgegebenen RLV hielt, erhielt diese Leistungen nur dann mit dem vorgesehenen festen Punktwert vergütet, wenn es - im Vergleich zum Referenzquartal - nicht zu einer Fallwertveränderung um mehr als 5 % gekommen war. Eine Erhöhung des Fallwerts wirkte sich hingegen auf den Honoraranspruch der Praxis nicht aus, soweit der im Referenzquartal erzielte Fallwert um mehr als 5 % überschritten war. Dann wurde das - im ersten Schritt nach RLV und festem Punktwert berechnete - Honorar in einem zweiten Schritt um den übersteigenden Betrag gekürzt, mit der Folge, dass sich der "feste" Punktwert faktisch entsprechend dem Ausmaß der durch die Ausgleichsregelung bedingten Honorarkürzung verringerte.

43

b) Das LSG hat zutreffend dargelegt, dass sich die Beklagte zur Rechtfertigung der Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV nicht auf den Beschluss des Erweiterten BewA vom 15.1.2009 berufen kann. Die dort - in Teil A - den Partnern der Gesamtverträge eingeräumte Möglichkeit einer schrittweisen Anpassung der RLV im Rahmen eines sogenannten "Konvergenzverfahrens" betrifft zum einen inhaltlich allein die sich aus der gesetzlichen Umgestaltung des vertragsärztlichen Vergütungsrechts (§§ 87a ff SGB V idF des GKV-WSG vom 26.3.2007, BGBl I 378) zum 1.1.2009 sowie den hierzu ergangenen Beschlüssen des BewA ergebenden Konsequenzen. Hinzu kommt, dass sich die Ermächtigung zu einer schrittweisen Anpassung auf die RLV bezieht, nicht hingegen auf die Normierung von Ausgleichsregelungen außerhalb der Vergütung nach RLV. Zum anderen ergibt sich aus Teil A Ziffer 1 des Beschlusses eindeutig, dass die Regelung allein für die Zeit ab Inkrafttreten dieser gesetzlichen Änderungen (sowie begrenzt auf die Zeit bis Ende 2010) Geltung beansprucht. Rückwirkung kommt dem Beschluss nicht zu (s hierzu schon BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 50 RdNr 25).

44

c) Eine Befugnis, anstelle von RLV andere Steuerungsinstrumente vorzusehen, haben die Partner der HVV grundsätzlich nicht. Wie bereits dargelegt (siehe unter 1. a bb), sind die im BRLV gemachten Vorgaben des BewA zur Bildung von RLV für die Beklagte verbindlich.

45

Die Beklagte kann sich - wie ebenfalls bereits dargelegt (siehe unter 1. a cc) - auch nicht auf die Ausnahmeregelung nach Teil III 2.2 BRLV berufen, da deren Voraussetzungen nicht gegeben sind. Im Übrigen steht der Annahme, die Beklagte habe mit der Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV lediglich bisherige, vergleichbare Steuerungsinstrumente fortgeführt, schon entgegen, dass der vorangegangene HVM keine derartige Ausgleichsregelung enthielt, sondern diese vielmehr in Reaktion auf die zum 1.4.2005 in Kraft getretenen Neuregelungen ausdrücklich neu geschaffen wurde.

46

d) Auch die Erwägung, die Kosten für die Stützung derjenigen Praxen, die infolge der RLV unzumutbare Honorareinbußen hinnehmen müssen, seien von den Praxen aufzubringen, die von den RLV besonders profitieren, rechtfertigt die Regelung in Ziffer 7.5 HVV nicht. Zwar hält der Senat die Partner der HVV grundsätzlich für berechtigt, im HVV zumindest für eine Übergangszeit Vorkehrungen zu treffen, dass die Umstellung der Vergütung auf das System der RLV nicht zu existenzbedrohenden Honorarminderungen für bestehende Praxen trotz unveränderten Leistungsangebots führt. Außer Frage steht, dass eine KÄV aufgrund des ihr nach § 75 Abs 1 SGB V obliegenden Sicherstellungsauftrags berechtigt ist, zwar nicht anstelle, jedoch ergänzend zu den RLV mit den Krankenkassenverbänden im HVV Maßnahmen zu vereinbaren, die eine Stützung gefährdeter Praxen beinhalten(vgl schon BSGE 81, 86, 102 = SozR 3-2500 § 87 Nr 18 S 98). Ob die Grenze unzumutbarer Honorarminderungen schon bei 5 % zu ziehen ist, bedarf keiner Entscheidung, weil die begünstigende Wirkung der Ziffer 7.5 HVV nicht Gegenstand des vorliegenden Revisionsverfahrens ist. Ebenso ist die KÄV weiterhin nicht nur berechtigt, sondern - wie zuletzt im Urteil vom 3.2.2010 (B 6 KA 1/09 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 50 RdNr 13 ff) ausdrücklich zum hier in Rede stehenden HVV der Beklagten entschieden - sogar verpflichtet, auch im Rahmen von RLV unterdurchschnittlich abrechnende Praxen wie auch sogenannter "Anfänger- oder Aufbaupraxen" zu stützen.

47

Allerdings ist die KÄV gehalten, sich die für einen Ausgleich benötigten Geldmittel in rechtlich zulässiger Form zu beschaffen. Insofern greift das Argument der Beklagten zu kurz, dass die Ausgleichsregelung bei Fallwertminderungen nach Ziffer 7.5 HVV zwingend die Rechtmäßigkeit der zu ihrer Finanzierung erforderlichen Regelung zur Honorarkappung bei Fallwertsteigerungen bedinge. Eine Art "Schicksalsgemeinschaft" der von den RLV besonders begünstigten und besonders belasteten Praxen besteht nicht. Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass deutliche Honorarzuwächse einzelner Arztgruppen oder Praxen infolge der RLV vom Normgeber ausdrücklich gewollt sind, zB weil bestimmte Vergütungsanreize gesetzt werden sollten oder das bisherige Honorarniveau als unzureichend angesehen wurde. Schon deshalb ist eine pauschale Inpflichtnahme aller "Gewinnerpraxen" zur Finanzierung der von den Partnern des HVV für erforderlich gehaltenen Verlustbegrenzung ausgeschlossen.

48

Erst recht gilt dies, wenn - wie die niedrigen Eingreifschwellen von minus 5 % für Stützungsmaßnahmen und von plus 5 % für Honorarkürzungen nahe legen - die Regelung eher den Charakter einer Bestandsschutzmaßnahme zugunsten etablierter Praxen denn einer Stützungsmaßnahme zugunsten gefährdeter Praxen hatte. Die Auffüllbeträge und Honorarkürzungen nach Ziffer 7.5. HVV glichen offenbar nicht nur extreme, ausreißerähnliche Verluste aus und begrenzten extreme Gewinne als Folge der neuen RLV bzw des neuen EBM-Ä, sondern schrieben faktisch gewachsene Vergütungsstrukturen fort.

49

Die für die Stützung erforderlichen Auffüllbeträge müssen vielmehr gegebenenfalls aus der Gesamtvergütung - also zu Lasten aller Vertragsärzte - aufgebracht werden. Die Beklagte hätte daher erforderlich werdende Ausgleichszahlungen durch entsprechende Vorab-Einbehalte bei den Gesamtvergütungen bzw durch anteilige Honorarabzüge bei allen an der Honorarverteilung teilnehmenden Vertragsärzten bzw Praxen finanzieren müssen. Hierzu wäre sie - ebenso wie zu Sicherstellungseinbehalten oder zur Bildung von Rückstellungen im Falle von Rechtsstreitigkeiten (s hierzu BSG Urteil vom 9.12.2004, B 6 KA 84/03 R = USK 2004-146 S 1067) - auch berechtigt gewesen.

50

e) Schließlich ergibt sich eine Rechtfertigung auch nicht aus dem Gesichtspunkt einer Anfangs- und Erprobungsregelung, denn eine den rechtlichen Vorgaben von vornherein zuwiderlaufende Regelung kann - wie bereits dargelegt (siehe 1. c) - auch nicht für eine Übergangszeit toleriert werden. Dies gilt umso mehr, als die strittige Regelung nicht die einzige Möglichkeit für die Beklagte darstellte, um die für die Ausgleichszahlungen erforderlichen Mittel zu generieren.

51

Im Übrigen war die Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV keineswegs als vorübergehende Regelung gedacht, sondern von vornherein als Dauerregelung konzipiert. Dafür spricht auch, dass die Regelung hinsichtlich ihres belastenden Teils erst ab dem Quartal II/2007 außer Kraft trat, und dies auch nur deswegen, weil durch die fortlaufende Absenkung der Eingriffsschwelle auf jeweils 95 % pro Quartal ein zu finanzierender Ausgleichsbedarf weitgehend entfallen ist. Die Beklagte hat sich erst im Zuge der rechtlichen Auseinandersetzungen darauf berufen, dass es sich bei der Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV um eine zu erprobende Regelung handele.

52

Die Beklagte kann sich - wie dargestellt - auch nicht darauf berufen, zu einer Modifizierung -vergleichbar den vom BewA getroffenen Übergangsregelungen (etwa im Rahmen einer sogenannten "Konvergenzphase") - berechtigt gewesen zu sein. Denn der Gestaltungsspielraum des vorrangigen Normgebers ist ein anderer als der eines nachrangigen - zur Umsetzung verpflichteten - Normgebers. Während etwa dem BewA das Recht zuzugestehen ist, eine allmähliche Anpassung an die Vorgaben des § 85 SGB V genügen zu lassen und übergangsweise noch Abweichungen zu tolerieren(s hierzu BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 54 RdNr 21, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen), gilt dies nicht im gleichen Maße auch für die KÄVen, da andernfalls nicht sichergestellt wäre, dass bundeseinheitlich geltende Vorgaben umgesetzt würden.

53

f) Da die Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV, soweit sie Honorarkürzungen bei Fallwerterhöhungen bestimmt, bereits aus den dargestellten Gründen unwirksam ist, kann offenbleiben, ob dies auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Senats zur sogenannten "Segeberger Wippe" (BSGE 75, 37 = SozR 3-2500 § 85 Nr 7) der Fall wäre.

54

3. Nach der erforderlichen Anpassung des HVV wird die Beklagte neu über die Honoraransprüche des Klägers zu entscheiden haben.

55

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach hat die Beklagte die Kosten des erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen (§ 154 Abs 2 VwGO).

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 26. Januar 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Tatbestand

1

Im Streit steht die Höhe vertragsärztlichen Honorars für das Quartal III/2005, insbesondere die Rechtmäßigkeit der Honorarverteilungsregelungen mit Blick auf die Vorgaben für sog Regelleistungsvolumina (RLV).

2

Die Klägerin ist seit dem 1.2.2001 als Fachärztin für Plastische Chirurgie - mit der Zusatzbezeichnung Handchirurgie - zur vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) zugelassen. Zur Arztgruppe Plastische Chirurgie gehörten im hier betroffenen Quartal weitere sechs Fachärzte.

3

Bis zum 31.3.2005 war die Klägerin nach den Honorarverteilungsregelungen keinem speziellen Arztgruppenkontingent (Arztgruppentopf) zugeordnet; vielmehr erhielt sie wie alle sog sonstigen Arztgruppen ihre Vergütung unbudgetiert auf der Grundlage eines sog floatenden Punktwerts. Mit Wirkung zum 1.4.2005 setzte das Schiedsamt am 11.8.2005 einen neuen Verteilungsmaßstab (VM) fest. Hiermit wurden die Fachärzte für Plastische Chirurgie einem gemeinsamen, budgetierten Honorarkontingent mit den Chirurgen, Neurochirurgen und Kinderchirurgen zugeordnet (im Folgenden als Arztgruppe bezeichnet). Zugleich wurde die Regelung getroffen, dass die Leistungen für ambulantes Operieren nicht aus dem jeweiligen Arztgruppenkontingent vergütet werden, sondern aus einem gesonderten, nur diese Leistungen umfassenden Honorartopf (§ 11 VM iVm Anlage I unter "Honorarkontingente" Nr 3 und "Leistungskontingente" Nr 1). Die arztgruppen- bzw leistungsspezifischen Honorarkontingente wurden entsprechend den Vergütungsanteilen im Jahr 2004 bemessen. Reichte im aktuellen Quartal das Honorarkontingent nicht aus, um alle Leistungen mit dem sog kalkulatorischen Punktwert von 4,87 Cent zu vergüten, so erfolgte eine Quotierung ("Veränderungsrate"): Das von den Ärzten der Arztgruppe jeweils in Ansatz gebrachte Punktzahlvolumen wurde "mit der … Veränderungsrate korreliert" (§ 11 Abs 2 VM iVm Anlage B zum VM, unter Nr 1). Das vom einzelnen Arzt in Ansatz gebrachte Punktzahlvolumen wurde außerdem nur innerhalb der Grenzen, die sich aus dem von ihm im Jahr 2004 erreichten Punktzahlvolumen ergaben, vergütet, sodass das von ihm erreichbare Honorarvolumen nach Maßgabe des vorjährigen begrenzt war. Das so errechnete Punktzahlvolumen war sein praxisbezogenes Regelversorgungsvolumen (pRVV) (Anlage B unter Nr 2 Satz 1 und 2). Aus dem Durchschnitt der pRVV in einer Arztgruppe ergab sich das arztgruppendurchschnittliche Regelversorgungsvolumen (aRVV) (aaO Nr 3 Buchst a Satz 1).

4

Nach Erhalt der Mitteilung der Beklagten über das im Quartal II/2005 für sie geltende praxisbezogene pRVV (Schreiben der Beklagten vom 7.6.2005) beantragte die Klägerin eine Erweiterung ihres pRVV für die Quartale II und III/2005 (Schreiben der Klägerin vom 14.6. und 10.8.2005).

5

In ihrer Leistungsabrechnung für das Quartal III/2005 brachte die Klägerin ein Punktzahlvolumen - sog Leistungsbedarf - von 350 111,9 Punkten in Ansatz. Die Beklagte setzte das Honorar der Klägerin für das Quartal III/2005 mit Bescheid vom 22.2.2006 auf 22 136,48 Euro fest, unter Anerkennung von 184 554,0 Punkten als pRVV. Nach dem Inhalt des Bescheids lag das aRVV bei 143 355,1 Punkten; dabei wurde ein durchschnittlicher arztindividueller Punktwert von 4,21 Cent und ein Fallwert von 71,19 Euro bei einer Fallzahl von 207 zugrunde gelegt. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch; die Beklagte wies ihn zurück, weil die Honorarberechnung den Bestimmungen des VM entspreche (Bescheid vom 31.5.2006).

6

Die Anträge auf Erweiterung des pRVV (vom 14.6. und 10.8.2005) wies die Beklagte ebenfalls zurück (Bescheid vom 28.2.2006 und Widerspruchsbescheid vom 10.1.2007). Sie führte aus, dass dieser Bescheid Gegenstand des Klageverfahrens gegen den Honorar-(Widerspruchs-)Bescheid werde. In der Sache könne eine Erweiterung des pRVV nicht bewilligt werden. Weder habe im Quartal III/2005 ein Härtefall gemäß dem VM Anlage B Nr 3 Buchst g - mehr als 4-wöchige Abwesenheit im Quartal oder ein erhöhter Sicherstellungsbedarf - vorgelegen, noch handele es sich bei der Klägerin um eine sog junge bzw kleine Praxis im Sinne des VM aaO Nr 3 Buchst a; diese Regelung erfasse zwar neue Zulassungen nach dem 30.6.1999, aber dann nicht, wenn - wie bei ihr - das pRVV das aRVV erreicht oder überschritten habe.

7

Anders als das SG (klageabweisendes Urteil vom 24.6.2009) hat das LSG die Beklagte unter Aufhebung des Honorarbescheids und Ablehnung der Erweiterung des pRVV verurteilt, über das Honorar der Klägerin für das Quartal III/2005 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden (Urteil vom 26.1.2012): Der VM enthalte keine RLV entsprechend den Vorgaben des § 85 Abs 4 Satz 7 und 8 SGB V aF(in der seit 2004 geltenden Fassung). Er erfülle auch nicht die Voraussetzungen der Übergangsregelung, die der Bewertungsausschuss (BewA) durch Beschluss vom 29.10.2004 normiert habe (Teil III. Nr 2.2 des Beschlusses vom 29.10.2004 zur Festlegung von RLV durch die KÄV gemäß § 85 Abs 4 SGB V, DÄ 2004, A 3129 ff): Zwar entferne er sich von den gesetzlichen Vorgaben nicht weiter als die bis zum 31.3.2005 geltenden Steuerungsinstrumente; aber Auswirkungen, die denen der RLV vergleichbar seien, seien nicht feststellbar. Die pRVV wirkten weder gruppenspezifisch noch sähen sie einen festen Punktwert vor. Während RLV arztgruppenspezifische Festlegungen erforderten, mit festen Punktwerten für eine bestimmte, von einer Arztpraxis abrechenbare Punktemenge, sähen die pRVV eine für jede Praxis individuelle Festlegung eines Budgets in Anknüpfung an ihr Leistungsverhalten in einem früheren Zeitraum vor. Es fehle an dem Mindesterfordernis auf den Arztgruppendurchschnitt bezogener Leistungsmengen bzw Mengenbegrenzungen mit der für RLV charakteristischen Anknüpfung an das typische Leistungsgeschehen der Praxen einer Arztgruppe. Zwar genüge eine arztgruppenspezifische Festlegung nur bei den Fallpunktzahlen; aber auch daran fehle es. Eine solche Anknüpfung ergebe sich nicht in ausreichendem Maße daraus, dass das aRVV bei der Honorarverteilung eine Rolle spiele. Dieses sei nur der Wert, bis zu dem kleine Praxen wachsen könnten. Diese bloße Rechengröße sei nicht unmittelbar honorarverteilungsrelevant. Das aRVV steuere nicht die Honorarverteilung im Sinne eines für die Honorarberechnungen aller Praxen der Arztgruppe typischen Leistungsgeschehens. Außer festen Punktwerten fehlten auch abgestaffelte Punktwerte für die über die Vergütungsgrenzen hinausgehenden Punktemengen. Es reiche nicht aus, dass in der Berechnung der pRVV eine Quotierung für die gesamte Arztgruppe bei insgesamt unzureichendem Gesamtvergütungsvolumen enthalten sei. Entscheidend sei, dass die pRVV die Gestalt von praxisindividuellen Budgets hätten. Eine ungefähre Ähnlichkeit mit einer Mengensteuerung durch ein RLV reiche nicht aus, ebenso wenig, dass den hier in Rede stehenden Honorarverteilungsregelungen vergleichbare Ziele zugrunde lägen wie den RLV. Nach alledem sei die Beklagte zu verurteilen, das Honorar für das Quartal II/2005 neu zu berechnen und der Klägerin einen neuen Honorarbescheid zu erteilen. Da sich hierdurch auch die Grundlagen für die Beurteilung einer Härte veränderten, sei über den Härtefallantrag ebenfalls neu zu entscheiden.

8

Mit ihrer Revision macht die Beklagte geltend, ihre Honorarverteilungsregelungen entsprächen entgegen der Auffassung des LSG der vom BewA normierten Übergangsregelung. Hierfür genüge eine nur allmähliche Anpassung an die Vorgaben des § 85 Abs 4 Satz 7 und 8 SGB V aF. Die zwei Kernelemente - arztgruppenspezifische Grenzwerte und feste Punktwerte - müssten nicht sogleich vollständig umgesetzt werden. Die Honorarverteilung sei in ihren Auswirkungen den RLV vergleichbar. Der Punktwert sei über den sog kalkulatorischen Punktwert im VM (Anlage B Nr 1) für die Zeit vom 1.4. bis 31.12.2005 auf 4,87 Cent festgelegt worden. Dieser diene - nach den vorgegebenen Zwischenschritten - der Errechnung der pRVV, deren Beträge in einer Arztgruppe wiederum die Basis für das aRVV seien. Dieser kalkulatorische Punktwert sei nicht unbedingt mit den Auszahlungspunktwerten identisch, vielmehr könne sich ein Unterschied aus eventuellen Abweichungen zwischen den zunächst geschätzten und den späteren realen Stützungsbeträgen für psychotherapeutische Leistungen sowie für kleine und junge Praxen ergeben oder auch aus Abweichungen bei der Höhe der tatsächlich eingehenden Gesamtvergütungszahlungen. Die Auszahlungspunktwerte hätten im Quartal III/2005 letztlich für alle Arztgruppen höher als 4,87 Cent gelegen; dies müsse ausreichen, die Ärzte hätten so eine sichere Kalkulationsgrundlage. Auch dem Erfordernis arztgruppenspezifischer Grenzwerte werde hinreichend Rechnung getragen. Hierfür reiche nach der Rechtsprechung des BSG ein Element arztgruppeneinheitlicher Fallpunktzahlen aus. Dem trage der VM mit dem Steuerungsinstrument des aRVV Rechnung; denn die Honorarbemessung für mehr als die Hälfte der Hamburgischen Vertragsärzte orientiere sich am aRVV. Dies folge aus den Regelungen im VM - Anlage B Nr 3 Buchst a und c - iVm den Besonderheiten der Praxisstrukturen in Hamburg. Hier gebe es einen sehr hohen Anteil kleiner und junger Praxen, zu einem Teil bedingt durch eine überdurchschnittliche Fluktuation, zum anderen durch eine große Zahl hochspezialisierter Praxen. Für solche Praxen sei das aRVV so lange maßgebend, bis ihr pRVV höher als dieses sei. Die Begrenzung nur durch das aRVV gelte auch für einen Praxisübernehmer, wenn dessen Vorgänger nur ein kleineres pRVV gehabt habe und auch das nach ihm selbst berechnete pRVV kleiner als das aRVV wäre. Auch soweit kleine Praxen wegen ihres geringeren pRVV fallbezogene Zusatzvolumina erhielten, werde ihr Abrechnungsvolumen durch das aRVV begrenzt. Der Punktwert von 4,87 Euro bleibe auch insoweit maßgebend, als das Honorarkontingent einer Arztgruppe für die Honorierung der von allen Ärzten in Ansatz gebrachten Gesamtpunktemenge nicht ausreiche: Für diesen Fall sehe der VM eine Begrenzung der abrechenbaren Punktzahlvolumina der Ärzte durch eine Quotierung gemäß einer sog "Veränderungsrate" vor, die aus dem Vergleich mit dem im Vergleichsquartal vergüteten Punktzahlvolumen ergebe. Nur nach Maßgabe dieser Quotierung könne die einzelne Praxis der Arztgruppe ihre Punktemenge mit 4,87 Cent honoriert erhalten; diese quotierte Punktemenge sei - allerdings zudem begrenzt durch das im Jahr 2004 erreichte Punktzahlvolumen - das pRVV (Anlage B unter Nr 2 Satz 1). Aus dem Durchschnitt aller pRVV in einer Arztgruppe werde das aRVV ermittelt. Die honorarverteilungsrelevante Wirkung des aRVV, die - wie dargestellt - mehr als die Hälfte der Hamburgischen Vertragsärzte betreffe, sei vom LSG verkannt worden. Somit habe sich die Honorarverteilung insgesamt den gesetzlichen Vorgaben gemäß § 85 Abs 4 Satz 7 und 8 SGB V aF angenähert. - Schließlich habe das LSG auch deshalb nicht die Regelungen des VM beanstanden und eine Neubescheidung fordern dürfen, weil die vom LSG herangezogenen Vorgaben des Beschlusses des BewA vom 29.10.2004 - Teil III. Anlage 2 - nicht umsetzbar und deshalb unbeachtlich seien. Indem diese Regelung auf das arztgruppenspezifische, im Zeitraum vom 1.7.2003 bis 30.6.2004 in Ansatz gebrachte Punktzahlvolumen abstelle, sei sie auf etwas Unmögliches gerichtet. Das arztgruppenspezifische Abrechnungsvolumen in diesem Zeitraum könne nicht ermittelt werden, weil die damals in fachübergreifenden Berufsausübungsgemeinschaften erbrachten Leistungen nicht einer bestimmten Arztgruppe zugeordnet werden könnten; es habe damals die erst zum Quartal III/2008 eingeführte lebenslange Arztnummer noch nicht gegeben, und auch der Einheitliche Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen sei noch nicht in einzelne Fach(gruppen)kapitel gegliedert gewesen.

9

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 26. Januar 2012 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 24. Juni 2009 zurückzuweisen.

10

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Das LSG habe zu Recht festgestellt, dass die in Rede stehenden Honorarverteilungsregelungen rechtswidrig seien. Individualbudgets, die auf in der Vergangenheit abgerechneten Abrechnungsvolumina aufsetzten - und zudem mit einer Veränderungsrate korreliert würden -, hätten nicht der vom BewA geschaffenen Übergangsregelung entsprochen. Der kalkulatorische Punktwert sei kein fester Punktwert im Sinne der genannten Anforderungen; er werde nicht der Auszahlung zugrunde gelegt. Diese Honorarkonstruktion mit der Quotierung habe dem politischen Ziel gedient, den Krankenkassen aufzuzeigen, welch geringe Leistungsmengen bei Annahme eines kalkulatorischen Punktwerts von 4,87 Cent nur noch angeboten werden könnten. Ein arztgruppentypischer Grenzwert fehle ebenfalls. Das aRVV ergebe lediglich den Arztgruppendurchschnitt, bis zu dem kleine und/oder junge Praxen wachsen könnten. Unmaßgeblich sei das Vorbringen der Beklagten, die überwiegende Anzahl der Praxen habe einer Steuerung durch das aRVV unterlegen; dies sei schon nicht vorinstanzlich festgestellt worden. Schließlich greife der Einwand der Beklagten, der Beschluss des BewA sei nicht umsetzbar; wenn die Leistungen fachübergreifender Berufsausübungsgemeinschaften nicht einer Arztgruppe zugeordnet werden könnten, so sei im Zweifel eine kopfanteilige Zuordnung vorzunehmen. Im Übrigen könne die - unterstellte - Undurchführbarkeit des Beschlusses eine gesetzwidrige Honorarverteilung nicht legitimieren.

12

Die Beigeladenen haben weder Anträge gestellt noch sich geäußert.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.

14

Das LSG hat die Beklagte zu Recht zur erneuten Entscheidung über den Honoraranspruch der Klägerin für das Quartal III/2005 verpflichtet; denn dem Honorarbescheid fehlt es an einer wirksamen Rechtsgrundlage. Die Honorarverteilungsregelungen, auf deren Grundlage der Honorarbescheid erging, verstoßen gegen höherrangiges Recht. Der VM, den das Schiedsamt am 11.8.2005 mit Wirkung zum 1.4.2005 festgesetzt hatte, entsprach nicht den Vorgaben des § 85 Abs 4 Satz 7 und 8 SGB V aF(unten 1.). Seine Regelungen erfüllten auch nicht die Voraussetzungen der Übergangsregelung in Teil III Nr 2.2 des Beschlusses des BewA vom 29.10.2004 (DÄ 2004, A 3129) (unten 2.). Der Rechtsfolge notwendiger Neuregelung der Honorarverteilung steht nicht entgegen, dass die gesetzlichen Vorgaben bzw die Übergangsregelung - wie die Beklagte geltend macht - nicht umsetzbar seien (unten 3.).

15

1. Die Regelungen des VM waren nicht mit den Vorgaben des § 85 Abs 4 Satz 7 und 8 SGB V aF(idF des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003 ) vereinbar, wie das LSG zutreffend dargelegt hat. Zu Recht hat es an den durch das Schiedsamt festgesetzten VM keine anderen Maßstäbe angelegt, als für vereinbarte Honorarverteilungsregelungen gelten; Schiedssprüche sind an denselben rechtlichen Vorgaben zu messen wie die Vereinbarungen, die sie ersetzen (stRspr, vgl zB BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 11 iVm 13; BSG vom 13.11.2012 - B 1 KR 27/11 R - RdNr 27 mwN).

16

a) Nach § 85 Abs 4 Satz 7 SGB V aF waren in der Honorarverteilung "insbesondere … arztgruppenspezifische Grenzwerte festzulegen, bis zu denen die von einer Arztpraxis erbrachten Leistungen mit festen Punktwerten zu vergüten sind (Regelleistungsvolumina)". Kernpunkt dieser Bestimmung waren zwei Vorgaben, nämlich die Festlegung arztgruppenspezifischer Grenzwerte und fester Punktwerte; gemäß § 85 Abs 4 Satz 8 SGB V aF waren außerdem für die darüber hinausgehenden Leistungsmengen abgestaffelte Punktwerte vorzusehen(stRspr seit BSGE 106, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 54, RdNr 14; zusammenfassend BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 68 RdNr 18 und Nr 70 RdNr 15).

17

Das Erfordernis der Festlegung fester Punktwerte (anstelle sog floatender Punktwerte) stellte eine zentrale Vorgabe dar (BSGE 106, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 54, RdNr 15; stRspr, zuletzt BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 68 RdNr 19 mwN und Nr 70 RdNr 16). Zu der weiteren - ebenfalls zentralen - Vorgabe der Festlegung "arztgruppenspezifischer Grenzwerte" hat der Senat ausgeführt, dass diese nicht notwendigerweise arztgruppen"einheitliche" Festlegungen in dem Sinne fordert, dass der gesamten Arztgruppe dieselben RLV zugewiesen werden müssten. Vielmehr entsprach dem Erfordernis arztgruppenspezifischer Grenzwerte auch eine Regelung, die eine arztgruppeneinheitliche Festlegung nur bei den Fallpunktzahlen vorgab, dann deren Multiplikation mit den individuellen Behandlungsfallzahlen vorsah und so zu praxisindividuellen Grenzwerten führte (BSGE 106 aaO RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 68 RdNr 19 und Nr 70 RdNr 16). Die zentrale Bedeutung der Vorgaben des § 85 Abs 4 Satz 7 und 8 SGB V aF hatte der Gesetzgeber dadurch zusätzlich deutlich gemacht, dass er die bis dahin bestehenden bloßen Soll- und Kann-Vorschriften(Satz 6: "… soll sicherstellen …" und Satz 7: "Insbesondere kann …" sowie Satz 8: "… kann …") mit Wirkung ab dem 1.1.2004 zu verbindlichen Regelungen umgestaltet hatte (Satz 6-8: "… hat … vorzusehen" und "… sind … festzulegen …" sowie "… ist vorzusehen …"). Diese Änderung wurde in den Begründungen zum Gesetzentwurf ausdrücklich hervorgehoben (BT-Drucks 15/1170 S 79 und BT-Drucks 15/1525 S 101). Die Formulierung "insbesondere" in § 85 Abs 4 Satz 7 SGB V aF relativierte die Verbindlichkeit nicht etwa im Sinne eines lediglich möglichen Regelungsinhalts; wie der Kontext ergab, wurde damit vielmehr die Notwendigkeit solcher Festlegungen nochmals hervorgehoben und zugleich klargestellt, dass darüber hinaus auch noch weitere Steuerungsinstrumente vorgesehen werden könnten, die allerdings das System aus RLV und abgestaffelten Punktwerten nicht schwächen, sondern nur ergänzen dürften (BSGE 106 aaO RdNr 15 aE; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 68 RdNr 19 aE und Nr 70 RdNr 16 aE).

18

b) Die anhand dieser Maßstäbe vom LSG beanstandeten Honorarverteilungsregelungen waren - nach den maßgeblichen Feststellungen des LSG zum Inhalt des Landesrechts (vgl § 162 SGG und dazu BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 28 RdNr 27 mwN; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 68 RdNr 21 und Nr 70 RdNr 18) - zum 1.4.2005 neu gestaltet worden: Bis zum 31.3.2005 war die Klägerin keinem speziellen Arztgruppenkontingent (Arztgruppentopf) zugeordnet gewesen und hatte wie die Ärzte aller sog "sonstigen Arztgruppen" ihre Vergütung unbudgetiert auf der Grundlage eines sog floatenden Punktwerts erhalten. Mit Wirkung zum 1.4.2005 wurden die Fachärzte für Plastische Chirurgie einem gemeinsamen, budgetierten Honorarkontingent mit den Chirurgen, Neurochirurgen und Kinderchirurgen - mit einem Unterkontingent für belegärztliche Leistungen - zugeordnet (§ 11 Abs 2 und 5 VM iVm Anlage I unter "Honorarkontingente" Nr 3). Zugleich wurden die Leistungen für ambulantes Operieren nicht mehr aus dem jeweiligen Arztgruppenkontingent vergütet, sondern aus einem gesonderten, nur diese Leistungen umfassenden Honorartopf (Anlage I unter "Leistungskontingente" Nr 1). Die arztgruppen- bzw leistungsspezifischen Honorarkontingente wurden entsprechend den Vergütungsanteilen im Jahr 2004 bemessen (§ 11 Abs 2 Satz 1 VM). Reichte im aktuellen Quartal das Honorarkontingent nicht aus, um alle Leistungen mit dem sog kalkulatorischen Punktwert von 4,87 Cent zu vergüten, so erfolgte eine Quotierung ("Veränderungsrate"): Diese Quotierung wurde an die Ärzte der Arztgruppe "durchgereicht", indem das von ihnen jeweils in Ansatz gebrachte Punktzahlvolumen "mit der … Veränderungsrate korreliert" - dh entsprechend der Quote heruntergerechnet - wurde (Anlage B zum VM, unter Nr 2 Satz 1). Das vom einzelnen Arzt in Ansatz gebrachte Punktzahlvolumen wurde außerdem nur innerhalb der Grenzen, die sich aus dem von ihm im Jahr 2004 erreichten Punktzahlvolumen ergaben, vergütet (Anlage B unter Nr 2 Satz 1); somit war das von ihm erreichbare Honorarvolumen nach Maßgabe des vorjährigen begrenzt. Das so errechnete Punktzahlvolumen war sein pRVV (Anlage B unter Nr 2 Satz 2). In begrifflichem Gegensatz hierzu stand das aRVV; dieses ergab sich aus dem Durchschnitt der pRVV in einer Arztgruppe (Anlage B unter Nr 3 Buchst a Satz 1).

19

Wegen der weiteren - im Revisionsverfahren nicht relevanten - Einzelheiten der Ausgestaltung der Honorarverteilung wird auf die Ausführungen des LSG Bezug genommen: Dieses hat unter anderem darauf hingewiesen, dass aus dem zur Verfügung stehenden Gesamtvergütungsvolumen vorab diverse Kosten und Vergütungen zu zahlen bzw Rückstellungen vorzunehmen waren (Ärztlicher Notfalldienst, Kostenerstattungen bzw -pauschalen für Dialyse und anderes, Vergütungen für Laborleistungen, Hausärztliche Grundvergütung, Koloskopien uÄ - § 7 Abs 1 Satz 1 iVm § 8 und § 7 Abs 1 Satz 2 VM), und, dass das verbleibende Gesamtvergütungsvolumen in einen haus- und einen fachärztlichen Anteil entsprechend den Vorgaben des BewA aufgeteilt wurde (§ 7 Abs 1 Satz 3 VM), sowie, dass im fachärztlichen Bereich - nach Vorabzahlungen für spezielle Leistungen und für die fachärztliche Notfall-Rufbereitschaft sowie nach Rückstellungen wegen Rechtsstreitigkeiten und Punktwertstützungen ua (§ 11 Abs 1 Buchst a, Buchst b, Buchst c und Buchst d) - die verbleibende Gesamtvergütung in Honorarkontingente unterteilt wurde, die einerseits für bestimmte Leistungsbereiche wie ambulantes Operieren sowie für histo- und zytologische Auftragsleistungen und andererseits für die Arztgruppen zu bilden waren (§ 11 Abs 2 VM iVm Anlage I).

20

Von Bedeutung ist schließlich noch die - von der Beklagten insbesondere in Bezug genommenen - Sonderregelungen für junge und kleine Praxen (Anlage B unter Nr 3): Hatte ein Arzt seine vertragsärztliche Tätigkeit erst nach dem 30.6.1999 aufgenommen, blieb aber sein pRVV (noch) unter dem aRVV, so war bei ihm das aRVV zugrunde zu legen (Nr 3 Buchst a Fall 1). Dasselbe galt für einen Arzt, der eine vertragsärztliche Praxis übernahm und dessen pRVV unter dem aRVV lag (Nr 3 Buchst a Fälle 2 und 3). Das aRVV spielte weiterhin eine wichtige Rolle, wenn kleine Praxen wegen ihres geringeren pRVV Zusatzvolumina erhielten (Nr 3 Buchst c).

21

Zusammenfassend ergibt sich, dass der VM - abgesehen von den Sonderregelungen für die jungen und kleinen Praxen - durch zweierlei Arten von Honorarbegrenzungen gekennzeichnet war: Zum einen war eine für alle Ärzte der Arztgruppe gleichmäßige Quotierung vorgesehen; diese griff ein, wenn das Honorarkontingent der Gesamtgruppe nicht ausreichte, um alle Leistungen mit dem sog kalkulatorischen Punktwert von 4,87 Cent zu vergüten. Zum anderen erfolgte eine individuelle Begrenzung für den einzelnen Arzt nach Maßgabe seines Leistungsvolumens im Jahr 2004; dem kommt, wie im Folgenden auszuführen ist, nicht nur bei der Beurteilung anhand der gesetzlichen Vorgaben des § 85 Abs 4 Satz 7 und 8 SGB V aF(nachfolgend c), sondern auch bei der Überprüfung am Maßstab der Übergangsregelung (unten 2.) maßgebliche Bedeutung zu.

22

c) Diese Regelungen des VM erfüllten nicht die seit 2004 geltenden Vorgaben des § 85 Abs 4 Satz 7 und 8 SGB V aF - und im Übrigen auch nicht, was später unter 2. darzulegen ist, die Anforderungen der Übergangsregelung -. Eine lediglich gleichwertige Zielsetzung konnte nicht ausreichen (BSGE 106, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 54, RdNr 18; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 68 RdNr 22 und Nr 70 RdNr 19). Für die gesetzlichen Vorgaben ist entscheidend, ob in dem VM feste Punktwerte und arztgruppenspezifische Grenzwerte festgelegt waren, und ferner, ob die Leistungsmengen, die über die Begrenzungen hinausgingen, nach abgestaffelten Punktwerten vergütet wurden. Diese Anforderungen erfüllte der VM nicht.

23

Zwar wurde in der Anlage B unter Nr 1 ein Punktwert mit einem bestimmten Betrag, nämlich 4,87 Cent, benannt. Dies war aber nur ein - wie die Beklagte ihn selbst bezeichnet - "kalkulatorischer" Punktwert. Konnte wegen des begrenzten Gesamtvergütungsvolumens und der dementsprechend auch begrenzten Honorarkontingente der Arztgruppen nicht das gesamte von den Ärzten in Ansatz gebrachte Punktzahlvolumen mit einem Punktwert von 4,87 Cent vergütet werden, so wurde eine Quotierung vorgenommen (im Sprachgebrauch des VM: "Veränderungsrate") (Anlage B unter Nr 1 Satz 3). Nur im Umfang dieser Quote wurde dem einzelnen Arzt das aufgrund der von ihm erbrachten Leistungen in Ansatz gebrachte Punktzahlvolumen bei der Honorierung berücksichtigt. Damit gab es zwar keinen floatenden Punktwert, aber eine insoweit nicht feststehende Punktemenge (zur Vergleichbarkeit von Punktwert- und Punktemengen-Begrenzungen vgl BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 68 RdNr 40 mit Bezugnahme auf BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 48 S 411). Ob dies schon die Unvereinbarkeit mit der Vorgabe des § 85 Abs 4 Satz 7 SGB V aF begründete, kann hier dahingestellt bleiben(zu den Maßstäben vgl BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 68 RdNr 40 und Nr 70 RdNr 32 f).

24

Jedenfalls war die Honorarverteilung nicht in der erforderlichen Weise durch arztgruppenspezifische Grenzwerte geprägt. Für dieses Erfordernis würde an sich noch eine arztgruppeneinheitliche Festlegung jedenfalls bei den Fallpunktzahlen genügen (hierzu vgl oben RdNr 17). Eine klare Orientierung an einem arztgruppenspezifischen bzw arztgruppendurchschnittlichen Wert galt aber nur für die jungen und kleinen Praxen, wenn bei ihnen ihr pRVV an sich unter dem aRVV lag und deshalb für sie das aRVV galt (§ 11 Abs 6 VM iVm Anlage B Nr 3 Buchst a). Dies betraf indessen nicht die schon länger etablierten Praxen: was für diesen strukturellen Regelfall galt, ist die Beurteilungsgrundlage für die Vereinbarkeit eines VM mit den Regelungen des § 85 Abs 4 Satz 7 und 8 SGB V aF. Insoweit ist das Vorbringen der Beklagten, dass rein tatsächlich die jungen und kleinen Praxen die Mehrheit in Hamburg stellten und also für die Mehrheit der Praxen das aRVV gegolten habe, nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Eine solche atypische faktische Lage kann die rechtliche Beurteilung anhand des strukturellen Regelfalls nicht in Frage stellen. Greift der Hinweis der Beklagten auf diese besondere Praxisstruktur in Hamburg mithin schon aus Rechtsgründen nicht, so bedarf es keines Eingehens auf die Erwiderung der Klägerin, insoweit handele es sich um neue Tatsachen, die bisher weder vorgetragen noch vom LSG festgestellt worden seien und im Revisionsverfahren nicht mehr berücksichtigt werden könnten. Der nach der Struktur der Honorarverteilungsregelungen maßgebende Regelfall war demgegenüber dadurch gekennzeichnet, dass der Punktwert von 4,87 Cent nur ein rechnerischer Zwischenschritt war und auch das aRVV keine durchgreifende Bedeutung hatte: Die oben dargestellte Quotierung (vgl oben RdNr 18) ergab zwar noch eine arztgruppeneinheitliche Begrenzung, aber hinzu kam, dass bei jedem einzelnen Arzt das von ihm in Ansatz gebrachte Punktzahlvolumen nach Maßgabe des von ihm im Jahr 2004 erreichten Punktzahlvolumens begrenzt war (hierzu vgl noch unten RdNr 33-36). Das aRVV, das sich aus dem Durchschnitt der pRVV in der Arztgruppe ergab, hatte überhaupt nur für die jungen und kleinen Praxen durchschlagende Bedeutung, wie auch der VM selbst deutlich macht (Anlage B unter Nr 3 Buchst a Satz 1: "Zur Ermittlung der Abrechnungsbegrenzung für die nach dem 30.06.1999 zugelassenen Vertragsärzte wird ein … aRVV gebildet").

25

Schließlich enthielt der VM auch keine Regelung für eine Vergütung von Leistungsmengen, die über die Begrenzungen hinausgehen, nach abgestaffelten Punktwerten. Vielmehr wurden die über die Begrenzungen hinausgehenden Leistungs- bzw Punktemengen überhaupt nicht vergütet.

26

2. Die Regelungen des VM genügten auch nicht den Anforderungen der Übergangsregelung, die der BewA durch Beschluss vom 29.10.2004 normiert hat (Teil III. Nr 2.2 BRLV, DÄ 2004, A 3129 ff; - zur Vereinbarkeit mit der zugrunde liegenden Ermächtigungsgrundlage in § 85 Abs 4a Satz 1 iVm Abs 4 Satz 7 und 8 SGB V aF s grundlegend BSGE 106, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 54, RdNr 20 ff, und aus jüngerer Zeit BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 68 RdNr 23 und Nr 70 RdNr 20). Die dort festgelegten Voraussetzungen - Fortführung von Steuerungsinstrumenten, die mit der gesetzlichen Regelung in ihren Auswirkungen vergleichbar sind - wurden nicht erfüllt.

27

a) Wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, fehlte es allerdings - anders als in dem vom Senat mit Urteil vom 17.3.2010 (BSGE 106, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 54)entschiedenen Fall - nicht bereits an einer Fortführung bisheriger Steuerungsinstrumente: Die Regelung des BewA über die "Fortführung" stand zwar grundsätzlich Honorarverteilungsregelungen entgegen, die von den Vorgaben des § 85 Abs 4 Satz 7 und 8 SGB V aF wegführen(BSG aaO RdNr 22, 25), hinderte aber nicht einzelne Änderungen der Honorarverteilung, soweit die wesentlichen Grundzüge des Steuerungsinstruments unverändert blieben (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 68 RdNr 24 und Nr 70 RdNr 21). Nach diesen Maßstäben hatte der zum 1.4.2005 vom Schiedsamt festgesetzte VM die bis zum 31.3.2005 geltenden Steuerungsinstrumente in ausreichendem Maße "fortgeführt". Nach den Ausführungen des LSG, das insoweit auf sein Urteil vom selben Tag mit dem Az L 1 KA 22/09 verwiesen hat, waren auch schon die vorhergehenden Honorarverteilungsregelungen durch pRVV enthalten (damals in der Anlage B "Vergütung nach praxisbezogenen Regelversorgungsvolumina"). Dies hat der zum 1.4. 2005 vom Schiedsamt festgesetzte VM, wie sich aus obigen Ausführungen (oben RdNr 24) ergibt, weitergeführt.

28

b) Indessen ist nicht erkennbar, dass die fortgeführten Steuerungsinstrumente im Sinne des weiteren Erfordernisses der Übergangsregelung "in ihren Auswirkungen mit der gesetzlichen Regelung in § 85 Abs 4 SGB V vergleichbar sind"(Teil III. Nr 2.2 BRLV, DÄ 2004, A 3129 ff).

29

aa) Das in der Übergangsregelung normierte Tatbestandsmerkmal der "vergleichbaren Auswirkungen" bedarf der Auslegung bzw Konkretisierung. Wie der Senat mit Blick auf die Regelungskompetenz des BewA auf der Grundlage des § 85 Abs 4a Satz 1 letzter Teilsatz SGB V aF in seinen Urteilen vom 17.3.2010 und vom 14.12.2011 ausgeführt hat (BSGE 106, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 54, RdNr 21 sowie BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 68 RdNr 28 und Nr 70 RdNr 23), ist nicht eine sofortige volle Übereinstimmung mit den Vorgaben des § 85 Abs 4 Satz 7 und 8 SGB V aF erforderlich; eine solche Forderung wäre vielmehr wegen des berechtigten Interesses der Ärzte an Kontinuität beim Honorierungsumfang und im Hinblick auf die Verwaltungspraktikabilität problematisch gewesen. Deshalb hat der Senat den BewA als befugt erachtet, eine nur allmähliche Anpassung genügen zu lassen und übergangsweise noch Abweichungen zu tolerieren. Ausgeschlossen ist indessen eine Auslegung der Übergangsvorschrift, die faktisch zu einer vollständigen Suspendierung der gesetzlichen Vorgaben - überdies für einen weit über eine Übergangsphase hinausgehenden Zeitraum - geführt haben würde. Deshalb kann es im Rahmen der Übergangsvorschrift nicht gestattet sein, dass eine Honorarverteilungsregelung sich im Vergleich zu den bisherigen - sei es auch nur vorübergehend - weiter von den Vorgaben des § 85 Abs 4 Satz 7 und 8 SGB V aF entfernt(BSG aaO RdNr 21 f bzw 28 f bzw 23 f). Dies erfordert entweder, dass die zu prüfende Honorarverteilungsregelung dem gesetzlichen Ziel deutlich näher steht als die Vorgängerregelung, oder, dass die Regelung bereits - ohne dass es einer Änderung bedurfte - eine ausreichende Nähe zu den gesetzlichen Vorgaben aufweist (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 68 RdNr 30 und Nr 70 RdNr 24). Unzureichend ist es, wenn allein die Ziele der Neuregelung mit denjenigen der gesetzlichen Regelung des § 85 Abs 4 SGB V aF vergleichbar sind; erforderlich sind vielmehr vergleichbare Auswirkungen (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 68 RdNr 31-33 und Nr 70 RdNr 25 f; vgl auch oben RdNr 22 ).

30

Wesentliche "Auswirkung" der gesetzlichen Regelung war, dass ein arztgruppenspezifisch definiertes RLV gebildet wurde, innerhalb dessen die erbrachten Leistungen mit einem festen Punktwert vergütet wurden, nebst abgestaffelten Punktwerten für die darüber hinausgehenden Leistungsmengen (vgl BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 68 RdNr 34 und Nr 70 RdNr 27). Dies erforderte insbesondere Grenzwerte, die auf (arztgruppen-)durchschnittlichen Werten beruhen. Daran fehlte es, wenn das Honorarvolumen des Arztes im Sinne eines typischen Individualbudgets durch praxisindividuelle Werte aus vorangegangenen Vergütungszeiträumen bestimmt wurde. Individualbudgets genügten weder den Anforderungen des § 85 Abs 4 Satz 7 und 8 SGB V aF noch den - abgeschwächten - Anforderungen der Übergangsregelung, wie der Senat deutlich hervorgehoben hat(BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 68 RdNr 35 f und Nr 70 RdNr 27 f).

31

Der Gesetzgeber ist mit der Vorgabe arztgruppenspezifischer Grenzwerte erkennbar von der bis 2003 weit verbreiteten Praxis der KÄVen abgewichen - und hat davon abweichen wollen -, Honorarbegrenzungsregelungen in Form von Individualbudgets zu normieren (zur früheren grundsätzlichen Billigung von Individualbudgets vgl zusammenfassend BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 68 RdNr 32 und Nr 70 RdNr 26). Dass es sich bei der arztgruppenbezogenen Bestimmung des Grenzwerts bzw des Vergütungsvolumens um eine grundlegende Richtungsentscheidung des Gesetzgebers gehandelt hat, zeigt sich auch an der späteren Gesetzesentwicklung: Auch unter Geltung der vom 1.1.2009 bis 31.12.2011 geltenden RLV waren die Werte nach Arztgruppen festzulegen (§ 87b Abs 3 Satz 1 SGB V). Arztgruppenspezifische Werte liegen weiterhin den Richtgrößen im Arzneimittelbereich (vgl § 84 Abs 6 Satz 1 SGB V) und letztlich auch der Degressionsregelung im vertragszahnärztlichen Bereich (vgl § 85 Abs 4b Satz 1 SGB V) zugrunde.

32

Hinzu kommt, dass es für die vom Gesetzgeber mit der Einführung von RLV - neben dem Aspekt der Kalkulationssicherheit - verfolgten Ziele der Berücksichtigung von Kostendegression und Mengenbegrenzung sehr wohl von Bedeutung ist, anhand welcher Kriterien der maßgebliche Grenzwert bzw das "privilegierte" Vergütungsvolumen bestimmt wird (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 68 RdNr 37 und Nr 70 RdNr 29). Durch die Vergütung der den Grenzwert überschreitenden Leistungen mit abgestaffelten Punktwerten - und damit auch schon durch die Bestimmung des hierfür maßgeblichen Grenzwerts - soll zum einen der Kostendegression bei steigender Leistungsmenge Rechnung getragen und zum anderen der ökonomische Anreiz zu übermäßiger Leistungsausweitung begrenzt werden (vgl Begründung zum Gesetzentwurf für das GMG, BT-Drucks 15/1525 S 101 zu Art 1 Nr 64 Buchst h Doppelbuchst cc = § 85 SGB V). Im Hinblick auf diese Ziele ist es bedeutsam, ob bei der Bestimmung des "privilegierten" Vergütungsvolumens arztgruppenspezifische Durchschnittswerte herangezogen werden oder ob dabei das ggf "übermäßige" individuelle Abrechnungsverhalten des Vertragsarztes in der Vergangenheit zugrunde gelegt wird. Es liegt auf der Hand, dass sich das Ziel einer Mengenbegrenzung sachgerechter anhand von arztgruppenspezifischen Durchschnittswerten als durch eine Fortschreibung vorhandener Besitzstände erreichen lässt. Zu berücksichtigen ist schließlich, dass Durchschnittswerte den Versorgungsbedarf der Versicherten zuverlässiger widerspiegeln als praxisindividuelle Werte (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 68 RdNr 37 und Nr 70 RdNr 29).

33

bb) Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe, wonach Regelungsstrukturen, die in wesentlichem Ausmaß Individualbudgets ähneln, nicht die Anforderungen der Übergangsregelung des BewA erfüllen, weil dies keine Steuerungsinstrumente sind, die "in ihren Auswirkungen mit der gesetzlichen Regelung in § 85 Abs 4 SGB V vergleichbar sind"(Teil III. Nr 2.2 BRLV, DÄ 2004, A 3129 ff), waren auch die vorliegend zu beurteilenden Bestimmungen des vom Schiedsamt zum 1.4.2005 festgesetzten VM rechtswidrig. Die Regelungen des VM wiesen die Struktur von Individualbudgets auf. Das Honorarvolumen des Arztes wurde nämlich in wesentlichem Ausmaß durch praxisindividuelle Werte aus vorangegangenen Vergütungszeiträumen bestimmt.

34

Zwar war die abrechenbare Punktemenge jeden Arztes nicht nur durch die Bindung an die von ihm im Jahr 2004 zur Abrechnung gebrachte Punktzahlvolumen begrenzt, sondern außerdem durch die ggf eingreifende - alle Ärzte der Arztgruppe gleichmäßig treffende - Quotierung, die dann eingriff, wenn das Honorarkontingent der Gesamtgruppe nicht ausreichte, um alle Leistungen mit dem sog kalkulatorischen Punktwert von 4,87 Cent zu vergüten. Diese zusätzliche Begrenzung änderte aber nichts an der Relevanz der jeweiligen individuellen Begrenzung nach Maßgabe seines Leistungsvolumens im Jahr 2004, wodurch die für den Arzt abrechenbare Punktemenge entscheidend begrenzt war. Diese Regelungen in dem VM mit der Anknüpfung an praxisindividuelle Werte vorangegangener Vergütungszeiträume - Individualbudgets - hatten ungeachtet der außerdem bestehenden Quotierungsregelungen prägende Bedeutung.

35

Keine solche individuelle Begrenzung gab es lediglich, wie oben dargestellt (vgl oben RdNr 20), unter bestimmten Voraussetzungen für junge und kleine Praxen sowie für Praxisübernehmer, nämlich dann, wenn bei ihnen ihr pRVV an sich unter dem aRVV lag und deshalb für sie das aRVV galt (§ 11 Abs 6 VM iVm Anlage B Nr 3 Buchst a). Diese Regelung betraf aber eben nur die Sonderfälle der jungen und kleinen Praxen, nicht die klassische Konstellation einer schon länger etablierten Praxis; diese aber ist als struktureller Regelfall die Beurteilungsgrundlage für die Vereinbarkeit mit den Regelungen des § 85 Abs 4 Satz 7 und 8 SGB V aF. Daher ist es rechtlich ohne Relevanz, dass - wie die Beklagte herausstellt - die jungen und kleinen Praxen in Hamburg faktisch in der Mehrheit seien, sodass das nicht-individuelle aRVV für die Mehrzahl der Praxen gegolten habe. In diesem Zusammenhang ohne Bedeutung ist auch der Hinweis der Beklagten darauf, diese besonderen Strukturen in Hamburg seien durch die große Zahl hoch spezialisierter Praxen bedingt, die in erheblichem Umfang auch Leistungen erbrächten, die anderswo nur stationär erbracht würden, und die in großer Zahl auch von Patienten aus dem Umland aufgesucht würden.

36

Da mithin der VM durch Regelungsstrukturen im Sinne von Individualbudgets geprägt war, wies er keine Steuerungsinstrumente auf, die "in ihren Auswirkungen mit der gesetzlichen Regelung in § 85 Abs 4 SGB V vergleichbar sind"(Teil III. Nr 2.2 BRLV, DÄ 2004, A 3129 ff). Der VM erfüllte somit nicht die Anforderungen der Übergangsregelung des BewA.

37

3. Der daraus abzuleitenden Verpflichtung der Beklagten zur Neuregelung der Honorarverteilung steht nicht entgegen, dass - wie sie einwendet - die Vorgaben des § 85 Abs 4 Satz 7 und 8 SGB V aF iVm der Übergangsregelung im Beschluss des BewA vom 29.10.2004 (Teil III. Anlage 2) nicht umsetzbar seien. Dies trifft nicht zu.

38

Zwar mögen in der Tat Schwierigkeiten bestehen, im Rahmen der Vorgabe arztgruppenspezifischer Grenzwerte umfassend dem Erfordernis Rechnung zu tragen, alle erbrachten Leistungen jeweils einer bestimmten Arztgruppe zuzuordnen; die richtige Zuordnung ist problematisch, soweit Arztgruppenübergreifende Gemeinschaftspraxen bzw Berufsausübungsgemeinschaften betroffen sind und eine Zeit in Frage steht, als individuelle Zuordnungen mit Hilfe lebenslanger Arztnummern noch nicht erfolgten. Für vergleichbare Schwierigkeiten hat der Senat aber in seiner Rechtsprechung bereits mögliche Lösungswege aufgezeigt.

39

So hat der Senat in seinen Urteilen vom 20.1.1999 eine bundesmantelvertragliche Regelung gebilligt, die die Budgetierung der Basislaborleistungen durch Fallpunktzahlen in der Weise umsetzt, dass bei fachübergreifenden Gemeinschaftspraxen der arithmetische Mittelwert aus den Laborkontingenten der beteiligten fachverschiedenen Ärzte gebildet wird (BSG USK 9990 S 519, 523 und SozR 3-2500 § 87 Nr 20 S 103). Mit Urteil vom 26.6.2002 hat der Senat im Zusammenhang mit Auflösungen von fachübergreifenden Gemeinschaftspraxen Regelungen über Honorar-Aufteilungen nach Kopfteilen akzeptiert (BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 47 S 398 ff, 402 f). Hieran hat er mit Urteil vom 21.3.2012 angeknüpft für die Frage, wie bei fachübergreifenden Job-Sharing-Gemeinschaftspraxen der Zuwachs um 3 % ermittelt werden kann (- B 6 KA 15/11 R - SozR 4-2500 § 101 Nr 12 RdNr 21 ff iVm RdNr 23 und 26). In ähnlicher Weise hat der Senat zu § 106 SGB V ausgeführt, dass bei der Prüfung der für eine effektive Wirtschaftlichkeitsprüfung erforderlichen Mindestzahl an Behandlungsfällen eine Relation zur Zahl der Mitglieder der Berufsausübungsgemeinschaft herzustellen ist(vgl BSG vom 21.3.2012 - B 6 KA 17/11 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 35 RdNr 24).

40

Gegenüber der Rechtsfolge notwendiger Neuregelung der Honorarverteilung greift schließlich auch nicht der Einwand durch, dass der Zuschnitt von RLV in weitem Umfang nur mit Hilfe von Schätzungen bewältigt werden könnte. Der Rückgriff auf Schätzungen ist hier ebenso wie sonst in Angelegenheiten des Honorarwesens und der Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht von vornherein ausgeschlossen (vgl zB BSGE 106, 222 = SozR 4-5520 § 32 Nr 4, RdNr 69, und BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 34 RdNr 38).

41

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach hat die Beklagte die Kosten des erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen (§ 154 Abs 2 VwGO). Eine Erstattung der Kosten Beigeladener ist nicht veranlasst; diese haben im Revisionsverfahren keine Anträge gestellt (§ 162 Abs 3 VwGO; vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).