Bundessozialgericht Urteil, 30. Nov. 2016 - B 6 KA 29/15 R
Gericht
Tenor
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Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. Dezember 2014 aufgehoben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 3. April 2013 mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte bei seiner erneuten Entscheidung die Rechtsauffassung des erkennenden Senats zu beachten hat.
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Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sowie die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2. bis 6.
Tatbestand
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Im Streit steht die Rechtmäßigkeit von Honorarkürzungen aufgrund von Wirtschaftlichkeitsprüfungen der Behandlungsweise in den Quartalen III/2005, IV/2005 und IV/2006 in Höhe von insgesamt 3263,75 Euro.
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Die zu 1. beigeladene Fachärztin für Allgemeinmedizin nimmt seit dem 1.7.1997 im Bezirk der klagenden KÄV an der vertragsärztlichen Versorgung teil; sie führt die Zusatzbezeichnung Diabetologie. Mit Bescheid vom 19.10.2009 setzte die Prüfungsstelle nach Durchführung einer - auf einzelne Gebührenordnungspositionen (GOP) des einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen (EBM-Ä, hier in der Fassung des bis Ende 2007 geltenden "EBM 2000 plus") bezogenen - statistischen Vergleichsprüfung Honorarkürzungen für die Quartale III/2005 und IV/2005 fest: Bei Leistungen nach der Nr 03311 EBM-Ä ("Ganzkörperstatus") sowie der Nr 03320 EBM-Ä ("Elektrokardiographische Untersuchung") erfolgte eine Kürzung auf das Doppelte des gewichteten Vergleichsgruppendurchschnitts (+ 100 %). Hiergegen legte die Beigeladene zu 1. Widerspruch ein. Mit weiterem Bescheid vom 23.8.2010 setzte die Prüfungsstelle Honorarkürzungen bezüglich des Quartals IV/2006 fest: Leistungen nach Nr 03120 EBM-Ä ("Beratung, Erörterung und/oder Abklärung") wurden bis auf eine Überschreitung des gewichteten Vergleichsgruppendurchschnitts um + 60 % (einschließlich eines Bonus von 10 % für Praxisbesonderheiten) gekürzt. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 30.8.2011 (aus der Sitzung vom 4.5.2011) gab der beklagte Beschwerdeausschuss dem Widerspruch gegen den Bescheid vom 19.10.2009 (Quartale III/2005 und IV/2005) - unter Zurückweisung im Übrigen - teilweise statt. Der Beklagte bestätigte die Kürzungen bei den GOP Nr 03320 und 03311 EBM-Ä auf die - beim Doppelten des Vergleichsgruppendurchschnitts angenommene - Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis, bereinigte allerdings bei der GOP Nr 03311 EBM-Ä vorab die Überschreitungswerte um einen als Praxisbesonderheit anerkannten Mehraufwand für Kinder bis fünf Jahren. Bezüglich der Nr 03120 EBM-Ä bestätigte der Beklagte die Entscheidung der Prüfungsstelle, insoweit das "offensichtliche Missverhältnis" bei einer Überschreitung des Vergleichsgruppendurchschnitts um 50 % anzusetzen, ebenso deren Entscheidung, für die Quartale III und IV/2005 "das Kürzungsmaß" wegen der Einführung des neuen EBM-Ä um einen "Bonus" von 50 % anzuheben. Zugleich wies der Beklagte (im Ergebnis) den Widerspruch gegen den Bescheid vom 23.8.2010 (Quartal IV/2006) zurück und bestätigte die Kürzung bei der GOP Nr 03120 EBM-Ä auf eine Überschreitung um 50 %; allerdings erkannte er vorab in jedem "Diabetikerfall", in dem keine internistische "Chronikerziffer" (3210) abgerechnet wurde, je ein Gespräch nach der Nr 03120 EBM-Ä zu.
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Auf die Klage der KÄV hat das SG den Bescheid des Beklagten aufgehoben und diesen verurteilt, erneut über die gegen die Bescheide der Prüfungsstelle erhobenen Widersprüche der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. zu entscheiden (Urteil vom 3.4.2013). Der Bescheid vom 30.8.2011 enthalte keine ausreichende Begründung dazu, weshalb der Beklagte bei den von ihm beanstandeten GOP unterschiedliche Grenzen zum Vorliegen eines offensichtlichen Missverhältnisses angesetzt und entsprechende Kürzungen vorgenommen habe. Die - von der Klägerin in Zweifel gezogene - statistische Vergleichbarkeit der Nr 03311 EBM-Ä sei hingegen gegeben, weil entscheidend sei, dass der obligate Leistungsinhalt erbracht werde; allein hieraus entstehe bereits eine Aussagekraft hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung.
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Auf die Berufung des Beklagten hat das LSG das Urteil des SG geändert, die Klage abgewiesen und die Anschlussberufung der Beigeladenen zu 1. zurückgewiesen (Urteil vom 18.12.2014). Zur Begründung hat das LSG - unter teilweiser Inbezugnahme der erstinstanzlichen Entscheidung - ausgeführt, entgegen der Auffassung des SG seien die Prüfgremien nicht verpflichtet, bei ihrer Entscheidung über die Grenze des offensichtlichen Missverhältnisses und über die Höhe des Regresses die Entscheidungen zu einzelnen GOP zueinander in Beziehung zu setzen und Unterschiede zu begründen, weil die Entscheidungen zur Wirtschaftlichkeit hinsichtlich einzelner GOP nicht von der Entscheidung zu anderen GOP abhingen. Einer zusätzlichen Begründung im angefochtenen Bescheid habe es auch ansonsten nicht bedurft. Der Beklagte habe nachvollziehbar dargelegt, dass ein Mehraufwand hinsichtlich der GOP Nr 03120 EBM-Ä durch die Betreuung von Heimpatienten nicht begründbar sei, da die von der Beigeladenen zu 1. abgerechnete GOP Nr 03002 EBM-Ä eine kontinuierliche Betreuung beinhalte; hinsichtlich der GOP Nr 03311 EBM-Ä habe der Beklagte in nicht zu beanstandender Weise dargelegt, dass der routinemäßige Ansatz unwirtschaftlich gewesen sei.
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Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von Bundesrecht. Wenn nach der Rechtsprechung des BSG bei unterschiedlichen Voraussetzungen Kürzungen in gleicher Höhe eine weitergehende Begründung erforderten, um die Korrektheit der durchgeführten Ermessensentscheidung überprüfen zu können, bedürfe eine unterschiedliche Festsetzung des "offensichtlichen Missverhältnisses" bei identischen Voraussetzungen ebenfalls einer weitergehenden Begründung. Mit Recht habe das SG entschieden, dass hier auch für den sachkundigen Adressaten nicht erkennbar sei, warum der Beklagte das offensichtliche Missverhältnis in unterschiedlicher Höhe festgesetzt habe. Es liege daher ein Begründungsmangel vor.
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Bei seiner erneuten Entscheidung werde der Beklagte auch seine Entscheidung zur Kürzung der Nr 03311 EBM-Ä korrigieren müssen, da insoweit die Voraussetzungen für eine statistische Vergleichsprüfung nicht vorlägen. Aus der Abrechnung der Nr 03311 EBM-Ä ergebe sich kein eindeutiger Leistungsinhalt, weil die GOP neben einem obligaten noch einen fakultativen Leistungsinhalt habe. Solange nicht klar sei, in welchem Umfang der geprüfte Arzt auf der einen und die zum Vergleich herangezogenen Kollegen auf der anderen Seite tatsächlich auch die fakultative Leistungsalternative erbracht hätten, sei der Schluss von der Überschreitung des Durchschnitts der Fallwerte auf eine Unwirtschaftlichkeit logisch nicht nachvollziehbar, da die wesentlichen Bedingungen der abgerechneten GOP möglicherweise nicht identisch seien. Betreue ein Arzt - wie die Beigeladene zu 1. - einen überdurchschnittlichen Anteil von Patienten in beschützenden Wohnheimen oder Pflege- und Altenheimen, sei nachvollziehbar, dass bei der Betreuung eines in seiner Kommunikationsfähigkeit eingeschränkten Personenkreises häufiger "eingehende Untersuchungen" erforderlich sein könnten. Die fakultative Leistungsalternative werde dabei weniger zum Einsatz kommen als bei Patienten, die dem Arzt bisher nicht bekannt seien. In der gleichen Zeit könne ein Arzt mehr Leistungen (allein mit dem obligaten Leistungsinhalt) erbringen als die Vergleichsgruppe.
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Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 18.12.2014 aufzuheben und das Urteil des SG Mainz vom 3.4.2013 mit der Maßgabe abzuändern, dass der Beklagte bei seiner erneuten Entscheidung die Rechtsauffassung des BSG zu beachten hat.
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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Bereits aus dem Tenor der angefochtenen Verwaltungsentscheidung gehe ausreichend hervor, warum er - der Beklagte - unterschiedliche Grenzen zum offensichtlichen Missverhältnis bei den verschiedenen Einzelleistungen gezogen habe, da er dort auf die Berücksichtigung der Einführung eines neuen EBM-Ä sowie eines Mehranteils für Kinder hingewiesen habe. Zudem hätten sämtliche Kürzungen über der von der Rechtsprechung des BSG als vertretbar angesehenen Überschreitungstoleranz von 40 % gelegen. Die Entscheidung der Prüfgremien zur Wirtschaftlichkeit einzelner GOP hänge nicht von der Entscheidung zu anderen GOP ab, da bereits die Leistungslegenden der einzelnen GOP grundsätzlich unterschiedlich und schon deshalb nicht miteinander vergleichbar seien. Auch bezüglich der GOP Nr 03311 EBM-Ä sei die Entscheidung nicht zu beanstanden: Ob eine GOP einen obligaten und fakultativen Leistungsinhalt aufweise, habe keine Auswirkung auf die statistische Aussagekraft einer Vergleichsprüfung.
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Die Beigeladenen haben weder Anträge gestellt noch sich sonst geäußert.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der KÄV ist zulässig (stRspr des BSG zur Rechtsmittelbefugnis und Aktivlegitimation der KÄVen in Angelegenheiten der Wirtschaftlichkeitsprüfung, vgl zB BSGE 92, 283, 289 = SozR 4-2500 § 106 Nr 5, RdNr 21; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 12 mwN; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 34 RdNr 17; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 35 RdNr 16) und auch begründet. Der angefochtene Bescheid des beklagten Beschwerdeausschusses, der alleiniger Gegenstand des Verfahrens ist (stRspr, vgl zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 15 mwN; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 11 mwN), ist nicht rechtmäßig. Der Beklagte wird daher erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats über die Widersprüche der Klägerin gegen die Bescheide der Prüfungsstelle vom 19.10.2009 und vom 23.8.2010 zu entscheiden haben.
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1. Rechtsgrundlage der Honorarkürzung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise ist § 106 Abs 2 SGB V(hier zugrunde zu legen idF des GKV-Modernisierungsgesetzes
vom 14.11.2003, BGBl I 2190, 2214, die in den Quartalen III/2005 bis IV/2006 galt; zur Maßgeblichkeit des im jeweiligen Prüfzeitraum geltenden Rechts siehe BSGE 117, 149 = SozR 4-2500 § 106 Nr 48, RdNr 37 ff) . Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung unter anderem durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen auf der Grundlage von arztbezogenen und versichertenbezogenen Stichproben (aaO Satz 1 Nr 2) geprüft. Über diese in Satz 1 aaO vorgesehenen Prüfungsarten hinaus können die Landesverbände der Krankenkassen mit den KÄVen gemäß § 106 Abs 2 Satz 4 SGB V Prüfungen ärztlicher oder ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten oder andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren. Nach den Feststellungen des SG waren nach § 10 Abs 1 Nr 3 der hier einschlägigen Prüfvereinbarung arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach Durchschnittswerten vorgesehen.
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Bei dieser Prüfmethode wird der Aufwand des geprüften Arztes je Fall mit dem durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe - im Regelfall der Arztgruppe, der der Arzt angehört - verglichen. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass die Vergleichsgruppe im Durchschnitt insgesamt wirtschaftlich handelt (stRspr, vgl zB BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 54 S 303; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 2 RdNr 14, 15; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19, RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 35 RdNr 17). Ergibt die Prüfung, dass der Behandlungs- oder Verordnungsaufwand des geprüften Arztes - beim Gesamtfallwert, bei Sparten- oder bei Einzelleistungswerten - in offensichtlichem Missverhältnis zum durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe steht, diesen nämlich in einem Ausmaß überschreitet, das sich nicht mehr durch Unterschiede in der Praxisstruktur wie Praxisbesonderheiten und/oder sog kompensierende Einsparungen erklären lässt, so ist die Folgerung der Unwirtschaftlichkeit gerechtfertigt (stRspr, s dazu zB BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 57 S 319; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 19; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19, RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 35 RdNr 17).
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2. Es ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass der Beklagte die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise im Wege einer auf Einzelleistungen bezogenen Prüfung nach Durchschnittswerten untersucht hat.
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a. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann eine Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten auch auf Einzelleistungswerte - also auf einzelne GOP des EBM-Ä - bezogen werden (vgl zB BSGE 76, 53, 57 f = SozR 3-2500 § 106 Nr 26 S 148 f; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 3 RdNr 9; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 13). Eine derartige, auf Teilbereiche der ärztlichen Tätigkeit beschränkte Gegenüberstellung von Fallkosten ist unter der Voraussetzung einer hinreichenden Vergleichbarkeit zulässig, da der Vertragsarzt verpflichtet ist, in dem Sinne umfassend wirtschaftlich zu behandeln, dass das Wirtschaftlichkeitsgebot auch in jedem Teilbereich seiner Tätigkeit gewahrt ist (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 15). Voraussetzung eines Einzelleistungsvergleichs ist es, dass es sich bei der geprüften GOP um eine fachgruppentypische Leistung handelt, also um eine solche, die für die Vergleichsgruppe prägend ist und zumindest von einem größeren Teil der Fach- bzw Vergleichsgruppenmitglieder regelmäßig in nennenswerter Zahl erbracht wird (stRspr, vgl zB BSGE 76, 53, 57 = SozR 3-2500 § 106 Nr 26 S 148 f; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 3 RdNr 9 mwN; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 24). Eine fachgruppentypische Leistung liegt insbesondere dann vor, wenn sie von über 50 % der Mitglieder der Fach- bzw Vergleichsgruppe erbracht wird (BSGE 74, 70, 76 = SozR 3-2500 § 106 Nr 23 S 130; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 3 RdNr 11; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 24). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nach den - nicht von den Beteiligten angegriffenen - Feststellungen des SG erfüllt.
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b. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist eine hinreichende Vergleichbarkeit auch in Bezug auf die GOP Nr 03311 EBM-Ä ("Ganzkörperstatus") gegeben, auch wenn diese sowohl einen obligatorischen als auch einen fakultativen Leistungsinhalt hat.
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Obligater Leistungsinhalt der GOP ist die Erhebung des Ganzkörperstatus (dh eine Untersuchung "von Kopf bis Fuß" - vgl Kölner Kommentar zum EBM, Stand 1.4.2016, zu Nr 27310 EBM-Ä nF); fakultativer Inhalt ist die Leistung nach der Nr 03312 EBM-Ä, dh die "klinisch-neurologische Basisdiagnostik", wobei die Nr 03312 EBM-Ä ihrerseits "obligate" Leistungsinhalte - Erhebung des Reflexstatus sowie Prüfung der Motorik und der Sensibilität - und fakultative Leistungsinhalte hat. Die Nr 03312 EBM-Ä ist nicht neben der Nr 03311 EBM-Ä berechnungsfähig. Eine GOP ist nach Nr 2.1 Abs 1 der Allgemeinen Bestimmungen zum EBM-Ä nur dann berechnungsfähig, wenn der Leistungsinhalt vollständig erbracht worden ist. Die Vollständigkeit der Leistungserbringung ist nach Abs 2 aaO gegeben, wenn die "obligaten" Leistungsinhalte erbracht worden sind. Der "fakultative" Leistungsinhalt tritt daher nicht - quasi als "aliud" - an die Stelle des obligatorischen, sondern vielmehr hinzu. Erbringt ein Arzt neben dem Ganzkörperstatus auch die klinisch-neurologische Basisdiagnostik, erhält er diese - isoliert mit 175 Punkten bewertete - Leistung nicht gesondert vergütet, sondern nur insgesamt 300 Punkte für die Nr 03311 EBM-Ä.
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Dass eine GOP auch fakultative Leistungsbestandteile hat, steht einer statistischen Vergleichsprüfung nicht entgegen. Maßgeblich ist allein, dass es sich um eine fachgruppentypische Leistung handelt, die von der großen Mehrzahl der Ärzte der Fachgruppe regelmäßig erbracht wird. Wenn ein Arzt eine GOP signifikant häufiger erbringt und abrechnet als die Vergleichsgruppe, ohne dass dies durch Praxisbesonderheiten erklärbar ist, begründet allein dies die Annahme der Unwirtschaftlichkeit. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass entweder der geprüfte Arzt oder die Vergleichsgruppe in größerem oder geringerem Umfang zusätzlich fakultative Leistungsbestandteile erbringen.
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Soweit die Klägerin vorträgt, dass ein Arzt, der lediglich den obligatorischen Teil der Leistung erbringe, gegenüber einem Arzt, der zusätzlich den fakultativen Leistungsbestandteil erbringe, einen Zeitvorteil besitze, also insgesamt mehr Leistungen erbringen könne, ohne dass dies unwirtschaftlich sei, legt sie nicht schlüssig dar, wieso dies auch in Bezug auf die Beigeladene zu 1. gelten soll. So wird zum einen vorgetragen, dass diese wegen der Betreuung von Heimbewohnern weniger fakultative Leistungsbestandteile als der Durchschnitt der Vergleichsgruppe erbringe, weil die Patienten bekannt seien, zum anderen, dass gerade die Betreuung von Demenzkranken vermehrt Leistungen nach der Nr 03311 EBM-Ä erforderten, weil sich diese nur eingeschränkt artikulieren könnten. Dabei bleibt zum einen offen, wieso sich der Umstand, dass die Patienten dem Arzt bekannt sind, allein auf die Erbringung der fakultativen Leistungsteile und nicht auch auf deren obligatorischen Leistungsinhalt auswirken soll. Zum anderen läge es in Bezug auf kommunikationsgestörte Patienten nahe, dass dann, wenn dieser Umstand dem Grunde nach zu einem erhöhten Untersuchungsbedarf führte, sowohl von einem erhöhten Bedarf nach einer (obligatorischen) Erhebung des Ganzkörperstatus als auch nach einer (fakultativen) klinisch-neurologischen Basisdiagnostik auszugehen wäre.
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Unabhängig davon verdeutlicht die Argumentation, dass etwaige Unterschiede in Bezug auf die Leistungserbringung bei derartigen Leistungen ggf bei der Prüfung von Praxisbesonderheiten zu berücksichtigen wären - sowie möglicherweise im Rahmen von Plausibilitätsprüfungen nach § 106a SGB V -, dies jedoch die Vergleichbarkeit der Leistungserbringung nicht dem Grunde nach infrage stellt.
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3. Es ist auch - im Grundsatz - nicht beanstanden, wenn Prüfgremien im Rahmen einer Einzelleistungsprüfung die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis teilweise bei einer Überschreitung des Durchschnitts der Vergleichsgruppe um 100 %, teilweise hingegen bereits bei einer Überschreitung von zB 50 % festsetzen.
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Die Prüfgremien sind zum einen nicht gehalten, die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bei allen geprüften GOP einheitlich festzusetzen. So steht ihnen bei der Festlegung des für das offensichtliche Missverhältnis maßgeblichen Grenzwertes ein - gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer - Beurteilungsspielraum zu (stRspr, zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 12; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 34 RdNr 41-42; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 35 RdNr 36), weil die Festlegung auch bei Berücksichtigung aller relevanten Umstände eine wertende Entscheidung erfordert (BSGE 74, 70, 71 = SozR 3-2500 § 106 Nr 23 S 125; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 25 S 139). Schon damit ist die Annahme nicht vereinbar, dass zwischen einzelnen GOP nicht aus Sachgründen differenziert werden dürfe. Zudem hängt die Festlegung der Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis von einer Vielzahl von Faktoren - etwa von der Homogenität und der Streubreite - ab, die es geradezu bedingen, dass die Grenzwerte je nach GOP unterschiedlich hoch angesetzt werden.
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Die Prüfgremien sind zum anderen auch bei einer Einzelleistungsprüfung grundsätzlich berechtigt, Grenzwerte festzulegen, die das Doppelte des Vergleichsgruppendurchschnitts unterschreiten. Zwar liegt es bei einem Einzelleistungsvergleich grundsätzlich nahe, bei der Festlegung der Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis höhere Grenzwerte als bei einem Gesamtvergleich in Betracht zu ziehen, weil die Aussagekraft des Vergleichs tendenziell geringer und die Gefahr von Fehlinterpretationen größer ist, da sich unterschiedliche Diagnose- und Behandlungsmethoden der Ärzte hier naturgemäß stärker auswirken (stRspr, vgl BSGE 62, 24, 30 = SozR 2200 § 368n Nr 48 S 162; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 11 S 57 f; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 12; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 24). Daher hat der Senat in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, dass bei einer Einzelleistungsprüfung ein "offensichtliches Missverhältnis" - typisierend - jedenfalls dann angenommen werden kann, wenn der entsprechende Wert der Vergleichsgruppe um mehr als 100 % überschritten wird (siehe zB BSGE 74, 70, 76 = SozR 3-2500 § 106 Nr 23 S 130; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 12; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 3 RdNr 16), um die verbleibenden Unwägbarkeiten einer statistischen Vergleichsprüfung zu erfassen (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 12).
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Dieser Wert stellt allerdings keine absolute Untergrenze dar (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 3 RdNr 17), sondern kann unterschritten werden. Nach der Senatsrechtsprechung kommt ein niedrigerer Grenzwert in besonderen Fällen in Betracht, etwa bei Einzelleistungen mit einer sehr homogenen Kostenverteilung und nur geringer Streuung (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 11 S 58), bei einer homogenen Vergleichsgruppenzusammensetzung und vergleichsgruppentypischen Leistungen (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 12; BSG Urteil vom 23.2.2005 - B 6 KA 79/03 R - RdNr 22, Juris = ArztR 2005, 291, 293), bei Arztgruppen mit einem engen Leistungsspektrum (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 3 RdNr 16)und bei genau umrissenen, nicht anders ersetzbaren Einzelleistungen innerhalb einer hinreichend homogenen Vergleichsgruppe (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 3 RdNr 16; BSG Urteil vom 23.2.2005 - B 6 KA 79/03 R - RdNr 22, Juris = ArztR 2005, 291, 293). Dies gilt insbesondere für typische Grundleistungen, die nur in bestimmten, genau umschriebenen Krankheitszuständen zum Einsatz kommen (BSGE 74, 70, 74 = SozR 3-2500 § 106 Nr 23 S 128). Es müssen also Besonderheiten vorliegen, welche die Annahme rechtfertigen, dass nur geringe Unsicherheiten in Bezug auf den durch den statistischen Vergleich begründeten Anscheinsbeweis der Unwirtschaftlichkeit bestehen.
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Soweit sich in einigen Entscheidungen des Senats im Anschluss an die vorstehend genannten Umstände die Wendung findet, dass selbst gegen Grenzwerte von unter 40 % keine Bedenken bestünden, wenn die Prüfgremien Besonderheiten der Praxis von vornherein mitberücksichtigt haben, es also um eine Grenzwertfestlegung geht, die erfolgt, nachdem der statistische Vergleich bereits um anerkennenswerte individuelle Umstände des Arztes bereinigt worden ist (so BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 3 RdNr 17; BSG ArztR 2005, 291, 293), stellt der Senat klar, dass diese Aussage nicht in dem Sinne zu verstehen ist, dass bei einem Vergleich derart bereinigter Werte auch bei einer Einzelleistungsprüfung ohne Weiteres niedrigere Grenzwerte zulässig sind. Dies würde eine Gleichstellung der Einzelleistungsprüfung mit einem Gesamtfallwertvergleich bedeuten, die angesichts der bereits dargelegten Besonderheiten einer auf einzelne GOP beschränkten Prüfung nicht gerechtfertigt wäre. Der Senat hält daran fest, dass ein das Doppelte des Vergleichsgruppendurchschnitts unterschreitender Grenzwert nur dann in Betracht kommt, wenn einer der genannten besonderen Umstände vorliegt.
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4. Ob der Beklagte nach diesen Maßstäben berechtigt war, die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bei der GOP Nr 03120 EBM-Ä ("Beratung, Erörterung und/oder Abklärung") unterhalb des Doppelten des Vergleichsgruppendurchschnitts festzusetzen, vermag der Senat nicht abschließend zu beurteilen, weil sich der Begründung des Bescheides nicht entnehmen lässt, aufgrund welcher besonderen Umstände sich der Beklagte dazu berechtigt gesehen hat, den Grenzwert bei einer Überschreitung des Vergleichsgruppendurchschnitts um 50 % anzusetzen. Die Entscheidung des Beklagten leidet daher jedenfalls unter einem Begründungsmangel. Auf diesem Begründungsmangel beruht der Bescheid, sodass er keinen Bestand haben kann.
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a. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats müssen die Prüfgremien ihre Ausführungen zum Vorliegen der Voraussetzungen für Maßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung derart verdeutlichen, dass im Rahmen der - infolge von Beurteilungs- und Ermessensspielräumen eingeschränkten - gerichtlichen Überprüfung zumindest die zutreffende Anwendung der einschlägigen Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 2 RdNr 11 - jeweils unter Hinweis auf BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 25 S 139; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 49 RdNr 58, 61). Die Begründungspflicht des § 35 Abs 1 SGB X dient als Korrektiv zu den weitgehenden Spielräumen und der nur eingeschränkt möglichen Überprüfung der Prüfbescheide durch die Gerichte(BSGE 69, 138, 142 = SozR 3-2500 § 106 Nr 6 S 25) und damit dem Interesse eines effektiven Rechtsschutzes (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 2 RdNr 11; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 49 RdNr 58; zur Bedeutung der Begründungsanforderungen im Hinblick auf Art 19 Abs 4 GG vgl auch BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 56 RdNr 21). Durch entsprechende Begründungsanforderungen wird daher die Überprüfbarkeit der Prüfbescheide gewährleistet (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 49 RdNr 58).
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Diese Anforderungen dürfen zwar nicht überspannt werden, da sich gerade Maßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung regelmäßig an einen sachkundigen Personenkreis richten, sodass sich die Begründung auf die Angabe der maßgebend tragenden Erwägungen beschränken kann (vgl BSGE 74, 70, 75 = SozR 3-2500 § 106 Nr 23 S 129; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 2 RdNr 11); jedoch müssen die Ausführungen erkennen lassen, wie das Behandlungsverhalten des Arztes bewertet wurde und auf welchen Erwägungen die betroffene Kürzungsmaßnahme beruht (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 2 RdNr 11; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 49 RdNr 61; siehe schon BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 41 S 225).
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Damit sie auf ihre sachliche Richtigkeit und Plausibilität hin überprüft werden können, müssen grundsätzlich auch die zur Festlegung des offensichtlichen Missverhältnisses und des entsprechenden Grenzwerts angestellten Erwägungen im Bescheid genannt werden oder zumindest für die Beteiligten und das Gericht erkennbar sein (BSGE 74, 70, 71 = SozR 3-2500 § 106 Nr 23 S 125; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 25 S 139). Soweit Prüfgremien die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis "typisierend" bei 100 % festlegen, bedarf es keiner vertieften Begründung (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 14). Setzen sie die Grenze hingegen bei einem Einzelleistungsvergleich niedriger an, ist es geboten, dass sie die hierfür maßgeblichen Gründe im Bescheid verdeutlichen, weil sich damit die Rechtfertigung der Grenzziehung nicht mehr aus der vom Senat gebilligten "Typisierung" ergibt. Zumindest für den fachkundigen Arzt muss erkennbar sein, warum die Prüfgremien sich dazu entschlossen haben, den Grenzwert niedriger festzusetzen.
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b. Dem Bescheid des Beklagten lässt sich nicht entnehmen, aus welchem Grund dieser sich dazu berechtigt gesehen hat, bei der GOP Nr 03120 EBM-Ä die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bei lediglich 50 % anzusetzen. Auf Seite 12 der Bescheidbegründung wird diesbezüglich allein darauf verwiesen, dass diese Gesprächsleistung von fast allen Praxen der Fachgruppe in großem Umfang ebenfalls erbracht werde, sodass es sich hierbei um eine absolut fachgruppentypische Leistung handele. Auf Seite 14 des Bescheides heißt es sodann: "Das offensichtliche Missverhältnis wird bei dieser fachgruppentypischen GOP beim gewichteten Vergleichsgruppendurchschnitt + 50 % angesiedelt."
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Vergleicht man die im Bescheid des Beklagten verwendete Formulierung mit den vom Senat aufgestellten Anforderungen an einen Einzelleistungsvergleich ("fachgruppentypische Leistung, die zumindest von einem größeren Teil der Fachgruppenmitglieder regelmäßig in nennenswerter Zahl erbracht wird"), verbleibt nichts an eigenständiger Aussage, um die niedrigere Grenzwertfestsetzung zu erklären. Zudem verwendet der Beklagte die Begründung "fachgruppentypische GOP" zB auch bei der Nr 03311 EBM-Ä, bei der er jedoch die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bei + 100 % ansetzt. Eine weitergehende Begründung für die deutliche Differenzierung zwischen den geprüften GOP enthält der Bescheid nicht.
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Soweit der Beklagte darauf verweist, dass bereits aus dem Tenor seiner Entscheidung ausreichend hervorgehe, warum er die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bei den verschiedenen Einzelleistungen unterschiedlich bestimmt habe, ist diese Argumentation nicht nachvollziehbar. Dem dortigen Hinweis auf den wegen der Einführung des neuen EBM-Ä gewährten "Bonus" lässt sich nichts dafür entnehmen, warum der Beklagte die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bei einer Überschreitung des Vergleichsgruppendurchschnitts um 50 % angesetzt hat. Der Hinweis auf die Berücksichtigung eines "Mehranteils" für Kinder bis zu fünf Jahren bezieht sich auf die GOP Nr 03311 EBM-Ä, bei der die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis ohnehin (typisierend) bei 100 % angesetzt wurde.
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Nach alledem wird der Beklagte bei seiner erneuten Entscheidung näher darzulegen haben, welche bei der Erbringung und Abrechnung der GOP Nr 03120 EBM-Ä bestehenden Besonderheiten es rechtfertigen, die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bei dieser GOP bei einer Überschreitung des Vergleichsgruppendurchschnitts von 50 % anzunehmen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO.
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Danach hat der Beklagte die Kosten des Revisionsverfahrens sowie des Berufungsverfahrens zu tragen, da er unterlegen ist (§ 154 Abs 1 VwGO). Eine Erstattung der Kosten der Beigeladenen im Revisionsverfahren bzw der Beigeladenen zu 2. bis 6. im Berufungsverfahren ist nicht veranlasst.
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Annotations
(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.
(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch
- 1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a, - 2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.
(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.
(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.
(1) Die Wirtschaftlichkeit der erbrachten ärztlichen Leistungen kann auf begründeten Antrag einer einzelnen Krankenkasse, mehrerer Krankenkassen gemeinsam oder der Kassenärztlichen Vereinigung arztbezogen durch die jeweilige Prüfungsstelle nach § 106c geprüft werden. Die Prüfung kann neben dem zur Abrechnung vorgelegten Leistungsvolumen auch Überweisungen sowie sonstige veranlasste ärztliche Leistungen, insbesondere aufwändige medizinisch-technische Leistungen umfassen; honorarwirksame Begrenzungsregelungen haben keinen Einfluss auf die Prüfungen.
(2) Veranlassung für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit nach Absatz 1 besteht insbesondere
- 1.
bei begründetem Verdacht auf fehlende medizinische Notwendigkeit der Leistungen (Fehlindikation), - 2.
bei begründetem Verdacht auf fehlende Eignung der Leistungen zur Erreichung des therapeutischen oder diagnostischen Ziels (Ineffektivität), - 3.
bei begründetem Verdacht auf mangelnde Übereinstimmung der Leistungen mit den anerkannten Kriterien für ihre fachgerechte Erbringung (Qualitätsmangel), insbesondere in Bezug auf die in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses enthaltenen Vorgaben, - 4.
bei begründetem Verdacht auf Unangemessenheit der durch die Leistungen verursachten Kosten im Hinblick auf das Behandlungsziel oder - 5.
bei begründetem Verdacht, dass Leistungen des Zahnersatzes und der Kieferorthopädie unvereinbar mit dem Heil- und Kostenplan sind.
(3) Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen vereinbaren bis zum 30. November 2019 das Nähere zu den Voraussetzungen nach Absatz 2 in Rahmenempfehlungen. Die Rahmenempfehlungen sind bei den Vereinbarungen nach § 106 Absatz 1 Satz 2 zu berücksichtigen.
(4) Die in § 106 Absatz 1 Satz 2 genannten Vertragspartner können über die Prüfung nach Absatz 1 hinaus Prüfungen ärztlicher Leistungen nach Durchschnittswerten oder andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren. Hat der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen eine Feststellung nach § 100 Absatz 1 oder Absatz 3 getroffen, dürfen bei Ärzten der betroffenen Arztgruppe keine Prüfungen nach Durchschnittswerten durchgeführt werden. In den Vereinbarungen nach § 106 Absatz 1 Satz 2 sind die Zahl der je Quartal höchstens zu prüfenden Ärzte in einer Kassenärztlichen Vereinigung sowie im Rahmen der Prüfungen nach Absatz 1 und der Prüfungen nach Satz 1 als Kriterien zur Unterscheidung Praxisbesonderheiten festzulegen, die sich aus besonderen Standort- und Strukturmerkmalen des Leistungserbringers oder bei besonderen Behandlungsfällen ergeben. Die Praxisbesonderheiten sind vor Durchführung der Prüfungen als besonderer Versorgungsbedarf durch die Prüfungsstellen anzuerkennen; dies gilt insbesondere auch bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Besuchsleistungen.
(1) Ein schriftlicher oder elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt ist mit einer Begründung zu versehen. In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Die Begründung von Ermessensentscheidungen muss auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist.
(2) Einer Begründung bedarf es nicht,
- 1.
soweit die Behörde einem Antrag entspricht oder einer Erklärung folgt und der Verwaltungsakt nicht in Rechte eines anderen eingreift, - 2.
soweit demjenigen, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne Begründung für ihn ohne weiteres erkennbar ist, - 3.
wenn die Behörde gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlässt und die Begründung nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist, - 4.
wenn sich dies aus einer Rechtsvorschrift ergibt, - 5.
wenn eine Allgemeinverfügung öffentlich bekannt gegeben wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1 bis 3 ist der Verwaltungsakt schriftlich oder elektronisch zu begründen, wenn der Beteiligte, dem der Verwaltungsakt bekannt gegeben ist, es innerhalb eines Jahres seit Bekanntgabe verlangt.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.