Bundessozialgericht Urteil, 02. Nov. 2015 - B 13 R 35/14 R

bei uns veröffentlicht am02.11.2015

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 17. September 2014 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auf 1415,50 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob der klagende Freistaat dem beklagten Rentenversicherungsträger (weitere) Säumniszuschläge für verspätet entrichtete Nachversicherungsbeiträge zu zahlen hat.

2

Die Versicherte stand vom 1.9.1997 bis 31.8.1999 als Beamtin auf Widerruf (Lehramtsanwärterin) im Dienst des Klägers. Anschließend war sie für diesen als angestellte Lehrerin tätig. Die Beklagte, die hiervon erst im Zuge eines Kontenklärungsverfahrens der Versicherten im Sommer 2007 Kenntnis erhielt, fragte wegen der Nachversicherung der ehemaligen Beamtin beim Kläger an. Dieser überwies mit Wertstellung zum 21.9.2007 Nachversicherungsbeiträge in Höhe von 5352,80 Euro.

3

Im Mai 2008 hörte die Beklagte den Kläger zur Erhebung von Säumniszuschlägen an. Dieser berief sich auf Verjährung. Mit Bescheid vom 30.10.2009 forderte die Beklagte für die Zeit vom 1.12.1999 bis 21.9.2007 Säumniszuschläge in Höhe von 4465 Euro. Die Forderung sei wegen der dreißigjährigen Verjährungsfrist infolge des vorsätzlichen Vorenthaltens der Nachversicherungsbeiträge seitens des Klägers nicht verjährt.

4

Das SG hat mit Urteil vom 8.11.2012 den angefochtenen Bescheid aufgehoben, soweit die Beklagte Säumniszuschläge in Höhe von mehr als 2707,50 Euro fordert, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Vorliegend sei die vierjährige Verjährungsfrist anzuwenden. Der Kläger habe die Nachversicherungsbeiträge nicht vorsätzlich einbehalten. Er habe ausreichende organisatorische Maßnahmen getroffen, um deren unverzügliche Entrichtung sicherzustellen. Die unterlassene Weiterleitung der Besoldungsakte nach Ausscheiden der Versicherten aus dem Beamtenverhältnis an das für die Nachversicherung zuständige Referat begründe lediglich den Vorwurf der Fahrlässigkeit, die der Kläger sich zurechnen lassen müsse. Demnach schulde er die für die Zeit ab dem 1.1.2003 bis zur Schuldentilgung berechneten Säumniszuschläge.

5

Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG mit Urteil vom 17.9.2014 die Entscheidung des SG geändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Zwar komme vorliegend die vierjährige Verjährungsfrist zur Anwendung mit der Folge, dass ein Teil der Säumniszuschläge verjährt sei. Entgegen der Berechnung des SG beliefen sich die nicht verjährten Säumniszuschläge auf 3049,50 Euro. Der Kläger habe sich bereit erklärt, diesen Betrag zu zahlen. Er sei allerdings verpflichtet, auch die verjährten Säumniszuschläge für die Zeit vom 1.12.1999 bis 31.12.2002 in Höhe von 1415,50 Euro zu entrichten, weil die Erhebung der Einrede der Verjährung gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoße und damit rechtsmissbräuchlich sei.

6

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 25 Abs 1 SGB IV. Revisionsrechtlicher Streitgegenstand sei allein die Erhebung der Einrede der Verjährung hinsichtlich der bereits verjährten Säumniszuschläge. Bezüglich der verjährten Nachversicherungsbeiträge habe er aus Fürsorgegesichtspunkten auf die Verjährungsreinrede verzichtet. Dies gelte jedoch nicht für die Säumniszuschläge. Die Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit der Verjährungseinrede sei für Haupt- und Nebenforderung, hier also für Nachversicherungsbeiträge und Säumniszuschläge, gesondert zu prüfen. Im Gegensatz zu Nachversicherungsbeiträgen wirke sich die Einrede der Verjährung bei Säumniszuschlägen nicht auf das Bestehen oder Nichtbestehen des Versicherungsschutzes des Nachzuversichernden aus. Die Erhebung von Säumniszuschlägen stehe damit auch nicht im Interesse des einzelnen Beschäftigten. Die Solidargemeinschaft der Versicherten sei durch die Verjährung eines Teils der Säumniszuschläge (bei Entrichtung der Nachversicherungsbeiträge) nicht in dem Maße belastet, dass die Erhebung der Einrede der Verjährung auch unter Berücksichtigung des fahrlässigen Verhaltens des Klägers rechtsmissbräuchlich sei.

7

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 17. September 2014 und den Bescheid der Beklagten vom 30. Oktober 2009 aufzuheben, soweit die Beklagte weitere Säumniszuschläge für die Zeit vom 1. Dezember 1999 bis 31. Dezember 2002 in Höhe von 1415,50 Euro erhoben hat.

8

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Beklagte erklärt, dass sie den Vorwurf gegen den Kläger, dieser habe bei der zunächst unterlassenen Nachentrichtung der Nachversicherungsbeiträge zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt, nicht mehr aufrechterhalte.

10

Im Übrigen hält sie das angefochtene Urteil im Ergebnis für zutreffend.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision des klagenden Freistaats ist nicht begründet.

12

1. Die Klage ist zulässig, ohne dass es vor Erhebung der Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 Alt 1 SGG) der Durchführung eines Vorverfahrens bedurfte. Der Kläger führt die Klage nämlich als Land iS von § 78 Abs 1 S 2 Nr 3 SGG.

13

Zu Recht hat die Beklagte die geforderten Säumniszuschläge durch Verwaltungsakt (Bescheid vom 30.10.2009) festgesetzt. Der für die Nachversicherung zuständige Rentenversicherungsträger ist berechtigt, auch gegenüber öffentlich-rechtlichen Arbeitgebern die Nachentrichtung von Beiträgen durch Verwaltungsakt einzufordern. Entsprechendes gilt für im Nachversicherungsverfahren anfallende Säumniszuschläge. Auch diese dürfen gegenüber öffentlich-rechtlichen Trägern durch Verwaltungsakt geltend gemacht werden (vgl Senatsurteile vom 1.7.2010 - B 13 R 67/09 R - SozR 4-2400 § 24 Nr 5 RdNr 14; vom 29.11.2007 - B 13 R 48/06 R - BSGE 99, 227, 228 = SozR 4-2600 § 186 Nr 1, RdNr 14).

14

2. Gegenstand des Verfahrens (§ 95 SGG) ist der Bescheid vom 30.10.2009 nur insoweit, als die Beklagte Säumniszuschläge für die Zeit vom 1.12.1999 bis 31.12.2002 in Höhe von 1415,50 Euro fordert. Revisionsrechtlicher Streitgegenstand ist insofern allein die Erhebung der Verjährungseinrede durch den Kläger. Dies ist zulässig, weil es sich insofern um einen (ab-)trennbaren Streitgegenstand im revisionsrechtlichen Sinne handelt (stRspr, BSG Urteil vom 27.6.2012 - B 5 R 88/11 R - BSGE 111, 107 = SozR 4-2600 § 233 Nr 2, RdNr 12; BSG Urteil vom 27.4.2010 - B 5 R 8/08 R - SozR 4-2600 § 233a Nr 1 RdNr 23; BSG Urteil vom 12.12.2007 - B 12 AL 1/06 R - BSGE 99, 271 = SozR 4-2400 § 27 Nr 3, RdNr 10; BSG Urteil vom 13.9.2006 - B 12 AL 1/05 R - SozR 4-2400 § 27 Nr 2 RdNr 11). Damit steht die Pflicht des Klägers, Säumniszuschläge für den streitgegenständlichen Zeitraum zu zahlen, dem Grunde nach zwischen den Beteiligten fest. Der revisionsgerichtlichen Prüfung unterliegt allein die Durchsetzbarkeit der streitgegenständlichen Säumniszuschläge.

15

3. Das LSG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass der Anspruch der Beklagten auf Zahlung der Säumniszuschläge auch hinsichtlich des streitigen Zeitraums vom 1.12.1999 bis 31.12.2002 durchsetzbar ist.

16

a) Nach § 25 Abs 1 S 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind. Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjähren hingegen gemäß § 25 Abs 1 S 2 SGB IV in dreißig Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind. Diese Verjährungsfristen finden auch auf Säumniszuschläge Anwendung, die auf Nachversicherungsbeiträge entfallen (vgl Senatsurteile vom 1.7.2010 - B 13 R 67/09 R - SozR 4-2400 § 24 Nr 5 RdNr 33; vom 17.4.2008 - B 13 R 123/07 R - BSGE 100, 215 = SozR 4-2400 § 25 Nr 2, RdNr 24 f).

17

Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob vorliegend für die Verjährung der noch streitigen Säumniszuschläge die "lange" dreißigjährige Verjährungsfrist des § 25 Abs 1 S 2 SGB IV oder die "kurze" vierjährige Verjährungsfrist des § 25 Abs 1 S 1 SGB IV Anwendung findet. Selbst wenn man zugunsten des Klägers lediglich die vierjährige Verjährungsfrist annehmen wollte, er also hinsichtlich der Nachentrichtung der Nachversicherungsbeiträge lediglich fährlässig gehandelt haben sollte, ist dieser hinsichtlich der streitbefangenen Säumniszuschläge nicht zur Leistungsverweigerung berechtigt. Zwar waren nach den Feststellungen des LSG bei Begleichung der Beitragsschuld durch den Kläger im September 2007 die von der Beklagten für den Zeitraum vom 1.12.1999 bis 31.12.2002 erhobenen Säumniszuschläge bereits verjährt. Der Kläger kann sich aber nicht auf die Verjährung dieser Säumniszuschläge berufen. Denn eine solche Einrede stellt sich nach dem auch für das öffentliche Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) als rechtsmissbräuchlich und damit als unzulässige Rechtsausübung dar.

18

b) Der 5. Senat des BSG hat in seinem Urteil vom 27.6.2012 (B 5 R 88/11 R - BSGE 111, 107 = SozR 4-2600 § 233 Nr 2) in einem Fall, in dem der Rentenversicherungsträger - wie auch vorliegend - erst nach Jahren im Rahmen eines Kontenklärungsverfahrens des Versicherten vom Nachversicherungsfall erfahren hatte, weil der Nachversicherungsschuldner (Arbeitgeber) seiner Mitteilungspflicht pflichtwidrig nicht nachgekommen war, entschieden, dass sich der Nachversicherungsschuldner dann nicht auf die Verjährung der Nachversicherungsbeiträge berufen kann. Grundsätzlich sei die Erhebung der Verjährungseinrede zwar auch öffentlich-rechtlichen Trägern gestattet; anders sei dies aber, wenn erst das pflichtwidrige Unterlassen des Nachversicherungsschuldners den Rentenversicherungsträger von der (rechtzeitigen) Geltendmachung seines Beitragsanspruchs abgehalten habe. In einem solchen Fall sei die Erhebung einer Verjährungseinrede hinsichtlich der Nachversicherungsbeiträge ausgeschlossen, weil diese rechtsmissbräuchlich sei. Dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an.

19

Entgegen der Auffassung des Klägers kann in einer solchen Fallkonstellation hinsichtlich der Erhebung der Einrede der Verjährung in Bezug auf Säumniszuschläge (Nebenforderung) nichts anderes gelten (vgl bereits Senatsentscheidung vom 1.7.2010 - B 13 R 67/09 R - SozR 4-2400 § 24 Nr 5 RdNr 32 zum Rechtsinstitut der Verwirkung). Denn insoweit teilt die Nebenforderung das Schicksal der Hauptforderung (vgl LSG Baden-Württemberg Urteil vom 9.4.2014 - L 5 R 2239/13 - Juris RdNr 23; Bigge in Eichenhofer/Wenner, Komm zum SGB I, IV, X, 2012, § 24 SGB IV RdNr 5 und 16; zum Gleichlauf der Verjährungsfristen: BSG Urteil vom 8.4.1992 - 10 RAr 5/91 - SozR 3-2400 § 25 Nr 4 S 16).

20

(1) Der Sinn und Zweck von Säumniszuschlägen rechtfertigt keine vom Schicksal der Nachversicherungsbeiträge abweichende rechtliche Bewertung der Zulässigkeit der Erhebung einer Verjährungseinrede.

21

Säumniszuschläge nach § 24 SGB IV sanktionieren die verspätete Beitragszahlung des Arbeitgebers, indem einerseits durch die säumnisbedingte Erhöhung des Zahlbetrags zur Sicherstellung eines geordneten Verwaltungsablaufs und der Beschaffung der hierfür benötigten Finanzmittel Druck auf den Schuldner ausgeübt(Senatsentscheidung vom 1.7.2010 - B 13 R 67/09 R - SozR 4-2400 § 24 Nr 5 RdNr 15; BSG Urteil vom 24.1.2003 - B 12 KR 30/00 R - SozR 4-2500 § 266 Nr 4 RdNr 15; BSG Urteil vom 23.10.1987 - 12 RK 11/86 - Juris RdNr 12), andererseits aber auch ein standardisierter Mindestschadensausgleich für den eingetretenen Zinsverlust und Verwaltungsaufwand vorgenommen wird (vgl Senatsentscheidung vom 12.2.2004 - B 13 RJ 28/03 R - BSGE 92, 150 = SozR 4-2400 § 24 Nr 2, RdNr 12; BSG Urteil vom 17.5.2001 - B 12 KR 32/00 R - BSGE 88, 146, 152 = SozR 3-2400 § 24 Nr 4 S 15; BSG Beschluss vom 10.6.2010 - B 2 U 4/10 B - SozR 4-1920 § 43 Nr 1 RdNr 16). Damit soll sichergestellt werden, dass die Sozialleistungsträger die entstandenen Beiträge zum Fälligkeitstermin auch tatsächlich zur Erfüllung ihrer Leistungspflichten zur Verfügung haben, und zudem soll ausgeschlossen werden, dass sich der Beitragsschuldner durch rechtswidriges Verhalten ein "zinsloses" Darlehen verschafft oder durch eine verspätete Beitragszahlung selbst einen Zinsvorteil erlangt (Senatsentscheidung vom 12.2.2004 - B 13 RJ 28/03 R - BSGE 92, 150 = SozR 4-2400 § 24 Nr 2, RdNr 12). In dieser "Doppelfunktion" dienen Säumniszuschläge somit der Funktionsfähigkeit und der finanziellen Stabilität der Sozialversicherung (BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 3/11 R - BSGE 111, 268 = SozR 4-2400 § 24 Nr 7, RdNr 25; Udsching in Hauck/Noftz, SGB IV, K § 24 RdNr 1, Stand Einzelkommentierung Oktober 2012). Hierbei handelt es sich um einen überragend wichtigen Gemeinwohlbelang und ein legitimes gesetzgeberisches Ziel (vgl BSG Urteil vom 29.8.2012 aaO; BVerfG Urteil vom 10.6.2009 - 1 BvR 706/08 ua - BVerfGE 123, 186, 264 f = SozR 4-2500 § 6 Nr 8 RdNr 233 mwN).

22

Der Umstand, dass sich die Einrede der Verjährung bei Säumniszuschlägen nicht auf das Bestehen oder Nichtbestehen des Versicherungsschutzes des Nachzuversichernden auswirkt, hat entgegen der Ansicht des Klägers nicht zur Folge, dass die Erhebung von Säumniszuschlägen nicht auch im Interesse des einzelnen Versicherten steht. Denn zumindest mittelbar kommt auch die Erhebung von Säumniszuschlägen dem jeweiligen Versicherten zugute, tragen sie doch als sonstige Einnahmen zur Finanzierung der umlagefinanzierten gesetzlichen Rentenversicherung und damit zum Erhalt ihrer Funktionsfähigkeit und Finanzstabilität bei (vgl Schmidt in Kreikebohm, SGB VI, 4. Aufl 2013, § 153 RdNr 10).

23

(2) Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass dem Einwand der unzulässigen Rechtsausübung wegen Rechtsmissbrauchs der Gedanke zugrunde liegt, dass niemand aus seinem eigenen fehlerhaften Verhalten für sich Vorteile zum Nachteil eines anderen herleiten können soll (vgl A. Guckelberger, Die Verjährung im Öffentlichen Recht, 2004, S 444). Auch vor diesem Hintergrund überzeugt die vom Kläger vorgenommene quantitative Betrachtungsweise nicht, die "Solidargemeinschaft" der Versicherten werde durch die Verjährung eines Teils der entstandenen Säumniszuschläge (bei Entrichtung der Nachversicherungsbeiträge) nicht in einem Maße belastet, dass dies die Einrede der Verjährung unter Berücksichtigung des (fahrlässigen) Verhaltens des Klägers als rechtsmissbräuchlich erscheinen lasse.

24

(3) Dieses Ergebnis steht auch nicht im Widerspruch zur Entscheidung des Senats vom 17.4.2008 (B 13 R 123/07 R - BSGE 100, 215 = SozR 4-2400 § 25 Nr 2), in der er ausgeführt hat, dass der Beitragsschuldner - trotz Verjährung - grundsätzlich berechtigt sei, auf die Hauptleistung zu zahlen - etwa weil er hierzu nach beamtenrechtlichen Grundsätzen verpflichtet sei -, sich jedoch nur wegen einer Nebenforderung auf Verjährung berufen könne (aaO, RdNr 24). Denn der Senat hat in der vorgenannten Entscheidung mangels ausreichender Feststellungen der Vorinstanz die Rechtssache zurückverweisen müssen und nicht klären können, ob in dieser Sache Säumniszuschläge überhaupt zu erheben und bejahendenfalls, ob diese nicht bereits verjährt waren.

25

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 SGG, weil die Beteiligten nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören. Dem Kläger waren gemäß § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO die Kosten des Revisionsverfahrens aufzuerlegen, weil er mit seinem Rechtsmittel keinen Erfolg hatte. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 52 Abs 1 und 3 sowie § 47 Abs 1 S 1 GKG.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 197a


(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskosten

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 183


Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kos

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Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so ist Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat.

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(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Eines Vorverfahrens bedarf es nicht, wenn 1. ein Gesetz dies für besondere Fälle bestimmt oder2. der Verwaltungsakt v

Sozialgesetzbuch (SGB) Viertes Buch (IV) - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (Artikel I des Gesetzes vom 23. Dezember 1976, BGBl. I S. 3845) - SGB 4 | § 24 Säumniszuschlag


(1) Für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 Prozent des rückständigen, auf 50 Euro nach unten abgeru

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(1) Ansprüche auf Beiträge verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind. Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjähren in dreißig Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind.

(2) Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß. Die Verjährung ist für die Dauer einer Prüfung beim Arbeitgeber gehemmt; diese Hemmung der Verjährung bei einer Prüfung gilt auch gegenüber den auf Grund eines Werkvertrages für den Arbeitgeber tätigen Nachunternehmern und deren weiteren Nachunternehmern. Satz 2 gilt nicht, wenn die Prüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die prüfende Stelle zu vertreten hat. Die Hemmung beginnt mit dem Tag des Beginns der Prüfung beim Arbeitgeber oder bei der vom Arbeitgeber mit der Lohn- und Gehaltsabrechnung beauftragten Stelle und endet mit der Bekanntgabe des Beitragsbescheides, spätestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Abschluss der Prüfung. Kommt es aus Gründen, die die prüfende Stelle nicht zu vertreten hat, zu einem späteren Beginn der Prüfung, beginnt die Hemmung mit dem in der Prüfungsankündigung ursprünglich bestimmten Tag. Die Sätze 2 bis 5 gelten für Prüfungen der Beitragszahlung bei sonstigen Versicherten, in Fällen der Nachversicherung und bei versicherungspflichtigen Selbständigen entsprechend. Die Sätze 1 bis 5 gelten auch für Prüfungen nach § 28q Absatz 1 und 1a sowie nach § 251 Absatz 5 und § 252 Absatz 5 des Fünften Buches.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Eines Vorverfahrens bedarf es nicht, wenn

1.
ein Gesetz dies für besondere Fälle bestimmt oder
2.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde, einer obersten Landesbehörde oder von dem Vorstand der Bundesagentur für Arbeit erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
3.
ein Land, ein Versicherungsträger oder einer seiner Verbände klagen will.

(2) (weggefallen)

(3) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so ist Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 29. Juni 2011 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten auch des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der Kosten des Beigeladenen.

Der Streitwert wird auf 5000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten zuletzt noch darüber, ob sich der Kläger hinsichtlich der Zahlung von Nachversicherungsbeiträgen für den Beigeladenen auf Verjährung berufen darf.

2

Der 1948 geborene Beigeladene nahm vom 1.4.1965 bis 30.9.1970 bei der Landesforstverwaltung des Klägers an der Ausbildung für die gehobene Forstlaufbahn teil, zuletzt ab 1.10.1968 als Revierförsteranwärter. In der Zeit vom 8.4.1969 bis 30.9.1970 war er zur Ableistung des Wehrdienstes ohne Bezüge beurlaubt.

3

Nach einem Antrag des Beigeladenen auf Kontenklärung im Januar 2008 teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 14.3.2008 mit, für den Beigeladenen sei für die Zeit vom 1.10.1968 bis 7.4.1969 eine Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung durchzuführen, und bat ihn, den Nachversicherungsbetrag zu überweisen. Mit Schreiben vom 9.7.2008 teilte der Kläger mit, in der Personalakte des Beigeladenen gebe es weder einen Vorgang bezüglich einer Nachversicherung noch eine Aufschubbescheinigung. Besoldungsunterlagen lägen nicht vor. Schließlich erhob er bezüglich der Nachversicherung die Einrede der Verjährung gemäß § 25 Abs 1 SGB IV.

4

Mit Bescheid vom 8.8.2008 forderte die Beklagte den Kläger auf, die Nachversicherungsbeiträge für die Zeit vom 1.10.1968 bis 7.4.1969 gemäß § 233 Abs 1 SGB VI iVm § 9 Abs 1 AVG zu überweisen. Die Erhebung der Verjährungseinrede durch den ehemaligen Dienstherrn in Bezug auf Nachversicherungsbeiträge verstoße gegen Treu und Glauben und stelle unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht aus dem Beamtenverhältnis eine unzulässige Rechtsausübung dar.

5

Mit Urteil vom 14.1.2011 hat das SG Koblenz diesen Bescheid aufgehoben. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG Rheinland-Pfalz das Urteil des SG Koblenz aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 29.6.2011). Hierzu hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Die Voraussetzungen für die Durchführung der Nachversicherung gemäß § 233 Abs 1 S 1 SGB VI seien erfüllt. Zwar seien die Nachversicherungsbeiträge zum Zeitpunkt der erstmaligen Geltendmachung durch die Beklagte bereits gemäß § 25 Abs 1 SGB IV verjährt gewesen, da die Nachversicherungsbeiträge am 30.9.1970 fällig geworden seien. Die Verjährung stehe indessen der Geltendmachung der Nachversicherungsbeiträge nicht entgegen, da dem Kläger eine Berufung auf die Einrede der Verjährung nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt sei. Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung stehe der Verjährungseinrede dann entgegen, wenn der Schuldner den Gläubiger von der rechtzeitigen Geltendmachung eines Rechts bzw von verjährungsunterbrechenden oder -hemmenden Handlungen abgehalten und dadurch bei ihm den Glauben hervorgerufen habe, dass er sich nicht auf den Ablauf der Verjährungsfrist berufen werde. Auch eine bloße Untätigkeit könne zu einer Rechtsmissbräuchlichkeit der Einrede der Verjährung führen. Dies sei dann der Fall, wenn eine Rechtspflicht zum Handeln bestanden habe. Diese Pflicht könne sich aus der vormaligen Fürsorgepflicht als Ausfluss des Beamtenrechtsverhältnisses ergeben. Der Dienstherr habe im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl des Beamten und seiner Familie auch für die Zeit nach Beendigung des Beamtenverhältnisses zu sorgen. Der Kläger sei mit Ausscheiden des Beigeladenen aus dem Dienst grundsätzlich verpflichtet gewesen, die Nachversicherung durchzuführen oder eine Aufschubbescheinigung zu erteilen. Dieser Verpflichtung sei er nicht nachgekommen. Somit seien eine Berufung des Klägers auf den Eintritt der Verjährung und die daraus folgende Weigerung, die Nachversicherungsbeiträge zu entrichten, rechtsmissbräuchlich.

6

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 25 Abs 1 SGB IV. Die Geltendmachung der Verjährungseinrede sei zulässig. Ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung liege nicht vor, da Voraussetzung hierfür sei, dass derjenigen Partei des Rechtsverhältnisses, die ein Recht geltend mache, eine Pflichtverletzung zur Last zu legen sei. Diese Pflichtverletzung müsse mit der geltend gemachten Rechtsposition oder zumindest mit dem Rechtsverhältnis, in dem die Position erwachsen sei, zusammenhängen. Eine Pflichtverletzung des Klägers gegenüber der Beklagten mit einem ausreichenden Bezug zur Verjährung des Anspruchs sei aber nicht ersichtlich. Der Kläger habe lediglich die Pflicht zur Durchführung der Nachversicherung verletzt. Eine darüber hinausgehende Pflichtverletzung, die ihm die Erhebung der Verjährungseinrede ermöglicht oder erleichtert hätte, liege nicht vor. Das bloße Unterlassen der Nachversicherung stelle kein aktives Verhalten des Klägers dar, das die Beklagte davon abgehalten haben könnte, die Nachversicherungsbeiträge geltend zu machen. Während des gesamten Zeitraums habe es zwischen dem Kläger und der Beklagten keine Kontakte gegeben. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben resultiere auch nicht aus einer etwaigen Verletzung der Fürsorgepflicht des Klägers als ehemaligem Dienstherrn des Beigeladenen, da diese keine Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen den Beteiligten habe. Es komme allein auf Pflichtverletzungen im Rechtsverhältnis zwischen Beitragsschuldner und -gläubiger an.

7

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 29. Juni 2011 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 14. Januar 2011 zurückzuweisen, soweit dieses die Durchsetzbarkeit des Zahlungsgebots im Bescheid vom 8. August 2008 beseitigt hat.

8

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

10

Der Beigeladene war im Verfahren vor dem BSG nicht vertreten (§ 73 Abs 4 SGG).

Entscheidungsgründe

11

Die auf die Frage der Verjährung beschränkte Revision ist unbegründet. Insofern hat das LSG im Ergebnis zutreffend das Urteil des SG aufgehoben und die zulässige Anfechtungsklage abgewiesen. Die Geltendmachung der Verjährungseinrede durch den Kläger ist rechtsmissbräuchlich.

12

Gegenstand des Verfahrens (§ 95 SGG) ist der Bescheid der Beklagten vom 8.8.2008, mit dem die Beklagte den Kläger zur Zahlung der Nachversicherungsbeiträge für die Beschäftigung des Beigeladenen in der Zeit vom 1.10.1968 bis 7.4.1969 aufgefordert hat. Revisionsrechtlicher Streitgegenstand ist insofern allein die Erhebung der Verjährungseinrede durch den Kläger. Dies ist zulässig, weil es sich insofern um einen (ab-)trennbaren Streitgegenstand im revisionsrechtlichen Sinne handelt (BSG SozR 4-2600 § 233a Nr 1 RdNr 23; BSGE 99, 271 = SozR 4-2400 § 27 Nr 3, RdNr 10; BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 2 RdNr 11; BGH Urteile vom 11.1.1974 - I ZR 89/72 - MDR 1974, 558, 559 und vom 12.7.1989 - VIII ZR 286/88 - BGHZ 108, 256, 259). Da der Kläger sein Revisionsbegehren in dieser Weise beschränkt hat, ist das Urteil des LSG im Übrigen rechtskräftig (§ 141 Abs 1 SGG) und der angegriffene Bescheid vom 8.8.2008 insoweit bestandskräftig geworden (§ 77 SGG). Damit steht die Pflicht des Klägers, die Nachversicherung für den beigeladenen Versicherten für die Zeit vom 1.10.1968 bis 7.4.1969 durchzuführen, dem Grunde nach zwischen den Beteiligten fest. Der revisionsgerichtlichen Prüfung unterliegt allein die Durchsetzbarkeit einer hieraus folgenden Beitragsforderung.

13

In der Sache kann die Revision des Klägers keinen Erfolg haben. Das LSG hat im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass der Anspruch der Beklagten auf Entrichtung von Beiträgen für eine Nachversicherung des Beigeladenen in der gesetzlichen Rentenversicherung für den Zeitraum vom 1.10.1968 bis 7.4.1969 durchsetzbar ist. Zwar ist dieser Beitragsanspruch verjährt, doch kann sich der Kläger hierauf nicht berufen. Die Erhebung der Verjährungseinrede durch ihn ist rechtsmissbräuchlich.

14

Das LSG hat für den erkennenden Senat bindend (§ 163 SGG) festgestellt, dass der Beigeladene mit Ablauf des 30.9.1970 unversorgt aus einer versicherungsfreien Beschäftigung bei dem Kläger ausgeschieden ist. Mit Entfallen der Versicherungsfreiheit waren daher am 1.10.1970 die gesetzlichen Voraussetzungen für die Durchführung der Nachversicherung im Zeitraum 1.10.1968 bis 7.4.1969 erfüllt. In Ermangelung eines Aufschubgrundes (§ 125 Abs 1 AVG)war damit der Anspruch der Beklagten auf die Nachversicherungsbeiträge für die Zeit vom 1.10.1968 bis 7.4.1969 in gesetzlicher Höhe entstanden und gleichzeitig fällig.

15

Dieser Beitragsanspruch der Beklagten ist verjährt. Entgegen der Auffassung des LSG richtet sich die Verjährung des Anspruchs auf Nachversicherungsbeiträge im vorliegenden Fall zunächst noch nach § 205 AVG iVm § 29 Abs 1 RVO und nur bei Geltung der dreißigjährigen Verjährungsfrist zusätzlich nach § 25 Abs 1 SGB IV.

16

Die mit Wirkung vom 1.7.1977 (Art II § 21 Abs 1 SGB IV) durch § 25 Abs 1 SGB IV neu geordnete Verjährung von Beitragsansprüchen gilt nach den Überleitungsbestimmungen in Art II § 15 aaO auch für die schon vorher fällig gewordenen, noch nicht verjährten Beitrags- und Erstattungsansprüche. Nicht verjährt in diesem Sinne sind diejenigen vor dem 1.7.1977 fällig gewordenen Beitragsansprüche, hinsichtlich derer die bis dahin in § 205 AVG iVm § 29 Abs 1 RVO festgelegte Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen war(vgl BSG vom 24.3.1983 - 1 RA 71/82 - Juris RdNr 20 mwN). Nach der Vorschrift des § 29 Abs 1 RVO verjährte der Anspruch auf rückständige Beiträge in zwei Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres der Fälligkeit, "soweit die nicht absichtlich hinterzogen worden sind". Im Falle eines absichtlichen Hinterziehens galt in entsprechender lückenfüllender Anwendung der die Verjährung betreffenden Vorschriften des BGB (vgl BSG vom 24.3.1983 - 1 RA 71/82 - Juris RdNr 21; BSGE 35, 236, 238 = SozR Nr 26 zu § 29 RVO)eine Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 195 BGB in der bis 31.12.2001 geltenden Fassung). Fällig geworden war der Beitragsanspruch zur Nachversicherung des Beigeladenen nach dessen unversorgtem Ausscheiden aus dem versicherungsfreien Beschäftigungsverhältnis am 1.10.1970. Der Umstand, dass der Anspruch zu diesem Zeitpunkt noch nicht bezifferbar war, hindert Beginn und Ablauf der Verjährung nicht (vgl BGH vom 19.1.1978 - VII ZR 304/75 - WM 1978, 496, Juris RdNr 16 und vom 22.2.2006 - XII ZR 48/03 - NJW 2006, 1963, 1965 mwN). Das LSG hat keine Feststellungen darüber getroffen, ob der Kläger die Nachversicherungsbeiträge absichtlich hinterzogen hat; hierauf kommt es jedoch auch nicht an. Denn lägen die Voraussetzungen für ein absichtliches Hinterziehen nicht vor, hätte die zweijährige Regelverjährung gemäß § 29 Abs 1 RVO am 1.1.1971 begonnen und zum 31.12.1972 geendet. Anderenfalls wäre die dreißigjährige Verjährungsfrist am 1.7.1977 noch nicht abgelaufen gewesen, so dass sich ab diesem Zeitpunkt die Verjährung nach § 25 Abs 1 SGB IV gerichtet hätte. Auch die hiernach geltenden Verjährungsfristen waren jedoch abgelaufen, als die Beklagte im März 2008 ein Verwaltungsverfahren zur Prüfung der Nachversicherung einleitete.

17

Trotz Verjährung ist der Kläger hinsichtlich der Nachversicherungsbeiträge nicht zur Leistungsverweigerung berechtigt. Die Berufung auf diese Einrede stellt sich nach den vom LSG getroffenen tatsächlichen Feststellungen, an die der Senat gebunden ist (§ 163 SGG), als rechtsmissbräuchlich und damit als unzulässige Rechtsausübung dar.

18

Das Rechtsinstitut der unzulässigen Rechtsausübung wegen Rechtsmissbrauchs ist eine aus dem Grundsatz von Treu und Glauben iS des § 242 BGB abgeleitete, der gesamten Rechtsordnung immanente Schranke, die auch im Bereich des Sozialrechts zu beachten ist(vgl BSG SozR 3-2400 § 25 Nr 6 S 27; SozR 3-2200 § 543 Nr 1 S 5; BSGE 43, 227, 232 = SozR 3100 § 21 Nr 1 S 6; BSGE 46, 187, 189 = SozR 2200 § 315a Nr 7 S 18; BSGE 62, 96, 98 = SozR 1200 § 14 Nr 26 S 72 f). Die Verjährung hingegen dient dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit des Rechtsverkehrs (BGHZ 59, 72, 74). Dieser Zweck gebietet es, strenge Maßstäbe anzulegen und den Einwand der unzulässigen Rechtausübung nur gegenüber einem wirklich groben Verstoß gegen Treu und Glauben durchgreifen zu lassen (BGH NJW-RR 1989, 215, 217; BSG USK 77190 S 780). Die Berufung auf Verjährung wird daher grundsätzlich nur dann als unzulässige Rechtsausübung angesehen, wenn der Verpflichtete den Berechtigten, wenn auch unabsichtlich, durch sein Verhalten von der rechtzeitigen Geltendmachung des Anspruchs abgehalten oder ihn auf sonstige Weise nach objektiven Maßstäben zu der Annahme veranlasst hat, es werde auch ohne Rechtsstreit eine vollständige Befriedigung seines Anspruchs zu erreichen sein (BGH NJW 1988, 2245, 2247; BGHZ 93, 64, 66; BAG vom 4.11.1992 - 5 AZR 75/92 - Juris RdNr 23 mwN; BAG AP Nr 12 zu § 4 BAT Bl 373; BVerwG vom 15.6.2006 - 2 C 14/05 - Juris RdNr 23 mwN). Auch im Sozialrecht und insbesondere im Beitragsrecht steht der gesetzlich zugelassenen Verjährungseinrede (§ 25 SGB IV) der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs entgegen, wenn der Gläubiger im Vertrauen auf ein konkretes, ihm gegenüber an den Tag gelegtes Verhalten des Beitragsschuldners die Ansprüche nicht innerhalb der Verjährungsfrist verfolgt hat (BSG SozR 3-2400 § 25 Nr 6 S 27; SozR 2200 § 182 Nr 113 S 255; BSG USK 82182 S 825 und USK 77190 S 780).

19

Daraus ergibt sich als regelmäßige Voraussetzung für den Einwand unzulässiger Rechtsausübung, dass der Schuldner eine Tätigkeit entfaltet und Maßnahmen trifft, die den Gläubiger veranlassen, verjährungsunterbrechende Schritte zu unterlassen, sei es auch nur, weil ihm infolge eines solchen Tuns Ansprüche unbekannt geblieben sind. Die Untätigkeit des Gläubigers muss gerade auf das Verhalten des Schuldners zurückzuführen sein (BAG vom 4.11.1992 - 5 AZR 75/92 - Juris RdNr 23). Nur zu eigenem Tun wird sich der Schuldner grundsätzlich durch Erhebung der Verjährungseinrede in einen gegen Treu und Glauben verstoßenden Widerspruch setzen können, indem er aus der von ihm selbst veranlassten Untätigkeit des Gläubigers einen Vorteil für sich ableiten will. Jedoch kann auch ein qualifiziertes, dh ein pflichtwidriges Unterlassen (Grothe in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl 2012, RdNr 19 vor § 194)gebotener Maßnahmen durch die zuständige Behörde die spätere Berufung auf die Verjährungseinrede als rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen. Dies gilt insbesondere, wenn allein dieses objektiv pflichtwidrige Unterlassen ursächlich dafür ist, dass der Gläubiger keine Kenntnis von seinem Anspruch erlangt hat. Auch durch ein solches Unterlassen hat der Schuldner den Gläubiger von der Geltendmachung seines Anspruchs "abgehalten" mit der Folge, dass die Einrede der Verjährung durch den Schuldner eine unzulässige Rechtsausübung darstellt (vgl BVerwGE 66, 256, 259 sowie BVerwGE 97, 1, 11; BAG vom 4.11.1992 - 5 AZR 75/92 - Juris RdNr 23; zum Abhalten von der Klageerhebung durch unabsichtliches Verschweigen relevanter Tatsachen betreffend die Person des Schuldners: BGH NJW 2002, 3110, 3111; zur unterlassenen Belehrung über das Bestehen eines Erstattungsanspruchs, die Notwendigkeit eines schriftlichen Antrags sowie dessen Modalitäten: BSGE 99, 271 = SozR 4-2400 § 27 Nr 3, RdNr 14). Diese Voraussetzungen für eine unzulässige Rechtsausübung sind im vorliegenden Fall erfüllt.

20

Es kann offenbleiben, ob - wie das LSG annimmt - für den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs auf das beamtenrechtliche Fürsorgeverhältnis zwischen dem Beitragsschuldner und dem ehemaligen Beschäftigten abzustellen ist bzw ob sich aus diesem Fürsorgeverhältnis eine Handlungspflicht des Beitragsschuldners gegenüber dem Beitragsgläubiger ergeben kann. Denn auf die Einrede der Verjährung kann sich der Kläger schon deshalb nicht berufen, weil er nach dem Ausscheiden des Beigeladenen seine rentenrechtliche Pflicht zur Entrichtung der Nachversicherungsbeiträge verletzt hat. Zu diesem Unterlassen der Durchführung der Nachversicherung - gleich aus welchem Grunde - setzt sich der Kläger mit dem späteren Einwand der Verjährung in einen gegen Treu und Glauben verstoßenden Widerspruch. Denn das Nachversicherungsverhältnis ist dadurch gekennzeichnet, dass es grundsätzlich allein der Nachversicherungsschuldner in der Hand hat, ob der Nachversicherungsgläubiger überhaupt von seinem Anspruch erfährt. Unterrichtet nicht ausnahmsweise der zuvor versicherungsfrei Beschäftigte den Rentenversicherungsträger - wozu er generell nicht verpflichtet ist und wofür es vorliegend an Anhaltspunkten fehlt -, ist der Rentenversicherungsträger rechtlich grundsätzlich und faktisch in aller Regel darauf angewiesen, dass der Nachversicherungsschuldner von sich aus die Nachversicherungsbeiträge ermittelt, zahlt sowie eine entsprechende Bescheinigung erteilt (vgl § 124 Abs 1, 2, 6 AVG, § 185 Abs 1 und 3 SGB VI). Bei Verletzung dieser Pflicht bleibt dem Gläubiger sein Beitragsanspruch mit der Folge unbekannt, dass er zulasten der Versichertengemeinschaft von der Geltendmachung seines Anspruchs sowie von sonstigen verjährungshemmenden Handlungen abgehalten wird (vgl LSG Nordrhein-Westfalen vom 16.1.2006 - L 3 R 3/05 - Juris RdNr 38; im Ergebnis ebenso, jedoch - zumindest auch - auf das beamtenrechtliche Fürsorgeverhältnis abstellend LSG Nordrhein-Westfalen vom 26.1.2007 - L 13 R 117/05 - Juris RdNr 42 f; aA die Entscheidungen des LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 22.1.2010 - L 4 R 1764/09 - sowie vom 13.4.2011 - L 5 R 1663/10 - und des LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 5.10.2010 - L 18 R 247/09 - jeweils nicht veröffentlicht; ebenfalls aA LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 27.10.2010 - L 8 R 181/09 - Juris RdNr 29).

21

Bei der Beurteilung des Verhaltens des Klägers müssen auch Sinn und Zweck der Nachversicherung sowie der systematische Zusammenhang zwischen der Nachversicherung und den Tatbeständen der Versicherungsfreiheit bzw der Befreiung von der Versicherungspflicht beachtet werden. Eine Nachversicherung findet statt bei Personen, die in einer Beschäftigung versicherungsfrei waren oder von der Versicherungspflicht befreit worden sind, wenn sie aus dieser Beschäftigung unversorgt ausgeschieden sind. Insbesondere für die Personengruppe der versicherungsfreien Beschäftigten (vgl § 8 Abs 2 S 1 Nr 1 bis 3 SGB VI iVm § 5 Abs 1 SGB VI)ist zu berücksichtigen, dass die Vorschrift des § 5 Abs 1 SGB VI die Versicherungsfreiheit als Ausnahme von der grundsätzlichen Versicherungspflicht für die betreffenden, eigentlich die Versicherungspflicht begründenden Beschäftigungen anordnet(vgl Gürtner in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 5 SGB VI RdNr 2 ff, Stand April 2009). Der Eintritt von Versicherungsfreiheit setzt voraus, dass dem Grunde nach ein Sachverhalt vorliegt, der nach den §§ 1 bis 4 SGB VI Versicherungspflicht begründet(vgl BSG SozR 4-2600 § 210 Nr 2 RdNr 23; BSGE 41, 297, 299 = SozR 2200 § 1399 Nr 4 S 8; BSG SozR 2200 § 172 Nr 19 S 40). Aufgrund ihrer Beschäftigung wäre diese Personengruppe also grundsätzlich versicherungspflichtig; das Gesetz stellt sie in dieser Beschäftigung jedoch ausnahmsweise von der Versicherungspflicht frei, da bereits eine anderweitige Absicherung vorliegt, so dass eine Einbeziehung dieser Personen in den Schutzbereich der gesetzlichen Rentenversicherung entbehrlich ist. Scheidet jedoch der Beschäftigte aus dieser versicherungsfreien Beschäftigung unversorgt aus, so ist der Grund für die Versicherungsfreiheit, nämlich die fehlende Schutzbedürftigkeit aufgrund einer anderweitigen Absicherung, nachträglich entfallen. Um diese Versorgungslücke zu schließen, soll mithilfe der Nachversicherung im Nachhinein eine soziale Sicherung dergestalt hergestellt werden, wie sie bestanden hätte, wenn der Beschäftigte in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert gewesen wäre. Daher entsteht mit dem unversorgten Ausscheiden des Beschäftigten die Pflicht des Arbeitgebers, die Nachversicherungsbeiträge sofort abzuführen (vgl BSG SozR 3-2200 § 1232 Nr 2 S 6 mwN). Die Pflicht zur Zahlung der Nachversicherungsbeiträge tritt kraft Gesetzes ein, ohne dass es eines Bescheides des zuständigen Rentenversicherungsträgers bedarf (vgl BSG SozR 3-2600 § 8 Nr 6 S 20 f). Erst mit der wirksamen Zahlung der Nachversicherungsbeiträge erwirbt der zuvor versicherungsfrei Beschäftigte den Versichertenstatus und damit den Versicherungsschutz (vgl BSGE 100, 19 = SozR 4-2600 § 281 Nr 1, RdNr 23; BSG SozR 3-2200 § 1232 Nr 2 S 5). Mit der Durchführung der Nachversicherung kommt aber nicht nur dem Nachversicherten der jedem versicherten Beschäftigten aufgrund seiner Arbeit zustehende Schutz der Rentenversicherung zugute; die Nachversicherungsbeiträge dienen zudem in dem im Umlageverfahren finanzierten System der gesetzlichen Rentenversicherung dazu, die Solidarlast zu tragen (vgl Finke in Hauck/Haines, SGB VI, K § 8 RdNr 7, Stand Juni 2009). Die Pflicht zur rechtzeitigen, also unverzüglichen Zahlung der Nachversicherungsbeiträge steht demnach nicht nur im Interesse des einzelnen Beschäftigten, sondern auch im Interesse der Solidargemeinschaft der Versicherten. Verletzt ein - zumal wie hier öffentlich-rechtlicher - Arbeitgeber diese Beitragspflicht, ist ihm grundsätzlich und in aller Regel allein wegen dieses Unterlassens die Verjährungseinrede verwehrt.

22

Der Kläger geht schließlich unter Hinweis auf unveröffentlichte Rechtsprechung des LSG Baden-Württemberg irrigerweise davon aus, die Erhebung der Verjährungseinrede könne sich nur dann als rechtsmissbräuchlich darstellen, wenn der Schuldner im Verhältnis zum Gläubiger eine aktive Pflichtverletzung begangen habe. Indessen ist bereits durch die Rechtsprechung des Reichsgerichts (Urteile vom 2.6.1934 - V 10/34 - RGZ 144, 378, 381 und vom 27.10.1934 - V 353/34 - RGZ 145, 239, 244) und ihm folgend des BVerwG (Urteil vom 26.1.1966 - VI C 112.63 - BVerwGE 23, 166, 171 und vom 9.7.1973 - VIII C 4.73 - BVerwGE 42, 353 ff), des BGH (Urteile vom 3.2.1953 - I ZR 61/52 - BGHZ 9, 1, 5, vom 7.5.1991 - XII ZR 146/90 - NJW-RR 1991, 1033 - Juris RdNr 18 und vom 12.6.2002 - VIII ZR 187/01 - NJW 2002, 3110, 3111) und des BAG (Urteil vom 25.2.1987 - 4 AZR 239/86 - Juris RdNr 22, 23) geklärt, dass eine Rechtsmissbräuchlichkeit der Verjährungseinrede nicht nur dann in Betracht kommt, wenn der Berufung des Schuldners auf Verjährung eigenes positives Tun entgegensteht, durch das er seinen Gläubiger von der rechtzeitigen gerichtlichen Durchsetzung einer diesem bekannten Forderung trotz der drohenden Verjährung abgehalten hat. Vielmehr liegt ein "Abhalten von der Klageerhebung" auch dann vor, wenn der Gläubiger von der rechtzeitigen verjährungsunterbrechenden Geltendmachung seines Anspruchs durch das Verhalten des Schuldners abgehalten worden ist, indem der Schuldner bewirkt hat, dass dem Gläubiger sein Anspruch nicht bekannt geworden ist. Ein entsprechender Sachverhalt liegt hier vor. Allein der Kläger hat durch sein objektiv gesetzwidriges Verhalten bewirkt, dass der Beklagten ihre Beitragsansprüche unbekannt geblieben sind und sie infolge dieser Unkenntnis nicht rechtzeitig verjährungsunterbrechende Maßnahmen eingeleitet hat. Da demnach das eigene pflichtwidrige Verhalten des Klägers dafür ursächlich ist, dass die Verjährungsfrist für die Ansprüche der Beklagten abgelaufen ist, kann sich der Kläger nach Treu und Glauben auf den Ablauf der Verjährungsfrist nicht berufen, weil dies mit seinem eigenen Verhalten nicht im Einklang stehen würde. Bei dieser Sach- und Rechtslage kommt es auf ein Verschulden des Klägers nicht an (vgl insgesamt BVerwGE 23, 166, 171).

23

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG, da die Beteiligten nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören. Dem Kläger waren gemäß §§ 154 Abs 1, 162 VwGO iVm § 197a Abs 1 SGG die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, da er hinsichtlich seines Begehrens, die Durchsetzbarkeit der Beitragsforderung zu beseitigen, vollständig unterlegen ist. Die Kosten des Beigeladenen hat der Kläger nicht zu tragen, da der Beigeladene keinen Antrag gestellt hat und damit kein Kostenrisiko eingegangen ist.

24

Die endgültige Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 47 Abs 1 S 1 und Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 2 GKG, da der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des genauen Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte bietet.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte den Kläger auf Zahlung von Nachversicherungsbeiträgen für die Beigeladene zu 1) in Anspruch nehmen durfte.

2

Die Beigeladene zu 1), die am 1920 geboren und am 16.10.2008 verstorben ist, trat am 20.6.1949 in die Schwesternschaft des Diakonissen-Mutter- und Krankenhauses Genthin/Sachsen-Anhalt (Mutterhaus) ein und ließ sich dort erfolgreich zur examinierten Krankenschwester ausbilden. Anschließend arbeitete sie als Krankenschwester im Krankenhaus Genthin. Das Mutterhaus zahlte für sie ab dem 12.1.1950 Beiträge zur Freiwilligen Rentenversicherung der DDR in Höhe von 6,00 Mark (M) monatlich. Am 9.5.1954 wurde die Beigeladene zu 1) zur Diakonissin eingesegnet, womit nach § 16 Satz 4 der Satzung des Mutterhauses vom 1.3.1946 "die definitive Zugehörigkeit zur Schwesternschaft des Hauses" begann. Zur (Alters-)Versorgung der Diakonissen legt § 16 Satz 8 der Mutterhaus-Satzung fest:

        

"Alt und schwach oder sonst dienstunfähig gewordene Schwestern versorgt das Mutterhaus, solange dieselben im Mutterhaus bleiben. Ein Anspruch auf Pension oder Rente außerhalb des Hauses steht keiner Schwester zu."

3

Mit Vollendung des 60. Lebensjahres am 1980 beendete die Beigeladene zu 1) ihre Tätigkeit als Krankenschwester und bezog ab dem 1.11.1980 Altersrente aus der Sozialversicherung der DDR in Höhe der damaligen Mindestrente von 270,00 M monatlich. Diesen Rentenbetrag behielt das Mutterhaus ein, zahlte der Beigeladenen zu 1) ein monatliches Taschengeld von 100,00 M sowie bei Bedarf einmalige Leistungen und gewährte ihr als Feierabend-Diakonissin bis zum 16.12.1981 Kost und Logis im Mutterhaus.

4

Am 17.12.1981 siedelte die Beigeladene zu 1) in die Bundesrepublik Deutschland über, ohne auf ihre Rechte und Ansprüche gegenüber dem Mutterhaus zu verzichten. Die Oberin des Mutterhauses wandte sich daraufhin mit Schreiben vom 15.3.1982 an die Beigeladene zu 1) und führte aus: Die Beigeladene zu 1) habe das Mutterhaus "aus persönlichen Gründen freiwillig aus der Versorgungspflicht" entlassen und außerhalb des Währungsbereichs der DDR keine Versorgungsansprüche an den Beigeladenen zu 2) "oder an eine andere kirchliche Dienststelle". Sobald sie in den Währungsbereich der DDR zurückkehre, "werde die Versorgungspflicht des Mutterhauses wieder wirksam".

5

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Landesversicherungsanstalt Hannover (LVA), bewilligte der Beigeladenen zu 1) ab dem 1.2.1982 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (Bescheid vom 20.12.1982) und ab dem 1985 Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres (Bescheid vom 3.9.1985). Die Stadt Hannover zahlte ergänzende Sozialhilfe.

6

Der Kläger, der als selbständige Stiftung Mitglied des Beigeladenen zu 2) ist, ist seit dem 31.3.1991 Rechtsträger des Mutterhauses. Die Beigeladene zu 1) forderte ihn mit Schreiben vom 8.12.1993 und den Beigeladenen zu 2) mit Schreiben vom 5.5.1994 auf, ihr Versorgungszahlungen zu leisten. Dies lehnte der Kläger ab, weil die Beigeladene zu 1) mit ihrer Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland am 17.12.1981 aus dem Mutterhaus ausgetreten sei und deshalb keine Versorgungsansprüche mehr habe. Mit Schreiben vom 7.7.1994 wandte sich die Beigeladene zu 1) an die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) und bat zu prüfen, ob sie eine Altersrente erhalten könne, weil sie unversorgt aus dem Dienst des Klägers ausgeschieden sei.

7

Um den Kirchen die Nachversicherung von Diakonissen und Mitgliedern geistlicher Genossenschaften aus dem Beitrittsgebiet zu ermöglichen, stellte die Bundesrepublik Deutschland im Bundeshaushalt einmalig 100.000.000,00 DM als "Pauschalausgleich für einigungsbedingte Sonderlasten" zur Verfügung. Der Beigeladene zu 2) beauftragte daraufhin das Diakoniewerk Ruhr-Witten, die Nachversicherungen für die Diakonissen-Mutterhäuser abzuwickeln. Mit Schreiben vom 23.12.1994 bot das Diakoniewerk Ruhr-Witten der BfA an, die Beigeladene zu 1) nachzuversichern und dafür 63.113,28 DM zu zahlen. Die LVA, an die das Nachversicherungsangebot zuständigkeitshalber weitergeleitet worden war, teilte dem Diakoniewerk Ruhr-Witten unter dem 20.6.1995 mit, es könne keine Nachversicherung durchgeführt werden, weil die Beigeladene zu 1) der Ordensgemeinschaft noch angehöre. Das Diakoniewerk Ruhr-Witten zog das Nachversicherungsangebot zurück, weil der Kläger den Nachzahlungsbetrag für die Beigeladene zu 1) nicht aufbringen könne (Schreiben vom 23.8.1995). Schließlich erklärte auch die Beigeladene zu 1) das Nachversicherungsbegehren für erledigt (Schriftsatz vom 27.3.1996).

8

Gleichwohl beantragte sie am 8.7.1998, das Nachversicherungsverfahren fortzuführen. Im Verwaltungsverfahren teilte der Kläger unter dem 4.9.1998 mit, die Beigeladene zu 1) sei "mit ihrer Ausreise aus der DDR … aus dem Versorgungsanspruch des Mutterhauses ausgeschieden". Daraufhin setzte die Beklagte für die Zeit vom 1.3.1957 bis 17.12.1981 die Nachversicherungsbeiträge auf 63.255,16 DM fest und nahm den Kläger auf Zahlung in Anspruch, weil die Beigeladene zu 1) unversorgt aus seinen Diensten ausgeschieden sei (Bescheid vom 21.1.2000). Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.10.2000 zurück.

9

Im Klageverfahren hat der Kläger die Einrede der Verjährung erhoben und geltend gemacht, dass der Nachversicherungsantrag vom 8.7.1998 erst nach Ablauf der gesetzlichen Ausschlussfrist (31.12.1994) gestellt worden sei. Mit Gerichtsbescheid vom 2.11.2004 hat das Sozialgericht (SG) die angefochtenen Bescheide aufgehoben: Die Beigeladene zu 1) sei aufgrund der entrichteten freiwilligen Beiträge zur Rentenversicherung der DDR nicht ohne Anspruch oder Anwartschaft auf Versorgung aus ihrer Beschäftigung ausgeschieden.

10

Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte den angefochtenen Bescheid vom 21.1.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.10.2000 durch Bescheid vom 9.11.2007 ersetzt und die Nachversicherungssumme auf 32.161,11 € reduziert: Sobald dieser Betrag eingehe, erhöhe sich die monatliche Rente der Beigeladenen zu 1) von 457,92 € auf 643,61 €, und für die Zeit vom 1.1.1990 bis zum 30.11.2007 seien 43.847,61 € nachzuzahlen (fiktiver Rentenbescheid vom 8.11.2007).

11

Mit Urteil vom 14.11.2007 hat das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (LSG) die Berufung zurückgewiesen und den Bescheid vom 9.11.2007 aufgehoben: Die Beitragsforderung, die am 1.1.1992 entstanden und fällig geworden sei, sei schon verjährt gewesen, als sie die Beklagte mit Beitragsbescheid vom 21.1.2000 geltend gemacht habe.

12

Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt die Beklagte die Verletzung von § 25 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV), §§ 208, 209, 214, 217 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), § 198 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis zum 31.12.2001 geltenden Ursprungsfassung und § 52 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X): Der Nachversicherungsbescheid vom 21.1.2000 sei innerhalb der Verjährungsfrist erlassen worden. Denn die vierjährige Verjährungsfrist sei aufgrund folgender Tatbestände über den 21.1.2000 hinaus verlängert worden: Erstens sei aufgrund des Schreibens der Beigeladenen zu 1) vom 7.7.1994 in unverjährter Zeit ein Verwaltungsverfahren eingeleitet worden, um die Voraussetzungen für eine Nachversicherung zu prüfen. Dieses Beitragsverfahren habe die Verjährung des Anspruchs auf Zahlung von Beiträgen bis zum 28.3.1996 unterbrochen, als die Beigeladene zu 1) das Verfahren für erledigt erklärt habe. Daraufhin habe die vierjährige Verjährungsfrist am 29.3.1996 erneut begonnen und sei erst am 28.3.2000 abgelaufen. Zweitens habe die Beigeladene zu 1) am 13.4.1995 beantragt, die Höhe ihrer Altersrente zu überprüfen. Dieses Verfahren über einen Rentenanspruch habe die Verjährung der Beitragsforderung bis zum 2.2.2000 unterbrochen. Fasse man schließlich drittens das Schreiben des Diakoniewerkes Ruhr-Witten vom 23.12.1994 als Anerkenntnis auf, habe es eine Unterbrechung der Verjährungsfrist bewirkt. Gehe man davon aus, dass das Diakoniewerk das Anerkenntnis am 28.8.1995 wirksam zurückgenommen habe, so habe die Verjährungsfrist am 29.8.1995 erneut begonnen und wäre am 28.8.1999 abgelaufen, wenn nicht das anhängige Nachversicherungsverfahren diese Frist erneut verlängert hätte.

13

Der Kläger, dem die Revisionsbegründung der Beklagten am 21.2.2008 zugestellt worden ist, hat in der mündlichen Verhandlung vom 27.4.2010 Anschlussrevision eingelegt.

14

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 14.11.2007 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 2.11.2004 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 9.11.2007 abzuweisen sowie

die Anschlussrevision des Klägers zurückzuweisen.

15

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen,

hinsichtlich der Frist zur Einlegung der Anschlussrevision Wiedereinsetzung zu gewähren

sowie das Urteil des Landessozialgerichts vom 14.11.2007 abzuändern und festzustellen, dass ein Nachversicherungstatbestand nicht vorliegt.

16

Er ist der Auffassung, der Nachversicherungsanspruch sei nicht entstanden, weil die Beigeladene zu 1) ihren Anspruch auf Versorgung mit dem Weggang aus dem Mutterhaus nicht verloren habe. Jedenfalls sei dieser Versorgungsanspruch mit der Wiedervereinigung am 3.10.1990 wieder aufgelebt. Überdies sei der Nachversicherungsantrag vom 8.7.1998 erst nach Ablauf der gesetzlichen Ausschlussfrist (31.12.1994) gestellt worden. Im Übrigen sei das Schreiben der LVA an das Diakoniewerk Ruhr-Witten vom 20.6.1995, wonach keine Nachversicherung durchgeführt werden könne, ein begünstigender Bescheid, der nach Ablauf eines Jahres bestandskräftig geworden sei. Auf die Bestandskraft habe der Kläger vertraut und auch vertrauen dürfen, zumal ein begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung - auch wenn er rechtswidrig sei - nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden dürfe.

17

Der Beigeladene zu 2) beantragt,

        

1.   

die Revision zurückzuweisen und

        

2.   

das Urteil des LSG dahingehend abzuändern, dass der Beklagten die dem Beigeladenen zu 2) entstandenen außergerichtlichen Kosten auch im Berufungsverfahren auferlegt werden.

18

Er ist der Ansicht, die Beigeladene zu 1) sei nicht unversorgt aus dem Mutterhaus ausgeschieden, zumal sie aus der Beschäftigung Rentenansprüche in der ehemaligen DDR und - nach der Übersiedlung - auch in der Bundesrepublik Deutschland erworben habe. Der Anschlussrevision und dem Wiedereinsetzungsantrag des Klägers schließt sich der Beigeladene zu 2) hilfsweise an.

19

Die Beigeladene zu 1) ist im Revisionsverfahren nicht vertreten gewesen.

Entscheidungsgründe

20

Die Anschlussrevision des Klägers ist unzulässig (A.), die Revision der Beklagten begründet (B.).

21

A. Die Anschlussrevision ist als unzulässig zu verwerfen (§ 169 Satz 2 iVm Satz 1 Sozialgerichtsgesetz), weil sie nicht in der gesetzlichen Frist eingelegt worden ist. Nach § 202 SGG iVm § 554 Abs 2 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) ist die Anschlussrevision bis zum Ablauf eines Monats nach der Zustellung der Revisionsbegründung zu erklären(BSGE 37, 28, 33 = SozR Nr 4 zu § 556 ZPO; BSGE 44, 184 f = SozR 1750 § 556 Nr 1; BSGE 47, 168, 169 = SozR 1750 § 556 Nr 2; BSG SozR 3-5050 § 15 Nr 5 S 23; Fichte in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2009, § 160 RdNr 79; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 160 RdNr 3f und § 164 RdNr 12e). Die Revisionsbegründung ist dem Klägerbevollmächtigten (§ 63 Abs 2 Satz 1 SGG iVm § 172 Abs 1 Satz 1 ZPO) von Amts wegen (§ 63 Abs 1 Satz 1 SGG) gegen Empfangsbekenntnis (§ 63 Abs 2 Satz 1 SGG iVm § 174 Abs 1, 4 Satz 1 ZPO) am 21.2.2008 wirksam zugestellt worden. Mit dem Tag nach der Zustellung, also am 22.2.2008, begann die einmonatige Frist zur Einlegung der Anschlussrevision (§ 64 Abs 1 SGG). Sie endete gemäß § 64 Abs 2 Satz 1, Abs 3 SGG am 25.3.2008 (Dienstag nach Ostern). Die Anschlussrevision ist aber erst am 27.4.2010 und damit nach Fristablauf eingelegt worden.

22

Gegen die Versäumung der Monatsfrist ist dem Kläger keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67 Abs 1 SGG) zu gewähren. Denn er hat den Wiedereinsetzungsantrag erst nach Ablauf der einjährigen Ausschlussfrist des § 67 Abs 3 SGG gestellt. Nach dieser Vorschrift ist der Antrag nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist (hier: Mittwoch, der 25.3.2009) unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war. Der Kläger hat keine Tatsachen glaubhaft gemacht (§ 67 Abs 2 Satz 2 SGG), die auf das Vorliegen höherer Gewalt schließen lassen könnten.

23

B. Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Zu Unrecht hat das LSG die Berufung der Beklagten gegen den klagestattgebenden Gerichtsbescheid des SG zurückgewiesen und den Bescheid vom 9.11.2007, der den ursprünglich angefochtenen Bescheid vom 21.1.2000 ersetzte und deshalb nach § 153 Abs 1 SGG iVm § 96 Abs 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist, aufgehoben. Gegenstand der Revision ist nur die Frage, ob die Beitragsforderung, die das LSG dem Grunde nach aus § 233a Abs 1 Satz 3 Ziffer 2 iVm Satz 1 SGB VI hergeleitet hat, verjährt ist. Die Beklagte hat die Revision entsprechend ihrer Interessenlage auf die Verjährungseinrede begrenzt. Dies ist zulässig, weil es sich insofern um einen (ab)trennbaren Streitgegenstand im revisionsrechtlichen Sinne handelt (BSGE 99, 271 = SozR 4-2400 § 27 Nr 3, RdNr 10; BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 2 RdNr 11; Bundesgerichtshof , Urteile vom 11.1.1974 - I ZR 89/72 - MDR 1974, 558, 559 und vom 12.7.1989 - VIII ZR 286/88 - BGHZ 108, 256). Ob eine Beitragsforderung dem Grunde nach entstanden ist, unterliegt mangels zulässig erhobener Anschlussrevision (vgl dazu A.) nicht mehr der revisionsgerichtlichen Prüfung.

24

Die Beitragsforderung ist nicht verjährt. Denn die Voraussetzungen des § 25 Abs 1 Satz 1 SGB IV sind nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift (in ihrer hier noch maßgeblichen Fassung bis zum 31.12.2000) verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Der Anspruch auf Zahlung der Nachversicherungsbeiträge wurde am 1.1.1992 fällig (I.), so dass die Verjährungsfrist nach Ablauf des Kalenderjahres 1992 am 1.1.1993 begann und vier Jahre später am 31.12.1996 geendet hätte, wenn sie nicht in unverjährter Zeit durch das Beitragsverfahren unterbrochen worden wäre (II.), das aufgrund des Antrags der Beigeladenen zu 1) vom 7.7.1994 eingeleitet worden ist. Nach Abschluss dieses Beitragsverfahrens und dem Ende der Unterbrechung am 28.3.1996 hat die Beklagte vor dem (erneuten) Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist am 28.3.2000 den Beitragsbescheid vom 21.1.2000 in unverjährter Zeit erlassen (III.). Dieser Beitragsbescheid unterbrach die laufende Verjährungsfrist erneut, wobei aus der Unterbrechung am 1.1.2002 kraft gesetzlicher Fiktion eine Hemmung wurde (IV.). Mit dem Erlass des Beitragsbescheids vom 9.11.2007, der den ursprünglich angefochtenen Beitragsbescheid vom 21.1.2000 ersetzte, wurde die Hemmung der Verjährung nicht beendet (V.)

25

I. Die Fälligkeit von Nachversicherungsbeiträgen regelt § 184 Abs 1 SGB VI(vgl zum Normzweck: Gürtner in Kass Komm, SGB VI, Stand 2010, § 184 RdNr 2, 3), der vorliegend in seiner bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung (aF) anzuwenden ist. Danach werden Beiträge gezahlt, wenn die Voraussetzungen für die Nachversicherung eingetreten sind, insbesondere Gründe für einen Aufschub der Beitragszahlung nicht gegeben sind. Die Voraussetzungen des § 233a Abs 1 Satz 3 Ziffer 2 iVm Satz 1 SGB VI für die Nachversicherung der Beigeladenen zu 1) traten ein, als die Norm gemäß Art 42 Abs 1 des Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung(Renten-Überleitungsgesetz vom 25.7.1991, BGBl I, 1606) am 1.1.1992 in Kraft trat. Aufschubgründe iS von § 184 Abs 2 SGB VI aF lagen nicht vor. Da der Beitragsanspruch somit am 1.1.1992 fällig wurde, begann die Verjährungsfrist - nach Ablauf des Kalenderjahres 1992 - am 1.1.1993.

26

II. Der Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist am 31.12.1996 wurde noch in unverjährter Zeit durch das Verwaltungsverfahren (§ 8 SGB X) unterbrochen, das die Beklagte zur Prüfung der Nachversicherung aufgrund der Schreiben der Beigeladenen zu 1) vom 7.7.1994 und des Diakoniewerkes Ruhr-Witten vom 23.12.1994 eingeleitet hatte (§ 18 Satz 2 Nr 1 SGB X). Denn Beitragsverfahren oder Verfahren über einen Rentenanspruch unterbrechen nach § 198 Satz 2 SGB VI (in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung) auch die Verjährung des Anspruchs auf Zahlung von Beiträgen (§ 25 Abs 1 SGB IV). Der Begriff des Beitragsverfahrens ist weit zu verstehen und erfasst schon Verwaltungsverfahren, in denen (zunächst nur) die Nachversicherungsvoraussetzungen geprüft werden (vgl zur weiten Auslegung: Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung im SGB, Stand: 12/2009, § 198 Anm 2; Finke in Hauck/Haines, SGB VI, Stand 2010, K § 198 RdNr 7; Peters in Kass Komm, SGB VI, aaO, § 198 RdNr 4; Schmidt in Kreikebohm, SGB VI, 3. Aufl 2008, § 198 RdNr 8; von Koch, BeckOK SGB VI, § 198 RdNr 4; Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, SGB VI, Stand: 9/2009, § 198 RdNr 3; differenzierend Mutschler in jurisPK-SGB VI, § 198 RdNr 23 ff, der nur "Verfahren über die Versicherungsberechtigung, Beitragszahlung, Beitragstragung und Beitragshöhe" zu den Beitragsverfahren zählt). Unerheblich ist dabei, ob es anschließend (dh nach Abschluss der Prüfung) tatsächlich zur Durchführung der Nachversicherung mit dem Ziel der Beitragszahlung kommt. Für diese weite Interpretation spricht entscheidend, dass § 198 Satz 2 SGB VI die Versicherten davor schützen soll, dass sich lange Verfahrenslaufzeiten zu ihren Lasten auswirken(BT-Drucks 11/4124, S 190 zu § 193 RRG 1992; Finke, aaO, § 198 RdNr 3 und 7; Mutschler, aaO, § 198 RdNr 13). Soweit der Beigeladene zu 2) unter Berufung auf eine Literaturmeinung (Kreikebohm/Kuszynski in GK-SGB VI, Stand: August 2009, § 198 RdNr 15) einwendet, der Antrag der Beigeladenen zu 1) vom 7.7.1994 berühre das Verhältnis zwischen den Hauptbeteiligten nicht, weil der Kläger als Arbeitgeber am (Beitrags-)Verfahren zwischen der Beigeladenen zu 1) und der Beklagten nicht beteiligt sei, so ist dies unzutreffend. Denn der Kläger war - jedenfalls über den Beigeladenen zu 2), der das Diakoniewerk Ruhr-Witten mit der Abwicklung der Nachversicherungsfälle beauftragt hatte - als potentieller Adressat eines Nachversicherungs- und Beitragsbescheids (§ 12 Abs 1 Nr 2 SGB X) an dem Verwaltungsverfahren zur Prüfung der Nachversicherungsvoraussetzungen kraft Gesetzes beteiligt. Ungeachtet dessen kommt es auf die Beteiligtenstellung des beitragsbelasteten Arbeitgebers auch gar nicht an, wie ein Blick auf die gleichrangige zweite Alternative des § 198 Satz 1 SGB VI aF belegt: Denn am "Verfahren über einen Rentenanspruch" zwischen Versicherten und Rentenversicherungsträgern, das bis zum 31.12.2001 ebenfalls zur Unterbrechung der Verjährung des Anspruchs auf Zahlung von Beiträgen führte, ist der Arbeitgeber nie "beteiligt". Ein solches Rentenverfahren war hier im Übrigen auf Antrag der Beigeladenen zu 1) vom 13.4.1995 ebenfalls eingeleitet und erst am 2.2.2000 beendet worden.

27

Das Beitragsverfahren (und damit auch die Unterbrechung der Verjährung) endete nicht mit dem Schreiben der Beklagten vom 20.6.1995 an das Diakoniewerk Ruhr-Witten. Denn dieses Schreiben stellt keinen (verfahrensabschließenden) Verwaltungsakt iS der §§ 8, 31 Satz 1 SGB X dar. Nach § 31 Satz 1 SGB X ist Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Dass die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 20.6.1995 nur ihre vorläufige Rechtsmeinung kundtun und (noch) nicht verbindlich regeln wollte, ob ein Nachversicherungsanspruch besteht, verdeutlicht ihre Bitte, "zur Klärung der Angelegenheit" abschließend Stellung zu nehmen. Eine verbindliche Entscheidung über die Nachversicherungsvoraussetzungen sollte vielmehr erst nach Eingang der Stellungnahme ergehen. Hierzu kam es jedoch im weiteren Verlauf nicht mehr, weil das Beitragsverfahren durch die Erledigungserklärungen des Diakoniewerks Ruhr-Witten vom 23.8.1995 und der Beigeladenen zu 1) vom 27.3.1996 endete.

28

III. Mit dem Eingang der letzten Erledigungserklärung am 28.3.1996 endete diese Unterbrechung der Verjährung. Da nach § 25 Abs 2 SGB IV aF iVm § 217 BGB in seiner bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung die bis zur Unterbrechung verstrichene Zeit nicht in Betracht kommt, begann die vierjährige Verjährungsfrist des § 25 Abs 1 Satz 1 SGB IV aF am 29.3.1996 neu. Sie wäre am 28.3.2000 abgelaufen, wenn die Beklagte den Ablauf der Verjährungsfrist nicht zuvor in unverjährter Zeit durch Erlass des Beitragsbescheids vom 21.1.2000 gemäß § 52 Abs 1 SGB X in seiner bis zum 31.12.2001 geltenden (Alt-) Fassung erneut unterbrochen hätte. Nach dieser Vorschrift unterbricht ein Verwaltungsakt, der zur Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers erlassen wird, die Verjährung dieses Anspruchs (Satz 1). Die Unterbrechung dauert fort, bis der Verwaltungsakt unanfechtbar geworden ist oder das Verwaltungsverfahren, das zu seinem Erlass geführt hat, anderweitig erledigt ist (Satz 2).

29

IV. Aus dieser Unterbrechung ist am 1.1.2002 kraft gesetzlicher Fiktion eine Hemmung geworden. Denn nach Art 229 § 6 Abs 2 des Einführungsgesetzes zum BGB (EGBGB) gilt, soweit die Vorschriften des BGB in der seit dem 1.1.2002 geltenden Fassung anstelle der Unterbrechung der Verjährung deren Hemmung vorsehen, eine Unterbrechung der Verjährung, die nach den anzuwendenden Vorschriften des BGB in der vor dem 1.1.2002 geltenden Fassung vor dem 1.1.2002 eintritt und mit Ablauf des 31.12.2001 noch nicht beendigt ist, als mit dem Ablauf des 31.12.2001 beendigt, und ist die neue Verjährung mit Beginn des 1.1.2002 gehemmt. Diese Bestimmung gilt gemäß § 120 Abs 5 SGB X entsprechend bei der Anwendung des § 52 SGB X in seiner neuen Fassung (nF), die er durch Art 11 Nr 3 des Gesetzes zur Einführung einer kapitalgedeckten Hüttenknappschaftlichen Zusatzversicherung und zur Änderung anderer Gesetze(Hüttenknappschaftliches Zusatzversicherungs-Neuregelungs-Gesetz - HZvNG) vom 21.6.2002 (BGBl I, 2167) mit (Rück-)Wirkung zum 1.1.2002 (Art 25 Abs 5 HZvNG) erhalten hat. § 52 Abs 1 SGB X nF lautet: "Ein Verwaltungsakt, der zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers erlassen wird, hemmt die Verjährung dieses Anspruchs. Die Hemmung endet mit Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts oder sechs Monate nach seiner anderweitigen Erledigung."

30

Die Unterbrechung der Verjährung des Nachversicherungsanspruchs galt mit Ablauf des 31.12.2001 als beendet, und die Verjährung war mit Beginn des 1.1.2002 gehemmt. Denn die Tatbestandsvoraussetzungen des Art 229 § 6 Abs 2 EGBGB, der bei Anwendung des § 52 SGB X nF entsprechend gilt, waren vorliegend erfüllt: § 52 SGB X nF sieht die Hemmung der Verjährung anstelle der Unterbrechung vor, die hier mit Erlass des Beitragsbescheids vom 21.1.2000 (und damit vor dem 1.1.2002) eingetreten und mit Ablauf des 31.12.2001 - aufgrund des anhängigen Klageverfahrens - noch nicht beendigt war.

31

V. Seither ist die Verjährung durchgehend gehemmt. Denn nach § 52 Abs 1 Satz 2 SGB X nF endet die Hemmung nur mit Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts oder sechs Monate nach seiner Erledigung. Obwohl sich der Beitragsbescheid vom 21.1.2000 anderweitig erledigte, als ihn die Beklagte mit Bescheid vom 9.11.2007 während des Berufungsverfahrens aufhob, entfiel die Verjährungshemmung nicht nach Ablauf von sechs Monaten. Denn die Beklagte hat am gleichen Tag - und damit innerhalb der Sechsmonatsfrist - einen neuen Beitragsbescheid erlassen, der den ursprünglichen Beitragsbescheid ersetzte, deshalb Gegenstand des Berufungsverfahrens wurde und den Eintritt der Verjährung gemäß § 52 Abs 1 Satz 1 SGB X nF erneut hemmte.

32

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 Satz 1 SGG in der bis zum 1.1.2002 geltenden Fassung; § 197a SGG ist nicht anwendbar, weil diese Vorschrift nach Art 17 Abs 1 Satz 2 des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (6. SGG-ÄndG) vom 17.8.2001 (BGBl I, 2144) nur Verfahren erfasst, die nach dem 1.1.2002 rechtshängig geworden sind (vgl dazu ausführlich BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff).

(1) Ansprüche auf Beiträge verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind. Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjähren in dreißig Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind.

(2) Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß. Die Verjährung ist für die Dauer einer Prüfung beim Arbeitgeber gehemmt; diese Hemmung der Verjährung bei einer Prüfung gilt auch gegenüber den auf Grund eines Werkvertrages für den Arbeitgeber tätigen Nachunternehmern und deren weiteren Nachunternehmern. Satz 2 gilt nicht, wenn die Prüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die prüfende Stelle zu vertreten hat. Die Hemmung beginnt mit dem Tag des Beginns der Prüfung beim Arbeitgeber oder bei der vom Arbeitgeber mit der Lohn- und Gehaltsabrechnung beauftragten Stelle und endet mit der Bekanntgabe des Beitragsbescheides, spätestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Abschluss der Prüfung. Kommt es aus Gründen, die die prüfende Stelle nicht zu vertreten hat, zu einem späteren Beginn der Prüfung, beginnt die Hemmung mit dem in der Prüfungsankündigung ursprünglich bestimmten Tag. Die Sätze 2 bis 5 gelten für Prüfungen der Beitragszahlung bei sonstigen Versicherten, in Fällen der Nachversicherung und bei versicherungspflichtigen Selbständigen entsprechend. Die Sätze 1 bis 5 gelten auch für Prüfungen nach § 28q Absatz 1 und 1a sowie nach § 251 Absatz 5 und § 252 Absatz 5 des Fünften Buches.

Tatbestand

1

Im Streit steht die Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung des Säumniszuschlags in Höhe von 1778,00 Euro wegen verspäteter Abführung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung im Rahmen der Nachversicherung.

2

Der juristische Vorbereitungsdienst als Rechtsreferendarin im Beamtenverhältnis auf Widerruf der 1969 geborenen G. R. (im Folgenden: Referendarin) bei der klagenden Freien und Hansestadt endete am 20.7.2000. Die Personalstelle für Referendare beim Hanseatischen Oberlandesgericht zeigte dem für Nachversicherungen zuständigen Personalamt/Zentrale Personaldienste der Klägerin (im Folgenden: Nachversicherungsstelle) an, dass die Referendarin ohne Anspruch auf Versorgung aus dem Dienst ausgeschieden war. Sie übermittelte die während dieses Zeitraums der versicherungsfreien Beschäftigung als Beamtin erzielten Gesamtbruttobezüge in Höhe von 63 154,95 DM. Diese Nachversicherungsanzeige vom 12.9.2000 ging bei der Nachversicherungsstelle der Klägerin am 7.12.2000 ein. Die Nachversicherungsstelle wandte sich mit mehreren Schreiben (vom 7.2.2002, 24.7.2002 und 10.10.2002) zur Ermittlung von Gründen für den Aufschub der Nachversicherung an die Referendarin; diese reagierte auf keines dieser Schreiben. Am 24.1.2003 übersandte die Klägerin der Beklagten (damals: Bundesversicherungsanstalt für Angestellte) die Bescheinigung über die Nachversicherung der Referendarin. Das nachzuversichernde Entgelt bezifferte die Klägerin mit 67 504,33 DM. Mit Wertstellung vom 10.2.2003 ging der Nachversicherungsbeitrag in Höhe von 6730,31 Euro (13 163,34 DM = 19,5% von 67 504,33 DM) bei der Beklagten ein.

3

Mit Schreiben vom 28.3.2003 (der Klägerin zugegangen am 2.4.2003) teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie werde künftig Säumniszuschläge auf verspätet gezahlte Nachversicherungsbeiträge erheben, und verwies hierzu auf das beigefügte Informationsblatt "Säumniszuschläge auf verspätet gezahlte Nachversicherungsbeiträge". Hierin heißt es ua:

        

"Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) weist mit dieser Information darauf hin, dass sie ihre bisherige Rechtsauffassung aufgibt und im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung sowie dem Bundesrechnungshof künftig in allen Fällen der verspäteten Zahlung von Nachversicherungsbeiträgen Säumniszuschläge (§ 24 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IV) erheben wird. …

        

Die Rentenversicherungsträger berücksichtigen die Ausführungen des Bundesministeriums des Innern in seinem Rundschreiben vom 27.4.1999 - DII6-224012/55 -, wonach Nachversicherungsschuldner spätestens drei Monate nach unversorgtem Ausscheiden des Beschäftigten aus dem Beschäftigungs- bzw Dienstverhältnis über den Aufschub oder die Durchführung der Nachversicherung entscheiden soll. Ein Säumniszuschlag wird deshalb nicht erhoben, wenn die Nachversicherungsbeiträge innerhalb von drei Monaten nach Eintritt der Voraussetzungen für die Nachversicherung gezahlt werden.
Frühester Zeitpunkt der Säumnis ist der 1.1.1995, weil seit diesem Zeitpunkt die Erhebung von Säumniszuschlägen nicht mehr im Ermessen der beitragsentgegennehmenden Stelle liegt, sondern von Gesetz wegen zu erfolgen hat."

4

Mit Bescheid vom 16.5.2003 erhob die Beklagte gemäß § 24 Abs 1 SGB IV den Säumniszuschlag in Höhe von 1841,50 Euro, wobei sie 29 Monate der Säumnis, gerechnet ab 21.10.2000, zugrunde legte. Die Höhe der Nachversicherungsschuld am 21.10.2000 wurde mit 12 451,64 DM (19,3% von 64 516,25 DM) beziffert.

5

Die vor dem SG Hamburg erhobene Klage (Urteil vom 25.1.2006 - S 10 RA 319/03) und die Berufung vor dem LSG Hamburg (Urteil vom 23.7.2008 - L 6 RA 64/06) blieben erfolglos. Das LSG Hamburg hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG auf eine Anhörung (§ 24 Abs 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch) rechtswirksam verzichtet. Die Beklagte habe den streitigen Bescheid zu Recht auf § 24 Abs 1 SGB IV gestützt. Insofern werde der Rechtsprechung des BSG (Senatsurteil vom 12.2.2004 - SozR 4-2400 § 24 Nr 2)gefolgt. Ein Fall der Säumnis habe vorgelegen, weil die Klägerin die Beiträge zur Nachversicherung erst verspätet (am 10.2.2003) gezahlt habe. Der Nachversicherungsfall sei bereits ab dem unversorgten Ausscheiden der Referendarin aus dem Vorbereitungsdienst mit Bestehen der Zweiten juristischen Staatsprüfung am 20.7.2000 eingetreten. Mit Wirkung vom 21.7.2000 (§ 8 Abs 2 Satz 1 Nr 1, § 181 Abs 5 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch) sei sie deshalb nachzuversichern gewesen. Aufschubgründe gemäß § 184 Abs 2 SGB VI hätten nicht vorgelegen. Die Berechnung der Säumnis erst ab 21.10.2000 begünstige die Klägerin daher.

6

Ein Fall der unverschuldeten Unkenntnis der Klägerin von ihrer Pflicht zur Beitragszahlung iS von § 24 Abs 2 SGB IV, der der Erhebung des Säumniszuschlags entgegenstehe, habe die Klägerin nicht glaubhaft gemacht. Sie habe seit Erhalt der Anzeige der Personalstelle für Referendare am 7.12.2000 von der Zahlungspflicht gewusst und sei dennoch über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr untätig geblieben. Erst ab 7.2.2002 habe die Klägerin den Nachversicherungsvorgang bearbeitet. Sie habe selbst eingeräumt, dass der lange Zeitraum der Untätigkeit auf einer Fehlorganisation in der Personalverwaltung bzw auf einem Organisationsverschulden beruht habe. Hierfür spreche, dass die Klägerin in einer Vielzahl von Fällen (einige Hundert) die Nachversicherung verspätet durchgeführt habe. Auch im Zeitraum ab der erstmaligen Kontaktaufnahme mit der Referendarin (Schreiben vom 7.2.2002) bis zur Durchführung der Nachversicherung Anfang des Jahres 2003 habe keine unverschuldete Unkenntnis von der Zahlungspflicht vorgelegen. Die schuldhafte Kenntnis der Klägerin bis 6.2.2002 habe sich nicht dadurch in eine schuldlose Unkenntnis der Zahlungsverpflichtung mit der Folge schuldloser Säumnis gewandelt, dass die Referendarin auf keines der Schreiben der Klägerin reagiert habe. Die Klägerin hätte die Nachversicherungsbeiträge - wegen Fehlens von Aufschubgründen - sofort entrichten und so eine Säumnis vermeiden können. Der Klägerin sei es auch zumutbar gewesen, personelle oder verfahrensordnende Vorkehrungen zu treffen, um eine Verzögerung bei der Durchführung der Nachversicherung zu vermeiden.

7

Dem stehe auch nicht das Schreiben der Beklagten vom 28.3.2003 nebst Informationsblatt entgegen. Hierbei handele es sich lediglich um einen Hinweis auf die Rechtslage und weder um einen Verzicht auf den streitigen Säumniszuschlag noch um die Zusicherung, von dessen Erhebung abzusehen. Die Festsetzung des Säumniszuschlags sei auch nicht verwirkt. Zwar sei das Rechtsinstitut der Verwirkung als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch) auch auf die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 14.7.2004 - SozR 4-2400 § 7 Nr 4) anzuwenden. Der Verwirkung stehe aber die seit Januar 1995 geltende Rechtspflicht des § 24 SGB IV zur Festsetzung von Säumniszuschlägen entgegen, wonach der Beklagten kein Ermessen mehr eingeräumt sei. Im Übrigen könnten besonderen Umständen, aus denen sich eine Unbilligkeit der Festsetzung des Säumniszuschlags im Einzelfall ergebe, nur durch Stundung oder Erlass (§ 76 Abs 2 Nr 1 bzw 3 SGB IV) Rechnung getragen werden. Einer lückenausfüllenden Anwendung des Rechtsinstituts der Verwirkung bedürfe es daher nicht. Insofern könne offen bleiben, ob es unbillig sei, wenn die Klägerin in einer Vielzahl von Fällen die Nachversicherung verspätet vorgenommen und die Beklagte es andererseits jahrelang unterlassen habe, diese Praxis durch die Erhebung von Säumniszuschlägen zu sanktionieren. Hinsichtlich der Höhe der getroffenen Festsetzung könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Klägerin begünstigt worden sei. Die Beklagte habe lediglich 29 Monate im Hinblick auf das Rundschreiben des Bundesministers des Innern vom 27.4.1999 (DII6-224012/55) berücksichtigt; tatsächlich seien aber 32 Monate (vom 21.7.2000 bis zur Wertstellung am 10.2.2003) der Säumnis zu berücksichtigen gewesen. Da sich der Beitragssatz im Jahre 2003 auf 19,5 % erhöht habe, ergebe dies eine höhere als die festgesetzte Nachversicherungsschuld (von 7631,82 anstelle von 7553,55 Euro).

8

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 24 Abs 2 SGB IV. Sie ist der Meinung, das LSG habe den im Senatsurteil vom 12.2.2004 (BSG SozR 4-2400 § 24 Nr 2)aufgezeigten Anwendungsbereich der Norm auf Nachversicherungsbeiträge verkannt. Sie räumt ein, bis zum Beginn der Bearbeitung des Nachversicherungsvorgangs im Februar 2002 fahrlässig in Unkenntnis der Zahlungsverpflichtung gewesen zu sein. Allerdings sei die Verzögerung in der Bearbeitung ab Juli 2002 bis zur Zahlung der Nachversicherungsbeiträge im Februar 2003 allein auf die fehlende Mitwirkung der Referendarin zurückzuführen. Während dieses Zeitraums (acht Monate) habe die Klägerin die Säumnis daher nicht verschuldet; dies entspreche auch dem der Norm zugrunde liegenden Schuldnerschutz. Die Erhebung des Säumniszuschlags verletze den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) in Ausprägung der unzulässigen bzw rechtsmissbräuchlichen Rechtsausübung (venire contra factum proprium). Das Nachversicherungsverfahren sei mit Wertstellung der Beiträge am 10.2.2003 abgeschlossen worden. Erstmals mit Schreiben vom 28.3.2003 habe die Beklagte mitgeteilt, sie werde künftig Säumniszuschläge erheben. Eine Anpassung an die geänderte Verwaltungspraxis sei ihr für abgeschlossene Fälle weder tatsächlich möglich noch haushälterisch zumutbar. Schließlich sei der Anspruch auf den Säumniszuschlag verwirkt. Das Rechtsinstitut der Verwirkung sei auch auf die Festsetzung von Säumniszuschlägen anzuwenden. Die Beklagte habe über einen langen Zeitraum (von 1995 bis März 2003) unterlassen, Säumniszuschläge bei verspäteter Zahlung von Nachversicherungsbeiträgen entgegen bestehender Rechtspflicht zu erheben (Zeitmoment). Dieses dauerhafte Unterlassen sei bewusst und planmäßig erfolgt; im Nichtstun sei ein besonderer Umstand zu sehen (Umstandsmoment). Die Klägerin habe sowohl ihre Haushaltsplanung als auch ihre Aufbau- und Ablauforganisation auf das Nichtstun der Beklagten seit 1995 eingerichtet. Die Nacherhebung der Säumniszuschläge für alle Nachversicherungsfälle des Zeitraumes 1995 bis März 2003 führe zu einem unzumutbaren finanziellen Nachteil. Die Klägerin könne ihren Verpflichtungen aus Art 109 Grundgesetz (GG) und der landeseigenen Haushaltsordnung, den - ohnehin schon defizitären - Haushalt auszugleichen, nur erschwert nachkommen.

9

Die Beklagte hat den streitigen Säumniszuschlag in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf den Betrag von 1778,00 Euro reduziert.

10

Die Klägerin hat das Teilanerkenntnis angenommen und beantragt,

        

die Urteile des Landessozialgerichts Hamburg vom 23.7.2008 und des Sozialgerichts Hamburg vom 25.1.2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16.5.2003 vollständig aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

die Revision insoweit zurückzuweisen.

12

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und beruft sich hinsichtlich ihrer Verwaltungspraxis zusätzlich auf das Schreiben des Verbands Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR) vom 14.4.2000 und auf das Rundschreiben des Bundesministeriums des Innern vom 27.4.1999 (DII6-224012/55).

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet.

14

1. Verfahrenshindernisse, die bei zulässiger Revision von Amts wegen zu beachten sind (vgl BSG SozR 4-1300 § 84 Nr 1 RdNr 22; BSG SozR 3-1500 § 158 Nr 3 S 12), stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen. Die Klage ist zulässig, ohne dass es der Durchführung eines Vorverfahrens vor Erhebung der Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz) bedurfte. Die klagende Freie und Hansestadt führt die Klage als Land iS von § 78 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGG. Zu Recht hat die Beklagte den geforderten Säumniszuschlag durch Verwaltungsakt (Bescheid vom 16.5.2003) festgesetzt. Der für die Nachversicherung zuständige Rentenversicherungsträger ist berechtigt, auch gegenüber öffentlich-rechtlichen Arbeitgebern die Nachentrichtung der Beiträge durch Verwaltungsakt einzufordern (vgl BSG SozR 2400 § 124 Nr 6 S 18). Im Nachversicherungsverfahren anfallende Säumniszuschläge dürfen ebenfalls durch Verwaltungsakt und auch gegenüber öffentlich-rechtlichen Trägern geltend gemacht werden (vgl Senatsurteil vom 29.11.2007 - BSGE 99, 227 = SozR 4-2600 § 186 Nr 1).

15

Das LSG hat die Berufung der Beklagten zu Recht als zulässig erachtet (§ 143 SGG). Insbesondere liegt keine Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden vor (§ 144 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG), so dass es auch bei der vorliegenden Beschwer von unter 10 000 Euro keiner Zulassung der Berufung bedurfte. Zwar sind an dem Rechtsstreit zwei juristische Personen des öffentlichen Rechts beteiligt. Es handelt sich jedoch um keinen Erstattungsanspruch; es geht nicht darum, "Leistungs-"Vorgänge wirtschaftlich rückgängig zu machen, um den erstattungsberechtigten Träger so zu stellen, wie er stünde, wenn er keine Auslagen (Kosten, Leistungen) erbracht hätte (Senatsurteil vom 6.5.1998 - SozR 3-1500 § 144 Nr 14 S 37 mwN). Säumniszuschläge dienen vor allem dem Zweck, der Säumnis bei Erfüllung von Zahlungspflichten entgegenzuwirken. Sie sind Druckmittel zur Sicherstellung eines geordneten Verwaltungsablaufs und der Beschaffung der hierfür benötigten Finanzmittel (BSG SozR 4-2500 § 266 Nr 4; BSGE 35, 78 = SozR Nr 1 zu § 397a RVO; BSG Urteil vom 23.10.1987 - 12 RK 11/86 - ZIP 1988, 984).

16

Der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids steht nicht entgegen, dass die Klägerin vor seinem Erlass nicht angehört worden ist (§ 24 Abs 1 SGB X). Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG auf ihr Anhörungsrecht verzichtet. Der Senat hat bereits entschieden, dass ein solcher Verzicht wirksam ist (vgl Senatsurteil vom 29.11.2007 - BSGE 99, 227 = SozR 4-2600 § 186 Nr 1 mwN).

17

2. Die Voraussetzungen für den Anspruch der Beklagten auf Erhebung des Säumniszuschlags sind erfüllt (a); ein Fall unverschuldeter Unkenntnis von der Zahlungsverpflichtung hat die Klägerin nicht glaubhaft gemacht (b); aus dem Schreiben der Beklagten vom 28.3.2003 nebst Informationsblatt kann die Klägerin weder eine Zusicherung noch einen Verzicht herleiten (c); weder verstößt die Geltendmachung des Säumniszuschlags gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) noch liegt eine Verwirkung als Fall der unzulässigen Rechtsausübung vor (d).

18

a) Gemäß § 24 Abs 1 Satz 1 SGB IV ist für Beiträge, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 vH des rückständigen, auf 50 Euro nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen.

19

Die Nachversicherungsbeiträge für die Referendarin waren seit 21.7.2000 fällig. Die Fälligkeit der Beiträge zur Nachversicherung richtet sich gemäß § 23 Abs 4 SGB IV nach § 184 Abs 1 Satz 1 SGB VI (§ 184 Abs 1 Satz 2 und 3 SGB IV - mit Wirkung vom 1.1.2008 eingefügt -, die spezielle Regelungen zum Beginn der Säumnis iS von § 24 SGB IV enthalten, sind vorliegend nicht anzuwenden). Danach werden die Beiträge gezahlt, wenn die Voraussetzungen für die Nachversicherung eingetreten sind und insbesondere keine Gründe für den Aufschub der Beitragszahlung vorliegen. Nachversicherungsschuldner und damit zahlungspflichtig ist die klagende Freie und Hansestadt als ehemaliger Dienstherr der Referendarin. Säumniszuschläge in Nachversicherungsfällen sind auch von Körperschaften des öffentlichen Rechts zu entrichten (vgl Senatsurteile vom 12.2.2004 - BSGE 92, 150 = SozR 4-2400 § 24 Nr 2, RdNr 10 ff; vom 17.4.2008 - BSGE 100, 215 = SozR 4-2400 § 25 Nr 2, RdNr 16). Die Voraussetzungen für die Nachversicherung liegen regelmäßig mit dem unversorgten Ausscheiden aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis (hier Beamtenverhältnis auf Widerruf im Vorbereitungsdienst) vor (§ 8 Abs 2 Nr 1 SGB VI).

20

Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) war die Referendarin mit Ablauf des 20.7.2000 aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf im Vorbereitungsdienst ausgeschieden, so dass die Nachversicherungsschuld am 21.7.2000 entstanden war. Gründe für einen Aufschub der Beitragszahlung (§ 184 Abs 1 Satz 1 Halbs 2 SGB VI, § 184 Abs 2 Satz 1 Nr 1 bis 3 SGB VI)lagen nicht vor und sind von der Klägerin auch nicht behauptet worden. Damit entstand die Nachversicherungsschuld grundsätzlich am Folgetag des unversorgten Ausscheidens der Nachzuversichernden (vgl Senatsurteile vom 12.2.2004 - BSGE 92, 150 = SozR 4-2400 § 24 Nr 2, RdNr 23; vom 29.11.2007 - BSGE 99, 227 = SozR 4-2600 § 186 Nr 1, RdNr 27; vgl auch BSG SozR 3-2600 § 8 Nr 4 S 7 mwN). Der hiervon abweichend festgesetzte spätere Beginn der Säumnis (21.10.2000) - dem Rundschreiben des Bundesministers des Innern vom 27.4.1999 (DII6-224012/55) entsprechend - begünstigt die Klägerin und ist daher nicht zu beanstanden. Nach den bindenden Feststellungen des LSG sind die Nachversicherungsbeiträge erst am 10.2.2003, also verspätet bei der Beklagten eingegangen.

21

b) Der Erhebung des Säumniszuschlags steht auch keine unverschuldete Unkenntnis von der Zahlungspflicht der Nachversicherungsbeiträge entgegen.

22

aa) Seit der mit Wirkung vom 1.1.1995 eingefügten Neufassung von § 24 Abs 1 SGB IV (durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Sozialgesetzbuchs vom 13.6.1994 - 2. SGBÄndG, BGBl I, 1229) sind Säumniszuschläge bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zwingend zu zahlen und ist ihre Erhebung nicht mehr - wie noch nach der Vorläufervorschrift - in das Ermessen des Versicherungsträgers gestellt. Die Neufassung lehnt sich an § 240 der Abgabenordnung an(vgl BT-Drucks 12/5187 S 30; Udsching in Hauck/Haines, SGB IV, Stand 2007, K § 24 RdNr 2). Gemäß § 24 Abs 2 SGB IV ist ein Säumniszuschlag jedoch dann nicht zu erheben, wenn eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt wird, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Diese Vorschrift dient der Vermeidung unbilliger Härten (vgl Senatsurteil vom 12.2.2004 - BSGE 92, 150 = SozR 4-2400 § 24 Nr 2, RdNr 24 unter Bezugnahme auf Udsching aaO RdNr 10).

23

bb) Der unverschuldeten Unkenntnis von der Zahlungspflicht steht sowohl fahrlässiges wie auch vorsätzliches Verhalten iS von § 276 BGB entgegen. Bei Körperschaften des öffentlichen Rechts schließt das Außerachtlassen ausreichender organisatorischer Vorkehrungen (sog Organisa-tionsverschulden) eine unverschuldete Unkenntnis iS von § 24 Abs 2 SGB IV aus. Das Fehlen notwendiger organisatorischer Maßnahmen bedingt, dass sich die Organisation das Wissen einzelner Mitarbeiter zurechnen lassen muss (vgl Senatsurteile vom 17.4.2008 - BSGE 100, 215 = SozR 4-2400 § 25 Nr 2, RdNr 18; vom 29.11.2007 - BSGE 99, 227 = SozR 4-2600 § 186 Nr 1, RdNr 29; vom 12.2.2004 - BSGE 92, 150 = SozR 4-2400 § 24 Nr 2, RdNr 26; zum Verschuldensmaßstab vgl Udsching aaO RdNr 11; Segebrecht in Juris PraxisKomm, Stand 2006, § 24 SGB IV RdNr 32; VerbKomm, Stand 2008, § 24 SGB IV RdNr 5; Seewald in Kasseler Komm, Stand 2008, § 24 SGB IV RdNr 14a). Soweit in der Literatur die Frage aufgeworfen wird, ob erst Vorsatz die unverschuldete Unkenntnis von der Zahlungspflicht ausschließt (vgl Roßbach in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Komm zum Sozialrecht, 2009, § 24 SGB IV RdNr 8), ergibt sich für diese Auffassung kein Anhaltspunkt in der Rechtsprechung des BSG (Urteile des 12. Senats vom 26.1.2005 - SozR 4-2400 § 14 Nr 7 RdNr 28 und vom 30.3.2000 - SozR 3-2400 § 25 Nr 7 S 35 f). Aus diesen Entscheidungen lässt sich eine Einengung des Verschuldensmaßstabes in § 24 Abs 2 SGB IV auf Vorsatz nicht herleiten. Lediglich die bei der Beurteilung des Vorsatzes iS des § 25 Abs 1 Satz 2 SGB IV (Verjährung der Ansprüche auf Beiträge) entwickelten Maßstäbe sind hiernach auch bei der Prüfung des subjektiven Tatbestandes von § 24 Abs 2 SGB IV anzuwenden; dh es ist eine konkret-individuelle Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dies aber gilt auch für die Prüfung der glaubhaft gemachten unverschuldeten Unkenntnis von der Zahlungspflicht der Nachversicherungsbeiträge.

24

cc) Unter Anlegung dieses Prüfmaßstabes sind die bindenden Feststellungen des LSG zur fahrlässigen Unkenntnis der Klägerin nicht zu beanstanden. Sie räumt selbst ein, die Unkenntnis von der Zahlungspflicht während des Zeitraumes der Nichtbearbeitung des Nachversicherungsvorganges bis zum 6.2.2002 verschuldet zu haben. Hieran zu zweifeln, besteht kein Anlass; das LSG ist davon ausgegangen, dass die Klägerin ein Organisationsverschulden, insbesondere eine Fehlorganisation in der Personalverwaltung zu vertreten hat.

25

Rechtsfehlerfrei hat das LSG für den anschließenden Zeitraum vom 7.2.2002 und auch ab Juli 2002 (wie von der Klägerin geltend gemacht) bis zum Zeitpunkt der Nachversicherung Anfang des Jahres 2003 festgestellt, dass die Klägerin ihre unverschuldete Unkenntnis von der Zahlungspflicht nicht glaubhaft gemacht hat. Zwar hat die Referendarin gegen ihre Auskunftspflicht gemäß § 28o Abs 1 SGB IV verstoßen, indem sie die Anfragen ab 7.2.2002 nach der Art ihrer Beschäftigung unbeantwortet ließ. Dennoch ist dem LSG zuzustimmen, dass sich die bis dahin bestandene verschuldete Unkenntnis nicht deshalb in eine unverschuldete Unkenntnis umgewandelt hat. Die Auffassung der Klägerin, dass ihr ein Verschulden spätestens ab dem Zeitpunkt nicht mehr hätte vorgeworfen können, ab dem sie mit einer Antwort der Referendarin hätte rechnen dürfen, überzeugt nicht. Der Klägerin wäre es durch einfache organisatorische Maßnahmen möglich und zumutbar gewesen, sich zeitnah die notwendige Kenntnis über das Vorliegen bzw Fehlen etwaiger Aufschubtatbestände zu verschaffen. Sie hätte die Bearbeitung des Nachversicherungsvorgangs durch geeignete Maßnahmen so vorantreiben können, dass die Nachversicherung innerhalb jener drei Monate erledigt worden wäre, die die Beklagte bei Ermittlung des für den Säumniszuschlag maßgebenden Zeitraums von vornherein unberücksichtigt gelassen hat.

26

Als eine solche Maßnahme hätte zB bereits das erste Schreiben der Klägerin im Februar 2002 gegen Zustellungsnachweis an die Referendarin verschickt werden können, verbunden mit der Ankündigung, die Nachversicherung für den Fall durchzuführen, dass nicht binnen einer angemessenen Frist ein Aufschubtatbestand mitgeteilt wird. Das Außerachtlassen jeglicher organisatorischer Vorkehrungen, wie etwa der Erlass einer Dienstanweisung, die auch Nachversicherungsfälle bei gänzlich fehlender Mitwirkung der Nachzuversichernden erfasst, erfüllt den Tatbestand eines fahrlässigen Organisationsverschuldens. Während des maßgeblichen Zeitraums kann die Klägerin daher keinen Schuldnerschutz geltend machen. Die Klägerin trifft die Pflicht, die gesetzlichen Voraussetzungen der Nachversicherung aufzuklären (§ 184 Abs 1 Satz 1 SGB VI), über Aufschubtatbestände zu entscheiden (§ 184 Abs 2 und 3 SGB VI) und die Beiträge zur Nachversicherung zu zahlen (§ 185 SGB VI). Das bedeutet, dass der Arbeitgeber die Beitragsschuld und deren Fälligkeit selbst zu ermitteln (vgl BSG vom 12.2.2004 - BSGE 92, 150, 156 = SozR 4-2400 § 24 Nr 2 RdNr 33)und bei Fälligkeit umgehend zu zahlen hat. Nur so sind Defizite im Haushalt des Rentenversicherungsträgers zu vermeiden.

27

c) Auch das Schreiben vom 28.3.2003 und das beigefügte Informationsblatt stehen dem Anspruch der Beklagten auf Erhebung des Säumniszuschlags nicht entgegen. Das Schreiben enthält weder eine Zusicherung noch einen Verzicht.

28

Wie das LSG zutreffend festgestellt hat, lässt sich diesem Schreiben eine Zusicherung (§ 34 Abs 1 Satz 1 SGB X) der Beklagten des Inhalts nicht entnehmen, dass sie die Festsetzung des Säumniszuschlags für die am 10.2.2003 eingegangenen Nachversicherungsbeiträge unterlassen werde. Ebenso wenig liegt in dem Schreiben ein Verzicht auf dessen Erhebung - etwa als Angebot einer Vereinbarung, eine Forderung nicht durchzusetzen (Erlassvertrag "pactum de non petendo", BSG vom 26.6.1980 - 5 RJ 70/90 - Juris RdNr 63). Hierfür gibt der Wortlaut weder des Schreibens noch des Informationsblattes etwas her, insbesondere auch nicht das in beiden verwendete Wort "künftig", aus dem die Klägerin herauslesen will, die Beklagte werde Säumniszuschläge nicht für zum Zeitpunkt des Schreibens abgeschlossene Nachversicherungsfälle - wie den der Referendarin - geltend machen. Eine derartige Einschränkung kann den Texten jedoch gerade deshalb nicht entnommen werden, weil die Beklagte dort ihre Erkenntnis mitteilt, sie sei - seit 1.1.1995 - gesetzlich verpflichtet, Säumniszuschläge auch in Nachversicherungsfällen zu erheben, und die Nachversicherungsschuldner seien verpflichtet, diese (auch ohne Aufforderung seitens der Beklagten) zu zahlen. Wenn die Beklagte damit gleichzeitig auf einen Teil der - nicht ohnehin verjährten (§ 25 SGB IV, s hierzu Senatsurteil vom 17.4.2008 - BSGE 100, 215 = SozR 4-2400 § 25 Nr 2, RdNr 24 f) - Säumniszuschläge hätte verzichten wollen, hätte dies in den Texten deutlich zum Ausdruck kommen müssen, etwa durch Angabe eines Stichtags. Dies ist hier nicht geschehen.

29

d) Das Geltendmachen des Säumniszuschlags widerspricht schließlich nicht dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB); es liegt keine Verwirkung als Fall der unzulässigen Rechtsausübung vor.

30

aa) Das Rechtsinstitut der Verwirkung ist als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch im Sozialversicherungsrecht (vgl BSGE 7, 199, 200; 34, 211, 213; 41, 275, 278; 59, 87, 94 = SozR 2200 § 245 Nr 4 S 22 f; BSGE 80, 41, 43 = SozR 3-2200 § 1303 Nr 6 S 17 f)und insbesondere für die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung für zurückliegende Zeiten anerkannt (vgl BSGE 17, 173, 174 f; 21, 52, 55 f; BSGE 47, 194, 196 = SozR 2200 § 1399 Nr 11 S 15; BSGE 93, 119 = SozR 4-2400 § 22 Nr 2, RdNr 35).

31

Die Verwirkung setzt als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung (vgl Heinrichs in Palandt, BGB, 69. Aufl 2010, § 242 RdNr 87)voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraumes unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen (vgl BVerfGE 32, 305; BVerwGE 44, 339, 343; BFHE 129, 201, 202; BSGE 34, 211, 214; 35, 91, 95 mwN). Solche, die Verwirkung auslösenden "besonderen Umstände" liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage) und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolge dessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (vgl BSGE 47, 194, 196 = SozR 2200 § 1399 Nr 11 S 15 mwN; BSGE 80, 41, 43 = SozR 3-2200 § 1303 Nr 6 S 18; BVerwGE 44, 339, 343 f).

32

bb) Zwar ist der Klägerin insoweit zuzustimmen, dass das BSG noch nicht ausdrücklich die Frage entschieden hat, ob das Rechtsinstitut der Verwirkung auch auf Säumniszuschläge Anwendung findet. Nach den oben dargelegten Maßstäben bestehen hieran aber keine grundlegenden Zweifel. Für dessen Anwendbarkeit spricht bereits, dass die Hauptforderung (der durch Verwaltungsakt festgesetzte Nachversicherungsbeitrag) grundsätzlich der Verwirkung unterliegen kann, so dass dies erst recht für die Nebenforderung (Säumniszuschlag) gelten könnte. Letztendlich kann der Senat diese Frage aber unentschieden lassen, weil die aufgezeigten Voraussetzungen der Verwirkung nicht erfüllt sind. Es bedarf daher auch keiner abschließenden Entscheidung, ob der Anwendbarkeit des Grundsatzes der Verwirkung bereits entgegensteht, dass die seit 1995 geltende Neufassung des § 24 SGB IV eine gebundene Norm ist, die der Behörde keine Ermessensausübung mehr einräumt(vgl die in der Literatur vertretene Auffassung, die die Anwendbarkeit der Verwirkung grundsätzlich auf "verzichtbare" Rechte der Behörde im Verwaltungsrecht beschränkt: so Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht I, 12. Aufl 2007, § 37 RdNr 18; vgl Müller-Grune, Der Grundsatz von Treu und Glauben im Allgemeinen Verwaltungsrecht, 2006, S 116; aA Ossenbühl, NVwZ 1995, 547, 549 f; Kothe, VerwArch 88 <1998>, 456, 487 f). Auch wenn das LSG die Auffassung vertreten hat, dass mit Rücksicht auf die Möglichkeit eines haushaltsrechtlichen Erlasses des Säumniszuschlags (§ 76 Abs 2 Nr 3 SGB IV) es keiner "Lücken ausfüllenden" Anwendung des Rechtsinstituts der Verwirkung bedürfe, reichen die tatsächlichen Feststellungen des LSG noch aus, um das Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen zu verneinen.

33

cc) Grundsätzlich sind strenge Anforderungen an das Verwirkungsverhalten zu stellen, weil dem Interesse des Beitragsschuldners, das Ausmaß der wirtschaftlichen Belastung durch Beitragsnachforderungen in angemessenen Grenzen zu halten, bereits durch die "kurze", vierjährige Verjährungsfrist gemäß § 25 Abs 1 Satz 1 SGB IV hinreichend Rechnung getragen wird, die auch auf Säumniszuschläge bei nicht vorsätzlichem Handeln Anwendung findet(vgl Senatsurteile vom 12.2.2004 - BSGE 92, 150, 154 = SozR 4-2400 § 24 Nr 2 S 22, RdNr 19; vom 17.4.2008 - BSGE 100, 215 = SozR 4-2400 § 25 Nr 2, RdNr 24 mwN; während im Fall der vorsätzlichen Vorenthaltung der Beiträge die 30jährige Verjährungsfrist gemäß § 25 Abs 1 Satz 2 SGB IV gilt). Ein “bloßes Nichtstun" als Verwirkungsverhalten reicht regelmäßig nicht aus; ein konkretes Verhalten des Gläubigers muss hinzukommen, welches bei dem Schuldner die berechtigte Erwartung erweckt hat, dass eine Forderung nicht besteht oder nicht geltend gemacht wird (vgl BSG SozR 2200 § 1399 Nr 11 S 17; BSG vom 23.5.1989 - HV-Info 1989, 2030).

34

dd) Ein solches Verwirkungsverhalten der Beklagten, das bei der Klägerin das berechtigte Vertrauen begründen durfte, die Beklagte werde auch fortan keine Säumniszuschläge erheben, liegt nicht vor. Die Beklagte hatte es - entgegen ihrer Gesetzesbindung (Art 20 Abs 3 GG) - unterlassen, die seit 1995 bestehende zwingende Gesetzespflicht zur Erhebung von Säumniszuschlägen flächendeckend in die Praxis umzusetzen. Dieses rechtswidrige Unterlassen der Beklagten erfüllt nach den aufgezeigten Maßstäben weder die Anforderungen eines Vertrauen begründenden Verwirkungsverhaltens noch durfte die Klägerin das “bloße Nichtstun“ der Beklagten als bewusst und planmäßig erachten und deshalb darauf vertrauen, nicht zu Säumniszuschlägen herangezogen zu werden.

35

Zwar mag im Einzelfall auch ein bloßes Unterlassen dann ein schutzwürdiges Vertrauen begründen und zur Verwirkung eines Rechts führen, wenn der Schuldner das Nichtstun des Gläubigers nach den Umständen als bewusst und planmäßig betrachten darf (BSGE 45, 38, 48 = SozR 4100 § 40 Nr 17 S 55; BSGE 47, 194, 198 = SozR 2200 § 1399 Nr 11 S 17). Dies ist (BSGE 47 aaO) jedoch noch nicht einmal dann angenommen worden, wenn unterlassene Beitragszahlungen bei Betriebsprüfungen der Einzugsstellen nicht beanstandet wurden, sondern lediglich für den Fall erwogen worden, dass maßgebliche Personen der Geschäftsleitung entsprechende Erklärungen abgegeben hätten (BSGE 47 aaO, 199). Derartiges hat jedoch die Klägerin nie behauptet.

36

Keinesfalls kann das Schreiben vom 28.3.2003 mit dem beigefügten Informationsblatt kausal für ein Vertrauensverhalten der Klägerin im Sinne der oa Definition der Verwirkung gewesen sein. Denn selbst wenn aus dem Schreiben, wie die Klägerin meint, die Ankündigung zu entnehmen wäre, (gesetzwidrig) Säumniszuschläge lediglich in noch nicht abgeschlossenen Nachversicherungsfällen zu erheben, kann die zögerliche Bearbeitung des Nachversicherungsvorgangs der Referendarin in der Zeit zwischen Juli 2000 und Februar 2003 nicht auf einem durch das spätere Schreiben der Beklagten vom März 2003 gesetzten Vertrauen beruhen. Ein zeitlich früheres Verwirkungsverhalten der Beklagten hat die Klägerin weder vorgetragen noch ist es sonst ersichtlich.

37

Ebenso wenig ist ersichtlich, welches schutzwürdige Vertrauensverhalten die Klägerin auf der erstmals in dem Schreiben und dem Informationsblatt enthaltenen Aussage, die Beklagte habe bisher eine gegenteilige "Rechtsauffassung" gehabt, hätte aufbauen können. Dieses müsste zeitlich zwischen dem Eingang des Schreibens der Beklagten vom 28.3.2003 und dem Eingang des - hierzu nach Ansicht der Klägerin in Widerspruch stehenden - angefochtenen Säumniszuschlag-Bescheids vom 16.5.2003 liegen. Insoweit ist jedoch gleichfalls weder etwas vorgetragen noch sonst erkennbar.

38

Die vom Senat in Fortführung der einschlägigen Rechtsprechung aufgestellten strengen Maßstäbe für die Verwirkung einer Forderung der Beklagten gegenüber der Klägerin sind Ausdruck dessen, dass beide Beteiligte als Träger öffentlicher Verwaltung an das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art 20 Abs 3 GG) gebunden sind. Deshalb kann sich der Schuldner in der Regel nicht auf den Fortbestand eines rechtswidrigen Zustandes berufen, sondern muss ebenso wie der Gläubiger darauf achten, dass öffentliche Mittel rechtmäßig und sachgerecht verwendet werden. Die Beteiligten unterliegen beide dem Gebot der rechtzeitigen und vollständigen Erhebung der Einnahmen und der Fälligkeit der Ausgaben (§ 67 Abs 1, 76 Abs 1 SGB IV; § 11 Abs 2 Landeshaushaltsordnung der Freien und Hansestadt Hamburg vom 23.12.1971, HmbGVBl 1972, 10). Ein Vertrauen auf die Beibehaltung einer als rechtswidrig erkannten Verwaltungspraxis verdient im Verhältnis zwischen Behörden regelmäßig keinen Vertrauensschutz (vgl BVerwGE 23, 25, 30; 27, 215, 217 f; 60, 208, 211).

39

Der Senat vermag sich aus den dargelegten Gründen auch nicht der Rechtsmeinung des SG Dresden (Urteil vom 1.11.2005 - S 32 R 661/05, rechtskräftig, unveröffentlicht) anzuschließen, wonach die geänderte Verwaltungspraxis der Beklagten für "alle künftigen Sachverhalte" (ab Kenntnis vom Informationsblatt der Beklagten am 2.4.2003) und nicht rückwirkend auf vor diesem Zeitpunkt gezahlte Nachversicherungsbeiträge Anwendung finden soll. Eine solche - rechtswidrige - Praxis verdient wie dargelegt keinen Vertrauensschutz.

40

ee) Da es mithin an einer für ein mögliches Vertrauensverhalten kausalen Vertrauensgrundlage fehlt, kann dahingestellt bleiben, ob die weiteren Voraussetzungen der Verwirkung erfüllt sind. Die Erhebung des Säumniszuschlags führt jedenfalls nicht zu einem unzumutbaren Nachteil der Klägerin. Einen finanziellen Nachteil hat die Klägerin nicht beziffert, sondern lediglich vorgetragen, dass es unzumutbar sei, Säumniszuschläge für den Zeitraum 1995 bis 2003 nachzuentrichten. Dem stehen allerdings mögliche Zinsvorteile im Haushalt der Klägerin durch die verspätete Entrichtung von Nachversicherungsbeiträgen gegenüber sowie die Vorteile, die die Klägerin durch die fehlende Heranziehung von Säumniszuschlägen in bereits verjährten Fällen hatte.

41

ff) Schließlich liegt auch kein Fall der unzulässigen Rechtsausübung hinsichtlich des von der Klägerin geltend gemachten Vorwurfs eines treuwidrigen Verhaltens in Form des "venire contra factum proprium" vor. Denn ein Verhalten, das zu eigenem früheren Verhalten in Widerspruch steht (s BSGE 65, 272, 277= SozR 4100 § 78 Nr 8 S 36 mwN), welches wiederum einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, aufgrund dessen die Klägerin berechtigterweise davon ausgehen durfte, Säumniszuschläge für verspätet gezahlte Nachversicherungsbeiträge würden auch nach der gesetzlichen Neuregelung nicht erhoben, ist der Beklagten nicht zur Last zu legen. Auch in dieser Hinsicht fehlt es - über das "bloße Nichtstun" hinaus - an der Schaffung eines Vertrauenstatbestandes bis zum Abschluss des Nachversicherungsverfahrens.

42

3. Die Höhe des Anspruchs haben die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unstreitig gestellt. Die Beklagte hat den Säumniszuschlag auf den Betrag von 1778,00 Euro reduziert. Die Klägerin hat dieses Teilanerkenntnis der Beklagten angenommen, so dass der Rechtsstreit in der Hauptsache insoweit erledigt ist (§ 101 Abs 2 SGG).

43

4. Ob und inwieweit die Beklagte der Klägerin den entstandenen Säumniszuschlag erlassen darf, wenn dessen Einziehung nach Lage des Einzelfalls unbillig wäre (§ 76 Abs 2 Nr 3 SGB IV), ist im Rahmen des Einziehungsverfahrens zu entscheiden.

44

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 SGG, da die Beteiligten nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören. Der Klägerin waren gemäß §§ 154 Abs 2, 162 Verwaltungsgerichtsordnung iVm § 197a Abs 1 Halbs 3 SGG die Kosten des ganz überwiegend ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels aufzuerlegen. Die Klägerin ist als Land von der Zahlung der Gerichtskosten gemäß § 2 Abs 1 des Gerichtskostengesetzes befreit.

(1) Ansprüche auf Beiträge verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind. Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjähren in dreißig Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind.

(2) Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß. Die Verjährung ist für die Dauer einer Prüfung beim Arbeitgeber gehemmt; diese Hemmung der Verjährung bei einer Prüfung gilt auch gegenüber den auf Grund eines Werkvertrages für den Arbeitgeber tätigen Nachunternehmern und deren weiteren Nachunternehmern. Satz 2 gilt nicht, wenn die Prüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die prüfende Stelle zu vertreten hat. Die Hemmung beginnt mit dem Tag des Beginns der Prüfung beim Arbeitgeber oder bei der vom Arbeitgeber mit der Lohn- und Gehaltsabrechnung beauftragten Stelle und endet mit der Bekanntgabe des Beitragsbescheides, spätestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Abschluss der Prüfung. Kommt es aus Gründen, die die prüfende Stelle nicht zu vertreten hat, zu einem späteren Beginn der Prüfung, beginnt die Hemmung mit dem in der Prüfungsankündigung ursprünglich bestimmten Tag. Die Sätze 2 bis 5 gelten für Prüfungen der Beitragszahlung bei sonstigen Versicherten, in Fällen der Nachversicherung und bei versicherungspflichtigen Selbständigen entsprechend. Die Sätze 1 bis 5 gelten auch für Prüfungen nach § 28q Absatz 1 und 1a sowie nach § 251 Absatz 5 und § 252 Absatz 5 des Fünften Buches.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 29. Juni 2011 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten auch des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der Kosten des Beigeladenen.

Der Streitwert wird auf 5000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten zuletzt noch darüber, ob sich der Kläger hinsichtlich der Zahlung von Nachversicherungsbeiträgen für den Beigeladenen auf Verjährung berufen darf.

2

Der 1948 geborene Beigeladene nahm vom 1.4.1965 bis 30.9.1970 bei der Landesforstverwaltung des Klägers an der Ausbildung für die gehobene Forstlaufbahn teil, zuletzt ab 1.10.1968 als Revierförsteranwärter. In der Zeit vom 8.4.1969 bis 30.9.1970 war er zur Ableistung des Wehrdienstes ohne Bezüge beurlaubt.

3

Nach einem Antrag des Beigeladenen auf Kontenklärung im Januar 2008 teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 14.3.2008 mit, für den Beigeladenen sei für die Zeit vom 1.10.1968 bis 7.4.1969 eine Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung durchzuführen, und bat ihn, den Nachversicherungsbetrag zu überweisen. Mit Schreiben vom 9.7.2008 teilte der Kläger mit, in der Personalakte des Beigeladenen gebe es weder einen Vorgang bezüglich einer Nachversicherung noch eine Aufschubbescheinigung. Besoldungsunterlagen lägen nicht vor. Schließlich erhob er bezüglich der Nachversicherung die Einrede der Verjährung gemäß § 25 Abs 1 SGB IV.

4

Mit Bescheid vom 8.8.2008 forderte die Beklagte den Kläger auf, die Nachversicherungsbeiträge für die Zeit vom 1.10.1968 bis 7.4.1969 gemäß § 233 Abs 1 SGB VI iVm § 9 Abs 1 AVG zu überweisen. Die Erhebung der Verjährungseinrede durch den ehemaligen Dienstherrn in Bezug auf Nachversicherungsbeiträge verstoße gegen Treu und Glauben und stelle unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht aus dem Beamtenverhältnis eine unzulässige Rechtsausübung dar.

5

Mit Urteil vom 14.1.2011 hat das SG Koblenz diesen Bescheid aufgehoben. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG Rheinland-Pfalz das Urteil des SG Koblenz aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 29.6.2011). Hierzu hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Die Voraussetzungen für die Durchführung der Nachversicherung gemäß § 233 Abs 1 S 1 SGB VI seien erfüllt. Zwar seien die Nachversicherungsbeiträge zum Zeitpunkt der erstmaligen Geltendmachung durch die Beklagte bereits gemäß § 25 Abs 1 SGB IV verjährt gewesen, da die Nachversicherungsbeiträge am 30.9.1970 fällig geworden seien. Die Verjährung stehe indessen der Geltendmachung der Nachversicherungsbeiträge nicht entgegen, da dem Kläger eine Berufung auf die Einrede der Verjährung nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt sei. Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung stehe der Verjährungseinrede dann entgegen, wenn der Schuldner den Gläubiger von der rechtzeitigen Geltendmachung eines Rechts bzw von verjährungsunterbrechenden oder -hemmenden Handlungen abgehalten und dadurch bei ihm den Glauben hervorgerufen habe, dass er sich nicht auf den Ablauf der Verjährungsfrist berufen werde. Auch eine bloße Untätigkeit könne zu einer Rechtsmissbräuchlichkeit der Einrede der Verjährung führen. Dies sei dann der Fall, wenn eine Rechtspflicht zum Handeln bestanden habe. Diese Pflicht könne sich aus der vormaligen Fürsorgepflicht als Ausfluss des Beamtenrechtsverhältnisses ergeben. Der Dienstherr habe im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl des Beamten und seiner Familie auch für die Zeit nach Beendigung des Beamtenverhältnisses zu sorgen. Der Kläger sei mit Ausscheiden des Beigeladenen aus dem Dienst grundsätzlich verpflichtet gewesen, die Nachversicherung durchzuführen oder eine Aufschubbescheinigung zu erteilen. Dieser Verpflichtung sei er nicht nachgekommen. Somit seien eine Berufung des Klägers auf den Eintritt der Verjährung und die daraus folgende Weigerung, die Nachversicherungsbeiträge zu entrichten, rechtsmissbräuchlich.

6

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 25 Abs 1 SGB IV. Die Geltendmachung der Verjährungseinrede sei zulässig. Ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung liege nicht vor, da Voraussetzung hierfür sei, dass derjenigen Partei des Rechtsverhältnisses, die ein Recht geltend mache, eine Pflichtverletzung zur Last zu legen sei. Diese Pflichtverletzung müsse mit der geltend gemachten Rechtsposition oder zumindest mit dem Rechtsverhältnis, in dem die Position erwachsen sei, zusammenhängen. Eine Pflichtverletzung des Klägers gegenüber der Beklagten mit einem ausreichenden Bezug zur Verjährung des Anspruchs sei aber nicht ersichtlich. Der Kläger habe lediglich die Pflicht zur Durchführung der Nachversicherung verletzt. Eine darüber hinausgehende Pflichtverletzung, die ihm die Erhebung der Verjährungseinrede ermöglicht oder erleichtert hätte, liege nicht vor. Das bloße Unterlassen der Nachversicherung stelle kein aktives Verhalten des Klägers dar, das die Beklagte davon abgehalten haben könnte, die Nachversicherungsbeiträge geltend zu machen. Während des gesamten Zeitraums habe es zwischen dem Kläger und der Beklagten keine Kontakte gegeben. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben resultiere auch nicht aus einer etwaigen Verletzung der Fürsorgepflicht des Klägers als ehemaligem Dienstherrn des Beigeladenen, da diese keine Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen den Beteiligten habe. Es komme allein auf Pflichtverletzungen im Rechtsverhältnis zwischen Beitragsschuldner und -gläubiger an.

7

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 29. Juni 2011 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 14. Januar 2011 zurückzuweisen, soweit dieses die Durchsetzbarkeit des Zahlungsgebots im Bescheid vom 8. August 2008 beseitigt hat.

8

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

10

Der Beigeladene war im Verfahren vor dem BSG nicht vertreten (§ 73 Abs 4 SGG).

Entscheidungsgründe

11

Die auf die Frage der Verjährung beschränkte Revision ist unbegründet. Insofern hat das LSG im Ergebnis zutreffend das Urteil des SG aufgehoben und die zulässige Anfechtungsklage abgewiesen. Die Geltendmachung der Verjährungseinrede durch den Kläger ist rechtsmissbräuchlich.

12

Gegenstand des Verfahrens (§ 95 SGG) ist der Bescheid der Beklagten vom 8.8.2008, mit dem die Beklagte den Kläger zur Zahlung der Nachversicherungsbeiträge für die Beschäftigung des Beigeladenen in der Zeit vom 1.10.1968 bis 7.4.1969 aufgefordert hat. Revisionsrechtlicher Streitgegenstand ist insofern allein die Erhebung der Verjährungseinrede durch den Kläger. Dies ist zulässig, weil es sich insofern um einen (ab-)trennbaren Streitgegenstand im revisionsrechtlichen Sinne handelt (BSG SozR 4-2600 § 233a Nr 1 RdNr 23; BSGE 99, 271 = SozR 4-2400 § 27 Nr 3, RdNr 10; BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 2 RdNr 11; BGH Urteile vom 11.1.1974 - I ZR 89/72 - MDR 1974, 558, 559 und vom 12.7.1989 - VIII ZR 286/88 - BGHZ 108, 256, 259). Da der Kläger sein Revisionsbegehren in dieser Weise beschränkt hat, ist das Urteil des LSG im Übrigen rechtskräftig (§ 141 Abs 1 SGG) und der angegriffene Bescheid vom 8.8.2008 insoweit bestandskräftig geworden (§ 77 SGG). Damit steht die Pflicht des Klägers, die Nachversicherung für den beigeladenen Versicherten für die Zeit vom 1.10.1968 bis 7.4.1969 durchzuführen, dem Grunde nach zwischen den Beteiligten fest. Der revisionsgerichtlichen Prüfung unterliegt allein die Durchsetzbarkeit einer hieraus folgenden Beitragsforderung.

13

In der Sache kann die Revision des Klägers keinen Erfolg haben. Das LSG hat im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass der Anspruch der Beklagten auf Entrichtung von Beiträgen für eine Nachversicherung des Beigeladenen in der gesetzlichen Rentenversicherung für den Zeitraum vom 1.10.1968 bis 7.4.1969 durchsetzbar ist. Zwar ist dieser Beitragsanspruch verjährt, doch kann sich der Kläger hierauf nicht berufen. Die Erhebung der Verjährungseinrede durch ihn ist rechtsmissbräuchlich.

14

Das LSG hat für den erkennenden Senat bindend (§ 163 SGG) festgestellt, dass der Beigeladene mit Ablauf des 30.9.1970 unversorgt aus einer versicherungsfreien Beschäftigung bei dem Kläger ausgeschieden ist. Mit Entfallen der Versicherungsfreiheit waren daher am 1.10.1970 die gesetzlichen Voraussetzungen für die Durchführung der Nachversicherung im Zeitraum 1.10.1968 bis 7.4.1969 erfüllt. In Ermangelung eines Aufschubgrundes (§ 125 Abs 1 AVG)war damit der Anspruch der Beklagten auf die Nachversicherungsbeiträge für die Zeit vom 1.10.1968 bis 7.4.1969 in gesetzlicher Höhe entstanden und gleichzeitig fällig.

15

Dieser Beitragsanspruch der Beklagten ist verjährt. Entgegen der Auffassung des LSG richtet sich die Verjährung des Anspruchs auf Nachversicherungsbeiträge im vorliegenden Fall zunächst noch nach § 205 AVG iVm § 29 Abs 1 RVO und nur bei Geltung der dreißigjährigen Verjährungsfrist zusätzlich nach § 25 Abs 1 SGB IV.

16

Die mit Wirkung vom 1.7.1977 (Art II § 21 Abs 1 SGB IV) durch § 25 Abs 1 SGB IV neu geordnete Verjährung von Beitragsansprüchen gilt nach den Überleitungsbestimmungen in Art II § 15 aaO auch für die schon vorher fällig gewordenen, noch nicht verjährten Beitrags- und Erstattungsansprüche. Nicht verjährt in diesem Sinne sind diejenigen vor dem 1.7.1977 fällig gewordenen Beitragsansprüche, hinsichtlich derer die bis dahin in § 205 AVG iVm § 29 Abs 1 RVO festgelegte Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen war(vgl BSG vom 24.3.1983 - 1 RA 71/82 - Juris RdNr 20 mwN). Nach der Vorschrift des § 29 Abs 1 RVO verjährte der Anspruch auf rückständige Beiträge in zwei Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres der Fälligkeit, "soweit die nicht absichtlich hinterzogen worden sind". Im Falle eines absichtlichen Hinterziehens galt in entsprechender lückenfüllender Anwendung der die Verjährung betreffenden Vorschriften des BGB (vgl BSG vom 24.3.1983 - 1 RA 71/82 - Juris RdNr 21; BSGE 35, 236, 238 = SozR Nr 26 zu § 29 RVO)eine Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 195 BGB in der bis 31.12.2001 geltenden Fassung). Fällig geworden war der Beitragsanspruch zur Nachversicherung des Beigeladenen nach dessen unversorgtem Ausscheiden aus dem versicherungsfreien Beschäftigungsverhältnis am 1.10.1970. Der Umstand, dass der Anspruch zu diesem Zeitpunkt noch nicht bezifferbar war, hindert Beginn und Ablauf der Verjährung nicht (vgl BGH vom 19.1.1978 - VII ZR 304/75 - WM 1978, 496, Juris RdNr 16 und vom 22.2.2006 - XII ZR 48/03 - NJW 2006, 1963, 1965 mwN). Das LSG hat keine Feststellungen darüber getroffen, ob der Kläger die Nachversicherungsbeiträge absichtlich hinterzogen hat; hierauf kommt es jedoch auch nicht an. Denn lägen die Voraussetzungen für ein absichtliches Hinterziehen nicht vor, hätte die zweijährige Regelverjährung gemäß § 29 Abs 1 RVO am 1.1.1971 begonnen und zum 31.12.1972 geendet. Anderenfalls wäre die dreißigjährige Verjährungsfrist am 1.7.1977 noch nicht abgelaufen gewesen, so dass sich ab diesem Zeitpunkt die Verjährung nach § 25 Abs 1 SGB IV gerichtet hätte. Auch die hiernach geltenden Verjährungsfristen waren jedoch abgelaufen, als die Beklagte im März 2008 ein Verwaltungsverfahren zur Prüfung der Nachversicherung einleitete.

17

Trotz Verjährung ist der Kläger hinsichtlich der Nachversicherungsbeiträge nicht zur Leistungsverweigerung berechtigt. Die Berufung auf diese Einrede stellt sich nach den vom LSG getroffenen tatsächlichen Feststellungen, an die der Senat gebunden ist (§ 163 SGG), als rechtsmissbräuchlich und damit als unzulässige Rechtsausübung dar.

18

Das Rechtsinstitut der unzulässigen Rechtsausübung wegen Rechtsmissbrauchs ist eine aus dem Grundsatz von Treu und Glauben iS des § 242 BGB abgeleitete, der gesamten Rechtsordnung immanente Schranke, die auch im Bereich des Sozialrechts zu beachten ist(vgl BSG SozR 3-2400 § 25 Nr 6 S 27; SozR 3-2200 § 543 Nr 1 S 5; BSGE 43, 227, 232 = SozR 3100 § 21 Nr 1 S 6; BSGE 46, 187, 189 = SozR 2200 § 315a Nr 7 S 18; BSGE 62, 96, 98 = SozR 1200 § 14 Nr 26 S 72 f). Die Verjährung hingegen dient dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit des Rechtsverkehrs (BGHZ 59, 72, 74). Dieser Zweck gebietet es, strenge Maßstäbe anzulegen und den Einwand der unzulässigen Rechtausübung nur gegenüber einem wirklich groben Verstoß gegen Treu und Glauben durchgreifen zu lassen (BGH NJW-RR 1989, 215, 217; BSG USK 77190 S 780). Die Berufung auf Verjährung wird daher grundsätzlich nur dann als unzulässige Rechtsausübung angesehen, wenn der Verpflichtete den Berechtigten, wenn auch unabsichtlich, durch sein Verhalten von der rechtzeitigen Geltendmachung des Anspruchs abgehalten oder ihn auf sonstige Weise nach objektiven Maßstäben zu der Annahme veranlasst hat, es werde auch ohne Rechtsstreit eine vollständige Befriedigung seines Anspruchs zu erreichen sein (BGH NJW 1988, 2245, 2247; BGHZ 93, 64, 66; BAG vom 4.11.1992 - 5 AZR 75/92 - Juris RdNr 23 mwN; BAG AP Nr 12 zu § 4 BAT Bl 373; BVerwG vom 15.6.2006 - 2 C 14/05 - Juris RdNr 23 mwN). Auch im Sozialrecht und insbesondere im Beitragsrecht steht der gesetzlich zugelassenen Verjährungseinrede (§ 25 SGB IV) der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs entgegen, wenn der Gläubiger im Vertrauen auf ein konkretes, ihm gegenüber an den Tag gelegtes Verhalten des Beitragsschuldners die Ansprüche nicht innerhalb der Verjährungsfrist verfolgt hat (BSG SozR 3-2400 § 25 Nr 6 S 27; SozR 2200 § 182 Nr 113 S 255; BSG USK 82182 S 825 und USK 77190 S 780).

19

Daraus ergibt sich als regelmäßige Voraussetzung für den Einwand unzulässiger Rechtsausübung, dass der Schuldner eine Tätigkeit entfaltet und Maßnahmen trifft, die den Gläubiger veranlassen, verjährungsunterbrechende Schritte zu unterlassen, sei es auch nur, weil ihm infolge eines solchen Tuns Ansprüche unbekannt geblieben sind. Die Untätigkeit des Gläubigers muss gerade auf das Verhalten des Schuldners zurückzuführen sein (BAG vom 4.11.1992 - 5 AZR 75/92 - Juris RdNr 23). Nur zu eigenem Tun wird sich der Schuldner grundsätzlich durch Erhebung der Verjährungseinrede in einen gegen Treu und Glauben verstoßenden Widerspruch setzen können, indem er aus der von ihm selbst veranlassten Untätigkeit des Gläubigers einen Vorteil für sich ableiten will. Jedoch kann auch ein qualifiziertes, dh ein pflichtwidriges Unterlassen (Grothe in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl 2012, RdNr 19 vor § 194)gebotener Maßnahmen durch die zuständige Behörde die spätere Berufung auf die Verjährungseinrede als rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen. Dies gilt insbesondere, wenn allein dieses objektiv pflichtwidrige Unterlassen ursächlich dafür ist, dass der Gläubiger keine Kenntnis von seinem Anspruch erlangt hat. Auch durch ein solches Unterlassen hat der Schuldner den Gläubiger von der Geltendmachung seines Anspruchs "abgehalten" mit der Folge, dass die Einrede der Verjährung durch den Schuldner eine unzulässige Rechtsausübung darstellt (vgl BVerwGE 66, 256, 259 sowie BVerwGE 97, 1, 11; BAG vom 4.11.1992 - 5 AZR 75/92 - Juris RdNr 23; zum Abhalten von der Klageerhebung durch unabsichtliches Verschweigen relevanter Tatsachen betreffend die Person des Schuldners: BGH NJW 2002, 3110, 3111; zur unterlassenen Belehrung über das Bestehen eines Erstattungsanspruchs, die Notwendigkeit eines schriftlichen Antrags sowie dessen Modalitäten: BSGE 99, 271 = SozR 4-2400 § 27 Nr 3, RdNr 14). Diese Voraussetzungen für eine unzulässige Rechtsausübung sind im vorliegenden Fall erfüllt.

20

Es kann offenbleiben, ob - wie das LSG annimmt - für den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs auf das beamtenrechtliche Fürsorgeverhältnis zwischen dem Beitragsschuldner und dem ehemaligen Beschäftigten abzustellen ist bzw ob sich aus diesem Fürsorgeverhältnis eine Handlungspflicht des Beitragsschuldners gegenüber dem Beitragsgläubiger ergeben kann. Denn auf die Einrede der Verjährung kann sich der Kläger schon deshalb nicht berufen, weil er nach dem Ausscheiden des Beigeladenen seine rentenrechtliche Pflicht zur Entrichtung der Nachversicherungsbeiträge verletzt hat. Zu diesem Unterlassen der Durchführung der Nachversicherung - gleich aus welchem Grunde - setzt sich der Kläger mit dem späteren Einwand der Verjährung in einen gegen Treu und Glauben verstoßenden Widerspruch. Denn das Nachversicherungsverhältnis ist dadurch gekennzeichnet, dass es grundsätzlich allein der Nachversicherungsschuldner in der Hand hat, ob der Nachversicherungsgläubiger überhaupt von seinem Anspruch erfährt. Unterrichtet nicht ausnahmsweise der zuvor versicherungsfrei Beschäftigte den Rentenversicherungsträger - wozu er generell nicht verpflichtet ist und wofür es vorliegend an Anhaltspunkten fehlt -, ist der Rentenversicherungsträger rechtlich grundsätzlich und faktisch in aller Regel darauf angewiesen, dass der Nachversicherungsschuldner von sich aus die Nachversicherungsbeiträge ermittelt, zahlt sowie eine entsprechende Bescheinigung erteilt (vgl § 124 Abs 1, 2, 6 AVG, § 185 Abs 1 und 3 SGB VI). Bei Verletzung dieser Pflicht bleibt dem Gläubiger sein Beitragsanspruch mit der Folge unbekannt, dass er zulasten der Versichertengemeinschaft von der Geltendmachung seines Anspruchs sowie von sonstigen verjährungshemmenden Handlungen abgehalten wird (vgl LSG Nordrhein-Westfalen vom 16.1.2006 - L 3 R 3/05 - Juris RdNr 38; im Ergebnis ebenso, jedoch - zumindest auch - auf das beamtenrechtliche Fürsorgeverhältnis abstellend LSG Nordrhein-Westfalen vom 26.1.2007 - L 13 R 117/05 - Juris RdNr 42 f; aA die Entscheidungen des LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 22.1.2010 - L 4 R 1764/09 - sowie vom 13.4.2011 - L 5 R 1663/10 - und des LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 5.10.2010 - L 18 R 247/09 - jeweils nicht veröffentlicht; ebenfalls aA LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 27.10.2010 - L 8 R 181/09 - Juris RdNr 29).

21

Bei der Beurteilung des Verhaltens des Klägers müssen auch Sinn und Zweck der Nachversicherung sowie der systematische Zusammenhang zwischen der Nachversicherung und den Tatbeständen der Versicherungsfreiheit bzw der Befreiung von der Versicherungspflicht beachtet werden. Eine Nachversicherung findet statt bei Personen, die in einer Beschäftigung versicherungsfrei waren oder von der Versicherungspflicht befreit worden sind, wenn sie aus dieser Beschäftigung unversorgt ausgeschieden sind. Insbesondere für die Personengruppe der versicherungsfreien Beschäftigten (vgl § 8 Abs 2 S 1 Nr 1 bis 3 SGB VI iVm § 5 Abs 1 SGB VI)ist zu berücksichtigen, dass die Vorschrift des § 5 Abs 1 SGB VI die Versicherungsfreiheit als Ausnahme von der grundsätzlichen Versicherungspflicht für die betreffenden, eigentlich die Versicherungspflicht begründenden Beschäftigungen anordnet(vgl Gürtner in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 5 SGB VI RdNr 2 ff, Stand April 2009). Der Eintritt von Versicherungsfreiheit setzt voraus, dass dem Grunde nach ein Sachverhalt vorliegt, der nach den §§ 1 bis 4 SGB VI Versicherungspflicht begründet(vgl BSG SozR 4-2600 § 210 Nr 2 RdNr 23; BSGE 41, 297, 299 = SozR 2200 § 1399 Nr 4 S 8; BSG SozR 2200 § 172 Nr 19 S 40). Aufgrund ihrer Beschäftigung wäre diese Personengruppe also grundsätzlich versicherungspflichtig; das Gesetz stellt sie in dieser Beschäftigung jedoch ausnahmsweise von der Versicherungspflicht frei, da bereits eine anderweitige Absicherung vorliegt, so dass eine Einbeziehung dieser Personen in den Schutzbereich der gesetzlichen Rentenversicherung entbehrlich ist. Scheidet jedoch der Beschäftigte aus dieser versicherungsfreien Beschäftigung unversorgt aus, so ist der Grund für die Versicherungsfreiheit, nämlich die fehlende Schutzbedürftigkeit aufgrund einer anderweitigen Absicherung, nachträglich entfallen. Um diese Versorgungslücke zu schließen, soll mithilfe der Nachversicherung im Nachhinein eine soziale Sicherung dergestalt hergestellt werden, wie sie bestanden hätte, wenn der Beschäftigte in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert gewesen wäre. Daher entsteht mit dem unversorgten Ausscheiden des Beschäftigten die Pflicht des Arbeitgebers, die Nachversicherungsbeiträge sofort abzuführen (vgl BSG SozR 3-2200 § 1232 Nr 2 S 6 mwN). Die Pflicht zur Zahlung der Nachversicherungsbeiträge tritt kraft Gesetzes ein, ohne dass es eines Bescheides des zuständigen Rentenversicherungsträgers bedarf (vgl BSG SozR 3-2600 § 8 Nr 6 S 20 f). Erst mit der wirksamen Zahlung der Nachversicherungsbeiträge erwirbt der zuvor versicherungsfrei Beschäftigte den Versichertenstatus und damit den Versicherungsschutz (vgl BSGE 100, 19 = SozR 4-2600 § 281 Nr 1, RdNr 23; BSG SozR 3-2200 § 1232 Nr 2 S 5). Mit der Durchführung der Nachversicherung kommt aber nicht nur dem Nachversicherten der jedem versicherten Beschäftigten aufgrund seiner Arbeit zustehende Schutz der Rentenversicherung zugute; die Nachversicherungsbeiträge dienen zudem in dem im Umlageverfahren finanzierten System der gesetzlichen Rentenversicherung dazu, die Solidarlast zu tragen (vgl Finke in Hauck/Haines, SGB VI, K § 8 RdNr 7, Stand Juni 2009). Die Pflicht zur rechtzeitigen, also unverzüglichen Zahlung der Nachversicherungsbeiträge steht demnach nicht nur im Interesse des einzelnen Beschäftigten, sondern auch im Interesse der Solidargemeinschaft der Versicherten. Verletzt ein - zumal wie hier öffentlich-rechtlicher - Arbeitgeber diese Beitragspflicht, ist ihm grundsätzlich und in aller Regel allein wegen dieses Unterlassens die Verjährungseinrede verwehrt.

22

Der Kläger geht schließlich unter Hinweis auf unveröffentlichte Rechtsprechung des LSG Baden-Württemberg irrigerweise davon aus, die Erhebung der Verjährungseinrede könne sich nur dann als rechtsmissbräuchlich darstellen, wenn der Schuldner im Verhältnis zum Gläubiger eine aktive Pflichtverletzung begangen habe. Indessen ist bereits durch die Rechtsprechung des Reichsgerichts (Urteile vom 2.6.1934 - V 10/34 - RGZ 144, 378, 381 und vom 27.10.1934 - V 353/34 - RGZ 145, 239, 244) und ihm folgend des BVerwG (Urteil vom 26.1.1966 - VI C 112.63 - BVerwGE 23, 166, 171 und vom 9.7.1973 - VIII C 4.73 - BVerwGE 42, 353 ff), des BGH (Urteile vom 3.2.1953 - I ZR 61/52 - BGHZ 9, 1, 5, vom 7.5.1991 - XII ZR 146/90 - NJW-RR 1991, 1033 - Juris RdNr 18 und vom 12.6.2002 - VIII ZR 187/01 - NJW 2002, 3110, 3111) und des BAG (Urteil vom 25.2.1987 - 4 AZR 239/86 - Juris RdNr 22, 23) geklärt, dass eine Rechtsmissbräuchlichkeit der Verjährungseinrede nicht nur dann in Betracht kommt, wenn der Berufung des Schuldners auf Verjährung eigenes positives Tun entgegensteht, durch das er seinen Gläubiger von der rechtzeitigen gerichtlichen Durchsetzung einer diesem bekannten Forderung trotz der drohenden Verjährung abgehalten hat. Vielmehr liegt ein "Abhalten von der Klageerhebung" auch dann vor, wenn der Gläubiger von der rechtzeitigen verjährungsunterbrechenden Geltendmachung seines Anspruchs durch das Verhalten des Schuldners abgehalten worden ist, indem der Schuldner bewirkt hat, dass dem Gläubiger sein Anspruch nicht bekannt geworden ist. Ein entsprechender Sachverhalt liegt hier vor. Allein der Kläger hat durch sein objektiv gesetzwidriges Verhalten bewirkt, dass der Beklagten ihre Beitragsansprüche unbekannt geblieben sind und sie infolge dieser Unkenntnis nicht rechtzeitig verjährungsunterbrechende Maßnahmen eingeleitet hat. Da demnach das eigene pflichtwidrige Verhalten des Klägers dafür ursächlich ist, dass die Verjährungsfrist für die Ansprüche der Beklagten abgelaufen ist, kann sich der Kläger nach Treu und Glauben auf den Ablauf der Verjährungsfrist nicht berufen, weil dies mit seinem eigenen Verhalten nicht im Einklang stehen würde. Bei dieser Sach- und Rechtslage kommt es auf ein Verschulden des Klägers nicht an (vgl insgesamt BVerwGE 23, 166, 171).

23

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG, da die Beteiligten nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören. Dem Kläger waren gemäß §§ 154 Abs 1, 162 VwGO iVm § 197a Abs 1 SGG die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, da er hinsichtlich seines Begehrens, die Durchsetzbarkeit der Beitragsforderung zu beseitigen, vollständig unterlegen ist. Die Kosten des Beigeladenen hat der Kläger nicht zu tragen, da der Beigeladene keinen Antrag gestellt hat und damit kein Kostenrisiko eingegangen ist.

24

Die endgültige Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 47 Abs 1 S 1 und Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 2 GKG, da der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des genauen Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte bietet.

Tatbestand

1

Im Streit steht die Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung des Säumniszuschlags in Höhe von 1778,00 Euro wegen verspäteter Abführung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung im Rahmen der Nachversicherung.

2

Der juristische Vorbereitungsdienst als Rechtsreferendarin im Beamtenverhältnis auf Widerruf der 1969 geborenen G. R. (im Folgenden: Referendarin) bei der klagenden Freien und Hansestadt endete am 20.7.2000. Die Personalstelle für Referendare beim Hanseatischen Oberlandesgericht zeigte dem für Nachversicherungen zuständigen Personalamt/Zentrale Personaldienste der Klägerin (im Folgenden: Nachversicherungsstelle) an, dass die Referendarin ohne Anspruch auf Versorgung aus dem Dienst ausgeschieden war. Sie übermittelte die während dieses Zeitraums der versicherungsfreien Beschäftigung als Beamtin erzielten Gesamtbruttobezüge in Höhe von 63 154,95 DM. Diese Nachversicherungsanzeige vom 12.9.2000 ging bei der Nachversicherungsstelle der Klägerin am 7.12.2000 ein. Die Nachversicherungsstelle wandte sich mit mehreren Schreiben (vom 7.2.2002, 24.7.2002 und 10.10.2002) zur Ermittlung von Gründen für den Aufschub der Nachversicherung an die Referendarin; diese reagierte auf keines dieser Schreiben. Am 24.1.2003 übersandte die Klägerin der Beklagten (damals: Bundesversicherungsanstalt für Angestellte) die Bescheinigung über die Nachversicherung der Referendarin. Das nachzuversichernde Entgelt bezifferte die Klägerin mit 67 504,33 DM. Mit Wertstellung vom 10.2.2003 ging der Nachversicherungsbeitrag in Höhe von 6730,31 Euro (13 163,34 DM = 19,5% von 67 504,33 DM) bei der Beklagten ein.

3

Mit Schreiben vom 28.3.2003 (der Klägerin zugegangen am 2.4.2003) teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie werde künftig Säumniszuschläge auf verspätet gezahlte Nachversicherungsbeiträge erheben, und verwies hierzu auf das beigefügte Informationsblatt "Säumniszuschläge auf verspätet gezahlte Nachversicherungsbeiträge". Hierin heißt es ua:

        

"Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) weist mit dieser Information darauf hin, dass sie ihre bisherige Rechtsauffassung aufgibt und im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung sowie dem Bundesrechnungshof künftig in allen Fällen der verspäteten Zahlung von Nachversicherungsbeiträgen Säumniszuschläge (§ 24 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IV) erheben wird. …

        

Die Rentenversicherungsträger berücksichtigen die Ausführungen des Bundesministeriums des Innern in seinem Rundschreiben vom 27.4.1999 - DII6-224012/55 -, wonach Nachversicherungsschuldner spätestens drei Monate nach unversorgtem Ausscheiden des Beschäftigten aus dem Beschäftigungs- bzw Dienstverhältnis über den Aufschub oder die Durchführung der Nachversicherung entscheiden soll. Ein Säumniszuschlag wird deshalb nicht erhoben, wenn die Nachversicherungsbeiträge innerhalb von drei Monaten nach Eintritt der Voraussetzungen für die Nachversicherung gezahlt werden.
Frühester Zeitpunkt der Säumnis ist der 1.1.1995, weil seit diesem Zeitpunkt die Erhebung von Säumniszuschlägen nicht mehr im Ermessen der beitragsentgegennehmenden Stelle liegt, sondern von Gesetz wegen zu erfolgen hat."

4

Mit Bescheid vom 16.5.2003 erhob die Beklagte gemäß § 24 Abs 1 SGB IV den Säumniszuschlag in Höhe von 1841,50 Euro, wobei sie 29 Monate der Säumnis, gerechnet ab 21.10.2000, zugrunde legte. Die Höhe der Nachversicherungsschuld am 21.10.2000 wurde mit 12 451,64 DM (19,3% von 64 516,25 DM) beziffert.

5

Die vor dem SG Hamburg erhobene Klage (Urteil vom 25.1.2006 - S 10 RA 319/03) und die Berufung vor dem LSG Hamburg (Urteil vom 23.7.2008 - L 6 RA 64/06) blieben erfolglos. Das LSG Hamburg hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG auf eine Anhörung (§ 24 Abs 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch) rechtswirksam verzichtet. Die Beklagte habe den streitigen Bescheid zu Recht auf § 24 Abs 1 SGB IV gestützt. Insofern werde der Rechtsprechung des BSG (Senatsurteil vom 12.2.2004 - SozR 4-2400 § 24 Nr 2)gefolgt. Ein Fall der Säumnis habe vorgelegen, weil die Klägerin die Beiträge zur Nachversicherung erst verspätet (am 10.2.2003) gezahlt habe. Der Nachversicherungsfall sei bereits ab dem unversorgten Ausscheiden der Referendarin aus dem Vorbereitungsdienst mit Bestehen der Zweiten juristischen Staatsprüfung am 20.7.2000 eingetreten. Mit Wirkung vom 21.7.2000 (§ 8 Abs 2 Satz 1 Nr 1, § 181 Abs 5 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch) sei sie deshalb nachzuversichern gewesen. Aufschubgründe gemäß § 184 Abs 2 SGB VI hätten nicht vorgelegen. Die Berechnung der Säumnis erst ab 21.10.2000 begünstige die Klägerin daher.

6

Ein Fall der unverschuldeten Unkenntnis der Klägerin von ihrer Pflicht zur Beitragszahlung iS von § 24 Abs 2 SGB IV, der der Erhebung des Säumniszuschlags entgegenstehe, habe die Klägerin nicht glaubhaft gemacht. Sie habe seit Erhalt der Anzeige der Personalstelle für Referendare am 7.12.2000 von der Zahlungspflicht gewusst und sei dennoch über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr untätig geblieben. Erst ab 7.2.2002 habe die Klägerin den Nachversicherungsvorgang bearbeitet. Sie habe selbst eingeräumt, dass der lange Zeitraum der Untätigkeit auf einer Fehlorganisation in der Personalverwaltung bzw auf einem Organisationsverschulden beruht habe. Hierfür spreche, dass die Klägerin in einer Vielzahl von Fällen (einige Hundert) die Nachversicherung verspätet durchgeführt habe. Auch im Zeitraum ab der erstmaligen Kontaktaufnahme mit der Referendarin (Schreiben vom 7.2.2002) bis zur Durchführung der Nachversicherung Anfang des Jahres 2003 habe keine unverschuldete Unkenntnis von der Zahlungspflicht vorgelegen. Die schuldhafte Kenntnis der Klägerin bis 6.2.2002 habe sich nicht dadurch in eine schuldlose Unkenntnis der Zahlungsverpflichtung mit der Folge schuldloser Säumnis gewandelt, dass die Referendarin auf keines der Schreiben der Klägerin reagiert habe. Die Klägerin hätte die Nachversicherungsbeiträge - wegen Fehlens von Aufschubgründen - sofort entrichten und so eine Säumnis vermeiden können. Der Klägerin sei es auch zumutbar gewesen, personelle oder verfahrensordnende Vorkehrungen zu treffen, um eine Verzögerung bei der Durchführung der Nachversicherung zu vermeiden.

7

Dem stehe auch nicht das Schreiben der Beklagten vom 28.3.2003 nebst Informationsblatt entgegen. Hierbei handele es sich lediglich um einen Hinweis auf die Rechtslage und weder um einen Verzicht auf den streitigen Säumniszuschlag noch um die Zusicherung, von dessen Erhebung abzusehen. Die Festsetzung des Säumniszuschlags sei auch nicht verwirkt. Zwar sei das Rechtsinstitut der Verwirkung als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch) auch auf die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 14.7.2004 - SozR 4-2400 § 7 Nr 4) anzuwenden. Der Verwirkung stehe aber die seit Januar 1995 geltende Rechtspflicht des § 24 SGB IV zur Festsetzung von Säumniszuschlägen entgegen, wonach der Beklagten kein Ermessen mehr eingeräumt sei. Im Übrigen könnten besonderen Umständen, aus denen sich eine Unbilligkeit der Festsetzung des Säumniszuschlags im Einzelfall ergebe, nur durch Stundung oder Erlass (§ 76 Abs 2 Nr 1 bzw 3 SGB IV) Rechnung getragen werden. Einer lückenausfüllenden Anwendung des Rechtsinstituts der Verwirkung bedürfe es daher nicht. Insofern könne offen bleiben, ob es unbillig sei, wenn die Klägerin in einer Vielzahl von Fällen die Nachversicherung verspätet vorgenommen und die Beklagte es andererseits jahrelang unterlassen habe, diese Praxis durch die Erhebung von Säumniszuschlägen zu sanktionieren. Hinsichtlich der Höhe der getroffenen Festsetzung könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Klägerin begünstigt worden sei. Die Beklagte habe lediglich 29 Monate im Hinblick auf das Rundschreiben des Bundesministers des Innern vom 27.4.1999 (DII6-224012/55) berücksichtigt; tatsächlich seien aber 32 Monate (vom 21.7.2000 bis zur Wertstellung am 10.2.2003) der Säumnis zu berücksichtigen gewesen. Da sich der Beitragssatz im Jahre 2003 auf 19,5 % erhöht habe, ergebe dies eine höhere als die festgesetzte Nachversicherungsschuld (von 7631,82 anstelle von 7553,55 Euro).

8

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 24 Abs 2 SGB IV. Sie ist der Meinung, das LSG habe den im Senatsurteil vom 12.2.2004 (BSG SozR 4-2400 § 24 Nr 2)aufgezeigten Anwendungsbereich der Norm auf Nachversicherungsbeiträge verkannt. Sie räumt ein, bis zum Beginn der Bearbeitung des Nachversicherungsvorgangs im Februar 2002 fahrlässig in Unkenntnis der Zahlungsverpflichtung gewesen zu sein. Allerdings sei die Verzögerung in der Bearbeitung ab Juli 2002 bis zur Zahlung der Nachversicherungsbeiträge im Februar 2003 allein auf die fehlende Mitwirkung der Referendarin zurückzuführen. Während dieses Zeitraums (acht Monate) habe die Klägerin die Säumnis daher nicht verschuldet; dies entspreche auch dem der Norm zugrunde liegenden Schuldnerschutz. Die Erhebung des Säumniszuschlags verletze den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) in Ausprägung der unzulässigen bzw rechtsmissbräuchlichen Rechtsausübung (venire contra factum proprium). Das Nachversicherungsverfahren sei mit Wertstellung der Beiträge am 10.2.2003 abgeschlossen worden. Erstmals mit Schreiben vom 28.3.2003 habe die Beklagte mitgeteilt, sie werde künftig Säumniszuschläge erheben. Eine Anpassung an die geänderte Verwaltungspraxis sei ihr für abgeschlossene Fälle weder tatsächlich möglich noch haushälterisch zumutbar. Schließlich sei der Anspruch auf den Säumniszuschlag verwirkt. Das Rechtsinstitut der Verwirkung sei auch auf die Festsetzung von Säumniszuschlägen anzuwenden. Die Beklagte habe über einen langen Zeitraum (von 1995 bis März 2003) unterlassen, Säumniszuschläge bei verspäteter Zahlung von Nachversicherungsbeiträgen entgegen bestehender Rechtspflicht zu erheben (Zeitmoment). Dieses dauerhafte Unterlassen sei bewusst und planmäßig erfolgt; im Nichtstun sei ein besonderer Umstand zu sehen (Umstandsmoment). Die Klägerin habe sowohl ihre Haushaltsplanung als auch ihre Aufbau- und Ablauforganisation auf das Nichtstun der Beklagten seit 1995 eingerichtet. Die Nacherhebung der Säumniszuschläge für alle Nachversicherungsfälle des Zeitraumes 1995 bis März 2003 führe zu einem unzumutbaren finanziellen Nachteil. Die Klägerin könne ihren Verpflichtungen aus Art 109 Grundgesetz (GG) und der landeseigenen Haushaltsordnung, den - ohnehin schon defizitären - Haushalt auszugleichen, nur erschwert nachkommen.

9

Die Beklagte hat den streitigen Säumniszuschlag in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf den Betrag von 1778,00 Euro reduziert.

10

Die Klägerin hat das Teilanerkenntnis angenommen und beantragt,

        

die Urteile des Landessozialgerichts Hamburg vom 23.7.2008 und des Sozialgerichts Hamburg vom 25.1.2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16.5.2003 vollständig aufzuheben.

11

Die Beklagte beantragt,

die Revision insoweit zurückzuweisen.

12

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und beruft sich hinsichtlich ihrer Verwaltungspraxis zusätzlich auf das Schreiben des Verbands Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR) vom 14.4.2000 und auf das Rundschreiben des Bundesministeriums des Innern vom 27.4.1999 (DII6-224012/55).

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet.

14

1. Verfahrenshindernisse, die bei zulässiger Revision von Amts wegen zu beachten sind (vgl BSG SozR 4-1300 § 84 Nr 1 RdNr 22; BSG SozR 3-1500 § 158 Nr 3 S 12), stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen. Die Klage ist zulässig, ohne dass es der Durchführung eines Vorverfahrens vor Erhebung der Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz) bedurfte. Die klagende Freie und Hansestadt führt die Klage als Land iS von § 78 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGG. Zu Recht hat die Beklagte den geforderten Säumniszuschlag durch Verwaltungsakt (Bescheid vom 16.5.2003) festgesetzt. Der für die Nachversicherung zuständige Rentenversicherungsträger ist berechtigt, auch gegenüber öffentlich-rechtlichen Arbeitgebern die Nachentrichtung der Beiträge durch Verwaltungsakt einzufordern (vgl BSG SozR 2400 § 124 Nr 6 S 18). Im Nachversicherungsverfahren anfallende Säumniszuschläge dürfen ebenfalls durch Verwaltungsakt und auch gegenüber öffentlich-rechtlichen Trägern geltend gemacht werden (vgl Senatsurteil vom 29.11.2007 - BSGE 99, 227 = SozR 4-2600 § 186 Nr 1).

15

Das LSG hat die Berufung der Beklagten zu Recht als zulässig erachtet (§ 143 SGG). Insbesondere liegt keine Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden vor (§ 144 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG), so dass es auch bei der vorliegenden Beschwer von unter 10 000 Euro keiner Zulassung der Berufung bedurfte. Zwar sind an dem Rechtsstreit zwei juristische Personen des öffentlichen Rechts beteiligt. Es handelt sich jedoch um keinen Erstattungsanspruch; es geht nicht darum, "Leistungs-"Vorgänge wirtschaftlich rückgängig zu machen, um den erstattungsberechtigten Träger so zu stellen, wie er stünde, wenn er keine Auslagen (Kosten, Leistungen) erbracht hätte (Senatsurteil vom 6.5.1998 - SozR 3-1500 § 144 Nr 14 S 37 mwN). Säumniszuschläge dienen vor allem dem Zweck, der Säumnis bei Erfüllung von Zahlungspflichten entgegenzuwirken. Sie sind Druckmittel zur Sicherstellung eines geordneten Verwaltungsablaufs und der Beschaffung der hierfür benötigten Finanzmittel (BSG SozR 4-2500 § 266 Nr 4; BSGE 35, 78 = SozR Nr 1 zu § 397a RVO; BSG Urteil vom 23.10.1987 - 12 RK 11/86 - ZIP 1988, 984).

16

Der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids steht nicht entgegen, dass die Klägerin vor seinem Erlass nicht angehört worden ist (§ 24 Abs 1 SGB X). Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG auf ihr Anhörungsrecht verzichtet. Der Senat hat bereits entschieden, dass ein solcher Verzicht wirksam ist (vgl Senatsurteil vom 29.11.2007 - BSGE 99, 227 = SozR 4-2600 § 186 Nr 1 mwN).

17

2. Die Voraussetzungen für den Anspruch der Beklagten auf Erhebung des Säumniszuschlags sind erfüllt (a); ein Fall unverschuldeter Unkenntnis von der Zahlungsverpflichtung hat die Klägerin nicht glaubhaft gemacht (b); aus dem Schreiben der Beklagten vom 28.3.2003 nebst Informationsblatt kann die Klägerin weder eine Zusicherung noch einen Verzicht herleiten (c); weder verstößt die Geltendmachung des Säumniszuschlags gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) noch liegt eine Verwirkung als Fall der unzulässigen Rechtsausübung vor (d).

18

a) Gemäß § 24 Abs 1 Satz 1 SGB IV ist für Beiträge, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 vH des rückständigen, auf 50 Euro nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen.

19

Die Nachversicherungsbeiträge für die Referendarin waren seit 21.7.2000 fällig. Die Fälligkeit der Beiträge zur Nachversicherung richtet sich gemäß § 23 Abs 4 SGB IV nach § 184 Abs 1 Satz 1 SGB VI (§ 184 Abs 1 Satz 2 und 3 SGB IV - mit Wirkung vom 1.1.2008 eingefügt -, die spezielle Regelungen zum Beginn der Säumnis iS von § 24 SGB IV enthalten, sind vorliegend nicht anzuwenden). Danach werden die Beiträge gezahlt, wenn die Voraussetzungen für die Nachversicherung eingetreten sind und insbesondere keine Gründe für den Aufschub der Beitragszahlung vorliegen. Nachversicherungsschuldner und damit zahlungspflichtig ist die klagende Freie und Hansestadt als ehemaliger Dienstherr der Referendarin. Säumniszuschläge in Nachversicherungsfällen sind auch von Körperschaften des öffentlichen Rechts zu entrichten (vgl Senatsurteile vom 12.2.2004 - BSGE 92, 150 = SozR 4-2400 § 24 Nr 2, RdNr 10 ff; vom 17.4.2008 - BSGE 100, 215 = SozR 4-2400 § 25 Nr 2, RdNr 16). Die Voraussetzungen für die Nachversicherung liegen regelmäßig mit dem unversorgten Ausscheiden aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis (hier Beamtenverhältnis auf Widerruf im Vorbereitungsdienst) vor (§ 8 Abs 2 Nr 1 SGB VI).

20

Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) war die Referendarin mit Ablauf des 20.7.2000 aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf im Vorbereitungsdienst ausgeschieden, so dass die Nachversicherungsschuld am 21.7.2000 entstanden war. Gründe für einen Aufschub der Beitragszahlung (§ 184 Abs 1 Satz 1 Halbs 2 SGB VI, § 184 Abs 2 Satz 1 Nr 1 bis 3 SGB VI)lagen nicht vor und sind von der Klägerin auch nicht behauptet worden. Damit entstand die Nachversicherungsschuld grundsätzlich am Folgetag des unversorgten Ausscheidens der Nachzuversichernden (vgl Senatsurteile vom 12.2.2004 - BSGE 92, 150 = SozR 4-2400 § 24 Nr 2, RdNr 23; vom 29.11.2007 - BSGE 99, 227 = SozR 4-2600 § 186 Nr 1, RdNr 27; vgl auch BSG SozR 3-2600 § 8 Nr 4 S 7 mwN). Der hiervon abweichend festgesetzte spätere Beginn der Säumnis (21.10.2000) - dem Rundschreiben des Bundesministers des Innern vom 27.4.1999 (DII6-224012/55) entsprechend - begünstigt die Klägerin und ist daher nicht zu beanstanden. Nach den bindenden Feststellungen des LSG sind die Nachversicherungsbeiträge erst am 10.2.2003, also verspätet bei der Beklagten eingegangen.

21

b) Der Erhebung des Säumniszuschlags steht auch keine unverschuldete Unkenntnis von der Zahlungspflicht der Nachversicherungsbeiträge entgegen.

22

aa) Seit der mit Wirkung vom 1.1.1995 eingefügten Neufassung von § 24 Abs 1 SGB IV (durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Sozialgesetzbuchs vom 13.6.1994 - 2. SGBÄndG, BGBl I, 1229) sind Säumniszuschläge bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zwingend zu zahlen und ist ihre Erhebung nicht mehr - wie noch nach der Vorläufervorschrift - in das Ermessen des Versicherungsträgers gestellt. Die Neufassung lehnt sich an § 240 der Abgabenordnung an(vgl BT-Drucks 12/5187 S 30; Udsching in Hauck/Haines, SGB IV, Stand 2007, K § 24 RdNr 2). Gemäß § 24 Abs 2 SGB IV ist ein Säumniszuschlag jedoch dann nicht zu erheben, wenn eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt wird, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Diese Vorschrift dient der Vermeidung unbilliger Härten (vgl Senatsurteil vom 12.2.2004 - BSGE 92, 150 = SozR 4-2400 § 24 Nr 2, RdNr 24 unter Bezugnahme auf Udsching aaO RdNr 10).

23

bb) Der unverschuldeten Unkenntnis von der Zahlungspflicht steht sowohl fahrlässiges wie auch vorsätzliches Verhalten iS von § 276 BGB entgegen. Bei Körperschaften des öffentlichen Rechts schließt das Außerachtlassen ausreichender organisatorischer Vorkehrungen (sog Organisa-tionsverschulden) eine unverschuldete Unkenntnis iS von § 24 Abs 2 SGB IV aus. Das Fehlen notwendiger organisatorischer Maßnahmen bedingt, dass sich die Organisation das Wissen einzelner Mitarbeiter zurechnen lassen muss (vgl Senatsurteile vom 17.4.2008 - BSGE 100, 215 = SozR 4-2400 § 25 Nr 2, RdNr 18; vom 29.11.2007 - BSGE 99, 227 = SozR 4-2600 § 186 Nr 1, RdNr 29; vom 12.2.2004 - BSGE 92, 150 = SozR 4-2400 § 24 Nr 2, RdNr 26; zum Verschuldensmaßstab vgl Udsching aaO RdNr 11; Segebrecht in Juris PraxisKomm, Stand 2006, § 24 SGB IV RdNr 32; VerbKomm, Stand 2008, § 24 SGB IV RdNr 5; Seewald in Kasseler Komm, Stand 2008, § 24 SGB IV RdNr 14a). Soweit in der Literatur die Frage aufgeworfen wird, ob erst Vorsatz die unverschuldete Unkenntnis von der Zahlungspflicht ausschließt (vgl Roßbach in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Komm zum Sozialrecht, 2009, § 24 SGB IV RdNr 8), ergibt sich für diese Auffassung kein Anhaltspunkt in der Rechtsprechung des BSG (Urteile des 12. Senats vom 26.1.2005 - SozR 4-2400 § 14 Nr 7 RdNr 28 und vom 30.3.2000 - SozR 3-2400 § 25 Nr 7 S 35 f). Aus diesen Entscheidungen lässt sich eine Einengung des Verschuldensmaßstabes in § 24 Abs 2 SGB IV auf Vorsatz nicht herleiten. Lediglich die bei der Beurteilung des Vorsatzes iS des § 25 Abs 1 Satz 2 SGB IV (Verjährung der Ansprüche auf Beiträge) entwickelten Maßstäbe sind hiernach auch bei der Prüfung des subjektiven Tatbestandes von § 24 Abs 2 SGB IV anzuwenden; dh es ist eine konkret-individuelle Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dies aber gilt auch für die Prüfung der glaubhaft gemachten unverschuldeten Unkenntnis von der Zahlungspflicht der Nachversicherungsbeiträge.

24

cc) Unter Anlegung dieses Prüfmaßstabes sind die bindenden Feststellungen des LSG zur fahrlässigen Unkenntnis der Klägerin nicht zu beanstanden. Sie räumt selbst ein, die Unkenntnis von der Zahlungspflicht während des Zeitraumes der Nichtbearbeitung des Nachversicherungsvorganges bis zum 6.2.2002 verschuldet zu haben. Hieran zu zweifeln, besteht kein Anlass; das LSG ist davon ausgegangen, dass die Klägerin ein Organisationsverschulden, insbesondere eine Fehlorganisation in der Personalverwaltung zu vertreten hat.

25

Rechtsfehlerfrei hat das LSG für den anschließenden Zeitraum vom 7.2.2002 und auch ab Juli 2002 (wie von der Klägerin geltend gemacht) bis zum Zeitpunkt der Nachversicherung Anfang des Jahres 2003 festgestellt, dass die Klägerin ihre unverschuldete Unkenntnis von der Zahlungspflicht nicht glaubhaft gemacht hat. Zwar hat die Referendarin gegen ihre Auskunftspflicht gemäß § 28o Abs 1 SGB IV verstoßen, indem sie die Anfragen ab 7.2.2002 nach der Art ihrer Beschäftigung unbeantwortet ließ. Dennoch ist dem LSG zuzustimmen, dass sich die bis dahin bestandene verschuldete Unkenntnis nicht deshalb in eine unverschuldete Unkenntnis umgewandelt hat. Die Auffassung der Klägerin, dass ihr ein Verschulden spätestens ab dem Zeitpunkt nicht mehr hätte vorgeworfen können, ab dem sie mit einer Antwort der Referendarin hätte rechnen dürfen, überzeugt nicht. Der Klägerin wäre es durch einfache organisatorische Maßnahmen möglich und zumutbar gewesen, sich zeitnah die notwendige Kenntnis über das Vorliegen bzw Fehlen etwaiger Aufschubtatbestände zu verschaffen. Sie hätte die Bearbeitung des Nachversicherungsvorgangs durch geeignete Maßnahmen so vorantreiben können, dass die Nachversicherung innerhalb jener drei Monate erledigt worden wäre, die die Beklagte bei Ermittlung des für den Säumniszuschlag maßgebenden Zeitraums von vornherein unberücksichtigt gelassen hat.

26

Als eine solche Maßnahme hätte zB bereits das erste Schreiben der Klägerin im Februar 2002 gegen Zustellungsnachweis an die Referendarin verschickt werden können, verbunden mit der Ankündigung, die Nachversicherung für den Fall durchzuführen, dass nicht binnen einer angemessenen Frist ein Aufschubtatbestand mitgeteilt wird. Das Außerachtlassen jeglicher organisatorischer Vorkehrungen, wie etwa der Erlass einer Dienstanweisung, die auch Nachversicherungsfälle bei gänzlich fehlender Mitwirkung der Nachzuversichernden erfasst, erfüllt den Tatbestand eines fahrlässigen Organisationsverschuldens. Während des maßgeblichen Zeitraums kann die Klägerin daher keinen Schuldnerschutz geltend machen. Die Klägerin trifft die Pflicht, die gesetzlichen Voraussetzungen der Nachversicherung aufzuklären (§ 184 Abs 1 Satz 1 SGB VI), über Aufschubtatbestände zu entscheiden (§ 184 Abs 2 und 3 SGB VI) und die Beiträge zur Nachversicherung zu zahlen (§ 185 SGB VI). Das bedeutet, dass der Arbeitgeber die Beitragsschuld und deren Fälligkeit selbst zu ermitteln (vgl BSG vom 12.2.2004 - BSGE 92, 150, 156 = SozR 4-2400 § 24 Nr 2 RdNr 33)und bei Fälligkeit umgehend zu zahlen hat. Nur so sind Defizite im Haushalt des Rentenversicherungsträgers zu vermeiden.

27

c) Auch das Schreiben vom 28.3.2003 und das beigefügte Informationsblatt stehen dem Anspruch der Beklagten auf Erhebung des Säumniszuschlags nicht entgegen. Das Schreiben enthält weder eine Zusicherung noch einen Verzicht.

28

Wie das LSG zutreffend festgestellt hat, lässt sich diesem Schreiben eine Zusicherung (§ 34 Abs 1 Satz 1 SGB X) der Beklagten des Inhalts nicht entnehmen, dass sie die Festsetzung des Säumniszuschlags für die am 10.2.2003 eingegangenen Nachversicherungsbeiträge unterlassen werde. Ebenso wenig liegt in dem Schreiben ein Verzicht auf dessen Erhebung - etwa als Angebot einer Vereinbarung, eine Forderung nicht durchzusetzen (Erlassvertrag "pactum de non petendo", BSG vom 26.6.1980 - 5 RJ 70/90 - Juris RdNr 63). Hierfür gibt der Wortlaut weder des Schreibens noch des Informationsblattes etwas her, insbesondere auch nicht das in beiden verwendete Wort "künftig", aus dem die Klägerin herauslesen will, die Beklagte werde Säumniszuschläge nicht für zum Zeitpunkt des Schreibens abgeschlossene Nachversicherungsfälle - wie den der Referendarin - geltend machen. Eine derartige Einschränkung kann den Texten jedoch gerade deshalb nicht entnommen werden, weil die Beklagte dort ihre Erkenntnis mitteilt, sie sei - seit 1.1.1995 - gesetzlich verpflichtet, Säumniszuschläge auch in Nachversicherungsfällen zu erheben, und die Nachversicherungsschuldner seien verpflichtet, diese (auch ohne Aufforderung seitens der Beklagten) zu zahlen. Wenn die Beklagte damit gleichzeitig auf einen Teil der - nicht ohnehin verjährten (§ 25 SGB IV, s hierzu Senatsurteil vom 17.4.2008 - BSGE 100, 215 = SozR 4-2400 § 25 Nr 2, RdNr 24 f) - Säumniszuschläge hätte verzichten wollen, hätte dies in den Texten deutlich zum Ausdruck kommen müssen, etwa durch Angabe eines Stichtags. Dies ist hier nicht geschehen.

29

d) Das Geltendmachen des Säumniszuschlags widerspricht schließlich nicht dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB); es liegt keine Verwirkung als Fall der unzulässigen Rechtsausübung vor.

30

aa) Das Rechtsinstitut der Verwirkung ist als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch im Sozialversicherungsrecht (vgl BSGE 7, 199, 200; 34, 211, 213; 41, 275, 278; 59, 87, 94 = SozR 2200 § 245 Nr 4 S 22 f; BSGE 80, 41, 43 = SozR 3-2200 § 1303 Nr 6 S 17 f)und insbesondere für die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung für zurückliegende Zeiten anerkannt (vgl BSGE 17, 173, 174 f; 21, 52, 55 f; BSGE 47, 194, 196 = SozR 2200 § 1399 Nr 11 S 15; BSGE 93, 119 = SozR 4-2400 § 22 Nr 2, RdNr 35).

31

Die Verwirkung setzt als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung (vgl Heinrichs in Palandt, BGB, 69. Aufl 2010, § 242 RdNr 87)voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraumes unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen (vgl BVerfGE 32, 305; BVerwGE 44, 339, 343; BFHE 129, 201, 202; BSGE 34, 211, 214; 35, 91, 95 mwN). Solche, die Verwirkung auslösenden "besonderen Umstände" liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage) und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolge dessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (vgl BSGE 47, 194, 196 = SozR 2200 § 1399 Nr 11 S 15 mwN; BSGE 80, 41, 43 = SozR 3-2200 § 1303 Nr 6 S 18; BVerwGE 44, 339, 343 f).

32

bb) Zwar ist der Klägerin insoweit zuzustimmen, dass das BSG noch nicht ausdrücklich die Frage entschieden hat, ob das Rechtsinstitut der Verwirkung auch auf Säumniszuschläge Anwendung findet. Nach den oben dargelegten Maßstäben bestehen hieran aber keine grundlegenden Zweifel. Für dessen Anwendbarkeit spricht bereits, dass die Hauptforderung (der durch Verwaltungsakt festgesetzte Nachversicherungsbeitrag) grundsätzlich der Verwirkung unterliegen kann, so dass dies erst recht für die Nebenforderung (Säumniszuschlag) gelten könnte. Letztendlich kann der Senat diese Frage aber unentschieden lassen, weil die aufgezeigten Voraussetzungen der Verwirkung nicht erfüllt sind. Es bedarf daher auch keiner abschließenden Entscheidung, ob der Anwendbarkeit des Grundsatzes der Verwirkung bereits entgegensteht, dass die seit 1995 geltende Neufassung des § 24 SGB IV eine gebundene Norm ist, die der Behörde keine Ermessensausübung mehr einräumt(vgl die in der Literatur vertretene Auffassung, die die Anwendbarkeit der Verwirkung grundsätzlich auf "verzichtbare" Rechte der Behörde im Verwaltungsrecht beschränkt: so Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht I, 12. Aufl 2007, § 37 RdNr 18; vgl Müller-Grune, Der Grundsatz von Treu und Glauben im Allgemeinen Verwaltungsrecht, 2006, S 116; aA Ossenbühl, NVwZ 1995, 547, 549 f; Kothe, VerwArch 88 <1998>, 456, 487 f). Auch wenn das LSG die Auffassung vertreten hat, dass mit Rücksicht auf die Möglichkeit eines haushaltsrechtlichen Erlasses des Säumniszuschlags (§ 76 Abs 2 Nr 3 SGB IV) es keiner "Lücken ausfüllenden" Anwendung des Rechtsinstituts der Verwirkung bedürfe, reichen die tatsächlichen Feststellungen des LSG noch aus, um das Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen zu verneinen.

33

cc) Grundsätzlich sind strenge Anforderungen an das Verwirkungsverhalten zu stellen, weil dem Interesse des Beitragsschuldners, das Ausmaß der wirtschaftlichen Belastung durch Beitragsnachforderungen in angemessenen Grenzen zu halten, bereits durch die "kurze", vierjährige Verjährungsfrist gemäß § 25 Abs 1 Satz 1 SGB IV hinreichend Rechnung getragen wird, die auch auf Säumniszuschläge bei nicht vorsätzlichem Handeln Anwendung findet(vgl Senatsurteile vom 12.2.2004 - BSGE 92, 150, 154 = SozR 4-2400 § 24 Nr 2 S 22, RdNr 19; vom 17.4.2008 - BSGE 100, 215 = SozR 4-2400 § 25 Nr 2, RdNr 24 mwN; während im Fall der vorsätzlichen Vorenthaltung der Beiträge die 30jährige Verjährungsfrist gemäß § 25 Abs 1 Satz 2 SGB IV gilt). Ein “bloßes Nichtstun" als Verwirkungsverhalten reicht regelmäßig nicht aus; ein konkretes Verhalten des Gläubigers muss hinzukommen, welches bei dem Schuldner die berechtigte Erwartung erweckt hat, dass eine Forderung nicht besteht oder nicht geltend gemacht wird (vgl BSG SozR 2200 § 1399 Nr 11 S 17; BSG vom 23.5.1989 - HV-Info 1989, 2030).

34

dd) Ein solches Verwirkungsverhalten der Beklagten, das bei der Klägerin das berechtigte Vertrauen begründen durfte, die Beklagte werde auch fortan keine Säumniszuschläge erheben, liegt nicht vor. Die Beklagte hatte es - entgegen ihrer Gesetzesbindung (Art 20 Abs 3 GG) - unterlassen, die seit 1995 bestehende zwingende Gesetzespflicht zur Erhebung von Säumniszuschlägen flächendeckend in die Praxis umzusetzen. Dieses rechtswidrige Unterlassen der Beklagten erfüllt nach den aufgezeigten Maßstäben weder die Anforderungen eines Vertrauen begründenden Verwirkungsverhaltens noch durfte die Klägerin das “bloße Nichtstun“ der Beklagten als bewusst und planmäßig erachten und deshalb darauf vertrauen, nicht zu Säumniszuschlägen herangezogen zu werden.

35

Zwar mag im Einzelfall auch ein bloßes Unterlassen dann ein schutzwürdiges Vertrauen begründen und zur Verwirkung eines Rechts führen, wenn der Schuldner das Nichtstun des Gläubigers nach den Umständen als bewusst und planmäßig betrachten darf (BSGE 45, 38, 48 = SozR 4100 § 40 Nr 17 S 55; BSGE 47, 194, 198 = SozR 2200 § 1399 Nr 11 S 17). Dies ist (BSGE 47 aaO) jedoch noch nicht einmal dann angenommen worden, wenn unterlassene Beitragszahlungen bei Betriebsprüfungen der Einzugsstellen nicht beanstandet wurden, sondern lediglich für den Fall erwogen worden, dass maßgebliche Personen der Geschäftsleitung entsprechende Erklärungen abgegeben hätten (BSGE 47 aaO, 199). Derartiges hat jedoch die Klägerin nie behauptet.

36

Keinesfalls kann das Schreiben vom 28.3.2003 mit dem beigefügten Informationsblatt kausal für ein Vertrauensverhalten der Klägerin im Sinne der oa Definition der Verwirkung gewesen sein. Denn selbst wenn aus dem Schreiben, wie die Klägerin meint, die Ankündigung zu entnehmen wäre, (gesetzwidrig) Säumniszuschläge lediglich in noch nicht abgeschlossenen Nachversicherungsfällen zu erheben, kann die zögerliche Bearbeitung des Nachversicherungsvorgangs der Referendarin in der Zeit zwischen Juli 2000 und Februar 2003 nicht auf einem durch das spätere Schreiben der Beklagten vom März 2003 gesetzten Vertrauen beruhen. Ein zeitlich früheres Verwirkungsverhalten der Beklagten hat die Klägerin weder vorgetragen noch ist es sonst ersichtlich.

37

Ebenso wenig ist ersichtlich, welches schutzwürdige Vertrauensverhalten die Klägerin auf der erstmals in dem Schreiben und dem Informationsblatt enthaltenen Aussage, die Beklagte habe bisher eine gegenteilige "Rechtsauffassung" gehabt, hätte aufbauen können. Dieses müsste zeitlich zwischen dem Eingang des Schreibens der Beklagten vom 28.3.2003 und dem Eingang des - hierzu nach Ansicht der Klägerin in Widerspruch stehenden - angefochtenen Säumniszuschlag-Bescheids vom 16.5.2003 liegen. Insoweit ist jedoch gleichfalls weder etwas vorgetragen noch sonst erkennbar.

38

Die vom Senat in Fortführung der einschlägigen Rechtsprechung aufgestellten strengen Maßstäbe für die Verwirkung einer Forderung der Beklagten gegenüber der Klägerin sind Ausdruck dessen, dass beide Beteiligte als Träger öffentlicher Verwaltung an das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art 20 Abs 3 GG) gebunden sind. Deshalb kann sich der Schuldner in der Regel nicht auf den Fortbestand eines rechtswidrigen Zustandes berufen, sondern muss ebenso wie der Gläubiger darauf achten, dass öffentliche Mittel rechtmäßig und sachgerecht verwendet werden. Die Beteiligten unterliegen beide dem Gebot der rechtzeitigen und vollständigen Erhebung der Einnahmen und der Fälligkeit der Ausgaben (§ 67 Abs 1, 76 Abs 1 SGB IV; § 11 Abs 2 Landeshaushaltsordnung der Freien und Hansestadt Hamburg vom 23.12.1971, HmbGVBl 1972, 10). Ein Vertrauen auf die Beibehaltung einer als rechtswidrig erkannten Verwaltungspraxis verdient im Verhältnis zwischen Behörden regelmäßig keinen Vertrauensschutz (vgl BVerwGE 23, 25, 30; 27, 215, 217 f; 60, 208, 211).

39

Der Senat vermag sich aus den dargelegten Gründen auch nicht der Rechtsmeinung des SG Dresden (Urteil vom 1.11.2005 - S 32 R 661/05, rechtskräftig, unveröffentlicht) anzuschließen, wonach die geänderte Verwaltungspraxis der Beklagten für "alle künftigen Sachverhalte" (ab Kenntnis vom Informationsblatt der Beklagten am 2.4.2003) und nicht rückwirkend auf vor diesem Zeitpunkt gezahlte Nachversicherungsbeiträge Anwendung finden soll. Eine solche - rechtswidrige - Praxis verdient wie dargelegt keinen Vertrauensschutz.

40

ee) Da es mithin an einer für ein mögliches Vertrauensverhalten kausalen Vertrauensgrundlage fehlt, kann dahingestellt bleiben, ob die weiteren Voraussetzungen der Verwirkung erfüllt sind. Die Erhebung des Säumniszuschlags führt jedenfalls nicht zu einem unzumutbaren Nachteil der Klägerin. Einen finanziellen Nachteil hat die Klägerin nicht beziffert, sondern lediglich vorgetragen, dass es unzumutbar sei, Säumniszuschläge für den Zeitraum 1995 bis 2003 nachzuentrichten. Dem stehen allerdings mögliche Zinsvorteile im Haushalt der Klägerin durch die verspätete Entrichtung von Nachversicherungsbeiträgen gegenüber sowie die Vorteile, die die Klägerin durch die fehlende Heranziehung von Säumniszuschlägen in bereits verjährten Fällen hatte.

41

ff) Schließlich liegt auch kein Fall der unzulässigen Rechtsausübung hinsichtlich des von der Klägerin geltend gemachten Vorwurfs eines treuwidrigen Verhaltens in Form des "venire contra factum proprium" vor. Denn ein Verhalten, das zu eigenem früheren Verhalten in Widerspruch steht (s BSGE 65, 272, 277= SozR 4100 § 78 Nr 8 S 36 mwN), welches wiederum einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, aufgrund dessen die Klägerin berechtigterweise davon ausgehen durfte, Säumniszuschläge für verspätet gezahlte Nachversicherungsbeiträge würden auch nach der gesetzlichen Neuregelung nicht erhoben, ist der Beklagten nicht zur Last zu legen. Auch in dieser Hinsicht fehlt es - über das "bloße Nichtstun" hinaus - an der Schaffung eines Vertrauenstatbestandes bis zum Abschluss des Nachversicherungsverfahrens.

42

3. Die Höhe des Anspruchs haben die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unstreitig gestellt. Die Beklagte hat den Säumniszuschlag auf den Betrag von 1778,00 Euro reduziert. Die Klägerin hat dieses Teilanerkenntnis der Beklagten angenommen, so dass der Rechtsstreit in der Hauptsache insoweit erledigt ist (§ 101 Abs 2 SGG).

43

4. Ob und inwieweit die Beklagte der Klägerin den entstandenen Säumniszuschlag erlassen darf, wenn dessen Einziehung nach Lage des Einzelfalls unbillig wäre (§ 76 Abs 2 Nr 3 SGB IV), ist im Rahmen des Einziehungsverfahrens zu entscheiden.

44

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 SGG, da die Beteiligten nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören. Der Klägerin waren gemäß §§ 154 Abs 2, 162 Verwaltungsgerichtsordnung iVm § 197a Abs 1 Halbs 3 SGG die Kosten des ganz überwiegend ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels aufzuerlegen. Die Klägerin ist als Land von der Zahlung der Gerichtskosten gemäß § 2 Abs 1 des Gerichtskostengesetzes befreit.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 25.04.2013 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

 
Im Streit stehen Säumniszuschläge in Höhe von 10.491,44 EUR.
Der 1967 geborene Versicherte K. Sch. (im Folgenden: S.) stand seit dem 01.10.1994 als Rechtsreferendar im Beamtenverhältnis auf Widerruf im Dienst des Klägers und schied nach erfolgreicher Ablegung der zweiten juristischen Staatsprüfung mit Ablauf des 04.11.1996 aus dem Beamtenverhältnis ohne Anspruch auf beamtenrechtliche Versorgung aus.
Der Kläger forderte S. mit Schreiben vom 22.11.1996 auf, sich zur Durchführung der Nachversicherung zu erklären. S. antwortete auf das Schreiben nicht. In der Folge wurden noch ein Schreiben des S. vom 06.12.1996 zu den Akten genommen, in dem er um eine Bescheinigung für das Arbeitsamt bat sowie eine Annahmeverfügung vom 09.12.1996 für 201,07 DM überzahlte Bezüge, ferner Übersichten von Gehaltskonten für die Jahre 1996, 1997 und 1998. Obwohl auf dem Schreiben vom 22.11.1996 die Wiedervorlage auf den 22.01.1997 verfügt war, wurde der Vorgang bei dem Kläger in der Folgezeit nicht weiter verfolgt, vielmehr wurde die Akte im Archiv verwahrt, wo sie wieder aufgefunden wurde, nachdem S. mit Schreiben vom 21.03.2010 bei dem Kläger um Nachversicherung für den Zeitraum vom 01.10.1994 bis zum 04.11.1996 bat. Im Rahmen der darauf erfolgten Überprüfung stellte sich heraus, dass eine Nachversicherung nicht erfolgt war. Der Kläger führte daraufhin die Nachversicherung am 12.04.2010 durch. Mit Wertstellung vom 14.04.2010 sind die Nachversicherungsbeiträge i.H.v. 7.497,57 EUR bei der Beklagten eingegangen.
Mit Anhörungsschreiben vom 28.09.2010 teilte die Beklagte dem Landesamt mit, dass sie wegen verspäteter Zahlung der Nachversicherungsbeiträge beabsichtige, einen Säumniszuschlag i.H.v. 10.491,44 EUR zu erheben. Gemäß § 184 Abs. 1 Satz 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) i.V. m. § 24 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) ergebe sich unter Zugrundelegung eines Eintritts der Fälligkeit der Nachversicherungsbeiträge am 05.11.1996, des Beginns der Säumnis am 05.02.1997 und der Wertstellung vom 14.04.2010 eine Säumnis von 159 Monaten. Der Säumniszuschlag i.H.v. 10.491,44 EUR errechne sich durch Vervielfältigung der auf 50,00 EUR abgerundeten Nachversicherungsschuld i.H.v. 12.915,60 DM zu Beginn der Säumnis am 05.02.1997 mit der Anzahl der Säumnismonate und 1 %. Der Kläger äußerte sich hierzu nicht. Mit Bescheid vom 18.01.2011 forderte die Beklagte sodann einen Säumniszuschlag i.H.v. 10.491,44 EUR.
Am 03.02.2011 hat der Kläger zum Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, die Forderung sei verjährt. § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV, wonach Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind, verjähren, sei nicht einschlägig. Die Nachversicherungsbeiträge seien nicht vorsätzlich vorenthalten worden. Zum Vorsatz gehöre das „Wissen und Wollen" der zum gesetzlichen Tatbestand gehörenden objektiven Merkmale. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) würden Beiträge vorsätzlich vorenthalten, wenn der Zahlungspflichtige in Kenntnis seiner Beitragspflicht bewusst und gewollt keine Beiträge an den Versicherungsträger abführe. Erforderlich sei insoweit zwar nicht die Absicht zur Hinterziehung von Beiträgen, allerdings müsse ein gewisses voluntatives Element vorhanden sein. Ausgehend hiervon liege kein Vorsatz vor. Aus dem Umstand, dass die Nachversicherung bei S. zunächst unterblieben sei, könne nicht gefolgert werden, dass der Kläger die Nachversicherungsbeiträge vorsätzlich nicht abgeführt habe. Es liege auch kein Organisationsverschulden ihrerseits vor. Insoweit werde auf das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 16.11.2007 (L 4 R 2218/05) verwiesen, worin die genannten Vorkehrungen ausführlich erläutert und für ausreichend erachtet worden seien. Dass hingegen trotz dieser zahlreichen organisatorischen Maßnahmen Fehler passieren könnten, könne - da letztlich hinter einer Bearbeitung immer auch Menschen stünden - niemals vollständig ausgeschlossen werden. Allerdings rechtfertigten diese Einzelfälle keinesfalls eine Annahme eines wie auch immer gearteten Vorsatzes, sondern ließen allenfalls auf Fahrlässigkeit schließen. Somit liege kein vorsätzliches Vorenthalten der Beiträge hinsichtlich des damaligen Unterbleibens der Nachversicherung vor, sondern vielmehr ein individueller Bearbeitungsfehler, der als unbewusst fahrlässig einzustufen sei. Unbewusst fahrlässig handele derjenige, der die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und nach den persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen verpflichtet und imstande sei, außer Acht lasse und infolgedessen die Tatbestandsverwirklichung nicht voraussehe. Der zuständige Mitarbeiter habe zwar die Sorgfalt beachten müssen, den vorliegenden Fall einer Entscheidung über die Nachversicherung zuzuführen, diese Sorgfalt habe er allerdings nur versehentlich verletzt. Schließlich spreche auch der Umstand, dass der Kläger im Jahr 2010 die Nachversicherungsbeiträge entrichtet habe, gegen eine vorsätzliche Vorenthaltung der Beiträge.
Mit Urteil vom 25.04.2013 hat das SG der Klage stattgegeben und den Bescheid der Beklagten vom 18.01.2011 aufgehoben. Die Beklagte sei nicht berechtigt, die festgesetzten Säumniszuschläge zu erheben. Die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 SGB IV lägen zwar vor. Gemäß § 24 Abs. 2 SGB IV sei ein Säumniszuschlag jedoch dann nicht zu erheben, wenn eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt werde, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft mache, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht gehabt habe. Ein solcher Fall liege hier vor. Da der Kläger selbst als Körperschaft des öffentlichen Rechts keine Kenntnisse von bestimmten Umständen haben könne, könne es von vornherein nur darum gehen, inwieweit ihm das Wissen ihrer Organwalter bzw. Bediensteten entsprechend § 166 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zuzurechnen sei (unter Verweis auf BSG Urt. v. 17.04.2008 - B 13 R 123/07 R). Eine positive Kenntnis vom Nachversicherungsfall des Versicherten des seinerzeit bei dem Kläger zuständigen Amtswalters sei vorliegend nicht ersichtlich, nachdem die Erklärung des S. zur Durchführung der Nachversicherung unwidersprochen damals nicht abgegeben und der Vorgang aus nicht mehr aufklärbaren Umständen bei dem Kläger nicht abgeschlossen worden sei. Bei Körperschaften des öffentlichen Rechts schließe indes auch das Außerachtlassen ausreichender organisatorischer Vorkehrungen (sog. Organisationsverschulden) eine unverschuldete Unkenntnis im Sinne des § 24 Abs. 2 SGB IV aus (unter Verweis auf BSG Urt. v. 01.07.2010 - B 13 R 67/09 R). Jede am Rechtsverkehr teilnehmende Organisation habe sicherzustellen, dass die ihr ordnungsgemäß zugehenden, rechtserheblichen Informationen von ihren Entscheidungsträgern zur Kenntnis genommen werden können. Sie müsse es deshalb so einrichten, dass ihre Repräsentanten, die dazu berufen sind, im Rechtsverkehr bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung wahrzunehmen, die erkennbar erheblichen Informationen tatsächlich an die entscheidenden Personen weiterleiten. Hieraus folge die Notwendigkeit eines internen Informationsaustausches. Dazu könne ein Informationsfluss von unten nach oben, aber auch ein horizontaler Austausch erforderlich sein. Die Notwendigkeit eines Informationsaustausches bedinge entsprechende organisatorische Maßnahmen. Jedenfalls dann, wenn es an derartigen organisatorischen Maßnahmen fehle, müsse sich die Organisation das Wissen einzelner Mitarbeiter, auf welcher Ebene auch immer diese angesiedelt sind, zurechnen lassen (unter Verweis auf BSG Urt. v. 17.04.2008 - B 13 R 123/07 R; BGH Urt. v. 02.02.1996 - V ZR 239/94). Die Organisation müsse folglich darlegen, welche Organisationsstrukturen sie geschaffen habe, um entsprechende Informationen aufzunehmen und intern weiterzugeben (unter Verweis auf BGH Urt. v. 15.12.2005 - IX ZR 227/04).
Unter Anlegung dieses Prüfmaßstabs sei vorliegend nicht von einem Organisationsverschulden des Klägers auszugehen. Im Zuge einer Organisationsänderung im Jahr 1996 seien die Mitarbeiter beim Landesamt zunächst umfangreich geschult und mit einer „Arbeitshilfe Nachversicherung" ausgestattet worden. Darin enthalten seien u.a. auch Verfahrensbeschreibungen, die darlegten, wann wer welche Arbeitsschritte durchzuführen habe. Geregelt sei insbesondere, dass der kontoführende Mitarbeiter die Nachversicherungs- bzw. Aufschubdaten ermittele und in das EDV-System eingebe. Eine maschinelle Überweisung der Nachversicherungsbeiträge an den Rentenversicherungsträger könne dabei nur nach Überprüfung und Freigabe durch den zuständigen Nachversicherungssachbearbeiter nach dem Vier-Augen-Prinzip erfolgen. Außerdem seien seit 1996 Stichproben- und Schwerpunktkontrollen des Arbeitsbereiches „Vorgangsprüfung zur Qualitätssicherung und internes Kontrollsystem" bzw. des Staatlichen Rechnungsprüfungsamtes vorgesehen. Eine zusätzliche Überwachung finde seitens der Nachversicherungsarbeitsgebiete dergestalt statt, dass die EDV-Abteilung des Landesamtes Überwachungslisten über die Fälle erstelle, in denen nach dem unversorgten Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis innerhalb eines bestimmten Zeitraums noch keine Eingabe in das Nachversicherungsprogramm (Aufschub oder Nachversicherung) getätigt worden sei. Diese Listen gingen dann an die Nachversicherungsarbeitsgebiete, die den Sachverhalt überprüften und gegebenenfalls die betroffenen Arbeitsgebiete dazu anhielten, die Nachversicherung bzw. den Aufschub fristgerecht durchzuführen. Den Nachversicherungsarbeitsgebieten sei es dabei jederzeit möglich, bei der EDV-Abteilung selektiv Fallgestaltungen abzufragen, bei denen nach der Beendigung des Dienstverhältnisses keine Nachversicherung erfolgt sei. Aufgrund des EDV-Systems bedürfe es auch keiner Aktenanforderung seitens der jeweils involvierten Stellen mehr.
Dies alles entnehme das SG den von dem Kläger eingereichten Unterlagen – insbesondere der Stellungnahme der Abteilung 3 des Landesamtes für Besoldung und Versorgung vom 13.08.2007 sowie der Arbeitsanweisung vom 05.02.1996 – und den Feststellungen des 4. Senats des LSG Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 16.11.2007 (L 4 R 2218/05), welches ebenfalls den Kläger des vorliegenden Verfahrens betraf. Ebenso wie das LSG sei die erkennende Kammer der Überzeugung, dass der Kläger jedenfalls mit den ab dem Jahr 1996 ergriffenen Maßnahmen den erforderlichen Anforderungen an eine wirksame (Ablauf-)Organisation in gebotenem Maße nachgekommen sei und ausreichende Sicherungsvorkehrungen zum Schutz vor Nachversicherungsversäumnissen getroffen habe. Alleine der Umstand, dass die getroffenen Maßnahmen im vorliegenden Fall aus nicht mehr aufklärbaren Umständen nicht gegriffen hätten, begründe kein Organisationsverschulden, denn ein solches liege nur dann vor, wenn die ergriffenen Maßnahmen strukturell und im Allgemeinen versagten. Ansonsten wäre es einer Körperschaft wie dem Kläger, der sich zur Erfüllung seiner Aufgaben verschiedener (Unter-)Organisationen und natürlicher Personen bediene - was naturgemäß zu einer entsprechenden Fehlerquote führen könne -, faktisch nie möglich, sich auf unverschuldete Unkenntnis zu berufen. Damit liefe aber die Vorschrift des § 24 Abs. 2 SGB IV bei juristischen Personen praktisch leer und stelle diese ohne Not schlechter, als eine (einzelne) natürliche Person. Nach alledem sei das SG davon überzeugt, dass der Kläger hier in Ansehung ausreichender organisatorischer Maßnahmen für die Durchführung der Nachversicherung unverschuldete Unkenntnis vom Nachversicherungsfall und von der Beitragszahlungspflicht gehabt habe. Zu seinen Gunsten greife somit der Schuldnerschutz des § 24 Abs. 2 SGB IV ein, sodass Säumniszuschläge nicht zu erheben seien.
Am 27.05.2013 hat die Beklagte gegen das ihr am 06.05.2013 zugestellte Urteil beim LSG Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, das SG übersehe, dass sich in dem zitierten Fall des BSG (Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R) der Dienstherr für die Betreuung der aktiven Beamten und der Durchführung der Nachversicherung ausgeschiedener Beamter unterschiedlicher Behörden bedient habe und die für die Nachversicherung zuständige Dienststelle von der bis dahin zuständigen Behörde nicht über das unversorgte Ausscheiden des Beamten informiert worden sei. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Frage des Organisationsverschuldens relevant sein könne, wenn wie vorliegend nicht verschiedene Behörden, sondern nur verschiedene Sachgebiete derselben Behörde zuständig seien. Jedenfalls dann, wenn – wie vorliegend – der für die Nachversicherung zuständige Sachbearbeiter Kenntnis von dem unversorgten Ausscheiden des Beamten gehabt habe, könne die Organisation des Dienstherrn keine Rolle spielen. Hier sei S. von dem Kläger mit Schreiben vom 22.11.1996 um Abgabe einer Erklärung zur Nachversicherung gebeten worden. Der zuständige Amtsleiter habe also von dem unversorgten Ausscheiden gewusst. Das Verfahren sei „in Gang gesetzt“ worden. Dass die Nachversicherung dann trotz fehlender Rückäußerung unterlassen worden sei, sei zumindest fahrlässig, so dass von einer Kenntnis bzw. einer schuldhaften Unkenntnis der Zahlungspflicht auszugehen sei. Dabei genüge leichte Fahrlässigkeit. Ein versehentliches Übersehen eines Nachversicherungsfalles dürfte den Tatbestand der (leichten) Fahrlässigkeit erfüllen, weil die erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen worden sei (unter Verweis auf LSG Schleswig-Holstein Urt. v. 30.11.2009 – L 8 R 212/08). Da der Kläger die verspätete Zahlung verschuldet habe, sei auch die lange Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV anzuwenden (unter Verweis auf BSG Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R).
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 25.04.2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Zur Begründung hat der Kläger ausgeführt, der Fall des BSG (Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R) sei übertragbar. Dort habe sich der Dienstherr entgegen dem Vortrag der Beklagten nicht unterschiedlicher Behörden bedient. Auch sei die für die Nachversicherung zuständige Dienststelle von der bis dahin zuständigen Behörde über das unversorgte Ausscheiden des Beamten informiert worden. Desweiteren sei keine positive Kenntnis des klagenden Landes vom Nachversicherungsfall gegeben. Die Erklärung zur Durchführung der Nachversicherung sei durch S. nicht abgegeben worden. Das in Gang gesetzte Verfahren sei aufgrund einer Überzahlung und Rückforderung versehentlich nicht weiter betrieben worden. Dies sei auch in dem vom LSG entschiedenen Fall so gewesen (Urt. v. 16.11.2007 – L 4 R 2218/05). Das SG sei außerdem zu Recht davon ausgegangen, dass ein Organisationsverschulden seitens des Klägers nicht vorliege. Auch dies habe das LSG in der genannten Entscheidung bestätigt. Das versehentliche Übersehen eines Nachversicherungsfalls erfülle entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht den Tatbestand der leichten Fahrlässigkeit (unter Verweis auf LSG Baden-Württemberg Urt. v. 16.11.2007 – L 4 R 2218/05).
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die den S. betreffenden Verwaltungsakten der Klägerin, die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
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Die Berufung der Beklagten ist gem. §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne Zulassung durch das Sozialgericht statthaft. Die Berufung ist auch sonst gem. § 151 SGG zulässig und begründet. Das SG hätte der Klage nicht stattgeben dürfen. Der angefochtene Bescheid vom 18.01.2011 erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte war berechtigt, die festgesetzten Säumniszuschläge zu erheben.
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Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist für Beiträge, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstags gezahlt hat, für jeden angefangenen Monat ein Säumniszuschlag von 1 vH des rückständigen, auf 50,00 EUR nach unten abgerundeten Betrags zu zahlen. Auch auf verspätet entrichtete Nachversicherungsbeiträge sind Säumniszuschläge zu zahlen (§ 184 Abs. 1 Satz 2 SGB VI idF des Gesetzes vom 19.12.2007, BGBl. I S 3024; für die Zeit vor 01.01.2008: BSG Urt. v. 12.02.2004 – B 13 RJ 28/03 R, BSGE 92, 150). Dies gilt auch für Körperschaften des öffentlichen Rechts (BSG Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R, BSGE 100, 215). Die Nachversicherungsbeiträge sind gemäß § 184 Abs. 1 Satz 1 SGB VI zu zahlen ("fällig"), wenn die Voraussetzungen für die Nachversicherung eingetreten sind, insbesondere Gründe für einen Aufschub der Beitragszahlung nicht gegeben sind. Die Beiträge sind regelmäßig mit dem unversorgten Ausscheiden aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zu zahlen (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI).
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Nachversicherungsschuldner und damit zahlungspflichtig ist der Kläger als ehemaliger Dienstherr des S. Die Nachversicherungsschuld des Klägers ist am 05.11.1996 entstanden, da S. am 04.11.1996 aus dem Beamtenverhältnis unversorgt ausschied. Damit wurden die Beiträge zur Nachversicherung fällig; Gründe für einen Aufschub lagen nicht vor.
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Nach § 24 Abs. 2 SGB IV ist bei einer durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellten Beitragsforderung ein Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Auch diese Vorschrift ist auf Nachversicherungsbeiträge entsprechend anzuwenden (BSG Urt. v. 12.02.2004 – B 13 RJ 28/03 R, BSGE 92, 150; BSG Urt. v. 29.11.2007 – B 13 R 48/06 R, BSGE 99, 227).
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Zur Prüfung der Frage, ob „unverschuldet keine Kenntnis“ von einer Zahlungspflicht vorgelegen hat, werden von der Rechtsprechung unterschiedliche Maßstäbe angelegt. Während der 13. Senat des BSG § 276 BGB für anwendbar hält, so dass auch fahrlässiges Verhalten zur Erhebung von Säumniszuschlägen führen kann (BSG Urt. v. 01.07.2010 – B 13 R 67/09 R, juris-Rn. 23), greift der 12. Senat „in Ermangelung anderer Maßstäbe“ auf diejenigen zurückzugreifen, die für die Beurteilung des Vorsatzes i.S.v. § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV entwickelt wurden, so dass (mindestens) bedingter Vorsatz erforderlich wäre (BSG Urt. v. 26.01.2005 – B 12 KR 3/04 R, SozR 4-2400 § 14 Nr. 7; BSG Urt. v. 09.11.2011 – B 12 R 18/09 R, juris-Rn. 28). Welcher Auffassung zu folgen ist, kann hier dahingestellt bleiben. Die Exkulpationsmöglichkeit über den § 24 Abs. 2 SGB IV scheitert vorliegend schon daran, dass dem Kläger die Kenntnis ihres zuständigen Amtswalters von der Nachversicherungspflicht zuzurechnen ist. Der Kenntnis steht nicht entgegen, dass der Amtswalter in Ermittlungen über das Vorliegen eines Aufschubgrundes i.S.v. § 184 Abs. 2 SGB VI eingetreten war. Die bloße Möglichkeit von Gründen für einen Aufschub änderte an der Fälligkeit der Beiträge nichts. Der Aufschub tritt nicht bereits dann ein, wenn Ermittlungen über das Vorliegen eines solchen Grundes aufgenommen werden oder einer der gesetzlichen Tatbestände tatsächlich erfüllt ist. Vielmehr muss der Arbeitgeber (hier der Kläger) eine rechtlich relevante Aufschubentscheidung getroffen haben (BSG Urt. v. 29.07.1997 – 4 RA 107/95, juris-Rn. 26). Hieran fehlt es vorliegend. Damit blieb es bei der sofortigen Fälligkeit der Beiträge mit dem unversorgten Ausscheiden des S. Beide für die Zahlungspflicht relevanten Tatsachen, das unversorgte Ausscheiden des S. und das Fehlen einer Aufschubentscheidung, waren dem zuständigen Amtswalter bekannt. Er hatte damit Kenntnis von der Zahlungspflicht.
21 
Die Voraussetzungen für die Erhebung von Säumniszuschlägen nach § 24 SGB IV sind somit erfüllt. Die Berechnung der Höhe der Säumniszuschläge ist ebenfalls zutreffend. Der Senat verweist auf die Berechnung im angefochtenen Bescheid. Einwände hat der Kläger insoweit nicht erhoben.
22 
Der Erhebung von Säumniszuschlägen steht auch nicht die Einrede der Verjährung entgegen.
23 
Nach § 25 Abs. 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. In 30 Jahren tritt Verjährung ein, wenn die Beiträge vorsätzlich vorenthalten worden sind (§ 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Nebenleistungen teilen das Schicksal der Hauptforderung, so dass die Regelungen auch auf die Säumniszuschläge Anwendung finden; der Beitragsschuldner kann auf die Hauptleistung zahlen, etwa weil er hierzu nach beamtenrechtlichen Grundsätzen verpflichtet ist, sich aber gleichwohl wegen einer Nebenforderung auf die Verjährung berufen (BSG Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R, juris-Rn. 24). Für die 30jährige Verjährungsfrist genügt bedingter Vorsatz (BSG Urt. v. 30.03.2000 – B 12 KR 14/99 R, SozR 3-2400 § 25 Nr. 7). Für den bedingten Vorsatz im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV ist ausreichend, dass der Beitragsschuldner seine Beitragspflicht nur für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat; ferner reicht es aus, wenn ein anfänglich gutgläubiger Beitragsschuldner vor Ablauf der kurzen Verjährungsfrist bösgläubig geworden ist (BSG Urt. v. 30.03.2000 – B 12 KR 14/99 R, SozR 3-2400 § 25 Nr. 7). Jedenfalls wenn feststeht, dass der Schuldner zu irgendeinem Zeitpunkt innerhalb der kurzen Verjährungsfrist Kenntnis von der Beitragspflicht hatte und die Zahlung nicht sichergestellt hat, obwohl er hierzu in der Lage war, indiziert dies den im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV erforderlichen Vorsatz (BSG Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R, juris-Rn. 31). Andernfalls liefe die Verlängerung der Verjährung auch bei bedingtem Vorsatz weitgehend ins Leere, denn dann könnte sich ein Schuldner nach Ablauf von vier Jahren seiner Zahlungspflicht stets mit der Behauptung entziehen, er habe zwar zunächst von seiner Zahlungspflicht gewusst, die geplante Zahlung sei jedoch unterblieben, weil er die Unterlagen verlegt und dann den Vorgang vergessen habe (BSG Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R, juris-Rn. 32). Daher muss es für die Annahme eines vorsätzlichen Vorenthaltens im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV auch bei einer juristischen Person oder Körperschaft öffentlichen Rechts ausreichen, dass dieser die Kenntnis von der Beitragspflicht zugerechnet wird. Denn ebenso wie bei der Frage, ob § 24 SGB IV auf Körperschaften öffentlichen Rechts als Nachversicherungsschuldner anzuwenden ist, besteht auch im Rahmen des § 25 SGB IV kein Grund zu ihrer Bevorzugung (BSG Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R, juris-Rn. 33). Im Gegenteil obliegt dem früheren Dienstherrn des nachzuversichernden Beamten diesem gegenüber eine nachwirkende Fürsorgepflicht, die Nachversicherung nicht nur überhaupt, sondern auch unverzüglich durchzuführen; denn der Betroffene bedarf bereits unmittelbar nach dem Ausscheiden einer tragfähigen Absicherung gegen die Risiken einer Erwerbsminderung oder des Todes (insoweit für die Hinterbliebenen). Auch der Realisierung dieser Verpflichtung dient ihre möglichst effektive Bewehrung mit Säumniszuschlägen (BSG Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R, juris-Rn. 34).
24 
Der Kläger hatte innerhalb der kurzen Verjährungsfrist Kenntnis davon, dass im Falle des S. eine Nachversicherung durchzuführen ist (s.o.). Er hat es zudem infolge eines Organisationsverschuldens unterlassen, die Sicherstellung der Zahlung zu gewährleisten. Damit kommt die genannte Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R, juris) zur Anwendung mit der Folge, dass die 30-jährige Verjährungsfrist greift und die Beklagte damit zu Recht Säumniszuschläge festgesetzt hat.
25 
Der bekannte Sachverhalt schließt sogar ein bedingt vorsätzliches Handeln des zuständigen Amtswalters nicht aus, so dass dem Kläger nicht nur seine Kenntnis von der Nachversicherungspflicht, sondern auch das voluntative Element des Vorsatzes zuzurechnen wäre. Zwar steht einer vollständigen konkret-individuellen Prüfung hier rein tatsächlich entgegen, dass die Gründe für die unterbliebene Fortführung der Bearbeitung des Nachversicherungsfalls von S. nicht mehr aufklärbar sind, insbesondere die handelnden Personen und deren Motive unbekannt bleiben. Ansätze für weitere Ermittlungen sind nicht ersichtlich und auch von dem Kläger nicht aufgezeigt worden. Nach allem, was sich aus den Akten erschließen lässt, steht allerdings fest, dass der Sachbearbeiter jedenfalls Kenntnis davon hatte, dass im Falle des S. eine Nachversicherung durchzuführen ist. Zur Prüfung eines Aufschubgrundes wurde das Schreiben vom 22.11.1996 verfasst und ein Wiedervorlagetermin vorgemerkt. Dass es hier um die Prüfung einer Nachversicherung geht und diese Prüfung noch nicht abgeschlossen ist, musste jedem klar sein, der danach die Akte in die Hand genommen hat. Viel spricht dafür, dass derjenige, der die Akte ohne Abschluss der angefangenen Ermittlungen weggelegt und für eine (ordnungsgemäße) Verwahrung im Archiv gesorgt hat, mit bedingtem Vorsatz billigend in Kauf genommen hat, dass hier die Frage des Aufschubgrundes ungeprüft bleibt und dass deswegen die erforderliche Nachversicherung unterbleibt.
26 
Der Kläger hat es aber jedenfalls infolge eines Organisationsverschuldens unterlassen, die Sicherstellung der Zahlung zu gewährleisten.
27 
Eine Körperschaft hat sicherzustellen, dass die ihr ordnungsgemäß zugehenden, rechtserheblichen Informationen von ihren Entscheidungsträgern zur Kenntnis genommen werden können.Sie muss es deshalb so einrichten, dass ihre Repräsentanten, die dazu berufen sind, im Rechtsverkehr bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung wahrzunehmen, die erkennbar erheblichen Informationen tatsächlich an die entscheidenden Personen weiterleiten. Hieraus folgt die Notwendigkeit eines internen Informationsaustausches. Die Notwendigkeit eines Informationsaustausches bedingt entsprechende organisatorische Maßnahmen. Jedenfalls dann, wenn es an derartigen organisatorischen Maßnahmen fehlt, muss sich die Organisation das Wissen einzelner Mitarbeiter, auf welcher Ebene auch immer diese angesiedelt sind, zurechnen lassen (im Ganzen zu § 24 Abs. 2 SGB IV: BSG Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R, juris-Rn. 19, m.w.N.).
28 
Der Kläger beruft sich vorliegend darauf, er habe umfangreiche organisatorische Maßnahmen unternommen, um die ordnungsgemäße Sicherstellung der Nachversicherung in seinem Haus zu gewährleisten, was er im Verfahren L 4 R 2218/05 eingehend dargelegt habe. Im Tatbestand des Urteils in dieser Sache vom 16.11.2007 ist dazu ausgeführt: „Der Kläger hat auf Anforderung des Berichterstatters eine Stellungnahme zum Umfang der angewandten Kontrollmaßnahmen der Abteilung 3 vom 13. August 2007, eine Arbeitsanweisung im Hinblick auf die Durchführung der Nachversicherung bzw. die Erteilung einer Aufschubbescheinigung vom 26. November 1993 und eine weitere Arbeitsanweisung betreffend die Nachversicherung von Beamten auf Widerruf vom 05. Februar 1996 vorgelegt. In der Stellungnahme hat die Fachabteilung ausgeführt, generell sei die Verfahrenskontrolle so geregelt gewesen, dass für die Durchführung der Nachversicherung bzw. die Erteilung einer Aufschubbescheinigung bis zum Jahr 1995 die Zuständigkeit eines zentralen Arbeitsbereichs gegeben gewesen sei. Die Besoldungsakten der in Frage kommenden Fälle seien an diese Stelle abgegeben worden. Das Verfahren sei maschinell unterstützt und abgesichert gewesen, indem anhand der Wegfallschlüssel für die Nachversicherungsarbeitsgebiete Wegfallmitteilungen und Erhebungsunterlagen erstellt worden seien. Ab dem Jahr 1996 sei die Nachversicherung von Beamten auf Widerruf in die Zuständigkeit der Besoldungsarbeitsgebiete übertragen worden. Deshalb seien in den Monaten Juni und Juli 1995 umfangreiche Schulungsmaßnahmen durchgeführt und jedem Bearbeiter eine umfangreiche "Arbeitshilfe Nachversicherung" an die Hand gegeben worden. Diese Arbeitshilfe habe u.a. auch Verfahrensbeschreibungen darüber, wann und wer welche Arbeitsschritte durchzuführen habe, enthalten. So sei dort geregelt, dass der Kontenführer (Bearbeiter) die Nachsicherungs- bzw. Aufschubdaten ermittle und in das EDV-Verfahren eingebe sowie dass die maschinelle Überweisung der Nachversicherungsbeiträge an den Rentenversicherungsträger nur nach Überprüfung und Freigabe durch die Sachbearbeiter erfolgen könne. Außerdem sei es sowohl dem Arbeitsbereich "Vorgangsprüfung zur Qualitätssicherung und internes Kontrollsystem" beim Landesamt für Besoldung und Versorgung als auch dem Staatlichen Rechnungsprüfungsamt St. anhand von Stichproben- und Schwerpunktkontrollen jederzeit möglich, die ordnungsgemäße Durchführung der Nachversicherung zu überprüfen. Im Übrigen werde gerade im Hinblick auf die Erhebung von Säumniszuschlägen die fristgerechte Abarbeitung der Nachversicherungsfälle durch den Fachbereich zusätzlich durch die Nachversicherungsarbeitsgebiete überwacht. Hierzu würden durch die EDV-Abteilung Überwachungslisten über die Fälle erstellt, in denen nach dem unversorgten Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis innerhalb eines bestimmten Zeitraums noch keine Eingabe in das Nachversicherungsprogramm (Aufschub oder Nachversicherung) getätigt worden sei. Die Listen gingen an die Nachversicherungsarbeitsgebiete, die den Sachverhalt überprüften und gegebenenfalls die betroffenen Arbeitsgebiete dazu anhielten, die Nachversicherung bzw. den Aufschub fristgerecht durchzuführen. Den Nachversicherungsarbeitsgebieten sei es jetzt möglich, bei der EDV-Abteilung selektiv Fallgestaltungen abzufragen, bei denen nach der Beendigung des Dienstverhältnisses keine Nachversicherung erfolgt sei. Ein seit Herbst 2006 im Einsatz befindliches EDV-System enthalte auch eine Anwendung zur Terminüberwachung, die für die Überwachung des fristgerechten Rücklaufs der versandten Erklärungsvordrucke zur Nachversicherung genutzt werde, und biete wegen der Erfassung der eingehenden und ausgehenden Post hinsichtlich der Nachversicherung auch den Vorteil, dass die Nachversicherungsarbeitsgebiete jederzeit Einblick in den Bearbeitungsstand des Fachbereichs nehmen könnten, ohne hierzu dort Akten anfordern zu müssen. Wegen der weiteren beruflichen Verwendung der Studienreferendare und Lehreranwärter nach Ende der Ausbildung würden vom Landesamt für Besoldung und Versorgung jährlich im April bei den Regierungspräsidien so genannte Einstellungslisten angefordert. Durch die Einführung eines Personalverwaltungssystems auch im Lehrerbereich habe sich hinsichtlich der nachversicherungsrechtlichen Behandlung des vorgenannten Personenkreises eine wesentliche Verfahrensbeschleunigung ergeben.“
29 
Der Senat verkennt nicht, dass der Kläger umfangreiche organisatorische Maßnahmen getroffen hat, um die Nachversicherung ordnungsgemäß abzuwickeln. Diese organisatorischen Maßnahmen haben – wie der vorliegende Fall zeigt – jedoch teilweise nicht gegriffen und sind unvollständig geblieben, weil offensichtlich eine abschließende Ergebniskontrolle nicht stattgefunden hat. Nur so ist erklärbar, dass eine Akte unbearbeitet ins Archiv gelangen konnte. Zunächst ist festzuhalten, dass offensichtlich die Schulungen der Mitarbeiter erfolgreich waren, was der vorliegende Fall zeigt, da der Sachbearbeiter entsprechend seiner Zuständigkeit den Vorgang bis zum Schreiben vom 22.11.1996 sachgerecht bearbeitet hat. Indes haben die anderen organisatorischen Vorkehrungen wie EDV-Überwachungslisten, sonstige interne Kontrolllisten oder stichprobenweise Prüfungen eben so wenig funktioniert wie die allgemeinen Grundsätze über die Ablage von Vorgängen im Archiv.
30 
Fest steht, dass das Verwaltungsverfahren nach der Wiedervorlageverfügung auf dem Entwurf des Schreibens vom 22.11.1996 nicht mehr weiter bearbeitet wurde. Ebenso ist gesichert, dass die Akte im Archiv so verwahrt wurde, dass sie nach 14 Jahren wieder gefunden werden konnte. Wenn eine Akte unbemerkt im Archiv verschwindet, dann war der Vorgang auch sonst im Hause nicht registriert, weswegen niemand nach überschaubarer Zeit Veranlassung hatte, nach dem Sachstand nachzufragen. Aber auch bei der Archivverwaltung darf es nicht passieren, dass eine laufende Akte einfach weggelegt wird. Jedenfalls sind die sonst üblichen Verfahren einer abschließenden Prüfung des Vorgangs vor der Archivierung nicht beachtet worden. Ohne eine dokumentierte abschließende Prüfung und ohne eine ausdrückliche Verfügung durch den zuständigen oder einen besonders beauftragten Sachbearbeiter darf üblicherweise - wie dem Senat aus der Praxis der Gerichte und der Praxis der Sozialverwaltungen bekannt ist - ein Vorgang im Archiv auf Dauer nicht in Verwahrung genommen werden.
31 
Dass im Zusammenhang mit Nachversicherungsfällen es den Behörden verwehrt ist, sich darauf zu berufen, die Nachversicherung sei aus nicht weiter nachvollziehbaren Gründen unterblieben, zeigt die Rechtsprechung des BSG, wenn dort zu § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB VI ausgeführt wird: „Jedenfalls wenn feststeht, dass der Schuldner zu irgendeinem Zeitpunkt innerhalb der kurzen Verjährungsfrist Kenntnis von der Beitragspflicht hatte und die Zahlung nicht sichergestellt hat, obwohl er hierzu in der Lage war, indiziert dies den im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV erforderlichen Vorsatz (BSG Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R, juris-Rn. 31). Andernfalls liefe die Verlängerung der Verjährung auch bei bedingtem Vorsatz weitgehend ins Leere, denn dann könnte sich ein Schuldner nach Ablauf von vier Jahren seiner Zahlungspflicht stets mit der Behauptung entziehen, er habe zwar zunächst von seiner Zahlungspflicht gewusst, die geplante Zahlung sei jedoch unterblieben, weil er die Unterlagen verlegt und dann den Vorgang vergessen habe (BSG Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R, juris-Rn. 32).“
32 
Gleiches muss nach Auffassung des Senats gelten, wenn – wie hier – der Schuldner wusste, dass eine Zahlungspflicht besteht, die Zahlung aber nicht erfolgt ist, weil die Akte abhanden gekommen ist.
33 
Soweit sich der Kläger in der mündlichen Verhandlung gegen die hier vorgenommene Auslegung des § 25 Abs. 2 Satz 2 SGB IV wandte, verkennt er, dass die strengen Maßstäbe hier von der Rechtsprechung des BSG entwickelt wurden und das BSG Abweichungen nur im Fall der Nichtzahlung trotz Kenntnis bei Zahlungsunfähigkeit bzw. die Störung der Zahlung durch eine Bank (vgl. BSG Urt. v. 17.04.2008 - B 23 R 123/07 R, Juris-Rn. 30) akzeptiert. Soweit der 4. Senat des LSG in der Entscheidung vom 16.11.2007 – L 4 R 2218/05 die Auffassung vertreten hat, allein aus der nicht mehr möglichen Nachvollziehbarkeit des Vorgangs sei es nicht möglich, auf eine innere Willensrichtung zu schließen, kann ihm angesichts der klaren Aussage des BSG in der Entscheidung vom 17.04.2008 - B 13 R 123/07 R zur Bewertung angeblich verlegter Unterlagen nicht mehr gefolgt werden. Die Rechtsprechung des 4. Senats des LSG ist durch die zeitlich spätere Rechtsprechung des BSG in der genannten Entscheidung vom 17.04.2008 überholt.
34 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 1, Abs. 2 Nr. 3, 2, Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Hs. 1 Gerichtskostengesetz).
35 
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).

Gründe

 
16 
Die Berufung der Beklagten ist gem. §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne Zulassung durch das Sozialgericht statthaft. Die Berufung ist auch sonst gem. § 151 SGG zulässig und begründet. Das SG hätte der Klage nicht stattgeben dürfen. Der angefochtene Bescheid vom 18.01.2011 erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte war berechtigt, die festgesetzten Säumniszuschläge zu erheben.
17 
Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist für Beiträge, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstags gezahlt hat, für jeden angefangenen Monat ein Säumniszuschlag von 1 vH des rückständigen, auf 50,00 EUR nach unten abgerundeten Betrags zu zahlen. Auch auf verspätet entrichtete Nachversicherungsbeiträge sind Säumniszuschläge zu zahlen (§ 184 Abs. 1 Satz 2 SGB VI idF des Gesetzes vom 19.12.2007, BGBl. I S 3024; für die Zeit vor 01.01.2008: BSG Urt. v. 12.02.2004 – B 13 RJ 28/03 R, BSGE 92, 150). Dies gilt auch für Körperschaften des öffentlichen Rechts (BSG Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R, BSGE 100, 215). Die Nachversicherungsbeiträge sind gemäß § 184 Abs. 1 Satz 1 SGB VI zu zahlen ("fällig"), wenn die Voraussetzungen für die Nachversicherung eingetreten sind, insbesondere Gründe für einen Aufschub der Beitragszahlung nicht gegeben sind. Die Beiträge sind regelmäßig mit dem unversorgten Ausscheiden aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zu zahlen (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI).
18 
Nachversicherungsschuldner und damit zahlungspflichtig ist der Kläger als ehemaliger Dienstherr des S. Die Nachversicherungsschuld des Klägers ist am 05.11.1996 entstanden, da S. am 04.11.1996 aus dem Beamtenverhältnis unversorgt ausschied. Damit wurden die Beiträge zur Nachversicherung fällig; Gründe für einen Aufschub lagen nicht vor.
19 
Nach § 24 Abs. 2 SGB IV ist bei einer durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellten Beitragsforderung ein Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Auch diese Vorschrift ist auf Nachversicherungsbeiträge entsprechend anzuwenden (BSG Urt. v. 12.02.2004 – B 13 RJ 28/03 R, BSGE 92, 150; BSG Urt. v. 29.11.2007 – B 13 R 48/06 R, BSGE 99, 227).
20 
Zur Prüfung der Frage, ob „unverschuldet keine Kenntnis“ von einer Zahlungspflicht vorgelegen hat, werden von der Rechtsprechung unterschiedliche Maßstäbe angelegt. Während der 13. Senat des BSG § 276 BGB für anwendbar hält, so dass auch fahrlässiges Verhalten zur Erhebung von Säumniszuschlägen führen kann (BSG Urt. v. 01.07.2010 – B 13 R 67/09 R, juris-Rn. 23), greift der 12. Senat „in Ermangelung anderer Maßstäbe“ auf diejenigen zurückzugreifen, die für die Beurteilung des Vorsatzes i.S.v. § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV entwickelt wurden, so dass (mindestens) bedingter Vorsatz erforderlich wäre (BSG Urt. v. 26.01.2005 – B 12 KR 3/04 R, SozR 4-2400 § 14 Nr. 7; BSG Urt. v. 09.11.2011 – B 12 R 18/09 R, juris-Rn. 28). Welcher Auffassung zu folgen ist, kann hier dahingestellt bleiben. Die Exkulpationsmöglichkeit über den § 24 Abs. 2 SGB IV scheitert vorliegend schon daran, dass dem Kläger die Kenntnis ihres zuständigen Amtswalters von der Nachversicherungspflicht zuzurechnen ist. Der Kenntnis steht nicht entgegen, dass der Amtswalter in Ermittlungen über das Vorliegen eines Aufschubgrundes i.S.v. § 184 Abs. 2 SGB VI eingetreten war. Die bloße Möglichkeit von Gründen für einen Aufschub änderte an der Fälligkeit der Beiträge nichts. Der Aufschub tritt nicht bereits dann ein, wenn Ermittlungen über das Vorliegen eines solchen Grundes aufgenommen werden oder einer der gesetzlichen Tatbestände tatsächlich erfüllt ist. Vielmehr muss der Arbeitgeber (hier der Kläger) eine rechtlich relevante Aufschubentscheidung getroffen haben (BSG Urt. v. 29.07.1997 – 4 RA 107/95, juris-Rn. 26). Hieran fehlt es vorliegend. Damit blieb es bei der sofortigen Fälligkeit der Beiträge mit dem unversorgten Ausscheiden des S. Beide für die Zahlungspflicht relevanten Tatsachen, das unversorgte Ausscheiden des S. und das Fehlen einer Aufschubentscheidung, waren dem zuständigen Amtswalter bekannt. Er hatte damit Kenntnis von der Zahlungspflicht.
21 
Die Voraussetzungen für die Erhebung von Säumniszuschlägen nach § 24 SGB IV sind somit erfüllt. Die Berechnung der Höhe der Säumniszuschläge ist ebenfalls zutreffend. Der Senat verweist auf die Berechnung im angefochtenen Bescheid. Einwände hat der Kläger insoweit nicht erhoben.
22 
Der Erhebung von Säumniszuschlägen steht auch nicht die Einrede der Verjährung entgegen.
23 
Nach § 25 Abs. 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. In 30 Jahren tritt Verjährung ein, wenn die Beiträge vorsätzlich vorenthalten worden sind (§ 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Nebenleistungen teilen das Schicksal der Hauptforderung, so dass die Regelungen auch auf die Säumniszuschläge Anwendung finden; der Beitragsschuldner kann auf die Hauptleistung zahlen, etwa weil er hierzu nach beamtenrechtlichen Grundsätzen verpflichtet ist, sich aber gleichwohl wegen einer Nebenforderung auf die Verjährung berufen (BSG Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R, juris-Rn. 24). Für die 30jährige Verjährungsfrist genügt bedingter Vorsatz (BSG Urt. v. 30.03.2000 – B 12 KR 14/99 R, SozR 3-2400 § 25 Nr. 7). Für den bedingten Vorsatz im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV ist ausreichend, dass der Beitragsschuldner seine Beitragspflicht nur für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat; ferner reicht es aus, wenn ein anfänglich gutgläubiger Beitragsschuldner vor Ablauf der kurzen Verjährungsfrist bösgläubig geworden ist (BSG Urt. v. 30.03.2000 – B 12 KR 14/99 R, SozR 3-2400 § 25 Nr. 7). Jedenfalls wenn feststeht, dass der Schuldner zu irgendeinem Zeitpunkt innerhalb der kurzen Verjährungsfrist Kenntnis von der Beitragspflicht hatte und die Zahlung nicht sichergestellt hat, obwohl er hierzu in der Lage war, indiziert dies den im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV erforderlichen Vorsatz (BSG Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R, juris-Rn. 31). Andernfalls liefe die Verlängerung der Verjährung auch bei bedingtem Vorsatz weitgehend ins Leere, denn dann könnte sich ein Schuldner nach Ablauf von vier Jahren seiner Zahlungspflicht stets mit der Behauptung entziehen, er habe zwar zunächst von seiner Zahlungspflicht gewusst, die geplante Zahlung sei jedoch unterblieben, weil er die Unterlagen verlegt und dann den Vorgang vergessen habe (BSG Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R, juris-Rn. 32). Daher muss es für die Annahme eines vorsätzlichen Vorenthaltens im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV auch bei einer juristischen Person oder Körperschaft öffentlichen Rechts ausreichen, dass dieser die Kenntnis von der Beitragspflicht zugerechnet wird. Denn ebenso wie bei der Frage, ob § 24 SGB IV auf Körperschaften öffentlichen Rechts als Nachversicherungsschuldner anzuwenden ist, besteht auch im Rahmen des § 25 SGB IV kein Grund zu ihrer Bevorzugung (BSG Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R, juris-Rn. 33). Im Gegenteil obliegt dem früheren Dienstherrn des nachzuversichernden Beamten diesem gegenüber eine nachwirkende Fürsorgepflicht, die Nachversicherung nicht nur überhaupt, sondern auch unverzüglich durchzuführen; denn der Betroffene bedarf bereits unmittelbar nach dem Ausscheiden einer tragfähigen Absicherung gegen die Risiken einer Erwerbsminderung oder des Todes (insoweit für die Hinterbliebenen). Auch der Realisierung dieser Verpflichtung dient ihre möglichst effektive Bewehrung mit Säumniszuschlägen (BSG Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R, juris-Rn. 34).
24 
Der Kläger hatte innerhalb der kurzen Verjährungsfrist Kenntnis davon, dass im Falle des S. eine Nachversicherung durchzuführen ist (s.o.). Er hat es zudem infolge eines Organisationsverschuldens unterlassen, die Sicherstellung der Zahlung zu gewährleisten. Damit kommt die genannte Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R, juris) zur Anwendung mit der Folge, dass die 30-jährige Verjährungsfrist greift und die Beklagte damit zu Recht Säumniszuschläge festgesetzt hat.
25 
Der bekannte Sachverhalt schließt sogar ein bedingt vorsätzliches Handeln des zuständigen Amtswalters nicht aus, so dass dem Kläger nicht nur seine Kenntnis von der Nachversicherungspflicht, sondern auch das voluntative Element des Vorsatzes zuzurechnen wäre. Zwar steht einer vollständigen konkret-individuellen Prüfung hier rein tatsächlich entgegen, dass die Gründe für die unterbliebene Fortführung der Bearbeitung des Nachversicherungsfalls von S. nicht mehr aufklärbar sind, insbesondere die handelnden Personen und deren Motive unbekannt bleiben. Ansätze für weitere Ermittlungen sind nicht ersichtlich und auch von dem Kläger nicht aufgezeigt worden. Nach allem, was sich aus den Akten erschließen lässt, steht allerdings fest, dass der Sachbearbeiter jedenfalls Kenntnis davon hatte, dass im Falle des S. eine Nachversicherung durchzuführen ist. Zur Prüfung eines Aufschubgrundes wurde das Schreiben vom 22.11.1996 verfasst und ein Wiedervorlagetermin vorgemerkt. Dass es hier um die Prüfung einer Nachversicherung geht und diese Prüfung noch nicht abgeschlossen ist, musste jedem klar sein, der danach die Akte in die Hand genommen hat. Viel spricht dafür, dass derjenige, der die Akte ohne Abschluss der angefangenen Ermittlungen weggelegt und für eine (ordnungsgemäße) Verwahrung im Archiv gesorgt hat, mit bedingtem Vorsatz billigend in Kauf genommen hat, dass hier die Frage des Aufschubgrundes ungeprüft bleibt und dass deswegen die erforderliche Nachversicherung unterbleibt.
26 
Der Kläger hat es aber jedenfalls infolge eines Organisationsverschuldens unterlassen, die Sicherstellung der Zahlung zu gewährleisten.
27 
Eine Körperschaft hat sicherzustellen, dass die ihr ordnungsgemäß zugehenden, rechtserheblichen Informationen von ihren Entscheidungsträgern zur Kenntnis genommen werden können.Sie muss es deshalb so einrichten, dass ihre Repräsentanten, die dazu berufen sind, im Rechtsverkehr bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung wahrzunehmen, die erkennbar erheblichen Informationen tatsächlich an die entscheidenden Personen weiterleiten. Hieraus folgt die Notwendigkeit eines internen Informationsaustausches. Die Notwendigkeit eines Informationsaustausches bedingt entsprechende organisatorische Maßnahmen. Jedenfalls dann, wenn es an derartigen organisatorischen Maßnahmen fehlt, muss sich die Organisation das Wissen einzelner Mitarbeiter, auf welcher Ebene auch immer diese angesiedelt sind, zurechnen lassen (im Ganzen zu § 24 Abs. 2 SGB IV: BSG Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R, juris-Rn. 19, m.w.N.).
28 
Der Kläger beruft sich vorliegend darauf, er habe umfangreiche organisatorische Maßnahmen unternommen, um die ordnungsgemäße Sicherstellung der Nachversicherung in seinem Haus zu gewährleisten, was er im Verfahren L 4 R 2218/05 eingehend dargelegt habe. Im Tatbestand des Urteils in dieser Sache vom 16.11.2007 ist dazu ausgeführt: „Der Kläger hat auf Anforderung des Berichterstatters eine Stellungnahme zum Umfang der angewandten Kontrollmaßnahmen der Abteilung 3 vom 13. August 2007, eine Arbeitsanweisung im Hinblick auf die Durchführung der Nachversicherung bzw. die Erteilung einer Aufschubbescheinigung vom 26. November 1993 und eine weitere Arbeitsanweisung betreffend die Nachversicherung von Beamten auf Widerruf vom 05. Februar 1996 vorgelegt. In der Stellungnahme hat die Fachabteilung ausgeführt, generell sei die Verfahrenskontrolle so geregelt gewesen, dass für die Durchführung der Nachversicherung bzw. die Erteilung einer Aufschubbescheinigung bis zum Jahr 1995 die Zuständigkeit eines zentralen Arbeitsbereichs gegeben gewesen sei. Die Besoldungsakten der in Frage kommenden Fälle seien an diese Stelle abgegeben worden. Das Verfahren sei maschinell unterstützt und abgesichert gewesen, indem anhand der Wegfallschlüssel für die Nachversicherungsarbeitsgebiete Wegfallmitteilungen und Erhebungsunterlagen erstellt worden seien. Ab dem Jahr 1996 sei die Nachversicherung von Beamten auf Widerruf in die Zuständigkeit der Besoldungsarbeitsgebiete übertragen worden. Deshalb seien in den Monaten Juni und Juli 1995 umfangreiche Schulungsmaßnahmen durchgeführt und jedem Bearbeiter eine umfangreiche "Arbeitshilfe Nachversicherung" an die Hand gegeben worden. Diese Arbeitshilfe habe u.a. auch Verfahrensbeschreibungen darüber, wann und wer welche Arbeitsschritte durchzuführen habe, enthalten. So sei dort geregelt, dass der Kontenführer (Bearbeiter) die Nachsicherungs- bzw. Aufschubdaten ermittle und in das EDV-Verfahren eingebe sowie dass die maschinelle Überweisung der Nachversicherungsbeiträge an den Rentenversicherungsträger nur nach Überprüfung und Freigabe durch die Sachbearbeiter erfolgen könne. Außerdem sei es sowohl dem Arbeitsbereich "Vorgangsprüfung zur Qualitätssicherung und internes Kontrollsystem" beim Landesamt für Besoldung und Versorgung als auch dem Staatlichen Rechnungsprüfungsamt St. anhand von Stichproben- und Schwerpunktkontrollen jederzeit möglich, die ordnungsgemäße Durchführung der Nachversicherung zu überprüfen. Im Übrigen werde gerade im Hinblick auf die Erhebung von Säumniszuschlägen die fristgerechte Abarbeitung der Nachversicherungsfälle durch den Fachbereich zusätzlich durch die Nachversicherungsarbeitsgebiete überwacht. Hierzu würden durch die EDV-Abteilung Überwachungslisten über die Fälle erstellt, in denen nach dem unversorgten Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis innerhalb eines bestimmten Zeitraums noch keine Eingabe in das Nachversicherungsprogramm (Aufschub oder Nachversicherung) getätigt worden sei. Die Listen gingen an die Nachversicherungsarbeitsgebiete, die den Sachverhalt überprüften und gegebenenfalls die betroffenen Arbeitsgebiete dazu anhielten, die Nachversicherung bzw. den Aufschub fristgerecht durchzuführen. Den Nachversicherungsarbeitsgebieten sei es jetzt möglich, bei der EDV-Abteilung selektiv Fallgestaltungen abzufragen, bei denen nach der Beendigung des Dienstverhältnisses keine Nachversicherung erfolgt sei. Ein seit Herbst 2006 im Einsatz befindliches EDV-System enthalte auch eine Anwendung zur Terminüberwachung, die für die Überwachung des fristgerechten Rücklaufs der versandten Erklärungsvordrucke zur Nachversicherung genutzt werde, und biete wegen der Erfassung der eingehenden und ausgehenden Post hinsichtlich der Nachversicherung auch den Vorteil, dass die Nachversicherungsarbeitsgebiete jederzeit Einblick in den Bearbeitungsstand des Fachbereichs nehmen könnten, ohne hierzu dort Akten anfordern zu müssen. Wegen der weiteren beruflichen Verwendung der Studienreferendare und Lehreranwärter nach Ende der Ausbildung würden vom Landesamt für Besoldung und Versorgung jährlich im April bei den Regierungspräsidien so genannte Einstellungslisten angefordert. Durch die Einführung eines Personalverwaltungssystems auch im Lehrerbereich habe sich hinsichtlich der nachversicherungsrechtlichen Behandlung des vorgenannten Personenkreises eine wesentliche Verfahrensbeschleunigung ergeben.“
29 
Der Senat verkennt nicht, dass der Kläger umfangreiche organisatorische Maßnahmen getroffen hat, um die Nachversicherung ordnungsgemäß abzuwickeln. Diese organisatorischen Maßnahmen haben – wie der vorliegende Fall zeigt – jedoch teilweise nicht gegriffen und sind unvollständig geblieben, weil offensichtlich eine abschließende Ergebniskontrolle nicht stattgefunden hat. Nur so ist erklärbar, dass eine Akte unbearbeitet ins Archiv gelangen konnte. Zunächst ist festzuhalten, dass offensichtlich die Schulungen der Mitarbeiter erfolgreich waren, was der vorliegende Fall zeigt, da der Sachbearbeiter entsprechend seiner Zuständigkeit den Vorgang bis zum Schreiben vom 22.11.1996 sachgerecht bearbeitet hat. Indes haben die anderen organisatorischen Vorkehrungen wie EDV-Überwachungslisten, sonstige interne Kontrolllisten oder stichprobenweise Prüfungen eben so wenig funktioniert wie die allgemeinen Grundsätze über die Ablage von Vorgängen im Archiv.
30 
Fest steht, dass das Verwaltungsverfahren nach der Wiedervorlageverfügung auf dem Entwurf des Schreibens vom 22.11.1996 nicht mehr weiter bearbeitet wurde. Ebenso ist gesichert, dass die Akte im Archiv so verwahrt wurde, dass sie nach 14 Jahren wieder gefunden werden konnte. Wenn eine Akte unbemerkt im Archiv verschwindet, dann war der Vorgang auch sonst im Hause nicht registriert, weswegen niemand nach überschaubarer Zeit Veranlassung hatte, nach dem Sachstand nachzufragen. Aber auch bei der Archivverwaltung darf es nicht passieren, dass eine laufende Akte einfach weggelegt wird. Jedenfalls sind die sonst üblichen Verfahren einer abschließenden Prüfung des Vorgangs vor der Archivierung nicht beachtet worden. Ohne eine dokumentierte abschließende Prüfung und ohne eine ausdrückliche Verfügung durch den zuständigen oder einen besonders beauftragten Sachbearbeiter darf üblicherweise - wie dem Senat aus der Praxis der Gerichte und der Praxis der Sozialverwaltungen bekannt ist - ein Vorgang im Archiv auf Dauer nicht in Verwahrung genommen werden.
31 
Dass im Zusammenhang mit Nachversicherungsfällen es den Behörden verwehrt ist, sich darauf zu berufen, die Nachversicherung sei aus nicht weiter nachvollziehbaren Gründen unterblieben, zeigt die Rechtsprechung des BSG, wenn dort zu § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB VI ausgeführt wird: „Jedenfalls wenn feststeht, dass der Schuldner zu irgendeinem Zeitpunkt innerhalb der kurzen Verjährungsfrist Kenntnis von der Beitragspflicht hatte und die Zahlung nicht sichergestellt hat, obwohl er hierzu in der Lage war, indiziert dies den im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV erforderlichen Vorsatz (BSG Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R, juris-Rn. 31). Andernfalls liefe die Verlängerung der Verjährung auch bei bedingtem Vorsatz weitgehend ins Leere, denn dann könnte sich ein Schuldner nach Ablauf von vier Jahren seiner Zahlungspflicht stets mit der Behauptung entziehen, er habe zwar zunächst von seiner Zahlungspflicht gewusst, die geplante Zahlung sei jedoch unterblieben, weil er die Unterlagen verlegt und dann den Vorgang vergessen habe (BSG Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R, juris-Rn. 32).“
32 
Gleiches muss nach Auffassung des Senats gelten, wenn – wie hier – der Schuldner wusste, dass eine Zahlungspflicht besteht, die Zahlung aber nicht erfolgt ist, weil die Akte abhanden gekommen ist.
33 
Soweit sich der Kläger in der mündlichen Verhandlung gegen die hier vorgenommene Auslegung des § 25 Abs. 2 Satz 2 SGB IV wandte, verkennt er, dass die strengen Maßstäbe hier von der Rechtsprechung des BSG entwickelt wurden und das BSG Abweichungen nur im Fall der Nichtzahlung trotz Kenntnis bei Zahlungsunfähigkeit bzw. die Störung der Zahlung durch eine Bank (vgl. BSG Urt. v. 17.04.2008 - B 23 R 123/07 R, Juris-Rn. 30) akzeptiert. Soweit der 4. Senat des LSG in der Entscheidung vom 16.11.2007 – L 4 R 2218/05 die Auffassung vertreten hat, allein aus der nicht mehr möglichen Nachvollziehbarkeit des Vorgangs sei es nicht möglich, auf eine innere Willensrichtung zu schließen, kann ihm angesichts der klaren Aussage des BSG in der Entscheidung vom 17.04.2008 - B 13 R 123/07 R zur Bewertung angeblich verlegter Unterlagen nicht mehr gefolgt werden. Die Rechtsprechung des 4. Senats des LSG ist durch die zeitlich spätere Rechtsprechung des BSG in der genannten Entscheidung vom 17.04.2008 überholt.
34 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 1, Abs. 2 Nr. 3, 2, Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Hs. 1 Gerichtskostengesetz).
35 
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).

(1) Für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 Prozent des rückständigen, auf 50 Euro nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen. Eine jeweils gesonderte Abrundung rückständiger Beiträge und Beitragsvorschüsse unterschiedlicher Fälligkeit ohne vorherige Addition ist zulässig. Bei einem rückständigen Betrag unter 150 Euro ist der Säumniszuschlag nicht zu erheben, wenn dieser gesondert anzufordern wäre. Für die Erhebung von Säumniszuschlägen in der gesetzlichen Unfallversicherung gilt § 169 des Siebten Buches.

(1a) (weggefallen)

(2) Wird eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt, ist ein darauf entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte.

(3) Hat der Zahlungspflichtige ein Lastschriftmandat zum Einzug der Beiträge erteilt, so sind Säumniszuschläge zu erheben, wenn der Beitragseinzug aus Gründen, die vom Zahlungspflichtigen zu vertreten sind, nicht ausgeführt werden kann oder zurückgerufen wird. Zusätzlich zum Säumniszuschlag soll der Gläubiger vom Zahlungspflichtigen den Ersatz der von einem Geldinstitut erhobenen Entgelte für Rücklastschriften verlangen; dieser Kostenersatz ist wie die Gebühren, die im Zusammenhang mit der Durchsetzung von Beitragsansprüchen erhoben werden, zu behandeln.

Tatbestand

1

Im Streit steht die Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung des Säumniszuschlags in Höhe von 1778,00 Euro wegen verspäteter Abführung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung im Rahmen der Nachversicherung.

2

Der juristische Vorbereitungsdienst als Rechtsreferendarin im Beamtenverhältnis auf Widerruf der 1969 geborenen G. R. (im Folgenden: Referendarin) bei der klagenden Freien und Hansestadt endete am 20.7.2000. Die Personalstelle für Referendare beim Hanseatischen Oberlandesgericht zeigte dem für Nachversicherungen zuständigen Personalamt/Zentrale Personaldienste der Klägerin (im Folgenden: Nachversicherungsstelle) an, dass die Referendarin ohne Anspruch auf Versorgung aus dem Dienst ausgeschieden war. Sie übermittelte die während dieses Zeitraums der versicherungsfreien Beschäftigung als Beamtin erzielten Gesamtbruttobezüge in Höhe von 63 154,95 DM. Diese Nachversicherungsanzeige vom 12.9.2000 ging bei der Nachversicherungsstelle der Klägerin am 7.12.2000 ein. Die Nachversicherungsstelle wandte sich mit mehreren Schreiben (vom 7.2.2002, 24.7.2002 und 10.10.2002) zur Ermittlung von Gründen für den Aufschub der Nachversicherung an die Referendarin; diese reagierte auf keines dieser Schreiben. Am 24.1.2003 übersandte die Klägerin der Beklagten (damals: Bundesversicherungsanstalt für Angestellte) die Bescheinigung über die Nachversicherung der Referendarin. Das nachzuversichernde Entgelt bezifferte die Klägerin mit 67 504,33 DM. Mit Wertstellung vom 10.2.2003 ging der Nachversicherungsbeitrag in Höhe von 6730,31 Euro (13 163,34 DM = 19,5% von 67 504,33 DM) bei der Beklagten ein.

3

Mit Schreiben vom 28.3.2003 (der Klägerin zugegangen am 2.4.2003) teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie werde künftig Säumniszuschläge auf verspätet gezahlte Nachversicherungsbeiträge erheben, und verwies hierzu auf das beigefügte Informationsblatt "Säumniszuschläge auf verspätet gezahlte Nachversicherungsbeiträge". Hierin heißt es ua:

        

"Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) weist mit dieser Information darauf hin, dass sie ihre bisherige Rechtsauffassung aufgibt und im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung sowie dem Bundesrechnungshof künftig in allen Fällen der verspäteten Zahlung von Nachversicherungsbeiträgen Säumniszuschläge (§ 24 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IV) erheben wird. …

        

Die Rentenversicherungsträger berücksichtigen die Ausführungen des Bundesministeriums des Innern in seinem Rundschreiben vom 27.4.1999 - DII6-224012/55 -, wonach Nachversicherungsschuldner spätestens drei Monate nach unversorgtem Ausscheiden des Beschäftigten aus dem Beschäftigungs- bzw Dienstverhältnis über den Aufschub oder die Durchführung der Nachversicherung entscheiden soll. Ein Säumniszuschlag wird deshalb nicht erhoben, wenn die Nachversicherungsbeiträge innerhalb von drei Monaten nach Eintritt der Voraussetzungen für die Nachversicherung gezahlt werden.
Frühester Zeitpunkt der Säumnis ist der 1.1.1995, weil seit diesem Zeitpunkt die Erhebung von Säumniszuschlägen nicht mehr im Ermessen der beitragsentgegennehmenden Stelle liegt, sondern von Gesetz wegen zu erfolgen hat."

4

Mit Bescheid vom 16.5.2003 erhob die Beklagte gemäß § 24 Abs 1 SGB IV den Säumniszuschlag in Höhe von 1841,50 Euro, wobei sie 29 Monate der Säumnis, gerechnet ab 21.10.2000, zugrunde legte. Die Höhe der Nachversicherungsschuld am 21.10.2000 wurde mit 12 451,64 DM (19,3% von 64 516,25 DM) beziffert.

5

Die vor dem SG Hamburg erhobene Klage (Urteil vom 25.1.2006 - S 10 RA 319/03) und die Berufung vor dem LSG Hamburg (Urteil vom 23.7.2008 - L 6 RA 64/06) blieben erfolglos. Das LSG Hamburg hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG auf eine Anhörung (§ 24 Abs 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch) rechtswirksam verzichtet. Die Beklagte habe den streitigen Bescheid zu Recht auf § 24 Abs 1 SGB IV gestützt. Insofern werde der Rechtsprechung des BSG (Senatsurteil vom 12.2.2004 - SozR 4-2400 § 24 Nr 2)gefolgt. Ein Fall der Säumnis habe vorgelegen, weil die Klägerin die Beiträge zur Nachversicherung erst verspätet (am 10.2.2003) gezahlt habe. Der Nachversicherungsfall sei bereits ab dem unversorgten Ausscheiden der Referendarin aus dem Vorbereitungsdienst mit Bestehen der Zweiten juristischen Staatsprüfung am 20.7.2000 eingetreten. Mit Wirkung vom 21.7.2000 (§ 8 Abs 2 Satz 1 Nr 1, § 181 Abs 5 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch) sei sie deshalb nachzuversichern gewesen. Aufschubgründe gemäß § 184 Abs 2 SGB VI hätten nicht vorgelegen. Die Berechnung der Säumnis erst ab 21.10.2000 begünstige die Klägerin daher.

6

Ein Fall der unverschuldeten Unkenntnis der Klägerin von ihrer Pflicht zur Beitragszahlung iS von § 24 Abs 2 SGB IV, der der Erhebung des Säumniszuschlags entgegenstehe, habe die Klägerin nicht glaubhaft gemacht. Sie habe seit Erhalt der Anzeige der Personalstelle für Referendare am 7.12.2000 von der Zahlungspflicht gewusst und sei dennoch über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr untätig geblieben. Erst ab 7.2.2002 habe die Klägerin den Nachversicherungsvorgang bearbeitet. Sie habe selbst eingeräumt, dass der lange Zeitraum der Untätigkeit auf einer Fehlorganisation in der Personalverwaltung bzw auf einem Organisationsverschulden beruht habe. Hierfür spreche, dass die Klägerin in einer Vielzahl von Fällen (einige Hundert) die Nachversicherung verspätet durchgeführt habe. Auch im Zeitraum ab der erstmaligen Kontaktaufnahme mit der Referendarin (Schreiben vom 7.2.2002) bis zur Durchführung der Nachversicherung Anfang des Jahres 2003 habe keine unverschuldete Unkenntnis von der Zahlungspflicht vorgelegen. Die schuldhafte Kenntnis der Klägerin bis 6.2.2002 habe sich nicht dadurch in eine schuldlose Unkenntnis der Zahlungsverpflichtung mit der Folge schuldloser Säumnis gewandelt, dass die Referendarin auf keines der Schreiben der Klägerin reagiert habe. Die Klägerin hätte die Nachversicherungsbeiträge - wegen Fehlens von Aufschubgründen - sofort entrichten und so eine Säumnis vermeiden können. Der Klägerin sei es auch zumutbar gewesen, personelle oder verfahrensordnende Vorkehrungen zu treffen, um eine Verzögerung bei der Durchführung der Nachversicherung zu vermeiden.

7

Dem stehe auch nicht das Schreiben der Beklagten vom 28.3.2003 nebst Informationsblatt entgegen. Hierbei handele es sich lediglich um einen Hinweis auf die Rechtslage und weder um einen Verzicht auf den streitigen Säumniszuschlag noch um die Zusicherung, von dessen Erhebung abzusehen. Die Festsetzung des Säumniszuschlags sei auch nicht verwirkt. Zwar sei das Rechtsinstitut der Verwirkung als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch) auch auf die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 14.7.2004 - SozR 4-2400 § 7 Nr 4) anzuwenden. Der Verwirkung stehe aber die seit Januar 1995 geltende Rechtspflicht des § 24 SGB IV zur Festsetzung von Säumniszuschlägen entgegen, wonach der Beklagten kein Ermessen mehr eingeräumt sei. Im Übrigen könnten besonderen Umständen, aus denen sich eine Unbilligkeit der Festsetzung des Säumniszuschlags im Einzelfall ergebe, nur durch Stundung oder Erlass (§ 76 Abs 2 Nr 1 bzw 3 SGB IV) Rechnung getragen werden. Einer lückenausfüllenden Anwendung des Rechtsinstituts der Verwirkung bedürfe es daher nicht. Insofern könne offen bleiben, ob es unbillig sei, wenn die Klägerin in einer Vielzahl von Fällen die Nachversicherung verspätet vorgenommen und die Beklagte es andererseits jahrelang unterlassen habe, diese Praxis durch die Erhebung von Säumniszuschlägen zu sanktionieren. Hinsichtlich der Höhe der getroffenen Festsetzung könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Klägerin begünstigt worden sei. Die Beklagte habe lediglich 29 Monate im Hinblick auf das Rundschreiben des Bundesministers des Innern vom 27.4.1999 (DII6-224012/55) berücksichtigt; tatsächlich seien aber 32 Monate (vom 21.7.2000 bis zur Wertstellung am 10.2.2003) der Säumnis zu berücksichtigen gewesen. Da sich der Beitragssatz im Jahre 2003 auf 19,5 % erhöht habe, ergebe dies eine höhere als die festgesetzte Nachversicherungsschuld (von 7631,82 anstelle von 7553,55 Euro).

8

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 24 Abs 2 SGB IV. Sie ist der Meinung, das LSG habe den im Senatsurteil vom 12.2.2004 (BSG SozR 4-2400 § 24 Nr 2)aufgezeigten Anwendungsbereich der Norm auf Nachversicherungsbeiträge verkannt. Sie räumt ein, bis zum Beginn der Bearbeitung des Nachversicherungsvorgangs im Februar 2002 fahrlässig in Unkenntnis der Zahlungsverpflichtung gewesen zu sein. Allerdings sei die Verzögerung in der Bearbeitung ab Juli 2002 bis zur Zahlung der Nachversicherungsbeiträge im Februar 2003 allein auf die fehlende Mitwirkung der Referendarin zurückzuführen. Während dieses Zeitraums (acht Monate) habe die Klägerin die Säumnis daher nicht verschuldet; dies entspreche auch dem der Norm zugrunde liegenden Schuldnerschutz. Die Erhebung des Säumniszuschlags verletze den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) in Ausprägung der unzulässigen bzw rechtsmissbräuchlichen Rechtsausübung (venire contra factum proprium). Das Nachversicherungsverfahren sei mit Wertstellung der Beiträge am 10.2.2003 abgeschlossen worden. Erstmals mit Schreiben vom 28.3.2003 habe die Beklagte mitgeteilt, sie werde künftig Säumniszuschläge erheben. Eine Anpassung an die geänderte Verwaltungspraxis sei ihr für abgeschlossene Fälle weder tatsächlich möglich noch haushälterisch zumutbar. Schließlich sei der Anspruch auf den Säumniszuschlag verwirkt. Das Rechtsinstitut der Verwirkung sei auch auf die Festsetzung von Säumniszuschlägen anzuwenden. Die Beklagte habe über einen langen Zeitraum (von 1995 bis März 2003) unterlassen, Säumniszuschläge bei verspäteter Zahlung von Nachversicherungsbeiträgen entgegen bestehender Rechtspflicht zu erheben (Zeitmoment). Dieses dauerhafte Unterlassen sei bewusst und planmäßig erfolgt; im Nichtstun sei ein besonderer Umstand zu sehen (Umstandsmoment). Die Klägerin habe sowohl ihre Haushaltsplanung als auch ihre Aufbau- und Ablauforganisation auf das Nichtstun der Beklagten seit 1995 eingerichtet. Die Nacherhebung der Säumniszuschläge für alle Nachversicherungsfälle des Zeitraumes 1995 bis März 2003 führe zu einem unzumutbaren finanziellen Nachteil. Die Klägerin könne ihren Verpflichtungen aus Art 109 Grundgesetz (GG) und der landeseigenen Haushaltsordnung, den - ohnehin schon defizitären - Haushalt auszugleichen, nur erschwert nachkommen.

9

Die Beklagte hat den streitigen Säumniszuschlag in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf den Betrag von 1778,00 Euro reduziert.

10

Die Klägerin hat das Teilanerkenntnis angenommen und beantragt,

        

die Urteile des Landessozialgerichts Hamburg vom 23.7.2008 und des Sozialgerichts Hamburg vom 25.1.2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16.5.2003 vollständig aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

die Revision insoweit zurückzuweisen.

12

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und beruft sich hinsichtlich ihrer Verwaltungspraxis zusätzlich auf das Schreiben des Verbands Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR) vom 14.4.2000 und auf das Rundschreiben des Bundesministeriums des Innern vom 27.4.1999 (DII6-224012/55).

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet.

14

1. Verfahrenshindernisse, die bei zulässiger Revision von Amts wegen zu beachten sind (vgl BSG SozR 4-1300 § 84 Nr 1 RdNr 22; BSG SozR 3-1500 § 158 Nr 3 S 12), stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen. Die Klage ist zulässig, ohne dass es der Durchführung eines Vorverfahrens vor Erhebung der Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz) bedurfte. Die klagende Freie und Hansestadt führt die Klage als Land iS von § 78 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGG. Zu Recht hat die Beklagte den geforderten Säumniszuschlag durch Verwaltungsakt (Bescheid vom 16.5.2003) festgesetzt. Der für die Nachversicherung zuständige Rentenversicherungsträger ist berechtigt, auch gegenüber öffentlich-rechtlichen Arbeitgebern die Nachentrichtung der Beiträge durch Verwaltungsakt einzufordern (vgl BSG SozR 2400 § 124 Nr 6 S 18). Im Nachversicherungsverfahren anfallende Säumniszuschläge dürfen ebenfalls durch Verwaltungsakt und auch gegenüber öffentlich-rechtlichen Trägern geltend gemacht werden (vgl Senatsurteil vom 29.11.2007 - BSGE 99, 227 = SozR 4-2600 § 186 Nr 1).

15

Das LSG hat die Berufung der Beklagten zu Recht als zulässig erachtet (§ 143 SGG). Insbesondere liegt keine Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden vor (§ 144 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG), so dass es auch bei der vorliegenden Beschwer von unter 10 000 Euro keiner Zulassung der Berufung bedurfte. Zwar sind an dem Rechtsstreit zwei juristische Personen des öffentlichen Rechts beteiligt. Es handelt sich jedoch um keinen Erstattungsanspruch; es geht nicht darum, "Leistungs-"Vorgänge wirtschaftlich rückgängig zu machen, um den erstattungsberechtigten Träger so zu stellen, wie er stünde, wenn er keine Auslagen (Kosten, Leistungen) erbracht hätte (Senatsurteil vom 6.5.1998 - SozR 3-1500 § 144 Nr 14 S 37 mwN). Säumniszuschläge dienen vor allem dem Zweck, der Säumnis bei Erfüllung von Zahlungspflichten entgegenzuwirken. Sie sind Druckmittel zur Sicherstellung eines geordneten Verwaltungsablaufs und der Beschaffung der hierfür benötigten Finanzmittel (BSG SozR 4-2500 § 266 Nr 4; BSGE 35, 78 = SozR Nr 1 zu § 397a RVO; BSG Urteil vom 23.10.1987 - 12 RK 11/86 - ZIP 1988, 984).

16

Der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids steht nicht entgegen, dass die Klägerin vor seinem Erlass nicht angehört worden ist (§ 24 Abs 1 SGB X). Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG auf ihr Anhörungsrecht verzichtet. Der Senat hat bereits entschieden, dass ein solcher Verzicht wirksam ist (vgl Senatsurteil vom 29.11.2007 - BSGE 99, 227 = SozR 4-2600 § 186 Nr 1 mwN).

17

2. Die Voraussetzungen für den Anspruch der Beklagten auf Erhebung des Säumniszuschlags sind erfüllt (a); ein Fall unverschuldeter Unkenntnis von der Zahlungsverpflichtung hat die Klägerin nicht glaubhaft gemacht (b); aus dem Schreiben der Beklagten vom 28.3.2003 nebst Informationsblatt kann die Klägerin weder eine Zusicherung noch einen Verzicht herleiten (c); weder verstößt die Geltendmachung des Säumniszuschlags gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) noch liegt eine Verwirkung als Fall der unzulässigen Rechtsausübung vor (d).

18

a) Gemäß § 24 Abs 1 Satz 1 SGB IV ist für Beiträge, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 vH des rückständigen, auf 50 Euro nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen.

19

Die Nachversicherungsbeiträge für die Referendarin waren seit 21.7.2000 fällig. Die Fälligkeit der Beiträge zur Nachversicherung richtet sich gemäß § 23 Abs 4 SGB IV nach § 184 Abs 1 Satz 1 SGB VI (§ 184 Abs 1 Satz 2 und 3 SGB IV - mit Wirkung vom 1.1.2008 eingefügt -, die spezielle Regelungen zum Beginn der Säumnis iS von § 24 SGB IV enthalten, sind vorliegend nicht anzuwenden). Danach werden die Beiträge gezahlt, wenn die Voraussetzungen für die Nachversicherung eingetreten sind und insbesondere keine Gründe für den Aufschub der Beitragszahlung vorliegen. Nachversicherungsschuldner und damit zahlungspflichtig ist die klagende Freie und Hansestadt als ehemaliger Dienstherr der Referendarin. Säumniszuschläge in Nachversicherungsfällen sind auch von Körperschaften des öffentlichen Rechts zu entrichten (vgl Senatsurteile vom 12.2.2004 - BSGE 92, 150 = SozR 4-2400 § 24 Nr 2, RdNr 10 ff; vom 17.4.2008 - BSGE 100, 215 = SozR 4-2400 § 25 Nr 2, RdNr 16). Die Voraussetzungen für die Nachversicherung liegen regelmäßig mit dem unversorgten Ausscheiden aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis (hier Beamtenverhältnis auf Widerruf im Vorbereitungsdienst) vor (§ 8 Abs 2 Nr 1 SGB VI).

20

Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) war die Referendarin mit Ablauf des 20.7.2000 aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf im Vorbereitungsdienst ausgeschieden, so dass die Nachversicherungsschuld am 21.7.2000 entstanden war. Gründe für einen Aufschub der Beitragszahlung (§ 184 Abs 1 Satz 1 Halbs 2 SGB VI, § 184 Abs 2 Satz 1 Nr 1 bis 3 SGB VI)lagen nicht vor und sind von der Klägerin auch nicht behauptet worden. Damit entstand die Nachversicherungsschuld grundsätzlich am Folgetag des unversorgten Ausscheidens der Nachzuversichernden (vgl Senatsurteile vom 12.2.2004 - BSGE 92, 150 = SozR 4-2400 § 24 Nr 2, RdNr 23; vom 29.11.2007 - BSGE 99, 227 = SozR 4-2600 § 186 Nr 1, RdNr 27; vgl auch BSG SozR 3-2600 § 8 Nr 4 S 7 mwN). Der hiervon abweichend festgesetzte spätere Beginn der Säumnis (21.10.2000) - dem Rundschreiben des Bundesministers des Innern vom 27.4.1999 (DII6-224012/55) entsprechend - begünstigt die Klägerin und ist daher nicht zu beanstanden. Nach den bindenden Feststellungen des LSG sind die Nachversicherungsbeiträge erst am 10.2.2003, also verspätet bei der Beklagten eingegangen.

21

b) Der Erhebung des Säumniszuschlags steht auch keine unverschuldete Unkenntnis von der Zahlungspflicht der Nachversicherungsbeiträge entgegen.

22

aa) Seit der mit Wirkung vom 1.1.1995 eingefügten Neufassung von § 24 Abs 1 SGB IV (durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Sozialgesetzbuchs vom 13.6.1994 - 2. SGBÄndG, BGBl I, 1229) sind Säumniszuschläge bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zwingend zu zahlen und ist ihre Erhebung nicht mehr - wie noch nach der Vorläufervorschrift - in das Ermessen des Versicherungsträgers gestellt. Die Neufassung lehnt sich an § 240 der Abgabenordnung an(vgl BT-Drucks 12/5187 S 30; Udsching in Hauck/Haines, SGB IV, Stand 2007, K § 24 RdNr 2). Gemäß § 24 Abs 2 SGB IV ist ein Säumniszuschlag jedoch dann nicht zu erheben, wenn eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt wird, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Diese Vorschrift dient der Vermeidung unbilliger Härten (vgl Senatsurteil vom 12.2.2004 - BSGE 92, 150 = SozR 4-2400 § 24 Nr 2, RdNr 24 unter Bezugnahme auf Udsching aaO RdNr 10).

23

bb) Der unverschuldeten Unkenntnis von der Zahlungspflicht steht sowohl fahrlässiges wie auch vorsätzliches Verhalten iS von § 276 BGB entgegen. Bei Körperschaften des öffentlichen Rechts schließt das Außerachtlassen ausreichender organisatorischer Vorkehrungen (sog Organisa-tionsverschulden) eine unverschuldete Unkenntnis iS von § 24 Abs 2 SGB IV aus. Das Fehlen notwendiger organisatorischer Maßnahmen bedingt, dass sich die Organisation das Wissen einzelner Mitarbeiter zurechnen lassen muss (vgl Senatsurteile vom 17.4.2008 - BSGE 100, 215 = SozR 4-2400 § 25 Nr 2, RdNr 18; vom 29.11.2007 - BSGE 99, 227 = SozR 4-2600 § 186 Nr 1, RdNr 29; vom 12.2.2004 - BSGE 92, 150 = SozR 4-2400 § 24 Nr 2, RdNr 26; zum Verschuldensmaßstab vgl Udsching aaO RdNr 11; Segebrecht in Juris PraxisKomm, Stand 2006, § 24 SGB IV RdNr 32; VerbKomm, Stand 2008, § 24 SGB IV RdNr 5; Seewald in Kasseler Komm, Stand 2008, § 24 SGB IV RdNr 14a). Soweit in der Literatur die Frage aufgeworfen wird, ob erst Vorsatz die unverschuldete Unkenntnis von der Zahlungspflicht ausschließt (vgl Roßbach in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Komm zum Sozialrecht, 2009, § 24 SGB IV RdNr 8), ergibt sich für diese Auffassung kein Anhaltspunkt in der Rechtsprechung des BSG (Urteile des 12. Senats vom 26.1.2005 - SozR 4-2400 § 14 Nr 7 RdNr 28 und vom 30.3.2000 - SozR 3-2400 § 25 Nr 7 S 35 f). Aus diesen Entscheidungen lässt sich eine Einengung des Verschuldensmaßstabes in § 24 Abs 2 SGB IV auf Vorsatz nicht herleiten. Lediglich die bei der Beurteilung des Vorsatzes iS des § 25 Abs 1 Satz 2 SGB IV (Verjährung der Ansprüche auf Beiträge) entwickelten Maßstäbe sind hiernach auch bei der Prüfung des subjektiven Tatbestandes von § 24 Abs 2 SGB IV anzuwenden; dh es ist eine konkret-individuelle Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dies aber gilt auch für die Prüfung der glaubhaft gemachten unverschuldeten Unkenntnis von der Zahlungspflicht der Nachversicherungsbeiträge.

24

cc) Unter Anlegung dieses Prüfmaßstabes sind die bindenden Feststellungen des LSG zur fahrlässigen Unkenntnis der Klägerin nicht zu beanstanden. Sie räumt selbst ein, die Unkenntnis von der Zahlungspflicht während des Zeitraumes der Nichtbearbeitung des Nachversicherungsvorganges bis zum 6.2.2002 verschuldet zu haben. Hieran zu zweifeln, besteht kein Anlass; das LSG ist davon ausgegangen, dass die Klägerin ein Organisationsverschulden, insbesondere eine Fehlorganisation in der Personalverwaltung zu vertreten hat.

25

Rechtsfehlerfrei hat das LSG für den anschließenden Zeitraum vom 7.2.2002 und auch ab Juli 2002 (wie von der Klägerin geltend gemacht) bis zum Zeitpunkt der Nachversicherung Anfang des Jahres 2003 festgestellt, dass die Klägerin ihre unverschuldete Unkenntnis von der Zahlungspflicht nicht glaubhaft gemacht hat. Zwar hat die Referendarin gegen ihre Auskunftspflicht gemäß § 28o Abs 1 SGB IV verstoßen, indem sie die Anfragen ab 7.2.2002 nach der Art ihrer Beschäftigung unbeantwortet ließ. Dennoch ist dem LSG zuzustimmen, dass sich die bis dahin bestandene verschuldete Unkenntnis nicht deshalb in eine unverschuldete Unkenntnis umgewandelt hat. Die Auffassung der Klägerin, dass ihr ein Verschulden spätestens ab dem Zeitpunkt nicht mehr hätte vorgeworfen können, ab dem sie mit einer Antwort der Referendarin hätte rechnen dürfen, überzeugt nicht. Der Klägerin wäre es durch einfache organisatorische Maßnahmen möglich und zumutbar gewesen, sich zeitnah die notwendige Kenntnis über das Vorliegen bzw Fehlen etwaiger Aufschubtatbestände zu verschaffen. Sie hätte die Bearbeitung des Nachversicherungsvorgangs durch geeignete Maßnahmen so vorantreiben können, dass die Nachversicherung innerhalb jener drei Monate erledigt worden wäre, die die Beklagte bei Ermittlung des für den Säumniszuschlag maßgebenden Zeitraums von vornherein unberücksichtigt gelassen hat.

26

Als eine solche Maßnahme hätte zB bereits das erste Schreiben der Klägerin im Februar 2002 gegen Zustellungsnachweis an die Referendarin verschickt werden können, verbunden mit der Ankündigung, die Nachversicherung für den Fall durchzuführen, dass nicht binnen einer angemessenen Frist ein Aufschubtatbestand mitgeteilt wird. Das Außerachtlassen jeglicher organisatorischer Vorkehrungen, wie etwa der Erlass einer Dienstanweisung, die auch Nachversicherungsfälle bei gänzlich fehlender Mitwirkung der Nachzuversichernden erfasst, erfüllt den Tatbestand eines fahrlässigen Organisationsverschuldens. Während des maßgeblichen Zeitraums kann die Klägerin daher keinen Schuldnerschutz geltend machen. Die Klägerin trifft die Pflicht, die gesetzlichen Voraussetzungen der Nachversicherung aufzuklären (§ 184 Abs 1 Satz 1 SGB VI), über Aufschubtatbestände zu entscheiden (§ 184 Abs 2 und 3 SGB VI) und die Beiträge zur Nachversicherung zu zahlen (§ 185 SGB VI). Das bedeutet, dass der Arbeitgeber die Beitragsschuld und deren Fälligkeit selbst zu ermitteln (vgl BSG vom 12.2.2004 - BSGE 92, 150, 156 = SozR 4-2400 § 24 Nr 2 RdNr 33)und bei Fälligkeit umgehend zu zahlen hat. Nur so sind Defizite im Haushalt des Rentenversicherungsträgers zu vermeiden.

27

c) Auch das Schreiben vom 28.3.2003 und das beigefügte Informationsblatt stehen dem Anspruch der Beklagten auf Erhebung des Säumniszuschlags nicht entgegen. Das Schreiben enthält weder eine Zusicherung noch einen Verzicht.

28

Wie das LSG zutreffend festgestellt hat, lässt sich diesem Schreiben eine Zusicherung (§ 34 Abs 1 Satz 1 SGB X) der Beklagten des Inhalts nicht entnehmen, dass sie die Festsetzung des Säumniszuschlags für die am 10.2.2003 eingegangenen Nachversicherungsbeiträge unterlassen werde. Ebenso wenig liegt in dem Schreiben ein Verzicht auf dessen Erhebung - etwa als Angebot einer Vereinbarung, eine Forderung nicht durchzusetzen (Erlassvertrag "pactum de non petendo", BSG vom 26.6.1980 - 5 RJ 70/90 - Juris RdNr 63). Hierfür gibt der Wortlaut weder des Schreibens noch des Informationsblattes etwas her, insbesondere auch nicht das in beiden verwendete Wort "künftig", aus dem die Klägerin herauslesen will, die Beklagte werde Säumniszuschläge nicht für zum Zeitpunkt des Schreibens abgeschlossene Nachversicherungsfälle - wie den der Referendarin - geltend machen. Eine derartige Einschränkung kann den Texten jedoch gerade deshalb nicht entnommen werden, weil die Beklagte dort ihre Erkenntnis mitteilt, sie sei - seit 1.1.1995 - gesetzlich verpflichtet, Säumniszuschläge auch in Nachversicherungsfällen zu erheben, und die Nachversicherungsschuldner seien verpflichtet, diese (auch ohne Aufforderung seitens der Beklagten) zu zahlen. Wenn die Beklagte damit gleichzeitig auf einen Teil der - nicht ohnehin verjährten (§ 25 SGB IV, s hierzu Senatsurteil vom 17.4.2008 - BSGE 100, 215 = SozR 4-2400 § 25 Nr 2, RdNr 24 f) - Säumniszuschläge hätte verzichten wollen, hätte dies in den Texten deutlich zum Ausdruck kommen müssen, etwa durch Angabe eines Stichtags. Dies ist hier nicht geschehen.

29

d) Das Geltendmachen des Säumniszuschlags widerspricht schließlich nicht dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB); es liegt keine Verwirkung als Fall der unzulässigen Rechtsausübung vor.

30

aa) Das Rechtsinstitut der Verwirkung ist als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch im Sozialversicherungsrecht (vgl BSGE 7, 199, 200; 34, 211, 213; 41, 275, 278; 59, 87, 94 = SozR 2200 § 245 Nr 4 S 22 f; BSGE 80, 41, 43 = SozR 3-2200 § 1303 Nr 6 S 17 f)und insbesondere für die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung für zurückliegende Zeiten anerkannt (vgl BSGE 17, 173, 174 f; 21, 52, 55 f; BSGE 47, 194, 196 = SozR 2200 § 1399 Nr 11 S 15; BSGE 93, 119 = SozR 4-2400 § 22 Nr 2, RdNr 35).

31

Die Verwirkung setzt als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung (vgl Heinrichs in Palandt, BGB, 69. Aufl 2010, § 242 RdNr 87)voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraumes unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen (vgl BVerfGE 32, 305; BVerwGE 44, 339, 343; BFHE 129, 201, 202; BSGE 34, 211, 214; 35, 91, 95 mwN). Solche, die Verwirkung auslösenden "besonderen Umstände" liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage) und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolge dessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (vgl BSGE 47, 194, 196 = SozR 2200 § 1399 Nr 11 S 15 mwN; BSGE 80, 41, 43 = SozR 3-2200 § 1303 Nr 6 S 18; BVerwGE 44, 339, 343 f).

32

bb) Zwar ist der Klägerin insoweit zuzustimmen, dass das BSG noch nicht ausdrücklich die Frage entschieden hat, ob das Rechtsinstitut der Verwirkung auch auf Säumniszuschläge Anwendung findet. Nach den oben dargelegten Maßstäben bestehen hieran aber keine grundlegenden Zweifel. Für dessen Anwendbarkeit spricht bereits, dass die Hauptforderung (der durch Verwaltungsakt festgesetzte Nachversicherungsbeitrag) grundsätzlich der Verwirkung unterliegen kann, so dass dies erst recht für die Nebenforderung (Säumniszuschlag) gelten könnte. Letztendlich kann der Senat diese Frage aber unentschieden lassen, weil die aufgezeigten Voraussetzungen der Verwirkung nicht erfüllt sind. Es bedarf daher auch keiner abschließenden Entscheidung, ob der Anwendbarkeit des Grundsatzes der Verwirkung bereits entgegensteht, dass die seit 1995 geltende Neufassung des § 24 SGB IV eine gebundene Norm ist, die der Behörde keine Ermessensausübung mehr einräumt(vgl die in der Literatur vertretene Auffassung, die die Anwendbarkeit der Verwirkung grundsätzlich auf "verzichtbare" Rechte der Behörde im Verwaltungsrecht beschränkt: so Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht I, 12. Aufl 2007, § 37 RdNr 18; vgl Müller-Grune, Der Grundsatz von Treu und Glauben im Allgemeinen Verwaltungsrecht, 2006, S 116; aA Ossenbühl, NVwZ 1995, 547, 549 f; Kothe, VerwArch 88 <1998>, 456, 487 f). Auch wenn das LSG die Auffassung vertreten hat, dass mit Rücksicht auf die Möglichkeit eines haushaltsrechtlichen Erlasses des Säumniszuschlags (§ 76 Abs 2 Nr 3 SGB IV) es keiner "Lücken ausfüllenden" Anwendung des Rechtsinstituts der Verwirkung bedürfe, reichen die tatsächlichen Feststellungen des LSG noch aus, um das Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen zu verneinen.

33

cc) Grundsätzlich sind strenge Anforderungen an das Verwirkungsverhalten zu stellen, weil dem Interesse des Beitragsschuldners, das Ausmaß der wirtschaftlichen Belastung durch Beitragsnachforderungen in angemessenen Grenzen zu halten, bereits durch die "kurze", vierjährige Verjährungsfrist gemäß § 25 Abs 1 Satz 1 SGB IV hinreichend Rechnung getragen wird, die auch auf Säumniszuschläge bei nicht vorsätzlichem Handeln Anwendung findet(vgl Senatsurteile vom 12.2.2004 - BSGE 92, 150, 154 = SozR 4-2400 § 24 Nr 2 S 22, RdNr 19; vom 17.4.2008 - BSGE 100, 215 = SozR 4-2400 § 25 Nr 2, RdNr 24 mwN; während im Fall der vorsätzlichen Vorenthaltung der Beiträge die 30jährige Verjährungsfrist gemäß § 25 Abs 1 Satz 2 SGB IV gilt). Ein “bloßes Nichtstun" als Verwirkungsverhalten reicht regelmäßig nicht aus; ein konkretes Verhalten des Gläubigers muss hinzukommen, welches bei dem Schuldner die berechtigte Erwartung erweckt hat, dass eine Forderung nicht besteht oder nicht geltend gemacht wird (vgl BSG SozR 2200 § 1399 Nr 11 S 17; BSG vom 23.5.1989 - HV-Info 1989, 2030).

34

dd) Ein solches Verwirkungsverhalten der Beklagten, das bei der Klägerin das berechtigte Vertrauen begründen durfte, die Beklagte werde auch fortan keine Säumniszuschläge erheben, liegt nicht vor. Die Beklagte hatte es - entgegen ihrer Gesetzesbindung (Art 20 Abs 3 GG) - unterlassen, die seit 1995 bestehende zwingende Gesetzespflicht zur Erhebung von Säumniszuschlägen flächendeckend in die Praxis umzusetzen. Dieses rechtswidrige Unterlassen der Beklagten erfüllt nach den aufgezeigten Maßstäben weder die Anforderungen eines Vertrauen begründenden Verwirkungsverhaltens noch durfte die Klägerin das “bloße Nichtstun“ der Beklagten als bewusst und planmäßig erachten und deshalb darauf vertrauen, nicht zu Säumniszuschlägen herangezogen zu werden.

35

Zwar mag im Einzelfall auch ein bloßes Unterlassen dann ein schutzwürdiges Vertrauen begründen und zur Verwirkung eines Rechts führen, wenn der Schuldner das Nichtstun des Gläubigers nach den Umständen als bewusst und planmäßig betrachten darf (BSGE 45, 38, 48 = SozR 4100 § 40 Nr 17 S 55; BSGE 47, 194, 198 = SozR 2200 § 1399 Nr 11 S 17). Dies ist (BSGE 47 aaO) jedoch noch nicht einmal dann angenommen worden, wenn unterlassene Beitragszahlungen bei Betriebsprüfungen der Einzugsstellen nicht beanstandet wurden, sondern lediglich für den Fall erwogen worden, dass maßgebliche Personen der Geschäftsleitung entsprechende Erklärungen abgegeben hätten (BSGE 47 aaO, 199). Derartiges hat jedoch die Klägerin nie behauptet.

36

Keinesfalls kann das Schreiben vom 28.3.2003 mit dem beigefügten Informationsblatt kausal für ein Vertrauensverhalten der Klägerin im Sinne der oa Definition der Verwirkung gewesen sein. Denn selbst wenn aus dem Schreiben, wie die Klägerin meint, die Ankündigung zu entnehmen wäre, (gesetzwidrig) Säumniszuschläge lediglich in noch nicht abgeschlossenen Nachversicherungsfällen zu erheben, kann die zögerliche Bearbeitung des Nachversicherungsvorgangs der Referendarin in der Zeit zwischen Juli 2000 und Februar 2003 nicht auf einem durch das spätere Schreiben der Beklagten vom März 2003 gesetzten Vertrauen beruhen. Ein zeitlich früheres Verwirkungsverhalten der Beklagten hat die Klägerin weder vorgetragen noch ist es sonst ersichtlich.

37

Ebenso wenig ist ersichtlich, welches schutzwürdige Vertrauensverhalten die Klägerin auf der erstmals in dem Schreiben und dem Informationsblatt enthaltenen Aussage, die Beklagte habe bisher eine gegenteilige "Rechtsauffassung" gehabt, hätte aufbauen können. Dieses müsste zeitlich zwischen dem Eingang des Schreibens der Beklagten vom 28.3.2003 und dem Eingang des - hierzu nach Ansicht der Klägerin in Widerspruch stehenden - angefochtenen Säumniszuschlag-Bescheids vom 16.5.2003 liegen. Insoweit ist jedoch gleichfalls weder etwas vorgetragen noch sonst erkennbar.

38

Die vom Senat in Fortführung der einschlägigen Rechtsprechung aufgestellten strengen Maßstäbe für die Verwirkung einer Forderung der Beklagten gegenüber der Klägerin sind Ausdruck dessen, dass beide Beteiligte als Träger öffentlicher Verwaltung an das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art 20 Abs 3 GG) gebunden sind. Deshalb kann sich der Schuldner in der Regel nicht auf den Fortbestand eines rechtswidrigen Zustandes berufen, sondern muss ebenso wie der Gläubiger darauf achten, dass öffentliche Mittel rechtmäßig und sachgerecht verwendet werden. Die Beteiligten unterliegen beide dem Gebot der rechtzeitigen und vollständigen Erhebung der Einnahmen und der Fälligkeit der Ausgaben (§ 67 Abs 1, 76 Abs 1 SGB IV; § 11 Abs 2 Landeshaushaltsordnung der Freien und Hansestadt Hamburg vom 23.12.1971, HmbGVBl 1972, 10). Ein Vertrauen auf die Beibehaltung einer als rechtswidrig erkannten Verwaltungspraxis verdient im Verhältnis zwischen Behörden regelmäßig keinen Vertrauensschutz (vgl BVerwGE 23, 25, 30; 27, 215, 217 f; 60, 208, 211).

39

Der Senat vermag sich aus den dargelegten Gründen auch nicht der Rechtsmeinung des SG Dresden (Urteil vom 1.11.2005 - S 32 R 661/05, rechtskräftig, unveröffentlicht) anzuschließen, wonach die geänderte Verwaltungspraxis der Beklagten für "alle künftigen Sachverhalte" (ab Kenntnis vom Informationsblatt der Beklagten am 2.4.2003) und nicht rückwirkend auf vor diesem Zeitpunkt gezahlte Nachversicherungsbeiträge Anwendung finden soll. Eine solche - rechtswidrige - Praxis verdient wie dargelegt keinen Vertrauensschutz.

40

ee) Da es mithin an einer für ein mögliches Vertrauensverhalten kausalen Vertrauensgrundlage fehlt, kann dahingestellt bleiben, ob die weiteren Voraussetzungen der Verwirkung erfüllt sind. Die Erhebung des Säumniszuschlags führt jedenfalls nicht zu einem unzumutbaren Nachteil der Klägerin. Einen finanziellen Nachteil hat die Klägerin nicht beziffert, sondern lediglich vorgetragen, dass es unzumutbar sei, Säumniszuschläge für den Zeitraum 1995 bis 2003 nachzuentrichten. Dem stehen allerdings mögliche Zinsvorteile im Haushalt der Klägerin durch die verspätete Entrichtung von Nachversicherungsbeiträgen gegenüber sowie die Vorteile, die die Klägerin durch die fehlende Heranziehung von Säumniszuschlägen in bereits verjährten Fällen hatte.

41

ff) Schließlich liegt auch kein Fall der unzulässigen Rechtsausübung hinsichtlich des von der Klägerin geltend gemachten Vorwurfs eines treuwidrigen Verhaltens in Form des "venire contra factum proprium" vor. Denn ein Verhalten, das zu eigenem früheren Verhalten in Widerspruch steht (s BSGE 65, 272, 277= SozR 4100 § 78 Nr 8 S 36 mwN), welches wiederum einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, aufgrund dessen die Klägerin berechtigterweise davon ausgehen durfte, Säumniszuschläge für verspätet gezahlte Nachversicherungsbeiträge würden auch nach der gesetzlichen Neuregelung nicht erhoben, ist der Beklagten nicht zur Last zu legen. Auch in dieser Hinsicht fehlt es - über das "bloße Nichtstun" hinaus - an der Schaffung eines Vertrauenstatbestandes bis zum Abschluss des Nachversicherungsverfahrens.

42

3. Die Höhe des Anspruchs haben die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unstreitig gestellt. Die Beklagte hat den Säumniszuschlag auf den Betrag von 1778,00 Euro reduziert. Die Klägerin hat dieses Teilanerkenntnis der Beklagten angenommen, so dass der Rechtsstreit in der Hauptsache insoweit erledigt ist (§ 101 Abs 2 SGG).

43

4. Ob und inwieweit die Beklagte der Klägerin den entstandenen Säumniszuschlag erlassen darf, wenn dessen Einziehung nach Lage des Einzelfalls unbillig wäre (§ 76 Abs 2 Nr 3 SGB IV), ist im Rahmen des Einziehungsverfahrens zu entscheiden.

44

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 SGG, da die Beteiligten nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören. Der Klägerin waren gemäß §§ 154 Abs 2, 162 Verwaltungsgerichtsordnung iVm § 197a Abs 1 Halbs 3 SGG die Kosten des ganz überwiegend ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels aufzuerlegen. Die Klägerin ist als Land von der Zahlung der Gerichtskosten gemäß § 2 Abs 1 des Gerichtskostengesetzes befreit.

Gründe

1

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Landessozialgericht (LSG) ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 des Sozialgerichtsgesetzes). Die Klägerin hat zur Begründung ihrer Beschwerde keinen der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe (grundsätzliche Bedeutung, Abweichung oder Verfahrensmangel) gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG schlüssig dargelegt oder bezeichnet. Da der Beschluss kurz begründet werden soll, jedoch von einer Begründung abgesehen werden kann, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 SGG), beschränkt sich der Senat auf folgende Hinweise:

2

Die Klägerin stützt ihre Beschwerde auf den Zulassungsgrund der Abweichung. Eine Abweichung iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist nur dann hinreichend dargetan, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht(BSG SozR 1500 § 160a Nr 21, 29 und 54). Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG aufgestellt haben, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das LSG diesen Kriterien widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen vermag die Zulassung wegen Abweichung zu begründen (vgl Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl 2008, IX, RdNr 196 mwN; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34).

3

Diese Voraussetzungen sind dem Vorbringen der Klägerin nicht zu entnehmen. Insbesondere mangelt es an der Formulierung eines Rechtssatzes, der der Entscheidung des LSG entnommen wurde und der einem entsprechenden Rechtssatz in der von der Klägerin angeführten Entscheidung des BSG vom 16. Dezember 1999 (- B 14 KG 1/99 R - BSGE 85, 240 = SozR 3-5870 § 1 Nr 17) gegenübergestellt wird. Die Aussage, das LSG habe eine Entsendung nach deutschem und ungarischen Recht geprüft und sei zu einem bestimmten Ergebnis gelangt, genügt den aufgezeigten Begründungserfordernissen nicht. Eine Abweichung im Grundsätzlichen wird von der Klägerin damit nicht aufgezeigt.

4

Des Weiteren rügt die Klägerin eine grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG. Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache erfordert zunächst die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage, der eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird (BSG SozR 1500 § 160a Nr 11). Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, dass die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird. Daher ist aufzuzeigen, ob und inwieweit zu der aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet sind und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erforderlich erscheint (vgl Krasney/Udsching, aaO, IX, RdNr 65 und 66; P. Becker, SGb 2007, 261, 266). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung hinsichtlich keiner der der Beschwerdebegründung der Klägerin zu entnehmenden Fragen gerecht.

5

Hinsichtlich der Frage

"wie Verwaltungsakte ausländischer Sozialversicherungsträger zu behandeln sind, wenn deren Rechtsordnung andere Vorschriften aufweist, als diese nach der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland festzustellen sind",

wird schon nicht aufgezeigt, welche Rechtsgrundsätze es zur Berücksichtigung von Verwaltungsakten ausländischer Träger gibt und in wie weit diese angesichts des vorliegenden Verfahrens einer weiteren Ausgestaltung und Fortentwicklung bedürfen.

6

Auch hinsichtlich der zweiten Frage,

"der Beurteilung der Verwaltungsakte ausländischer Träger vor dem Hintergrund, dass sich Ungarn beginnend mit dem Kalenderjahr 2000 in der 2. Phase des Beitritts zur Europäischen Union befunden hat",

mangelt es an den schon genannten grundsätzlichen Ausführungen.

7

Hinsichtlich der dritten Frage,

"ob die Regierungsvereinbarung vom 03. Januar 1989 über die Entsendung ungarischer Arbeitnehmer auf Basis von Werkverträgen in die Bundesrepublik Deutschland eine Vereinbarung im Sinne von § 6 SGB IV darstellt, die als internationale Vereinbarung den nationalen Regelungen vorgeht",

ist dem Vortrag der Klägerin nicht zu entnehmen, ob es sich bei dieser Regierungsvereinbarung noch um heute anwendbares oder aufgrund des - nach ihrem Vortrag - am 1.4.2000 in Kraft getretenen Sozialversicherungsabkommens zwischen Deutschland und Ungarn ausgelaufenes Recht handelt. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage ist jedoch in der Regel nicht gegeben, wenn die Rechtsfrage auslaufendes oder ausgelaufenes Recht betrifft (vgl Krasney/Udsching, aaO, IX, RdNr 61; P. Becker, SGb 2007, 261, 266, jeweils mwN). Auch hierzu mangelt es an einem entsprechenden Vorbringen der Klägerin.

8

Im Übrigen ist - ohne konkreten Bezug zur Entscheidung des LSG - allgemein darauf hinzuweisen, dass eine mögliche fehlerhafte Rechtsanwendung des LSG im Einzelfall nicht zu einer grundsätzlichen Bedeutung der damit in Zusammenhang stehenden Rechtsfrage führt.

9

Eine Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör ist als Verfahrensmangel gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nicht dargetan. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG und des BVerfG soll der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 Grundgesetz, § 62 SGG) verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten (vgl BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 1 mwN; BVerfGE 84, 188, 190), und sicherstellen, dass ihr Vorbringen vom Gericht in seine Erwägungen miteinbezogen wird (BVerfGE 22, 267, 274; 96, 205, 216 f). Das Gericht muss jedoch nicht ausdrücklich jedes Vorbringen der Beteiligten bescheiden. Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Berücksichtigung von Vorbringen ist nur dann anzunehmen, wenn sich dies aus den besondern Umständen des Falles ergibt (BVerfGE 22, 267, 274; 96, 205, 216 f).

10

Derartige besondere Umstände hat die Klägerin jedoch nicht vorgetragen. Sie hat nur ausgeführt, dass das LSG das Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung vom 6.12.1995 in seiner Entscheidung nicht gewürdigt habe. Dies bedeutet jedoch, wie ausgeführt, nicht zwangsläufig, dass das LSG das Schreiben nicht zur Kenntnis genommen und nicht in seine Erwägungen miteinbezogen hat.

11

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

12

Der Streitwert ist auf 179.177,31 Euro (€) festzusetzen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs 2 Satz 1, § 47 Abs 1, 3 Gerichtskostengesetz (GKG). Nach § 52 Abs 1 GKG ist in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, so ist deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs 3 GKG).

13

Der Antrag der Klägerin zielt ab auf die Zulassung der Revision gegen das Urteil des LSG, mit dem ihre Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Sozialgerichts (SG) zurückgewiesen wurde. Vor dem SG und dem LSG hat die Klägerin beantragt, folgende Bescheide der Beklagten aufzuheben: Zuständigkeits- und Veranlagungsbescheid vom 11.12.2001, die Beitragsbescheide vom 17.12.2002 für 1997 über 86.871,34 €, 18.12.2003 für 1998 über 17.112,10 €, 29.11.2004 für 1999 über 24.328,67 €, 11.7.2005 für 2000 über 9.621,81 €, für 2001 über 8.097,41 €, für 2002 über 11.474,28 €, für 2003 über 20.928,70 €. Die Gesamtsumme der umstrittenen Beiträge beträgt 178.434,31 €.

14

Dieser Betrag ist um 743 € auf insgesamt 179.177,31 € zu erhöhen, weil die Klägerin außerdem vor dem SG und dem LSG beantragt hat, die Bescheide über Säumniszuschläge vom 21.1.2005 über 243 € und vom 24.8.2005 über 500 € aufzuheben. Denn auch insofern zielt der Antrag der Klägerin auf zwei Verwaltungsakte, die auf eine bezifferte Geldleistung iS des § 52 Abs 3 GKG gerichtet sind.

15

Aus den allgemeinen Wertvorschriften in §§ 39 ff GKG, insbesondere aus § 43 GKG über Nebenforderungen folgt nichts anderes. Der für die Wertberechnung, wenn neben dem Hauptanspruch - hier den Beiträgen - Nebenforderungen betroffen sind, maßgebliche § 43 Abs 1 GKG lautet: "Sind außer dem Hauptanspruch auch Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen betroffen, wird der Wert der Nebenforderungen nicht berücksichtigt."

16

Säumniszuschläge für Beiträge in der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 24 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) gehören nicht zu diesen Nebenforderungen. Sie sind keine Früchte oder Nutzungen (vgl dazu nur §§ 99, 100 Bürgerliches Gesetzbuch), aber auch keine Zinsen oder Kosten. Die Säumniszuschläge dienen vielmehr dazu, den Trägern der Sozialversicherung einen gesetzlich standardisierten Mindestschadensausgleich zu gewähren und auf den Schuldner Druck auszuüben, damit er die Beiträge bezahlt (stRspr vgl nur BSGE 68, 158 = SozR 3-2400 § 24 Nr 1; BSG SozR 4-2400 § 24 Nr 2 RdNr 12). Ihre Funktion geht damit über die von Zinsen oder Kosten hinaus. Einer Gleichsetzung steht zudem entgegen, dass die Begriffe Zinsen und Kosten im SGB IV in anderer Weise verwandt werden (vgl zB zu Zinsen § 28e Abs 4 SGB IV, zu Kosten § 76 Abs 2 SGB IV).

17

Soweit in der Rechtsprechung der LSG vereinzelt eine entsprechende Anwendung des § 43 Abs 1 GKG auf Säumniszuschläge angenommen wird(so Sächsisches LSG vom 5.3.2009 - L 1 B 605/07 KR - juris-RdNr 23), kann dem nicht gefolgt werden (Urteil des Senats vom 27.5.2008 - B 2 U 19/07 R - SozR 4-2700 § 150 Nr 4; BSG vom 27.1.2010 - B 12 R 7/09 R - RdNr 17; ebenso: LSG Rheinland-Pfalz vom 2.12.2005 - L 2 B 129/05 R - juris-RdNr 23; LSG Baden-Württemberg vom 26.1.2009 - L 10 R 5795/08 W-B - juris-RdNr 6 ff; LSG Nordrhein-Westfalen vom 3.9.2009 - L 8 B 12/09 R - juris-RdNr 8 ff; jeweils mwN). Denn es mangelt schon an der für eine entsprechende oder analoge Anwendung des § 43 Abs 1 GKG auf Säumniszuschläge erforderlichen planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes(sog "Regelungslücke" - vgl zu den Voraussetzungen einer solchen nur: Urteil des Senats vom 27.5.2008 - B 2 U 11/07 R - BSGE 100, 243 = SozR 4-2700 § 150 Nr 3 jeweils RdNr 25).

18

Das eine Analogie bejahende Sächsische LSG (aaO) hat keine derartige Regelungslücke benannt, sondern gemeint, der Zweck der Säumniszuschläge, die durch den Zahlungsverzug entstehenden Nachteile (Zinsverlust, Verwaltungsaufwand) auszugleichen, rechtfertige eine entsprechende Anwendung des § 43 Abs 1 GKG auf Säumniszuschläge. Dies mag de lege ferenda zutreffend sein, ersetzt aber nicht die für eine Analogie notwendige Regelungslücke im bestehenden Recht. Eine solche ist auch bei genauer Betrachtung des § 43 Abs 1 GKG nicht zu finden, weil die Regelung ebenso wie ihre Vorgängerin nicht unbedingt alle Nebenforderungen umfasst, sondern die oft zeitraubende Berechnung der Nebenforderungen ersparen oder zumindest reduzieren und eine Vereinheitlichung mit § 4 Zivilprozessordnung (ZPO) über die Wertberechnung zur Bestimmung der Zuständigkeit herbeiführen sollte(BT-Drucks 7/2016 S 73 zu Nr 20; vgl auch LSG Nordrhein-Westfalen aaO mwN). Nach der einschlägigen zivilprozessualen Rechtsprechung und Literatur ist die Aufzählung in § 4 Abs 1 Halbs 2 ZPO, der lautet: "Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten bleiben unberücksichtigt, wenn sie als Nebenforderungen geltend gemacht werden.", abschließend (vgl nur Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 68. Aufl 2010, § 4 RdNr 12 ff; Herget in Zöller, ZPO, 28. Aufl 2010, § 4 RdNr 8 ff; jeweils mwN). Für die Aufzählung in § 43 Abs 1 GKG wird in der Literatur nichts anderes vertreten(Dörndorfer in Binz ua, GKG, 2. Aufl 2009, § 43 RdNr 3; Hartmann, Kostengesetze, 39. Aufl 2009, § 43 RdNr 3; Meyer, GKG, 10. Aufl 2008, § 43 RdNr 4).

19

Dieser Streitwert von 179.177,31 € war nicht nur für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG, sondern auch für die Vorinstanzen festzusetzen. Nach § 63 Abs 3 Satz 1 GKG kann die Festsetzung, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache in der Rechtsmittelinstanz schwebt, von dem Rechtsmittelgericht geändert werden. Diese Voraussetzungen sind aufgrund der Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin gegen das Urteil des LSG erfüllt.

20

Aus der Verwerfung der Beschwerde als unzulässig folgt nichts anderes (ebenso schon BGH vom 3.4.1951 - II ZR 31/51, NJW 1952, 66; Dörndorfer in Binz ua, GKG, aaO, § 63 RdNr 10). Der allgemeinen Aussage von Hartmann (Kostengesetze, aaO, § 63 GKG RdNr 49) - "eine Änderung durch das Rechtsmittelgericht ist nicht zulässig, soweit das Rechtsmittel unzulässig ist" - kann nicht gefolgt werden, weil für einen derart allgemeinen Ausschluss der gesetzlich vorgesehenen Änderungsbefugnis kein Ansatz im Gesetzestext zu finden ist, Hartmann selbst keine Begründung gibt und die angeführte Entscheidung (Oberlandesgericht München, JurBüro 1983, 890) eine unzulässige Streitwertbeschwerde nach § 68 GKG betraf - also ein völlig anderes Rechtsmittel verglichen mit einer Nichtzulassungsbeschwerde.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 25. Januar 2011 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger 1/10 der Kosten des Klage- und Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Forderung von Säumniszuschlägen von mehr als 1 vH auf ausstehende Beiträge zur freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).

2

Der Kläger, der vom 20.11.2004 bis 15.3.2007 bei einer Rechtsvorgängerin der beklagten Krankenkasse (im Folgenden vereinfachend: Beklagte) freiwillig versichert war, geriet mit seinen Beiträgen in Rückstand, woraufhin die Beklagte das Ende der freiwilligen Versicherung zum 15.3.2007 feststellte. Mit Bescheid vom 6.8.2007 forderte sie vom Kläger die Zahlung von Beiträgen zur freiwilligen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung für die Zeit vom 1.12.2006 bis 15.3.2007 in Höhe von 685,08 Euro sowie - darauf bis dahin angefallene - Säumniszuschläge in Höhe von 136,50 Euro. Seinen dagegen eingelegten Widerspruch beschränkte der Kläger auf Säumniszuschläge in Höhe von 126,00 Euro: Er sei nur bereit, Säumniszuschläge nach § 24 Abs 1 SGB IV in Höhe von 1 vH zu zahlen, da er die weitergehende Regelung des § 24 Abs 1a SGB IV für verfassungswidrig halte. Die nach erfolglosem Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 20.12.2007) erhobene Klage hat das SG abgewiesen, weil § 24 Abs 1a SGB IV gesetzeskonform angewandt worden sei und die Höhe der Säumniszuschläge nach dieser Vorschrift noch innerhalb des dem Gesetzgeber zustehenden Gestaltungsraums liege(Urteil vom 25.1.2011).

3

Mit seiner Sprungrevision rügt der Kläger die Verletzung von "Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und 3 GG, sowie Art. 19 in Verbindung mit Artikel 1 GG", ferner von "Art. 3 Abs. 1 iVm Art. 1 GG". § 24 Abs 1a SGB IV begründe eine erhebliche, sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung des dort genannten Personenkreises gegenüber allen sonstigen Zahlungspflichtigen. Der Gesetzgeber habe bei der Neufassung des § 24 SGB IV zum 1.1.1995 eine Gleichbehandlung mit dem Steuerrecht erreichen wollen, zumal die gesetzgeberische Intention der Säumniszuschläge bei in der Sozialversicherung Beitragspflichtigen und Steuerzahlern gleichartig sei (Druckfunktion und Kompensation eines staatlichen Einnahmeausfalls). Ein Säumniszuschlag von 5 vH der geschuldeten Beiträge im Monat (was 60 vH jährlich entspreche) bewege sich im Bereich des strafbaren Wuchers und widerspreche den Grundsätzen des sozialen Rechtsstaats.

4

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Beklagte die Bescheide aufgehoben, soweit Säumniszuschläge auf die Pflegeversicherungsbeiträge geltend gemacht werden.

5

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 25. Januar 2011 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 6. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Dezember 2007 insoweit aufzuheben, als darin auf die Krankenversicherungsbeiträge entfallende Säumniszuschläge von mehr als 1 vom Hundert gefordert werden.

6

Die Beklagte beantragt,

die Revision des Klägers zurückzuweisen.

7

Sie hält höhere Säumniszuschläge für den in § 24 Abs 1a SGB IV genannten Personenkreis wegen des höheren Verwaltungsaufwands bei der Beitreibung der Beiträge, der geringeren Zahlungsmoral, der geringeren Schutzbedürftigkeit und zum Schutz der Solidargemeinschaft vor Einnahmeausfällen für sachlich gerechtfertigt und auch verhältnismäßig, zumal der erhöhte Säumniszuschlag gegenüber dem zuvor bei Beitragsrückstand eintretenden Ende der Mitgliedschaft freiwillig Versicherter das mildere Druckmittel sei. Bei gebotener monatlicher Betrachtung sei der Säumniszuschlag auch nicht überhöht, zumal es der Versicherte in der Hand habe, den ausstehenden Beitrag jederzeit auszugleichen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Sprungrevision (§ 161 SGG) des Klägers ist unbegründet.

9

Zutreffend hat das SG die allein auf die Forderung von Säumniszuschlägen von mehr als 1 vH beschränkte Klage (dazu unter 1) gegen den Bescheid vom 6.8.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.12.2007 abgewiesen, weil diese Bescheide insoweit rechtmäßig sind und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen. Die Beklagte hat zu Recht gemäß § 24 Abs 1a SGB IV vom Kläger Säumniszuschläge für die bis 6.8.2007 geschuldeten Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung in Höhe von 5 vH erhoben (dazu unter 2); diese Regelung verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht (dazu unter 3).

10

1. Nachdem die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat den Bescheid vom 6.8.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.12.2007 aufgehoben hat, soweit darin Säumniszuschläge auf Pflegeversicherungsbeiträge geltend gemacht werden, sind Gegenstand des Revisionsverfahrens nur noch die über 1 vH der rückständigen Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung hinausgehenden Säumniszuschläge. Auf diesen Teil der Zuschläge zu den Krankenversicherungsbeiträgen hat der Kläger bereits Widerspruch und Klage in rechtlich zulässiger Weise beschränkt (vgl dazu auch BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 KR 9/10 R - SuP 2012, 325, 327; BSGE 103, 8 = SozR 4-2500 § 229 Nr 8, RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 309 Nr 1 RdNr 10).

11

2. Der Bescheid vom 6.8.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.12.2007 ist im noch streitigen Umfang rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte fordert von ihm zu Recht Säumniszuschläge in Höhe von 5 vH und nicht nur in Höhe von 1 vH auf die für die Zeit 1.12.2006 bis 15.3.2007 geschuldeten Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung, mit denen er nach dem 1.4.2007 länger als einen Monat säumig war. Diese hat sie für die Zeit bis 6.8.2007 auch in zutreffender Höhe festgesetzt. Rechtsgrundlage hierfür ist § 24 Abs 1a SGB IV in der ab 1.4.2007 geltenden Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) vom 26.3.2007 (BGBl I 378). Danach haben ua freiwillig Versicherte abweichend zu § 24 Abs 1 SGB IV für Beiträge und Beitragsvorschüsse, mit denen sie länger als einen Monat säumig sind, für jeden weiteren angefangenen Monat der Säumnis einen Säumniszuschlag von 5 vH des rückständigen, auf 50 Euro nach unten abgerundeten Beitrages zu zahlen. Diese Voraussetzungen werden durch die Säumnis des Klägers erfüllt; die Beklagte hat die Säumniszuschläge auf die Krankenversicherungsbeiträge auch zutreffend ermittelt.

12

a) § 24 Abs 1a SGB IV ist vorliegend anwendbar, denn er findet ab seinem Inkrafttreten am 1.4.2007 (vgl Art 46 Abs 1 GKV-WSG, BGBl I 2007, 378, 471) Anwendung auch auf sog Altschulden, also vor diesem Tag fällig gewordene Beiträge (zustimmend Mette in Beck'scher Online-Kommentar, § 24 SGB IV RdNr 7a, Stand Einzelkommentierung März 2012; aA Roßbach in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 2. Aufl 2011, § 24 SGB IV RdNr 6). Dies folgt aus den Grundsätzen des intertemporalen Rechts, auf die bei Fehlen besonderer Übergangs- oder Überleitungsvorschriften - wie hier - zurückzugreifen ist (vgl zB BSG SozR 4-5910 § 111 Nr 1 RdNr 9). Danach ist ein Rechtssatz grundsätzlich nur auf solche Sachverhalte anwendbar, die nach seinem Inkrafttreten verwirklicht werden. Dementsprechend hat das BSG in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass sich die Entstehung und der Fortbestand sozialrechtlicher Ansprüche bzw Rechtsverhältnisse nach dem Recht beurteilen, das zur Zeit der anspruchsbegründenden Ereignisse oder Umstände gegolten hat, soweit nicht später in Kraft getretenes Recht etwas anderes bestimmt (BSG SozR 4-4300 § 335 Nr 1 RdNr 13 mit zahlreichen Nachweisen).

13

"Anspruchsbegründender Umstand" im Rahmen des § 24 Abs 1a SGB IV ist nicht das erstmalige Entstehen des Beitragsanspruchs bzw dessen Fälligkeit, sondern das Vorliegen der Säumnis "für jeden weiteren Monat", wodurch ein Anspruch auf zusätzliche Säumniszuschläge für diesen Monat erstmalig entsteht und ggf zur Summe der bereits in den Vormonaten abschließend entstandenen Säumniszuschläge zu addieren ist. In diesem Sinne wird der Sachverhalt der Säumnis mit jedem weiteren Monat jeweils neu verwirklicht. § 24 Abs 1a SGB IV ist daher auf alle Ansprüche auf (weitere) Säumniszuschläge anzuwenden, die nach dem 1.4.2007 entstanden sind bzw entstehen, ohne dass hierin eine unzulässige echte Rückwirkung oder auch nur eine - grundsätzlich zulässige - unechte Rückwirkung bzw tatbestandliche Rückanknüpfung (zu deren Voraussetzungen vgl zB BVerfGE 128, 90, 106 f = SozR 4-1100 Art 14 Nr 23 RdNr 45, 47 mwN) läge.

14

b) Der in der GKV freiwillig versicherte Kläger war mit den Beiträgen für die Zeit 1.12.2006 bis 15.3.2007 säumig, weil er diese nicht bis zum Ablauf des jeweiligen Fälligkeitstages gezahlt hat (vgl § 24 Abs 1a iVm Abs 1 S 1 SGB IV). Dabei kann der Senat offenlassen, ob die Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung nach § 23 Abs 1 S 1 und 4 SGB IV (idF des Ersten Gesetzes zum Abbau bürokratischer Hemmnisse insbesondere in der mittelständischen Wirtschaft vom 22.8.2006, BGBl I 1970) iVm § 22 Abs 1 S 1 der Satzung der AOK Brandenburg (vom 8.10.1991 idF des 17. Nachtrages vom 18.12.1996) jeweils zum Fünfzehnten des Folgemonats oder nach § 23 Abs 1 S 2 SGB IV bereits am drittletzten Bankarbeitstag des Monats, in dem die Tätigkeit ausgeübt wurde, fällig geworden sind(vgl zum Streitstand: Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, § 23 SGB IV RdNr 8, Stand Einzelkommentierung November 2011 mwN). Denn die Beklagte ist von einer Fälligkeit zum 15. des Folgemonats und damit von der für den Kläger günstigeren Auslegung des § 23 SGB IV ausgegangen.

15

c) Die Beklagte hat zu Recht Säumniszuschläge gemäß § 24 Abs 1a SGB IV bereits ab dem zweiten und nicht erst ab dem dritten Monat der Säumnis (so gefordert von Segebrecht in jurisPK-SGB IV, 2. Aufl 2011, § 24 RdNr 50, 52 f) erhoben (wie hier zB Seewald in Kasseler Komm, § 24 SGB IV RdNr 8, Stand Einzelkommentierung Oktober 2008; Roßbach in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 2. Aufl 2011, § 24 SGB IV RdNr 6; Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, § 24 SGB IV RdNr 15, Stand Einzelkommentierung März 2007). Bereits der Wortlaut des § 24 Abs 1a SGB IV spricht dafür, dass der erhöhte Säumniszuschlag schon ab dem zweiten Monat der Säumnis zu erheben ist, was auch die Gesetzesmaterialien bestätigen.

16

Nach § 24 Abs 1a SGB IV haben "abweichend zu Absatz 1" bestimmte Versicherte "für Beiträge und Beitragsvorschüsse, mit denen sie länger als einen Monat säumig sind, für jeden weiteren angefangenen Monat der Säumnis" einen Säumniszuschlag von 5 vH zu zahlen. Zwar hat bei einer Säumnis "länger als einen Monat" der zweite Monat bereits begonnen, sodass zu diesem Zeitpunkt ein "weiterer" Monat der Säumnis erst nach Ende dieses Monats beginnt. Dem Satzteil "mit denen sie länger als einen Monat säumig sind" kommt innerhalb des Gesamtsatzes jedoch nicht die Funktion zu, den Beginn der Erhebung des erhöhten Zuschlags zu bezeichnen. Vielmehr bezieht er sich auf "Beiträge und Beitragsvorschüsse", wodurch der Anwendungsbereich des Abs 1a gegenüber dem des § 24 Abs 1 SGB IV über die personelle Abgrenzung im ersten Satzteil hinaus zusätzlich in gegenständlicher Hinsicht abgegrenzt wird. Demzufolge ist § 24 Abs 1a SGB IV auf Beitragsrückstände anzuwenden, die über die Grenze von einem Monat hinausgehen; bis zu dieser Grenze verbleibt es bei der Anwendbarkeit des Abs 1. Hieran knüpft die nur der Rechtsfolgenanordnung zuzurechnende Wendung "jeden weiteren angefangenen Monat" an, die sich damit auf jeden über den ersten Monat hinausgehenden Monat bezieht.

17

Eine solche am Wortlaut orientierte Auslegung des § 24 Abs 1a SGB IV entspricht auch der Begründung zum Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zum Entwurf des GKV-WSG (BT-Drucks 16/3100 S 182 ). Diese verweist auf die Aufhebung des § 191 S 1 Nr 3 SGB V(in der bis zum 31.3.2007 geltenden Fassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003, BGBl I 3022), wonach "bislang die freiwillige Mitgliedschaft" endete, "wenn zweimal am Zahltag die freiwilligen Beiträge nicht entrichtet wurden". Danach knüpft der Gesetzentwurf zum erhöhten Säumniszuschlag nicht an den Eintritt der Rechtsfolge des § 191 S 1 Nr 3 SGB V - "mit Ablauf des nächsten Zahltages" nach Säumnis für zwei Monate (vgl hierzu BSGE 76, 28 = SozR 3-2500 § 191 Nr 2) - an, sondern an das Tatbestandselement der Säumnis für zwei Monate; im Kontext des § 24 Abs 1a SGB IV entspricht dies dem Verstreichenlassen auch des auf den ursprünglichen Fälligkeitstermin folgenden Zahltags, sodass der erhöhte Zuschlag schon ab Beginn des zweiten Säumnismonats zu zahlen ist.

18

d) Darüber hinaus hat die Beklagte die nach § 24 Abs 1a SGB IV geforderten Säumniszuschläge - was der Kläger nicht in Zweifel zieht - auch der Höhe nach zutreffend berechnet; insbesondere hat die Beklagte jeden einzelnen Monatsbeitrag vor Berechnung der Säumniszuschläge gesondert auf durch 50 teilbare Euro-Beträge abgerundet. Dass - entgegen dem insoweit missverständlichen Wortlaut - keine Abrundung eines jeden Beitrags auf (nur) 50 Euro zu erfolgen hat, ergibt sich schon aus der gleichlautenden Formulierung in § 24 Abs 1 S 1 SGB IV und dem diese Regelung ergänzenden § 24 Abs 1 S 2 SGB IV, wonach der Säumniszuschlag bei einem rückständigen Betrag unter 100 Euro nicht zu erheben ist, sofern er gesondert schriftlich anzufordern wäre.

19

3. Entgegen der Auffassung des Klägers verstößt § 24 Abs 1a SGB IV, soweit freiwillig Versicherte - wie der Kläger - einen Säumniszuschlag in Höhe von 5 vH zu zahlen haben, auch nicht gegen höherrangiges Recht; insbesondere stellt dies keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG (dazu unter a) dar. Auch sonstiges Verfassungsrecht wird dadurch nicht verletzt (dazu unter b), sodass die vom Kläger begehrte Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an das BVerfG gemäß Art 100 Abs 1 S 1 GG nicht in Betracht kam.

20

a) Dass freiwillig Versicherte gemäß § 24 Abs 1a SGB IV in der ab dem 1.4.2007 geltenden Fassung des GKV-WSG vom 26.3.2007 (BGBl I 378) einen Säumniszuschlag in Höhe von 5 vH - und damit einen höheren Säumniszuschlag als andere Zahlungspflichtige - zu zahlen haben, verstößt entgegen der Ansicht des Klägers nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG (so im Ergebnis auch SG Darmstadt Urteil vom 25.2.2011 - S 13 KR 244/09 - Juris; SG Aachen Urteil vom 11.1.2011 - S 13 KR 234/10 - Juris; kritisch Seewald in Kasseler Komm, § 24 SGB IV RdNr 9 ff, Stand Einzelkommentierung Oktober 2008; Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, § 24 SGB IV RdNr 14, Stand Einzelkommentierung März 2007).

21

Art 3 Abs 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er verwehrt dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können. Die Grenzen, die der allgemeine Gleichheitssatz dem Gesetzgeber vorgibt, können sich von lediglich auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen erstrecken. Es gilt ein am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierter, stufenloser Prüfungsmaßstab, der nicht abstrakt, sondern nur nach dem jeweils betroffenen Sach- und Regelungsbereich näher bestimmbar ist. Der Gesetzgeber unterliegt insbesondere dann einer strengeren Bindung, wenn die Differenzierung an Persönlichkeitsmerkmale anknüpft, die für den Einzelnen nicht verfügbar sind. Relevant für das Maß der Bindung ist zudem die Möglichkeit der Betroffenen, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Differenzierungskriterien zu beeinflussen (stRspr des BVerfG, vgl zB BVerfGE 129, 49, 68 f mwN und BVerfGE 113, 167, 214 f = SozR 4-2500 § 266 Nr 8 RdNr 83). Maßgeblich ist, ob für die vorgesehene Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können (vgl BVerfGE 82, 126, 146; 88, 87, 97).

22

aa) Entgegen der Ansicht des Klägers scheidet ein Vergleich der von ihm repräsentierten Gruppe beitragssäumiger freiwillig gesetzlich Krankenversicherter mit säumigen Steuerpflichtigen von vorneherein aus. Auch wenn die Neufassung des § 24 Abs 1 SGB IV durch das 2. Gesetz zur Änderung des Sozialgesetzbuchs (vom 13.6.1994, BGBl I 1229) im Wesentlichen die Regelungen des § 240 Abgabenordnung übernahm (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften des Sozialgesetzbuches über den Schutz der Sozialdaten sowie zur Änderung anderer Vorschriften, BT-Drucks 12/5187 S 27 f und S 30 Zu Nummer 8 <§ 24> Zu Absatz 1), sind beide Gruppen nicht vergleichbar, da die sie treffenden Zahlungspflichten anderen rechtlichen Ordnungsbereichen angehören und in anderen systematischen und sozialgeschichtlichen Zusammenhängen stehen (vgl zu diesem Aspekt der Vergleichbarkeit BVerfGE 40, 121, 139 f = SozR 2400 § 44 Nr 1 S 6 f mwN; BVerwGE 124, 178, 185). Der allgemeine Gleichheitssatz enthält kein verfassungsrechtliches Gebot, ähnliche Sachverhalte in verschiedenen Ordnungsbereichen gleich zu regeln (BVerfGE 75, 78, 107 = SozR 2200 § 1246 Nr 142 S 468; BAGE 87, 180, 184).

23

bb) Ausgehend von den eingangs genannten Grundsätzen ist bei dem Vergleich der in § 24 Abs 1a SGB IV genannten Gruppe der säumigen freiwillig Versicherten - zu der der Kläger als Zahlungspflichtiger gehörte - mit der Gruppe der säumigen Zahlungspflichtigen, die nicht in § 24 Abs 1a SGB IV genannt sind und daher nur den niedrigeren Säumniszuschlag nach § 24 Abs 1 SGB IV zu zahlen haben, ein über eine reine Willkürkontrolle hinausgehender Prüfungsmaßstab anzulegen, denn die an die Art der Mitgliedschaft anknüpfenden gesetzlichen Differenzierungsmerkmale sind personenbezogen(vgl auch BVerfGE 102, 68, 87 = SozR 3-2500 § 5 Nr 42 S 184). Jedoch muss im Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz der Freiheit des Einzelnen und den Anforderungen einer sozialstaatlichen Ordnung auch der angesichts der hohen Bedeutung der Funktionsfähigkeit und der finanziellen Stabilität der Sozialversicherung weite sozialpolitische Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers berücksichtigt werden (vgl BVerfGE 113, 167, 215 = SozR 4-2500 § 266 Nr 8 RdNr 84 ff mwN). Unter Anwendung dieser Grundsätze ist die vorliegende Schlechterstellung der vom Kläger repräsentierten Personengruppe sachlich gerechtfertigt, weil sie legitimen Zwecken dient (hierzu (1)) und zu deren Erreichung als geeignet, erforderlich und angemessen angesehen werden durfte (hierzu (2)).

24

(1) Die Benachteiligung von säumigen freiwillig Versicherten gegenüber den säumigen Zahlungspflichtigen, die nicht in § 24 Abs 1a SGB IV genannt sind und daher nur den niedrigeren Säumniszuschlag nach § 24 Abs 1 SGB IV zu zahlen haben, dient legitimen Zwecken.

25

Die Erhebung von Säumniszuschlägen nach § 24 SGB IV sanktioniert die verspätete Beitragszahlung, indem durch die säumnisbedingte Erhöhung des Zahlbetrages einerseits zur Sicherstellung eines geordneten Verwaltungsablaufs und der Beschaffung der hierfür benötigten Finanzmittel Druck auf den Schuldner ausgeübt wird(BSG SozR 4-2400 § 24 Nr 5 RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 266 Nr 4 RdNr 15; BSGE 35, 78 = SozR Nr 1 zu § 397a RVO; BSG Urteil vom 23.10.1987 - 12 RK 11/86 - ZIP 1988, 984, 985), andererseits aber auch ein standardisierter Mindestschadensausgleich für den durch die Nichtzahlung eingetretenen Zinsverlust und Verwaltungsaufwand vorgenommen wird (BSGE 92, 150, 152 = SozR 4-2400 § 24 Nr 2, RdNr 12; BSGE 88, 146, 152 = SozR 3-2400 § 24 Nr 4 S 15). Damit soll sichergestellt werden, dass die Sozialleistungsträger die entstandenen Beiträge zum Fälligkeitstermin auch tatsächlich zur Erfüllung ihrer Leistungspflichten zur Verfügung haben, und soll ausgeschlossen werden, dass sich der Beitragsschuldner durch rechtswidriges Verhalten ein "zinsloses" Darlehen verschafft oder durch eine verspätete Beitragszahlung selbst einen Zinsvorteil erlangt (BSGE 92, 150, 152 = SozR 4-2400 § 24 Nr 2, RdNr 12). In dieser "Doppelfunktion" dienen Säumniszuschläge somit der Funktionsfähigkeit und der finanziellen Stabilität der Sozialversicherung. Hierbei handelt es sich um einen überragend wichtigen Gemeinwohlbelang und ein legitimes gesetzgeberisches Ziel (vgl BVerfGE 123, 186, 264 f = SozR 4-2500 § 6 Nr 8 RdNr 233 mwN).

26

Diesen legitimen Zwecken dient auch die Ergänzung des § 24 SGB IV um Abs 1a mit der Anordnung erhöhter Säumniszuschläge für freiwillig Versicherte. Die Anordnung erhöhter Säumniszuschläge in § 24 Abs 1a SGB IV ist Folge der mit Einführung einer Versicherungspflicht für Personen, die keinen anderen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben, erfolgten Aufhebung des bisherigen § 191 S 1 Nr 3 SGB V durch das GKV-WSG(zur Änderung des § 191 vgl Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zum Entwurf des GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100 S 159 zu Nummer 139<§ 191>). Nach § 191 S 1 Nr 3 SGB V in der bis zum 31.3.2007 geltenden Fassung endete die Mitgliedschaft freiwillig Versicherter mit Ablauf des nächsten Zahltages, wenn für zwei Monate die fälligen Beiträge trotz Hinweises auf die Folgen nicht entrichtet worden waren. Durch die Aufhebung des § 191 S 1 Nr 3 SGB V bleiben nunmehr freiwillige Mitglieder dauerhaft in der GKV versichert, ohne dass die Nichtzahlung von Beiträgen die Mitgliedschaft beendet. Da die Beiträge nur im Wege der regulären Vollstreckung beizutreiben sind, sollte zur Durchsetzung der Verpflichtung der Beitragszahlung die schuldhafte Nichtzahlung der Beiträge künftig mit einem höheren Säumniszuschlag versehen werden. Dies sei schon allein deshalb erforderlich, weil Einnahmeausfälle von der Versichertengemeinschaft auszugleichen seien. Die Sanktion durch Säumniszuschläge in der bisherigen Höhe von 1 vH wurde als nicht ausreichend betrachtet (Gesetzentwurf zum GKV-WSG, aaO, S 182 zu Art 5 Nummer 1a <§ 24>). Die Erhöhung des Säumniszuschlags für die in § 24 Abs 1a SGB IV genannten Personengruppen zielt somit auf eine gegenüber § 24 Abs 1 SGB IV verstärkte Druckfunktion, um die Säumigen zur Beitragszahlung zu bewegen, und gleichzeitig auf einen gegenüber § 24 Abs 1 SGB IV höheren pauschalierten Schadensausgleich für die durch die Nichtzahlung eingetretenen Nachteile der Versichertengemeinschaft. Auch § 24 Abs 1a SGB IV dient somit den legitimen Zielen der Funktionsfähigkeit und der finanziellen Stabilität der Sozialversicherung.

27

(2) Gegen den erhöhten Säumniszuschlag für freiwillig Versicherte kann auch nicht mit Erfolg eingewandt werden, er sei zur Erreichung dieser Zwecke nicht geeignet, nicht erforderlich und unangemessen.

28

Der Gesetzgeber durfte nach Wegfall der Beendigung der Mitgliedschaft freiwillig in der GKV Krankenversicherter wegen Säumnis im Rahmen des ihm bei der Gestaltung des Sozialrechts zukommenden Spielraums (vgl BVerfG SozR 4-2600 § 68 Nr 2 RdNr 53; BVerfGE 75, 78, 101 = SozR 2200 § 1246 Nr 142 S 464; BVerfGE 76, 220, 241 = SozR 4100 § 242b Nr 3 S 14; BVerfGE 100, 1, 37 = SozR 3-8570 § 10 Nr 3 S 51) für die Gruppe der freiwillig Versicherten erhöhte Säumniszuschläge als geeignet und erforderlich ansehen, um auch für diese einen ausreichenden Ausgleich des mit der Beitreibung verspäteter Beiträge verbundenen Verwaltungsaufwandes und einen hinlänglichen Druck zur pünktlichen Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen sicherzustellen. Eine Erhöhung des Säumniszuschlags von 1 vH auf 5 vH ist hierzu geeignet, denn der Aufwand für die Beitreibung ausstehender Beiträge wird hierdurch stärker ausgeglichen. Gleichzeitig verstärkt sich der wirtschaftliche Anreiz zur pünktlichen Zahlung. Der erhöhte Säumniszuschlag durfte auch als erforderlich angesehen werden. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass der Verwaltungsaufwand bei der Beitreibung von Beiträgen der einzelnen Selbstzahler, zu denen auch die freiwilligen Mitglieder gehören (vgl § 250 Abs 2, § 252 Abs 1 S 1 SGB V), gegenüber beitragsabführenden Stellen (zB Arbeitgebern, die von § 24 Abs 1 SGB IV erfasst werden, vgl § 249, § 252 Abs 1 S 1, § 253 SGB V, §§ 28d, 28e Abs 1 S 1 SGB IV) idR deutlich höher ist, weil der einzelne Selbstzahler gesondert in Anspruch genommen werden muss, während Arbeitgeber als Beitragsschuldner für eine idR größere Anzahl von Versicherten angegangen werden können. Gleichzeitig durfte der Gesetzgeber auch eine geringere Zahlungsmoral freiwilliger Mitglieder unterstellen, wenn in den Materialien ausgeführt wird, dass die "schuldhafte" Nichtzahlung zu sanktionieren und dafür 1 vH nicht ausreichend sei (vgl Gesetzentwurf zum GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100 S 182 zu Art 5 Nummer 1a <§ 24>). Insoweit bieten die seit 1.4.2007 steigenden Beitragsrückstände freiwillig Versicherter (vgl Stellungnahme der Sachverständigen Dr. Pfeiffer in der 21. Sitzung des Ausschusses für Gesundheit am 25.10.2010, Protokoll Nr 17/21 S 9; Ergebnis der Besprechung des Fachausschusses Grundsatzfragen und Gesundheitspolitik des GKV-Spitzenverbandes vom 3.11.2009, Die Beiträge 2010, 81, 82 und 88; Greß/Walendzik/Wasem, Auswirkungen der Regelungen des GKV-WSG auf Nichtversicherung im deutschen Krankenversicherungssystem, Expertise für die Hans-Böckler-Stiftung, Oktober 2008, S 20, abrufbar unter www.boeckler.de/pdf_fof/S-2007-980-4-1.pdf, unter Hinweis auf die Pressemitteilung der Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen vom 25.6.2008, abrufbar unter www.dhv-ersatzkassen.de/presse08/kk2008q02/prkk802070.html, jeweils recherchiert im August 2012) einen überzeugenden Anhalt dafür, dass die Angabe der Beklagten zutrifft, wonach die Rückstandsquote unter freiwilligen Mitgliedern zwischen 13 vH und 17 vH, dagegen im Bereich der Gesamtsozialversicherungsbeiträge nur bei 6 vH bis 7 vH liegt.

29

Die mit der Festlegung des erhöhten Säumniszuschlags von 5 vH anstelle eines solchen von 1 vH einhergehende Benachteiligung freiwillig Versicherter gegenüber dem von § 24 Abs 1 SGB IV erfassten Personenkreis ist auch noch angemessen; die vorstehend benannten Rechtfertigungsgründe hierfür stehen noch in einem angemessenen Verhältnis zum Grad der Ungleichbehandlung (zu diesem Maßstab vgl BVerfGE 102, 68, 87 = SozR 3-2500 § 5 Nr 42 S 184 mwN). Die Folgen eines Beitragsrückstands wurden gegenüber der zuvor bestehenden Rechtslage sogar abgeschwächt (vgl Merten, DÄ 2007, A 1280, 1281: "sanfte Sanktionen"), da nunmehr im Falle eines Beitragsrückstandes Säumniszuschläge erhoben werden, während bisher Beitragsrückstände freiwillig Versicherter deren Mitgliedschaft beendeten, wodurch auch eine freiwillige Versicherung bei einer anderen Krankenkasse ausgeschlossen war (vgl § 191 S 1 Nr 3, S 2 SGB V in der bis 31.3.2007 geltenden Fassung).

30

Auch der Höhe nach bedeutet der erhöhte Säumniszuschlag ab dem zweiten Monat der Säumnis jedenfalls typischerweise keine unangemessene Mehrbelastung, wie dies die vorliegend in Streit stehenden absoluten Beträge beispielhaft zeigen. So befand sich der Kläger bei Erlass des streitigen Bescheids am 6.8.2007 mit dreieinhalb Monatsbeiträgen in einer Gesamthöhe von 685,08 Euro im Rückstand, wobei Säumnis bezüglich der Beiträge für Dezember 2006 bereits seit 16.1.2007, also seit mehr als einem halben Jahr bestand. Aufgrund des § 24 Abs 1a SGB IV waren auf die rückständigen Beiträge für Dezember 2006 ab 1.4.2007 Säumniszuschläge von monatlich 7,50 Euro (5 vH) anstelle des zuvor monatlich angefallenen Zuschlags von 1,50 Euro (1 vH) zu zahlen. Bei zutreffender Berechnung betrügen die vom Kläger bei ausschließlicher Anwendung des § 24 Abs 1 SGB IV am 6.8.2007 insgesamt angefallenen Säumniszuschläge 36,50 Euro anstelle der von der Beklagten - ab dem 1.4.2007 in ergänzender Anwendung des § 24 Abs 1a SGB IV - geforderten 136,50 Euro, sodass die aus der Neuregelung folgende Mehrbelastung des Klägers aufgrund seiner anhaltenden Säumnis genau 100,00 Euro beträgt.

31

Zutreffend weist die Beklagte auch darauf hin, dass selbst bei einem monatlichen Höchstbeitrag von 592,88 Euro (3825 Euro x 15,5 %) im Jahre 2012 durch § 24 Abs 1a SGB IV der Säumniszuschlag ab dem zweiten Monat lediglich von 5,50 Euro (550 Euro x 1 %) auf 27,50 Euro (550 Euro x 5 %) steigt, woraus sich eine Mehrbelastung von 22,00 Euro für den zweiten und jeden weiteren Monat der Säumnis ergibt. Diese Mehrbelastung ist zum Erreichen einer wirksamen wirtschaftlichen Motivation zur pünktlichen Beitragsentrichtung freiwillig Versicherter hinzunehmen. Denn bei zur Abführung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen Verpflichteten werden zu einem Termin regelmäßig Beiträge für eine größere Zahl von Versicherten fällig, sodass sich die hierauf zu entrichtenden Säumniszuschläge zu wirtschaftlich bedeutenden Summen aufaddieren. Demgegenüber haben freiwillig Versicherte bei Fälligkeit stets nur einen einzelnen Beitrag zu entrichten; auch der nunmehr verfünffachte Zuschlag je Einzelbeitrag entspricht nur dem wirtschaftlichen Nachteil eines säumigen Arbeitgebers mit fünf pflichtversicherten Arbeitnehmern.

32

Eine auch in absoluten Zahlen deutlich spürbare Mehrbelastung ergibt sich allerdings bei einer längeren Säumnis, insbesondere wenn diese nicht einen einzelnen, sondern mehrere Monatsbeiträge betrifft, weil zB die Beitragszahlung über einen längeren Zeitraum vollständig unterbleibt. Insoweit hat der Gesetzgeber jedoch ausreichende Vorkehrungen getroffen, um auftretende Härten zu vermeiden bzw abzumildern. So sind Säumniszuschläge auf eine durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellte Beitragsforderung nach § 24 Abs 2 SGB IV nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Eine kurzfristige Säumnis zieht auch bei freiwillig Versicherten noch keinen erhöhten Säumniszuschlag nach sich. Dieser fällt erst an, wenn die geschuldete Beitragszahlung nicht innerhalb eines Monats nach Fälligkeit nachgeholt wird und die Säumnis für mehr als einen Monat fortbesteht.

33

Sofern ein freiwillig Versicherter wirtschaftlich nicht in der Lage ist, die fälligen Beiträge aus eigenem Einkommen oder Vermögen zu tragen, besteht für ihn die Möglichkeit, Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII zu beantragen. Bei Bedürftigkeit und Leistungsbezug nach dem SGB II wäre der Kläger im hier zu betrachtenden Säumniszeitraum (16.1. bis 6.8.2007) in der GKV versicherungspflichtig geworden (§ 5 Abs 1 Nr 2a SGB V idF durch Gesetz vom 24.12.2003, BGBl I 2954). Gegenwärtig würden zumindest die Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung nach § 26 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II bzw § 32 Abs 1 oder 2 SGB XII übernommen.

34

In Härtefällen kann darüber hinaus eine zZ niedriger verzinste (vgl § 4 der Einheitlichen Grundsätze zur Erhebung von Beiträgen, zur Stundung, zur Niederschlagung und zum Erlass sowie zum Vergleich von Beitragsansprüchen - Beitragserhebungsgrundsätze - vom 17.2.2010, Die Beiträge 2010, 269, 271; Rundschreiben des GKV-Spitzenverbandes zur Erhebung von Beiträgen, Stundung, Niederschlagung und Erlass von Beitragsansprüchen, Die Beiträge 2010, 568, 569) oder ausnahmsweise sogar zinslose Stundung der Beitragsforderung in Betracht kommen (§ 76 Abs 2 S 1 Nr 1, S 2 SGB IV; vgl BSG SozR 2100 § 76 Nr 1). Auch durch Erlass und Niederschlagung (vgl § 76 Abs 2 S 1 Nr 2 und Nr 3 SGB IV)der Beitragsforderung (hierzu Beitragserhebungsgrundsätze, aaO; zur vorhergehenden Übung Sieben in Figge, Sozialversicherungs-Handbuch Beitragsrecht, 7.5.4.1, S 132/1 ff, Stand Einzelkommentierung November 2005) oder nur der Säumniszuschläge (siehe dazu die Gemeinsame Verlautbarung der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 9.11.1994, Die Beiträge 1995, 99, 106 ff; dem folgend Marburger, DÖD 2012, 8, 11 f; Schmalor, Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag, 8. Aufl 2003, S 451 ff; siehe auch Sieben, aaO, 7.5.3.3.5, S 129, Stand Einzelkommentierung November 2006) kann auf Härtefälle reagiert werden.

35

Wenn der Kläger den erhöhten Säumniszuschlag nach § 24 Abs 1a SGB IV gleichwohl nicht mehr für rechtmäßig hält, weil sich ein "Verzugszins von 60 % per annum" im Bereich des "strafbaren Wuchers" bewege und "sich außerhalb des sozialen Rechtsstaats stelle"(Rüge der Verletzung von Art 3 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 3 GG), verkennt er, dass es sich beim Unterlassen der Zahlung geschuldeter und fälliger Beiträge zur Krankenversicherung nicht um die Inanspruchnahme eines privaten Kredits handelt. Vielmehr kann die termingerechte Beitragsentrichtung zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der GKV nicht zur Disposition des einzelnen Beitragsschuldners stehen, weshalb es wirksamer Anreize zur pünktlichen Erfüllung der öffentlich-rechtlich begründeten Beitragszahlungspflichten bedarf. Zudem verbleibt dem Versicherten selbst bei nachhaltiger Beitragsverweigerung immer noch ein - wenn auch begrenzter - Leistungsanspruch gegen seine Krankenkasse (§ 16 Abs 3a S 2 SGB V).

36

cc) Ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG liegt auch nicht vor, soweit der Gesetzgeber andere Gruppen von Selbstzahlern - wie Studenten, Rentenantragsteller gemäß § 189 SGB V und Schwangere, deren Mitgliedschaft nach § 192 Abs 2 SGB V erhalten bleibt(vgl § 250 Abs 1 Nr 3 iVm § 254 SGB V, § 250 Abs 2 SGB V) - nicht der Verpflichtung zur Zahlung erhöhter Säumniszuschläge nach § 24 Abs 1a SGB IV unterworfen und damit gegenüber Personen wie dem Kläger privilegiert hat. Hierbei handelt es sich um Gruppen, deren Mitglieder idR für eine begrenzte und damit kürzere Zeit Selbstzahler sind als die Mitglieder der Gruppe der freiwillig Versicherten. Darüber hinaus sind diese Personen pflichtversichert (vgl § 5 Abs 1 Nr 9, § 189 Abs 1 S 1, § 192 Abs 2 SGB V; bzgl der Rentenantragsteller siehe Peters in Kasseler Komm, § 189 SGB V RdNr 9, Stand Einzelkommentierung April 2010), worin ein aus Sicht des Gesetzgebers gegenüber freiwillig Versicherten gesteigertes Schutzbedürfnis zum Ausdruck kommt. Mit Rücksicht hierauf ist es dem Gesetzgeber nicht verwehrt, die Gruppe der pflichtversicherten Selbstzahler besser zu behandeln, als die der freiwillig in der GKV Versicherten, deren Schutzbedürfnis er als so gering ansieht, dass er ihnen den Weg der Absicherung gegen Krankheitsrisiken - freiwillige Mitgliedschaft in der GKV oder Wechsel zur privaten Krankenversicherung - nach Maßgabe des § 9 Abs 1 SGB V freistellt.

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b) Die Verpflichtung freiwilliger GKV-Mitglieder wie des Klägers zur Zahlung eines erhöhten Säumniszuschlags nach § 24 Abs 1a SGB IV stellt auch keinen Verstoß gegen die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art 2 Abs 1 GG dar. Dabei kann offenbleiben, ob der Schutzbereich des Art 2 Abs 1 GG vorliegend überhaupt berührt ist. Anerkannt ist dies nur für den Fall, dass der Gesetzgeber durch die Anordnung von Zwangsmitgliedschaft und Beitragspflichten in einem öffentlich-rechtlichen Verband der Sozialversicherung die allgemeine Betätigungsfreiheit des Einzelnen durch Einschränkung ihrer wirtschaftlichen Voraussetzungen nicht unerheblich einengt (BVerfGE 97, 271, 286 = SozR 3-2940 § 58 Nr 1 S 7; BSG Urteil vom 11.10.2001 - B 12 KR 19/00 R - SozVers 2002, 243, 245), wobei auch Regelungen, die das Sozialversicherungsverhältnis, vor allem die Beiträge der Versicherten und die Leistungen näher ausgestalten, am Maßstab des Art 2 Abs 1 GG zu messen sind (BVerfGE 115, 25, 42 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 19). Jedoch ist das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit nur in den Schranken des Art 2 Abs 1 Halbs 2 GG gewährleistet. Es ist daher nicht verletzt, wenn die Eingriffsnormen formell und materiell verfassungsgemäß sind, insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den rechtsstaatlichen Anforderungen des Vertrauensschutzes entsprechen (vgl BVerfGE 97, 271, 286 = SozR 3-2940 § 58 Nr 1 S 7 mwN; BSG Urteil vom 11.10.2001 - B 12 KR 19/00 R - SozVers 2002, 243, 245). Dies ist hier der Fall, denn die Erhebung eines erhöhten Säumniszuschlags von 5 vH von freiwillig Versicherten ist - wie oben dargestellt - verhältnismäßig: sie dient dem legitimen gesetzgeberischen Ziel der Sicherung der Funktionsfähigkeit und der finanziellen Stabilität der Sozialversicherung und durfte zur Erreichung dieses Ziels als geeignet, erforderlich und angemessen angesehen werden (siehe oben unter 3 a). Sie verletzt - entgegen der insoweit nicht näher begründeten Rüge des Klägers - auch nicht das Prinzip rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes (vgl Art 20 Abs 3 GG). Zwar begrenzen Rechtsstaatsprinzip und Grundrechte die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die an Sachverhalte der Vergangenheit anknüpfen. Verfassungsrechtlich nicht geschützt ist jedoch die schlichte Erwartung, das geltende Recht werde auch in der Zukunft unverändert fortbestehen (BVerfGE 128, 90, 106 = SozR 4-1100 Art 14 Nr 23 RdNr 43 mwN). Weil § 24 Abs 1a SGB IV nicht an den Zeitraum anknüpft, für den Beiträge geschuldet werden, sondern an den Sachverhalt der (fortbestehenden) Säumnis, der mit jedem weiteren Monat jeweils neu verwirklicht wird, liegt in der Anwendung dieser Norm auch auf sog Altschulden keine unzulässige echte Rückwirkung oder auch nur eine - grundsätzlich zulässige - unechte Rückwirkung bzw tatbestandliche Rückanknüpfung(siehe oben unter 2 a).

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c) Die Verpflichtung freiwillig Versicherter, nach § 24 Abs 1a SGB IV bei Säumnis einen erhöhten Zuschlag zu zahlen, verstößt auch im Übrigen nicht gegen Verfassungsrecht.

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Insbesondere lässt sich vorliegend aus dem Sozialstaatsprinzip (Art 20 Abs 1 GG) - entgegen der Ansicht des Klägers - auch kein Differenzierungsverbot (iVm Art 3 Abs 1 GG) herleiten (siehe auch oben unter 3 a cc). Zwar begründet das Sozialstaatsprinzip die objektive Pflicht des Staates, für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen, die Erfüllung dieser Verpflichtung obliegt indessen vornehmlich der eigenverantwortlichen Gestaltung des Gesetzgebers, wobei ihm ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt ist (vgl BVerfGE 110, 412, 445; BSGE 108, 126 = SozR 4-2600 § 74 Nr 3, RdNr 66-67), und führt auch in der Zusammenschau mit dem Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) regelmäßig - wie auch vorliegend - nicht zu Beschränkungen des Gesetzgebers (vgl auch BSG SozR 4-7837 § 2 Nr 8 RdNr 45); insbesondere kann es nicht zur Korrektur jeglicher hart oder unbillig erscheinenden Folgen von gesetzlichen Regelungen dienen (BVerfGE 69, 272, 314 f = SozR 2200 § 165 Nr 81 S 135 f; BSG SozR 4-2500 § 5 Nr 4 RdNr 20-21; BSGE 108, 126 = SozR 4-2600 § 74 Nr 3, RdNr 66-67).

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Soweit der Kläger ohne nähere Begründung eine Verletzung von Art 3 Abs 1 iVm Art 1 GG oder von Art 19 iVm Art 1 GG rügt, ist nicht erkennbar, inwieweit § 24 Abs 1a SGB IV und die darin begründete Verpflichtung zur Zahlung erhöhter Säumniszuschläge den Schutzbereich dieser Verfassungsnormen berührt.

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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Sie berücksichtigt, dass die Beklagte die angefochtenen Bescheide insoweit aufgehoben hat, als Säumniszuschläge auf Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung geltend gemacht wurden.

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.