Bundesgerichtshof Urteil, 05. Juni 2014 - 4 StR 59/14

bei uns veröffentlicht am05.06.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 59/14
vom
5. Juni 2014
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen
Person
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 5. Juni 2014,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Mutzbauer,
Bender
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 6. September 2013 wird mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte des versuchten sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person schuldig ist.
2. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten „wegen versuchten Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person“ zu der Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt. Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte, auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte und vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft ist unbegründet.
2
1. Das Rechtsmittel ist wirksam auf den Strafausspruch beschränkt. Die Beschwerdeführerin beantragt zwar, das angefochtene Urteil in vollem Umfang aufzuheben (§ 344 Abs. 1 StPO); der Senat versteht die maßgebliche Revisionsbegründung jedoch dahin, dass nicht der Schuldspruch angefochten sein soll, sondern nur der Strafausspruch. Mit ihren Einzelbeanstandungen wendet sich die Rechtsmittelführerin lediglich gegen die Strafzumessung (vgl. Franke in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 344 Rn. 9 mwN); der abschließende Satz, dass sich "noch die Frage (stelle), ob bei dem festgestellten Sachverhalt die Strafe nicht den §§ 177 Abs. 1, 22, 23 StGB hätte entnommen werden müssen" , führt entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts in seiner Terminszuschrift zu keinem anderen Ergebnis. In der Hauptverhandlung vom 23. August 2013 hat die Strafkammer nämlich „auf Antrag“ der Staatsanwaltschaft die Strafverfolgung nach § 154a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO auf den – später ausgeurteilten – Vorwurf des (versuchten) sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person beschränkt. Mit einem Antrag auf Wiedereinbeziehung gemäß § 154a Abs. 3 Satz 2 StPO in der Revisionsinstanz könnte die Staatsanwaltschaft die das Verfahren abschließende Entscheidung über ihr Rechtsmittel nicht hindern (vgl. BGH, Urteile vom 3. Oktober 1967 – 1 StR 355/67, BGHSt 21, 326, 328 ff., vom 28. Februar 1984 – 1 StR 870/83, NJW 1984, 1365, und vom 11. Januar 2000 – 1 StR 505/99 unter Ziff. I.3). Ergänzend bemerkt der Senat, dass, zumal bei einer Revision der Staatsanwaltschaft , sich aus Antrag und Begründung das Ziel des Rechtsmittels ohne weiteres klar ergeben sollte (vgl. Nr. 156 Abs. 2 RiStBV).
3
Der Senat hat das der Strafkammer im Schuldspruch unterlaufene Fassungsversehen berichtigt (vgl. § 260 Abs. 4 Satz 2 StPO); dem steht die Teilrechtskraft nicht entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2009 – 1 StR 515/09).
4
2. Mit ihren Einzelausführungen vermag die Staatsanwaltschaft einen Rechtsfehler in der Strafzumessung des angefochtenen Urteils nicht aufzuzeigen. Der Tatrichter hat den ihm zukommenden und vom Revisionsgericht nur eingeschränkt nachprüfbaren Bewertungsspielraum (vgl. BGH, Urteil vom 28. März 2013 – 4 StR 467/12 mwN) nicht überschritten.
5
Zwar sind die Erwägungen zur Strafrahmenmilderung gemäß § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB knapp ausgefallen. Soweit die Strafkammer das "deutlich geringere Erfolgsunrecht" anführt, hat sie jedoch entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts nicht lediglich darauf abgestellt, dass die Tat im Versuchsstadium steckengeblieben ist. Mit der beanstandeten Erwägung hat das Landgericht vielmehr ersichtlich – und rechtsfehlerfrei – hervorheben wollen , dass der Rechtsgutsangriff von eher geringer krimineller Energie getragen war. Damit hat die Strafkammer mit Recht einen wesentlichen, versuchsbezogenen Umstand in den Blick genommen (vgl. BGH, Urteil vom 15. September 1988 – 4 StR 352/88, BGHSt 35, 347, 355). Darüber hinaus besorgt der Senat im Blick auf die sich unmittelbar anschließenden Ausführungen zur konkreten Strafzumessung nicht, dass die für die Prüfung einer Strafrahmenverschiebung erforderliche Gesamtabwägung der Tatumstände und der Persönlichkeit des Täters (vgl. BGH, Urteile vom 17. November 1961 – 4 StR 292/61, BGHSt 16, 351, vom 15. September 1988, aaO, vom 15. Juni 2004 – 1 StR 39/04, NStZ 2004, 620 und vom 11. September 2013 – 2 StR 287/13) unterblieben ist.
6
Im Übrigen erschöpfen sich die Rechtsmittelangriffe der Staatsanwaltschaft in dem Versuch, die eigene Strafzumessung – teils unter Heranziehung urteilsfremden Vorbringens – an die Stelle derjenigen des Tatrichters zu setzen. Damit kann die Revision keinen Erfolg haben. Die Strafzumessung im angefochtenen Urteil genügt auch den Anforderungen an die Begründung einer dem unteren Rand des gewählten Strafrahmens angenäherten Strafe (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2002 – 5 StR 441/02, NStZ-RR 2003, 52, 53; Urteil vom 28. April 2010 – 2 StR 77/10, NStZ-RR 2010, 237, 238). Der Senat ist entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts in seiner Terminszuschrift und des Generalstaatsanwalts in Hamm, welcher der Revision beigetreten ist, schließlich nicht der Auffassung, dass sich die verhängte Strafe nach unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, soweit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Spielraums liegt (vgl. BGH – Großer Senat für Strafsachen –, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349).
7
Der Strafausspruch weist auch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf (§ 301 StPO); rechtsfehlerfrei hat das Landgericht insbesondere § 47 Abs. 1 StGB angewandt und dem Angeklagten eine günstige Sozialprognose gemäß § 56 Abs. 1 StGB versagt.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

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Strafprozeßordnung - StPO | § 301 Wirkung eines Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft


Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

Strafprozeßordnung - StPO | § 260 Urteil


(1) Die Hauptverhandlung schließt mit der auf die Beratung folgenden Verkündung des Urteils. (2) Wird ein Berufsverbot angeordnet, so ist im Urteil der Beruf, der Berufszweig, das Gewerbe oder der Gewerbezweig, dessen Ausübung verboten wird, gena

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(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind,

1.
für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder
2.
neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat,
nicht beträchtlich ins Gewicht, so kann die Verfolgung auf die übrigen Teile der Tat oder die übrigen Gesetzesverletzungen beschränkt werden. § 154 Abs. 1 Nr. 2 gilt entsprechend. Die Beschränkung ist aktenkundig zu machen.

(2) Nach Einreichung der Anklageschrift kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Beschränkung vornehmen.

(3) Das Gericht kann in jeder Lage des Verfahrens ausgeschiedene Teile einer Tat oder Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbeziehen. Einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einbeziehung ist zu entsprechen. Werden ausgeschiedene Teile einer Tat wieder einbezogen, so ist § 265 Abs. 4 entsprechend anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 505/99
vom
11. Januar 2000
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung u. a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. Januar
2000, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Maul,
Dr. Granderath,
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin des Angeklagten R. ,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin des Angeklagten C. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 6. Mai 1999 wird verworfen. Die Kosten des Rechtsmittels und die den Angeklagten durch diese Revision entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten R. wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren sowie den Angeklagten C. wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung und wegen unterlassener Hilfeleistung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten bei Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Die vom Angeklagten R. in Spanien erlittene Auslieferungshaft ist im Verhältnis eins zu eins auf die verhängte Strafe angerechnet worden. Nach den Feststellungen waren die Angeklagten und zwei gesondert verfolgte Brüder des Angeklagten R. am 26. April 1998 übereingekommen, am Abend dieses Tages R. in dessen Haus zu überfallen und ihn zur Herausgabe von Bargeld und EC-Karte unter Preisgabe seiner Geheimzahl zu zwingen. Das Erpressungsvorhaben scheiterte, weil der Geschädigte die Täter, die bereits in das Anwesen eingedrungen waren und sich zunächst versteckt hielten, entdeckte und sich unerwartet wehrhaft zeigte. Während sich der Angeklagte C. zu-
rückzog, kam es dazu, daß der Angeklagte R. zu seinem Messer griff und das Opfer mit zahlreichen Stichen tötete. Mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision erstrebt die Staatsanwaltschaft die Verurteilung des Angeklagten R. wegen Mordes und eine schärfere Bestrafung des Angeklagten C. . Das vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg. I. Die Revision, die sich in vollem Umfang gegen die Verurteilung des Angeklagten R. richtet, ist unbegründet. An der Prüfung, ob die Tat des Angeklagten nicht nur Totschlag, wie in dem der spanischen Auslieferungsbewilligung zugrunde liegenden Haftbefehl des Amtsgerichts Stuttgart vom 8. Mai 1998 angenommen, sondern Mord darstelle , war das Landgericht nicht durch den auslieferungsrechtlichen Grundsatz der Spezialität gehindert. Dieser Grundsatz schließt eine Verurteilung des Ausgelieferten unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt nicht aus, sofern es sich um dieselbe Tat im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO handelt und der weitere Straftatbestand ebenfalls auslieferungsfähig ist (vgl. Schomburg in Schomburg/Lagodny, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen 3. Aufl. § 72 Rdn. 20). So verhält es sich im vorliegenden Fall, in dem die Auslieferungsbewilligung hinsichtlich des dem Angeklagten R. zur Last gelegten Sachverhalts keine Einschränkung enthält. 1. Die Strafkammer hat ihre Auffassung, es liege kein Mordmerkmal i. S. v. § 211 Abs. 2 StGB vor, rechtsfehlerfrei begründet.
a) Was ein mögliches Handeln in der Absicht, eine andere Straftat zu verdecken, angeht, hält sie es zu Recht für nicht erweislich, der Angeklagte habe durch die Tötung des Geschädigten verhindern wollen, daß dieser eine
Anzeige wegen des unbefugten Eindringens in sein Haus in räuberischer Absicht erstatte. Das Gericht berücksichtigt dabei, daß der Angeklagte und seine Begleiter ihn ohnehin unmaskiert überfallen wollten und offenbar auf die schamhafte Verschwiegenheit des homosexuell veranlagten Opfers vertrauten.
b) Entgegen der Meinung der Revision halten auch die Erwägungen, mit denen die Strafkammer im übrigen ein Handeln aus niedrigen Beweggründen verneint, der Nachprüfung stand. Ob ein Beweggrund niedrig ist, also nach allgemeiner Wertung auf tiefster Stufe steht, ist auf Grund einer Gesamtwürdigung zu beurteilen, welche die Umstände der Tat und ihre Vorgeschichte sowie die Persönlichkeit des Täters und seine seelische Situation einbezieht (BGH MDR 1981, 509, 510; StV 1981, 399; 1981, 400). Zwar kommt dem krassen Mißverhältnis zwischen Tatanlaß und Tötung, wie es hier außer Frage steht, maßgebliche Bedeutung zu. Die Feststellung eines solchen Mißverhältnisses allein genügt aber nicht für die Annahme eines niedrigen Beweggrundes. Faßte der Täter den Tötungsentschluß ohne Plan und Vorbereitung "spontan" aus der Situation heraus, ist besonders sorgfältig zu prüfen, ob er sich bei der Tat der Umstände bewußt war, die seine Beweggründe als niedrig erscheinen lassen (BGH StV 1982, 566 = NStZ 1983, 19; StV 1984, 72; 1984, 465; Urt. vom 25. Mai 1983 - 3 StR 112/83). Nach diesen Grundsätzen ist das Landgericht verfahren. Unzutreffend ist die Darstellung der Revision, das Gericht habe seine Entscheidung letztlich nur damit begründet, daß sich der Angeklagte spontan zur Tötung des Opfers entschlossen habe. Vielmehr hat sich die Strafkammer mit allen hier in Betracht kommenden Motiven des Angeklagten auseinandergesetzt. So hat sie neben dem Ermöglichen oder dem Verdecken einer Straftat auch Wut oder Verärgerung über das Scheitern des Erpressungsplans, Haß
gegenüber Männern von der Art des Geschädigten sowie Imponiergehabe des Angeklagten als Beweggrund für die Tötung des Opfers in Erwägung gezogen und jeweils mit tragfähiger Begründung verworfen. Demgegenüber stellt das Gericht zur psychischen Lage des Angeklagten fest, daß dieser, nachdem er die ursprünglich geplante Erpressung "offenbar unbekümmert" angegangen war, "aufgrund einer unvorhergesehenen Entwicklung des Geschehens durch das unerwartete Eintreffen des Geschädigten im Flur und den von Handgreiflichkeiten begleiteten Hausverweis in eine als bedrohlich empfundene Augenblickssituation geriet und in dieser - nicht zuletzt aufgrund seiner Persönlichkeitsmängel - angstvoll und völlig unangemessen reagierte". Dabei kennzeichnet die Strafkammer - sachverständig beraten - den Angeklagten als eine narzißtische Persönlichkeit mit emotional instabilen und asthenischen Zügen. Er weise eine erhebliche Selbstwertproblematik auf und sei "in hohem Maße stör- und irritierbar und wenig belastbar". Die Strafkammer hat eine Gesamtwürdigung vorgenommen, die Zweifel daran erweckt, daß den Angeklagten bei der Tat niedrige Beweggründe bestimmten. Ihre Wertung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. 2. Der Strafausspruch weist keinen Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten oder, was gemäß § 301 StPO zu prüfen war, zu seinen Lasten auf. Die Strafkammer hat straferschwerend berücksichtigt, daß der Angeklagte R. v or der Tat zusammen mit zwei Begleitern unbefugt, heimlich und in unlauterer Absicht in das Haus des ihm völlig unbekannten Opfers - und damit in dessen als Intimsphäre besonders geschützten Bereich - eingedrungen war. Die Ansicht seiner Verteidigerin, diese Erwägung sei unvereinbar mit dem auslieferungsrechtlichen Grundsatz der Spezialität (vgl. BGHSt 22, 318
sowie BGH NStZ 1987, 417), trifft nicht zu. Wie bereits dargelegt, erfaßt die Auslieferungsbewilligung mangels näherer Beschränkung die gesamte Tat im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO. Dazu gehört auch der gemeinschaftlich begangene Versuch einer schweren räuberischen Erpressung. 3. Was den Vorwurf der versuchten schweren räuberischen Erpressung angeht, hat bereits das Landgericht diese Gesetzesverletzung gemäß § 154 a Abs. 2 StPO ausgeschieden. Für eine Einbeziehung wäre kein Raum, weil sie das Revisionsgericht daran hindern würde, die rechtsfehlerfrei erfolgte Verurteilung des Angeklagten wegen des erörterten Tötungsverbrechens zu bestätigen (vgl. BGHSt 21, 326 sowie BGH NJW 1984, 1365). Im übrigen hat der Senat - mit Beschluß vom 11. Januar 2000 - auch den Vorwurf eines tateinheitlich begangenen Verbrechens des versuchten Raubes mit Todesfolge (§§ 251, 22, 23 Abs. 1 StGB; vgl. BGH NStZ 1998, 511 f.) gemäß § 154 a Abs. 2 StPO ausgeschieden. II. Die zu Ungunsten des Angeklagten C. eingelegte Revision, die sich gegen den Rechtsfolgenausspruch richtet, bleibt ebenfalls erfolglos. 1. Vergeblich wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen die Höhe der verhängten Strafe, die sie als unvertretbar niedrig ansieht. Die Feststellung der beiden Einzelstrafen und die Bildung der Gesamtstrafe sind nicht zu beanstanden. Die Strafkammer hat die wesentlichen für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte bedacht. Sie hat erschwerend herangezogen, daß der Geschädigte von vier Personen in seinem Privathaus überraschend überfallen werden sollte, wobei einer der Täter sein Vertrauen mißbrauchte, um in das Anwesen mitgenommen zu werden, und drei weitere in bewußtem und gewolltem Zusammenwirken heimlich in seine Wohnung als geschützten Be-
reich eindrangen. Mit ihrem Vorbringen, bei seiner Entscheidung habe das Gericht den strafschärfenden Umständen zu wenig Bedeutung beigemessen, zeigt die Revision keinen Rechtsfehler auf. 2. Die Einwände der Revision gegen die dem Angeklagten bewilligte Strafaussetzung zur Bewährung greifen nicht durch. Die landgerichtliche Entscheidung zur günstigen Kriminalprognose, zu den besonderen Umständen und zur Verteidigung der Rechtsordnung (§ 56 StGB) ist rechtsfehlerfrei begründet. Bei der Gesamtwertung gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 StGB durfte die Strafkammer den im Urteil dargelegten Milderungsgründen besonderes Gewicht beimessen (der nur geringfügig vorbestrafte Angeklagte befand sich ca. elf Monate in Untersuchungs- und Strafhaft; in dieser Zeit mußte er sich einer Operation wegen eines Prostatakarzinoms unterziehen; in das Erpressungsvorhaben ließ er sich in einer schwierigen finanziellen Situation durch Dritte
hineinziehen; der Versuch der schweren räuberischen Erpressung schlug bereits im Anfangsstadium fehl). Entgegen der Meinung der Staatsanwaltschaft ist nicht zu besorgen, hierbei seien die im Urteil aufgeführten Strafschärfungsgründe außer Betracht geblieben. Herr RiBGH Dr. Maul ist wegen Erkrankung an der Unterschrift verhindert. Schäfer Schäfer Granderath Boetticher Schluckebier

(1) Die Hauptverhandlung schließt mit der auf die Beratung folgenden Verkündung des Urteils.

(2) Wird ein Berufsverbot angeordnet, so ist im Urteil der Beruf, der Berufszweig, das Gewerbe oder der Gewerbezweig, dessen Ausübung verboten wird, genau zu bezeichnen.

(3) Die Einstellung des Verfahrens ist im Urteil auszusprechen, wenn ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Die Urteilsformel gibt die rechtliche Bezeichnung der Tat an, deren der Angeklagte schuldig gesprochen wird. Hat ein Straftatbestand eine gesetzliche Überschrift, so soll diese zur rechtlichen Bezeichnung der Tat verwendet werden. Wird eine Geldstrafe verhängt, so sind Zahl und Höhe der Tagessätze in die Urteilsformel aufzunehmen. Wird die Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten, die Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung zur Bewährung ausgesetzt, der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt oder von Strafe abgesehen, so ist dies in der Urteilsformel zum Ausdruck zu bringen. Im übrigen unterliegt die Fassung der Urteilsformel dem Ermessen des Gerichts.

(5) Nach der Urteilsformel werden die angewendeten Vorschriften nach Paragraph, Absatz, Nummer, Buchstabe und mit der Bezeichnung des Gesetzes aufgeführt. Ist bei einer Verurteilung, durch die auf Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren erkannt wird, die Tat oder der ihrer Bedeutung nach überwiegende Teil der Taten auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen worden, so ist außerdem § 17 Abs. 2 des Bundeszentralregistergesetzes anzuführen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 515/09
vom
27. Oktober 2009
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Oktober 2009 beschlossen
:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Konstanz vom 14. Juli 2009 aufgehoben, soweit gegen den Angeklagten
ein Vorwegvollzug von zwei Jahren der Gesamtfreiheitsstrafe
vor der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet
worden ist. Zur erneuten Entscheidung über den Vorwegvollzug
und über die Kosten des Rechtsmittels wird die Sache an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Der Schuldspruch des oben genannten Urteils wird, auch hinsichtlich
der mitverurteilten M. und F. ,
dahingehend ergänzt, dass nach den Worten „des unerlaubten
bandenmäßigen Handels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge“ die Worte „in fünf Fällen“ eingefügt werden.

Gründe:


1
1. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen mehrerer Verbrechen des unerlaubten bandenmäßigen Handels mit Betäubungsmitteln zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass zwei Jahre der Gesamtfreiheitsstrafe vor der Unterbringung zu vollziehen sind.
2
Mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision erstrebt der Angeklagte, dass der Vorwegvollzug vom Revisionsgericht auf ein Jahr der erkannten Gesamtfreiheitsstrafe festgesetzt wird, hilfsweise die Aufhebung des Urteils im Ausspruch über den Vorwegvollzug und insoweit die Zurückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts Konstanz.
3
Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 23. September 2009 ausgeführt: „Der Beschwerdeführer beschränkt die Revision auf die Bestimmung der Dauer des Vorwegvollzuges. Dies ist zulässig, da der Beschwerdepunkt nach dem inneren Zusammenhang des Urteils, losgelöst von seinem nicht angefochtenen Teil, rechtlich und tatsächlich unabhängig beurteilt werden kann, ohne eine Überprüfung des Urteils im Übrigen erforderlich zu machen (st. Rspr., vgl. BGH Beschluss vom 18.12.2007 - 3 StR 516/07 m.w.N.). So liegt es hier. Die Kammer hat - sachverständig beraten (UA S. 13) - rechtsfehlerfrei festgestellt, dass beim Angeklagten die Voraussetzungen für die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB vorliegen (UA S. 14, 15).
Hinsichtlich der Dauer des Vorwegvollzuges kann die Entscheidung, bei der sich das Landgericht offensichtlich am Zeitpunkt einer möglichen 2/3Entlassung orientiert hat (UA S. 15), nicht bestehen bleiben (§ 349 Abs. 4 StPO).
Wie der Beschwerdeführer auch zutreffend rügt, soll gemäß § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB in der am 20. Juli 2007 in Kraft getretenen Fassung des Gesetzes zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl I 1327ff.; im Folgenden n.F.) das Gericht bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Eine abweichende Entscheidung zur Vollstreckungsreihenfolge ist nur dann gerechtfertigt, wenn diese aus gewichtigen Gründen des Einzelfalls eher die Erreichung eines Therapieerfolgs erwarten lässt. Liegen - wie hier - keine Gründe vor, die gegen die Anordnung des Vorwegvollzugs eines Teils der Strafe sprechen, so hat der Tatrichter im Erkenntnisverfahren bei der Bemessung des Vorweg zu vollziehenden Teils der Strafe keinen Beurteilungsspielraum mehr. Dieser Teil ist nach § 67 Abs. 2 Satz 3 StGB n.F. so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung nach Erledigung der Hälfte der Strafe gemäß § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB möglich ist (vgl. Senat Beschluss vom 6. Mai 2008 - 1 StR 144/08 sowie vom 8. Januar 2008 - 1 StR 644/07).
Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass gemäß § 64 StGB die Dauer der Unterbringung im Regelfall mit zwei Jahren anzusetzen sei, diese indessen bei dem Angeklagten nicht 'unerheblich unterschritten werden' könne (UA S. 15). Die Bemessung des Vorwegvollzuges und die voraussichtliche Dauer des Maßregelvollzuges werden es nach Auffassung des Tatgerichts aller Voraussicht nach bei einem erfolgreichen Abschluss der Therapie dem Angeklagten möglich machen, das letzte verbleibende Strafdrittel zur Bewährung auszusetzen (UA a.a.O.).
Dies ist rechtsfehlerhaft sowohl in der Hinsicht, dass sich die Kammer entgegen § 67 Abs. 2 Satz 3 StGB am Zeitpunkt einer möglichen 2/3Entlassung orientiert, als auch davon abgesehen hat, die voraussichtliche Dauer der Unterbringung bestimmt festzusetzen (Fischer, StGB § 67 Rdn. 11a m.w.N.).
Da insoweit die voraussichtliche Dauer der Therapie nicht rechtsfehlerfrei festgestellt wurde, ist dem Senat eine Durchentscheidung verwehrt, mit der er die Dauer des Vorwegvollzuges selbst bestimmen könnte (vgl. Senat Beschluss vom 6. Mai 2008 - 1 StR 144/08 -). Eine andere Strafkammer wird die voraussichtliche Dauer der Unterbringung gemäß § 64 StGB feststellen und danach die des Vorwegvollzuges neu bestimmen müssen.“
4
Dem tritt der Senat bei.
5
2. Die Urteilsformel bedarf einer Ergänzung:
6
Der landgerichtliche Urteilstenor lautet: „Die Angeklagten B. , M. und F. sind des unerlaubten bandenmäßigen Handels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen und in Tateinheit mit versuchter unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in einem Fall schuldig.“ Die Strafkammer erkannte dann auf Gesamtfreiheitsstrafen. Der formulierte Schuldspruch ist offensichtlich unvollständig. Wie sich aus den Urteilsgründen - sowohl in der Sachverhaltsdarstellung als auch in der rechtlichen Würdigung und in der Strafzumessung - zweifelsfrei ergibt, wurden der Angeklagte und die - nicht revidierenden - Mitverurteilten M. und F. wegen unerlaubten bandenmäßigen Handels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen für schuldig befunden - in dreien dieser Fälle - so das Landgericht - in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln, in einem weiteren in Tateinheit mit versuchter unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln, jeweils in nicht geringer Menge. Es bestehen keine Zweifel daran, dass das Urteil so „beschlossen“ wurde (vgl. RGSt 13, 267, 269) und dies auch der mündlichen Eröffnung der Urteilsgründe zugrunde lag (vgl. BGH GA 1969, 119). Das Verlesen der Urteilsformel und die Eröffnung der Urteilsgründe bilden eine Einheit (vgl. § 268 Abs. 2 Satz 1 StPO). Die Worte „in fünf Fällen“ wurden ersichtlich nur wegen eines Schreibversehens nicht in die Urteilsformel aufgenommen. Dies hat der Senat korrigiert (entsprechend § 354 Abs. 1 StPO), auch hinsichtlich der Mitverurteilten (entsprechend § 357 StPO). Die Behebung derartiger offensichtlicher Versehen (Lücken) bei der Niederschrift der Urteilsformel, hinter denen sich zweifelsfrei keine sachliche Änderung verbirgt, ist nicht nur dem Ausgangsgericht (vgl. BGHSt 5, 5, 10; 25, 333, 336; BGH NStZ 1984, 279; BGH, Beschl. vom 22. November 1960 - 1 StR 426/60; RGSt 13, 267, 269), sondern ebenso dem mit der Sache befassten Rechtsmittelgericht möglich, auch wenn der Schuldspruch schon rechtskräftig ist (entsprechend BayObLGSt 1972, 1 bei unvollständiger Wiedergabe der Strafvorschrift).
7
3. Zum Konkurrenzverhältnis zwischen bandenmäßigem unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und deren unerlaubter Einfuhr wird auf BGH, Beschl. vom 8. November 2006 - 1 StR 506/06 Rdn. 2 verwiesen (vgl. auch Weber, BtMG 3. Aufl., § 30a Rdn. 36). Insoweit ist dem Senat eine Korrektur des rechtskräftigen Schuldspruchs jedoch verwehrt, da bei der Annahme von Tateinheit nicht nur ein Formulierungsversehen vorliegt , wie die Urteilsgründe ausweisen. Nack Rothfuß Hebenstreit Jäger Sander

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 467/12
vom
28. März 2013
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. März
2013, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Franke,
Dr. Quentin,
Reiter
als beisitzende Richter,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 30. Mai 2012 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes, besonders schwerer räuberischer Erpressung in drei Fällen, vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in fünf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Betrug, wegen Betruges, Diebstahls in zwei Fällen, vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung und vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis sowie wegen falscher Verdächtigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf von drei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
2
Das zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte und wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

I.


3
Zu den Straftaten des Angeklagten hat das Landgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
4
1. Am 9. Juni 2011 mietete der Angeklagte bei einer Autovermietungsfirma in B. einen Pkw der Marke VW, Typ Golf, obwohl er wusste, dass er die Mietkosten in Höhe von etwa 700 € nicht würde bezahlen können. Als das Fahrzeug am 29. Juni 2011 von einem Bekannten des Angeklagten bei der Autovermietung zurückgegeben wurde, wies es Beschädigungen auf. Mietzahlungen leistete der Angeklagte – wie von Anfang an geplant – nicht.
5
2. Nach Anmietung des Fahrzeugs fuhr er mit diesem auf öffentlichen Straßen, ohne im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis zu sein.
6
3. In der Nacht zum 24. Juni 2011 veranlasste der Angeklagte den Inhaber eines bereits geschlossenen Lebensmittelgeschäfts durch Vortäuschen von Kaufabsicht zur erneuten Öffnung des Ladens. Nachdem der Angeklagte das Geschäft betreten hatte, folgten ihm einer vorherigen Absprache gemäß zwei mit schwarzen Tüchern maskierte Mittäter und richteten ihre mitgeführten Pistolen auf den Ladeninhaber. Nachdem dieser, vom Angeklagten dazu aufgefordert , aus Angst die Ladenkasse geöffnet hatte, entnahm ihr der Angeklagte Bargeld in Höhe von etwa 200 €. Ferner steckte er mehrere Stangen Zigaretten und das Mobiltelefon des Ladeninhabers ein, bevor er mit seinen Mittätern das Geschäft verließ und das erbeutete Geld und die Zigaretten zu gleichen Teilen aufteilte.
7
4. Am Nachmittag des 2. August 2011 verwickelte der Angeklagte die in einem Matratzengeschäft allein tätige Verkäuferin unter Vorspiegelung von Kaufinteresse in ein Kundengespräch, bis alle anderen Kunden die Geschäftsräume verlassen hatten. Vom Angeklagten über Mobiltelefon entsprechend informiert , betrat dem zuvor gefassten Tatplan gemäß ein vermummter Mittäter das Geschäft, ging mit einer vorgehaltenen Pistole auf die Verkäuferin zu, lud die Pistole durch und forderte die Aushändigung des Bargeldes. Aus Angst übergab ihm die Verkäuferin die Tageseinnahmen in Höhe von 875 €, mit denen der Mittäter fluchtartig das Geschäft verließ. Danach verließ auch der Angeklagte das Matratzengeschäft; die Beute wurde hälftig aufgeteilt. Die Verkäuferin musste sich auf Grund von Angststörungen in psychiatrische Behandlung begeben.
8
5. Am darauffolgenden Tag gegen 23.30 Uhr betrat der Angeklagte ein Sonnenstudio und verwickelte eine dort tätige Aushilfskraft in ein Gespräch. Wie zuvor abgesprochen, verständigte er über sein Mobiltelefon einen draußen wartenden Mittäter in einem für den geplanten Überfall günstigen Moment. Der vermummte Mittäter betrat daraufhin das Sonnenstudio, lud die Waffe vor dem Angestellten durch und forderte diesen zur Aushändigung der Geldbörse mit den Tageseinnahmen auf. Dem kam der Angestellte nach. Der Mittäter des Angeklagten flüchtete mit der Beute in Höhe von 311 €, die er später mit dem Angeklagten aufteilte.
9
6. Am Nachmittag des darauffolgenden Tages, des 4. August 2011, betrat der Angeklagte, wie zuvor mit seinem Mittäter abgesprochen, erneut das bereits zwei Tage zuvor überfallene Matratzengeschäft. Bei vergleichbarer Vorgehensweise erbeuteten der Angeklagte und sein Mittäter Bargeld in Höhe von 65 € und konnten unerkannt entkommen.
10
7. Am Abend des 2. Dezember 2011 hebelten der Angeklagte und sein Mittäter, der gesondert verfolgte M. H. , die Tür zu einem Bürogebäude am K. in B. auf und entwendeten aus den Räumlichkeiten zwei Laptops samt Zubehör, eine Spardose und eine Geldkassette mit Bargeld in Höhe von etwa 850 € sowie die Fahrzeugschlüssel für einen Pkw Ferrari, um diese Gegenstände für sich zu behalten bzw. gewinnbringend zu verkaufen.
11
8. Anschließend begaben sich beide auf den Hof des Bürogebäudes und entwendeten auf Grund eines neuen Tatentschlusses mit Hilfe der Fahrzeugschlüssel den dort geparkten Pkw Ferrari, um ihn für eigene Zwecke zu benutzen.
12
9. Noch am Abend desselben Tages befuhr der Angeklagte mit diesem Fahrzeug im Beisein seiner Freundin öffentliche Straßen in B. , obwohl er nicht im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis war.
13
10. Zwei Tage später befuhr er mit diesem Pkw erneut öffentliche Straßen , um zu einer Tankstelle in B. -T. zu gelangen.
14
11. Dort betankte er den Pkw Ferrari mit 62,1 Liter Superbenzin zum Preis von 96,16 €, entfernte sich, wie von Anfang an geplant, ohne Bezahlung vom Tankstellengelände und flüchtete mit dem Pkw unter Benutzung öffentlicher Straßen ohne die erforderliche Fahrerlaubnis.
15
12. Am Abend des 23. Februar 2010 überquerte der Angeklagte mit einem Pkw Daimler Benz in der Innenstadt von B. mit unangemessen hoher Geschwindigkeit eine Kreuzung bei für ihn rotem Ampellicht. Zur gleichen Zeit wollte der fast blinde Geschädigte S. bei für ihn grünem Ampellicht die Straße überqueren. Das von dem Angeklagten geführte Fahrzeug erfasste ihn. Durch den Aufprall wurde der Geschädigte durch die Luft geschleudert und schlug auf die Fahrbahn auf. Er erlitt durch die Tat u.a. eine offene Ellenbogenfraktur und beidseitige Unterschenkelfrakturen. Bis Ende August 2010 musste er stationär im Krankenhaus und in einer Rehabilitationseinrichtung behandelt werden und ist seit dem Unfall auf einen Rollstuhl angewiesen. Ambulante ärztliche und therapeutische Behandlungen dauern an.
16
13. Obwohl der Angeklagte den Unfall mit dem Geschädigten bemerkt hatte, setzte er seine Fahrt im öffentlichen Straßenverkehr fort ohne seinen Feststellungspflichten zu genügen.
17
14. Als er noch am Abend desselben Tages von einem Polizeibeamten zu dem Unfall befragt wurde, gab er wahrheitswidrig an, nicht er, sondern sein Bruder sei der Fahrer des Tatfahrzeugs gewesen; er selbst sei lediglich Beifahrer gewesen. Dabei handelte er mit dem Bewusstsein und in der Absicht, von sich selbst als Täter abzulenken und gegen seinen Bruder ein polizeiliches Ermittlungsverfahren einleiten zu lassen. Auch an diesem Tag verfügte der Angeklagte nicht über eine gültige Fahrerlaubnis.
18
15. Obwohl der Angeklagte auch am 14. Februar 2011 nicht über die erforderliche Fahrerlaubnis verfügte, fuhr er bewusst und gewollt mit überhöhter Geschwindigkeit mit einem Kraftfahrzeug in B. auf öffentlichen Straßen.

II.


19
Der Rechtsfolgenausspruch begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
20
1. Die für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte nach dem in der Hauptverhandlung gewonnenen Gesamteindruck gegeneinander abzuwägen ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters. In dessen Strafzumessung kann das Revisionsgericht daher nur dann eingreifen, wenn diese Rechtsfehler aufweist, weil sie einseitig, widersprüchlich oder unvollständig ist, gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder – unter Berücksichtigung des weiten tatrichterlichen Ermessens – nicht mehr als gerechter Schuldausgleich angesehen werden kann. Nur in diesem Rahmen kann eine Verletzung des Gesetzes im Sinne von § 337 Abs. 1 StPO vorliegen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349). Liegt ein solcher Rechtsfehler nicht vor, hat das Revisionsgericht die Strafzumessung des Tatrichters regelmäßig hinzunehmen (BGH, Urteil vom 17. September 1980 – 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 320). Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle der tatrichterlichen Strafzumessung im Revisionsverfahren ist danach ausgeschlossen (Senatsurteil vom 5. April 2007 – 4 StR 5/07, wistra 2007, 341, 342). Das Revisionsgericht kann insbesondere nicht mit der Erwägung, ein strafzumessungserheblicher Umstand sei nicht genügend berücksichtigt worden , seine Bewertung an die Stelle derjenigen des Tatrichters setzen.
21
2. Gemessen daran weist die Strafzumessung des angefochtenen Urteils durchgreifende Rechtsfehler zu Gunsten des Angeklagten auf, die zur Aufhebung des gesamten Rechtsfolgenausspruchs zwingen.
22
a) Bereits die Annahme eines minder schweren Falles des Raubes bzw. der besonders schweren räuberischen Erpressung in den Fällen II. 3, 4, 5 und 6 der Urteilsgründe begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
23
So lässt der knappe Hinweis auf die bisherige Delinquenz, das Bewährungsversagen und das jeweils raffinierte und planvolle Vorgehen nicht erkennen , ob das Landgericht die erforderliche Gesamtwürdigung unter Einbeziehung aller für die Abwägung erheblichen Umstände vorgenommen hat. Dazu gehört hier vor allem die Tatsache, dass der Angeklagte nicht nur einen Raubüberfall begangen hat, sondern dass er kurz danach an drei aufeinanderfolgenden Tagen im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit unterschiedlichen Mittätern ähnliche Taten begangen hat, wobei er die Tatobjekte zur Begehung der Raubüberfälle ausgekundschaftet und die Taten unter Berücksichtigung der jeweils gegebenen Umstände geplant und ausgeführt hat. Dies drängt zu der Annahme, dass die Begehung dieser sowie der nunmehr insgesamt über 80 Straftaten durch den zur Zeit der tatrichterlichen Hauptverhandlung 25-jährigen Angeklagten nicht Ausdruck einer durch häufige Tatbegehung abgesunkenen Hemmschwelle war, sondern auf eine verfestigte rechtsfeindliche Gesinnung und damit auf eine erhöhte kriminelle Intensität schließen lässt, zumal der Angeklagte bislang mehrere Bewährungschancen nicht genutzt und bereits Jugendstrafe verbüßt hat. Dies war auch nicht erst bei der Bildung der Gesamtstrafe zu berücksichtigen. Da die Schuld des Täters in Bezug auf die Einzeltaten durch eine Mehrheit von Taten erhöht werden kann, ist dieser Umstand vielmehr auch bei der Bemessung der Einzelstrafe und schon bei der Er- wägung mit in Betracht zu ziehen, ob jeweils ein minder schwerer Fall bejaht werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 271; Senatsurteil vom 23. Februar 1989 – 4 StR 8/89, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Beurteilungsrahmen 7).
24
Zu Recht beanstandet die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang auch die Erwägung des Landgerichts, zu Gunsten des Angeklagten sei zu berücksichtigen, dass dieser bei den Taten gegenüber den Opfern unmaskiert aufgetreten sei. Damit wird der zu Lasten des Angeklagten berücksichtigte Umstand , er sei bei diesen Taten jeweils raffiniert und planvoll vorgegangen, nicht nur in widersprüchlicher und daher kaum nachvollziehbarer Weise relativiert (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 22. Oktober 1986 – 2 StR 516/86, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 4). Die Formulierung lässt auch besorgen, dass sich die Strafkammer den Blick dafür verstellt hat, dass die fehlende Maskierung gerade Bestandteil des mit erheblicher krimineller Energie erdachten Tatplanes war, wonach die jeweils Geschädigten zunächst durch Vortäuschen von Kaufabsicht in Sicherheit gewiegt werden sollten, um die anschließende Tatausführung unter Ausnutzung des Überraschungsmoments zu erleichtern.
25
b) Sowohl bei der Wahl der Strafrahmen als auch bei der Festsetzung der Einzelstrafen hat das Landgericht jeweils zu Gunsten des Angeklagten die vollzogene Untersuchungshaft berücksichtigt. Untersuchungshaft ist indes, jedenfalls bei Verhängung einer zu verbüßenden Freiheitsstrafe, kein Strafmilderungsgrund , es sei denn, mit ihrem Vollzug wären ungewöhnliche, über die üblichen deutlich hinausgehende Beschwernisse verbunden (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2011 – 1 StR 407/11, NStZ 2012, 147; Urteil vom 19. Mai 2010 – 2 StR 102/10, NStZ 2011, 100; Urteil vom 19. Dezember 2002 – 3 StR 401/02, NStZ-RR 2003, 110, 111). Will der Tatrichter wegen besonde- rer Nachteile für den Angeklagten den Vollzug der Untersuchungshaft bei der Strafzumessung mildernd berücksichtigen, müssen diese Nachteile in den Urteilsgründen dargelegt werden (BGH, Urteil vom 14. Juni 2006 – 2 StR 34/06, NJW 2006, 2645). Daran fehlt es hier, zumal die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten im Wesentlichen seit der Vollstreckung der letzten Jugendstrafe unverändert geblieben sind.
26
c) Soweit das Landgericht den Angeklagten wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung und vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis verurteilt hat (Fall II. 12 der Urteilsgründe ), muss die Rechtsfolge ebenfalls neu zugemessen werden.
27
Die verhängte Einzelstrafe von einem Jahr und zwei Monaten lässt besorgen , dass die Strafkammer dem Maß der persönlichen Schuld des Angeklagten sowie dem Unrechtsgehalt und der Gefährlichkeit der Tat nicht hinreichend Rechnung getragen hat.
28
Das Landgericht hat bei der Festsetzung dieser Strafe eine Reihe von Umständen zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, von denen bereits jeder für sich genommen in erheblichem Maße straferhöhend ins Gewicht fällt. Es hat insbesondere darauf abgestellt, dass der Angeklagte bereits mehrfach einschlägig strafrechtlich in Erscheinung getreten ist und die einer Vorverurteilung zu Grunde liegende Tat „erschreckende Ähnlichkeit“ mit der abgeurteilten Tat aufweist. Auch habe der Angeklagte bei Tatbegehung unter laufender Bewährung gestanden und mehrere Straftatbestände tateinheitlich verwirklicht. "Ganz erheblich strafschärfend" müsse sich ferner auswirken, dass der Geschädigte "in überdurchschnittlicher Weise unter den Tatfolgen leidet" und sich weiterhin umfangreichen ärztlichen und therapeutischen Behandlungen unterziehen müsse. Vor dem Hintergrund dieser Erwägungen ist zu besorgen, dass die Strafkammer mit der Verhängung einer Einzelstrafe im unteren Bereich des zur Verfügung stehenden Strafrahmens unter Verkennung von Tatunrecht und -schuld den dem Tatrichter eingeräumten Beurteilungsrahmen unterschritten hat.
29
d) Zu Recht wendet sich die Beschwerdeführerin auch gegen die Erwägungen , die den Gesamtstrafausspruch des angefochtenen Urteils tragen.
30
Allerdings kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei der Bildung einer Gesamtstrafe strafmildernd ins Gewicht fallen, dass zwischen den einzelnen Taten ein enger zeitlicher, sachlicher und situativer Zusammenhang besteht (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 1995 – 1 StR 463/95, BGHR StGB § 54 Serienstraftaten 3 mwN). Auch bei der Bemessung einer Gesamtstrafe gilt jedoch, dass das Gesetz bei der Strafzumessung "von jedem Sche- matismus …" weit entfernt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt34, 345, 351). Vielmehr richtet es sich nach den Umständen des Einzelfalles, ob der genannte enge Zusammenhang bei der Gesamtstrafenbildung als bestimmender Strafzumessungsgrund im Sinne von § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO maßgeblich zu Gunsten des Täters zu werten und daher ausdrücklich zu erwägen ist oder nicht (BGH, Urteil vom 18. September 1995 aaO). Die strafmildernde Bedeutung dieses Umstandes beruht – etwa im Bereich von Sexualdelikten – darauf, dass die wiederholte Verwirklichung gleichartiger , gegen dasselbe Opfer gerichteter, einer persönlichen Beziehung entspringenden Taten nicht notwendig Ausdruck einer sich steigernden rechtsfeindlichen Einstellung sein muss; vielmehr kann die Hemmschwelle für die späteren Taten von Tat zu Tat niedriger geworden sein (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 1995 aaO).
31
Vor dem Hintergrund der insbesondere zu den Taten des Raubes und der besonders schweren räuberischen Erpressung getroffenen Feststellungen lässt die Auffassung des Landgerichts, wegen des engen zeitlichen und situativen Zusammenhangs dieser (und anderer) Taten sei ein besonders straffer Zusammenzug aller verhängten Einzelstrafen vorzunehmen, hier jedoch einen weiteren Wertungsfehler besorgen. Der Angeklagte hat innerhalb eines sehr kurzen Tatzeitraums, in den Fällen II. 4, 5 und 6 an drei aufeinanderfolgenden Tagen, im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit unterschiedlichen Mittätern insgesamt drei verschiedene Tatobjekte zur Begehung von Raubüberfällen ausgekundschaftet, die Taten unter Berücksichtigung der jeweils gegebenen Umstände vor Ort geplant und in kurzer Folge ausgeführt. Danach liegt die Annahme, gerade diese Taten seien nicht der Ausdruck einer bei dem Angeklagten vorliegenden, sich steigernden rechtsfeindlichen Einstellung, auch angesichts seiner strafrechtlichen Vorbelastung und seines Bewährungsversagens fern.

III.


32
Auf den aufgezeigten Rechtsfehlern kann der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils insgesamt beruhen. Es ist nicht nur anzunehmen, dass der Tatrichter bei rechtsfehlerfreier Strafzumessung in den Fällen II. 3, 4, 5 und 6 nicht zur Annahme minder schwerer Fälle gekommen wäre. Vielmehr ist nicht auszuschließen, dass alle verhängten Einzelstrafen, die Gesamtfreiheitsstrafe und auch die angeordnete Sperrfrist deutlich höher ausgefallen wären.
Mutzbauer Roggenbuck Franke
Quentin Reiter

(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 39/04
vom
15. Juni 2004
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 15. Juni
2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Hebenstreit,
Dr. Graf,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 12. September 2003 werden verworfen. 2. Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen. Der Angeklagte trägt die der Nebenklägerin durch sein Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen. Die dem Angeklagten durch die Revision der Staatsanwaltschaft im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Von Rechts wegen

Gründe:


Dem Angeklagten liegt zur Last, versucht zu haben, seine Ehefrau mit einem Messer mit tiefreichenden Schnitten in beide Unterarme und mit einem Stich in die linke Brust zu töten. Das Landgericht hat ihn deshalb wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vierzehn Jahren verurteilt. Der Angeklagte greift das Urteil mit einer Verfahrensrüge und der Sachrüge insgesamt an; insbesondere rügt er die Annahme, er habe sich eines versuchten Mordes aus sonst niedrigen Beweggründen schuldig gemacht. Die Staatsanwaltschaft hat ihre zu Ungunsten
des Angeklagten eingelegte Revision auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt ; sie wendet sich mit der Sachrüge im wesentlichen dagegen, daß das Landgericht zu der Strafmilderung wegen Versuchs gekommen ist und erstrebt eine Verurteilung des Angeklagten zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Beide Rechtsmittel haben keinen Erfolg.

I.

Die Revision des Angeklagten Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
1. Die Rüge wegen rechtsfehlerhafter Ablehnung eines Beweisantrags auf Anhörung eines weiteren Sachverständigen zur Schuldfähigkeit des Angeklagten ist jedenfalls unbegründet. Weder aus den vorgetragenen Verfahrenstatsachen noch aus den Urteilsgründen ergeben sich Zweifel an der Sachkunde des angehörten Sachverständigen Dr. W. oder der Richtigkeit seines Gutachtens. Nach den Urteilsgründen hat sich der Sachverständige vielmehr ausführlich mit einem möglichen Einfluß des vom Angeklagten behaupteten Schädelhirntraumas auf die Schuldfähigkeit sowie mit dessen Herkunft und sozialer Integration in Deutschland auseinandergesetzt und im einzelnen ausgeführt , weshalb sich aus psychiatrischer Sicht beides nicht auf die Begehung der Tat ausgewirkt hat. Der Beschwerdeführer zeigt auch nicht auf, welche konkreten Beweisergänzungen mit einem weiteren Gutachten zu erzielen wären (§ 244 Abs. 2 StPO). Sein Vorbringen erschöpft sich vielmehr in revisionsrechtlich unbeachtlichen Angriffen auf die in den Urteilsgründen niedergelegte tatrichterliche Würdigung der Tatsachen, aufgrund derer die Strafkammer zur Annahme der uneingeschränkten Schuldfähigkeit gelangt ist.

2. Die Sachrüge hat keinen Rechtsfehler ergeben. Der Erörterung bedarf nur folgendes: Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Beweggründe niedrig, wenn sie als Motive einer Tötung nach allgemeiner sittlicher Würdigung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verachtenswert sind. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich aufgrund einer Gesamtwürdigung, welche die Umstände der Tat, die Lebensverhältnisse des Täters und seine Persönlichkeit einschließt (BGHSt 35, 116, 127; BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 23 und 39). Nach den Feststellungen war Beweggrund des Angeklagten, seiner Ehefrau, die sich in Deutschland besser integriert hatte als er, das Recht abzusprechen, ihr Leben eigenverantwortlich zu gestalten und sich von ihm zu trennen, ferner sein ausgeprägtes Besitzdenken und sein rücksichtsloser Eigennutz. Aus Wut und Verärgerung über die von seiner Ehefrau ausgesprochene Trennung fühlte er sich in seinem Stolz gekränkt, weil er als Familienoberhaupt aus der Wohnung gewiesen, mit einem Kontaktverbot belegt und zu Unterhaltszahlungen aufgefordert wurde. Er ging davon aus, seine Ehefrau habe ihr Leben verwirkt, weil sie sich von ihm trennen wollte. Dafür wollte er sie bestrafen und erhob sich gleichsam als "Vollstrecker eines Todesurteils" über die Rechtsordnung und das Lebensrecht seiner Frau (UA S. 33). Die Gefühle der Demütigung und Kränkung wurden dabei überlagert von Gefühlen des Neides, des Hasses und dem Wunsch, seine Ehefrau körperlich zu zerstören. Seine Ehefrau hatte dabei objektiv keinen begründeten Anlaß zu Haßgefühlen und Eifersucht gegeben.
Die Kammer hat rechtsfehlerfrei dargelegt, daß dem Angeklagten bewußt war, daß seine Motive auf sittlich tiefster Stufe stehen und verachtenswert sind. Der Hinweis des Beschwerdeführers auf das Urteil des Bundesgerichts-
hofs vom 20. Februar 2002 - 5 StR 545/01 - NStZ 2002, 368 geht fehl, weil die Entscheidung einen anderen Sachverhalt betraf.
Das Landgericht hat auch eine mögliche tatbestimmende eigene Suizidalität des Angeklagten rechtsfehlerfrei ausgeschlossen. Die hiergegen gerichteten Angriffe des Beschwerdeführers sind revisionsrechtlich unbeachtlich. Sie erschöpfen sich darin, die Wertung des hierzu berufenen Tatrichters durch eine eigene abweichende Bewertung zu ersetzen. Einen Rechtsfehler zeigen sie hingegen nicht auf.

II.

Die Revision der Staatsanwaltschaft 1. Die Entscheidung des Landgerichts, im Falle des versuchten Mordes (hier in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung) von der Strafmilderungsmöglichkeit nach § 23 Abs. 2 in Verbindung mit § 49 Abs. 1 StGB Gebrauch zu machen, hält rechtlicher Prüfung stand.
a) Die rechtsfehlerfreie Anwendung des § 23 Abs. 2 StGB verlangt eine Gesamtschau, die neben der Persönlichkeit des Täters die Tatumstände im weitesten Sinne und dabei insbesondere die versuchsbezogenen Gesichtspunkte einbezieht wie Nähe zur Tatvollendung, Gefährlichkeit des Versuchs und eingesetzte kriminelle Energie (vgl. BGHSt 16, 351, 353; 35, 347, 355f.; BGHR StGB § 23 Abs. 2 Strafrahmenverschiebung 1, 2, 4, 5, 8, 9, 11 und 12). Eine sorgfältige Abwägung dieser Umstände, auch soweit sie für den Täter sprechen, ist namentlich dann geboten, wenn von der Entschließung über die versuchsbedingte Milderung die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe ab-
hängt (BGHR StGB § 23 Abs. 2 Strafrahmenverschiebung 8 und § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 21).
b) Die Strafkammer hat ausgeführt, sie habe die Strafmilderung aufgrund der notwendigen Gesamtbetrachtung aller Tatumstände und der Täterpersönlichkeit nach reiflicher Überlegung vorgenommen, wobei sie den wesentlichen versuchsbezogenen Umständen besonderes Gewicht beigemessen habe. Sie habe entscheidend auf die Nähe zur Tatvollendung, die Gefährlichkeit des Versuchs und das Maß der in ihm zutage getretenen kriminellen Energie abgestellt. Die Nähe zur Tatvollendung sei hier gegeben; die Geschädigte habe viel Blut verloren und wäre ohne sofortige Notoperation innerhalb weniger Minuten verblutet. Die kriminelle Energie sei hoch; es handele sich um eine vorangekündigte Tat, die der Angeklagte umsichtig und wohl überlegt durchgeführt habe. Die Tatausführung sei sadistisch und brutal gewesen. Der Angeklagte habe seine Ehefrau in Tötungsabsicht an beiden Handgelenken tiefreichende Schnittwunden zugefügt und dabei die Ellenarterien, die Sehnen und Nerven durchtrennt. Er habe sich bei seinen Handlungen weder durch die Schreie seiner Ehefrau noch durch seine hinzutretende Tochter beeindrucken lassen und habe seinen Tötungsversuch mit gefühlskalten Kommentaren wie “So, jetzt müssen wir ins Herz gehen! So, bist Du schon verreckt? So ist gut!“ fortgesetzt. Zur Begründung ihrer Entscheidung hat das Landgericht ausgeführt: „Das entscheidende Kriterium, das die Kammer letztlich bewogen hat, doch von der Milderungsmöglichkeit Gebrauch zu machen, sind die erstaunlich geringen Folgen der Tat bei der Geschädigten. Sie trägt sichtbare Narben, ist in der Bewegungsfähigkeit ihrer Arme und Hände eingeschränkt und leidet unter gelegentlichem Stimmverlust. Bei der brutalen Vorgehensweise des Angeklagten und dem entstandenen Verletzungsbild sind weit schlimmere Folgen denkbar,
wie völliger Verlust der Bewegungsfähigkeit der oberen Extremitäten oder gar hirnorganische Schäden bedingt durch den hohen Blutverlust" (UA S. 37/38). 2. Der Beschwerdeführerin ist zuzugeben, daß diese Formulierung für sich gesehen eher gegen die vorgenommene Strafrahmenverschiebung spricht. Im Rahmen der von der Strafkammer angestellten Gesamtwürdigung ist aber nicht zu besorgen, daß sie sich mit der Betonung des ausgebliebenen Erfolgs-unwerts den Blick auf die Bedeutung und Tragweite der festgestellten versuchsbezogenen Umstände verstellt hat. Die Strafkammer hat alle wesentlichen straferschwerenden Gesichtspunkte , die für oder gegen eine Versagung der Versuchsmilderung sprechen können, gesehen und gewertet. Wenn die Kammer im Bewußtsein der Problematik einer sonst zwingenden Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe gleichwohl als letztlich ausschlaggebend für eine Strafmilderung nach den §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB erachtet hat, daß es bei hohem Handlungsunwert (glücklicherweise) „nur“ zu einem sich im Rahmen haltenden Erfolgsunwert gekommen ist, hält sich dies noch innerhalb des Spielraums, der dem Tatrichter bei der Strafzumessung eingeräumt ist. Bei der Gewichtung der für die Strafzumessung wesentlichen Umstände können Gesichtspunkte eine entscheidende Rolle spielen, die aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung und dem Eindruck von der Persönlichkeit des Angeklagten gewonnen worden und einer exakten Richtigkeitskontrolle entzogen sind. Das Revisionsgericht nimmt die Strafzumessung des Tatrichters bis an die Grenze des Vertretbaren hin, (vgl.
BGHSt 27, 2, 3; 29, 319, 320; jeweils m. w. Nachw.). Rechtsfehler, die ein Eingreifen des Revisionsgerichts ermöglichen und zugleich notwendig machen würden, läßt die Entscheidung der Strafkammer für eine Versuchsmilderung nicht erkennen. Nack Wahl Boetticher Hebenstreit Graf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 287/13
vom
11. September 2013
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. September
2013, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Schmitt,
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
Zeng,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 4. März 2013 werden verworfen; jedoch wird der Schuldspruch dahingehend ergänzt, dass der Angeklagte wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit besonders schwerem Raub, schwerer Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung verurteilt ist. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels sowie die der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last. Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit schwerem Raub, schwerer Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vierzehn Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil richten sich die Revision des Angeklagten und die zu seinen Ungunsten eingelegte, auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft ; beide Rechtsmittel haben keinen Erfolg.

I.

2
Nach den Feststellungen leidet der zur Tatzeit 46-jährige Angeklagte seit 1991 unter Spielsucht, weshalb er in der Vergangenheit mehrere stationäre und ambulante Therapien ohne nachhaltigen Erfolg absolviert hat. Infolge exzessiven Spielens verlor er mehrfach seinen Arbeitsplatz und häufte Schulden in Höhe von ca. 50.000 € an; dies führte im November 2011 auch zur Trennung von seiner Ehefrau und den vier gemeinsamen Kindern.
3
Am 22. Mai 2012 hatte sich der Angeklagte unter einem Vorwand von seinem damaligen Arbeitgeber einen Vorschuss von 500 € erschwindelt, den er im Verlaufe des Abends und der Nacht in seiner Stamm-Spielhalle " " vollständig verspielte. Einzige Spielhallenaufsicht in dieser Nacht war die 47-jährige Nebenklägerin, die ihren Dienst in einem durch Glasscheiben umgebenen Aufsichtsrondell versah. Gegen 5 Uhr morgens kurz vor Schließen der Spielhalle entschloss sich der Angeklagte als letzter Gast, die Nebenklägerin zu überfallen, um mit der erhofften Beute in einer anderen Spielhalle weiter spielen zu können. Im Bereich der Herrentoilette spiegelte er Kreislaufprobleme vor und lockte so die Nebenklägerin aus dem Aufsichtsrondell. Diese stützte den Angeklagten , half ihm, sich auf den Boden zu setzen und holte ihm ein Glas Wasser. Diese Situation nutzte der Angeklagte zum Überfall aus, indem er aufsprang, die Geschädigte würgte und in einen von der optischen Überwachungsanlage nicht erfassten Bereich der Spielhalle zerrte. Dort schlug er - den Tod der Geschädigten billigend in Kauf nehmend - diese mit zwei wuchtigen Faustschlägen ins Gesicht zu Boden, ergriff ihren Kopf und schlug diesen mehrfach gegen die Wand und auf den Boden. Anschließend trat er ihr noch zweimal mit dem beschuhten Fuß gegen den Kopf, drehte sein bewusstloses Opfer auf den Bauch und fesselte es für den unerwarteten Fall der Wiedererlangung des Bewusstseins. Die aus den Kopfverletzungen und dem Ohr blutende Geschädigte erlitt infolge der Schläge und Tritte u.a. eine Mittelgesichts- und Nasenbeinfraktur. Durch das Aufschlagen des Kopfes gegen Wand und Boden entstand ein schwerstes Schädel-Hirntrauma, weshalb akute Todesgefahr bestand. Dem Angeklagten, der die Schwere der Verletzungen erkannte, war bewusst, dass die Geschädigte ohne medizinische Hilfe alsbald versterben würde. Gleichwohl setzte er den Überfall fort, indem er aus dem offenstehenden Aufsichtsrondell Münzgeld im Wert von 290 € sowie die Handtasche der Geschädigten mit Ausweispapieren , Handy und Portemonnaie an sich nahm, bevor er wegen des Eintreffens einer weiteren, zum Schichtwechsel eintreffenden Spielhallenaufsicht fluchtartig das " " verließ. Anschließend fuhr er zu einer anderen Spielhalle, wo er mit dem erbeuteten Geld das Glücksspiel an Automaten fortsetzte. Im Verlaufe des Morgens veränderte er sein Aussehen, indem er neue Kleidung erwarb und sich eine Glatze rasieren sowie den Bart abnehmen ließ. Am darauffolgenden Tag nahm der Angeklagte auf Betreiben seiner Familie von der bereits vorbereiteten Flucht in die Türkei Abstand und stellte sich den Behörden.
4
Die Geschädigte befindet sich seit dem Überfall im Wachkomazustand und ist vollständig auf Pflege angewiesen. Eine Besserung ihres Zustandes ist nicht zu erwarten.

II.

5
1. Die Revision des auch zur subjektiven Seite umfassend geständigen Angeklagten bleibt ohne Erfolg.
6
Der Schuldspruch ist frei von Rechtsfehlern und bedarf nur insoweit der Klarstellung, dass der Angeklagte wegen eines tateinheitlich begangenen besonders schweren Raubes verurteilt ist. Auch der Strafausspruch ist nicht zu beanstanden. Die Strafkammer hat im Grundsatz zutreffend berücksichtigt, dass der Angeklagte vier Straftatbestände in jeweils mehreren Varianten verwirklicht hat, so den versuchten Mord mit dem Merkmal der Habgier, der Heimtücke und in Ermöglichungsabsicht, den besonders schweren Raub in den Alternativen des § 250 Abs. 2 Nr. 3 a und b StGB, die schwere Körperverletzung gemäß § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB in den Tatbestandsalternativen Siechtum, Lähmung und geistige Behinderung sowie die gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 5 StGB.
7
Soweit das Landgericht verkannt hat, dass § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB von § 250 Abs. 2 Nr. 3 b StGB verdrängt wird (BGH NStZ 2006, 449), schließt der Senat aus, dass die Strafkammer bei zutreffender rechtlicher Einordnung auf eine niedrigere Freiheitsstrafe erkannt hätte.
8
2. Die wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3) ist ebenfalls unbegründet.
9
Dass die Strafkammer hier eine Strafrahmenverschiebung gemäß § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB vorgenommen und eine zeitige Freiheitsstrafe von vierzehn Jahren verhängt hat, ist im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
10
Dem Revisionsführer ist darin zuzustimmen, dass die rechtsfehlerfreie Anwendung des § 23 Abs. 2 StGB eine Gesamtschau verlangt, die neben der Persönlichkeit des Täters die Tatumstände im weitesten Sinne und dabei insbesondere auch die versuchsbezogenen Gesichtspunkte wie Nähe zur Tatvollendung , Gefährlichkeit des Versuchs und eingesetzte kriminelle Energie einbezieht. Eine sorgfältige Abwägung dieser Umstände, auch soweit sie für den Täter sprechen, ist namentlich dann geboten, wenn von der Entschließung über die versuchsbedingte Milderung die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe abhängt (BGH NStZ 2004, 620).
11
Diesen Anforderungen genügt die vom Landgericht vorgenommene Gesamtabwägung im Ergebnis [noch]. Die Revision beanstandet, die Strafkammer habe bei der Abwägung, ob eine Strafrahmenmilderung vorzunehmen ist, als für den Angeklagten sprechenden Umstand gewertet, dass "die Tat im Hinblick auf den Tatbestand des Mordes unvollendet blieb". Eine solche Erwägung lässt für sich genommen befürchten, die Strafkammer habe verkannt, dass die Nichtvollendung der Tat Grundvoraussetzung für die Eröffnung des Ermessensspielraums des Tatrichters ist und keinen ermessensbestimmenden Faktor innerhalb der vorzunehmenden Gesamtwürdigung darstellt. Ob dieser Formulierung tatsächlich ein solch rechtsfehlerhaftes Verständnis seitens des Landgerichts zugrundeliegt , kann hier jedoch dahinstehen. Jedenfalls schließt der Senat ein Beruhen des Urteils auf dieser Erwägung aus. Das Landgericht hat ausdrücklich in seine Abwägung einbezogen, dass "das Erfolgsunrecht der Tat sehr nah an dasjenige des vollendeten Mordes heranreicht." Gleichzeitig hat es jedoch auch eine Vielzahl gravierender, zu Gunsten des Angeklagten sprechender Umstände festgestellt. So ist der Angeklagte nicht vorbestraft und hat ein sozial integriertes Leben geführt. Es handelte sich um eine Spontantat mit geringer Beute, bei der der Angeklagte infolge seiner Spielsucht zwar nicht erheblich in seiner Steuerungsfähigkeit eingeschränkt, wohl aber enthemmt war. Nach der Tat hat er sich der Polizei gestellt und ein von Reue und Einsicht getragenes umfassendes Geständnis auch zur subjektiven Seite abgelegt. Schließlich hat er sich in der Hauptverhandlung entschuldigt und zur Wiedergutmachung die Zahlung eines nicht unerheblichen Geldbetrages angeboten.
12
Auch soweit die Strafkammer bei der Strafzumessung im engeren Sinne nochmals - mit gemindertem Gewicht - zu Gunsten des Angeklagten gewertet hat, dass die Tat unvollendet blieb, führt dies nicht zur Aufhebung des Strafausspruchs. Zwar kann innerhalb eines Strafrahmens, der wegen Versuchs gemildert worden ist, allein der Umstand, dass ein Versuch vorliegt, keine Bedeutung für die Findung der angemessenen Strafe entfalten (BGH NStZ 1990, 30). Allerdings schließt der Senat im Hinblick auf die bereits geschilderten, auch hier zu Gunsten des Angeklagten sprechenden gravierenden Milderungsgründe aus, dass die Strafkammer innerhalb des bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe reichenden Strafrahmens eine höhere Freiheitsstrafe als 14 Jahre verhängt hätte. Appl Schmitt Krehl Eschelbach Zeng
5 StR 441/02

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 22. Oktober 2002
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Oktober 2002

beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten C C und S C wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 23. April 2002 nach § 349 Abs. 4 StPO in den Strafaus- sprüchen gegen beide Angeklagte mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die weitergehenden Revisionen beider Angeklagten werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten C C wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Ausüben der tatsächlichen Gewalt über eine halbautomatische Selbstladekurzwaffe sowie in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Die Angeklagte S C hat das Landgericht wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die Revisionen beider Angeklagten sind, soweit die Rechtsmittel sich gegen die Schuldsprüche richten, aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 24. September 2002 unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Jedoch können die Strafaussprüche gegen beide Angeklagte aus sachlichrechtlichen Gründen keinen Bestand haben.
1. Betreffend den Angeklagten C C hat der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt: „Die Höhe der verhängten Freiheitsstrafe erweist sich als nicht ausreichend begründet und begegnet im Hinblick auf das Erfordernis eines gerechten Schuldausgleichs durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, daß die Strafzumessung grundsätzlich Sache des Tatrichters ist. Er allein ist in der Lage, sich auf Grund der Hauptverhandlung einen umfassenden Eindruck von Tat und Täter zu verschaffen. Das Revisionsgericht kann nur eingreifen, wenn Rechtsfehler vorliegen, insbesondere wenn der Strafrichter von einem falschen Strafrahmen ausgegangen ist, seine Strafzumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind oder rechtlich anerkannte Strafzwecke außer acht gelassen haben oder wenn sich die Strafe von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit nach oben oder unten inhaltlich löst, daß ein grobes Mißverhältnis zwischen Schuld und Strafe besteht (BGHSt 17, 35, 36/37; 29, 319, 320 jeweils m. w. N.; BGHR StGB § 46 Abs. 1 Beurteilungsrahmen 1). Dabei kann die Höhe der vom Tatrichter für den konkreten Fall bestimmten Strafe vom Revisionsgericht anhand der im Urteil dargelegten Umstände grundsätzlich nicht ohne weiteres nachgeprüft werden. Je mehr sich die im Einzelfall verhängte Strafe aber dem unteren oder oberen Rand des zur Verfügung stehenden Strafrahmens nähert, umso höher sind die Anforderungen, die an eine umfassende Abwägung und eine erschöpfende Würdigung der für die Bemessung der Strafe maßgeblichen straferschwerenden und strafmildernden Umstände zu stellen sind (BGHR StGB § 46 Abs. 1 Strafhöhe 2; BGHR StGB § 222 Strafzumessung 1; BGH StV 1983, 102; 1986, 57).
Nach diesen Grundsätzen sind die Strafzumessungserwägungen des angefochtenen Urteils nicht rechtsbedenkenfrei. Das Landgericht hat zugunsten des Angeklagten bei der Strafzumessung insbesondere sein jugendliches Alter berücksichtigt, ebenso die fehlenden Vorstrafen sowie sein Teilgeständnis , die Tatsache, daß Grundlage der Aburteilung ein durch den Einsatz einer Vertrauensperson der Polizei angeschobenes Scheingeschäft war, daß die Betäubungsmittel sichergestellt werden konnten und damit eine Gefährdung der Allgemeinheit ausgeblieben ist. Ob diese gewichtigen Strafmilderungsgründe für die Strafkammer hätten Veranlassung bieten müssen, schon die Voraussetzungen eines minder schweren Falles im Sinne des § 30a Abs. 3 BtMG anzunehmen, kann letztlich dahinstehen. Jedenfalls fehlt es angesichts dieser Milderungsgründe unter dem Gesichtspunkt des gerechten Schuldausgleichs an einer ausreichenden Begründung der Strafhöhe (acht Jahre Freiheitsstrafe). Diese war hier umso mehr erforderlich, weil sich die erhöhte Gefährlichkeit, der § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG seinem Zweck nach in Fällen bewaffneter Betäubungsmittelgeschäfte begegnen soll, eher im unteren Bereich denkbarer Fallgestaltungen hielt und der Reinheitsgehalt der sichergestellten Betäubungsmittel jedenfalls nicht ungewöhnlich hoch war.“ 2. Auch den Strafausspruch gegen die Angeklagte S C , die Ehefrau des Angeklagten C C , vermag der Senat – insoweit anders als der Generalbundesanwalt – nicht als rechtsfehlerfrei zu erachten.
Das Landgericht hat das Vorliegen eines minder schweren Falles im Sinne des § 29a Abs. 2 BtMG verneint. Es hat zur Begründung dessen zwar eine Vielzahl von Gesichtspunkten, die für oder gegen eine Strafrahmenverschiebung sprechen, gegeneinander abgewogen. Gleichwohl besorgt der Senat, daß das Landgericht dabei mit der Argumentation, daß die Angeklagte „bei der Tatbegehung unter dem Einfluß ihres Ehemannes stand und ihr Tatbeitrag als gering einzustufen ist“, die Besonderheiten des Falles nicht hinreichend berücksichtigt hat. Die Angeklagte war vom Rauschgifthandel ihres Ehemannes überrascht und forderte ihn auf, das Heroin sofort aus der Wohnung zu schaffen. Nachdem sie eine Teilmenge des Rauschgiftes in einer Kammer der Wohnung verstaut hatte, war sie nur sehr kurze Zeit – in der Größenordnung allenfalls weniger Stunden – im Besitz des Rauschgiftes. Dem besonderen Konflikt zwischen dem gesetzlichen Verhaltensgebot und dem orientalisch geprägten Autoritätsverhältnis zwischen den beiden Angeklagten trägt die Wendung, daß die Angeklagte „unter dem Einfluß ihres Ehemannes stand“, nicht hinreichend Rechnung.
Der Senat kann nicht ausschließen, daß das Landgericht bei Annahme eines minder schweren Falles zu einer milderen Strafe gelangt wäre.
Harms Häger Basdorf Gerhardt Raum

Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

(1) Eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten verhängt das Gericht nur, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerläßlich machen.

(2) Droht das Gesetz keine Geldstrafe an und kommt eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten oder darüber nicht in Betracht, so verhängt das Gericht eine Geldstrafe, wenn nicht die Verhängung einer Freiheitsstrafe nach Absatz 1 unerläßlich ist. Droht das Gesetz ein erhöhtes Mindestmaß der Freiheitsstrafe an, so bestimmt sich das Mindestmaß der Geldstrafe in den Fällen des Satzes 1 nach dem Mindestmaß der angedrohten Freiheitsstrafe; dabei entsprechen dreißig Tagessätze einem Monat Freiheitsstrafe.

(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.

(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.

(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.

(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.