Bundesgerichtshof Urteil, 08. Nov. 2018 - 4 StR 269/18

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:081118U4STR269.18.0
bei uns veröffentlicht am08.11.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 269/18
vom
8. November 2018
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen schweren Raubes u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:081118U4STR269.18.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8. November 2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, Richter am Bundesgerichtshof Cierniak, Bender, Dr. Feilcke als beisitzende Richter,
Staatsanwalt als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger des Angeklagten B. ,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger des Angeklagten R. ,
Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten T. ,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Vertreter des Nebenklägers,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 7. November 2017
a) in den Gesamtstrafenaussprüchen gegen die Angeklagten R. und T. und
b) im Strafausspruch gegen den Angeklagten B.
mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten R. wegen schweren Raubes unter Auflösung einer Gesamtstrafe und Einbeziehung der Strafen aus drei Vorverurteilungen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen den Angeklagten B. hat es wegen schweren Raubes die Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verhängt. Den Angeklagten T. hat es des schweren Raubes und des Wohnungseinbruchdiebstahls schuldig gesprochen und ihn unter Einbeziehung der Strafe aus einer anderweitigen Verurteilung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Schließlich hat es gegen alle Angeklagten die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Mit ihren jeweils auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen, die vom Generalbundesanwalt vertreten werden, beanstandet die Staatsanwaltschaft die Gesamtstrafenaussprüche gegen die Angeklagten R. und T. sowie den von der Strafkammer bei der Bemessung der Freiheitsstrafe gegen den Angeklagten B. vorgenommenen Härteausgleich.
2
Die Revisionen haben Erfolg.

I.


3
1. Nach den Feststellungen begingen die drei Angeklagten am 20. August 2014 gemeinschaftlich einen schweren Raub. Der Angeklagte T. verübte des Weiteren am 12. Mai 2016 einen Wohnungseinbruchdiebstahl. Nach dem 20. August 2014 traten sämtliche Angeklagten mehrfach mit weiteren Verurteilungen strafrechtlich in Erscheinung.
4
a) Gegen den Angeklagten R. verhängte das Amtsgericht Hagen am 29. Juni 2015 wegen Diebstahls, versuchten Diebstahls und Körperverletzung die Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten, deren Vollstreckung es für drei Jahre zur Bewährung aussetzte. Wegen eines am 21. August 2014 begangenen Diebstahls wurde der Angeklagte vom Amtsgericht Arnsberg am 10. September 2015 zu der Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt, die er durch Ratenzahlung teilweise bezahlte. Schließlich erkannte das Amtsgericht Dortmund mit Strafbefehl vom 10. April 2017 wegen eines weiteren am 16. Dezember 2016 verübten Diebstahls auf die Geldstrafe von 80 Tagessätzen. Die Vollstreckung dieser Geldstrafe ist bislang zurückgestellt.
5
b) Den Angeklagten B. verurteilte das Amtsgericht Arnsberg am 8. September 2014 wegen Diebstahls geringwertiger Sachen in zwei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte. Nach dem Widerruf der Vollstreckungsaussetzung verbüßte der Angeklagte einen Teil der Strafe vom 26. September 2017 bis 2. November 2017. Die Reststrafe wurde im Zuge der jährlichen Weihnachtsamnestie erlassen. Am 7. April 2015 und 7. Dezember 2015 erkannte das Amtsgericht Arnsberg gegen den Angeklagten wegen Körperverletzung bzw. unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Nötigung jeweils auf Geldstrafen zu 60 Tagessätzen, die durch Vollstreckung der jeweiligen Ersatzfreiheitsstrafen erledigt sind.
6
c) Gegen den Angeklagten T. verhängte das Amtsgericht Arnsberg mit Strafbefehl vom 9. Oktober 2014 wegen Diebstahls geringwertiger Sachen die Freiheitsstrafe von drei Monaten und setzte die Vollstreckung zur Bewährung aus. Nach dem Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung wurde die Vollstreckung nach § 35 BtMG zurückgestellt. Schließlich verurteilte das Amts- gericht Arnsberg den Angeklagten am 30. November 2015 wegen Sachbeschädigung zu der Geldstrafe von 40 Tagessätzen, die durch Ratenzahlung erledigt ist.
7
2. Das Landgericht hat gegen den Angeklagten R. wegen der Raubtat am 20. August 2014 eine Einzelfreiheitsstrafe von drei Jahren verhängt und unter Einbeziehung der Einzelstrafen von vier Monaten und zweimal drei Monaten aus der Entscheidung des Amtsgerichts Hagen vom 29. Juni 2015, der Geldstrafe von 60 Tagessätzen aus der Entscheidung des Amtsgerichts Arnsberg vom 10. September 2015 und der Geldstrafe von 80 Tagessätzen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Dortmund vom 10. April 2017 eine nachträgliche Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten gebildet.
8
Gegen den Angeklagten B. hat es auf die Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten erkannt, wobei es für die infolge Erledigung nicht mehr mögliche Einbeziehung der drei Strafen aus den Entscheidungen des Amtsgerichts Arnsberg vom 8. September 2014, 7. April 2015 und 7. Dezember 2015 in eine nachträgliche Gesamtstrafe einen Härteausgleich von drei Monaten vorgenommen hat.
9
Schließlich hat die Strafkammer gegen den Angeklagten T. Einzelfreiheitsstrafen von zwei Jahren und neun Monaten für die Raubtat am 20. August 2014 und acht Monaten für den Wohnungseinbruchdiebstahl am 12. Mai 2016 verhängt und aus diesen Einzelstrafen und der Freiheitsstrafe von drei Monaten aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Arnsberg vom 9. Oktober 2014 die Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren gebildet. Für die durch Bezahlung erledigte Geldstrafe von 40 Tagessätzen aus dem Erkenntnis des Amtsge- richts Arnsberg vom 30. November 2015 hat es bei der Bemessung der Gesamtfreiheitsstrafe einen Härteausgleich von einem Monat gewährt.

II.


10
Die die Angeklagten R. und T. betreffenden Revisionen sind wirksam auf die jeweiligen Gesamtstrafenaussprüche beschränkt.
11
Das Rechtsmittel bezüglich des Angeklagten B. richtet sich gegen den Strafausspruch. Zwar hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift auch die Revision hinsichtlich des Angeklagten B. ausdrücklich auf den Gesamtstrafenausspruch beschränkt. Die Bedeutung dieser Erklärung ist aber bereits deshalb unklar, weil das Landgericht gegen diesen Angeklagten nicht auf eine Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hat. Sie ist zudem nicht mit den weiteren Ausführungen in der Antragsschrift in Einklang zu bringen, mit denen sich der Generalbundesanwalt gegen den von der Strafkammer vorgenommenen Härteausgleich bei der Bemessung der für die Raubtat verhängten Freiheitsstrafe wendet. Auch die beschwerdeführende Staatsanwaltschaft hat in ihrer Revisionsbegründung unter anderem die fehlende Nachvollziehbarkeit des gewährten Härteausgleichs beanstandet. Die bei sich widersprechenden Ausführungen zum Angriffsziel zur Bestimmung der Reichweite des Revisionsangriffs gebotene Auslegung der Rechtsmittelerklärungen (vgl. BGH, Urteile vom 2. Februar 2017 – 4 StR 481/16, NStZ-RR 2017, 105, 106; vom 18. Dezember 2014 – 4 StR 468/14, NStZ-RR 2015, 88; Beschluss vom 28. Januar 2014 – 4 StR528/13, NJW 2014, 871; Franke in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 344 Rn. 9 f. mwN) ergibt, dass sich die den Angeklagten B. betreffende Revision der Staatsanwaltschaft gegen den Strafausspruch richtet. Diese Beschränkung ist wirksam.

III.


12
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft haben in vollem Umfang Erfolg. Sowohl die Gesamtstrafenaussprüche gegen die Angeklagten R. und T. als auch der Härteausgleich bei der den Angeklagten B. betreffenden Strafzumessung begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
13
1. Nach der Vorschrift des § 55 StGB ist unter Anwendung der §§ 53 und 54 StGB nachträglich eine Gesamtstrafe zu bilden, wenn ein bereits rechtskräftig Verurteilter vor Erledigung der gegen ihn erkannten Strafe wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Diese Regelung soll ihrem Grundgedanken nach sicherstellen, dass Taten, die bei gemeinsamer Aburteilung nach den §§ 53, 54 StGB behandelt worden wären, auch bei getrennter Aburteilung dieselbe Behandlung erfahren, sodass der Täter im Ergebnis weder besser noch schlechter gestellt ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 16. Dezember 1954 – 3 StR 189/54, BGHSt 7, 180, 181; Beschlüsse vom 7. Dezember 1983 – 1 StR 148/83, BGHSt 32, 190, 193; vom 9. November 2010 – 4 StR 441/10, StV 2011, 158; Rissing-van Saan in LK-StGB, 12. Aufl., § 55 Rn. 2). Hierbei kommt es maßgeblich allein auf die materielle Rechtslage und nicht auf die verfahrensrechtliche Situation an (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Dezember 1983 – 1 StR 148/83, aaO; vom 22. Februar 2012 – 4 StR 22/12, wistra 2012, 221). Folgen der Beendigung der neu abgeurteilten Tat mehrere Verurteilungen des Täters nach, ist bei der Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe von der frühesten nicht erledigten Verurteilung auszugehen. Dieser Verurteilung kommt regelmäßig – von hier nicht vorliegenden Ausnahmekonstellationen abgesehen – eine Zäsurwirkung zu (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. November 2003 – 2 StR 394/03, NStZ-RR 2004, 137; vom 28. Juli 2006 – 2 StR 215/06, NStZ 2007, 28; vom 11. April 2018 – 4 StR 53/18 Rn. 4; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 55 Rn. 11 mwN).
14
2. Nach diesen Grundsätzen können die Gesamtstrafenaussprüche gegen die Angeklagten R. und T. nicht bestehen bleiben.
15
a) Hinsichtlich des Angeklagten R. hat das Landgericht neben der Freiheitsstrafe für die am 20. August 2014 begangene Raubtat zu Recht die (Einzel-)Strafen aus den Entscheidungen des Amtsgerichts Hagen vom 29. Juni 2015 und des Amtsgerichts Arnsberg vom 10. September 2015 zur Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe herangezogen, weil sämtliche Taten vor dem noch nicht erledigten Erkenntnis des Amtsgerichts Hagen vom 29. Juni 2015 beendet wurden. Dagegen besteht hinsichtlich der Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Dortmund vom 10. April 2017 – wie die Strafkammer ausweislich der Urteilsgründe selbst erkannt hat – keine Gesamtstrafenlage. Denn die dort abgeurteilte Tat wurde erst am 16. Dezember 2016 und damit nach der zäsurbildenden Entscheidung des Amtsgerichts Hagen vom 29. Juni 2015 begangen. Die Geldstrafe von 80 Tagessätzen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Dortmund vom 10. April 2017 hätte daher bestehen bleiben müssen. Dies hat die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs zur Folge, die, da der Angeklagte durch die Einbeziehung der Geldstrafe in eine Gesamtfreiheitsstrafe beschwert ist, auch zugunsten des Angeklagten wirkt.
16
b) Bei dem Angeklagten T. hat die Strafkammer übersehen, dass der Wohnungseinbruchdiebstahl am 12. Mai 2016 zeitlich nach der noch nicht erledigten Verurteilung durch das Amtsgericht Arnsberg vom 9. Oktober 2014 erfolgte. Sie hätte daher die für den Wohnungseinbruchdiebstahl verhängte Freiheitsstrafe von acht Monaten nicht in die gebildete Gesamtfreiheitsstrafe einbeziehen dürfen. Ferner war – selbst für den Fall, dass die Verurteilungen durch das Amtsgericht Arnsberg vom 9. Oktober 2014 und 30. November 2015 untereinander gesamtstrafenfähig waren – kein Härteausgleich veranlasst, weil die Geldstrafe durch Zahlung erledigt worden ist (vgl. BGH, Urteile vom 5. November 2013 – 1 StR 387/13, StraFo 2014, 30; vom 15. September 2004 – 2 StR 242/04; vom 2. Mai 1990 – 3 StR 59/89, NStZ 1990, 436).
17
3. a) Bezüglich des Angeklagten B. hat das Landgericht zutreffend von der Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe abgesehen. Denn die drei der abgeurteilten Raubtat zeitlich nachfolgenden Verurteilungen durch das Amtsgericht Arnsberg sind sämtlich erledigt und entfalten daher keine Zäsurwirkung (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 7. Dezember 1983 – 1 StR 148/83, aaO; Fischer, StGB, aaO Rn. 10 mwN). Auch der Erlass einer Strafe im Gnadenwege führt zur Erledigung im Sinne des § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Dezember 2009 – StB 51/09, NStZ 2010, 445, 448; Rissing-van Saan in LK-StGB, aaO Rn. 23).
18
b) Die Erwägungen der Strafkammer zu dem für die unterbliebene Gesamtstrafenbildung zu gewährenden Härteausgleich halten indes einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
19
Scheitert eine nach § 55 Abs. 1 StGB an sich mögliche nachträgliche Gesamtstrafenbildung daran, dass die zunächst erkannte Strafe bereits vollstreckt , verjährt oder erlassen ist, so fordert eine darin liegende Härte einen angemessenen Ausgleich bei der Bemessung der neuen Strafe (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 29. Juli 1982 – 4 StR 75/82, BGHSt 31, 102, 103; vom 23. Januar 1985 – 1 StR 645/84, BGHSt 33, 131, 132; vom 30. April 1997 – 1 StR 105/97, BGHSt 43, 79, 80). Bezugspunkt für den zu gewährenden Här- teausgleich ist die Gesamtstrafenbildung, wie sie ohne die eingetretene Erledigung der früheren Verurteilungen vorzunehmen gewesen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 17. August 2011 – 5 StR 301/11, StV 2012, 596). Für die Bemessung des Härteausgleichs ist der Tatrichter daher gehalten, sich Klarheit über die ohne Berücksichtigung der Erledigung an sich gegebene Gesamtstrafenlage zu verschaffen. Das Landgericht hat mit Blick auf sämtliche Strafen aus den drei Erkenntnissen des Amtsgerichts Arnsberg vom 8. September 2014, 7. April 2015 und 7. Dezember 2015 einen Härteausgleich von drei Monaten gewährt. Dies wäre im Ansatz nur zutreffend, wenn die drei Verurteilungen untereinander gesamtstrafenfähig gewesen sind, weil alle Taten vor dem 8. September 2014 beendet wurden. Ob dies der Fall ist, lässt sich auf der Grundlage der Urteilsgründe , welche sich zu den Tatzeiten der jeweils abgeurteilten Taten nicht verhalten , nicht abschließend beurteilen.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Bender Feilcke

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(1) Ist jemand wegen einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren verurteilt worden und ergibt sich aus den Urteilsgründen oder steht sonst fest, daß er die Tat auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat, so kann die Vollstreckungsbehörde mit Zustimmung des Gerichts des ersten Rechtszuges die Vollstreckung der Strafe, eines Strafrestes oder der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für längstens zwei Jahre zurückstellen, wenn der Verurteilte sich wegen seiner Abhängigkeit in einer seiner Rehabilitation dienenden Behandlung befindet oder zusagt, sich einer solchen zu unterziehen, und deren Beginn gewährleistet ist. Als Behandlung gilt auch der Aufenthalt in einer staatlich anerkannten Einrichtung, die dazu dient, die Abhängigkeit zu beheben oder einer erneuten Abhängigkeit entgegenzuwirken.

(2) Gegen die Verweigerung der Zustimmung durch das Gericht des ersten Rechtszuges steht der Vollstreckungsbehörde die Beschwerde nach dem Zweiten Abschnitt des Dritten Buches der Strafprozeßordnung zu. Der Verurteilte kann die Verweigerung dieser Zustimmung nur zusammen mit der Ablehnung der Zurückstellung durch die Vollstreckungsbehörde nach den §§ 23 bis 30 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz anfechten. Das Oberlandesgericht entscheidet in diesem Falle auch über die Verweigerung der Zustimmung; es kann die Zustimmung selbst erteilen.

(3) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn

1.
auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren erkannt worden ist oder
2.
auf eine Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren erkannt worden ist und ein zu vollstreckender Rest der Freiheitsstrafe oder der Gesamtfreiheitsstrafe zwei Jahre nicht übersteigt
und im übrigen die Voraussetzungen des Absatzes 1 für den ihrer Bedeutung nach überwiegenden Teil der abgeurteilten Straftaten erfüllt sind.

(4) Der Verurteilte ist verpflichtet, zu Zeitpunkten, die die Vollstreckungsbehörde festsetzt, den Nachweis über die Aufnahme und über die Fortführung der Behandlung zu erbringen; die behandelnden Personen oder Einrichtungen teilen der Vollstreckungsbehörde einen Abbruch der Behandlung mit.

(5) Die Vollstreckungsbehörde widerruft die Zurückstellung der Vollstreckung, wenn die Behandlung nicht begonnen oder nicht fortgeführt wird und nicht zu erwarten ist, daß der Verurteilte eine Behandlung derselben Art alsbald beginnt oder wieder aufnimmt, oder wenn der Verurteilte den nach Absatz 4 geforderten Nachweis nicht erbringt. Von dem Widerruf kann abgesehen werden, wenn der Verurteilte nachträglich nachweist, daß er sich in Behandlung befindet. Ein Widerruf nach Satz 1 steht einer erneuten Zurückstellung der Vollstreckung nicht entgegen.

(6) Die Zurückstellung der Vollstreckung wird auch widerrufen, wenn

1.
bei nachträglicher Bildung einer Gesamtstrafe nicht auch deren Vollstreckung nach Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 3 zurückgestellt wird oder
2.
eine weitere gegen den Verurteilten erkannte Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung zu vollstrecken ist.

(7) Hat die Vollstreckungsbehörde die Zurückstellung widerrufen, so ist sie befugt, zur Vollstreckung der Freiheitsstrafe oder der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt einen Haftbefehl zu erlassen. Gegen den Widerruf kann die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszuges herbeigeführt werden. Der Fortgang der Vollstreckung wird durch die Anrufung des Gerichts nicht gehemmt. § 462 der Strafprozeßordnung gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 481/16
vom
2. Februar 2017
in der Strafsache
gegen
alias:
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:020217U4STR481.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 2. Februar 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Franke, Dr. Quentin, Dr. Feilcke als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Bochum vom 9. Mai 2016 wird verworfen.
2. Die Kosten des Revisionsverfahrens und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, „bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz zweier Schusswaffen, davon einer halbautomatischen“ und unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt und den Verfall von Wertersatz in Höhe von 5.000 Euro angeordnet. Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft ist auf den Strafausspruch beschränkt. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
1. Am 30. Juli 2015 verkaufte der Angeklagte in B. für 5.000 Euro 100 Gramm Kokain an einen unbekannt gebliebenen Abnehmer. Das Rauschgift hatte einen Kokainhydrochlorid-Anteil von mindestens 80 %, was einer Menge von mindestens 80 Gramm Kokainhydrochlorid entspricht (Tat II.2.a).
4
Am 7. September 2015 lagerte der Angeklagte in seiner Garage in Re. in einem unverschlossenen Tresor 458,95 Gramm Kokain (412 Gramm Kokainhydrochlorid), das in einem Stoffbeutel verpackt war. Auf dem Tresor befanden sich mehrere „Bubbles“ mit insgesamt 51,27 Gramm Kokain (45,6 Gramm Kokainhydrochlorid). Das Rauschgift war zum gewinnbringenden Weiterverkauf durch den Angeklagten bestimmt. Unmittelbar neben dem Stoffbeutel mit dem Kokain verwahrte der Angeklagte einen ungeladenen Revolver ERMA Ka. 357 Magnum/38 Spezial mit entsprechender Munition und eine umgebaute PTB-Schusswaffe Röhm RG 9 Kal. 8 mm, mit der „scharfe Munition“ verschossen werden konnte.In die PTB-Schusswaffe war ein Magazin mit drei Patronen Kaliber 6,22 eingeführt. Dem Angeklagten war bewusst, dass die beiden Waffen griffbereit in der Nähe des Rauschgifts lagerten und er jederzeit ohne nennenswerten Zeitaufwand und ohne Schwierigkeiten über sie verfügen konnte. Das Kokain und die Waffen wurden am 8. September 2015 sichergestellt (Tat II.2.b).
5
Der Angeklagte beabsichtigte, am 7. September 2015 in den Niederlanden zwei Kilogramm Kokain anzukaufen und am Folgetag in die Bundesrepublik Deutschland zum gewinnbringenden Weiterverkauf einzuschmuggeln. Weil er Grenzkontrollen befürchtete, bat er seinen Bruder R. , bei der Rückfahrt die Grenze zu beobachten. R. willigte ein. Der Angeklagte fuhr am Nachmittag des 7. September 2015 mit einem Pkw nach A. und erwarb dort zwei Kilogramm Kokain. Das Rauschgift versteckte er anschließend in einem hinter dem rückwärtigen Kennzeichen seines Fahrzeugs befindlichen Hohlraum. Am 8. September 2015 fuhr R. in Begleitung des Mitangeklagten D. mit einem Pkw in die Niederlande und traf sich in Ro. mit dem Angeklagten. Seit dem Grenzübertritt und während der weiteren Handlungen wurden der Angeklagte und R. von der Kriminalpolizei observiert. Ab 18.08 Uhr fuhren R. und der Mitangeklagte D. in Richtung deutscher Grenze, während der Angeklagte zunächst in Ro. verblieb. Nachdem R. in der verabredeten Zeit keine Meldung über Auffälligkeiten an der Grenze gemacht hatte, fuhr der Angeklagte mit seinem Pkw über die niederländisch-deutsche Grenze und verbrachte so das in seinem Fahrzeug befindliche Kokain in das Bundesgebiet. Nach der Einreise wurde er von der Polizei angehalten und festgenommen. Das in seinem Fahrzeug versteckte Kokain wurde sichergestellt. Es hatte ein Gesamtgewicht von 1.992,07 Gramm. Darin waren 1.817 Gramm Kokainhydrochloridenthalten (Tat II.2.c).
6
2. Die Strafkammer hat die Taten des Angeklagten als unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Tat II.2.a), bewaffnetes unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz zweier Schusswaffen, davon einer halbautomatischen (Tat II.2.b) und unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Tat II.2.c) bewertet. Die Einzelstrafen von einem Jahr und drei Monaten Freiheitsstrafe (Tat II.2.a), fünf Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe (Tat II.2.b) und zwei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe (Tat II.2.c) hat sie den Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG (Tat II.2.a), § 30a Abs. 1 BtMG (Tat II.2.b) sowie § 30 Abs. 1 BtMG (Tat II.2.c) entnommen. Minderschwere Fälle hat sie jeweils verneint. Die Gesamtstrafe hat das Landgericht unter „maßvoller Erhöhung“ der höchsten Einzelstrafe festgesetzt.

II.


7
Die wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.
8
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist auf den Strafausspruch beschränkt.
9
a) Ob der Rechtsmittelführer nur die Strafzumessung angreifen will, ist eine Frage, die im Zweifelsfall im Wege der Auslegung seiner Rechtsmittelerklärungen zu beantworten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Oktober 1980 – 1 StR 262/80, BGHSt 29, 359, 365 [zu § 318 StPO]; Beschluss vom 28. Januar 2004 – 2 StR 493/03, bei Becker, NStZ-RR 2005, 65, 68). Dabei kann die Auslegung der Revisionsbegründung auch bei einem unbeschränkten Revisionsantrag eindeutig zu dem Ergebnis führen, dass sich der Beschwerdeführer – im Widerspruch zu seinem Antrag – lediglich gegen den Strafausspruch wen- det. Dies gilt auch dann, wenn es sich bei dem Beschwerdeführer um die Staatsanwaltschaft handelt (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2014 – 4 StR 468/14, NStZ-RR 2015, 88; Urteil vom 11. Juni 2014 – 2 StR 90/14, NStZ-RR 2014, 285; Urteil vom 4. September 2008 – 1 StR 383/08, bei Cierniak/ Zimmermann, NStZ-RR 2011, 225, 234; Urteil vom 6. Februar 2002 – 1 StR 506/01, bei Becker, NStZ-RR 2003, 1 Nr. 18; Urteil vom 7. August 1997 – 1 StR 319/97, NStZ 1998, 210).
10
b) Die Auslegung der Revisionsbegründung der Staatsanwaltschaft ergibt hier unbeschadet des umfassenden Aufhebungsantrags und der allgemein erhobenen Sachrüge eindeutig, dass lediglich die Einzelstrafen und der Gesamtstrafenausspruch angegriffen werden.
11
Die Staatsanwaltschaft hat in ihrer Revisionsbegründung zunächst die Verletzung materiellen Rechts gerügt und im Anschluss daran ausgeführt, dass die durch die Strafkammer verhängten Einzelstrafen und die Bildung der Gesamtstrafe rechtlicher Überprüfung nicht standhielten. Die Revisionsbegründung erschöpft sich im Weiteren in Einzelangriffen gegen die Strafzumessung im engeren Sinn und gegen die Gesamtstrafe.
12
Der Senat entnimmt diesem Revisionsvorbringen, dass allein der Strafausspruch angefochten werden soll. Den Schuldspruch oder die Anordnung des Wertersatzverfalls betreffende Einzelbeanstandungen werden nicht erhoben. Dem kommt hier besondere Bedeutung zu, denn die Staatsanwaltschaft ist nach Nr. 156 Abs. 2 RiStBV gehalten, keine allgemeinen Sachrügen zu erheben und Revisionen so zu begründen, dass klar ersichtlich ist, in welchen Ausführungen des angefochtenen Urteils eine Rechtsverletzung gesehen und auf welche Gründe diese Rechtsauffassung gestützt wird (vgl. BGH, Urteil vom 6. Februar 2002 – 1 StR 506/01, bei Becker, NStZ-RR 2003, 1, 6). Gegen eine Anfechtung des Schuldspruchs spricht schließlich auch, dass dieser mit Ausnahme der Bewertung der Waffendelikte bei der Tat II.2.b (Besitz statt Führen, kein Besitz von Munition) mit der rechtlichen Würdigung der Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift übereinstimmt. Die Anordnung von Wertersatzverfall in Höhe von 5.000 Euro entspricht dem Schlussantrag des Vertreters der Staatsanwaltschaft.
13
2. Die Beschränkung der Revision auf den Strafausspruch ist auch rechtswirksam.
14
Eine den Schuldspruch unberührt lassende isolierte Anfechtung des Strafausspruchs ist grundsätzlich möglich und in der Regel wirksam (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2014 – 4 StR 468/14, NStZ-RR 2015, 88; Urteil vom 8. Januar 1954 – 2 StR 572/53, NJW 1954, 441; RGSt 45, 149, 150, st. Rspr.). Es liegen keine Umstände vor, aus denen sich ausnahmsweise eine untrennbare Verknüpfung von Schuld- und Straffrage ergibt.
15
Eine Erstreckung des Revisionsangriffs auf die Verfallsentscheidung ist nicht veranlasst. Die Anordnung des Verfalls von Wertersatz ist wie die Anordnung des Verfalls in der Regel kein Strafmilderungsgrund und deshalb von der Straffestsetzung unabhängig (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 1996 – 5 StR 542/96, NStZ-RR 1997, 270, 271 mwN). Eine ein Trennbarkeitshindernis begründende Verknüpfung wurde in den Urteilsgründen nicht hergestellt.
16
3. Im Rahmen ihres Anfechtungsumfangs bleibt die Revision ohne Erfolg. Der Strafausspruch weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil oder zum Vorteil (§ 301 StPO) des Angeklagten auf.
17
a) Die Strafbemessung (Strafrahmenbestimmung, Festsetzung der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe) ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Ein Eingriff des Revisionsgerichts ist nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, von unzutreffenden Tatsachen ausgehen, das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Spielraums liegt. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen. In Zweifelsfällen muss das Revisionsgericht die vom Tatgericht vorgenommene Bewertung bis an die Grenze des Vertretbaren hinnehmen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349; Urteil vom 16. April 2015 – 3 StR 638/14, NStZ-RR 2015, 240; Urteil vom 22. Oktober 1953 – 5 StR 230/53, BGHSt 5, 57, 59 mwN). Dabei ist der Tatrichter lediglich verpflichtet, in den Urteilsgründen die für die Strafzumessung bestimmenden Umstände darzulegen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich. Was als wesentlicher Strafzumessungsgrund anzusehen ist, ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls vom Tatrichter zu entscheiden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 2. August2012 – 3 StR 132/12, NStZ-RR 2012, 336, 337 mwN).
18
b) Mit Blick auf diesen eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die konkrete Bemessung der Einzelstrafen revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Der Erörterung bedarf lediglich das Folgende:
19
aa) Soweit die Staatsanwaltschaft geltend macht, das Landgericht habe dem erst nach der Durchführung eines wesentlichen Teils der Beweisaufnahme abgelegten Geständnis des Angeklagten ein zu hohes Gewicht beigemessen, vermag sie keinen Rechtsfehler aufzuzeigen. Maßgeblich für die Bedeutung eines Geständnisses ist es, inwieweit darin ein Bekenntnis des Angeklagten zu seiner Tat liegt, in ihm Schuldeinsicht und Reue zum Ausdruck kommen und durch seine Ablegung das Prozessziel der Erreichung von Rechtsfrieden gefördert wird (vgl. BGH, Urteil vom 28. August 1997 – 4 StR 240/97, BGHSt 43, 195, 209 f.). Das strafmildernde Gewicht eines Geständnisses kann daher geringer sein, wenn dafür prozesstaktische Überlegungen bestimmend waren und die Strafkammer dies durch ein in den Urteilsgründen darzulegendes Prozessverhalten bestätigt sieht (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Mai 2007 – 1 StR 193/07, NStZ-RR 2007, 232 [Ls]). Das Landgericht hat dem Geständnis des Angeklagten mit nachvollziehbaren Erwägungen zu entnehmen vermocht, dass der Angeklagte sich mit seiner Tat auseinandergesetzt hat und diese tatsächlich bereut. Dabei hat es die Beweislage in den Blick genommen und gewürdigt. Hiergegen ist von Seiten des Revisionsgerichts nichts zu erinnern.
20
bb) Die strafmildernde Berücksichtigung der erlittenen Untersuchungshaft lässt ebenfalls keinen Rechtsfehler erkennen. Erlittene Untersuchungshaft ist bei einer Verurteilung zu einer zu vollstreckenden Freiheitsstrafe regelmäßig für die Strafzumessung ohne Bedeutung, weil sie nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB grundsätzlich auf die zu vollstreckende Strafe angerechnet wird (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 2013 – 4 StR 258/13, Rn. 18 [insoweit in BGHSt 59, 28 und NStZ 2014, 34 nicht abgedruckt]; Urteil vom 20. August 2013 – 5 StR 248/13, NStZ-RR 2014, 106; Urteil vom 19. Mai 2010 – 2 StR 102/10, NStZ 2011, 100 mwN). Auch beim erstmaligen Vollzug der Untersuchungshaft kommt eine mildernde Berücksichtigung nur in Betracht, sofern im Einzelfall besondere Umstände hinzutreten (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 – 4 StR 302/13, Rn. 9 [insoweit in StV 2016, 611 nicht abgedruckt]; Beschluss vom 13. Oktober 2011 – 1 StR 407/11, NStZ 2012, 147). Von diesem Maßstab ist das Landgericht ausgegangen. Soweit es dabei in der Dauer der Untersu- chungshaft (acht Monate) und einer „erkennbaren“ Belastung für den Angeklag- ten als Erstverbüßer besondere Umstände im Sinne dieser Rechtsprechung gesehen hat, liegt dies – auch mit Rücksicht auf § 121 Abs. 1 Satz 1 StPO – noch innerhalb des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums.
21
cc) Der Senat schließt aus, dass die Strafkammer bei der Bestimmung der Einzelstrafen für die Tat II.2.b aus dem Blick verloren hat, dass der Angeklagte über zwei Schusswaffen verfügte, zumal sie den tateinheitlichen Verstoß gegen das Waffengesetz zu seinem Nachteil gewertet hat. Dass das Landgericht nicht ausdrücklich erwähnt hat, dass der Angeklagte bei der Tat II.2.c einen versteckten Hohlraum seines Fahrzeugs für den Rauschgifttransport nutzte, ist mit Rücksicht auf die sich aus § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO ergebenden eingeschränkten Darlegungsanforderungen nicht rechtsfehlerhaft.
22
c) Auch die Bestimmung der Gesamtstrafe lässt durchgreifende Rechtsfehler nicht erkennen.
23
aa) Die Bemessung der Gesamtstrafe nach § 54 Abs. 1 StGB ist ein eigenständiger Zumessungsakt, bei dem die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend zu würdigen sind. Dabei sind vor allem das Verhältnis der einzelnen Taten zueinander, ihre größere oder geringere Selbstständigkeit , die Häufigkeit der Begehung, die Gleichheit oder Verschiedenheit der verletzten Rechtsgüter und der Begehungsweisen sowie das Gesamtgewicht des abzuurteilenden Sachverhalts zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2016 – 1 StR 417/16; Beschluss vom 17. Dezember 2013 – 4 StR 261/13, Rn. 3; Urteil vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 269 f.). Besteht zwischen den einzelnen Taten ein enger zeitlicher , sachlicher und situativer Zusammenhang, hat die Erhöhung der Einsatzstrafe in der Regel geringer auszufallen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. April 2010 – 3 StR 71/10, NStZ-RR 2010, 238 [Ls]). Auch hierbei braucht der Tatrichter nach § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO nur die bestimmenden Zumessungsgründe im Urteil darzulegen. Eine Bezugnahme auf die zu den Einzelstrafen gemachten Ausführungen ist grundsätzlich zulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2016 – 1 StR 417/16; Urteil vom 17. August 1988 – 2 StR 353/88, BGHR StGB § 54 Abs. 1 Satz 1 Bemessung 1; Urteil vom 30. November1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 271 mwN). Einer eingehenderen Begründung bedarf es hingegen, wenn die Einsatzstrafe nur geringfügig überschritten oder die Summe der Einzelstrafen nahezu erreicht wird (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 271).
24
bb) Danach erweisen sich die Bemessung der Gesamtstrafe und deren Darlegung hier (noch) nicht als rechtsfehlerhaft.
25
Die Strafkammer hat die Erhöhung der Einsatzstrafe im Wesentlichen durch eine Bezugnahme auf die Strafzumessungserwägungen begründet, die den verhängten Einzelstrafen zugrunde liegen, und dabei die Bedeutung des Geständnisses des Angeklagten nochmals hervorgehoben. Dass sich die Urteilsgründe nicht ausdrücklich dazu verhalten, dass zwischen den Einzeltaten ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang besteht, der einen straffen Zusammenzug der Einzelstrafen rechtfertigt, ist hier unschädlich, weil sich dies aus den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen von selbst ergibt (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2016 – 1 StR 417/16). Die maßvolle Bemessung der Gesamtstrafe lässt unter diesen Umständen nicht besorgen, dass die Strafkammer die Grundsätze der Gesamtstrafenbildung verkannt hat.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Quentin Feilcke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 468/14
vom
18. Dezember 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung mit Todesfolge
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 18. Dezember
2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer,
Bender
als beisitzende Richter,
Richterin am Landgericht – in der Verhandlung –,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof – bei der
Verkündung –
als Vertreterinnen des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 13. März 2014 wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels sowie die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten hat die Staatskasse zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Ferner hat es Maßnahmen nach §§ 69, 69a StGB angeordnet. Die dagegen gerichtete, zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte und vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Revision der Staatsanwaltschaft , mit der sie die Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe erstrebt , hat keinen Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Der Angeklagte war als Taxifahrer in der Silvesternacht vom 31. Dezember 2012 auf den 1. Januar 2013 mit seinem Großraumtaxi auf dem Weg zu einer Kundin. Das Fahrzeug verfügte hinten über zwei Sitzreihen; der Zustieg erfolgte über Schiebetüren. Am Nachbarhaus der ihm telefonisch genannten Adresse wurde er von dem späteren Tatopfer M. und seinen beiden Begleitern angehalten, die mit einem Taxi zum Bahnhof fahren wollten. Der Angeklagte lehnte die Beförderung mit der Begründung ab, er könne sie wegen einer anderen Bestellung nicht mitnehmen. Währenddessen hatte M. die hintere rechte Schiebetür des Taxis geöffnet und war eingestiegen. Der Angeklagte forderte ihn auf, das Fahrzeug wieder zu verlassen. Während M. ausstieg, entspann sich ein Wortwechsel mit dem Angeklagten, da M. auf der Beförderung bestand. Unmittelbar nachdem M. das Taxi verlassen hatte und mit beiden Füßen auf der Straße stand, fuhr der Angeklagte mit seinem Taxi an. Die hintere rechte Schiebetür war zu diesem Zeitpunkt noch offen, was dem Angeklagten bewusst war. M. wollte nun den Angeklagten dazu bewegen, das Taxi anzuhalten. Er griff mit seiner linken Hand durch die geöffnete Schiebetür in das Fahrzeug und hielt sich im Inneren fest. Dann lief er neben dem Fahrzeug her, wobei er sich mit dem Oberkörper halb im Fahrzeug befand, rief einige Male „Stopp“ und versuchte, sich in das Fahrzeug hineinzuziehen,während der Angeklagte das Fahrzeug beschleunigte. Der Angeklagte hörte die Rufe und bemerkte , dass M. an der offenen Tür neben dem Fahrzeug herlief. Gleichwohl setzte er seinen Beschleunigungsvorgang fort. Dabei nahm er in Kauf, dass das Taxi M. touchieren könnte, dieser möglicherweise zu Fall kommen und sich dabei durch Prellungen oder Abschürfungen leicht verletzen könnte. Mit diesen möglichen Folgen hatte sich der Angeklagte abgefunden. Ihm war ferner bewusst, dass es auch zu einem schweren oder tödlichen Unfall kommen könnte, wenn das Fahrzeug die nebenherlaufende Person berühren sollte. Nach einigen Sekunden geriet M. ins Straucheln , löste seinen Griff im Inneren des Fahrzeugs und fiel hin, wobei er sich durch den Anstoß am Fahrzeug eine Verletzung am Oberarm und eine Schürf- wunde zuzog. Im Fallen verhakte sich seine Jacke in der Schiebetür, sodass er in eine horizontale Drehbewegung versetzt wurde, durch die sein Kopf unter das Fahrzeug geriet und vom rechten Hinterrad überrollt wurde. Er war sofort tot.
4
2. Das Landgericht hat angenommen, dass der Angeklagte eine Verletzung M. s durch eine Berührung mit seinem Fahrzeug billigend in Kauf genommen habe. Er habe damit den Tatbestand einer gefährlichen Körperverletzung im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB erfüllt. Den Tod des M. habe er fahrlässig verursacht, indem er – abgesehen von der vorangegangenen Körperverletzung – gegen die Sorgfaltspflicht verstoßen habe , sein Fahrzeug so zu führen, dass andere Personen dabei nicht geschädigt werden (§ 1 Abs. 2 StVO). Der Kausalverlauf (Sturz des Opfers durch die Weiterfahrt trotz der dicht neben dem Fahrzeug laufenden Person) und die mögliche Folge des Todes lägen nicht außerhalb der Lebenserfahrung und seien für den Angeklagten vorhersehbar gewesen. Bei rechtmäßigem Handeln, wenn also der Angeklagte alsbald gebremst hätte, nachdem er bemerkt hatte, dass M. an der offenen Tür neben seinem Fahrzeug herlief, wäre der Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten.
5
Das Landgericht hat nach Abwägung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände einen minder schweren Fall der Körperverletzung mit Todesfolge im Sinne von § 227 Abs. 2 StGB angenommen.

II.


6
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist rechtswirksam auf den Strafausspruch beschränkt.
7
1. Zwar hat die Staatsanwaltschaft eingangs ihrer Revisionsbegründung die (uneingeschränkte) Aufhebung des Urteils mit den Feststellungen und die Zurückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer zur erneuten Verhandlung und Entscheidung beantragt. Ferner hat sie zur Begründung der von ihr erhobenen Rüge der Verletzung materiellen Rechts ausgeführt, durch die nachfolgenden Einzelausführungen die allgemeine Sachrüge nicht beschränken zu wollen. Mit diesem den Schuld- und Strafausspruch umfassenden Revisionsantrag sowie dem Einleitungssatz der Begründung steht der übrige Inhalt der Revisionsrechtfertigung jedoch nicht in Einklang. Aus den einzelnen Beanstandungen sowie den zusammenfassenden Ausführungen am Schluss der Revisionsrechtfertigung ergibt sich vielmehr, dass die Revisionsführerin das Urteil nur deshalb für fehlerhaft hält, weil das Landgericht der Bemessung der Freiheitsstrafe zu Unrecht den Strafrahmen des minder schweren Falles nach § 227 Abs. 2 StGB zu Grunde gelegt und bei der Strafzumessung im engeren Sinne strafmildernde Umstände zu Unrecht berücksichtigt und strafschärfende Gesichtspunkte nicht erkennbar erwogen habe. Somit widersprechen sich Revisionsantrag und Inhalt der Revisionsbegründung. In einem solchen Fall ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Angriffsziel des Rechtsmittels durch Auslegung zu ermitteln (BGH, Urteil vom 11. Juni 2014 – 2 StR 90/14, NStZ-RR 2014, 285; vgl. auch BGH, Urteil vom 25. November 2003 – 1 StR 182/03, NStZ-RR 2004, 118; Urteil vom 12. April 1989 – 3 StR 453/88, NJW 1989, 2760, 2762; insoweit in BGHSt 36, 167 nicht abgedruckt; Urteil vom 17. Dezember 1998 – 4 StR 527/98; Beschluss vom 7. November 2002 – 5 StR 336/02, BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 5; LR-StPO/Franke, 26. Aufl., § 344 Rn. 10).
8
Danach entnimmt der Senat dem Revisionsvorbringen der Staatsanwaltschaft in einer Gesamtschau, dass der Schuldspruch nicht angegriffen werden soll. Es ist nach dem insoweit maßgeblichen Sinn der Revisionsrechtfertigung allein der Strafausspruch angefochten (vgl. auch Senatsurteil vom 25. April 2013 – 4 StR 296/12, Rn. 4, insoweit in StV 2013, 699 nicht abgedruckt). Der von der Staatsanwaltschaft geltend gemachte Erörterungsmangel, wonach das Landgericht das Ausmaß des Verschuldens nicht hinreichend berücksichtigt habe, rechtfertigt keine andere Beurteilung der Reichweite des Rechtsmittelangriffs. Die Beanstandung bezieht sich ersichtlich auf den Schuldumfang.
9
2. Die Beschränkung der Revision auf den Strafausspruch ist im vorliegenden Fall auch rechtswirksam.
10
Es liegen keine Umstände vor, aus denen sich ausnahmsweise eine untrennbare Verknüpfung der Erörterungen zur Schuld- und Straffrage ergibt. Soweit die Revision im Hinblick auf die von ihr beanstandete Annahme eines minder schweren Falles im Sinne von § 227 Abs. 2 StGB die Beweiswürdigung angreift , betrifft dies keine tatbestandsrelevanten Feststellungen.

III.


11
Die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.
12
Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten bei der Wahl des Strafrahmens und bei der Strafzumessung im engeren Sinne zeigt die Revision nicht auf. Das Landgericht hat die erforderliche Gesamtschau vorgenommen und dabei alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt. Es ist auch nicht zu besorgen , dass das Landgericht den Grad der Fahrlässigkeit und den Umfang des Vorsatzes unzutreffend bewertet hat. In Anbetracht der zahlreichen strafmildernden Umstände ist die Annahme eines minder schweren Falles im Sinne von § 227 Abs. 2 StGB aus Rechtsgründen ebenso wenig zu beanstanden wie die Höhe der verhängten Freiheitsstrafe.
13
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten hat die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revision der Staatsanwaltschaft nicht ergeben (§ 301 StPO).
Sost-Scheible Cierniak Franke
Mutzbauer Bender

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

(1) Ist eine der Einzelstrafen eine lebenslange Freiheitsstrafe, so wird als Gesamtstrafe auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt. In allen übrigen Fällen wird die Gesamtstrafe durch Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe, bei Strafen verschiedener Art durch Erhöhung der ihrer Art nach schwersten Strafe gebildet. Dabei werden die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt.

(2) Die Gesamtstrafe darf die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen. Sie darf bei zeitigen Freiheitsstrafen fünfzehn Jahre und bei Geldstrafe siebenhundertzwanzig Tagessätze nicht übersteigen.

(3) Ist eine Gesamtstrafe aus Freiheits- und Geldstrafe zu bilden, so entspricht bei der Bestimmung der Summe der Einzelstrafen ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe.

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

(1) Ist eine der Einzelstrafen eine lebenslange Freiheitsstrafe, so wird als Gesamtstrafe auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt. In allen übrigen Fällen wird die Gesamtstrafe durch Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe, bei Strafen verschiedener Art durch Erhöhung der ihrer Art nach schwersten Strafe gebildet. Dabei werden die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt.

(2) Die Gesamtstrafe darf die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen. Sie darf bei zeitigen Freiheitsstrafen fünfzehn Jahre und bei Geldstrafe siebenhundertzwanzig Tagessätze nicht übersteigen.

(3) Ist eine Gesamtstrafe aus Freiheits- und Geldstrafe zu bilden, so entspricht bei der Bestimmung der Summe der Einzelstrafen ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 22/12
vom
22. Februar 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 22. Februar 2012 gemäß § 349
Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1b StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 27. Oktober 2011, soweit hinsichtlich des Angeklagten eine Entscheidung über die nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe unterblieben ist, mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 StPO zu treffen ist. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Angeklagte trägt die Kosten des Rechtsmittels.

Gründe:


1
Das Landgericht hatte den Angeklagten mit Urteil vom 28. September 2010 wegen Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl in sechs Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Der Senat hob dieses Urteil mit Beschluss vom 8. Juni 2011 – 4 StR 111/11 – insoweit auf, als dem Angeklagten die Strafaussetzung zur Bewährung versagt worden war. Das Landgericht hat nunmehr die Aussetzung der Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe erneut abgelehnt. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Das Urteil kann keinen Bestand haben, soweit die Strafkammer die Vorschrift des § 55 StGB außer Acht gelassen und es versäumt hat, unter Einbeziehung der Strafe von sieben Jahren aus dem seit 23. Februar 2011 rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 13. August 2010 nachträglich eine neue Gesamtstrafe zu bilden.
3
§ 55 StGB regelt die nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe. Die Vorschrift soll ihrem Grundgedanken nach sicherstellen, dass Taten, die bei gemeinsamer Aburteilung nach §§ 53, 54 StGB behandelt worden wären, auch bei getrennter Aburteilung dieselbe Behandlung erfahren, so dass der Täter im Ergebnis weder besser noch schlechter gestellt ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juli 1997 – 1 StR 340/97, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 13). Hierbei kommt es maßgeblich allein auf die materiell-rechtliche Regelung und nicht auf die verfahrensrechtliche Situation an (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Dezember 1983 – 1 StR 148/83, BGHSt 32, 190, 192 f.). Die Anwendung des § 55 StGB ist für den Tatrichter zwingend. Er darf daher die Entscheidung über eine nachträglich zu bildende Gesamtstrafe grundsätzlich nicht dem Beschlussverfahren nach § 460 StPO überlassen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juni 1958 – GSSt 2/58, BGHSt 12, 1; Urteil vom 17. Februar 2004 – 1 StR 369/03, NStZ 2005, 32). Dies gilt auch für den Tatrichter, der nach in der Rechtsmittelinstanz erfolgter (teilweiser) Aufhebung und Zurückverweisung mit der Sache befasst wird. Eine durch Teilaufhebung und –zurückverweisung eingetretene Teilrechtskraft des Strafausspruchs steht – bei neu entstandener oder bislang unbekannt gebliebener Gesamtstrafenlage im Sinne des § 55 StGB – einer Anwendung des § 55 StGB durch den Tatrichter nicht entgegen. Da im Beschlussverfahren nach § 460 StPO die Durchbrechung der Rechtskraft auch in dem Verfahren, in welchem die Vorschrift des § 55 StGB außer Betracht geblieben ist, ohne Weiteres zulässig ist, besteht kein Anlass, dem Tatrichter aus Gründen der Teilrechtskraft eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung im Erkenntnisverfahren zu verwehren (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juli 2010 – 1 StR 212/10, BGHSt 55, 220 Tz. 34 ff. für den Fall der wirksam beschränkten Berufung). Die Entscheidung über eine nachträglich zu bildende Gesamtstrafe noch im Erkenntnisverfahren entspricht vielmehr dem Grundsatz der Verfahrensökonomie und dem Beschleunigungsgebot. Zudem bietet das Erkenntnisverfahren insbesondere wegen des vom Angeklagten in der Hauptverhandlung gewinnbaren unmittelbaren persönlichen Eindrucks regelmäßig eine bessere Garantie für eine gerechtere Strafzumessung als das schriftliche Beschlussverfahren (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. September 1974 – 3 StR 217/74, BGHSt 25, 382, 384; vom 7. Juli 2010 – 1 StR 212/10 aaO Tz. 26 ff.).
4
Da die im vorliegenden Verfahren abgeurteilten Taten des Angeklagten vor seiner Verurteilung durch das Landgericht Bielefeld vom 13. August 2010 begangen worden sind, lagen mit Eintritt der Rechtskraft dieser Verurteilung am 23. Februar 2011 die Voraussetzungen des § 55 StGB vor, so dass die Strafkammer über die nachträgliche Bildung einer neuen Gesamtstrafe unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe von sieben Jahren aus dem Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 13. August 2010 hätte befinden müssen.
5
Der Senat macht von der im Revisionsverfahren – auch im Falle einer unterlassenen Gesamtstrafenbildung (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Juli 2010 - 1 StR 196/10) – eröffneten Möglichkeit des § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO Gebrauch , die Entscheidung über die nachträglich zu bildende Gesamtstrafe dem Nachverfahren gemäß §§ 460, 462 StPO zuzuweisen.
6
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 StPO. Sie musste nicht dem Nachverfahren vorbehalten bleiben, weil sicher feststeht, dass die sich gegen die Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung richtende Revision des Angeklagten insoweit erfolglos bleibt.
VRiBGH Dr. Ernemann Roggenbuck Franke befindet sich in Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Roggenbuck Bender RiBGH Dr. Quentin befindet sich in Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Roggenbuck

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 215/06
vom
28. Juli 2006
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u. a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 28. Juli 2006 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Limburg vom 15. Februar 2006 im Strafausspruch dahingehend berichtigt, dass der Angeklagte unter Auflösung der im Urteil des Landgerichts Limburg vom 6. Mai 2004 - Az. 3 Js 16189/03 - gebildeten Gesamtstrafe unter Einbeziehung der dort für die gefährliche Körperverletzung verhängten Einzelstrafe von neun Monaten sowie der durch Strafbefehl des Amtsgerichts Offenbach am Main vom 23. Oktober 2003 - Az. 1000 Js 70427/03 - verhängten Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 10,- Euro zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt wird. Die durch das Urteil des Landgerichts Limburg vom 6. Mai 2004 wegen räuberischen Diebstahls verhängte Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten bleibt unberührt. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Der Schuldspruch wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Veräußerung von Betäubungsmitteln in vier Fällen ist aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift an den Senat zutreffend ausgeführten Gründen rechtsfehlerfrei; die Revision ist insoweit unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Die Ausführungen der Verteidigung im Schriftsatz vom 20. Juni 2006 führen zu keiner anderen Beurteilung. Der Strafausspruch leidet, wie von der Bundesanwaltschaft zutreffend ausgeführt, an Mängeln allein bei der Gesamtstrafenbildung. Hierzu ist in der Zuschrift an den Senat ausgeführt:
2
"Das Landgericht hat bei seiner Gesamtstrafenbildung sämtliche Straferkenntnisse , die nach den abgeurteilten Taten aus dem September 2003 bis zu seiner eigenen Entscheidung angefallen sind, berücksichtigt (UA S. 31). Dies ist rechtsfehlerhaft und verkennt das Wesen der nachträglichen Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 StGB. Auszugehen ist von der ersten unerledigten Verurteilung , die Zäsurwirkung entfaltet, so dass eine Gesamtstrafenbildung nur für die bis dahin begangenen Taten möglich ist. Für danach begangene Straftaten ist deshalb auf eine selbstständige Einzel- oder Gesamtstrafe zu erkennen (vgl. dazu Tröndle/Fischer, StGB, 53. Aufl., § 55, Rdnr. 9 f.). Erste nicht erledigte Verurteilung ist der Strafbefehl des Amtsgerichts Offenbach vom 23. Oktober 2003. Sie führt zur Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe für die darin ursprünglich abgeurteilte Tat vom 4. Februar 2003, für die verfahrensgegenständlichen vier Taten des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubter Veräußerung von Betäubungsmittel sowie für die in dem Urteil des Landgerichts Limburg vom 14. Mai 2004 (gemeint: 6. Mai 2004) einbezogene Tat der gefährlichen Körperverletzung vom 27. April 2003 (gemeint: 17. April 2003).
3
Die weiter im Urteil des Landgerichts Limburg vom 24. Mai 2004 (gemeint : 6. Mai 2004) enthaltene Strafe für die nach dem Strafbefehl begangene Tat vom 5. November 2003 ist insoweit nicht gesamtstrafenfähig und muss - nach Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe - als Einzelstrafe von zwei Jahren und neun Monaten Bestand haben, da auch eine Gesamtstrafenbildung mit der am 16. Juli 2004 begangenen und vom Amtsgericht Limburg am 26. Januar 2005 abgeurteilten Tat - ungeachtet des Umstandes, dass sie bereits vollstreckt ist - nicht in Betracht kommt.
4
Bei der Bildung der Gesamtstrafe ist zu berücksichtigen, dass der Angeklagte , der allein die Verurteilung angegriffen hat, insgesamt nicht schlechter gestellt werden darf als in der landgerichtlichen Entscheidung, die unter Zusammenfassung sämtlicher Strafen zu einer Gesamtstrafe von vier Jahren und sechs Monaten gelangt ist. Zieht man hiervon die Einzelstrafe von zwei Jahren und neun Monaten, die als Einzelstrafe bestehen bleiben muss, ab, ergibt sich als mögliche Obergrenze der - neuen - Gesamtstrafe eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten. Bei einer Einsatzstrafe von einem Jahr und sechs Monaten Freiheitsstrafe ist in Anbetracht des Umstandes, dass drei weitere Freiheitsstrafen von einem Jahr und sechs Monaten und eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen einzubeziehen sind, auszuschließen, dass eine unter der bezeichneten Obergrenze liegende Gesamtstrafe verhängt werden kann. Aus diesem Grund ist es dem Revisionsgericht ausnahmsweise möglich, selbst auf diese Gesamtstrafe zu erkennen (§ 354 Abs. 1 StPO entsprechend)."
5
Diesen Ausführungen tritt der Senat bei. Otten RiBGH Rothfuß ist infolge urlaubs- Fischer bedingter Ortsabwesenheit gehindert, zu unterschreiben. Otten Roggenbuck Appl
4
Nach den Feststellungen des Landgerichts zur Person wurde der Angeklagte vor der jetzigen Verurteilung mehrfach, unter anderem am 17. November 2014, rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt. Feststellungen zum Vollstreckungsstand – bezogen auf den Zeitpunkt des angefochtenen Urteils – fehlen völlig; auch wird die dieser Vorverurteilung zugrunde liegende Tatzeit nicht mitgeteilt. Der Senat kann daher nicht ausschließen, dass bereits dieser Vorverurteilung Zäsurwirkung für die einbezogene Strafe aus der Verurteilung vom 24. März 2015 zukommt; die hierdurch abgeurteilte Tat beging der Angeklagte am 10. September 2014 (UA 49). Auszugehen ist stets von der ersten unerledigten Verurteilung, die Zäsurwirkung entfaltet, sodass eine Gesamtstrafenbildung nur für die bis dahin begangenen Taten möglich ist (BGH, Beschlüsse vom 28. Juli 2006 – 2 StR 215/06, NStZ 2007, 28, 29, und vom 26. Februar 2015 – 4 StR 548/14, NStZ 2015, 269 mit Anm. Drees; zu den Anforderungen an die Entscheidungsgründe bei Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. März 2010 – 3 StR 496/09, NStZ-RR 2010, 202, 203, vom 8. Februar 2011 – 4 StR 658/10, vom 3. Mai 2011 – 3 StR 110/11, vom 8. Juni 2011 – 4 StR 249/11, NStZ-RR 2011, 307, und vom 15. Januar 2015 – 4 StR 503/14).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 387/13
vom
5. November 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 5. November
2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Raum,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Rothfuß,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Cirener
und der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Radtke,
Erster Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Amberg vom 22. März 2013 wird als unbegründet verworfen.
2. Die Kosten des Rechtsmittels und die der Angeklagten dadurch entstanden Auslagen trägt die Staatskasse.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Die Angeklagte wurde wegen 34 Fällen des (gewerbsmäßig begangenen ) Betrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die höchste Einzelstrafe (Einsatzstrafe) beträgt ein Jahr und vier Monate Freiheitsstrafe, die niedrigste Einzelstrafe beträgt zwei Monate Freiheitsstrafe.
2
Die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft ist auf die Höhe der Gesamtfreiheitsstrafe und die Strafaussetzung zur Bewährung beschränkt.
3
Sie bleibt im Ergebnis erfolglos.
4
1. Die Angeklagte und ihre (hier als Gehilfin rechtskräftig abgeurteilte) Schwester waren Anteilseigner und Geschäftsführer einer GmbH. Seit 2007 hatte die GmbH mit einer Bank „einen Rahmenvertrag CB Factoring für den Mittelstand über den Ankauf von Forderungen - Factoring aus Warenlieferungen und Dienstleistungen -“ abgeschlossen. Die Geschäftsbeziehungen zwischen GmbH - Gesamtumsatz 2008 noch 4 Mio. € - und Bank entwickelten sich zunächst problemlos. Als die GmbH jedoch nachfolgend „infolge der Wirtschaftskrise in Schieflage geriet“, verschaffte sich die Angeklagte zwischen Februar und Juli 2009 durch in 34 Fällen erfolgte Vorlage von insgesamt 86 Rechnungen über fingierte, verrechnete, beglichene oder einredebehaftete Forderungen zwischen 105 € und mehr als 18.000 € „Luft“ und schädigte so die Bank um insgesamt rund 700.000 €. Auf die Idee zu diesen Taten war die Angeklagte zunächst durch ein näher beschriebenes Versehen der Bank gekommen. Unmittelbar nachdem die Taten entdeckt waren, erfolgten Ersatzleistungen wie z.B. durch die Abtretung von Forderungen der GmbH, eines Pkws, Lebensversicherungen, den - noch im Streit befindlichen - Ansprüchen gegen die Brandversicherung. Nachdem diese Bemühungen (ohne etwaige Ansprüche gegen die Brandversicherung) zwar zu einer Schadensverminderung von rund 300.000 €, aber nicht zur vollständigen Schadenswiedergutmachung geführt hatten, erstattete die Bank nach etwa einem Jahr Strafanzeige.
5
Die durch ihre Selbständigkeit erheblich verschuldete Angeklagte, die zuletzt in einem Büro tätig war, lebt seither von dem Verdienst ihres Ehemannes. Zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung vor dem Landgericht stand die Geburt ihres zweiten Kindes unmittelbar bevor.
6
2. Das gegen die Gesamtstrafenbildung gerichtete Vorbringen der Staatsanwaltschaft beschränkt sich in seinem Kern letztlich auf die Darlegung, die aus den - nicht angefochtenen - Einzelstrafen gebildete Gesamtstrafe sei unangemessen niedrig, weil die Strafkammer einige - von ihr nicht übersehene - Strafzumessungsgesichtspunkte anders hätte gewichten müssen. Revisible Rechtsfehler zeigt die Staatsanwaltschaft, die letztlich eine eigene Wertung an die Stelle der tatrichterlichen Beurteilung setzt, damit jedoch nicht auf. Dies hat der Generalbundesanwalt, auch schon in seinem Terminsantrag, zutreffend näher dargelegt.
7
Ergänzend ist lediglich Folgendes zu bemerken:
8
a) Die Staatsanwaltschaft bemängelt, die Strafkammer habe nicht berücksichtigt , dass die Angeklagte die Bank nicht auf deren Versehen (vgl. oben 1.) hingewiesen, sondern stattdessen die abgeurteilten Taten begangen hat. Damit ist verkannt, dass der Umstand, dass ein Angeklagter straffällig geworden ist, statt sich gesetzestreu zu verhalten, Voraussetzung für seine Strafbarkeit , aber kein schulderhöhender Umstand ist (BGH, Beschluss vom 9. November 2010 - 4 StR 532/10 mwN).
9
b) Die Staatsanwaltschaft meint, „man (käme) nicht umhin, vergleichbare Strafen“- damit dürfte wohl die Höhe sonst verhängter Strafen gemeint sein - „bei vergleichbar hohen Schäden und vergleichbar angewandter krimineller Energie heranzuziehen.“ Dies verkennt, dass für Vergleiche mit der Strafzumessung in anderen Urteilen bei Tatbeteiligten - etwa den Mitgliedern derselben Bande - regelmäßig kein Raum ist (BGH, Beschluss vom 28. Juni 2011 - 1 StR 282/11, BGHSt 56, 262, 263). Für allgemeine Vergleiche mit nur gedachten Fällen gegen unbekannte Angeklagte wegen unbekannter Taten kann erst recht nichts anderes gelten.
10
3. Dennoch ist die Gesamtstrafenbildung nicht rechtsfehlerfrei.
11
a) Gegen die Angeklagte war am 4. April 2011 ein (rechtskräftig gewordener ) Strafbefehl über 90 Tagessätze zu je 15 € ergangen. Obwohl sie spätestens seit 10. Dezember 2009 gewusst hatte, dass die oben genannte GmbH zahlungsunfähig war, hatte sie erst am 5. März 2010 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt. Die Geldstrafe war zum Zeitpunkt des vorliegenden Urteils vollständig vollstreckt, eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung also nicht mehr möglich. Deshalb wurde der Angeklagten bei der Gesamtstrafenbildung ein sog. Härteausgleich zugebilligt.
12
b) Wäre die Geldstrafe noch nicht vollstreckt gewesen, so hätte die Strafkammer zwei Möglichkeiten gehabt:
13
(1) Sie hätte die Geldstrafe gesondert neben der hier verhängten Freiheitsstrafe bestehen lassen können (§ 55 Abs. 1 Satz 1 StGB i.V.m. § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB).
14
Es bedarf keiner Darlegung, dass es keine Härte darstellt, dass diese Möglichkeit nicht mehr bestand.
15
(2) Andernfalls hätte die nachträgliche Einbeziehung der Geldstrafe in die Freiheitsstrafe diese erhöht, § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB i.V.m. § 53 Abs. 2 Satz 1 StGB und § 54 Abs. 1 Satz 2 StGB. Eine Freiheitsstrafe ist jedoch gegenüber einer Geldstrafe das schwerere Strafübel. Es ist regelmäßig keine Härte, wenn deshalb, weil eine Geldstrafe bereits vollstreckt ist, eine Freiheitsstrafe nicht erhöht wird (vgl. BGH, Urteil vom 2. Mai 1990 - 3 StR 59/89). Anderes gilt nur dann, wenn die Geldstrafe durch Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt wurde (BGH aaO; BGH, Beschluss vom 30. Januar 2001 - 4 StR 587/00; Rissing-van Saan in LK-StGB, 12. Aufl., § 55 Rn. 27 mwN). Dies ergibt sich hier aus den Feststellungen nicht.
16
4. Ergibt eine Revision der Staatsanwaltschaft zum Nachteil des Angeklagten einen diesen begünstigenden Rechtsfehler bei der Festsetzung der Strafhöhe, so entfällt auch eine Strafaussetzung zur Bewährung; ein neuer Tatrichter wäre nicht an das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) gebunden. Daher kann an sich auf sich beruhen, ob die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung hier auch für sich genommen die Angeklagte begünstigende Rechtsfehler aufweist. In Übereinstimmung mit den Ausführungen des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat jedoch, dass die Staatsanwaltschaft derartige Rechtsfehler weder zu § 56 Abs. 2 StGB noch zu § 56 Abs. 3 StGB aufzeigt.
17
5. Gleichwohl (vgl. oben 3.) hat das Urteil hier gemäß § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO Bestand. Diese Bestimmung ist auch anwendbar, wenn eine Revision der Staatsanwaltschaft zum Nachteil des Angeklagten ihn begünstigende Rechtsfehler ergibt (BGH, Urteil vom 16. März 2006 - 4 StR 536/05, BGHSt 51, 18). Der Senat hält die hier ausgesprochene Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren zur Bewährung in Übereinstimmung auch mit dem Generalbundesanwalt unter Berücksichtigung der dargelegten Feststellungen zu Taten und Täter und aller sonst aus den Urteilsgründen ersichtlichen für die Rechtsfolgenentscheidung bedeutsamen Umstände trotz des aufgezeigten Fehlers (vgl.
oben 3.) für angemessen. Sonstige Gründe, die dies in Frage stellen könnten, sind weder geltend gemacht noch sonst erkennbar.
VRiBGH Dr. Raum ist we- Wahl Rothfuß gen Urlaubsabwesenheit an der Unterschrift gehindert. Wahl
Cirener Radtke

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 BJs 26/77-5
StB 51/09
vom
23. Dezember 2009
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
wegen Mordes
hier: Haftbeschwerde der Beschuldigten
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Dezember 2009 gemäß
§ 304 Abs. 5 StPO beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Beschuldigten werden der Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichthofs vom 26. August 2009 (1 BGs 177/09) sowie dessen Beschluss über die Aufrechterhaltung des Haftbefehls vom 28. August 2009 (1 BGs 180/09) aufgehoben. Die Beschuldigte ist unverzüglich aus der Haft zu entlassen. 2. Die Kosten des Rechtsmittels und die der Beschwerdeführerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.

Gründe:

I.

1
Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichthofs hat gegen die Beschuldigte am 26. August 2009 wegen des dringenden Verdachts des mittäterschaftlich begangenen Mordes (§§ 211, 25 Abs. 2 StGB) in drei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen (§ 52 StGB) Haftbefehl erlassen. Danach ist die Beschuldigte dringend verdächtig, an dem Anschlag vom 7. April 1977 in Karlsruhe beteiligt gewesen zu sein, bei dem der damalige Generalbundesanwalt Siegfried Buback , sein Fahrer Wolfgang Göbel und sein weiterer Begleiter Erster Justizhauptwachtmeister Georg Wurster getötet wurden. Die Beschuldigte ist darauf- hin am 27. August 2009 festgenommen worden. Mit Beschluss vom 28. August 2009 hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichthofs nach Vorführung der Beschuldigten den Haftbefehl aufrechterhalten und in Vollzug gesetzt. Die Beschuldigte befindet sich seitdem in Untersuchungshaft.
2
Mit Schriftsatz vom 11. November 2009 hat die Beschuldigte gegen den Haftbefehl vom 26. August 2009 und den Beschluss vom 28. August 2009 Beschwerde eingelegt. Sie beantragt, den Haftbefehl aufzuheben. Zur Begründung führt sie aus, es bestehe möglicherweise ein Verfahrenshindernis; außerdem liege weder ein dringender Tatverdacht noch ein Haftgrund vor.
3
Der Generalbundesanwalt ist der Beschwerde entgegen getreten. Er ist der Auffassung, nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen sei zwar nicht davon auszugehen, dass die Beschuldigte am Tattag unmittelbar an der Ermordung von Generalbundesanwalt Buback sowie seiner Begleiter Göbel und Wurster als Fahrerin des bei der Tat benutzten Motorrads oder als Schützin beteiligt gewesen sei. Sie sei jedoch dringend verdächtig, sich in sonstiger Weise als Mittäterin an dem Anschlag beteiligt zu haben.
4
Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichthofs hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

5
Die zulässige Haftbeschwerde hat im Ergebnis Erfolg. Der Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs kann keinen Bestand haben. Zwar ist die Beschuldigte nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen - wenn auch nicht des mittäterschaftlich begangen Mordes, so doch - der Beihilfe zum Mord (§§ 211, 27 Abs. 1 StGB) in drei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen dringend verdächtig. Ein für die Anordnung von Untersuchungshaft zwingend erforderlicher Haftgrund (§ 112 Abs. 1 Satz 1 StPO) besteht indes nicht. Im Einzelnen :
6
Nach dem Ergebnis der Ermittlungen verübte am 7. April 1977 in Karlsruhe ein "Kommando Ulrike Meinhof" (im Folgenden: "Kommando") der "Rote Armee Fraktion" (im Folgenden: "RAF") im Rahmen der sog. Offensive 77 einen Anschlag auf den damaligen Generalbundesanwalt Buback, dem auch sein Fahrer Göbel und sein weiterer Begleiter Erster Justizhauptwachtmeister Wurster zum Opfer fielen.
7
Am Tattag lauerten zwei Mitglieder des "Kommandos" dem Dienstwagen des Generalbundesanwalts Buback auf der Fahrt zum Dienstgebäude der Bundesanwaltschaft auf. Sie verwendeten ein Motorrad Marke Suzuki GS 750, das von dem "RAF"-Mitglied Sonnenberg angemietet worden war. Als das Dienstfahrzeug kurz nach 9.00 Uhr an einer Verkehrsampel anhalten musste, fuhren die Mitglieder des "Kommandos" mit ihrem Motorrad rechts neben den PKW. Die Person auf dem Soziussitz holte aus einer mitgeführten Reisetasche ein an Lauf und Schaft verkürztes Selbstladegewehr und gab daraus eine Serie von mindestens 15 Schüssen durch die Seitenfenster auf die drei Insassen des Dienstfahrzeugs ab. Generalbundesanwalt Buback und sein Fahrer Göbel verstarben noch am Tatort. Erster Justizhauptwachtmeister Wurster erlag am 13. April 1977 den schweren Schussverletzungen, die er bei dem Attentat erlitten hatte. Nach dem Anschlag flohen die Täter mit dem Motorrad durch die Karlsruher Innenstadt; sodann versteckten sie es in der Kammer eines Pfeilers der Autobahnbrücke in Wolfartsweier. Dort wurden die beiden von einem weiteren Mitglied des "Kommandos" erwartet; die drei Personen setzten gemeinsam die Flucht in einem PKW Alfa Romeo fort. Sie passierten mit dem Fahrzeug eine Kontrollstelle der Polizei bei Remchingen/Singen. Zwischen 10.00 Uhr und 10.30 Uhr stellten sie den Alfa Romeo in Sachsenheim/Kreis Ludwigsburg ab. Danach verlor sich ihre Spur.
8
Die Beschuldigte, die zur Tatzeit ebenfalls der "RAF" angehörte, und Sonnenberg wurden am 3. Mai 1977 in Singen festgenommen. In einem Sonnenberg gehörenden Rucksack führten sie das bei dem Anschlag am 7. April 1977 verwendete Selbstladegewehr bei sich. Um ihre Festnahme zu verhindern , schossen sie mit weiteren mitgeführten Waffen zunächst auf zwei Polizeibeamte und verletzten diese. Sodann erpressten sie die Überlassung eines Kraftfahrzeugs, mit dem sie flüchteten. Schließlich wurden sie von vier weiteren Polizeibeamten gefasst. Bei dem ihrer Überwältigung vorausgehenden Schusswechsel wurde Sonnenberg durch einen Kopfschuss schwer verletzt; die Beschuldigte erlitt eine Schusswunde am Bein.
9
Gegen die Beschuldigte erließ der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs unter anderem wegen des dringenden Tatverdachts der mittäterschaftlichen Beteiligung an dem Attentat vom 7. April 1977 Haftbefehl. Gegen Sonnenberg ordnete er ebenfalls unter anderem wegen desselben Tatvorwurfs die Untersuchungshaft an.
10
Die Beschuldigte und Sonnenberg wurden wegen der bei ihrer Festnahme am 3. Mai 1977 begangenen Straftaten vom Oberlandesgericht Stuttgart wie folgt rechtskräftig verurteilt: die Beschuldigte durch Urteil vom 28. Dezember 1977 wegen versuchten Mordes in zwei Fällen, wegen versuchten Mordes in vier tateinheitlich zusammentreffenden Fällen sowie wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung zu lebenslanger Freiheitsstrafe; Sonnenberg durch Urteil vom 26. April 1978 wegen versuchten Mordes in zwei Fällen ebenfalls zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Soweit die Ermittlungen aufgrund der bei der Festnahme sichergestellten Ge- genstände den Verdacht von "Beschaffungsstraftaten" wie Diebstahl, Hehlerei u. a. begründeten, hatte der Generalbundesanwalt bereits zuvor das Verfahren am 25. Juni 1977 nach § 154 Abs. 1 StPO vorläufig eingestellt. Die Vollstreckung der gegen die Beschuldigte verhängten Strafe wurde durch Gnadenentscheidung des Bundespräsidenten vom 25. September 1989 mit Wirkung vom 1. Dezember 1989 zur Bewährung ausgesetzt. Mit Entscheidung vom 30. April 1995 erließ der Bundespräsident im Wege der Gnade den noch nicht vollstreckten Teil der Strafe. Die Beschuldigte verbüßte von der lebenslangen Freiheitsstrafe insgesamt neun Jahre und etwa zwei Monate.
11
Der Generalbundesanwalt stellte durch Verfügung vom 31. März 1980 das Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Beteiligung der Beschuldigten an dem Attentat vom 7. April 1977 nach § 170 Abs. 2 StPO in Kenntnis der bis dahin ermittelten, die Beschuldigte teilweise belastenden Umstände ein. Zur Begründung führte er aus, aufgrund der Ermittlungen bestehe zwar ein gewisser Verdacht, dass die Beschuldigte an dem Anschlag beteiligt gewesen sei, zumal sie als im Untergrund lebendes Mitglied der "RAF" enge Verbindungen zu dem der Tat dringend verdächtigen Sonnenberg gehabt habe. Es lägen jedoch keine ausreichenden Erkenntnisse über eine konkrete Beteiligung insbesondere an der Planung, Vorbereitung oder Durchführung der Tat vor. Ein Nachweis, der nach einer eventuellen Hauptverhandlung eine Verurteilung mit einiger Wahrscheinlichkeit erwarten lasse, sei daher nicht zu führen. Durch Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 10. April 1980 wurde der Haftbefehl gegen die Beschuldigte aufgehoben.
12
Das Ermittlungsverfahren gegen Sonnenberg wegen mittäterschaftlicher Beteiligung an dem Anschlag vom 7. April 1977 wurde mit Blick auf dessen rechtskräftige Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe wegen der am 3. Mai 1977 in Singen begangenen Mordversuche sowie auf seine aufgrund des Kopf- schusses eingetretene dauerhafte erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigung vom Generalbundesanwalt am 15. Januar 1982 nach § 154 StPO eingestellt. Das Oberlandesgericht Stuttgart verurteilte die drei folgenden Mitglieder der "RAF" wegen Mittäterschaft an dem Attentat vom 7. April 1977: Folkerts durch Urteil vom 31. Juli 1980; Klar und Mohnhaupt durch Urteil vom 2. April 1985. Die Entscheidungen sind rechtskräftig.
13
Mit Verfügung vom 9. April 2008 hat der Generalbundesanwalt das Ermittlungsverfahren gegen die Beschuldigte wegen des Anschlags auf Generalbundesanwalt Buback und seine Begleiter wieder aufgenommen. Zur Begründung hat er ausgeführt, ein neuer Ermittlungsansatz sei deshalb vorhanden, weil an noch vorhandenen Tatasservaten molekulargenetische Spuren festgestellt worden seien, deren Verursacherin möglicherweise die Beschuldigte sei. In der Folgezeit sind zahlreiche Ermittlungsmaßnahmen durchgeführt worden. Diese haben unter anderem zu folgenden Ergebnissen geführt:
14
Die an den unmittelbaren Tatasservaten (Motorradhandschuh, -helm und -jacke) festgestellten DNA-Mischspuren stammten nicht von der Beschuldigten. Diese war jedoch die Verursacherin von Speichelspuren, die an drei Briefumschlägen sichergestellt wurden, mit denen am 13. April 1977 Kopien des Selbstbezichtigungsschreibens zu dem Anschlag vom 7. April 1977 an verschiedene Presseorgane versandt worden waren. Die Beschuldigte kann darüber hinaus als Verursacherin von zwei Spuren auf den in den Briefhüllen befindlichen Selbstbezichtigungsschreiben nicht ausgeschlossen werden.
15
Bei einer Durchsuchung der Wohnung der Beschuldigten am 20. August 2009 wurde eine handschriftliche Aufzeichnung mit folgendem Text gefunden: "7.04.08 - Nein, ich weiß noch nicht wie ich für Herrn Buback beten soll, ich habe kein wirkliches Gefühl für Schuld u. Reue. Natürlich würde ich es heute nicht mehr machen - aber ist das nicht armselig so zu denken u. zu fühlen?! Das ist nicht Heilung, das scheint noch ein weiter Weg zu sein." In einer "I-Ging"Befragung vom 22. März 2007 befasste sich die Beschuldigte mit dem Thema "Heilung" und stellte unter anderem die Frage: "Ist es mein Täterwissen?" In einer handschriftlichen Aufzeichnung vom 27. April 2007 heißt es unter anderem : "Was will ich erreichen? S. (u. andere) reinwaschen. Sagen wie es wirklich war."
16
Außerdem hat das ehemalige "RAF"-Mitglied Boock mehrfach, zuletzt im November 2009, Angaben zu dem damaligen Geschehen gemacht. Er hat bekundet , die Beschuldigte habe sich mit anderen im Sommer/Herbst 1976 in einem militärischen Ausbildungslager der palästinensischen Terrororganisation PFLP ("Volksfront für die Befreiung Palästinas") im Jemen aufgehalten. Dort sei die grundsätzliche Entscheidung getroffen worden, nach Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland Mordanschläge gegen führende Repräsentanten des Staates, darunter Generalbundesanwalt Buback, zu begehen. Von den in Stammheim inhaftierten Gefangenen der "RAF" sei der Befehl gekommen: "Der General muss weg." Die im Jemen entstandene Gruppe dürfe sich nur dann als "RAF" bezeichnen, wenn sie einen dahingehenden Anschlag verübe. Deshalb sei das Attentat auf Generalbundesanwalt Buback für die Mitglieder der Gruppierung besonders wichtig gewesen. Nach der Rückkehr der Gruppenmitglieder nach Deutschland habe ein Treffen im Harz stattgefunden, bei dem die weitere Vorgehensweise geplant und die Aufgaben verteilt worden seien. Es sei ein Arbeitsplan erstellt worden. Dieser wurde anlässlich der Festnahme der Gruppenmitglieder Haag und Mayer am 30. November 1976 sichergestellt. Die dort als "Paula" aufgeführte Person sei, so der Zeuge in seiner Vernehmung vom 12. November 2009, die Beschuldigte. Aufgrund der Festnahme von Haag und Mayer habe man den ursprünglich für Dezember 1976 geplanten Anschlag auf Generalbundesanwalt Buback verschoben. Es sei Ende des Jahres 1976 zu einem weiteren Treffen der Gesamtgruppe in Holland gekommen, an dem auch die Beschuldigte teilgenommen habe. Bei diesem Treffen habe man die beschleunigte Durchführung der im Grundsatz bereits beschlossenen Aktionen vereinbart. Der Beschluss, Generalbundesanwalt Buback zu töten, sei eine gemeinsame und von allen getragene Entscheidung der Kerngruppe der "RAF" gewesen; dazu habe auch die Beschuldigte gezählt. Dieser sei es immer sehr darauf angekommen, den Willen der in Stammheim inhaftierten "RAF"Mitglieder durchzusetzen; dazu habe auch der Befehl "Der General muss weg" gehört. Die Beschuldigte sei damals sehr fanatisch gewesen und keinen Millimeter von der Linie abgewichen.
17
Das Bundesamt für Verfassungsschutz verfügt über Informationen einer Quelle zu dem Anschlag vom 7. April 1977. Unter dem 15. Juni 2007 hat es gegenüber dem Generalbundesanwalt ein Behördenzeugnis abgegeben, nach dem einer älteren unbestätigten Einzelinformation zufolge die "RAF"-Mitglieder Wisniewski als Schütze auf dem Soziussitz des Motorrads, Sonnenberg als Fahrer des Motorrads und Klar als Fahrer des Fluchtfahrzeugs Alfa Romeo an dem Anschlag vom 7. April 1977 beteiligt gewesen seien. Unter Verweis auf dieses Zeugnis hat das Bundesministerium des Innern im Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten Wisniewski unter dem 25. Januar 2008 eine Sperrerklärung nach § 96 StPO abgegeben. Im hiesigen Ermittlungsverfahren hat der Generalbundesanwalt um die Freigabe der in der Sperrerklärung aufgeführten Quelleninformationen und Aktenvermerke ersucht. Nach gewährter Akteneinsicht hat der Generalbundesanwalt mit Schreiben vom 29. September 2009 die Herausgabe aller Vermerke über Befragungen und Gespräche mit der Quelle begehrt. Über dieses Verlangen ist vom Bundesministerium des Innern bisher nicht entschieden worden.

III.

18
Ein die weitere strafrechtliche Verfolgung und gegebenenfalls die Ahndung der Tat ausschließendes Verfahrenshindernis ist nicht gegeben.
19
1. Entgegen der Auffassung der Verteidigung steht die Einstellungsverfügung nach § 154 StPO vom 25. Juni 1977 und der mittlerweile eingetretene Zeitablauf der Verfolgung der Beschuldigten nicht entgegen. Die genannte Verfügung erfasst nach ihrem eindeutigen Wortlaut nur die "Beschaffungsstraftaten" in Bezug auf die bei der Festnahme der Beschuldigten am 3. Mai 1977 in Singen sichergestellten Gegenstände. Sie bezieht sich deshalb nicht auf das Ermittlungsverfahren betreffend die Ermordung von Generalbundesanwalt Buback und seiner Begleiter. Dieses ist erst durch Verfügung vom 31. März 1980 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden, da die Bundesanwaltschaft zu diesem Zeitpunkt einen hinreichenden Tatverdacht verneint hat. Durch diese Einstellung ist ein Strafklageverbrauch nicht eingetreten; denn der Einstellungsverfügung kommt keine Rechtskraftwirkung zu (Schmid in KK 6. Aufl. § 170 Rdn. 23; Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 170 Rdn. 9). Das Ermittlungsverfahren konnte vielmehr jederzeit wieder aufgenommen werden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Ausführungen des Oberlandesgerichts Stuttgart auf S. 124 f. des Urteils gegen die Beschuldigte vom 28. Dezember 1977. Dort wird im Wesentlichen darauf hingewiesen, dass der Strafsenat zur Klarstellung der Rechtslage mit Beschluss vom 5. Dezember 1977 mit Zustimmung der Bundesanwaltschaft die Strafverfolgung nach § 154 a Abs. 2 StPO beschränkt hat. Auch hiervon war der Tatvorwurf der Beteiligung an dem Attentat vom 7. April 1977 nicht betroffen.
20
2. Die Strafklage wegen der Tat vom 7. April 1977 ist durch das gegen die Beschuldigte ergangene Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 28. Dezember 1977 nicht verbraucht.
21
Dies gilt auch, wenn man entgegen dem Haftbefehl nicht den Vorwurf der mittäterschaftlichen Begehung des Mordes, sondern denjenigen der Beihilfe hierzu bejaht. Dabei bedarf es keiner näheren Betrachtung, ob der Vorwurf der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung materiellrechtlich in Tateinheit mit wenigstens einem der vom Oberlandesgericht Stuttgart abgeurteilten Delikte steht. Ein gegebenenfalls für die Straftat nach § 129 a StGB eingetretener Strafklageverbrauch ließe den hiesigen Tatvorwurf unberührt. Zwar besteht materiellrechtlich Tateinheit zwischen der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung und den Straftaten, auf welche die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung gerichtet sind. Dies trifft in Bezug auf die Ermordung von Generalbundesanwalt Buback und seinen Begleitern zu. Damit ist grundsätzlich auch von einer Tat im prozessualen Sinn auszugehen. Jedoch folgt aus den Besonderheiten der §§ 129, 129 a StGB als Organisationsdelikte, die über lange Zeiträume ganz verschiedenartige Verhaltensweisen gesetzlich zu einer rechtlichen Einheit zusammenfassen und damit mit anderen Dauerstraftaten nicht vergleichbar sind, sowie dem Gebot der materiellen Gerechtigkeit, dass die Rechtskraft bezüglich der Delikte nach §§ 129, 129 a StGB - verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfGE 56, 22, 28 ff.) - schwerere Delikte nicht erfasst, wenn sie nicht tatsächlich Gegenstand der Anklage und Urteilsfindung waren (st. Rspr.; s. etwa BGHSt 29, 288, 292 ff.).
22
Hier erstreckten sich die Anklage und das Urteil wegen der bei der Festnahme der Beschuldigten begangenen Straftaten nicht auf die Ereignisse vom 7. April 1977. Der Vorwurf des Mordes bzw. der Beihilfe hierzu wiegt schwerer als derjenige, ein Organisationsdelikt nach § 129 a StGB begangen zu haben. Dies zeigt sich unter anderem daran, dass Mord und die Beihilfe hierzu mit höheren Strafen bedroht sind als die mitgliedschaftliche Beteiligung in einer terroristischen Vereinigung.

IV.

23
Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen besteht gegen die Beschuldigte der dringende Verdacht, dass sie den Anschlag vom 7. April 1977 als Gehilfin unterstützt und sich deswegen der Beihilfe zum Mord in drei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen schuldig gemacht hat. Demgegenüber belegt das Ergebnis der bisherigen Ermittlungen einen darüber hinausgehenden dringenden Verdacht für die Begehung der Tat als Mittäterin nicht.
24
1. Nach § 27 Abs. 1 StGB macht sich wegen Beihilfe strafbar, wer (vorsätzlich ) einem anderen zu dessen (vorsätzlich begangener) rechtswidriger Tat Hilfe leistet. Nach ständiger Rechtsprechung (s. etwa BGHSt 46, 107, 109; BGH NJW 2001, 2409, 2410; NStZ 2004, 499, 500) ist als Hilfeleistung in diesem Sinne grundsätzlich jede Handlung anzusehen, die die Herbeiführung des Taterfolges durch den Haupttäter objektiv fördert oder erleichtert; dass sie für den Eintritt dieses Erfolges in seinem konkreten Gepräge in irgendeiner Weise kausal wird, ist nicht erforderlich (BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 27 - in BGHSt 51, 144 insoweit nicht abgedruckt). Es genügt, dass ein Gehilfe die Haupttat im Vorbereitungsstadium fördert, wenn die Teilnahmehandlung mit entsprechendem Förderungswillen und -bewusstsein vorgenommen wird (BGHSt 46, 107, 115; BGH NJW 1985, 1035, 1036). Beihilfe zu einer Tat kann schließlich schon dadurch geleistet werden, dass der Gehilfe den Haupttäter in seinem schon gefassten Tatentschluss bestärkt und ihm ein erhöhtes Gefühl der Sicherheit vermittelt (BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 8).
25
Nach diesen Maßstäben hat die Beschuldigte bei einer Gesamtbewertung des bisherigen Ermittlungsergebnisses mit großer Wahrscheinlichkeit Beihilfe zu dem Attentat auf Generalbundesanwalt Buback und seine Begleiter geleistet. Mit der Bundesanwaltschaft ist nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen bei umfassender, sachgerechter Bewertung der Beweise - auch verschiedener Zeugenaussagen - nicht davon auszugehen, dass die Beschuldigte an dem Anschlag selbst unmittelbar als Fahrerin des Motorrads oder Beifahrerin und Schützin beteiligt war. Hierfür sprechen neben zahlreichen Gesichtspunkten die Ergebnisse der neueren DNA-Untersuchungen bei Begehung der Tat benutzter Gegenstände. Die Beschuldigte hat jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit vor der Ausführung der Tat einen objektiven Beitrag zu dieser geleistet, indem sie die unmittelbaren Täter in derem Tatentschluss bestärkte.
26
a) Dies ergibt sich vor allem aus der vorläufigen Wertung der Aussage des Zeugen Boock. Danach hat sich die Beschuldigte in dem Zeitraum vor der Tat, etwa auch bei dem Treffen der Gesamtgruppe in Holland nach der Festnahme von Haag und Mayer, in besonders intensiver Weise dafür eingesetzt, die jeweiligen Anweisungen der in Stammheim inhaftierten Führungsmitglieder der "RAF" umzusetzen, zu denen auch der eindeutige Befehl "Der General muss weg" gehörte. Dieses Verhalten weist einen konkreten inhaltlichen Bezug zu der geplanten Tat auf und geht über Tätigkeiten hinaus, die lediglich als mitgliedschaftliche Beteiligung an der damals bestehenden terroristischen Vereinigung zu werten wären. Die offensive Propagierung des von den Gefangenen stammenden Tötungsbefehls durch die Beschuldigte bestätigte mit großer Wahrscheinlichkeit den Willen der unmittelbaren Täter des Anschlags, das Attentat tatsächlich durchzuführen.
27
Die Aussage des Zeugen Boock ist - bei der gebotenen vorläufigen Würdigung -, jedenfalls was den hier relevanten Teil betrifft, insoweit inhaltlich eindeutig , plausibel und fügt sich in seine übrigen Bekundungen ein. Gegen ihre Glaubhaftigkeit spricht im Ergebnis entgegen der Auffassung der Verteidigung nicht, dass der Zeuge in der Vernehmung vom 2. April 1992 berichtet hat, eine von den inhaftierten Mitgliedern der "RAF" legitimierte Person habe sich an ihn gewandt und ihm übermittelt, die Gefangenen benötigten Waffen, weil sie Generalbundesanwalt Buback in einer Hauptverhandlung als Geisel nehmen wollten. Der Zeuge hat den gegen Generalbundesanwalt Buback unter dem Decknamen "Margarine" geplanten Anschlag konstant - auch mehrfach in der Vernehmung vom 2. April 1992 - als einzige der für das Jahr 1977 ins Auge gefassten Straftaten als "Bestrafungsaktion" bezeichnet. Diese Wortwahl und der Inhalt des Befehls "Der General muss weg" legen den Schluss nahe, dass Generalbundesanwalt Buback nicht als Geisel genommen, sondern getötet werden sollte. Auch nach den sonstigen Umständen ist nicht davon auszugehen, dass der Anschlag vom 7. April 1977 ohne Billigung der in Stammheim inhaftierten Gefangenen stattfand.
28
Im Übrigen weist der Senat zur Vermeidung von Missverständnissen ausdrücklich darauf hin, dass die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen Boock und seine Glaubwürdigkeit allein aufgrund der aus dem Inhalt der Akten zu entnehmenden Erkenntnisse derzeit nicht endgültig beurteilt werden können. Diese Bewertungen - ebenso wie die Würdigung der übrigen Beweise - können vielmehr im Falle der Anklageerhebung abschließend nur auf der Grundlage des Ergebnisses einer umfassenden Beweisaufnahme in einer Hauptverhandlung getroffen werden.
29
b) Die Aussage des Zeugen Boock wird durch die Gesamtschau des übrigen derzeitigen Ermittlungsergebnisses gestützt. Die weiteren Umstände, die nach Auffassung des Generalbundesanwalts den dringenden Verdacht für eine Beteiligung der Beschuldigten an dem Anschlag auf Generalbundesanwalt Buback und seine Begleiter begründen, sind bei vorläufiger Würdigung für den Nachweis der Beteiligung der Beschuldigten an dem Attentat unterschiedlich ergiebig und bedeutungsvoll. Sie sind zum Teil mehrdeutig, jedoch teilweise bereits für sich gesehen, insbesondere aber in ihrer Gesamtheit jedenfalls geeignet , eine gewisse Nähe der Beschuldigten zu dem Mordanschlag zu belegen :
30
aa) Dadurch, dass der Zeuge Boock den Decknamen "Paula", der in dem bei der Festnahme von Haag und Mayer am 30. November 1976 sichergestellten "Arbeitsplan" verwendet wurde, - zuletzt eindeutig - der Beschuldigten zuordnete , bestehen tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die Beschuldigte an den Vorbereitungen eines ursprünglich für Dezember 1976 geplanten Anschlags gegen Generalbundesanwalt Buback beteiligt war.
31
bb) Der Umstand, dass sich auf drei Umschlägen, mit denen Kopien des Selbstbezichtigungsschreibens versandt wurden, Speichelspuren der Beschuldigten befinden, lässt zwar zurzeit keinen unmittelbaren Rückschluss auf die Intensität der Einbindung der Beschuldigten in die Vorbereitungen der Tat vom 7. April 1977 zu. Er spricht jedoch dafür, dass die Beschuldigte sich an dem Nachtatgeschehen aktiv beteiligte. Hieraus wird deutlich, dass sie auch nach dem Attentat mit diesem und den mit dem Anschlag von der "RAF" verfolgten Zielen übereinstimmte.
32
cc) Ähnlich, allerdings mit einer schwächeren Indizwirkung, ist bei dem derzeitigen Stand des Verfahrens zu bewerten, dass die Beschuldigte etwa einen Monat nach der Tat zusammen mit dem tatverdächtigen "RAF"-Mitglied Sonnenberg in Singen festgenommen wurde, wobei sie die bei dem Anschlag am 7. April 1977 benutzte Waffe mit sich führten.
33
dd) Die weiteren vom Generalbundesanwalt angeführten Ermittlungsergebnisse verstärken bei vorläufiger Würdigung den Tatverdacht der Beihilfe zum Mord jedenfalls nicht wesentlich:
34
Das bei der Durchsuchung sichergestellte Schriftstück mit Datum 7. April 2008 weist einen in gewisser Weise tagebuchartigen Charakter auf. Vor allem aufgrund seiner Datierung auf den 31. Jahrestag des Anschlags sowie der namentlichen Bezeichnung des "Herrn Buback" ist ein Bezug zu der Tat erkennbar. Auch vor diesem Hintergrund erschiene es indes nicht unbedenklich, wollte man wie der Generalbundesanwalt annehmen, der - als solcher mehrdeutige - Satz "Natürlich würde ich es heute nicht mehr machen" lasse nur "den zwingenden Schluss" zu, dass die Beschuldigte an dem Anschlag vom 7. April 1977 verantwortlich mittäterschaftlich beteiligt gewesen sei. Die Einlassung der Beschuldigten vor dem Ermittlungsrichter, diese Passage beziehe sich auf ihren "früheren Weg mit dem bewaffneten Kampf", mithin allgemein auf ihre Betätigung in der "RAF", erscheint jedenfalls nicht von vornherein unplausibel. Auch diese mitgliedschaftliche Beteiligung an der terroristischen Vereinigung als solche könnte vor dem Hintergrund der gemeinschaftlichen Beschlussfassung über den Anschlag innerhalb der "RAF" Grund für Schuldgefühle der Beschuldigten sein. Nicht ausgeschlossen erscheint auch, dass die Beschuldigte ihr offensives Eintreten für die Parole "Der General muss weg" reut.
35
Die handschriftliche Notiz der Beschuldigten vom 27. April 2007 ist zwar ein Indiz dafür, dass die Beschuldigte über Kenntnisse bezüglich des Anschlags auf Generalbundesanwalt Buback und seine Begleiter verfügt. Dies belegt jedoch nicht ohne Weiteres, dass sie an dem Anschlag in strafbarer Weise betei- ligt war. Die bei der "I-Ging"-Befragung von der Beschuldigten gestellte Frage "Ist es mein Täterwissen?" weist schließlich keinen speziellen Bezug zu dem Attentat vom 7. April 1977 auf.
36
2. Mittäter nach § 25 Abs. 2 StGB ist, wer nicht nur fremdes Tun fördert, sondern einen eigenen Beitrag derart in eine gemeinschaftliche Tat einfügt, dass dieser als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheint. Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen (BGH NStZ 2007, 531). Wesentliche Anhaltspunkte können der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein; Durchführung und Ausgang der Tat müssen somit zumindest aus der subjektiven Sicht des Tatbeteiligten maßgeblich auch von seinem Willen abhängen. Dabei deutet eine ganz untergeordnete Tätigkeit schon objektiv darauf hin, dass der Beteiligte nur Gehilfe ist (st. Rspr.; s. etwa BGH NStZ 2005, 228).
37
Nach diesen Kriterien belegt das bisherige Ergebnis der Ermittlungen einen dringenden Verdacht für eine als Mittäterschaft zu qualifizierende Beteiligung der Beschuldigten an der Ermordung von Generalbundesanwalt Buback und seiner Begleiter nicht. Insbesondere lässt sich allein aus dem Umstand, dass die Beschuldigte als Führungsperson der Kerngruppe der "RAF" angehörte und diese eine gemeinschaftliche Absprache zur Durchführung der "Offensive 77" traf, zu der das Attentat vom 7. April 1977 gehörte, kein dringender Verdacht für ihre Mittäterschaft an einer der konkreten Straftaten herleiten, auf deren Begehung die Zwecke oder Tätigkeit der terroristischen Vereinigung gerichtet war. Andernfalls wäre konsequenterweise davon auszugehen, dass alle damaligen Mitglieder der inneren Gruppe der "RAF" für alle Straftaten als Mittäter verantwortlich sind, die im Rahmen der "Offensive 77" begangen wurden. Dies würde zum einen den tatsächlichen Gegebenheiten nicht gerecht, wie sie sich nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen darstellen. Danach waren nicht alle "RAF"-Mitglieder an allen konkreten Straftaten unmittelbar beteiligt. Vielmehr wurden innerhalb der "RAF" für die einzelnen Anschläge "Kommandos" gebildet, denen nicht alle, sondern lediglich bestimmte einzelne Vereinigungsmitglieder angehörten. Diese "Kommandos" begingen sodann die konkreten Straftaten. Zum anderen würden die Unterschiede bei der rechtlichen Bewertung von Tätigkeiten, die das Tatbestandsmerkmal der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Sinne des § 129 a StGB ausfüllen , und solchen, die der Begehung einer konkreten Straftat dienen, weitestgehend verwischt. Bei Anlegung der allgemeinen Maßstäbe für die Begründung der Mittäterschaft, von denen abzuweichen auch im Bereich terroristischer Kriminalität kein Anlass besteht, kommt eine Beteiligung als Mittäter an den konkreten Straftaten, auf die die Zwecke oder die Tätigkeit der Gruppierung gerichtet sind, nur dann in Betracht, wenn über die mitgliedschaftliche Beteiligung an der terroristischen Vereinigung hinaus die oben genannten Voraussetzungen der Mittäterschaft in Bezug auf die konkreten Straftaten festzustellen sind. Danach gilt:
38
Zwar ist anzunehmen, dass das Interesse der Beschuldigten an der Tat sehr groß war. Jedoch kommt diesem Abgrenzungskriterium hier keine wesentliche Bedeutung zu, weil die Tatherrschaft nicht bei der Beschuldigten, sondern ausschließlich bei den unmittelbaren Tätern des Attentats lag (vgl. BGH wistra 2001, 420, 421). Die Beschuldigte war bei sachgerechter Bewertung des bisherigen Ermittlungsergebnisses an der eigentlichen Tatausführung selbst nicht beteiligt; deren konkreter Ausgang hing deshalb nicht von ihrem Willen ab. Eine große Wahrscheinlichkeit dafür, dass sie Tatherrschaft oder wenigstens den Willen hierzu hatte, besteht mit Blick auf die Rollenverteilung innerhalb der "RAF" demnach nicht. Ihr bei vorläufiger Würdigung feststellbarer objektiver Tatbeitrag erschöpft sich vielmehr in einer psychischen Unterstützung der Täter im Vorfeld der Tat. Dass dieser von ihr bereits vor dem eigentlichen Tatgeschehen geleistete Beitrag für die konkrete Ausführung des Attentats von wesentlicher Bedeutung war, ist derzeit nicht ersichtlich.
39
3. Ausreichende Anhaltspunkte für einen dringenden Verdacht der Anstiftung zum Mord bestehen zurzeit nicht; denn das bisherige Ermittlungsergebnis belegt keine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Beschuldigte den Tatentschluss der unmittelbaren Täter des Anschlags hervorrief.
40
4. Der derzeitige Ermittlungsstand begründet somit lediglich den dringenden Verdacht der Beihilfe zum Mord. Der Senat vermag nicht zu beurteilen, inwieweit der Inhalt der Akten des Bundesamts für Verfassungsschutz zur Begründung des dringenden Verdachts einer für eine Mittäterschaft ausreichend engen Beziehung der Beschuldigten zur Tat beitragen könnte; denn diese Schriftstücke sind bisher nicht zur Strafakte gelangt. Das vom Bundesamt für Verfassungsschutz abgegebene Behördenzeugnis vom 15. Juni 2007 ist insoweit nicht ausreichend ergiebig. Sollte das Bundesministerium des Innern bis zu einer eventuellen Hauptverhandlung über das Herausgabeersuchen des Generalbundesanwalts nicht entschieden oder die Herausgabe abgelehnt haben, wird das Tatgericht gegebenenfalls zu überprüfen haben, ob die derzeit geltende Sperrerklärung vom 25. Januar 2008 oder eine dann maßgebende neue derartige Erklärung eine ausreichende Begründung enthält. Dies wäre jedenfalls dann nicht der Fall, wenn die Behörde ihre Ablehnung nur auf formelhafte Wendungen ohne ausreichenden Bezug zu dem konkreten Fall stützt. Kommt das Tatgericht zu diesem Ergebnis, wird es die von der Rechtsprechung zu § 96 StPO entwickelten Rechtsbehelfe zu ergreifen haben (BGH NJW 2007, 3010, 3012 f.; Nack in KK aaO § 96 Rdn. 15, 17; Meyer-Goßner aaO § 96 Rdn. 9, je- weils m. w. N.). Bleiben diese ohne Erfolg, wird dies gegebenenfalls bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigen sein (BGHSt 49, 112, 116 ff.).

V.

41
Ein Haftgrund besteht nicht.
42
Die Voraussetzungen des § 112 Abs. 3 StPO liegen nicht vor. Diese Vorschrift lässt nach ihrem Wortlaut bei den darin aufgeführten Straftaten der Schwerkriminalität, zu denen täterschaftlich begangener Mord nach § 211 StGB und die Beihilfe hierzu gehören, die Anordnung der Untersuchungshaft auch dann zu, wenn ein Haftgrund nach § 112 Abs. 2 StPO - namentlich Flucht, Fluchtgefahr oder Verdunkelungsgefahr - nicht besteht. Bei der nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 19, 342, 350 f.; BVerfG NJW 1966, 772) gebotenen verfassungskonformen Auslegung ist die Vorschrift wegen eines sonst darin enthaltenen offensichtlichen Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dahin auszulegen, dass der Erlass eines Haftbefehls nur zulässig ist, wenn Umstände vorliegen, welche die Gefahr begründen, dass ohne Festnahme des Beschuldigten die alsbaldige Aufklärung und Ahndung der Tat gefährdet sein könnte. Genügen kann schon die zwar nicht mit bestimmten Tatsachen belegbare, aber nach den Umständen des Falles doch nicht auszuschließende Flucht- oder Verdunkelungsgefahr oder die ernstliche Befürchtung, dass der Täter weitere Taten ähnlicher Art begehen werde. Ausreichend, aber auch erforderlich ist die Feststellung, dass eine verhältnismäßig geringe oder entfernte Gefahr dieser Art besteht (BGHR StPO § 112 Abs. 3 Fluchtgefahr 1; Meyer-Goßner aaO § 112 Rdn. 38). Wenn nach den Umständen des Einzelfalles gewichtige Gründe gegen jede Flucht-, Verdunkelungs - oder Wiederholungsgefahr sprechen, ist nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vom Erlass eines Haftbefehls nach § 112 Abs. 3 StPO abzusehen (OLG Frankfurt StV 2000, 374, 375; OLG Düsseldorf StV 1982, 585; OLG Köln StV 1994, 584; Graf in KK aaO § 112 Rdn. 42).
43
Derartige gewichtige Gründe sind im vorliegenden Fall gegeben; sie schließen die hier allein in Betracht kommende Fluchtgefahr aus. Aufgrund der sich vor allem aus der besonderen verfahrensrechtlichen Konstellation ergebenden , gemessen am erheblichen Gewicht der Haupttat reduzierten Straferwartung sowie der persönlichen Umstände der Beschuldigten, die nach derzeitigem Ermittlungsstand der Entscheidung zugrunde zu legen sind, sind in dem dargestellten Sinne ausreichende Anhaltspunkte dafür nicht zu erkennen, dass die Beschuldigte sich dem Verfahren entziehen wird.
44
Die Beschuldigte hat für den Fall der Verurteilung wegen der Tat, deren sie dringend verdächtig ist - mithin der Beihilfe zum Mord - mit der Verhängung einer zeitigen Freiheitsstrafe zu rechnen. Bei deren Bemessung wird das Tatgericht zu beachten haben, dass diese Strafe mit der lebenslangen Freiheitsstrafe gesamtstrafenfähig gewesen wäre (§ 53 StGB), auf die das Oberlandesgericht Stuttgart mit Urteil vom 28. Dezember 1977 wegen der im Zusammenhang mit der Festnahme am 3. Mai 1977 in Singen begangenen Straftaten erkannt hat. Die grundsätzlich mögliche Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe nach § 55 StGB kommt hier jedoch nicht in Betracht, weil der Bundespräsident im Gnadenwege nach vorheriger Aussetzung zur Bewährung die Verbüßung des noch nicht vollstreckten Teils der lebenslangen Strafe der Beschuldigten erlassen hat; die lebenslange Freiheitsstrafe gilt daher von Rechts wegen als vollständig vollstreckt. Sind in einem früheren Urteil verhängte, an sich gesamtstrafenfähige Einzelstrafen bereits vollstreckt und daher nach § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB nicht mehr in die Gesamtstrafe einzubeziehen, so sind die sich durch die getrennte Aburteilung für den Angeklagten ergebenden Nachteile auszuglei- chen (Fischer, StGB 57. Aufl. § 55 Rdn. 21); denn ein Angeklagter darf nicht deshalb im Ergebnis schlechter gestellt werden, weil er eine von mehreren, an sich gesamtstrafenfähigen Strafen verbüßt hat und somit die Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe nicht mehr möglich ist. Das Tatgericht wird deshalb im Fall der Verurteilung der Beschuldigten einen angemessenen Härteausgleich vorzunehmen haben.
45
Im Übrigen wird nach den in den §§ 46 ff. StGB gesetzlich bestimmten Grundsätzen der Strafzumessung zu Gunsten der Beschuldigten etwa zu bedenken sein, dass die Tat mittlerweile mehr als 32 Jahre und damit eine ganz erhebliche Zeit zurückliegt. Auch ist das Gewicht des konkreten Tatbeitrages, dessen sie derzeit dringend verdächtig ist, vergleichsweise gering.
46
Diese Gesichtspunkte führen - obgleich es sich bei dem Attentat vom 7. April 1977 um ein besonders brutales, in hohem Maße die den Wert eines Menschenlebens verachtende Gesinnung der damaligen Tatbeteiligten offenbarendes Verbrechen handelt, dem drei Personen zum Opfer fielen - dazu, dass die Straferwartung der Beschuldigten jedenfalls signifikant niedriger liegt als in den sonstigen Fällen der Schwerkriminalität, die typischerweise in den Regelungsbereich des § 112 Abs. 3 StPO fallen. Von der im Verurteilungsfall zu erwartenden Sanktion geht deshalb für die Beschuldigte kein bei der Beurteilung der Fluchtgefahr besonders ins Gewicht fallender Anreiz aus, sich dem Verfahren nicht zu stellen.
47
Die derzeit erkennbaren tatsächlichen Umstände des vorliegenden Falles lassen eine Flucht der Beschuldigten ebenfalls nicht erwarten. Der Beschuldigten ist seit 2008 bekannt, dass das Ermittlungsverfahren gegen sie wieder aufgenommen worden ist. Sie hat sich gleichwohl weiterhin in Deutschland aufgehalten und sich der polizeilichen Festnahme freiwillig gestellt. Sie verfügt zwar über Kontakte ins Ausland; dabei handelt es sich indes um gewöhnliche familiäre Beziehungen, ohne dass insoweit ein krimineller Hintergrund ersichtlich ist. In diesem Zusammenhang stellt es kein für eine Fluchtgefahr sprechendes Relativieren von Auslandskontakten dar, dass die Beschuldigte bei ihrer Vernehmung durch den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs anlässlich der Eröffnung des Haftbefehls im August 2009 nicht angegeben hat, dass sie im Jahre 2007 einen zweiwöchigen Urlaub in Südafrika - vermutlich bei einer entfernten Verwandten - verbracht hat. Die Beschuldigte leidet an einer Erkrankung und ist auf die regelmäßige Einnahme von rezeptpflichtigen Medikamenten angewiesen. Sie lebt seit fast 20 Jahren im Haus ihrer Schwester in Berlin und unterhält Beziehungen zu ihrer Familie, hat mithin einen gefestigten Lebensmittelpunkt in Deutschland. Sie ist seit fünf Jahren befristet berentet und bezieht Hartz-IV-Leistungen, verfügt also nicht über erhebliche laufende Einnahmen.
48
Vor diesem Hintergrund ist es nicht von maßgebender Relevanz, dass die Beschuldigte in einem Telefongespräch vom 21. März 2009 mit dem ehemaligen "RAF"-Mitglied Mohnhaupt unter anderem ausführte, sie gehe nicht davon aus, dass "… se da was machen können, außer dass se halt sagen: Ja die Bekennerbriefe…". Diese bereits für sich betrachtet für die Frage der Fluchtgefahr eher unergiebige Passage verliert die ihr vom Generalbundesanwalt zugeschriebene Bedeutung, die Beschuldigte habe zu diesem Zeitpunkt noch nicht ernstlich mit einer Anklageerhebung gerechnet, jedenfalls dann, wenn man sie im Zusammenhang mit dem übrigen Gesprächsinhalt würdigt. Dem Telefonat ist insgesamt eher eine gewisse Sorge der Beschuldigten bezüglich der neueren Entwicklungen der Beweislage als die Sicherheit zu entnehmen , dass keine weiteren Strafverfolgungsmaßnahmen durchgeführt werden.
49
Die in der während einer Zugfahrt am 27. April 2007 gefertigten persönlichen Notiz enthaltene Passage "Würde ich danach irgendwo gerne neu anfangen ?..." belegt lediglich, dass die Beschuldigte sich Gedanken über ihre damalige Situation und ihre Zukunft machte; sie taugt jedoch nicht als Indiz dafür, sie werde sich einem Strafverfahren entziehen. Es bedarf schließlich keiner näheren Erörterung, dass ausreichende Anhaltspunkte dafür, die Beschuldigte werde die Frage einer Flucht wesentlich von dem zufälligen Ausgang einer "I-Ging"-Befragung abhängig machen, nicht bestehen.
50
Bei zusammenfassender Würdigung der vorgenannten Umstände erscheint es somit ausgeschlossen, dass sich die Beschuldigte, in Freiheit belassen , dem Verfahren durch Flucht entziehen wird. Becker von Lienen Schäfer

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

5 StR 301/11

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 17. August 2011
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. August 2011

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 10. Februar 2011 gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch aufgehoben.
Die weitergehende Revision gegen das vorgenannte Urteil wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer zurückverwiesen.
G r ü n d e
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Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und vier Monaten verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.
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Die Revision des Angeklagten ist hinsichtlich des Schuldspruchs unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Dagegen hält die Strafzumessung rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat zwar erkannt, dass dem Angeklagten wegen der vollständigen Verbüßung der an sich gesamtstrafenfähigen Vorverurteilung ein Härteausgleich zu gewähren war, diesen aber mit nur fünf Monaten nicht rechtsfehlerfrei bemessen.
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1. Der Härteausgleich soll die durch die getrennte Aburteilung entstandenen Nachteile ausgleichen (vgl. BGH, Urteil vom 12. August 1998 – 3 StR 537/97, BGHSt 44, 179, 185 f.). Ziel des Härteausgleichs muss des- halb sein, den Angeklagten so zu stellen, wie er bei einer Gesamtstrafenbildung gestanden hätte. Die hierfür maßgeblichen Umstände zu gewichten und die hiernach angemessene Strafe zu bestimmen, obliegt grundsätzlich dem Tatgericht. Das Revisionsgericht greift – ebenso wie bei der Kontrolle der Gesamtstrafenbildung – nur dann ein, wenn der Umfang des Härteausgleichs nicht mehr ausreichend begründet wurde (BGHSt aaO; vgl. auch BGH, Beschluss vom 2. September 1997 – 1 StR 317/97, NStZ 1998, 134).
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Im vorliegenden Fall war durch die Vollverbüßung eine dem Angeklagten günstige Gesamtstrafenbildung mit Einzelstrafen (dreimal drei Monate, dreimal vier Monate, zweimal fünf Monate und einmal acht Monate), die im Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 27. August 2009 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr zehn Monaten zusammengeführt wurden , verwehrt. Im Rahmen einer solchen Gesamtstrafenbildung hätte berücksichtigt werden müssen, dass sämtliche Taten in einem engen zeitlichen und situativen Zusammenhang standen, mithin ein straffer Zusammenzug der Einzelstrafen zu erwarten gewesen wäre. Hinzu kommt, dass gegen den Angeklagten in dieser Sache während der Strafhaft aufgrund eines Haftbefehls Überhaft notiert war, was zur Folge hatte, dass er von Vollzugslockerungen weitgehend ausgeschlossen war. Angesichts dieser Umstände hätte es einer eingehenderen Darlegung bedurft, wenn die Strafkammer nur einen derart geringen Härteausgleich zuerkennen will.
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Der vorliegende Begründungsmangel erlaubt es, die Feststellungen zur Strafzumessung im Übrigen aufrecht zu erhalten, weil sie hiervon ersichtlich nicht betroffen sind. Dem neuen Tatgericht ist es jedoch gestattet, weitergehende , Feststellungen zu treffen, die den bisher getroffenen nicht widersprechen. http://www.juris.de/jportal/portal/t/15s6/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE302822010&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/15s6/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE302822010&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/15s6/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=JURE100072233&doc.part=L&doc.price=0.0#focuspoint - 4 -
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2. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
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Zwar hält er an seiner Rechtsauffassung fest, dass es grundsätzlich vorzugswürdig wäre, den gebotenen Härteausgleich im Rahmen der Vollstreckungslösung durch eine Anrechnung vorzunehmen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. Januar 2010 – 5 StR 478/09, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 18; vom 28. September 2010 – 5 StR 343/10 und vom 11. April 2011 – 5 StR 100/11). Hier ist dieser Weg indes dadurch erschwert, dass das Landgericht bereits einen Härteausgleich im Wege des Strafabschlags vorgenommen hat und deshalb im Falle einer Umstellung Probleme unter dem Gesichtspunkt des Verschlechterungsverbots auftreten könnten (vgl. BGH, Beschluss vom 2. April 2008 – 5 StR 62/08, wistra 2008, 266). Es wird deshalb angezeigt sein, die neue Strafe wiederum im Wege des Strafabschlags zu bestimmen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. November 2010 – 4 StR 441/10, NJW 2011, 868).
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Das neue Tatgericht wird ferner auch zu erläutern haben, warum das Verfahren gegen den bereits am 13. November 2008 im Besitz des erpressten Handys verhafteten Angeklagten erst im Februar 2011 nach Verbüßung der Gesamtfreiheitsstrafe aus dem vorgenannten Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin abgeschlossen werden konnte.
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