Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Juni 2019 - 2 StR 104/19
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts – zu Ziffer 2. auf dessen Antrag – am 26. Juni 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in zwei Fällen (Einzelstrafen von vier Jahren und sechs Monaten bzw. vier Jahren und drei Monaten) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die dagegen gerichtete, auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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- 1. Die Verfahrensrügen sowie die Sachrüge, soweit sich diese gegen den Schuldspruch und die Strafzumessung im Fall 1 der Urteilsgründe richtet, bleiben aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts ohne Erfolg.
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- 2. Hingegen halten der Strafausspruch im Fall 2 der Urteilsgründe sowie der Gesamtstrafenausspruch rechtlicher Überprüfung nicht stand.
- 4
- a) Das Landgericht hat bei der konkreten Zumessung beider Einzelstrafen zu Lasten des Angeklagten unter anderem berücksichtigt, dass dieser zum Zeitpunkt der Begehung der Straftaten „unter laufender Bewährung aus dem Beschluss des Landgerichts Rostock vom 29. November 2010 stand“. Diese Wertung wird für die zweite Tat von den Feststellungen nicht getragen. Denn der Angeklagte beging diese zu einem „nicht näher feststellbaren Zeitpunkt zum Ende des Jahres 2013“, währenddie dreijährige Bewährungszeit aus dem Beschluss des Landgerichts Rostock vom 29. November 2010 lediglich bis zum 9. Dezember 2013 lief. Danach hat der Angeklagte die zweite Tat nicht ausschließbar nach dem 9. Dezember 2013 und damit nach Ablauf der Bewährungszeit begangen. Der im Tatzeitpunkt noch ausstehende Beschluss über den Erlass der Strafe rechtfertigt es nicht, dem Angeklagten zur Last zu legen, er habe die neue Tat „unter laufender Bewährung“ begangen(vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. August 2017 – 3 StR 331/17, juris Rn. 11; vom 6. September 2016 – 3 StR 283/16, juris Rn. 3).
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- b) Die Aufhebung der Einzelstrafe im Fall 2 der Urteilsgründe entzieht dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage. Dieser erweist sich aber auch deshalb als rechtsfehlerhaft, weil das Landgericht es unterlassen hat, im Rahmen der Gesamtstrafenbildung zugunsten des Angeklagten einen Härteausgleich zu erörtern, obwohl dies geboten war.
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- aa) Nach den Feststellungen wurde der Angeklagte am 17. April 2014 durch das Amtsgericht Rostock wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen, im Fall 1 tateinheitlich mit versuchter Nötigung, Tatzeiten waren der Vorbzw. Nachmittag des 9. Januar 2014, zu einer „Freiheitsstrafe“ von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Nach Teilverbüßung wurde der Strafrest durch Beschluss vom 15. Oktober 2014 zur Bewährung ausgesetzt und nach Ablauf der Bewährungszeit mit Beschluss vom 29. Mai 2018 erlassen.
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- bb) Scheitert eine nach § 55 Abs. 1 StGB an sich mögliche nachträgliche Gesamtstrafenbildung daran, dass die zunächst erkannte Strafe bereits vollstreckt , verjährt oder erlassen ist, so fordert eine darin liegende Härte einen angemessenen Ausgleich bei der Bemessung der neuen Strafe (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 8. November 2018 – 4 StR 269/18, juris Rn. 19 mwN). Bezugspunkt für den zu gewährenden Härteausgleich ist die Gesamtstrafenbildung , wie sie ohne die eingetretene Erledigung der früheren Verurteilung vorzunehmen gewesen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 17. August 2011 – 5 StR 301/11, StV 2012, 596).
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- cc) Nach diesen Maßstäben war das Landgericht gehalten, zu Gunsten des Angeklagten zu prüfen, ob für den vollstreckten Teil der im Übrigen erlassenen Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil vom 17. April 2014 ein Härteausgleich zu gewähren war. Denn ohne die eingetretene Erledigung wäre die Gesamtstrafe aus dem Erkenntnis des Amtsgerichts Rostock aufzulösen und unter Einbeziehung der dortigen Einzelstrafen mit den beiden Einzelstrafen dieses Verfahrens eine neue Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden gewesen. Insofern könnte die nicht mehr mögliche Gesamtstrafenbildung für den Angeklagten eine unbillige Härte darstellen.
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- 3. Die von der Strafkammer zur Strafzumessung getroffenen Feststellungen werden von den aufgezeigten Rechtsfehlern nicht berührt und können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit sie zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.
(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die weitergehende Revision gegen das vorgenannte Urteil wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer zurückverwiesen.
G r ü n d e
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und vier Monaten verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.
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- Die Revision des Angeklagten ist hinsichtlich des Schuldspruchs unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Dagegen hält die Strafzumessung rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat zwar erkannt, dass dem Angeklagten wegen der vollständigen Verbüßung der an sich gesamtstrafenfähigen Vorverurteilung ein Härteausgleich zu gewähren war, diesen aber mit nur fünf Monaten nicht rechtsfehlerfrei bemessen.
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- 1. Der Härteausgleich soll die durch die getrennte Aburteilung entstandenen Nachteile ausgleichen (vgl. BGH, Urteil vom 12. August 1998 – 3 StR 537/97, BGHSt 44, 179, 185 f.). Ziel des Härteausgleichs muss des- halb sein, den Angeklagten so zu stellen, wie er bei einer Gesamtstrafenbildung gestanden hätte. Die hierfür maßgeblichen Umstände zu gewichten und die hiernach angemessene Strafe zu bestimmen, obliegt grundsätzlich dem Tatgericht. Das Revisionsgericht greift – ebenso wie bei der Kontrolle der Gesamtstrafenbildung – nur dann ein, wenn der Umfang des Härteausgleichs nicht mehr ausreichend begründet wurde (BGHSt aaO; vgl. auch BGH, Beschluss vom 2. September 1997 – 1 StR 317/97, NStZ 1998, 134).
- 4
- Im vorliegenden Fall war durch die Vollverbüßung eine dem Angeklagten günstige Gesamtstrafenbildung mit Einzelstrafen (dreimal drei Monate, dreimal vier Monate, zweimal fünf Monate und einmal acht Monate), die im Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 27. August 2009 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr zehn Monaten zusammengeführt wurden , verwehrt. Im Rahmen einer solchen Gesamtstrafenbildung hätte berücksichtigt werden müssen, dass sämtliche Taten in einem engen zeitlichen und situativen Zusammenhang standen, mithin ein straffer Zusammenzug der Einzelstrafen zu erwarten gewesen wäre. Hinzu kommt, dass gegen den Angeklagten in dieser Sache während der Strafhaft aufgrund eines Haftbefehls Überhaft notiert war, was zur Folge hatte, dass er von Vollzugslockerungen weitgehend ausgeschlossen war. Angesichts dieser Umstände hätte es einer eingehenderen Darlegung bedurft, wenn die Strafkammer nur einen derart geringen Härteausgleich zuerkennen will.
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- Der vorliegende Begründungsmangel erlaubt es, die Feststellungen zur Strafzumessung im Übrigen aufrecht zu erhalten, weil sie hiervon ersichtlich nicht betroffen sind. Dem neuen Tatgericht ist es jedoch gestattet, weitergehende , Feststellungen zu treffen, die den bisher getroffenen nicht widersprechen. http://www.juris.de/jportal/portal/t/15s6/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE302822010&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/15s6/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE302822010&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/15s6/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=JURE100072233&doc.part=L&doc.price=0.0#focuspoint - 4 -
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- 2. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
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- Zwar hält er an seiner Rechtsauffassung fest, dass es grundsätzlich vorzugswürdig wäre, den gebotenen Härteausgleich im Rahmen der Vollstreckungslösung durch eine Anrechnung vorzunehmen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. Januar 2010 – 5 StR 478/09, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 18; vom 28. September 2010 – 5 StR 343/10 und vom 11. April 2011 – 5 StR 100/11). Hier ist dieser Weg indes dadurch erschwert, dass das Landgericht bereits einen Härteausgleich im Wege des Strafabschlags vorgenommen hat und deshalb im Falle einer Umstellung Probleme unter dem Gesichtspunkt des Verschlechterungsverbots auftreten könnten (vgl. BGH, Beschluss vom 2. April 2008 – 5 StR 62/08, wistra 2008, 266). Es wird deshalb angezeigt sein, die neue Strafe wiederum im Wege des Strafabschlags zu bestimmen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. November 2010 – 4 StR 441/10, NJW 2011, 868).
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- Das neue Tatgericht wird ferner auch zu erläutern haben, warum das Verfahren gegen den bereits am 13. November 2008 im Besitz des erpressten Handys verhafteten Angeklagten erst im Februar 2011 nach Verbüßung der Gesamtfreiheitsstrafe aus dem vorgenannten Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin abgeschlossen werden konnte.