Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 422/11
vom
29. März 2012
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
29. März 2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Hubert,
Mayer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Menges
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten K. ,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin des Angeklagten A. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kleve vom 30. Juni 2011, soweit es die Angeklagten betrifft, im jeweiligen Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen schuldig gesprochen und den Angeklagten K. zu der Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten sowie den Angeklagten A. zu einer solchen von einem Jahr und sechs Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen, die sie jeweils auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts stützen, der Angeklagte A. darüber hinaus auch auf eine Verfahrensbeanstandung. Die Rechtsmittel haben mit den Sachbeschwerden zu den Strafaussprüchen Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet.

I.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen festgestellt:
3
In der Nacht vom 28. auf den 29. Dezember 2010 waren die Angeklagten sowie der Mitangeklagte und Nichtrevident D. als Türsteher in der Diskothek in M. tätig. Gegen 1.00 Uhr forderte D. nach einem Wortwechsel den Geschädigten Y. auf, die Diskothek zu verlassen, und begleitete ihn zur Tür. Y. war deswegen verärgert. Auf sein Geheiß ging sein Begleiter Mä. zum Eingang der Diskothek zurück und forderte den Angeklagten D. auf, nach draußen zu kommen, um die Sache mit dem Zeugen Y. "Mann gegen Mann" zu klären. Gemeinsam mit den Angeklagten K. und A. begaben sich D. , Y. und Mä. vor die Diskothek , wobei allen Beteiligten klar war, dass es nun zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen Y. und D. kommen würde. Sogleich begann eine Rangelei zwischen diesen beiden, in deren Verlauf sich - entgegen der Erwartung der drei Angeklagten - der Zeuge Y. als der Überlegene herausstellte. Es gelang ihm, den Angeklagten D. zu Fall zu bringen, sich auf ihn zu setzen und auf ihn einzuschlagen. Dieser unerwartete Verlauf missfiel den Angeklagten K. und A. , so dass sie sich entschlossen, zugunsten des Mitangeklagten D. in die Auseinandersetzung einzugreifen, um das Blatt zu dessen Gunsten zu wenden. Sie traten und schlugen daher gemeinsam gegen Kopf und Körper des Zeugen Y. , der währenddessen - von den übrigen Beteiligten unbemerkt - von D. mehrfach mit einem - ohne Wis- sen der beiden anderen Angeklagten mitgeführten - Faustmesser gestochen wurde. Als der bis dahin an der Auseinandersetzung völlig unbeteiligte Mä. bemerkte, dass sein Freund sich nunmehr drei Gegnern gegenübersah, versuchte er mit den Worten: "Was soll das, ausgemacht war einer gegen einen", dem Geschädigten Y. zur Hilfe zu kommen. Er wurde daraufhin von den Angeklagten A. und K. abgewehrt und geschlagen, wodurch er ein blaues Auge und Prellungen im Rippenbereich erlitt. Gleichwohl leistete er heftigen Widerstand, weswegen die Angeklagten K. und A. zunächst von ihm abließen und sich - vermutlich ins Innere der Diskothek - zurückzogen. Dies nutzte der Geschädigte Mä. , um den Angeklagten D. , der zwischenzeitlich die Oberhand gewonnen hatte und auf dem Zeugen Y. saß, von diesem herunterzuziehen und die beiden voneinander zu trennen. Gemeinsam mit Y. , der bereits sichtbar aus mehreren Stich- und Schnittverletzungen an den Armen, Beinen und am Oberkörper blutete und sich nur noch humpelnd fortbewegen konnte, flüchtete Mä. in Richtung seines Autos. Die drei Angeklagten waren zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zu sehen.
4
Nachdem die beiden Geschädigten etwa 30 Meter zurückgelegt hatten, wurden sie von allen drei Angeklagten, die sich zwischenzeitlich jeder mit einem Schlagwerkzeug - vermutlich mit Baseballschlägern oder Teleskopschlagstöcken - bewaffnet hatten, verfolgt. Als Mä. sich umdrehte und die Angeklagten K. und A. auf sich zukommen sah, rannte er davon. Währenddessen stürzte sich D. mit gezücktem Messer auf Y. und stach, nunmehr in der Absicht, ihn zu töten, mindestens sechs Mal gezielt auf dessen Hals, Kopf und Rücken ein. Der Zeuge Y. erlitt dadurch und durch die vorangegangenen Stiche zahlreiche erhebliche Verletzungen. Nachdem Y. gestürzt war und D. sein Messer verloren hatte, schlug der Mitangeklagte mit Fäusten weiter auf sein Opfer ein. Die Angeklagten K. und A. , denen es nicht gelungen war, den Zeugen Mä. einzuholen, begaben sich jetzt ebenfalls zu dem auf dem Boden liegenden Y. und schlugen mit ihren Schlagwerkzeugen auf diesen ein, wodurch der Geschädigte unter anderem erhebliche Gesichtsschädelverletzungen erlitt.

II.


5
1. Die Verfahrensrüge des Angeklagten A. versagt. Zwar hat sich die Strafkammer in den Urteilsgründen in Widerspruch zu einem Teil der Begründung gesetzt, mit der sie den Beweisantrag des Angeklagten, den Zeugen V. zum Beweis dafür zu vernehmen, dass der Geschädigte Y. - entgegen seiner Bekundung als Zeuge - intensiv Kampfsport betreibe, wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache im Sinne von § 244 Abs. 3 Satz 2 Var. 2 StPO zurückgewiesen hat (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 244 Rn. 56 mwN); denn während sie im Ablehnungsbeschluss die Glaubhaftigkeit der Angaben des Geschädigten Y. und dessen Glaubwürdigkeit selbst bei (unterstellter) Richtigkeit der Beweisbehauptung u.a. deshalb nicht als erschüttert angesehen hat, weil der Geschädigte Erinnerungslücken und Unsicherheiten eingeräumt sowie auf besondere Nachfrage, wer ihn mit einem Stock geschlagen habe, angegeben habe, dies nicht mehr sicher sagen zu können, führt sie in den Urteilsgründen aus, sie habe sich von einem Schlagstockeinsatz durch den Angeklagten A. gegen den Geschädigten Y. auch deshalb überzeugt, weil dieser sich sicher gewesen sei, auch A. habe mit einem Schlagstock auf ihn eingeschlagen.
6
Indes beruht die Verurteilung des Angeklagten auf diesem Verfahrensfehler nicht (§ 337 Abs. 1 StPO). Sowohl die antizipierende Beweiswürdigung im Ablehnungsbeschluss als auch die im Urteil mitgeteilte, Schuld- und Strafausspruch tragende Überzeugungsbildung sind - je für sich - frei von Rechtsfehlern. Der hier maßgebliche Verfahrensfehler liegt deshalb darin, dass die Strafkammer ihre von einem Teil der Begründung des Ablehnungsbeschlusses abweichende Beweiswürdigung dem Antragsteller vor der Urteilsverkündung nicht bekannt gegeben und ihm somit die Möglichkeit genommen hat, sein Verteidigungsverhalten auf diese teilweise Abkehr von der Begründung der Zurückweisung des Beweisantrages einzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 1963 - 1 StR 501/62, BGHSt 19, 24, 26 f.; LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 139). Der Senat kann aber unter den hier gegebenen Umständen ausschließen , dass der Angeklagte bei einem (rechtzeitigen) Hinweis auf die allein in einem Teilaspekt abweichende Überzeugungsbildung des Landgerichts die Möglichkeit gehabt hätte, durch weitere Anträge oder Darlegungen Schuldoder Strafausspruch für ihn günstig zu beeinflussen. Die Revision bringt insofern auch nicht vor, wie sich der Angeklagte nach einem solchen Hinweis insoweit erfolgversprechender hätte verteidigen, insbesondere die Glaubwürdigkeit des Geschädigten Y. in entscheidungserheblicher Weise hätte erschüttern können. Dafür ist dem Senat auch sonst nichts ersichtlich. Dies gilt insbesondere für das vom Landgericht widersprüchlich behandelte Sachverhaltsdetail eines Schlagstockeinsatzes durch den Angeklagten A. gegen den Geschädigten Y. ; denn seine das Urteil tragende Überzeugung, dass dieser stattgefunden hat, stützt das Landgericht nicht nur auf die Aussage dieses Geschädigten , sondern auch auf die Angaben des Geschädigten Mä. , der sich "auch auf mehrfache Nachfrage 100%ig sicher" gewesen sei, dass gerade der Angeklagte A. mit einem Schlagstock auf den Geschädigten Y. eingeschlagen habe. Zudem ist das von den beiden Verletzten geschilderte Kerngeschehen durch die geständige Einlassung des Mitangeklagten D. bestätigt worden. Dieser hatte sich zunächst dahin eingelassen, dass er zu den Tatbei- trägen der Angeklagten nichts sagen könne, hat nach der Vernehmung der beiden Geschädigten zum Tatgeschehen indes deren Darstellung als zutreffend bezeichnet. All dies belegt, dass das Landgericht bei verfahrensfehlerfreier Vorgehensweise zu keinem anderen Urteil gelangt wäre.
7
2. Die aufgrund der erhobenen Sachbeschwerden veranlasste Überprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Dies gilt auch für die konkurrenzrechtliche Bewertung ihrer Taten als jeweils zwei tatmehrheitliche gefährliche Körperverletzungen. Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts sind die Voraussetzungen einer natürlichen Handlungseinheit nicht gegeben.
8
a) Unter dem Gesichtspunkt einer natürlichen Handlungseinheit liegt eine Tat im sachlichrechtlichen Sinne vor, wenn mehrere, im Wesentlichen gleichartige Handlungen von einem einheitlichen Willen getragen werden und aufgrund ihres engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs so miteinander verbunden sind, dass sich das gesamte Tätigwerden bei natürlicher Betrachtungsweise objektiv auch für einen Dritten als ein einheitliches Geschehen darstellt (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 24. Februar 1994 - 4 StR 683/93, StV 1994, 537; Beschluss vom 4. September 1990 - 1 StR 301/90, BGHR StGB § 52 Abs. 1 Entschluss, einheitlicher 1). Sie ist gekennzeichnet durch einen solchen unmittelbaren Zusammenhang zwischen mehreren menschlichen, strafrechtlich erheblichen Verhaltensweisen, dass sich das gesamte Tätigwerden an sich (objektiv) auch für einen Dritten bei natürlicher Betrachtungsweise als ein einheitlich zusammengefasstes Tun darstellt (vgl. LK/Rissing-van Saan, StGB, 12. Aufl., vor § 52 Rn. 10 ff.). Richten sich die Handlungen des Täters gegen höchstpersönliche Rechtsgüter der Opfer, wird die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit zwar nicht grundsätzlich aus- geschlossen, sie liegt jedoch bereits nicht nahe (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., vor § 52 Rn. 7). Denn höchstpersönliche Rechtsgüter sind einer additiven Betrachtungsweise allenfalls in Ausnahmefällen zugänglich. Deshalb können Handlungen, die sich nacheinander gegen höchstpersönliche Rechtsgüter mehrerer Personen richten, grundsätzlich weder durch ihre enge Aufeinanderfolge noch durch einen einheitlichen Plan oder Vorsatz zu einer natürlichen Handlungseinheit und damit zu einer Tat im Rechtssinne zusammengefasst werden. Ausnahmen kommen nur in Betracht, wenn ein einheitlicher Tatentschluss gegeben ist und die Aufspaltung des Tatgeschehens in Einzelhandlungen wegen eines außergewöhnlich engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhanges , etwa bei Messerstichen oder Schüssen innerhalb weniger Sekunden, willkürlich und gekünstelt erschiene (vgl. BGH, Urteil vom 19. November 2009 - 3 StR 87/09, BGHR StGB § 232 Konkurrenzen 1; LK/Rissing-van Saan, aaO, Rn. 14).
9
b) Nach diesen Maßstäben können die Körperverletzungshandlungen der Angeklagten gegen die beiden Geschädigten im Hinblick auf die Rechtsfigur der natürlichen Handlungseinheit jeweils nicht zu einer einheitlichen Tat zusammengefasst werden. Im Ausgangspunkt wollten sich allein der Mitangeklagte D. und der Geschädigte Y. körperlich auseinandersetzen und taten dies auch. Die Angeklagten sind (im ersten Handlungsabschnitt) erst dann gemeinschaftlich gegen den Geschädigten Y. vorgegangen und haben diesen mit Tritten und Schlägen gegen Kopf und Körper verletzt, als sie erkannt hatten, dass der Mitangeklagte D. zu unterliegen drohte. Als daraufhin der Zeuge Mä. seinem Freund Y. zu Hilfe kommen wollte, haben sich die Angeklagten dem Geschädigten Mä. zugewandt und haben diesen gemeinsam geschlagen, wodurch er ein blaues Auge und Prellungen im Rippenbereich erlitt. Nachdem sich die Angeklagten vom ersten Tatort ent- fernt und mit Schlagwerkzeugen bewaffnet hatten, verfolgten sie (im zweiten Handlungsabschnitt) zunächst Mä. und wandten sich dann - als sie Mä. nicht einzuholen vermochten - dem am Boden liegenden Geschädigten Y. zu, auf den sie sodann am zweiten Tatort - gemeinschaftlich auch mit dem Mitangeklagten D. - jeweils mit ihren Schlaginstrumenten einschlugen. Auf der Grundlage dieses Geschehensablaufes, der insbesondere durch mehrere Tatentschlüsse der Angeklagten gekennzeichnet ist, die durch zeitlich aufeinanderfolgende, jeweils neue Sachverhaltsentwicklungen bedingt waren und zu unterschiedlichen Verletzungshandlungen der Angeklagten gegen beide Geschädigte an mehreren Orten führten, stellt sich die Annahme von Tatmehrheit unter keinem Blickwinkel als willkürlich und gekünstelt dar. Danach liegt auch keine der von der Rechtsprechung bei Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter mehrerer Personen anerkannten Ausnahmen vor; insbesondere beruhen die verschiedenen Angriffe schon nicht auf einem einheitlichen Tatentschluss. Dass das Landgericht die Angeklagten im Hinblick auf die infolge ihres zwischenzeitlichen Rückzuges zum Zwecke der Bewaffnung eingetretene (zeitliche, räumliche und sachliche) Zäsur im Tatgeschehen nicht wegen weiterer, rechtlich selbständiger Straftaten schuldig gesprochen hat, beschwert diese nicht.
10
3. Die Strafaussprüche können demgegenüber nicht bestehen bleiben. Mit Recht weisen die Revisionen darauf hin, dass die strafschärfenden Erwägungen , die Angeklagten hätten jeweils den bis dahin unbeteiligten Zeugen Mä. "ohne Not in eine Schlägerei verwickelt" und sie hätten sich "ohne Not in die ... Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten D. und dem Zeugen Y. eingemischt", rechtsfehlerhaft sind; denn damit hat das Landgericht das Fehlen von Strafmilderungsgründen strafschärfend berücksichtigt und bei beiden Angeklagten straferhöhend gewertet, die Taten überhaupt begangen haben (§ 46 Abs. 3 StGB; vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Juli 2010 - 3 StR 218/10, StraFo 2010, 466 und vom 15. Januar 2008 - 4 StR 530/07; Fischer, aaO, § 46 Rn. 76). Durchgreifend rechtsfehlerhaft ist weiterhin, dass das Landgericht zu Lasten des Angeklagten K. berücksichtigt hat, er habe es "in der Hand (gehabt), es nicht zu einer Auseinandersetzung kommen zu lassen" und die "ihm gegenüber weisungsgebundenen Angeklagten A. und D. zurückzuhalten", da schon nicht festgestellt ist, dass der Angeklagte K. der Vorgesetzte der beiden anderen Angeklagten war und im Übrigen auch eine auf anderer Grundlage fußende spezifische Pflicht, deren Auseinandersetzungen zu verhindern, nicht ersichtlich ist. Im Hinblick darauf begegnet auch die weitere zu Lasten des Angeklagten K. angestellte Erwägung, er habe "nicht einmal die kurze Kampfunterbrechung zur Deeskalation genutzt, sondern sich mit einem Schlagwerkzeug bewaffnet", rechtlichen Bedenken. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei rechtsfehlerfreier Zumessung mildere Strafen gegen beide Angeklagte verhängt hätte. Unter den gegebenen Umständen kommt eine Sachbehandlung gemäß § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO bei beiden Angeklagten nicht in Betracht.
Becker Pfister Hubert Mayer Menges

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(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafgesetzbuch - StGB | § 46 Grundsätze der Strafzumessung


(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um

Strafgesetzbuch - StGB | § 52 Tateinheit


(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt. (2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie d

Strafprozeßordnung - StPO | § 337 Revisionsgründe


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. (2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

Strafgesetzbuch - StGB | § 232 Menschenhandel


(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer eine andere Person unter Ausnutzung ihrer persönlichen oder wirtschaftlichen Zwangslage oder ihrer Hilflosigkeit, die mit dem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden i

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(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 87/09
vom
19. November 2009
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Geiselnahme u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
24. September 2009 in der Sitzung am 19. November 2009, an denen teilgenommen
haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten K. ,
- nur in der Verhandlung vom 24. September 2009 - ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Kl. ,
- nur in der Verhandlung vom 24. September 2009 - ,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin T. ,
- nur in der Verhandlung vom 24. September 2009 - ,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten Kl. wird das Urteil des Landgerichts Verden vom 2. Juli 2008, soweit es ihn betrifft, im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Geiselnahme in Tateinheit mit schwerem Menschenhandel, mit besonders schwerer Vergewaltigung, mit schwerer Vergewaltigung in acht rechtlich zusammentreffenden Fällen, mit Vergewaltigung in sechs rechtlich zusammentreffenden Fällen, mit sexueller Nötigung in neun rechtlich zusammentreffenden Fällen und mit Nötigung, der Geiselnahme in Tateinheit mit schwerem Menschenhandel und mit sexueller Nötigung in 24 rechtlich zusammentreffenden Fällen, des schweren Menschenhandels sowie der Verabredung zum schweren Menschenhandel und zur sexuellen Nötigung schuldig ist. Die weitergehende Revision des Angeklagten Kl. und die Revision des Angeklagten K. werden verworfen. 2. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten Kl. wegen Geiselnahme in Tateinheit mit schwerem Menschenhandel, mit besonders schwerer Vergewaltigung , mit schwerer Vergewaltigung in acht rechtlich zusammentreffenden Fällen , mit Vergewaltigung in sechs rechtlich zusammentreffenden Fällen und sexueller Nötigung in zehn rechtlich zusammentreffenden Fällen (Tat zum Nachteil der Nebenklägerin T. ), wegen Geiselnahme in Tateinheit mit schwerem Menschenhandel und mit sexueller Nötigung in 24 rechtlich zusammentreffenden Fällen (Tat zum Nachteil der Nebenklägerin E. ), wegen schweren Menschenhandels (Tat zum Nachteil der Nebenklägerin Eg. ) und wegen Verabredung zum schweren Menschenhandel und zur sexuellen Nötigung (Tat zum Nachteil der Zeugin F. ) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt und gegen ihn die Sicherungsverwahrung angeordnet. Den Angeklagten K. hat es wegen Geiselnahme in Tateinheit mit schwerem Menschenhandel (Tat zum Nachteil der Nebenklägerin T. ), wegen Geiselnahme in Tateinheit mit schwerem Menschenhandel, mit Vergewaltigung in neun rechtlich zusammentreffenden Fällen und mit sexueller Nötigung in 24 rechtlich zusammentreffenden Fällen (Tat zum Nachteil der Nebenklägerin E. ), wegen schweren Menschenhandels (Tat zum Nachteil der Nebenklägerin Eg. ) und wegen Verabredung zu schwerem Menschenhandel und zur sexuellen Nötigung (Tat zum Nachteil der Zeugin F. ) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Im Übrigen hat es beide Angeklagte freigesprochen. Im Adhäsionsverfahren hat es die Angeklagten verurteilt, als Gesamtschuldner an die Nebenklägerin E. ein Schmerzensgeld in Höhe von 150.000 € nebst Zinsen und an die Nebenklägerin Eg. ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000 € nebst Zinsen zu zahlen. Den Angeklagten Kl. hat es darüber hinaus zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 150.000 € nebst Zinsen an die Nebenklägerin T. verurteilt. Schließlich hat es die Ersatzpflicht der Angeklagten bezüglich weiterer materieller und immaterieller Schäden der Nebenklägerinnen festgestellt. Beide Angeklagten rügen mit ihren Revisionen die Verletzung materiellen Rechts; der Angeklagte Kl. erhebt darüber hinaus eine Verfahrensrüge und beanstandet die im Adhäsionsverfahren getroffene Kostenentscheidung. Sein Rechtsmittel führt auf die Sachrüge zur geringfügigen Änderung des ihn betreffenden Schuldspruchs; im Übrigen hat es keinen Erfolg. Die Revision des Angeklagten K. ist insgesamt unbegründet.
2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
Die Angeklagten planten, in einem von dem Angeklagten K. errichteten Einfamilienhaus ein Bordell zu betreiben. Nachdem ihre Bemühungen, Prostituierte anzuwerben, fehlgeschlagen waren, kamen sie überein, jeweils unter einem Vorwand junge Frauen in das Haus zu locken. Dort sollten sie von dem Angeklagten Kl. überwältigt, in das Schlafzimmer im Obergeschoss gebracht und gefesselt werden. Unter Einsatz von Nötigungsmitteln, darunter auch der Drohung mit dem Tode oder einer langandauernden Freiheitsentziehung , sollten sie sodann der Prostitution zugeführt werden.
4
In Ausführung dieses Plans nahmen sie zunächst unter Vorspiegelung des Angebots einer Aushilfstätigkeit zu der Nebenklägerin T. Kontakt auf. Der Angeklagte K. brachte sie in das Haus und entfernte sich. Dort überwältigte der Angeklagte Kl. sie unter Einsatz von Gewalt; in der Folgezeit wurde sie gegen ihren Willen festgehalten. Der Angeklagte Kl. wickelte u. a. den gesamten Körper der Nebenklägerin in Frischhaltefolie ein; aufgrund dessen konnte diese sich nicht mehr bewegen, kaum noch atmen und hatte Todesangst. Er schnitt die Folie erst wieder auf, nachdem die Nebenklägerin ihm zugesagt hatte, alles zu tun, was er verlange. Nach einigen Tagen entschieden die Angeklagten, die Nebenklägerin doch nicht der Prostitution zuzuführen. Statt dessen wollte der Angeklagte Kl. sie zur Freundin haben. Er beging zahlreiche Sexualdelikte zu ihrem Nachteil und forderte sie auf, einen Ersatz als Prostituierte zu finden. Außerdem veranlasste er sie durch den Einsatz massiver Drohungen, zukünftig als "Ausbilderin" der zu überwältigenden Frauen tätig zu werden und diese dabei zu erniedrigen sowie zu fesseln.
5
Unter dem Eindruck der gegen sie eingesetzten zahlreichen Nötigungsmittel ermöglichte die Nebenklägerin den Angeklagten, mit der ihr bekannten Zeugin F. telefonisch Kontakt aufzunehmen. Die Angeklagten beabsichtigten , auch diese Zeugin in das Haus zu locken, sie dort zu überwältigen und durch den Einsatz von Gewalt und Drohungen der Prostitution zuzuführen. Die Zeugin F. wurde jedoch misstrauisch und lehnte schließlich die scheinbar seriösen Angebote der Angeklagten ab. Diese erkannten, dass ihr Plan bezüglich dieser Zeugin gescheitert war, und verfolgten ihn deshalb nicht weiter.
6
Etwa einen Monat später nahmen sie Kontakt zu der Nebenklägerin E. auf. Der Angeklagte K. verbrachte diese in das Haus, in dem sich auch noch die Nebenklägerin T. aufhielt. Dort fesselte der Angeklagte Kl. die Nebenklägerin E. mit Handschellen und einem Seil. In der Folgezeit schüchterte der Angeklagte Kl. sie gemäß der Absprache mit dem Angeklagten K. durch Zwang und Drohungen weiter ein. Die Zeugin wurde unter anderem in einen Metallkäfig gesperrt, musste gefesselt aus einem Hundenapf essen und wurde mit ihrem sowie dem Tode ihrer besten Freundin bedroht. In Einzelfällen kam die Nebenklägerin T. dem Ansinnen des Angeklagten Kl. nach, Fesselungen oder ähnliche Handlungen gegenüber der Nebenklägerin E. vorzunehmen. Die Nebenklägerin E. musste gegen ihren Willen auch den Geschlechtsverkehr mit dem Angeklagten K. ausführen, wann immer dieser es wollte. Daneben wurde sie gezwungen, der Prostitution nach- zugehen und gegenüber insgesamt 24 Freiern sexuelle Dienstleistungen vorzunehmen. Das Entgelt lieferte sie jeweils den Angeklagten ab.
7
Nach Aufforderung durch die Angeklagten benannte die Nebenklägerin E. mehrere Mädchen aus ihrem Bekanntenkreis als weitere potentielle Tatopfer , darunter auch die Nebenklägerin Eg. . Diese war den Angeklagten bereits bekannt, da sie über eine Anzeige im Internet eine Tätigkeit als Babysitterin gesucht und die Nebenklägerin T. daraufhin anweisungsgemäß mit ihr telefoniert hatte. Unter dem Eindruck der gegen sie eingesetzten Nötigungsmittel vereinbarte die Nebenklägerin E. telefonisch unter einem Vorwand ein Treffen mit der Nebenklägerin Eg. . Bei diesem veranlasste sie die Nebenklägerin Eg. , gemeinsam mit ihr und dem Angeklagten K. in das Haus zu fahren. Dort überwältigte der Angeklagte Kl. die Nebenklägerin Eg. , fesselte und knebelte sie, zog ihr einen Leinenbeutel über den Kopf und entkleidete sie. Auf seine Anweisung musste die Nebenklägerin T. die Nebenklägerin Eg. kurze Zeit später in einer diese besonders erniedrigenden Position auf einem Stuhl festbinden; sodann befragte der Angeklagte Kl. die Nebenklägerin Eg. über ihre persönlichen Verhältnisse. Nachdem der Angeklagte Kl. und die Nebenklägerin T. den Raum verlassen hatten, gelang es der Nebenklägerin Eg. , sich zu befreien, über das Hausdach zu fliehen und mit Hilfe eines Passanten und von Nachbarn die Polizei zu alarmieren.
8
Noch vor deren Eintreffen flohen die Angeklagten mit den Nebenklägerinnen T. und E. . Nach einigen Tagen stellte sich der Angeklagte K. im Beisein der Nebenklägerin E. der Polizei. Die Nebenklägerin T. musste gegen ihren Willen auch noch während der Flucht mit dem Angeklagten Kl. sexuelle Handlungen vornehmen. So bedrohte er sie etwa mit einer Schusswaffe und erzwang auf diese Weise die Ausübung des Ge- schlechtsverkehrs. Erst nach mehreren Wochen konnte auch der Angeklagte Kl. festgenommen werden.
9
Der näheren Erörterung bedürfen über die Ausführungen des Generalbundesanwalts in dessen Antragsschriften hinaus lediglich die folgenden Gesichtspunkte :
10
A. Revision des Angeklagten Kl.
11
I. Die rechtliche Würdigung des Landgerichts hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand, soweit die Strafkammer einen Vorfall zum Nachteil der Nebenklägerin T. als von dem Angeklagten Kl. begangene sexuelle Nötigung nach § 177 Abs. 1 StGB gewertet hat (Fall II. 6. 7 der Urteilsgründe ). Nach den Feststellungen erklärte der Angeklagte der Neben-klägerin, sie müsse die Sexualpraktik "Selbstbefriedigung" erlernen und veranlasste sie, sich nackt auf den Rücken zu legen, mit ihren Händen ihre Geschlechtsteile zu berühren und sich erotisch zu bewegen. Damit sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 177 Abs. 1 StGB nicht belegt; denn die Nebenklägerin wurde nicht genötigt, sexuelle Handlungen des Angeklagten oder eines Dritten an sich zu dulden oder an dem Angeklagten oder einem Dritten vorzunehmen. Dies erfordert einen sexualbezogenen Körperkontakt zwischen dem Täter oder dem Dritten einerseits und dem Opfer andererseits; das Herbeiführen von sexuellen Handlungen, die das Opfer lediglich vor dem Täter oder einem Dritten ausführt, wird demgegenüber von § 177 Abs. 1 StGB nicht erfasst (Fischer, StGB 56. Aufl. § 177 Rdn. 48). Die Tat des Angeklagten ist jedoch als Nötigung (§ 240 StGB) strafbar, wobei die Voraussetzungen eines besonders schweren Falles nach § 240 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 StGB gegeben sind.
12
Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung Feststellungen getroffen werden können, die zu einer Verurteilung wegen sexueller Nötigung nach § 177 Abs. 1 StGB führen können; er ändert deshalb selbst den Schuldspruch in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO ab. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der Angeklagte Kl. gegen den geänderten Schuldvorwurf nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Der Senat schließt ebenfalls aus, dass das Tatgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung des tateinheitlich verwirklichten Delikts auf eine niedrigere Einzelstrafe bei der Tat zum Nachteil der Nebenklägerin T. oder auf eine geringere Gesamtstrafe erkannt hätte.
13
II. Die tatrichterliche Bewertung der Konkurrenzverhältnisse zwischen den einzelnen Taten ist frei von den Angeklagten nachteiligen Rechtsfehlern.
14
Die Strafkammer hat insoweit ausgeführt, die von den Angeklagten jeweils bezüglich eines Opfers verwirklichten Delikte seien als tateinheitlich im Sinne des § 52 StGB begangen zu werten. Die Straftaten zum Nachteil der Nebenklägerinnen T. , E. und Eg. sowie der Zeugin F. stünden zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit (§ 53 StGB).
15
Hiergegen ist im Ergebnis nichts zu erinnern. Nach den - rechtsfehlerfrei getroffenen - Feststellungen bilden die in einem Tatzeitraum von mehreren Monaten begangenen Handlungen zum Nachteil der vier verschiedenen Opfer, durch welche die Angeklagten mehrere Dutzend einzelne Straftatbestände verwirklichten und jeweils mehrere höchstpersönliche Rechtsgüter der Nebenklägerinnen verletzten, keine insgesamt einheitliche materiellrechtliche Tat im Sinne des § 52 StGB; denn weder die Voraussetzungen für eine natürliche noch für eine rechtliche Handlungseinheit sind gegeben.
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1. Unter dem Gesichtspunkt einer natürlichen Handlungseinheit liegt eine Tat im sachlichrechtlichen Sinne vor, wenn mehrere, im Wesentlichen gleichartige Handlungen von einem einheitlichen Willen getragen werden und aufgrund ihres engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs so miteinander verbunden sind, dass sich das gesamte Tätigwerden bei natürlicher Betrachtungsweise objektiv auch für einen Dritten als ein einheitliches Geschehen darstellt (st. Rspr.; s. etwa BGHR StGB vor § 1 natürliche Handlungseinheit, Entschluss, einheitlicher 9; § 52 Abs. 1 Entschluss, einheitlicher 1). Richten sich die Handlungen des Täters gegen höchstpersönliche Rechtsgüter der Opfer, wird die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen , sie liegt jedoch bereits nicht nahe (Fischer aaO Vor § 52 Rdn. 7). Denn höchstpersönliche Rechtsgüter sind einer additiven Betrachtungsweise allenfalls in Ausnahmefällen zugänglich. Deshalb können Handlungen, die sich nacheinander gegen höchstpersönliche Rechtsgüter mehrerer Personen richten , grundsätzlich weder durch ihre Aufeinanderfolge noch durch einen einheitlichen Plan oder Vorsatz zu einer natürlichen Handlungseinheit und damit einer Tat im Rechtssinne zusammengefasst werden. Ausnahmen kommen nur in Betracht , wenn die Aufspaltung des Tatgeschehens in Einzelhandlungen wegen eines außergewöhnlich engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhanges, etwa bei Messerstichen oder Schüssen innerhalb weniger Sekunden, willkürlich und gekünstelt erschiene (BGHR StGB vor § 1 natürliche Handlungseinheit, Entschluss, einheitlicher 9; BGH NStZ 2005, 262, 263; NStZ-RR 1998, 233; Rissing-van Saan in LK 12. Aufl. Vor § 52 Rdn. 14 m. w. N.).
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Nach diesen Maßstäben können die Handlungen des Angeklagten Kl. nicht zu einer einheitlichen Tat zusammengefasst werden. Das Tätigwerden der Angeklagten beruht zwar auf dem vor Beginn der ersten Tat gefassten , insoweit einheitlichen Entschluss, sich mehrerer Frauen zu bemächtigen und diese durch Ausübung von Zwang der Prostitution zuzuführen. Gleichwohl fehlt es mit Blick auf die konkreten Tatumstände an dem erforderlichen engen Zusammenhang. Die Tathandlungen betrafen u. a. die Freiheit und das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung der Opfer und damit jeweils höchstpersönliche Rechtsgüter der Geschädigten. Das Tatgeschehen zog sich insgesamt über mehrere Monate hin. Zwischen den von den Angeklagten begangenen Tathandlungen lagen teilweise erhebliche Zeiträume, so dass es bereits an einer ausreichenden Verknüpfung in zeitlicher Hinsicht fehlt. Im Übrigen erfolgten die Angriffe - wenn auch dem Grunde nach dem abgesprochenen Tatplan folgend - jeweils aufgrund eines in der konkreten Form neu und separat gefassten Vorsatzes , in einer veränderten Tatsituation und auf unterschiedliche Weise.
18
Der Umstand, dass der Angeklagte Kl. auf einzelne Opfer einwirkte mit dem Ziel, dass diese gegenüber weiteren Frauen tätig wurden, begründet hier ebenfalls keine natürliche Handlungseinheit; denn es fehlt auch mit Blick auf diesen Umstand an dem erforderlichen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang. Der Angeklagte Kl. nötigte die Nebenklägerin T. , als "Ausbilderin" tätig zu werden, bereits unmittelbar nachdem die Angeklagten beschlossen hatten, diese Nebenklägerin selbst nicht der Prostitution zuzuführen. Zu diesem Zeitpunkt war die Nebenklägerin T. die einzige Frau, die sich in dem Haus aufhielt. Spätere Einzelanweisungen an sie, die Nebenklägerin E. zu fesseln und zu erniedrigen, erteilte er ihr jeweils in deren Abwesenheit bzw. nicht in einer Weise, die den Schluss zulassen würde, der Angeklagte habe bereits allein durch die Anweisung an die Nebenklägerin T. zugleich nötigend auf die Nebenklägerin E. eingewirkt. Entsprechendes gilt schließlich für die Aufforderung der Nebenklägerin T. , die Nebenklägerin Eg. auf dem Stuhl zu fesseln, nachdem diese durch den Angeklagten überwältigt worden war. Mit all diesen Handlungen wirkte der Angeklagte deshalb nicht gleichzeitig oder in einem derart engen Zusammenhang auf mehrere Opfer ein, dass sich das Geschehen bei natürlicher Betrachtungsweise objektiv auch für einen Dritten als insgesamt einheitlich darstellt.
19
2. Bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen einer rechtlichen Handlungseinheit vorliegen, ist zwar zunächst ebenfalls zu berücksichtigen, dass zwischen den Tathandlungen zum Nachteil der jeweiligen Geschädigten - wie das Landgericht zutreffend erkannt hat - gewisse zeitliche, räumliche und sachliche Berührungspunkte bestehen. Allein die enge zeitliche und räumliche Verbundenheit verschiedener Handlungsabläufe sowie die gleiche Motivationslage beim Täter genügen indes nicht, um die Handlungen der Angeklagten zu einer materiellrechtlichen Tat im Sinne des § 52 StGB zu verbinden. Hierfür erforderlich ist vielmehr die zumindest teilweise Identität der objektiven Ausführungshandlungen. Diese ist gegeben, wenn die Ausführungshandlungen des Täters in einem für alle Tatbestandsverwirklichungen notwendigen Teil zumindest teilweise identisch sind und so dazu beitragen, den Tatbestand aller in Betracht kommender Strafgesetze zu erfüllen (Rissing-van Saan aaO § 52 Rdn. 20 m. w. N.; vgl. etwa für die Tatbestände der Förderung der Prostitution, der Zuhälterei und des Menschenhandels bei Handlungen zum Nachteil mehrerer Frauen BGHR StGB § 52 Abs. 1 Handlung, dieselbe 1; BGH bei Pfister NStZ-RR 2004, 358; 2005, 366; BGH NStZ-RR 2007, 46, 47; StV 1987, 243; 2003, 617, 618; Beschl. vom 25. August 1999 - 3 StR 290/99; BGH bei Pfister NStZ-RR 2002, 357 f.).
20
Nach diesen Maßstäben liegt hier keine Tateinheit vor. Im Einzelnen:
21
a) Die sich auf die Nebenklägerinnen T. und E. beziehenden Tathandlungen sind nicht auch nur teilweise identisch. Das Landgericht hat diese Taten - neben den weiteren, jeweils tateinheitlich verwirklichten Delikten - als Geiselnahme nach § 239 b Abs. 1 2. Halbs. StGB gewertet. Tathandlung ist danach das Nötigen des Opfers mittels einer qualifizierten Drohung unter Ausnutzen einer von dem Täter durch ein Entführen oder Sichbemächtigen des Opfers ohne Nötigungsabsicht geschaffenen, fortdauernden Bemächtigungslage aufgrund eines nachträglich gefassten Vorsatzes (Fischer aaO § 239 b Rdn. 5).
22
aa) Die jeweilige Bemächtigungslage wurde nicht durch eine zumindest teilidentische Handlung der Angeklagten begründet. Die Nebenklägerin T. wurde am 14. August 2006 überwältigt, die Nebenklägerin E. am 12. September 2006.
23
bb) Auch die späteren Handlungen der Angeklagten (vgl. hierzu BGH, Beschl. vom 23. Juli 1997 - 3 StR 36/97 zu § 239 a StGB) überschnitten sich nicht in zumindest einem tatbestandlichen Ausführungsakt. Die Tat nach § 239 b Abs. 1 2. Halbs. StGB ist bereits mit dem Beginn der Nötigung vollendet; das Erreichen des Nötigungsziels ist hierfür nicht erforderlich (BGHSt 26, 309, 310; BGH StV 1987, 483; 1997, 302; Lackner/Kühl, StGB 26. Aufl. § 239 b Rdn. 2, § 239 a Rdn. 6; Träger/Schluckebier in LK 11. Aufl. § 239 b Rdn. 11; aA Fischer aaO § 239 b Rdn. 9; Renzikowski in MünchKomm-StGB § 239 b Rdn. 27). Zwar ist Tateinheit anzunehmen, wenn eine Nötigung mehrerer Tatopfer durch dieselbe Drohung vorliegt (BGHR StGB § 52 Abs. 1 Rechtsgüter, höchstpersönliche 1; BGH NStZ-RR 1998, 103, 104; Beschl. vom 17. Juli 2007 - 4 StR 220/07; zur Tateinheit bei Handlungen unter Ausnutzung einer einheitlichen, während des gesamten Geschehens fortwirkenden Gewalt vgl. BGH NStZ 1999, 618, 619; zur Tateinheit aufgrund einer einheitlichen Täuschungshandlung gegenüber mehreren Geschädigten vgl. BGHR StGB § 52 Abs. 1 Handlung, dieselbe 30; BGH bei Holtz MDR 1970, 381 f.). Die Nebenklägerinnen wurden jedoch nicht durch eine einheitliche Handlung, sondern in getrennter Weise jeweils durch individuell auf die einzelnen Opfer zugeschnittene qualifizierte Drohungen genötigt. Der Einsatz der Nötigungsmittel diente während der zeitlichen Über- schneidung des Tatgeschehens auch unterschiedlichen Zielen: Während die Nebenklägerin T. die Rolle der Freundin des Angeklagten Kl. und "Aufpasserin" bzw. "Ausbilderin" der weiteren Geschädigten übernehmen sollte, bezweckten die Angeklagten mit der Einflussnahme auf die Nebenklägerin E. , dass diese als Freundin des Angeklagten K. fungieren und der Prostitution nachgehen sollte. Selbst (teil-)identische Überwachungs- oder sonstige zur Verhinderung der Flucht der Nebenklägerinnen geeignete Maßnahmen sind nicht festgestellt. Mit Blick auf deren unterschiedliche Rolle und die daraus resultierende unterschiedliche Behandlung der Nebenklägerinnen durch die Angeklagten ist auch dem Zusammenhang der Urteilsgründe trotz des sich zeitlich überschneidenden Festhaltens beider Geschädigter in einem Haus eine derartige Teilidentität nicht zu entnehmen.
24
cc) Auch der Umstand, dass die Handlungen der Angeklagten in der Form miteinander verknüpft sind, dass die Nebenklägerin T. zu Tätigkeiten genötigt wurde, die ihrerseits dazu dienten, die Nebenklägerin E. zu nötigen , führt nicht zur Annahme einer rechtlichen Handlungseinheit. Zwar ist grundsätzlich Tateinheit möglich zwischen einer Nötigung und der Anstiftung zu einer abgenötigten Handlung (BGH, Urt. vom 12. Mai 1953 - 1 StR 190/53; Träger /Schluckebier aaO § 240 Rdn. 127; Fischer aaO § 240 Rdn. 63 a). Auch könnte in Betracht kommen, die der Nebenklägerin T. abgepressten Handlungen den Angeklagten nach den Grundsätzen der mittelbaren Täterschaft zuzurechnen, weil die Nebenklägerin T. möglicherweise unter den Voraussetzungen des entschuldigenden Notstands nach § 35 StGB handelte und deshalb insoweit als Werkzeug der Angeklagten im Sinne des § 25 Abs. 1 2. Alt. StGB anzusehen sein könnte. All dies bedarf indes im Ergebnis keiner näheren Betrachtung; denn es würde nicht zu der erforderlichen auch nur teilweisen Identität der Ausführungshandlungen bezüglich der jeweiligen Geiselnahme zum Nachteil der Nebenklägerinnen T. und E. führen, da wie bereits dargelegt der Angeklagte Kl. durch die Nötigungshandlungen nicht gleichzeitig, sondern sukzessive auf die verschiedenen Opfer einwirkte.
25
b) Auch im Verhältnis zwischen der Tat zum Nachteil der Zeugin F. (Verabredung zum schweren Menschenhandel und zur sexuellen Nötigung) und den Straftaten zum Nachteil der weiteren Geschädigten kommt die Annahme einer rechtlichen Handlungseinheit nicht in Betracht; denn insoweit fehlt es ebenfalls an einer wenigstens teilidentischen Ausführungshandlung. Tathandlung des § 30 Abs. 2 3. Alt. StGB ist die Verabredung, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften. Unter einer Verabredung ist die vom ernstlichen Willen getragene Einigung von mindestens zwei Personen zu verstehen, an der Verwirklichung eines bestimmten Verbrechens mittäterschaftlich mitzuwirken (Fischer aaO § 30 Rdn. 12). Diese nach den Feststellungen zwischen den Angeklagten getroffene Vereinbarung überschneidet sich weder mit den Tathandlungen zum Nachteil der Nebenklägerin T. , noch mit denjenigen zum Nachteil der Nebenklägerinnen E. oder Eg. .
26
c) Für das Verhältnis der Tat zum Nachteil der Nebenklägerin Eg. (schwerer Menschenhandel) zu den bezüglich der sonstigen Opfer verwirklichten Delikten gilt schließlich entsprechendes. Die jeweiligen tatbestandsmäßigen Handlungen sind ebenfalls nicht auch nur teilweise identisch. Insbesondere vermag der Umstand, dass die Angeklagten die Nebenklägerin E. veranlassten , sich daran zu beteiligen, die Nebenklägerin Eg. in das Haus zu locken , eine Tateinheit zwischen den Delikten zum Nachteil dieser Nebenklägerinnen zu begründen. Tathandlung des § 232 Abs. 4 Nr. 2 StGB ist das Sichbemächtigen einer anderen Person unter Einsatz von Gewalt, Drohung mit einem empfindlichen Übel oder List, wobei der Täter in der Absicht handeln muss, das Opfer zur Aufnahme der Prostitution oder zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen im Sinne des § 232 Abs. 1 StGB zu veranlassen (Eisele in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 232 Rdn. 34). Der Tatbestand ist mit dem Erlangen der tatsächlichen Gewalt über die betroffene Person vollendet (Fischer aaO § 232 Rdn. 32). Die physische Herrschaft über die Nebenklägerin wurde in Ausführung des Tatplans der Angeklagten wie bei den Nebenklägerinnen T. und E. erst dadurch begründet, dass der Angeklagte Kl. sie in dem Haus überwältigte und fesselte.
27
3. Der Senat muss nicht entscheiden, ob die Würdigung des Landgerichts zutrifft, dass die von den Angeklagten begangenen einzelnen Delikte zum Nachteil jeweils einer Geschädigten im Verhältnis der Tateinheit zueinander stehen. Hieran könnten insbesondere bei den Straftaten zum Nachteil der Nebenklägerinnen T. und E. Bedenken bestehen: Den Feststellungen ist nicht mit Sicherheit zu entnehmen, dass die Bemächtigungslage während des gesamten Tatzeitraums ununterbrochen fortdauerte. In Betracht kommt insbesondere, dass in den Zeiten, in denen sich die Angeklagten mit den Opfern außerhalb des Hauses aufhielten, ein physisches Gewaltverhältnis nicht bestand und ein solches jeweils bei der Rückkehr in das Haus wieder neu begründet wurde. Dies könnte rechtlich als Zäsur zu werten sein mit der Folge, dass zwischen den Taten vor und nach der Unterbrechung Tatmehrheit anzunehmen wäre. Entsprechendes gilt, soweit die Strafkammer die Delikte zum Nachteil der Nebenklägerin T. zusammengefasst hat, die während der Zeit begangen wurden, in der diese in dem Haus festgehalten wurde, und diejenigen , die der Angeklagte auf der anschließenden Flucht verwirklichte. Durch die rechtsfehlerhafte Annahme von Tateinheit wäre der Angeklagte indes nicht beschwert.
28
III. Die auf § 66 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 StGB, jeweils i. V. m. § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB, gestützte Anordnung der Sicherungsverwahrung gegen den Angeklagten Kl. lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Die formellen Voraussetzungen der genannten Vorschriften liegen vor. Die Strafkammer hat auch tragfähig belegt, dass der Angeklagte Kl. infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten für die Allgemeinheit gefährlich ist. Dabei hat sie wesentlich auf eine Gemengelage zwischen einer triebhaften Neigung des Angeklagten zu sadistischen sowie sexuell sadistischen Handlungen auf der einen Seite und ausgeprägten kognitiven sowie manipulativen Fähigkeiten auf der anderen Seite abgestellt und ausdrücklich in den Blick genommen, dass der Angeklagte strafrechtlich vergleichsweise geringfügig vorbelastet ist und der von dem Sachverständigen diagnostizierte sexuelle und allgemeine Sadismus des Angeklagten bisher nicht zu Auffälligkeiten geführt hat.
29
IV. Soweit der Angeklagte Kl. sich gegen die im Adhäsionsverfahren vom Landgericht getroffene Kostenentscheidung wendet, kommt als statthaftes Rechtsmittel nach § 406 a Abs. 2 Satz 1, § 464 Abs. 3 Satz 1 StPO nicht die Revision, sondern die sofortige Beschwerde in Betracht (Gieg in KK 6. Aufl. § 472 a Rdn. 2). Eine solche hat der Angeklagte innerhalb der Frist des § 311 Abs. 2 StPO nicht erhoben.
30
V. Im Hinblick auf den nur geringen Teilerfolg der Revision des Angeklagten Kl. ist es nicht unbillig, auch diesen Beschwerdeführer mit den gesamten durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).
31
B. Revision des Angeklagten K.
32
I. Zur Frage der konkurrenzrechtlichen Würdigung der Taten gelten die Ausführungen zur Revision des Angeklagten Kl. entsprechend; ein nachteiliger Rechtsfehler liegt aus den dort dargelegten Gründen insoweit auch bezüglich des Angeklagten K. nicht vor.
33
II. Ein Anlass, bei dem Angeklagten K. das Vorliegen der Voraussetzungen einer Unterbringung nach § 64 StGB zu erörtern, bestand entgegen der Ansicht der Revision bereits deshalb nicht, weil nach den Feststellungen ein symptomatischer Zusammenhang zwischen einem eventuell vorliegenden Hang des Angeklagten, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und den von ihm begangenen Straftaten fern liegt. Becker Pfister Sost-Scheible Hubert Schäfer

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer eine andere Person unter Ausnutzung ihrer persönlichen oder wirtschaftlichen Zwangslage oder ihrer Hilflosigkeit, die mit dem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist, oder wer eine andere Person unter einundzwanzig Jahren anwirbt, befördert, weitergibt, beherbergt oder aufnimmt, wenn

1.
diese Person ausgebeutet werden soll
a)
bei der Ausübung der Prostitution oder bei der Vornahme sexueller Handlungen an oder vor dem Täter oder einer dritten Person oder bei der Duldung sexueller Handlungen an sich selbst durch den Täter oder eine dritte Person,
b)
durch eine Beschäftigung,
c)
bei der Ausübung der Bettelei oder
d)
bei der Begehung von mit Strafe bedrohten Handlungen durch diese Person,
2.
diese Person in Sklaverei, Leibeigenschaft, Schuldknechtschaft oder in Verhältnissen, die dem entsprechen oder ähneln, gehalten werden soll oder
3.
dieser Person rechtswidrig ein Organ entnommen werden soll.
Ausbeutung durch eine Beschäftigung im Sinne des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b liegt vor, wenn die Beschäftigung aus rücksichtslosem Gewinnstreben zu Arbeitsbedingungen erfolgt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu den Arbeitsbedingungen solcher Arbeitnehmer stehen, welche der gleichen oder einer vergleichbaren Beschäftigung nachgehen (ausbeuterische Beschäftigung).

(2) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer eine andere Person, die in der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 bezeichneten Weise ausgebeutet werden soll,

1.
mit Gewalt, durch Drohung mit einem empfindlichen Übel oder durch List anwirbt, befördert, weitergibt, beherbergt oder aufnimmt oder
2.
entführt oder sich ihrer bemächtigt oder ihrer Bemächtigung durch eine dritte Person Vorschub leistet.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu erkennen, wenn

1.
das Opfer zur Zeit der Tat unter achtzehn Jahren alt ist,
2.
der Täter das Opfer bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder durch die Tat oder eine während der Tat begangene Handlung wenigstens leichtfertig in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
3.
der Täter gewerbsmäßig handelt oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.
In den Fällen des Absatzes 2 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen, wenn einer der in Satz 1 Nummer 1 bis 3 bezeichneten Umstände vorliegt.

(4) In den Fällen der Absätze 1, 2 und 3 Satz 1 ist der Versuch strafbar.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 218/10
vom
20. Juli 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung mit Todesfolge
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
20. Juli 2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 23. Februar 2010, soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägern dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu der Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Revision rügt die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet das Verfahren. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
1. Der Strafausspruch hat keinen Bestand.
3
a) Nach den Feststellungen waren der Angeklagte und der Mitangeklagte K. , beide Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes, damit befasst, das spätere Tatopfer F. vom Gelände eines Campingplatzes zu entfernen. Unter dem Arm eingehakt führte der Angeklagte F. zum Ausgang. Nach kurzer Wegstrecke entschloss er sich aus Gründen der Eigensicherung , F. nach einem in der Hosentasche vermuteten Messer zu durchsuchen. Hierzu brachte er ihn in Bauchlage zu Fall und drückte ihn nieder, indem er sich mit dem Oberkörper quer über seinen Rücken legte. Der Mitangeklagte K. hielt währenddessen F. s Beine fest. Sobald der Angeklagte sich etwas erhob, um F. durchsuchen zu können, begann dieser, sich heftig gegen den Zugriff zu wehren, worauf er ihn erneut zu Boden presste. Dies wiederholte sich mehrere Male, auch als F. bereits über Atemnot geklagt hatte. Die Thoraxkompressionen führten schließlich zum Atem- und Kreislaufstillstand. F. konnte zwar reanimiert werden, erlitt aber - im Zusammenwirken mit einer durch die Kompressionen oder die Reanimation ausgelösten Aspirationspneumonie - eine hypoxiebedingte Gehirnschädigung, an deren Folgen er wenige Tage darauf verstarb.
4
b) Bei der Strafbemessung hat das Landgericht zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, dass er "eine sehr erfahrene und ausgesprochen gut ausgebildete Sicherheitskraft war" und dass er "in der konkreten Situation durchaus Handlungsalternativen hatte"; so hätte er F. "ohne weiteres loslassen können" und, wenn dieser dann auf dem Gelände geblieben wäre, "professionelle Hilfe durch die Polizei herbeiholen können". Damit hat das Landgericht gegen das Verbot der Doppelverwertung (§ 46 Abs. 3 StGB) verstoßen, denn es hat Erwägungen angestellt, die es als strafschärfend werten, dass der Angeklagte die Tat überhaupt begangen hat, anstatt von deren Begehung Abstand zu nehmen (BGH, Beschluss vom 1. März 2001 - 4 StR 36/01, NStZ-RR 2001, 295).
5
2. Das weitergehende Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
6
Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht den Antrag auf Vernehmung der Zeugin Kr. auch insoweit abgelehnt, als diese bekunden sollte, sie habe die ihr zugetragenen Erkenntnisse über Bedrohungen einzelner Gäste mit einem Messer dem Zeugen M. mitgeteilt, der seinerseits "den Angeklagten R. entsprechend informierte". Hierbei handelte es sich schon deswegen um keinen Beweisantrag, weil sich dem Beweisbegehren nicht entnehmen ließ, was genau Gegenstand der Wahrnehmung der Zeugin gewesen sein soll; damit fehlte es an der Bezeichnung einer bestimmten Beweistatsache (s. BGH, Urteil vom 6. Juli 1993 - 5 StR 279/93, BGHSt 39, 251, 253 f.). Im Hinblick auf das sonstige Beweisergebnis war das Landgericht durch die Aufklärungspflicht nicht gehalten, diesem Begehren durch Vernehmung der Zeugin nachzukommen.
7
Der Senat kann deshalb erneut offen lassen, ob an der Rechtsprechung festzuhalten ist, dass einem Antrag, mit dem zum Nachweis einer bestimmten Beweistatsache ein konkretes Beweismittel bezeichnet wird, dennoch die Eigenschaft eines Beweisantrags fehlt, wenn es sich bei der Beweistatsache um eine ohne jede tatsächliche und argumentative Grundlage aufs Geratewohl, ins Blaue hinein aufgestellte Behauptung handelt (hierzu BGH, Beschluss vom 19. September 2007 - 3 StR 354/07, StV 2008, 9; Urteil, vom 10. Juni 2008 - 5 StR 38/08, NJW 2008, 3446). Ebenso kann der Senat offen lassen, ob der Verweis des Landgerichts auf das bisherige Beweisergebnis den sich aus dieser Rechtssprechung ergebenden Begründungserfordernissen überhaupt genügt hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 1992 - 5 StR 474/92, Rn. 24, StV 1993, 3, 4; BGH, Beschluss vom 5. Februar 2002 - 3 StR 482/01, NStZ 2002, 383).
8
Der Schriftsatz des Verteidigers vom 19. Juli 2010 hat dem Senat bei seiner Entscheidung vorgelegen.

Becker Pfister Sost-Scheible Hubert Mayer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 530/07
vom
15. Januar 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum Mord
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 15. Januar 2008 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 5. April 2007, soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Mord zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des Strafausspruchs.
2
Die Nachprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Strafausspruch hat jedoch keinen Bestand.
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1. Das Landgericht konnte – trotz entsprechender Anhaltspunkte - nicht mit der erforderlichen Gewissheit feststellen, dass der Angeklagte ein eigenes Interesse an der Tötung des Tatopfers hatte. Es ist daher im Rahmen der recht- lichen Würdigung zu Gunsten des Angeklagten vom Fehlen eines eigenen Tatinteresses ausgegangen. Im Rahmen der Strafzumessung hat es hingegen strafschärfend gewertet, dass der Angeklagte keinen „feststellbaren eigenen Grund“ hatte, sich an der Tötung des Opfers zu beteiligen. Er habe sich gleichwohl ohne Not zur Beihilfe an einem Kapitalverbrechen bereit gefunden.
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2. Diese Strafzumessungserwägungen begegnen in zweierlei Hinsicht durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Sie lassen, wie die Revision zu Recht rügt, zum einen besorgen, dass das Landgericht den Zweifelssatz zu Ungunsten des Angeklagten angewendet hat, indem es ihm das – lediglich in Anwendung des Zweifelssatzes angenommene – Nichtvorliegen eines eigenen Tatmotivs straferschwerend angelastet hat. Zum anderen begründet die Erwägung, der Angeklagte habe sich „ohne Not“ zur Beteiligung an der Tat bereit gefunden , einen Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB, denn damit hat das Landgericht im Ergebnis zu Lasten des Angeklagten gewertet, dass er die Tat überhaupt begangen hat (vgl. BGH wistra 2000, 463, 464).
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3. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht ohne die aufgezeigten Rechtsfehler auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte; er hebt daher den Strafausspruch auf. Der Aufhebung der dem Strafausspruch zu Grunde liegenden Feststellungen bedarf es nicht, da es sich lediglich um Wertungsfehler handelt. Der neue Tatrichter ist jedoch nicht gehindert, ergänzende, den getroffenen Feststellungen nicht widersprechende Feststellungen zu treffen.
Tepperwien Maatz Athing Ernemann Sost-Scheible

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.