Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Juli 2010 - 3 StR 218/10

bei uns veröffentlicht am20.07.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 218/10
vom
20. Juli 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung mit Todesfolge
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
20. Juli 2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 23. Februar 2010, soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägern dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu der Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Revision rügt die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet das Verfahren. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
1. Der Strafausspruch hat keinen Bestand.
3
a) Nach den Feststellungen waren der Angeklagte und der Mitangeklagte K. , beide Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes, damit befasst, das spätere Tatopfer F. vom Gelände eines Campingplatzes zu entfernen. Unter dem Arm eingehakt führte der Angeklagte F. zum Ausgang. Nach kurzer Wegstrecke entschloss er sich aus Gründen der Eigensicherung , F. nach einem in der Hosentasche vermuteten Messer zu durchsuchen. Hierzu brachte er ihn in Bauchlage zu Fall und drückte ihn nieder, indem er sich mit dem Oberkörper quer über seinen Rücken legte. Der Mitangeklagte K. hielt währenddessen F. s Beine fest. Sobald der Angeklagte sich etwas erhob, um F. durchsuchen zu können, begann dieser, sich heftig gegen den Zugriff zu wehren, worauf er ihn erneut zu Boden presste. Dies wiederholte sich mehrere Male, auch als F. bereits über Atemnot geklagt hatte. Die Thoraxkompressionen führten schließlich zum Atem- und Kreislaufstillstand. F. konnte zwar reanimiert werden, erlitt aber - im Zusammenwirken mit einer durch die Kompressionen oder die Reanimation ausgelösten Aspirationspneumonie - eine hypoxiebedingte Gehirnschädigung, an deren Folgen er wenige Tage darauf verstarb.
4
b) Bei der Strafbemessung hat das Landgericht zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, dass er "eine sehr erfahrene und ausgesprochen gut ausgebildete Sicherheitskraft war" und dass er "in der konkreten Situation durchaus Handlungsalternativen hatte"; so hätte er F. "ohne weiteres loslassen können" und, wenn dieser dann auf dem Gelände geblieben wäre, "professionelle Hilfe durch die Polizei herbeiholen können". Damit hat das Landgericht gegen das Verbot der Doppelverwertung (§ 46 Abs. 3 StGB) verstoßen, denn es hat Erwägungen angestellt, die es als strafschärfend werten, dass der Angeklagte die Tat überhaupt begangen hat, anstatt von deren Begehung Abstand zu nehmen (BGH, Beschluss vom 1. März 2001 - 4 StR 36/01, NStZ-RR 2001, 295).
5
2. Das weitergehende Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
6
Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht den Antrag auf Vernehmung der Zeugin Kr. auch insoweit abgelehnt, als diese bekunden sollte, sie habe die ihr zugetragenen Erkenntnisse über Bedrohungen einzelner Gäste mit einem Messer dem Zeugen M. mitgeteilt, der seinerseits "den Angeklagten R. entsprechend informierte". Hierbei handelte es sich schon deswegen um keinen Beweisantrag, weil sich dem Beweisbegehren nicht entnehmen ließ, was genau Gegenstand der Wahrnehmung der Zeugin gewesen sein soll; damit fehlte es an der Bezeichnung einer bestimmten Beweistatsache (s. BGH, Urteil vom 6. Juli 1993 - 5 StR 279/93, BGHSt 39, 251, 253 f.). Im Hinblick auf das sonstige Beweisergebnis war das Landgericht durch die Aufklärungspflicht nicht gehalten, diesem Begehren durch Vernehmung der Zeugin nachzukommen.
7
Der Senat kann deshalb erneut offen lassen, ob an der Rechtsprechung festzuhalten ist, dass einem Antrag, mit dem zum Nachweis einer bestimmten Beweistatsache ein konkretes Beweismittel bezeichnet wird, dennoch die Eigenschaft eines Beweisantrags fehlt, wenn es sich bei der Beweistatsache um eine ohne jede tatsächliche und argumentative Grundlage aufs Geratewohl, ins Blaue hinein aufgestellte Behauptung handelt (hierzu BGH, Beschluss vom 19. September 2007 - 3 StR 354/07, StV 2008, 9; Urteil, vom 10. Juni 2008 - 5 StR 38/08, NJW 2008, 3446). Ebenso kann der Senat offen lassen, ob der Verweis des Landgerichts auf das bisherige Beweisergebnis den sich aus dieser Rechtssprechung ergebenden Begründungserfordernissen überhaupt genügt hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 1992 - 5 StR 474/92, Rn. 24, StV 1993, 3, 4; BGH, Beschluss vom 5. Februar 2002 - 3 StR 482/01, NStZ 2002, 383).
8
Der Schriftsatz des Verteidigers vom 19. Juli 2010 hat dem Senat bei seiner Entscheidung vorgelegen.

Becker Pfister Sost-Scheible Hubert Mayer

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 46 Grundsätze der Strafzumessung


(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 36/01
vom
1. März 2001
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten schweren Raubes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 1. März 2001 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 28. September 2000 im gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten schweren Raubes in zwei Fällen und wegen Diebstahls mit Waffen unter Einbeziehung der Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Dortmund vom 3. April 2000 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und s echs Monaten verurteilt. Ferner hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, daß zwei Jahre der Freiheitsstrafe vor der Unterbringung zu vollstrecken sind. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügt, hat teilweise Erfolg; im übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist nicht ausgeführt und damit gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO unzulässig.
2. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der allgemeinen Sachrüge hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Dagegen hält der Rechtsfolgenausspruch insgesamt rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Der Strafausspruch kann nicht bestehen bleiben, weil die Strafrahmenwahl in den Fällen II 1 und 2 der Urteilsgründe und die Strafzumessungserwägungen im engeren Sinne durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen.
Das Landgericht hat in den Fällen II 1 und 2 die wegen versuchten schweren Raubes verhängten Einzelstrafen von jeweils drei Jahren Freiheitsstrafe dem Strafrahmen für minder schwere Fälle nach § 250 Abs. 3 StGB entnommen. Eine weitere Milderung gemäß § 49 StGB hat es abgelehnt, “weil ohne die Heranziehung der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) und des Versuchs ein minder schwerer Fall nicht hätte begründet werden können” (UA 29). Dabei hat es übersehen, daß die zweifache Milderung des Regelstrafrahmens des § 250 Abs. 1 StGB gemäß §§ 21, 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB einen von einem Monat bis zu acht Jahren fünf Monaten Freiheitsstrafe reichenden Strafrahmen eröffnet, der mithin günstiger als der des minder schweren Falles ist. Der Senat kann nicht ausschließen, daß die Wahl des (doppelt) gemilderten Regelstrafrahmens sich auch günstig auf die Strafbemessung im engeren Sinne ausgewirkt hätte, zumal das Landgericht die Strafen jeweils dem unteren Bereich des angewandten Strafrahmens entnommen hat (vgl. BGH NStZ-RR 2000, 43).
Im übrigen weist die Strafbemessung im engeren Sinne durchgreifende Rechtsfehler auf, soweit das Landgericht zu Lasten des Angeklagten “seine Lebensumstände” wertet: er habe “sich zu einer dissozialen Persönlichkeit entwickelt, ohne daß dafür ein Auslöser erkennbar” sei; er sei “nicht ernsthaft gewillt, seine Fähigkeiten sinnvoll einzusetzen”, und lebe “viel lieber auf Kosten anderer in den Tag hinein” (UA 28). Nach der Rechtsprechung dürfen Umstände der allgemeinen Lebensführung bei der Strafzumessung nur berücksichtigt werden, wenn sie wegen ihrer engen Beziehung zur Tat Schlüsse auf den Unrechtsgehalt zulassen oder Einblicke in die innere Einstellung des Täters zur Tat gewähren (BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 3, 8, 9, 10, 12, 23; BGH StV 1984, 21). Das ist hier nicht dargetan.
In den Fällen II 2 und 3 der Urteilsgründe hat das Landgericht dem Angeklagten zudem rechtsfehlerhaft strafschärfend angelastet, daß er sich “von den jeweils vorangegangenen Fehlschlägen nicht abhalten ließ, weitere Straftaten zu begehen. Dies spricht für eine erhebliche kriminelle Energie” (UA 28). Damit wertet es zu Lasten des Angeklagten, daß er die (weiteren) Taten überhaupt begangen hat, anstatt von deren Begehung Abstand zu nehmen. Dies verstößt gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB (vgl. BGH StV 1997, 129). Der Umstand, daß die Absicht des Angeklagten, “sich durch einen Überfall Geld für den Ankauf von Drogen zu beschaffen” (UA 11), zunächst scheiterte, könnte die in “enge(m) räumlichen, zeitlichen und situativen Zusammenhang” (UA 30) stehende weitere Tatbegehung sogar eher in einem milderen Lichte erscheinen lassen.
3. Der Maßregelausspruch hält ebenfalls rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 Abs. 1 StGB) setzt voraus, daß der Täter den Hang hat, berauschende Mittel im
Übermaß zu sich zu nehmen, er wegen einer auf den Hang zurückzuführenden rechtswidrigen Tat verurteilt wird und die Gefahr besteht, daß er infolge seines Hanges mit Wahrscheinlichkeit erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird (std. Rspr.; BGHR StGB § 64 Abs. 1 Gefährlichkeit 1, 3). Die Urteilsgründe belegen aber schon nicht die positive Feststellung der tatsächlichen Voraussetzungen des “Hanges”. Einerseits bejaht das Landgericht mit dem Sachverständigen zwar einen Hang des Angeklagten zum Betäubungsmittelmißbrauch. Andererseits meint das Landgericht abschließend, es könne “letztlich nicht ausschließen, daß ein solcher Hang im Sinne des § 64 StGB vorliegt” (UA 31). Damit bleibt offen, ob sich der Tatrichter zweifelsfrei vom Vorliegen eines “Hanges” im für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der Hauptverhandlung (vgl. Lackner/Kühl StGB 23. Aufl. § 64 Rdn. 5 m.N.) überzeugt hat, zumal auch der Sachverständige “zunächst erhebliche Zweifel geäußert (hatte), ob bei dem Angeklagten tatsächlich ein solcher Hang ... vorliegt” (UA 30). Verbleibende Zweifel sind aber zugunsten des Angeklagten zu lösen und stehen deshalb der ihn belastenden (vgl. BGHSt 38, 4, 7 m.w.N.) Maßregelanordnung entgegen. Zwar sind den Urteilsgründen Anhaltspunkte zu entnehmen, die eine jedenfalls psychische Rauschmittelabhängigkeit beim Angeklagten (vgl. zuletzt BGH, Beschluß vom 30. Januar 2001 –1 StR 568/00) nahelegen; doch erlauben sie dem Senat nicht, die dem Tatrichter vorbehaltene Entscheidung zu bestätigen.
Der Senat weist für das weitere Verfahren vorsorglich darauf hin, daß der neue Tatrichter – sollte er erneut die Unterbringung des Angeklagten in eine Entziehungsanstalt anordnen – die besonderen Anforderungen zu beachten hätte, die bei einem Abweichen von der gesetzlich vorgesehenen Vollstreckungsreihenfolge gelten (vgl. BGH StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug, teilweiser , 4, 9 bis 13). Nach der Grundentscheidung des Gesetzgebers in § 67
Abs. 1 StGB soll möglichst umgehend mit der Behandlung des süchtigen oder kranken Täters begonnen werden, weil dies am ehesten einen dauerhaften Erfolg verspricht (std. Rspr.). Die – wie das Landgericht meint – beim Angeklagten “zur Zeit” fehlende “erforderliche selbstkritische Einstellung” (UA 32) vermag eine Ä nderung der Vollstreckungsreihenfolge ebensowenig zu rechtfertigen wie die Erwartung, “eine solche Einstellungsänderung (könne) in der Haft erreicht werden” (BGHR StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug, teilweiser 9 und Zweckerreichung, leichtere 11, 12). Soweit das Landgericht schließlich darauf abstellt, daß es günstiger wäre, wenn der Angeklagte “nach erfolgreichem Abschluß der Therapie ... seine Bewährung in der Freiheit erprob(en) kann” (UA 33), fehlt die Darlegung, welche konkreten Anhaltspunkte dafür gegeben sind, daß der anschließende Strafvollzug den Maßregelerfolg gefährden und wie sich dies bei diesem Angeklagten auswirken könnte (BGHR StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug, teilweiser 9; BGH NStZ 1986, 428; BGH, Beschluß vom 30. Januar 2001 – 1 StR 481/00).
Maatz Kuckein Athing

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 354/07
vom
19. September 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 19. September 2007
einstimmig beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 24. Mai 2007 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat: Die Verteidigung hatte den Antrag gestellt , über die vom sachverständigen Zeugen Dr. B. als Stichproben zum Wirkstoffgehalt analysierten 10 % der sichergestellten HeroinPäckchen hinaus alle weiteren Päckchen sachverständig untersuchen zu lassen ; dies werde ergeben, dass in diesen überhaupt kein Heroin enthalten sei. Das Landgericht hat den Antrag als Beweisermittlungsantrag angesehen, weil ihm eine bloße Vermutung zu Grunde liege, die aufs Geratewohl geäußert worden sei; die Aufklärungspflicht gebiete nicht, diesem Antrag nachzugehen. Die hiergegen gerichtete Verfahrensrüge bleibt ohne Erfolg. Dabei kann der Senat offen lassen, ob an der Rechtsprechung festzuhalten ist, dass einem Antrag, mit dem zum Nachweis einer bestimmten Beweistatsache ein konkretes Beweismittel bezeichnet wird, dennoch die Eigenschaft eines Beweisantrags fehlt, wenn es sich bei der Beweistatsache um eine ohne jede tatsächliche und argumentative Grundlage aufs Geratewohl, ins Blaue hin- ein aufgestellte Behauptung handelt (vgl. BGH NStZ 1992, 397; StV 1993, 3; 1997, 567). Hiergegen könnte sprechen, dass der einen Beweisantrag voraussetzende Ablehnungsgrund der Verschleppungsabsicht (§ 244 Abs. 3 Satz 2, § 245 Abs. 2 Satz 3 StPO) nur Anwendung findet, wenn der Antragsteller um die Unrichtigkeit seiner Beweisbehauptung weiß (vgl. BGHSt 21, 118; 29, 149, 151; BGH NStZ 1984, 230; 1986, 519; 1998, 207), und es daher nicht stimmig erscheint, dass einem Beweisbegehren schon dann der Charakter eines Beweisantrags ermangeln soll, wenn zwar nach der sonstigen Beweislage und auch einer etwaigen Begründung des Antragstellers für sein Begehren nichts für die Richtigkeit seiner Behauptung spricht, ihm jedoch nach den Umständen nicht argumentativ belegt werden kann, dass er die Unrichtigkeit seiner Beweisbehauptung kennt. Entschieden werden muss auch nicht, ob das Landgericht nach den Maßstäben der bisherigen Rechtsprechung die Beweisbehauptung der Verteidigung zu Recht als aufs Geratewohl aufgestellt angesehen oder nicht vielmehr verfahrensfehlerhaft deren Befugnis eingeschränkt hat, auch solche Tatsachen zum Gegenstand eines Beweisantrags zu machen, deren Richtigkeit sie lediglich für möglich hält (vgl. BGHSt 21, 118, 125; BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 2, 15, 25). Denn die Rüge ist jedenfalls deswegen unbegründet , weil das Urteil nicht auf der etwaigen fehlerhaften Behandlung des Antrags beruht (s. § 337 StPO). Das Landgericht hat in seinem Ablehnungsbeschluss die Vorgehensweise des sachverständigen Zeugen bei der Wirkstoffuntersuchung im Einzelnen dargestellt und es auf deren Grundlage - dem sachverständigen Zeugen folgend - für tragfähig erachtet, von dem Wirkstoffgehalt der analysierten Teilmenge auf denjenigen der Gesamtmenge des eingeführten Heroins hochzurechnen. Es hat damit der Sache nach den Antrag auch gestützt auf die ihm zum Analyseverfahren vermittelte eigene Sachkunde zurückgewiesen (§ 244 Abs. 4 Satz 1 StPO). Hiergegen ist nichts zu erinnern. Nachdem sich das Landgericht aufgrund der Darlegungen des sachverständigen Zeugen davon überzeugt hatte , dass es sich bei den von diesem gezogenen und analysierten Stichproben um einen repräsentativen Anteil der insgesamt sichergestellten ca. 17,5 kg Heroin handelte, durfte es von diesem im Wege der Schätzung auf die Gesamtwirkstoffmenge hochrechnen. Derartige Schätzungen bilden in aller Regel eine im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 261 StPO) hinreichende Grundlage für die Feststellung des Wirkstoffs sichergestellter Betäubungsmittel. Die Zulässigkeit von Schätzungen zur Ermittlung von Wirkstoffgehalten aufgrund vorliegender Indizien ist selbst für die Fälle anerkannt, in denen das Rauschgift, mit dem der Täter in strafbarer Weise umgegangen ist, nicht sichergestellt werden konnte (vgl. BGHSt 32, 162, 164; 33, 8, 15; BGHR BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 4 nicht geringe Menge 7; BGHR BtMG § 29 a Abs. 1 Nr. 2 Menge 7; BGH, Beschl. vom 10. Mai 1985 - 2 StR 191/85 bei Schoreit NStZ 1986, 56). Ist es in die Hände der Ermittlungsbehörden gelangt und sogar in repräsentativen Stichproben analysiert worden, so kann in der Regel nichts anderes gelten; insbesondere bei der Sicherstellung größerer Betäubungsmittelmengen müsste ansonsten ein unverhältnismäßiger Untersuchungsaufwand getrieben werden, der weder für den Schuldspruch (Ermittlung der nicht geringen Menge; s. etwa § 29 a Abs. 1 Nr. 2, § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG) noch für die Zumessung der angemessenen Strafe geboten ist. So lag es auch hier. Die deutliche Überschreitung des Grenzwerts der nicht geringen Menge war schon wegen des gleichzeitig eingeführten Kokains sowie des analysierten Teils des sichergestellten Heroins nicht zweifelhaft. Die Verteidigung und der Angeklagte konnten ihre weitere Verfahrensführung auf die - insoweit rechtlich nicht zu beanstandenden - Darlegungen im Zurückweisungsbeschluss ausrichten; es ist auszuschließen, dass sie andere Verteidigungsmöglichkeiten gehabt hätten, wenn das Landgericht den Antrag auch formal nicht nach den Maßstäben der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO), sondern nach denen des Beweisantragsrechts (§ 244 Abs. 4 Satz 1 StPO) abgelehnt hätte. Das Urteil beruht daher nicht auf der möglicherweise rechtlich unzutreffenden Einordnung des Antrags. Abschließend weist der Senat noch auf Folgendes hin: Wäre das Landgericht aufgrund etwaig vorhandener Indizien zu der Überzeugung gelangt, dass die Beweisbehauptung unrichtig war und der Antragsteller dies auch wusste , so hätte es - auch - in Betracht ziehen können, den Antrag wegen Verschleppungsabsicht zurückzuweisen. Der Senat neigt mit dem 1. Strafsenat der Auffassung zu, dass an der bisherigen Rechtsprechung nicht mehr festzuhalten ist, wonach dieser Ablehnungsgrund nur Anwendung finden kann, wenn die Erhebung des beantragten Beweises das Verfahren erheblich verzögern würde (vgl. BGH NJW 2007, 2501). Becker RiBGH Miebach befindet sich Pfister in Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker von Lienen Schäfer