Bundesgerichtshof Urteil, 24. März 2015 - 5 StR 521/14

bei uns veröffentlicht am24.03.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR521/14
vom
24. März 2015
in der Strafsache
gegen
wegen des Verdachts der schweren Vergewaltigung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
24. März 2015, an der teilgenommen haben:
Richter Prof. Dr. Sander
als Vorsitzender,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Prof. Dr. König,
Richter Dr. Berger,
Richter Bellay
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt K.
als Verteidiger,
Rechtsanwalt Ba.
als Vertreter der Nebenklägerin Bö. ,
Rechtsanwältin T.
als Vertreterin der Nebenklägerin H. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 24. März 2014 wird verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen und Betrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und ihn hinsichtlich weiterer vier Tatvorwürfe aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die Revision des Angeklagten hat der Senat im Beschlusswege gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision gegen die Freisprüche des Angeklagten wegen drei der weiteren ihm vorgeworfenen Straftaten. Das vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
2
1. Dem Angeklagten lag zur Last, in zwei Fällen jeweils eine schwere Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung begangen zu haben, indem er im Mai 2010 die Geschädigte Bö. und im Juni 2010 die Geschädigte H. durch heimliche Beibringung eines bewusstseinstrüben- den Mittels (sog. K.O.-Tropfen) in einen willenlosen Zustand versetzt und diesen jeweils zur Durchführung des Geschlechtsverkehrs ausgenutzt habe. Darüber hinaus war ihm vorgeworfen worden, eine räuberische Erpressung in Tateinheit mit Anstiftung zum Betrug verübt zu haben; er habe U. und L. unter Androhung körperlicher Repressalien dazu gebracht, dass L. unter Vortäuschung von Zahlungswilligkeit und -fähigkeit einen Mobilfunkvertrag abgeschlossen und anschließend dem Angeklagten das erlangte Mobiltelefon nebst SIM-Karte weisungsgemäß ausgehändigt habe.
3
2. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
4
a) Die Nebenklägerin Bö. lernte den Angeklagten über einen Chat kennen und verabredete sich mit ihm für den Abend des 12. Mai 2010. Begleitet von ihrer Freundin P. und einem Bekannten des Angeklagten besuchten sie eine Diskothek, in der sie Alkohol tranken und sich küssten. Als ihr aufgrund des Alkoholkonsums schlecht wurde, wurde sie von mehreren Personen vor die Diskothek gebracht. Anschließend fuhr sie mit dem Angeklagten in einem Taxi zu dessen Wohnung. Dabei war sie alkoholbedingt enthemmt; sie wusste jedoch noch, was sie tat, und konnte sich ihrem Willen entsprechend ohne erhebliche Beeinträchtigung steuern und äußern (UA S. 51). Nachdem sie, in der Wohnung angelangt, weiterhin unter Übelkeit gelitten hatte, zog sie sich aus, legte sich ins Bett und schlief ein. Am nächsten Morgen verließ die Nebenklägerin Bö. die Wohnung des noch schlafenden Angeklagten, ohne ihn zu wecken , weil ihr Verhalten ihr peinlich war. Sie ließ sich von ihrem ehemaligen Freund nach Hause bringen, mit dem sie noch am selben Abend an einer Feier teilnahm.
5
b) In der Nacht zum 3. Juni 2010 besuchte die Nebenklägerin H. , die „gerne Schnaps trank, diesen gut vertrug und am Vortag oderam Morgen des 3. Juni 2010 Crystal konsumiert hatte“ (UA S. 53), mit Freunden eine Diskothek. Dort traf sie den ihr bereits bekannten Angeklagten, mit dem sie früher „gelegentlich Zärtlichkeiten in nicht näher ermittelbarer Art“ (UA S. 52) ausge- tauscht hatte. Gemeinsam mit dem Angeklagten konsumierte sie innerhalb von zehn bis zwanzig Minuten jeweils zehn Gläser mit 4 cl „Wodka-Energy“. Etwa eine Stunde später fuhr sie mit dem Angeklagten und einem ihm Bekannten zu dessen Wohnung. Dort spielten sie bei weiterem Alkoholkonsum zu Dritt ein Spiel, in dessen Verlauf sie sich einzelne Kleidungsstücke auszogen und H. , die alkoholbedingt – lediglich – enthemmt ihre Mitspieler küsste. Außerdem kam es zwischen ihr und dem Angeklagten zum Geschlechtsverkehr. Nachdem sie zuvor ihren Freunden gegenüber telefonisch ihre baldige Rückkehr in die Diskothek angekündigt hatte, nutzte nicht ausschließbar der Bekannte des Angeklagten einen Toilettenbesuch H. s dazu, aus ihrem Mobiltelefon die SIM-Karte zu entfernen, zu zerbrechen und zu verstecken, weil er sich bei ihrem längeren Aufenthalt in seiner Wohnung einen intensiveren Austausch von Zärtlichkeiten mit ihr erhoffte. Gegen 6:00 Uhr schlief H. auf einem Sofa ein. Als sie kurz darauf wieder erwachte, war ihr aufgrund des vorangegangenen Alkohol- und Drogenkonsums schwindelig und ihr fiel ein, dass sie einen Termin beim Arbeitsamt hatte. Sie verließ die Wohnung und fuhr zunächst zu ihren Freunden, denen gegenüber sie über Schmerzen an den Oberschenkeln klagte und andeutete, sexuell bedrängt worden zu sein. Sie konsumierte Liquid Ecstasy und ließ sich von ihrer Hausärztin krankschreiben.
6
c) Am 22. Mai 2010 schloss L. auf Veranlassung seines Freundes U. einen Mobilfunkvertrag, der die Aushändigung eines Mobiltelefons umfasste. Hierbei täuschte er seine tatsächlich nicht bestehende Zahlungswilligkeit und -fähigkeit vor. Die bis zum 13. Juli 2010 angefallenen Tele- fonkosten in Höhe von 355 Euro entrichtete er nicht. Um sich weiteren Forderungen des Mobilfunkanbieters und Vorwürfen seiner Mutter zu entziehen, dachte er sich aus, dass der sich mittlerweile in Untersuchungshaft befindliche Angeklagte ihn und U. unter Ankündigung, diesen andernfalls töten zu wollen , gezwungen habe, den Vertrag abzuschließen.
7
3. Die angefochtenen Freisprüche halten sachlich-rechtlicher Nachprüfung stand.
8
a) Die Beweiswürdigung ist dem Tatgericht vorbehalten (§ 261 StPO). Spricht das Tatgericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies vom Revisionsgericht grundsätzlich hinzunehmen, da die Beweiswürdigung Sache des Tatgerichts ist. Der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt nur, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist, wenn sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder das Gericht überspannte Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt hat (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteil vom 10. Dezember 2014 – 5 StR 136/14 mwN). Dabei hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2013 – 4 StR 371/13, NStZ-RR 2014, 87; Sander in LR-StPO, 26. Aufl., § 261 Rn. 182 mwN).
9
b) Daran gemessen ist die Beweiswürdigung nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Landgericht die erforderliche Gesamtwürdigung der be- und entlastenden Umstände in jedem der angegriffenen Fälle vorgenommen und sich mit den Angaben der betroffenen Nebenklägerinnen ausführlich auseinandergesetzt. Die Schlussfolgerungen und Wertungen des Landgerichts sind tatsachenfundiert, lassen keine Rechtsfehler erkennen und halten sich im tatgerichtlichen Beurteilungsspielraum. Die Revision hat weder Widersprüche noch wesentliche Erörterungsmängel aufgezeigt. Die Beanstandungen der Revision zielen auf eine andere Bewertung von Tatsachen ab, die das Landgericht aber allesamt bedacht hat.
10
aa) Hinsichtlich der dem Angeklagten vorgeworfenen Tat zum Nachteil der Nebenklägerin Bö. hat das Landgericht nicht ausschließen können, dass deren Erinnerungsvermögen – entgegen ihren Angaben – bei alkoholbedingter Enthemmung nicht vorübergehend aufgehoben, sondern insgesamt erhalten geblieben war. Nachvollziehbar hat es das Landgericht insbesondere aufgrund der Aussage der Zeugin Br. für möglich gehalten, dass Bö. sich ein Erlebnis, das ihr die Zeugin Br. im Zusammenhang mit einer Verabreichung von „K.O.-Tropfen“ geschildert hatte, zu eigen gemacht habe, um eine freiwillige Übernachtung bei dem Angeklagten gegenüber ihrer Mutter und ihrem ehemaligen Freund zu rechtfertigen (UA S. 83 f.). Die Zeugin Br. war von der Mutter der Nebenklägerin um ein Gespräch mit ihrer Tochter gebeten worden, weil die Mutter vermutet hatte, dass es eine Verbindung mit dem ihr von Br. berichteten Geschehen gäbe (UA S. 73). Das Landgericht hat weiter bedacht, dass die Nebenklägerin ihre Angaben zur Aufnahme der alkoholischen Getränke, zu ihrer Erinnerungslücke und ihrem Zustand beim Erwachen gegenüber verschiedenen Personen im Zeitablauf verändert hatte. Es vermochte nicht festzustellen, dass sie zu ihren wechselnden Schilderungen (vgl. UA S. 69, 71) etwa durch gravierende Angstzustände oder eine erhebliche Beeinträchtigung des seelischen Befindens und der körperlichen Gesundheit veranlasst worden sein könnte, da sie am Abend nach dem Geschehen mit Freunden feierte und Geschlechtsverkehr hatte (UA S. 75). Vielmehr hat das Landgericht nicht ausschließen können, dass die Nebenklägerin und ihre Freundin P. frühzeitig Handlungen, soweit sie elterlichen Erwartungen nicht entsprachen, nicht oder nicht vollständig preisgegeben oder aber der Beigabe von „K.O.-Tropfen“ zugeschrieben hätten. Insoweit hatte das Landgericht neben der Aussage der Zeugin Br. auch die Angaben der Zeugin P. in deren polizeilicher Vernehmung zu berücksichtigen, in der sie einräumte, dass Bö. deren Mutter das Geschehen anders geschildert und sie „wohl angeschwindelt habe, weil sie Ärger befürchtet habe, wenn sie die Wahrheit sage“ (UA S. 79 f.). Gegen diese Beweiswürdigung ist nichts zu erinnern.
11
bb) In dem die Nebenklägerin H. betreffenden Fall ist das Landgericht von einem nicht ausschließbar einvernehmlichen Geschlechtsverkehr zwischen dem Angeklagten und H. ausgegangen. Es hat dabei sämtliche – fürsich genommen gewichtigen belastenden – Indizien, wie Schmerzen und eine schwache Unterblutung an der Oberschenkelinnenseite, Nachweis von Sperma des Angeklagten in der Scheide der Nebenklägerin und von Gammahydroxybuttersäure (GHB) im Urin der Nebenklägerin (UA S. 94, 96) erkannt und bewertet, sich aber nach umfassender Gesamtwürdigung im Ergebnis nicht von dem in der Anklage vorgeworfenen Tatgeschehen zu überzeugen vermocht. Das Landgericht hat der Nebenklägerin H. nicht geglaubt, dass sie sich nicht habe erinnern können, ob es jemals zwischen ihr unddem Angeklagten Zärtlichkeiten in ansonsten unbeeinträchtigten Situationen gegeben habe (UA S. 84, 87, 98). Es hat ferner bedacht, dass aus sachverständiger Sicht eine Substanz mit dem Wirkstoff GHB auch noch nach dem vorgeworfenen Tatgeschehen eingenommen worden sein könnte. Das Landgericht ist insofern zu dem – nach den Gesamtumständen möglichen – Schluss gekommen, dass H. , in deren Urin auch Amphetamine nachgewiesen worden sind, am nächsten Morgen in der Wohnung ihrer Drogen konsumierenden Freunde Liquid Ecstasy eingenommen hat. Auch haben sich für die sachverständig beratene Strafkammer die von der Nebenklägerin beschriebene Erinnerungslücke und der Umstand, dass sie beim nächtlichen Telefonat mit ihrer Freundin „durcheinander“ gewirkt habe, allein durch den massiven Alkoholkonsum und nicht durch die Einnahme eines Narkosemittels erklären lassen (UA S. 88, 97). Die gewissen Parallelen zu den weiteren Anklagevorwürfen der übrigen Nebenklägerinnen mit dem Angeklagten hat das Landgericht gesehen (UA S. 98), es vermochte sich jedoch letztlich insbesondere wegen der Alkoholgewöhnung und der wechselnden Angaben der Nebenklägerin H. zu ihrem Erinnerungsvermögen nicht von einer erheblichen Willensbeeinträchtigung bei Durchführung des Geschlechtsverkehrs zu überzeugen. Diese Würdigung hat der Senat angesichts des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs hinzunehmen.
12
c) Auf die wenig verlässlichen, von erheblichem Belastungseifer getragenen und zum Teil widersprüchlichen Angaben der Zeugen U. und L. hat die Strafkammer auch eingedenk der erst im August 2010 erfolgten Anzeigenerstattung zu Recht keine Verurteilung gestützt.
Sander Schneider König
Berger Bellay

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR136/14
vom
10. Dezember 2014
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Verdachts des Betruges u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. Dezember
2014 aufgrund der Hauptverhandlung vom 26. November 2014, an der teilgenommen
haben:
Richter Prof. Dr. Sander,
als Vorsitzender,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Dölp,
Richter Dr. Berger,
Richter Bellay
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt S. ,
Rechtsanwalt K.
als Verteidiger des Angeklagten P. ,
Rechtsanwalt H.
als Verteidiger des Angeklagten K. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Kiel vom 29. August 2013 werden verworfen.
Die Kosten der Rechtsmittel und die den Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.
– Von Rechts wegen –

Gründe:


1
Das Landgericht hat die beiden Angeklagten aus tatsächlichen Gründen jeweils von den Vorwürfen freigesprochen, in insgesamt 161 Fällen durch dieselbe Handlung Fertigarzneimittel, die nicht über eine nach § 21 Abs. 1 Arzneimittelgesetz (AMG) für Deutschland erforderliche Zulassung verfügten und die entgegen § 8 Abs. 1 Nr. 1a AMG (idF vom 12. Dezember 2005) hinsichtlich ihrer Herkunft falsch gekennzeichnet waren, zur Versorgung krebskranker Patienten in den Verkehr gebracht und ohne Verschreibung abgegeben (§ 95 Abs. 1 Nr. 3a AMG aF, § 96 Nr. 5 und 13 AMG) sowie in 161 weiteren Fällen die Gesetzlichen Krankenkassen betrogen zu haben (§ 263 StGB), indem sie die preisgünstiger erworbenen nicht für Deutschland bestimmten Medikamente wie hier zugelassene abrechneten, ohne dies kenntlich zu machen. Hiergegen richten sich die mit Verfahrensrügen und ausgeführten Sachrügen begründeten Revisionen der Staatsanwaltschaft, die ohne Erfolg bleiben.
2
I. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Dem Kreiskrankenhaus R. war eine Krankenhausapotheke angegliedert, dessen Leiter im Tatzeitraum der Angeklagte P. war. In der Apotheke waren mehrere approbierte Apotheker und zahlreiche pharmazeutisch -technische Assistentinnen angestellt. Zu den angestellten Apothekern zählte auch der Angeklagte K. , dem als Leiter der Zytostatika-Abteilung die Leitung und Überwachung der Zytostatika-Herstellung oblag. Die von der Krankenhausapotheke hierzu verwandten Medikamente werden Patienten nach individueller Dosierung in einer Kochsalzlösung als Infusion verabreicht. Die Präparate werden in Fläschchen gehandelt, die eine bestimmte Menge des gefriergetrockneten Zytostatikums in Pulverform enthalten. Die Arzneimittel verfügen über eine Zulassung in Deutschland, aber auch über Zulassungen in vielen anderen Ländern des europäischen und außereuropäischen Auslandes. Die Zusammensetzung der Zytostatika ist für alle Länder gleich, wobei ihre Herstellung häufig für die ganze Welt in einer Fabrik erfolgt. Die Chargen für verschiedene Länder unterscheiden sich in der Umverpackung der Flasche (einer Faltschachtel ) und in dem auf der Flasche aufgeklebten Etikett. Für Deutschland ist beides in deutscher Sprache beschriftet; die Chargen für ausländische Märkte sind in der jeweiligen Landessprache oder auf Englisch beschriftet.
4
Zytostatika wurden in der Apotheke des Kreiskrankenhauses als Infusionslösung in einem mit einer Sicherheitsschleuse und einer Sicherheitswerkbank versehenen Reinraum unter speziellen Bedingungen zubereitet, welche die notwendige Sterilität der Zubereitung gewährleisten sollten und den toxischen Eigenschaften dieser Arzneimittel Rechnung trugen. Nach anschließender Etikettierung und Kontrolle der Infusionsbeutel wurden die Lösungen in der verordneten Dosierung an die Patienten zu Händen der behandelnden Onkolo- gen abgegeben. Die zur Zubereitung verwendeten Zytostatika bezog die Krankenhausapotheke von den herstellenden Unternehmen. Die bei den Herstellern bestellten Medikamente waren für den deutschen Markt bestimmt; dementsprechend waren die Umverpackung und das Etikett auf den Flaschen in deutscher Sprache beschriftet. Die Preise für die gelieferten Zytostatika richteten sich nach den Konditionen, die ein Einkaufsverbund, dem das Kreiskrankenhaus angehörte, mit den Herstellern ausgehandelt hatte.
5
Im Zeitraum von Januar 2006 bis Februar 2007 deckte die Krankenhausapotheke ihren Bedarf an den für die Zytostatika-Zubereitungen verwendeten Medikamenten nicht vollständig durch Einkäufe bei den herstellenden Unternehmen , sondern erwarb sie zu einem geringen Teil auf Veranlassung der beiden Angeklagten bei zwei Arzneimittelgroßhändlern mit Sitz in Dänemark und einem deutschen Arzneimittelgroßhändler. Die von diesen Großhändlern gelieferten Medikamente waren nicht für den deutschen Markt, sondern für das Ausland bestimmt. Die Umverpackungen und Flaschen dieser Chargen waren in der jeweiligen Landessprache oder auf Englisch beschriftet. Bei diesen Medikamenten handelte es sich um Originalpräparate, welche die Großhändler direkt vom Hersteller bezogen hatten. In ihrer inhaltlichen Zusammensetzung waren die für den ausländischen Markt bestimmten Präparate identisch mit den für Deutschland bestimmten Medikamenten. Rechtliche Bedenken gegen den Bezug und die Verwendung der für den ausländischen Markt bestimmten Zytostatika hatten beide Angeklagte nicht. Sie hielten den Einsatz der Präparate für zulässig, weil sie davon ausgingen, dass es sich bei den ZytostatikaZubereitungen um die Herstellung von zulassungsfreien Rezepturarzneimitteln handele, bei der die von den Vertriebsunternehmen bezogenen Zytostatika lediglich als in Deutschland zulassungsfreie Ausgangsstoffe benutzt würden.
6
Die Abrechnung der Arzneimittel, die an ambulant behandelte Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen abgegeben wurden, war in Arzneilieferverträgen zwischen den Gesetzlichen Krankenkassen und dem Kreiskrankenhaus geregelt. Diese Verträge sahen vor, dass bei Fertigarzneimitteln der für den Tag der Abgabe maßgebliche Apothekeneinkaufspreis gemäß Lauer-Taxe abzüglich eines bestimmten prozentualen Abschlags abrechnungsfähig war. Bei Rezepturen waren die für den Tag der Abgabe maßgeblichen Apothekeneinkaufspreise gemäß Lauer-Taxe abzüglich eines bestimmten prozentualen Abschlags zuzüglich eines Arbeitspreises gemäß Hilfstaxe pro applikationsfertiger Einheit abrechnungsfähig. Zum Begriff der Rezeptur hieß es dabei sowohl in dem Arzneiliefervertrag zwischen den Verbänden der Angestelltenkrankenkassen sowie der Arbeiterersatzkassen und dem Kreiskrankenhaus als auch in dem Vertrag zwischen dem BKK-Landesverband N. mit der Krankenhausgesellschaft S. : „Als Rezepturen sind nur solche individuell herzustellenden Arzneimittel abrechnungsfähig, bei denen arbeitsschutzrechtlich eine Herstellung mit besonderer apparativer Ausstattung zwingend erforderlich ist. Dies betrifft insbesondere Zytostatika-Rezepturen.“ Auf den Verordnungen (Rezepten), die gegenüber den Gesetzlichen Krankenkassen abzurechnen waren, wurde in der Apotheke des Kreiskrankenhauses jeweils der sich danach ergebende Preis aufgedruckt. Zudem wurde eine Sonder-Pharmazentralnummer für zytostatische Zubereitungen aufgedruckt, auf deren Verwendung sich die Spitzenverbände zur Kennzeichnung der Rezeptabrechnung für sämtliche zytostatikahaltige Lösungen in der Technischen Anlage 1 zur Vereinbarung über die Übermittlung von Daten gemäß § 300 SGB V festgelegt hatten.
7
Die Zytostatika-Rezepte wurden zur Abrechnung von der Krankenhausapotheke an eine von dem Kreiskrankenhaus beauftragte Apothekenverrechnungsstelle übersandt und von dort an die Gesetzlichen Krankenkassen über- mittelt. Die für die Rechnungsbegleichung zuständigen Mitarbeiter der Krankenkassen gingen bei der Bezahlung davon aus, dass die ihnen vorliegenden Rechnungen insgesamt „in Ordnung“ waren. Da es sich bei den Zytostatika- Verordnungen um sehr hochpreisige Rezepte handelte, wurden sämtliche von dem Kreiskrankenhaus eingereichten Rechnungen betreffend ZytostatikaZubereitungen bei den Krankenkassen innerhalb von zehn Monaten nach Eingang der Rezepte geprüft. Die Prüfungen waren auch materieller Art, insbesondere dahingehend, ob der berechnete Preis dem vertraglich Vereinbarten entsprach. Eine Prüfung daraufhin, ob für die abgerechneten Zytostatika in Deutschland zugelassene Arzneimittel verwandt wurden, konnte nicht erfolgen, weil Zytostatika-Zubereitungen durchgehend unter der Sonder-Pharmazentralnummer abgerechnet wurden und die Herkunft der verwendeten Arzneimittel nicht ersichtlich war. Soweit die Prüfung einen Fehler ergab, etwa eine Abweichung des berechneten Preises von dem vereinbarten Preis, erfolgte eine nachträgliche Berichtigung (Retaxierung).
8
2. Das Landgericht hat im Anschluss an das Urteil des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 4. September 2012 (1 StR 534/11, BGHSt 57, 312) angenommen, dass es sich bei den in der Krankenhausapotheke fertiggestellten Zytostatika-Lösungen nicht um Rezepturarzneimittel, sondern um Fertigarzneimittel gehandelt habe, die der Zulassungspflicht nach § 21 Abs. 1 AMG unterlagen. Durch die Beifügung der Trägerlösung seien aus den an die Krankenhausapotheke gelieferten Fertigarzneimitteln keine neuen Arzneimittel geworden , weshalb es bei der Zulassungspflicht verblieben sei und bei der Etikettierung der Originalhersteller der Zytostatika habe angegeben werden müssen. Das Landgericht hat demgemäß in objektiver Hinsicht neben den Tatbeständen der den Angeklagten zur Last gelegten arzneimittelrechtlichen Vergehen auch den Tatbestand des Betrugs gemäß § 263 Abs. 1 StGB als verwirklicht angese- hen. Mit der Übersendung der Rechnungen an die Krankenkassen sei die konkludente Behauptung eines tatsächlich nicht vorhandenen sozialrechtlichen Erstattungsanspruchs verbunden gewesen, weil den abgerechneten Arzneimitteln als Fertigarzneimitteln die erforderliche Zulassung gefehlt habe. Da die mit der Rechnungsbegleichung befassten Mitarbeiter der Krankenkassen bei der Bezahlung fälschlicherweise die Rechnungen für ordnungsgemäß gehalten hätten, seien sie insoweit einem Irrtum erlegen, der zu der objektiv nicht gerechtfertigten Bezahlung der Rechnungen als Schaden geführt habe. Die Angeklagten hätten aber ohne Vorsatz gehandelt, weil sie irrtümlich die Zubereitung der Zytostatika -Lösungen als Rezepturarzneimittelherstellung angesehen und angenommen hätten, als solche sei sie zulassungsfrei, weil die Zytostatika lediglich als Ausgangsstoffe für die Rezepturherstellung verwendet würden. Dieser Irrtum der Angeklagten über die rechtliche Bewertung der Zytostatika-Zubereitungen stelle einen Tatbestandsirrtum im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB dar. Hinsichtlich des Betrugstatbestandes hätten die Angeklagten insoweit schon ohne Täuschungsvorsatz gehandelt, weil sie vom Bestehen eines sozialrechtlichen Erstattungsanspruches gegenüber den Krankenkassen ausgegangen seien. In jedem Fall liege aber aufgrund einer Verkennung der Rechtslage ein als Tatbestandsirrtum zu behandelnder Irrtum über die Rechtswidrigkeit des Vermögensvorteils vor.
9
II. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt hinsichtlich der Sachrügen in Bezug auf die noch nicht der Verjährung unterfallenen Vorwürfe des Betrugs (§ 263 StGB) und des Inverkehrbringens von hinsichtlich ihrer Herkunft falsch gekennzeichneten Arzneimitteln (§ 95 Abs. 1 Nr. 3a AMG aF) vertreten worden sind, bleiben ohne Erfolg.
10
1. Die Verfahrensrügen dringen nicht durch.
11
a) Die Staatsanwaltschaft beanstandet die Ablehnung von Beweisanträgen auf Vernehmung von zwei als Inhaber bzw. Leiter von Apotheken tätigen sachverständigen Zeugen jeweils zum Beweis dafür, es habe im Tatzeitraum zum Diskussionsstand im Apothekenwesen gehört, dass bezüglich der gegenständlichen Fertigarzneimittel nicht die Situation einer fehlenden Verfügbarkeit von im Wirkstoff identischen und in der Wirkungsstärke vergleichbaren bereits zugelassenen Fertigarzneimitteln bestanden habe, dass die Verwendung von nicht zugelassenen Fertigarzneimitteln bei der Aufbereitung von ZytostatikaLösungen nicht mit der guten fachlichen Praxis eines Apothekers zu vereinbaren gewesen sei und dass bei Herstellung von Rezepturarzneimitteln unter Verwendung von nicht zugelassenen Fertigarzneimitteln eine über eine Sinnesprüfung hinausgehende Prüfung der ordnungsgemäßen Qualität des Fertigarzneimittels vorzunehmen gewesen sei. Das Landgericht ist diesen Anträgen nicht nachgekommen, weil die unter Beweis gestellten Tatsachen aus tatsächlichen Gründen für die Entscheidung ohne Bedeutung seien (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO).
12
Die Beweisantragsrügen sind unbegründet, da das Landgericht schon aus den Gründen des angegriffenen Beschlusses vom 29. August 2013 die beantragte Zeugenvernehmung zu Recht wegen Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache abgelehnt hat. Auch aus dem Revisionsvorbringen der Staatsanwaltschaft erhellt sich nicht, weshalb der behauptete Diskussionsstand im Apothekenwesen hätte geeignet sein können, die Einlassung der Angeklagten zur subjektiven Seite der ihnen zur Last gelegten Taten zu widerlegen.
13
Die in Bezug auf die benannten Zeugen zugleich erhobenen Aufklärungsrügen , wonach sich das Landgericht durch deren Vernehmung ein objektives Bild von den Gepflogenheiten und Qualitätsanforderungen bei der Zytosta- tika-Aufbereitung bzw. Herstellung von Rezepturarzneimitteln hätte verschaffen müssen, greift daher ebenfalls nicht durch. Die Frage einer Einhaltung von Qualitätsprüfungsstandards war nicht (unmittelbar) Gegenstand der Anklagevorwürfe. Ihr kommt für die subjektive Seite der hier in Rede stehenden Tatbestände aber auch nicht mittelbar eine maßgebliche Indizwirkung zu: Selbst eine von der Staatsanwaltschaft angenommene Nichterfüllung der Voraussetzungen einer fachlich ordnungsgemäßen Rezepturherstellung ließe die Erklärung der Angeklagten , sie hätten geglaubt, ein Rezepturarzneimittel zu erstellen, nicht schon als Schutzbehauptung erscheinen. Insofern läge im Übrigen ein Beruhen des Freispruchs auf der beanstandeten unterbliebenen Beweiserhebung aus den zur Sachrüge ausgeführten Gründen fern.
14
b) Die Staatsanwaltschaft rügt weiter die Ablehnung eines Beweisantrags , der auf die Vernehmung eines Sachverständigen und hilfsweise auf die Verlesung eines von ihm herrührenden Schreibens vom 12. November 2008 zum Beweis der Tatsachen gerichtet war, dass im Tatzeitraum bei Vorlage einer ärztlichen Verschreibung für ein in Deutschland zugelassenes Fertigarzneimittel dann eine sogenannte Rekonstitution – und keine Rezeptur – vorgelegen habe, wenn lediglich eine getrocknete Wirksubstanz in seine vom pharmazeutischen Unternehmer vorgegebene flüssige Form überführt worden sei, und dass eine abrechnungsfähige Rezeptur nur dann vorgelegen habe, wenn diese nach den anerkannten pharmazeutischen Regeln hergestellt und geprüft worden sei, zu ihrer Herstellung nur Ausgangsstoffe verwendet worden seien, deren ordnungsgemäße Qualität festgestellt worden sei, hierüber Aufzeichnungen gemacht worden seien und bei Verwendung importierter Arzneimittel als Ausgangsstoff wenigstens die Identität des Wirkstoffs festgestellt worden sei. Das Landgericht hat den Beweisantrag nach § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO wegen Unzulässigkeit der Beweiserhebung abgelehnt, da die Beweisbehauptungen Be- stand und Auslegung des inländischen Rechts beträfen. Auch diese Ablehnung erfolgte zu Recht.
15
c) Soweit die Staatsanwaltschaft im Hinblick auf die unterbliebene Verlesung des Schreibens vom 12. November 2008 eine Verletzung der Aufklärungspflicht gemäß § 244 Abs. 2 StPO geltend macht, hat sie diese Aufklärungsrüge nicht in der gehörigen Form erhoben. Ihr Vortrag ist nicht vollständig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), da aus dem betreffenden Schreiben lediglich auszugsweise zwei Passagen zitiert worden sind.
16
d) Jedenfalls unbegründet ist schließlich die Rüge, das Landgericht habe einen Beweisantrag auf Verlesung mehrerer höchstrichterlicher Sozialgerichtsentscheidungen zum Beweis der Tatsache abgelehnt, dass den Angeklagten bekannt gewesen sei, dass die von ihnen unter Verwendung nicht zugelassener Fertigarzneimittel zubereiteten Zytostatika-Lösungen nicht abrechnungsfähig gewesen seien. Das Landgericht hat diesen Beweisantrag zu Recht wegen völliger Ungeeignetheit des Beweismittels abgelehnt und hierzu zutreffend ausgeführt , dass sich aus einer Verlesung der benannten Sozialgerichtsurteile keine diesbezügliche Kenntnis der Angeklagten ergäbe und die Urteile auch nicht die vorliegende Problematik (sondern eine Abrechnungsfähigkeit neuer Behandlungsmethoden ) betroffen hätten.
17
2. Die angefochtenen Freisprüche halten sachlich-rechtlicher Nachprüfung stand.
18
a) Es liegt entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts kein Darstellungsmangel dahingehend vor, dass es zusätzlicher Feststellungen zur Verfahrensweise bei der Abrechnung der Zytostatika-Lösungen bedurft hätte.
Dem nicht schematisch anzuwendenden Grundsatz, dass das Tatgericht bei freisprechenden Urteilen zunächst die Umstände feststellen muss, die es für erwiesen erachtet, und dazu die Begründung so abzufassen hat, dass dem Revisionsgericht eine Überprüfung ermöglicht wird (BGH, Urteile vom 26. September 1989 – 1 StR 299/89, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 2; vom 9. Juni 2005 – 3 StR 269/04, NJW 2005, 2322, 2325; vom 6. April2005 – 5 StR 441/04, NStZ-RR 2005, 211, und vom 27. Januar 2011 – 4 StR487/10, NStZ-RR 2011, 275), ist hier genügt. Insbesondere war keine Beschreibung erforderlich, „welche Medikamente genau in der Lauer-Taxegelistet waren“. Zur revisionsgerichtlichen Überprüfung der Beweiswürdigungbe- durfte es auch keiner ausdrücklichen Feststellung, dass in der Datenbank der Lauer-Taxe diejenigen Fertigarzneimittel, Medizinprodukte und apothekenüblichen Waren aufgelistet sind, die in Deutschland für den Handel zugelassen sind. Den Urteilsgründen ist hierzu jedenfalls zu entnehmen, dass sämtliche hier in Rede stehenden Zytostatika, welche die Krankenhausapotheke unter ihren internationalen Handelsnamen ganz überwiegend als für den deutschen Markt bestimmte Medikamente direkt vom Hersteller bezogen hat (UA S. 9), nach dem in den Arzneilieferverträgen beschriebenen Verfahren abgerechnet worden sind (UA S. 27, 37) – und damit auf Grundlage der Daten der LauerTaxe für die in Deutschland zugelassenen Präparate.
19
b) Gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts bestehen keine rechtlichen Bedenken.
20
aa) Die Beweiswürdigung ist dem Tatgericht vorbehalten (§ 261 StPO). Spricht das Tatgericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies vom Revisionsgericht grundsätzlich hinzunehmen, da die Beweiswürdigung Sache des Tatrichters ist. Der Beur- teilung durch das Revisionsgericht unterliegt nur, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist oder wenn sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder das Gericht überspannte Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt hat (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 2008 – 5 StR 564/07, NStZ-RR 2008, 180, 181). Hieran gemessen weist die Beweiswürdigung des Landgerichts zum Vorstellungsbild der beiden Angeklagten, sie hätten die erworbenen Zytostatika lediglich als Ausgangsstoffe für die Herstellung einer Rezeptur angesehen und die zubereiteten ZytostatikaLösungen für zulassungsfreie Rezepturarzneimittel gehalten, die als solche auch abzurechnen gewesen seien, keine Rechtsfehler auf.
21
bb) Entgegen der Revisionsbegründung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht die entlastenden Einlassungen der Angeklagten nicht ohne weiteres als unwiderlegt hingenommen, sondern sie seiner Entscheidung tatsächlich erst nach umfänglicher Würdigung unter Einbeziehung der weiteren Beweisergebnisse zugrunde gelegt (vgl. zu diesem Erfordernis BGH, Urteile vom 6. März 1986 – 4 StR 48/86, BGHSt 34, 29, 34; vom 12. September 2001 – 2 StR172/01, NStZ 2002, 48, und vom 21. Dezember 2005 – 3 StR 470/04, NJW 2006, 522, 527). So hat das Landgericht näher ausgeführt (UA S. 47), dass nach den von den Angeklagten benutzten Standardwerken der pharmazeutischen Literatur eine Zytostatika-Zubereitung seinerzeit durchweg als Herstellung eines Rezepturarzneimittels nach der einschlägigen Vorschrift des § 7 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) bezeichnet wurde. Ebenso als Herstellung eines Rezepturarzneimittels eingestuft wurde die Herstellung applikationsfertiger Zytostatika-Lösungen in Apotheken in einer hierzu 1998 ergangenen Richtlinie der Arbeitsgemeinschaft der obersten Landesgesundheitsbehörden (AOLG), die im Bundesgesundheitsblatt (Heft 9/1998, S. 404) veröffentlicht wurde, und in den 2003 von der Deutschen Gesellschaft für Onkologische Pharmazie mit Kommentierung in dritter Fassung herausgegebenen Qualitätsstandards für den pharmazeutisch-onkologischen Service (QuapoS 3). Als gewichtiges Indiz, das die übereinstimmenden Einlassungen der Angeklagten bestätigte , hat das Landgericht seiner Überzeugungsbildung auch die zwischen dem Krankenhausträger und den Gesetzlichen Krankenkassen vereinbarte Abrechnungsweise zugrunde gelegt; danach sind beide Seiten davon ausgegangen , dass die in der Krankenhausapotheke hergestellten Zytostatika-Lösungen als Rezepturarzneimittel abzurechnen sind (vgl. zum Gewicht dieses Aspekts auch Senat, Urteil vom 10. Dezember 2014 – 5 StR 405/13). Weiter hat das Landgericht die allgemeine langjährige Praxis einer Kennzeichnung der Zubereitungen nach der für Rezepturarzneimittel geltenden Vorschrift des § 14 ApBetrO indiziell gewürdigt. Nicht zuletzt durfte das Landgericht bei der Vielzahl der Indizien auch berücksichtigen, dass die patientenindividuelle Herstellung der Zubereitungen (auf die inzwischen auch die Definition der Rezepturarzneimittel in § 1a Abs. 8 ApBetrO in der Fassung vom 5. Juni 2012 abstellt) und der hierbei erforderliche erhebliche Arbeitsaufwand das festgestellte Vorstellungsbild der Angeklagten nachvollziehbar machten.
22
Soweit die Staatsanwaltschaft mit ihren Revisionen auch im Zusammenhang mit der vom Landgericht vorgenommenen Gesamtwürdigung (weitere) Aufklärungsmängel behauptet hat, kann sie damit im Rahmen der Sachrüge nicht gehört werden; zulässige Aufklärungsrügen sind insofern nicht erhoben worden.
23
cc) Das Vorbringen der Staatsanwaltschaft, die Angeklagten hätten die Anforderungen der Apothekenbetriebsordnung zur Herstellung von Rezepturen nicht befolgt, dies auch gewusst und damit die tatsächlichen Umstände ge- kannt, die einer Verkehrs- und Erstattungsfähigkeit selbst bei deren Bewertung als Rezepturarzneimittel entgegengestanden hätten, ist bereits urteilsfremd. Im Übrigen ist den von der Revision angeführten Vorschriften der §§ 6, 11 ApBetrO aber auch nicht zu entnehmen, dass die hier als Ausgangsstoffe verwendeten Fertigarzneimittel mehreren intensiven Identitäts- und Qualitätsprüfungen hätten unterzogen werden müssen, um den Pflichten eines herstellenden Apothekers zu genügen. Denn nach § 12 Abs. 1 ApBetrO müssen Fertigarzneimittel, die nicht in der Apotheke hergestellt worden sind, nur stichprobenweise geprüft werden. Dabei darf von einer über die Sinnesprüfung hinausgehenden Prüfung abgesehen werden, wenn sich keine Anhaltspunkte ergeben haben, die Zweifel an der ordnungsgemäßen Qualität des Arzneimittels begründen. Diese Voraussetzung einer vereinfachten Qualitätsprüfung soll gewährleisten, dass die Regelung des § 12 ApBetrO, die nach ihrem Wortlaut nicht auf in Deutschland zugelassene Fertigarzneimittel beschränkt ist (vgl. auch Blume in Pfeil/Pieck/Blume, ApBetrO, 10. Ergänzungslieferung 2013, § 12 Rn. 2; Cyran/Rotta, ApBetrO, 5. Aufl., § 12 Rn. 5), zu keiner Schutzlücke bei der Arzneimittelsicherheit führt, die der Gesetzgeber zur Gewährleistung der Verbrauchergesundheit bei der Arzneimittelherstellung einerseits durch die Zulassungspflicht bei industrieller Herstellung und andererseits durch diverse Prüfungs- und Dokumentationspflichten bei Apothekenherstellung sicherstellt (vgl. BGH, Urteil vom 4. September 2012 – 1 StR 534/11, BGHSt 57, 312, 318 f. Rn. 31). Dass hier Anhaltspunkte für Qualitätsmängel vorgelegen hätten, die zu einer über die vom Landgericht festgestellte visuelle Prüfung der verwendeten Fertigprodukte (UA S. 43, 45) hinausgehenden Analyse hätte führen müssen, ist nicht ersichtlich. Bei den Zytostatika handelte es sich durchweg um Originalpräparate der Herstellerunternehmen , deren inhaltliche Zusammensetzung identisch mit den hier zugelassenen für Deutschland bestimmten Medikamenten war. Allein die fremdsprachige Kennzeichnung der Verpackung der Ausgangsstoffe, die bei Abgabe der Infusionslösungen nicht an deren Empfänger gelangte, vermag einen Qualitätsmangel des Arzneimittels nicht zu begründen.
24
dd) Der Generalbundesanwalt hat mit seiner Beanstandung einer mangelhaften Darstellung der Verfahrensweise bei der Abrechnung der ZytostatikaLösungen einen Rechtsfehler auch nicht insoweit aufgezeigt, als er hierzu ausgeführt hat, für die von den Angeklagten bezogenen für das Ausland bestimmten Medikamente habe in der Lauer-Taxe kein Eintrag zur Verfügung gestanden , so dass auch keine Abrechnungsmöglichkeit bestanden habe. Diese Ansicht wird dem Charakter der Lauer-Taxe nicht gerecht: Bei ihr handelt es sich um eine privatunternehmerisch unterhaltene Datenbank, die lediglich deklaratorisch unter anderem Anhaltspunkte für die Abrechnung von auf dem deutschen Markt erhältlichen in Deutschland zugelassenen Arzneimitteln gibt, aber keine normative Bestimmung der überhaupt nur abrechnungsfähigen Arzneimittel enthält. Sie ist ein technisches Hilfsmittel, um unter anderem das für öffentliche Apotheken geltende gesetzgeberische Gebot einheitlicher Apothekenabgabepreise für verschreibungspflichtige Medikamente (§ 78 Abs. 2 Satz 2 AMG) umzusetzen , ohne etwas über die ohnehin nur durch Rechtsnormen zu regelnde Verkehrsfähigkeit bestimmter Rezepturen zu besagen (vgl. zur Bedeutung der Lauer-Taxe näher BSGE 114, 36, 43 Rn. 21 f.; Senat, Urteil vom 10. Dezember 2014 – 5 StR 405/13). Auch die Arzneimittellieferverträge zwischen dem Kreiskrankenhaus bzw. dessen Träger und den Gesetzlichen Krankenkassen legten nach ihrem vom Landgericht festgestellten Inhalt mit der Bezugnahme auf die Lauer-Taxe nicht die Art der abrechnungsfähigen Medikamente, sondern nur den rechnerisch maßgeblichen Anknüpfungspunkt für die Preisbildung fest. Die Angeklagten erklärten daher mit ihrem Rückgriff auf Preise aus der Lauer-Taxe auch nicht konkludent, die dort gelisteten Fertigarzneimittel nur aus für den deutschen Markt bestimmten Chargen derselben vom Originalhersteller erzeugten Ausgangsmenge verwendet zu haben (vgl. zur gesetzlichen Definition der Charge § 4 Abs. 16 AMG).
25
c) Der Senat kann auch in dieser Sache offen lassen (vgl. schon Urteil vom 10. Dezember 2014 – 5 StR 405/13), ob er sich der vom 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs im Urteil vom 4. September 2012 (1 StR 534/11, BGHSt 57, 312, mit insoweit jeweils abl. Anmerkungen von Kölbel, JZ 2013, 849, 850 f.; Wesser, A&R 2012, 243 ff.; Brand/Unseld, ZWH 2012, 482, 484 ff.; zust. Rehmann, AMG, 4. Aufl., § 4 Rn. 1, vgl. auch Blume in Pfeil/Pieck/Blume, ApBetrO, 10. Ergänzungslief. 2013, § 7 Rn. 5 f., 9) vertretenen Ansicht anschließt , wonach es sich bei den in Apotheken hergestellten ZytostatikaLösungen (weiterhin) um Fertigarzneimittel handelt, oder ob es vorzugswürdig erscheint, derartige Zubereitungen als Rezepturarzneimittel einzustufen. Denn hierauf kommt es – ungeachtet der Frage, ob den Rezeptabrechnungen nach dem durch die Verkehrsanschauung objektivierten Empfängerhorizont überhaupt ein täuschungsrelevanter konkludenter Erklärungsinhalt beizumessen ist (dazu eingehend Senat, Urteil vom 10. Dezember 2014 – 5 StR 405/13) – auch hier nicht entscheidend an. Jedenfalls hat das Landgericht jeweils den subjektiven Tatbestand hinsichtlich der hier noch in Rede stehenden Tatvorwürfe des Abrechnungsbetruges und des arzneimittelrechtlichen Vergehens nach § 95 Abs. 1 Nr. 3a AMG aF bei beiden Angeklagten rechtsfehlerfrei verneint, weil es aufgrund des festgestellten Vorstellungsbildes der Angeklagten – bei der (auch vom Senat als Prämisse seiner sachlich-rechtlichen Überprüfung zugrunde zu legenden) Wertung, es habe sich bei den Infusionslösungen tatsächlich um nicht verkehrsfähige Fertigarzneimittel gehandelt – zutreffend jeweils von einem Tatbestandsirrtum nach § 16 StGB ausgegangen ist. Die hiergegen gerichteten, allerdings nicht substantiiert begründeten Angriffe der Revisionen können nicht durchdringen.
26
aa) Ist in objektiver Hinsicht für eine Tatbestandsverwirklichung die arzneimittelrechtliche Einordnung der zubereiteten Zytostatika-Lösungen ausschlaggebend , so lässt sich der diesbezügliche Irrtum der Angeklagten jedenfalls im Rahmen des Betrugsvorwurfs nicht als ein für den Vorsatz unbeachtlicher Subsumtionsirrtum einstufen, da der Irrtum nicht den Begriffsinhalt eines Tatbestandsmerkmals des § 263 StGB betrifft (vgl. zur Umschreibung des Subsumtionsirrtums NK-Puppe, StGB, 4. Aufl., § 16 Rn. 42 f.; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 16 Rn. 13 mwN); eine Kenntnis der Angeklagten von Tatsachen, die anknüpfend an die arzneimittelrechtliche Abgrenzung der Begriffe von Fertigund Rezepturarzneimittel das (Fort-)Bestehen einer Zulassungspflicht für den Ausgangsstoff der erworbenen Zytostatika und damit eine fehlende Verkehrsfähigkeit des Endprodukts der Zubereitungen begründen könnten, reicht hier für den Vorsatz nicht aus. Vielmehr handelt es sich bei einer aus der fehlenden Zulassung der verarbeiteten Zytostatika resultierenden Nichtabrechenbarkeit um eine rechtliche Tatsache, die unmittelbares Bezugsobjekt der Tatbestandsmerkmale Täuschung und Irrtum und zugleich Bedingung für die Rechtswidrigkeit der mit der Abrechnung erstrebten Bereicherung ist. Sie stellt somit einen den gesetzlichen Tatbestand des § 263 StGB in mehrfacher Hinsicht ausfüllenden Umstand dar. Da die Angeklagten die abgegebenen Arzneimittel für Rezepturarzneimittel hielten, fehlte es ihnen schon an dem Vorsatz, eine tatsächlich nicht bestehende Verkehrsfähigkeit vorzutäuschen, wie das Landgericht zutreffend unter vergleichender Bezugnahme auf die Senatsentscheidung zum fehlenden Täuschungsvorsatz bei einem Irrtum über die rechtliche Zulässigkeit einer Arzneimittelversorgung erkannt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juni 2013 – 5 StR 581/12, NStZ-RR 2013, 313). Zugleich bestand kein Vorsatz hinsichtlich eines Vermögensschadens und einer Rechtswidrigkeit der erstrebten Bereicherung im gesamten Abrechnungsumfang (vgl. insoweit zu einem von st. Rspr. angenommenen Tatbestandsirrtum über die Rechtswidrigkeit erstrebter Vermögensvorteile bzw. Bereicherung bei irriger Annahme eines tatsächlich nicht bestehenden Anspruchs BGH, Urteile vom 20. März 1953 – 2 StR60/53, BGHSt 4, 105, 106 f.; vom 17. Oktober 1996 – 4 StR 389/96, BGHSt 42, 268, 272; vom 7. August 2003 – 3 StR 137/03, BGHSt 48, 322, 328 f., und vom 28. Oktober 2010 – 4 StR 402/10, NStZ 2011, 519; Beschlüsse vom 9. Juli 2003 – 5 StR 65/02, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vorsatz 4, und vom 16. Juli 2013 – 2 StR 163/13, StV 2014, 283; zusammenfassend zur Irrtumsproblematik bzgl. dieses Tatbestandsmerkmals beim Betrug LK-Tiedemann, StGB, 12. Aufl., § 263 Rn. 268 f.; NK-Kindhäuser, 4. Aufl., § 263 Rn. 370; Hefendehl in MüKoStGB, 2. Aufl., § 263 Rn. 812).
27
bb) Eine Verwirklichung des Betrugstatbestands durch die Angeklagten ist entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft schließlich auch nicht darin zu sehen, dass die Angeklagten bei den in den Anklagefällen abgerechneten Rezepten die für die Zubereitung der Zytostatika-Lösungen verwendeten Fertigarzneimittel nicht mit den hierfür tatsächlich gezahlten niedrigeren Einkaufspreisen angesetzt, sondern wie auch bei allen übrigen ZytostatikaAbrechnungen Preise zugrunde gelegt haben, die sich für entsprechende Ausgangsstoffe aus der Lauer-Taxe ergaben.
28
Zwar liegt hier in der Rezeptabrechnung neben der Behauptung eines sozialrechtlichen Erstattungsanspruchs auch die konkludent miterklärte Aussage der Angeklagten, die Berechnung unter Einhaltung der abrechnungsrechtlichen Maßgaben vorgenommen zu haben (vgl. schon RGSt 42, 147, 150 zur Abrechnung nach einer Arzneimittel-Taxe; siehe auch BGH, Urteile vom 2. November 1951 – 4 StR 27/51, LM Nr. 5 zu § 263 StGB, und vom 10. März 1993 – 3 StR 461/92, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Täuschung 12; eingehend Senat, Urteil vom 10. Dezember 2014 – 5 StR 405/13 mwN). Auch in- soweit setzt jedoch schon eine (konkludente) Täuschung durch die Angeklagten voraus, dass der nicht mitgeteilte tatsächliche Einkaufspreis für die Höhe des jeweils geltend gemachten Erstattungsanspruchs nach der Verkehrsanschauung objektiv insoweit von Belang war, als der von ihm erzielte Einkaufsvorteil an die Gesetzlichen Krankenkassen weiterzugeben gewesen wäre. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Den Gesetzlichen Krankenkassen hätten selbst im Falle einer Offenlegung der Einkaufsvorteile durch die Angeklagten keine Abschläge auf ihre geltend gemachten Erstattungsansprüche zugestanden.
29
Grundlage der Berechnung des Apothekenabgabepreises der von den Angeklagten zubereiteten Zytostatika-Lösungen waren die auf § 129a, § 300 Abs. 3 SGB V (jeweils idF vom 1. Januar 2004) basierenden Normenverträge, die den gegen die Gesetzlichen Krankenkassen bestehenden Vergütungsanspruch der Krankenhausapotheke ausgestalteten; diese ist gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) von der sonst über die AMPreisV sichergestellten Arzneimittelpreisbindung (§ 78 Abs. 2 Satz 2 AMG) befreit (vgl. zum hierdurch bewirkten Krankenhausprivileg, nach dem die krankenhausversorgenden Apotheken seit jeher deutlich unter den für öffentliche Apotheken geltenden Bezugspreisen beliefert werden, BGH, Beschluss vom 5. Juli 2012 – 5 StR 1/12, NStZ 2012, 628 mwN). Nach diesen Arzneimittellieferverträgen zwischen dem Kreiskrankenhaus bzw. der Krankenhausträger und den Gesetzlichen Krankenkassen durften für die zur Herstellung der Zytostatika -Lösungen als Ausgangsstoffe verwendeten Fertigarzneimittel die Preise zugrunde gelegt werden, die in der Lauer-Taxe für ein entsprechendes Präparat genannt waren. Denn nach den Feststellungen des Landgerichts verwiesen die Arzneimittellieferverträge ohne Einschränkung auf die Referenzpreise der Lauer -Taxe. Die Vereinbarungen über abrechnungsfähige Einkaufspreise für Fertigarzneimittel in parenteralen Zubereitungen haben weder eine abweichende Bestimmung zur Abrechnung von zytostatikahaltigen Lösungen in Fällen wie dem vorliegenden getroffen, in denen die zur Herstellung der Zubereitung verwendeten Originalpräparate nur in Form der für den deutschen Markt bestimmten und hier zugelassenen Chargen in der Lauer-Taxe aufgeführt sind, noch sonst Kostenvorteile aufgrund günstiger Einkaufsbedingungen der Krankenhausapotheke geregelt. Dementsprechend sind – unbeanstandet – bei den ganz überwiegend unmittelbar beim Hersteller erfolgten Einkäufen der für den deutschen Markt bestimmten Zytostatika auch nicht die niedrigeren Preise zur Grundlage der Preisbildung gemacht worden, die über die besonderen Konditionen des Einkaufsverbundes erreicht wurden (UA S. 10), sondern die nach der Lauer-Taxe ermittelbaren.
30
Eine mögliche Regelung solcher individueller Fallgestaltungen bei der Abrechnung von Zytostatika-Zubereitungen durch Krankenhausapotheken – etwa durch ein allerdings zu erheblichem Verwaltungsaufwand führendes Ab- stellen auf tatsächliche Einkaufspreise – hat der Gesetzgeber erst mit der AMGNovelle vom 17. Juli 2009 in den Blick genommen und erleichtert. Er hielt „die Regelungen zur Abrechnung von onkologischen Rezepten“ für änderungsbedürftig , „weil erhebliche Rabatte und Einkaufsvorteile nicht an die Krankenkassen fließen“ (BT-Drucks. 16/12256, S. 2) und hat für den Bereich der Arzneimit- telversorgung durch Krankenhausapotheken mit der in § 129a Satz 4 SGB V neu eingefügten Verweisungsnorm nunmehr ein Auskunftsrecht der Gesetzlichen Krankenkassen geschaffen. Diese können gemäß § 129 Abs. 5 Satz 4 SGB V von der Apotheke Nachweise über Bezugsquellen und verarbeitete Mengen sowie die tatsächlich vereinbarten Einkaufspreise und vom pharmazeutischen Unternehmer über die vereinbarten Preise für Fertigarzneimittel in parenteralen Zubereitungen verlangen.
31
cc) Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht schließlich auch eine Strafbarkeit der Angeklagten wegen Inverkehrbringens von gefälschten Arzneimitteln gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 3a, § 8 Abs. 1 Nr. 1a AMG (idF vom 12. Dezember 2005, nunmehr § 8 Abs. 2 AMG) verneint. Es bedarf letztlich keiner Entscheidung, ob das den Angeklagten zur Last gelegte Verhalten, die in der Krankenhausapotheke zubereiteten Zytostatika-Lösungen nach der Bestimmung für Rezepturen (§ 14 ApBetrO) kennzeichnen zu lassen, überhaupt in objektiver Hinsicht den Verbotstatbestand des § 8 Abs. 1 Nr. 1a AMG aF erfüllt, wie das Landgericht angenommen hat. Zweifel bestehen insofern, als die Bestimmung des § 8 Abs. 1 Nr. 1a AMG aF wie die übrigen Verbote des § 8 AMG „zum Schutz vor Täuschung“ der Verbraucher dienen soll.Nach diesem schon in der amtlichen Gesetzesüberschrift zum Ausdruck gekommenen Schutzzweck der Norm wird eine falsche Bezeichnung der Herkunft (§ 8 Abs. 1 Nr. 1a AMG aF) bzw. eine falsche Angabe über die Herkunft von Arzneimitteln (§ 8 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 40 Ziff. 2 AMG) vom Verbot nur erfasst, wenn der Herkunftsangabe eine Täuschungseignung zukommt (siehe auch Heßhaus in Spickhoff, Medizinrecht, 2. Aufl., § 8 AMG Rn. 6; Freund in MüKoStGB, 2. Aufl., § 8 AMG Rn. 4; Volkmer in Körner, BtmG, 7. Aufl., § 95 AMG Rn. 175). Eine derartige Täuschungseignung der von den Angeklagten auch sonst geübten Praxis, Zytostatika -Lösungen als Rezepturen zu kennzeichnen und als ihren Hersteller die Krankenhausapotheke anzugeben, liegt eher fern. Denn auch ungeachtet der zur Tatzeit herrschenden Ansicht über eine arzneimittelrechtliche Einstufung solcher Zubereitungen als Rezepturen (vgl. Senat, Urteil vom 10. Dezember 2014 – 5 StR 405/13 mwN) muss jedenfalls den behandelnden Onkologen als Empfängern der Infusionsbeutel klar gewesen sein, dass mit der Herstellerbezeichnung auf dem erst nach ihrer Verschreibung zubereiteten Arzneimittel nicht die Herkunft des verarbeiteten Fertigarzneimittels gemeint gewesen sein kann.
32
Jedenfalls hat das Landgericht im Hinblick auf die Vorstellung der Angeklagten , dass es sich bei den Zytostatika-Zubereitungen um Rezepturarzneimittel handele, als deren Hersteller die Krankenhausapotheke anzusehen sei, einen Vorsatz zu Recht verneint. Indem die Strafvorschrift des § 95 Abs. 1 Nr. 3a AMG auf die Verbotsnorm des § 8 Abs. 1 Nr. 1a AMG aF verweist, ist das in dem Verbot enthaltene Merkmal falscher Herkunftskennzeichnung selbst Merkmal des Straftatbestands, das vom Vorsatz des Täters erfasst sein muss. Danach lag hier – weiterhin unter der Prämisse, dass die ZytostatikaZubereitungen die arzneimittelrechtliche Zuordnung der verarbeiteten Fertigarzneimittel behielten – ein Tatbestandsirrtum nach § 16 StGB vor, so dass das Landgericht zumindest in subjektiver Hinsicht auch eine Verurteilung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3a AMG ohne Rechtsfehler abgelehnt hat.
Sander Schneider Dölp
Berger Bellay

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 371/13
vom
5. Dezember 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Verdachts des versuchten Mordes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 5. Dezember
2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als Vorsitzende,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Richterin am Landgericht
als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Halle vom 24. April 2013 wird verworfen.
2. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten durch dieses entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Die unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklageschrift legt dem Angeklagten fünf tateinheitlich zusammentreffende Fälle des versuchten Mordes, jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, zur Last, wobei es in einem Fall der gefährlichen Körperverletzung beim Versuch geblieben sei. Von diesem Vorwurf hat das Landgericht den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen richtet sich die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft mit der Sachrüge, die sich ausschließlich gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts wendet und insbesondere deren Lückenhaftigkeit und Widersprüchlichkeit geltend macht. Das Rechtsmittel hat jedoch keinen Erfolg.

I.


2
Der nicht vorbestrafte Angeklagte war als ausgebildeter Chemiker bei der Fa. F. GmbH in L. in der Qualitätssicherung angestellt. Am Morgen des 29. März 2010, einem Montag, tranken vier Mitarbeiter des Un- ternehmens Kaffee, den einer von ihnen nach 6.40 Uhr in einem Büro in einer von mehreren Angestellten genutzten Kaffeemaschine zubereitet hatte. Eine fünfte Mitarbeiterin hatte sich zwar von dem Kaffee eine Tasse eingeschenkt, kam aber nicht mehr dazu, davon zu trinken. Kurze Zeit nach dem Konsum des Kaffees litten die vier Mitarbeiter, die von dem Kaffee getrunken hatten, unter anderem an Schwindelanfällen, wurden bewusstlos und mussten notärztlich und anschließend in einem Krankenhaus versorgt werden.
3
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen wurde in dem in den Tassen der fünf Mitarbeiter verbliebenen Kaffee sowie im Filterrückstand der Giftstoff Scopolamin festgestellt; auch im Blut und Urin der vier Geschädigten wurde Scopolamin gefunden.
4
Die zur Hauptverhandlung zugelassene Anklage legt dem Angeklagten zur Last, am Morgen des 29. März 2010 in den Wasserbehälter der Kaffeemaschine mindestens 193 mg Scopolamin geschüttet zu haben.
5
Zur Täterschaft hat das Schwurgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen: - es ist "sehr wahrscheinlich", dass sich der Täter mit den Gegebenheiten in dem Unternehmen gut auskannte und deshalb aus dem Kreis dessen Mitarbeiter oder der dem Unternehmen nahe stehenden Personen kam; - der seit dem Jahr 2005 bei dem Unternehmen beschäftigte Angeklagte hatte ein Motiv dafür, den Mitarbeitern Schaden zuzufügen, denn er wurde unter anderem mit zwei Abmahnungen im Jahr 2009 massiv kritisiert und hegte einen "tiefen Groll" gegen den 2006 eingesetzten Geschäftsführer des Unternehmens; - der die Tatbegehung bestreitende Angeklagte hielt sich - was nicht ungewöhnlich war - am Tattag ab etwa 4.00 Uhr vorübergehend auf dem Betriebsgelände auf; zwei auf 5.50 und 5.53 Uhr dieses Tages datierte Messprotokolle aus dem Bereich der Qualitätssicherung, für die der Angeklagte zuständig ist, sind von ihm unterzeichnet; etwa ab 6.00 Uhr war er - anders als sonst - über mehrere Stunden hin telefonisch nicht mehr erreichbar; als sich eine Mitarbeiterin am späten Vormittag nach seinem Befinden erkundigte, benahm sich der Angeklagte aus deren Sicht ungewöhnlich (er habe "ironisch gelacht"); - in dem Büro, in dem die Kaffeemaschine stand, brannte etwa um 5.45 bzw. 5.50 Uhr Licht; kurze Zeit später war die Hoftür zu dem Büro abgeschlossen und es brannte in dem Büro kein Licht mehr; - der Angeklagte hatte Zugang zu dem Büro, in dem die Kaffeemaschine stand; - auf dem Wassertank an der Rückseite der Kaffeemaschine wurde ein Fingerabdruck des Angeklagten sichergestellt; - die Kaffeemaschine war von einer Reinigungskraft am Samstag, dem 27. März 2010, gereinigt worden, unter anderem hatte sie den Was- sertank feucht abgewischt; anschließend bereitete sich die Zeugin selbst Kaffee zu, ohne nach dessen Konsum zu erkranken; - auf der Festplatte des Computers eines in dem Unternehmen beschäftigten Praktikanten, den auch der Angeklagte benutzte, wurde ein am 18. September 2007 erstelltes "Browsercookie" aufgefunden, nach dem im Jahr 2007 unter dem Namen "k. " das Forum der Internetseite "www. .de" besucht wurde; in diesem Forum hatte ein (nicht ermittelter) Nutzer am 9. März 2007 nach der "Totalsynthese" , also der chemischen Zusammensetzung von Scopolamin gefragt; - an der Kaffeemaschine und der Kaffeekanne wurde DNA gesichert, die allerdings nicht für eine Typisierung ausreichte bzw. für die lediglich festgestellt werden konnte, dass sie von drei bzw. zwei Personen herrührt; - ein an einer anderen Stelle des Gehäuses der Kaffeemaschine gesicherter weiterer Fingerabdruck konnte keinem konkreten Verursacher zugeordnet werden; - in dem vom Angeklagten und seiner Ehefrau bewohnten Haus wurde eine Vielzahl chemischer Substanzen - aber kein Scopolamin - aufgefunden.
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Aufgrund dieser Feststellungen vermochte sich das Landgericht nicht von der Täterschaft des Angeklagten zu überzeugen.

II.


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Dies begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
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1. Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies vom Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Denn die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Zudem muss das Urteil erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Dabei dürfen die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet werden, sondern müssen in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt worden sein (st. Rspr.; vgl. die Nachweise bei Brause, NStZ-RR 2010, 329, 330 f.; MeyerGoßner , StPO, 56. Aufl., § 337 Rn. 26 ff.).
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Schließlich unterliegt der revisionsgerichtlichen Überprüfung auch, ob der Tatrichter überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2012 - 4 StR 360/12, NStZ 2013, 180 mwN). Jedoch ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Bundesgerichtshof als Maßstab seiner revisionsrechtlichen Kontrolle darauf abstellt, ob die vom Tatgericht gezogenen Schlussfolgerungen möglich sind (BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2008 - 2 BvR 2067/07, Rn. 43). Das Revisionsgericht hat die tatrichterliche Überzeugungsbildung sogar dann hinzunehmen, wenn eine abweichende Würdigung der Beweise näher liegend gewesen wäre (BGH, Urteil vom 20. September 2012 - 3 StR 158/12, NStZ-RR 2013, 89). Dies gilt unabhängig von der Bedeutung und dem Gewicht des strafrechtlichen Vorwurfs des jeweiligen Verfahrens; denn diese vermögen eine unterschiedliche Handhabung der Grundsätze revisionsgerichtlicher Rechtsprüfung nicht zu rechtfertigen (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2007 - 3 StR 342/07, NStZ-RR 2008, 146).
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2. Daran gemessen ist die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht zu beanstanden. Sie beruht auf einer ausreichenden Gesamtschau der maßgeblichen objektiven und subjektiven Tatumstände.
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a) Die Beweiswürdigung ist insbesondere nicht lückenhaft.
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aa) Auch im Fall eines Freispruchs muss der Tatrichter die wesentlichen Gründe seiner Entscheidung in den schriftlichen Urteilsgründen darlegen (BGH, Urteile vom 2. April 2008 - 2 StR 19/08; vom 24. Januar 2006 - 5 StR 410/05). Indes kann eine Beweiswürdigung ihrer Natur nach nicht erschöpfend in dem Sinne sein, dass alle irgendwie denkbaren Gesichtspunkte und Würdigungsvarianten in den Urteilsgründen ausdrücklich abgehandelt werden. Dies ist von Rechts wegen auch nicht zu verlangen. Aus einzelnen Lücken kann daher nicht ohne Weiteres abgeleitet werden, der Tatrichter habe nach den sonstigen Urteilsfeststellungen auf der Hand liegende Wertungsgesichtspunkte nicht bedacht (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 4 StR 285/10, NStZ-RR 2011, 50; ähnlich Urteil vom 14. Dezember 2005 - 2 StR 375/05, NStZ-RR 2006, 82, 83).
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Lückenhaft ist eine Beweiswürdigung vielmehr namentlich dann, wenn sie wesentliche Feststellungen nicht erörtert (BGH, Urteil vom 22. Mai 2007 - 1 StR 582/06). Bei der Prüfung, ob dies der Fall ist, ist es jedoch nicht Sache des Revisionsgerichts, Mutmaßungen darüber anzustellen, ob nicht naheliegend weitere Beweismittel zur Aufklärung der Tatvorwürfe zur Verfügung gestanden hätten oder weitere Beweise erhoben und im Urteil lediglich nicht gewürdigt worden sind. Schon gar nicht kann das Revisionsgericht aufgrund derartiger Mutmaßungen das Urteil auf die Sachrüge hin aufheben. Vielmehr ist es in solchen Fällen Sache der Staatsanwaltschaft, entweder durch Erhebung einer Aufklärungsrüge geltend zu machen, dass das Landgericht weitere mögliche Beweise zur Erforschung des Sachverhalts unter Verstoß gegen § 244 Abs. 2 StPO nicht erhoben hat, oder zu beanstanden, dass es hierzu erhobene Beweise nicht in seine Würdigung einbezogen und daher zu seiner Überzeugungsbildung den Inbegriff der Hauptverhandlung nicht ausgeschöpft hat (§ 261 StPO; vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 3 StR 317/10, NStZ-RR 2011, 88 f.).
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bb) Auf dieser Grundlage haben die Beanstandungen der Revisionsführerin und des Generalbundesanwalts zur Lückenhaftigkeit der tatrichterlichen Beweiswürdigung keinen Erfolg.
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Sie erschöpfen sich zum einen in einer anderen Bewertung von Tatsachen , die das Landgericht in seine Würdigung einbezogen und ersichtlich bedacht hat, etwa dass der Angeklagte - insbesondere zeitlich und räumlich - Gelegenheit zur Tatbegehung hatte, er sich nach der Tat auffällig verhielt und keine konkreten Hinweise dafür vorliegen, welche andere Person Täter sein könnte. Es ist jedoch allein Sache des Tatrichters, die Bedeutung und das Gewicht der einzelnen Indizien zu bewerten; das Revisionsgericht kann nicht auf der Grundlage einer abweichenden Beurteilung der Bedeutung einer Indiztatsache in die Überzeugungsbildung des Tatrichters eingreifen (BGH, Urteile vom 20. September 2012 - 3 StR 158/12, NStZ-RR 2013, 89; vom 4. April 2013 - 3 StR 37/13; vom 16. Mai 2013 - 3 StR 45/13, StraFo 2013, 339).
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Zum anderen sehen Revisionsführerin und Generalbundesanwalt Lücken in einer nicht hinreichenden Aufklärung etwa zu den finanziellen Verhältnissen des Angeklagten oder zu der Frage, ob andere Firmenangehörige mit chemischen Kenntnissen Zugang zu dem Büro und ein ebenso starkes Motiv für die Vergiftung hatten. Da Grundlage der materiell-rechtlichen Überprüfung durch das Revisionsgericht allein das tatrichterliche Urteil ist, liegt hierin angesichts der im Übrigen getroffenen Feststellungen kein auf die Sachrüge hin zu beachtender Rechtsfehler, sondern ein Mangel, der mit einer Aufklärungsrüge gerügt werden musste (vgl. BGH, Urteile vom 18. September 2008 - 5 StR 224/08, NStZ 2009, 401, 403; vom 8. August 2001 - 5 StR 252/01; zur Erforderlichkeit von Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen in einer anders gearteten Konstellation auch BGH, Urteil vom 21. November 2013 - 4 StR 242/13).
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b) Die Beweiswürdigung in dem landgerichtlichen Urteil enthält auch keine einen Rechtsfehler darstellende Widersprüche.
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Ein solcher die Sachrüge begründender Widerspruch kann nicht allein darin liegen, dass einzelne Beweismittel miteinander Unvereinbares ergeben haben. Ebenso wenig kann ein Widerspruch darin gesehen werden, dass das Gericht einer Zeugenaussage folgt (hier z.B. zur - gründlichen - Reinigung der Kaffeemaschine am 27. März), aber hieraus nicht die von der Staatsanwaltschaft gezogene Schlussfolgerung ziehen will (dass dann der Fingerabdruck des Angeklagten nicht am Tag zuvor an die Kaffeemaschine gelangt sein kann).
Vielmehr ist bei ambivalenten Beweisanzeichen, die dem Tatrichter im Einzelfall rechtlich zulässige Schlüsse sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten des Angeklagten ermöglichen, eine rechtlich vertretbare tatrichterliche Entscheidung darüber , welche indizielle Bedeutung ein solcher Umstand im konkreten Fall entfaltet , vom Revisionsgericht hinzunehmen (vgl. BGH, Urteile vom 16. Mai 2013 - 3 StR 45/13, StraFo 2013, 339; vom 4. April 2013 - 3 StR 37/13; vom 20. September 2012 - 3 StR 158/12, NStZ-RR 2013, 89).
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c) Auch die Würdigung der Einlassung des Angeklagten lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen.
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Zwar ist der Tatrichter nicht verpflichtet, einer Einlassung zu folgen, nur weil es für das Gegenteil keine unmittelbaren Beweise gibt, mittels derer die Behauptung sicher widerlegt werden kann. Denn es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zugunsten eines Angeklagten Sachverhalte zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte vorhanden sind (vgl. BGH, Urteile vom 2. September 2009 - 2 StR 229/09, NStZ 2010, 102; vom 18. September 2008 - 5 StR 224/08, NStZ 2009, 401, 402; ferner BVerfG, NStZ-RR 2007, 381, 382).
21
Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Dass - wie der Generalbundesanwalt anführt - das Schwurgericht nach der im letzten Wort erfolgten Einlassung des bis dahin schweigenden Angeklagten weder Vorhalte gemacht noch Nachfragen gestellt oder erneut in die Beweisaufnahme eingetreten ist, ist auf die allein erhobene Sachrüge hin unbeachtlich.
22
d) Schließlich hat das Landgericht weder die gebotene Gesamtwürdigung der für und gegen die Täterschaft des Angeklagten sprechenden Umstän- de unterlassen oder rechtsfehlerhaft vorgenommen, noch hat es überspannte Anforderungen an die entsprechende Überzeugungsbildung gestellt.
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Eine Gesamtwürdigung hat das Schwurgericht vielmehr ausdrücklich vorgenommen. Der Beschwerdeführerin ist zwar zuzugeben, dass die Strafkammer dabei die für ihre Überzeugungsbildung maßgeblichen Beweisanzeichen weiter gehend oder noch detaillierter hätte erörtern können. Sie hat aber auch angesichts der von ihr nicht verkannten, den Angeklagten belastenden Umstände weder nahe liegende andere Deutungsmöglichkeiten außer Acht gelassen , noch bloße Schlussfolgerungen zur Begründung von Zweifeln an der Täterschaft des Angeklagten angeführt, für die es nach der Beweisaufnahme entweder keine tatsächlichen Anhaltspunkte gibt oder die als eher fernliegend zu betrachten sind. Auch die Gesamtwürdigung weist daher keinen Rechtsfehler auf.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin