Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Jan. 2017 - 1 StR 588/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:250117B1STR588.16.0
bei uns veröffentlicht am25.01.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 588/16
vom
25. Januar 2017
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
ECLI:DE:BGH:2017:250117B1STR588.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 25. Januar 2017 beschlossen :
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 2. August 2016 wird als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
Das Landgericht hat auf der Grundlage einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung das Vorliegen einer Notwehrlage (§ 32 Abs. 2 StGB) für den Angeklagten verneint, als dieser dem geschädigten Nebenkläger zwei Messerstiche in den Oberkörper versetzte.
Hat ein Angreifer bereits eine Verletzungshandlung begangen, so ist der Angriff so lange gegenwärtig i.S.v. § 32 Abs. 2 StGB, wie eine Wiederholung und damit ein erneutes Umschlagen in eine Verletzung unmittelbar zu befürchten ist (BGH, Urteile vom 24. November 2016 – 4 StR 235/16 Rn. 12, NStZ-RR 2017, 38, 39 mwN und vom 9. August 2005 – 1 StR 99/05, NStZ 2006, 152, 153). Dabei kommt es auf die objektive Sachlage an. Entscheidend sind daher nicht die Befürchtungen des Angegriffenen, sondern die Absichten des Angreifers und die von ihm ausgehende Gefahr einer (neuerlichen oder unverändert fortdauernden) Rechtsgutverletzung (BGH aaO jeweils mwN; siehe auch Urteil
vom 18. April 2002 – 3 StR 503/01, NStZ-RR 2002, 203). Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatte der Geschädigte dem Angeklagten den Faustschlag in das Gesicht versetzt, bevor dieser mehrfach zustach. Von einem erneuten, unmittelbar bevorstehenden Angriff seitens des geschädigten Nebenklägers auf den Angeklagten hat sich das Landgericht rechtsfehlerfrei gerade nicht überzeugen können (vgl. UA S. 18 und 25).
Fehlte es aber an einer Notwehrlage bei Ausführung der Messerstiche, kam es auf die ergänzenden Erwägungen des Landgerichts zum Fehlen der Erforderlichkeit der Messerstiche und des Verteidigungswillens beim Angeklagten nicht mehr an. Schon deshalb bleibt den beiden erhobenen Rügen der Verletzung von § 261 StPO der Erfolg versagt. Beide knüpfen an (mögliche) Geschehensabläufe an, denen rechtliche Bedeutung allenfalls bei Vorliegen eines gegenwärtigen Angriffs im Zeitpunkt der Messerstiche zukäme.
Einen Putativnotwehrexzess (vgl. BGH, Urteil vom 23. Januar 2003 – 4 StR 267/02,NStZ 2003, 599 f.), auf den § 33 StGB ohnehin keine Anwen- dung fände (BGH aaO), hat das Landgericht ebenfalls rechtsfehlerfrei nicht zugrunde gelegt. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten , zugunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2016 – 2 StR 275/16, Rn. 12 mwN).
Raum Graf Jäger Radtke Fischer

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Jan. 2017 - 1 StR 588/16

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Jan. 2017 - 1 StR 588/16

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Jan. 2017 - 1 StR 588/16 zitiert 4 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafgesetzbuch - StGB | § 32 Notwehr


(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig. (2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 33 Überschreitung der Notwehr


Überschreitet der Täter die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken, so wird er nicht bestraft.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Jan. 2017 - 1 StR 588/16 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Jan. 2017 - 1 StR 588/16 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 26. Okt. 2016 - 2 StR 275/16

bei uns veröffentlicht am 26.10.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 275/16 vom 26. Oktober 2016 in der Strafsache gegen wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung ECLI:DE:BGH:2016:261016U2STR275.16.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in d

Bundesgerichtshof Urteil, 09. Aug. 2005 - 1 StR 99/05

bei uns veröffentlicht am 09.08.2005

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 99/05 vom 9. August 2005 in der Strafsache gegen wegen versuchten Totschlags u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. August 2005, an der teilgenommen haben: Vorsi

Bundesgerichtshof Urteil, 24. Nov. 2016 - 4 StR 235/16

bei uns veröffentlicht am 24.11.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 235/16 vom 24. November 2016 in der Strafsache gegen wegen des Verdachts des Totschlags u.a. ECLI:DE:BGH:2016:241116U4STR235.16.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vo
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Jan. 2017 - 1 StR 588/16.

Bundesgerichtshof Urteil, 21. März 2017 - 1 StR 486/16

bei uns veröffentlicht am 21.03.2017

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 486/16 vom 21. März 2017 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung u.a. ECLI:DE:BGH:2017:210317U1STR486.16.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 2

Bundesgerichtshof Urteil, 21. Feb. 2017 - 1 StR 618/16

bei uns veröffentlicht am 21.02.2017

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 618/16 vom 21. Februar 2017 in dem Sicherungsverfahren gegen ECLI:DE:BGH:2017:210217U1STR618.16.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. Februar 2017, an der teilgen

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.

(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.

12
a) Ein gegenwärtiger Angriff im Sinne des § 32 Abs. 2 StGB ist auch ein Verhalten, das zwar noch kein Recht verletzt, aber unmittelbar in eine Verletzung umschlagen kann und deshalb ein Hinausschieben der Abwehrhandlung unter den gegebenen Umständen entweder deren Erfolg gefährden oder den Verteidiger zusätzlicher nicht mehr hinnehmbarer Risiken aussetzen würde (vgl. BGH, Urteil vom 25. April 2013 – 4 StR 551/12, NJW 2013, 2133; Beschluss vom 8. März 2000 – 3 StR 67/00, NStZ 2000, 365; Beschluss vom 11. Dezember 1991 – 2 StR 535/91, BGHR StGB § 32 Abs. 2 Angriff 5; Urteil vom 26. August 1987 – 3 StR 303/87, BGHR StGB § 32 Abs. 2 Angriff 1; Urteil vom 7. November 1972 – 1 StR 489/72, NJW 1973, 255 mwN). Hat der Angreifer bereits eine Verletzungshandlung begangen, dauert der Angriff so lange an, wie eine Wiederholung und damit ein erneuter Umschlag in eine Verletzung unmittelbar zu befürchten ist (vgl. BGH, Urteil vom 9. August 2005 – 1 StR 99/05, NStZ 2006, 152, 153; Beschluss vom 11. Dezember 1991 – 2 StR 535/91, BGHR StGB § 32 Abs. 2 Angriff 5). Dabei kommt es auf die objektive Sachlage an. Entscheidend sind daher nicht die Befürchtungen des Angegriffenen, sondern die Absichten des Angreifers und die von ihm ausgehende Gefahr einer (neuerlichen oder unverändert fortdauernden) Rechtsgutsverletzung (vgl. BGH, Urteil vom 18. April 2002 – 3 StR 503/01, NStZ 2002, 203; Urteil vom 9. August 2005 – 1 StR 99/05, NStZ 2006, 152, 153; Beschluss vom 11. Dezember 1991 – 2 StR 535/91, BGHR StGB § 32 Abs. 2 Angriff 5; siehe auch Beschluss vom 28. Oktober 2015 – 5 StR 397/15, Rn. 5).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 99/05
vom
9. August 2005
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. August
2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers gegen das Urteil des Landgerichts Hechingen vom 13. Dezember 2004 werden verworfen. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last. Der Nebenkläger hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung aus rechtlichen Gründen freigesprochen, weil die Tathandlung durch Notwehr gerechtfertigt sei. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers richten sich mit der Sachbeschwerde gegen den Freispruch und beanstanden die Bewertung der Verteidigungshandlung als erforderlich. Die im Ergebnis auch vom Generalbundesanwalt vertretenen Revisionen haben keinen Erfolg. Die Verfahrensrüge des Nebenklägers hinsichtlich der
fehlenden Aufhebung des Unterbringungsbeschlusses ist unzulässig nach § 400 Abs. 1 StPO (vgl. BGH NStZ-RR 1998, 305). 1. Das Landgericht hat festgestellt:
a) Am 20. Februar 2004 gegen Mitternacht suchten der Angeklagte und sein Freund T. eine Mc Donald's-Filiale in A. auf, um dort etwas zu essen. Aus Furcht vor tätlichen Angriffen bewaffneten sie sich zuvor. Der Angeklagte hatte zwei Bajonette mit einer Klingenlänge von je 24 cm in die Seitentaschen seiner Military-Hose gesteckt, während der Freund vier Wurfmesser am Gürtel an seiner Rückenseite trug. Als beide in dem Lokal ihre Mahlzeiten verzehrten, trafen zwei junge Männer ein, die Zeugen U. und K. . Sie nahmen ihr Essen an einem nicht weit entfernt stehenden Tisch ein. Zwischen den vier Personen, den alleinigen Gästen, gab es immer wieder Blickkontakt. Als der Angeklagte mit der flachen Hand eine Verpackung zusammenschlug, bezogU. dies auf sich, ging zum Tisch der beiden anderen und fragte wutentbrannt , ob sie Stress suchten. Diese antworteten, dass sie in Ruhe essen wollten. U. entgegnete, man werde die Sache nachher draußen klären. U. und K. verließen das Lokal. Die beiden anderen aßen in Ruhe zu Ende und hofften, dass U. und K. sich entfernt hätten. Diese warteten jedoch draußen. Als der Angeklagte und sein Freund sie beim Verlassen des Lokals erblickten, zückten sie ihre Messer und hielten sie in Abwehrhaltung vor sich, um sich einer drohenden Schlägerei zu entziehen. U. , der nach wie vor auf eine gewaltsame Auseinandersetzung aus war, forderte seine Kontrahenten wiederholt auf, die Messer wegzulegen. Diese erwiderten, dass sie sich wohl "die Falschen" ausgesucht hätten, sie sollten ihres Weges gehen, dann sei die Sache vergessen. Erst als aus den Reihen der Bediensteten des Lokals das Wort "Polizei" fiel, zogenU. undK. sich in Richtung Parkplatz zurück.
Der Angeklagte und sein Freund steckten die Messer wieder ein und begaben sich auf den Weg zur Wohnung des Angeklagten. Für sie war der Vorfall erledigt.
b) U. dagegen, der wegen Körperverletzungsdelikten mehrfach verurteilt worden war und der zur Tatzeit wegen eines solchen Deliktes unter Bewährung stand, wollte das Vorgefallene nicht auf sich sitzen lassen, sondern eine tätliche Auseinandersetzung herbeiführen. Er verfolgte mit dem nur widerwillig ihn begleitenden K. die beiden Kontrahenten schnellen Schrittes - teils in leichtem Lauf -, um sie einzuholen. An einer ca. 150 m von Mc Donald's entfernt liegenden Total-Tankstelle erblickte er drei Bekannte, die Zeugen F. , Ko. und R. . Diesen erklärte er, dass eben zwei vorbeigegangen seien, die Messer hätten und mit denen er "Stress habe". Seinen Bekannten war klar, dassU. eine Schlägerei beabsichtigte und sie waren bereit, ohne weitere Nachfrage ihm beizustehen. F. fand die Aussicht auf eine Schlägerei attraktiver als sofort zum Tanz zu gehen. Sie kamen überein, dass Ko. und R. zunächst das Fahrzeug betanken und dann den beiden Personen mit dem Fahrzeug den Weg abschneiden sollten.Ko. und R. waren auch bereit , unterstützend zur Hilfe zu kommen. F. nahm sofort mit U. die Verfolgung auf. K. zog sich zurück, weil seine Hilfe nicht mehr erforderlich war. F. wollte für den bevorstehenden Kampf Waffengleichheit herstellen. Als er im Hofbereich einer Firma Baumaterialien erblickte, ergriff er eine ca. 1,60 m lange Holzlatte und U. eine deutlich kürzere Eisenstange. Mit diesen Schlagwerkzeugen bewaffnet rannten sie ihren Kontrahenten hinterher. U. rief ihnen zu, sie sollten stehen bleiben und ihre Messer wegwerfen. Diese drehten sich um, zogen ihre Messer heraus und hielten sie in Abwehrhal-
tung vor sich, um deren Einsatz anzudrohen. Da U. nun eine weitere Person bei sich hatte und beide mit Schlagwerkzeugen bewaffnet auf sie zueilten, befürchteten sie für den Fall des Weglegens ihrer Waffen Schläge. U. hieb auch sofort mit einer Eisenstange mehrfach auf T. ein, wobei beide sich im Bereich des Gehweges befanden. Der Angeklagte bewegte sich vom Gehweg weg auf die Straße und wurde von F. verfolgt. Zwischen ihnen und den beiden anderen Kämpfern befand sich ein abgestellter Lkw, so dass sie diese nicht mehr sehen konnten. Der Angeklagte stellte sich seinem Verfolger. F. beabsichtigte, mit der Holzlatte dem Angeklagten die Bajonette aus den Händen zu schlagen. Er ging auf ihn los, schlug mit der Latte zu und traf ihn am linken Oberschenkel. Dann glitt F. auf der nassen und rutschigen Fahrbahn aus und fiel zu Boden, wobei ihm auch die Holzlatte entglitt. Als er sich wieder aufrichtete, um sich erneut zu bewaffnen und weiter auf den Angeklagten einzudringen, stieß dieser zur Abwehr mit Wucht das Bajonett in den linken oberen Brustbereich seines Angreifers. Der Angeklagte rechnete damit, dass er ihn tödlich verletzen konnte und nahm dies zur Unterbindung weiterer Angriffe in Kauf. Der mit heftiger Wucht geführte Stoß durchdrang das Revers und den darunter befindlichen Stoff einer dicken Winterjacke aus Lammfellimitat und führte zu einer rund 10 cm tiefen Stichverletzung unterhalb des Schlüsselbeins parallel zur Thoraxwand. Dadurch wurden eine aus der Aorta kommende Arterie und die Lunge verletzt. Nach Beibringung dieser konkret lebensgefährlichen Verletzung ließ der Angeklagte von seinem Angreifer ab. F. bewegte sich rückwärts in Richtung Gehweg. Ko. und R. waren mittlerweile mit dem Fahrzeug eingetroffen , nahmen U. und F. auf und brachten den nun schon deutlich blutenden F. ins Krankenhaus. In einer zweistündigen Notoperation konnte
er außer Lebensgefahr gebracht werden. Als Verletzungsfolgen klagt er lediglich über gelegentliche Schmerzen an der Narbe und geringere Ausdauer bei körperlicher Betätigung. 2. Zu Recht geht der Tatrichter davon aus, dass die vom Angeklagten gewählte Verteidigungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 StGB erforderlich war.
a) Die Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger sind der Auffassung, diese Bewertung des Landgerichts stütze sich auf widersprüchliche und lückenhafte Feststellungen zur Beschaffenheit, insbesondere Gefährlichkeit der vom Angreifer F. verwendeten Holzlatte und zur andauernden Notwehrlage. Die Urteilsgründe ließen nicht erkennen, wie F. sich nach dem Sturz hätte erneut bewaffnen können, wenn nicht festgestellt ist, wo die Latte gelegen habe. Die Urteilsfeststellungen weisen weder Widersprüche noch Lücken auf. Bei der Beurteilung der Gefährlichkeit der gegnerischen Bewaffnung kommt es nicht auf den bisherigen Einsatz der Holzlatte in Richtung Hand des Angegriffenen zur Entwaffnung an - wie die Revisionsführer meinen - sondern auf einen möglichen Einsatz - z.B. nach Entwaffnung -. Die Einstufung der Holzlatte durch den Tatrichter als gefährliches Werkzeug, welches bei einem Schlag auf den ungeschützten Kopf eines Kontrahenten schwere bis hin zu tödliche Verletzungen herbeiführen kann (UA S. 17, 18), erfolgte zu Recht und ohne Widersprüche. Eine sachlich-rechtliche Pflicht, eine zwar theoretisch mögliche, jedoch fern liegende Fallgestaltung zu erörtern, dass der Angreifer F. sich etwa mit einer morschen Latte bewaffnet haben könnte, besteht nicht (BGH, Urteil vom 5. November 2003 - 1 StR 287/03). Es liegt vielmehr
nahe, dass die vom Angreifer verwendete Holzlatte geeignet ist, die dargestellten Verletzungen herbeizuführen. Eine Aufklärungsrüge hinsichtlich der Beschaffenheit der Holzlatte ist nicht erhoben. Das Landgericht geht ohne Rechtsfehler von einer andauernden Notwehrlage aus. Dabei verkennt es nicht, dass F. zum Zeitpunkt der Zufügung des Stiches die Holzlatte verloren hatte (UA S. 17). Einer Erörterung oder Feststellung, wo die Latte konkret gelegen hat, bedurfte es nicht. Der Angriff dauert so lange an, wie eine Wiederholung unmittelbar zu befürchten ist. Entscheidend sind die Absichten des Angreifers (BGHR StGB § 32 Abs. 2 Angriff 5). Das Landgericht hat festgestellt, dass F. nach seinen eigenen Äußerungen den Angriff fortgesetzt hätte und der Angeklagte schon aus dem gesamten Geschehensablauf davon ausgehen musste, dass F. sich sofort wieder mit der Holzlatte bewaffnen und den Angriff fortsetzen werde. Das genügt.
b) Die Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger meinen, der Tatrichter hätte sich bei der Erörterung milderer Verteidigungsmittel damit auseinandersetzen müssen, ob es nicht ausreichend gewesen wäre, wenn der Angeklagte dem Angreifer die Spitze seines Bajonettes auf den Körper aufgesetzt hätte. Der Generalbundesanwalt vermisst Erörterungen zum Einsatz der Stichwaffe als Schlagwerkzeug. Mit dem Griff des Bajonettes hätte der Angeklagte nach Auffassung des Generalbundesanwalts wuchtige Schläge zur Abwehr ausführen können. Auch insoweit weist das Urteil keinen Rechtsfehler auf. Ob die Verteidigungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 StGB erforderlich ist, hängt im Wesentlichen von Art und Maß des Angriffs ab. Dabei darf
sich der Angegriffene grundsätzlich des Abwehrmittels bedienen, das er zur Hand hat und das eine sofortige und endgültige Beseitigung der Gefahr erwarten lässt. Das schließt auch den Einsatz lebensgefährlicher Mittel ein. Zwar kann dieser nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen und darf auch nur das letzte Mittel der Verteidigung sein; doch ist der Angegriffene nicht genötigt, auf die Anwendung weniger gefährlicher Verteidigungsmittel zurückzugreifen, wenn deren Wirkung für die Abwehr zweifelhaft ist. Auf einen Kampf mit ungewissem Ausgang braucht er sich nicht einzulassen (st. Rspr., vgl. BGH NStZ 2002, 140 m.w.N.). Nach diesen Maßstäben durfte der Angeklagte sich mit einem wuchtigen Messerstich verteidigen. Das Aufsetzen einer oder beider Bajonettspitzen auf den Körper des sich wieder aufrichtenden - wenn auch zu diesem Zeitpunkt unbewaffneten - Angreifers hätte nach den getroffenen Feststellungen den Angriff nicht zweifelsfrei endgültig beendet. Die Kampflage wird hier bestimmt durch das Vortatgeschehen, die andauernde Intensität, mit der die tätliche Auseinandersetzung gesucht wurde, das Nebentatgeschehen - der Kampf zwischenU. undT. - und das mögliche jederzeitige Eintreffen von Verstärkung für F. . Dieser war ohne eigene Veranlassung dem streitsüchtigen U. , der bereits bei Mc Donald's aus nichtigem, missdeutetem Anlass die Schlägerei gesucht hatte, zu Hilfe geeilt und beide waren mit Schlagwerkzeugen bewaffnet in den Kampf gegangen. Der Einsatz des Messers war dem Angreifer durch Vorhalten angedroht worden, was ihn aber nicht vom Angriff abhielt. Das endgültige Ausscheiden des K. , des früheren Kampfgefährten des U. , war dem Angeklagten zur Zeit der Verteidigungshandlung nicht bekannt. Auch kannte er die Kampflage zwischen U. und T. nicht. Er wusste also nicht, ob er von U. weitere Bedrohung bzw. Verstärkung für F. befürchten musste. Bei dieser Bedrohungslage konnte er nicht erwar-
ten, dass ein Aufsetzen von Bajonettspitzen auf den Körper die Gefahr endgültig beseitigt hätte. Ein solches Aufsetzen wäre im Übrigen, wie der Tatrichter es für einen gezielten Stich in andere Körperteile ausgeführt hat, auch aus tatsächlichen Gründen nicht möglich gewesen. F. war dabei, sich wieder aufzurichten, er und der Angeklagte befanden sich in einem bewegten Geschehensablauf und die Lichtverhältnisse bei Dunkelheit - Beleuchtung nur durch Straßenlaternen - ermöglichten lediglich eine eingeschränkte Sicht. Auf den Einsatz der Stichwaffe als Schlagwerkzeug muss der Angeklagte sich nicht verweisen lassen. Bei mehreren Einsatzmöglichkeiten des vorhandenen Abwehrmittels hat der Verteidigende nur dann das für den Angreifer am wenigsten gefährliche zu wählen, wenn ihm Zeit zum Überlegen zur Verfügung steht und durch die weniger gefährliche Abwehr dieselbe, oben beschriebene Wirkung erzielt wird (BGHR StGB § 32 Abs. 2 Erforderlichkeit 5). Beides trifft hier nicht zu. Das eigentliche Tatgeschehen spielte sich innerhalb weniger Sekunden ab (UA S. 12). Als F. ausrutschte, blieb dem Angeklagten keine Zeit, sich Gedanken über verschiedene Einsatzmöglichkeiten seiner Bajonette zu machen und diese - wie auch immer - als Schlagwerkzeuge zu ergreifen. Er musste angesichts der Bedrohungslage sofort reagieren. Aus seiner und auch objektiver Sicht konnte er die Gefahrenlage durch wuchtige Schläge mit dem Griff eines Bajonettes auch nicht ohne Zweifel endgültig beenden. Die Gesamtlänge des Bajonettes mit einer Klingenlänge von 24 cm ist zwar nicht bekannt, aber bei einer Verwendung als Schlagwerkzeug auf den Körper des Angreifers wäre der Angeklagte in eine solche Nähe seines Kontrahenten gelangt, dass dieser ihn mit Faustschlägen hätte attackieren können.
Mit möglichen anderen Einschränkungen des Notwehrrechts hat das Landgericht sich auseinandergesetzt (UA S. 18) und diese rechtsfehlerfrei verneint. Nack Wahl Kolz Hebenstreit Elf

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Überschreitet der Täter die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken, so wird er nicht bestraft.

12
Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 - 4 StR 420/14, NStZRR 2015, 148 mwN). Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Vielmehr hat es die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2015 - 5 StR 521/14, NStZ-RR 2015, 178, 179). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 1. Juni 2016 - 1 StR 597/15, Rn. 27, zit. nach juris, mwN [insoweit in NStZ-RR 2016, 272 nicht abgedruckt]). Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen , erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Aus den Urteilsgründen muss sich ferner ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden. Rechtsfehlerhaft ist eine Beweiswürdigung schließlich dann, wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt worden sind. Dabei ist es weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (vgl. etwa Senat, Urteil vom 22. September 2016 - 2 StR 27/16, Rn. 26, zit. nach juris mwN).