Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Mai 2018 - 2 StR 141/18

bei uns veröffentlicht am30.05.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 141/18
vom
30. Mai 2018
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags
ECLI:DE:BGH:2018:300518B2STR141.18.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 30. Mai 2018 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stralsund vom 8. Dezember 2017 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht tätige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Seine dagegen gerichtete, auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision hat Erfolg.

I.

2
Nach den Feststellungen des Landgerichts konsumierte der Angeklagte gemeinsam mit dem später geschädigten G. und dem Zeugen Dr. am Abend des 24. März 2016 in der Wohnung des Dr. erheblicheMengen Bier und Kräuterlikör. Etwa gegen 0.50 Uhr wollte der Angeklagte einen Streit zwischen G. und Dr. schlichten und wurde daraufhin von G. , der die Situation verkannte, geschlagen. Der Angeklagte, dessen Steuerungsfähigkeit infolge des Alkoholgenusses erheblich vermindert war, geriet in große Wut und schlug G. zunächst mit einer leeren Kräuterlikörflasche auf den Kopf, die dabei zerbrach. G. ging zu Boden. Der Angeklagte versetzte dem am Boden liegenden Geschädigten mehrere Faustschläge in das Gesicht.
3
Der Angeklagte verlor jetzt alle Hemmungen und wollte G. töten. Er ergriff einen Tisch und riss diesen hoch, wobei sich das Tischuntergestell löste. Die mit schweren Tonfliesen belegte Tischplatte warf der Angeklagte auf den weiterhin am Boden liegenden G. . Schließlich nahm er einen Minibackofen und warf diesen auf die auf Kopf und Rumpf des Geschädigten liegende Tischplatte.
4
Unmittelbar nach diesen Verletzungshandlungen klopfte ein anderer Hausbewohner, der Zeuge Z. , an die Wohnungstür. Der Angeklagteöffnete, verweigerte Z. und dessen inzwischen ebenfalls erschienener Ehefrau jedoch zunächst den Zutritt zur Wohnung. Als Dr. rief, dass die Zeugen hereinkommen sollten, schubste Z. den Angeklagten zur Seite und drückteihn an die Wand im Flur, so dass er gemeinsam mit seiner Frau die Wohnung betreten konnte. Beide sahen im Wohnraum den Geschädigten, von dem nur die Beine zu erkennen waren, unter der Tischplatte am Boden liegen. Daraufhin riefen J. Z. und ein weiterer Bewohner den Notarzt und die Polizei.
5
O. Z. kümmerte sich um den Geschädigten, der nur noch röchelte und dessen Kopf blutverschmiert war.
6
Der Geschädigte erlitt mehrere Schürfwunden und Hämatome, ein Schädelhirn - und ein Gesichtstrauma, einen Nasenbeinbruch, einen Bruch des rechten Augenhöhlenbodens sowie der seitlichen Wand des rechten Unterkiefers mit mehreren Einblutungen. Seine Verletzungen waren potentiell lebensbedrohlich. Ohne ärztliche Hilfe hätte der hohe Blutverlust zu seinem Tode führen können. Der Geschädigte verließ die Klinik nach der Erstversorgung gegen ärztlichen Rat bereits am nächsten Morgen. Er hat sich zwischenzeitlich mit dem Angeklagten ausgesöhnt.
7
Die Strafkammer ist davon ausgegangen, der Angeklagte habe nach seiner Vorstellung nach der letzten Tathandlung alles getan, was nötig gewesen sei, um den Geschädigten zu töten, wobei er es für möglich gehalten habe, dass der Geschädigte ohne ärztliche Versorgung aufgrund der erlittenen Verletzungen hätte versterben können. Von dem danach beendeten Versuch habe der Angeklagte – wie nicht geschehen – nur aktiv zurücktreten können. Würde man aus Sicht des Angeklagten von einem unbeendeten Versuch ausgehen, fehle es an der Freiwilligkeit des Rücktritts, denn er sei durch das Klopfen an der Wohnungstür bei der Tatausführung gestört worden.

II.

8
Die Revision des Angeklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil leidet an durchgreifenden materiell-rechtlichen Fehlern.
9
1. Das Landgericht hat einen möglichen Rücktritt des Angeklagten nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen.
10
a) Die Kammer ist zunächst von einem zutreffenden Maßstab für die Annahme eines beendeten Versuchs des Totschlags ausgegangen. Maßgeblich ist das Vorstellungsbild (Rücktrittshorizont) des Täters nach der letzten Ausführungshandlung (Senat, Beschluss vom 14. Juni 2017 – 2 StR 140/17, NStZ-RR 2017, 303, 304; Urteil vom 29. Juni 2016 – 2 StR 588/15, NStZ 2016, 664, 665; BGH, Beschluss vom 27. November 2014 – 3 StR 458/14, NStZ 2015, 331). Dabei liegt ein beendeter Versuch bereits dann vor, wenn der Täter die naheliegende Möglichkeit des Erfolgseintritts erkennt, selbst wenn er den Erfolg weder will noch billigt. Die Kenntnis der tatsächlichen Umstände, die einen Erfolgseintritt nahelegen, reicht aus (Senat, Beschluss vom 14. Juni 2017 – 2 StR 140/17, aaO; BGH, Urteil vom 25. November 2004 – 4 StR 326/04, NStZ 2005, 263, 264).
11
b) Die diesen Maßstäben genügende Feststellung des Landgerichts, der Angeklagte habe nach dem Wurf mit dem Minibackofen und damit der letzten Ausführungshandlung nach seiner Vorstellung alles getan, was nötig gewesen sei, um den Geschädigten zu töten und es für möglich gehalten, dass dieser ohne medizinische Versorgung auf Grund der erlittenen Verletzungen sterben könnte (UA S. 17), wird durch die von der Strafkammer vorgenommene Beweiswürdigung jedoch nicht getragen.
12
aa) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts. Ihm obliegt es, sich aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden (§ 261 StPO). Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Vielmehr hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2015 – 5 StR 521/14, NStZ-RR 2015, 178, 179). Die Schlussfolgerungen des Tatgerichts brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148 mwN). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlichrechtlicher Hinsicht insbesondere der Fall, wenn die Beweiswürdigung wider- sprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. Senat, Urteil vom 26. Oktober 2016 – 2 StR 275/16, juris Rn. 12). Zudem muss die tatrichterliche Beweiswürdigung auf einer nachvollziehbaren und tragfähigen Grundlage beruhen (BGH, Urteil vom 13. Juli 2016 – 1 StR 94/16, juris Rn. 9).
13
bb) Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung hier nicht in jeder Hinsicht gerecht. Sie bleibt in Teilen lückenhaft. Die Strafkammer unterlegt ihre Feststellungen zum Rücktrittshorizont des Angeklagten lediglich mit dem objektiven Befund des rechtsmedizinischen Sachverständigen, wonach der erhebliche Blutverlust des Geschädigten ohne ärztliche Versorgung zu dessen Tod hätte führen können. Warum dieser objektive und nachträglich erhobene Befund einen Rückschluss auf den Rücktrittshorizont des Angeklagten zulassen soll, bleibt im Urteil offen. Es ist weder festgestellt, dass der Angeklagte den hohen Blutverlust des Geschädigten nach dem Wurf mit der Tischplatte und dem Minibackofen wahrgenommen, noch dass er die diagnostizierten erheblichen Verletzungen erkannt hat. Dass der Angeklagte allein aufgrund seiner erheblichen Tathandlungen bereits davon ausging, der Geschädigte werde an den erlittenen Verletzungen versterben, hat die Strafkammer ebenfalls nicht festgestellt.
14
Auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist ein Schluss auf den Rücktrittshorizont des Angeklagten nicht zu entnehmen. Nach den knappen Feststellungen zur objektiven Wahrnehmungssituation nach der letzten Ausführungshandlung lag der Geschädigte mit Kopf und Rumpf unter der Tischplatte, so dass nur seine Beine erkennbar waren. Der Kopf des stark blutenden Geschädigten wurde erst sichtbar, nachdem der Zeuge Z. die auf dem Geschädigten liegende Tischplatte hochgehoben hatte. Die Urteilsfeststellungen bieten keine Anhaltspunkte, dass der erhebliche Blutverlust des Geschädigten bereits sichtbar war, als dieser noch unter der Tischplatte lag. Sonstige Umstände, die den Schluss zuließen, der Angeklagte habe die schweren Verletzungen des Geschädigten bereits unmittelbar nach seiner letzten Ausführungshandlung wahrgenommen, sind den Urteilsgründen ebenfalls nicht zu entnehmen.
15
c) Die Urteilsgründe schließen auch einen Rücktritt des Angeklagten von einem eventuell unbeendeten Versuch des Totschlags nicht rechtsfehlerfrei aus. Die Feststellungen belegen nicht die fehlende Freiwilligkeit einer nicht auszuschließenden Tataufgabe.
16
aa) Der Annahme von Freiwilligkeit im Sinne des § 24 Abs. 1 StGB steht es nicht von vornherein entgegen, dass der Anstoß zum Umdenken von außen kommt oder die Abstandnahme von der Tat erst nach dem Einwirken eines Dritten erfolgt. Entscheidend ist vielmehr, dass der Täter die Tatvollendung aus selbstgesetzten Motiven nicht mehr erreichen will und dementsprechend „Herr seiner Entschlüsse“ geblieben ist (BGH, Beschlüsse vom 7. März 2018 – 1 StR 83/18, juris Rn. 9; vom 24. Oktober 2017 – 1 StR 393/17, juris Rn. 12; Senat, Beschluss vom 3. April 2014 – 2 StR 643/13, NStZ-RR 2014, 241 mwN).
17
bb) Daran gemessen bleiben die Urteilsfeststellungen auch zur fehlenden Freiwilligkeit lückenhaft. Sie lassen offen, ob der Angeklagte, bevor er den Zeugen Z. die Tür öffnete, nach seinem Vorstellungsbild noch weitere Ausführungshandlungen ohne Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs hätte vornehmen können. Weshalb das Klopfen des ZeugenZ. einer freiwilligen Tataufgabe entgegenstehen soll, erschließt sich aus den Urteilsgründen nicht, denn der Angeklagte war allein durch ein Klopfen an der Wohnungstür objektiv nicht gehindert, die Tatausführung fortzusetzen und weiterhin auf sein Opfer einzuwirken. Der Ausschluss einer möglichen Tataufgabe aus selbstgesetzten Motiven ist damit nicht belegt.
18
2. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Schuldspruchs wegen versuchten Totschlags. Dies entzieht ohne Weiteres dem Strafausspruch und der angeordneten Maßregel die Grundlage. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.
Appl Krehl Eschelbach Bartel Schmidt

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Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


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Strafgesetzbuch - StGB | § 24 Rücktritt


(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft be

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

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14. Juni 2017
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gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:140617B2STR140.17.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 14. Juni 2017 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 2. Dezember 2016 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht tätige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine dagegen gerichtete, auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision hat Erfolg.

I.

2
Nach den Feststellungen des Landgerichts gerieten der Angeklagte und der Nebenkläger, die sich bis dato nicht kannten, am 12. April 2016 auf dem öffentlichen Facebook-Account des Nebenklägers über ein Mathematikrätsel in Streit. Es kam zu wechselseitigen Beschimpfungen und Beleidigungen.
3
Nachdem es am Vormittag des nächsten Tages über Facebook zu weiteren beleidigenden, aggressiven und provokanten Äußerungen von beiden Seiten gekommen war, begegneten sich der Angeklagte und der Nebenkläger zufällig auf der Straße. Der Angeklagte erkannte den Nebenkläger, da er zuvor dessen Facebook-Profilbild gesehen hatte.
4
Aufgrund der vorangegangenen Beschimpfungen und Beleidigungen entschloss sich der Angeklagte spontan, dem Nebenkläger mit einem mitgeführten Messer eine „Abreibung zu verpassen“, wobei er ihn körperlich verletzen wollte und dessen Tod zumindest billigend in Kauf nahm. Der Angeklagte sprang auf den mit seinem Handy beschäftigten und nichts Böses ahnenden Nebenkläger zu, stieß ihm mit der linken Hand das Messer mit der scharfen Klingenseite nach oben in den Bauch und zog es mit einer Drehbewegung wieder heraus. Der Nebenkläger erschrak, schrie auf und wandte sich ab, um zu flüchten. Nunmehr versetzte der Angeklagte dem Nebenkläger im Bereich der rechten Niere einen weiteren wuchtigen Messerstich in den Rücken, so dass die Klinge bis zum Schaft in den Körper eindrang und die Nierenschlagader und die Nierenvene der rechten Niere durchtrennte. Der Stich in den Bauch war abstrakt, der Stich in den Rücken konkret lebensgefährlich.
5
Der Nebenkläger taumelte zu Boden und kam rücklings in der Nähe eines Baumes zum Liegen. Er hatte den Angeklagten, von dem er über Facebook ein Foto gesehen hatte, inzwischen als denjenigen erkannt, mit dem er auf Facebook gestritten hatte. Er hielt seine Arme schützend vor den Körper und trat mit den Füßen nach dem Angeklagten. Gleichzeitig rief er, der Angeklagte solle aufhören, es tue ihm leid. Der Angeklagte, der die Entschuldigung des Nebenklägers hörte und sah, dass dieser blutete, beugte sich über ihn, packte ihn am Kragen und schrie ihn an: "Was tut dir leid?" Der Nebenkläger konnte jedoch nicht mehr antworten, was der Angeklagte realisierte. Er ging davon aus, dass der Nebenkläger an den erlittenen Stichverletzungen versterben könne, ließ daraufhin von ihm ab und verließ in aller Ruhe den Tatort. Der lebensgefährlich verletzte Nebenkläger konnte durch eine Notoperation gerettet werden.

II.

6
Die Revision des Angeklagten ist begründet.
7
1. Die Kammer ist zunächst von einem zutreffenden rechtlichen Maßstab für die Annahme eines beendeten Versuchs des Totschlags ausgegangen. Maßgeblich ist das Vorstellungsbild (Rücktrittshorizont) des Täters nach der letzten Ausführungshandlung (Senat, Urteil vom 29. Juni 2016 – 2 StR 588/15, NStZ 2016, 664, 665; BGH, Beschluss vom 27. November 2014 – 3 StR 458/14, NStZ 2015, 331). Dabei liegt ein beendeter Versuch bereits dann vor, wenn der Täter die naheliegende Möglichkeit des Erfolgseintritts erkennt, selbst wenn er den Erfolg weder will noch billigt (BGH, Urteil vom 25. November 2004 – 4 StR 326/04, NStZ 2005, 263, 264). Die Kenntnis der tatsächlichen Umstän- de, die den Erfolgseintritt nahe legen, reicht aus (BGH aaO).
8
2. Die diesen Maßstäben genügenden Feststellungen des Landgerichts, der Angeklagte sei, als er von dem Geschädigten abließ, davon ausgegangen, dass dieser an den Messerstichen versterben könnte (UA 7), sind zwar durchaus naheliegend, werden aber durch die von der Kammer vorgenommene Beweiswürdigung nicht getragen.
9
a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts. Ihm obliegt es, sich aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden (§ 261 StPO). Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Vielmehr hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2015 – 5 StR 521/14, NStZ-RR 2015, 178, 179). Die Schlussfolgerungen des Tatgerichts brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 - 4 StR 420/14, NStZRR 2015, 148 mwN). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht insbesondere der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. Senat, Urteil vom 26. Oktober 2016 - 2 StR 275/16, juris Rn. 12). Zudem muss die tatrichterliche Beweiswürdigung auf einer nachvollziehbaren und tragfähigen Grundlage beruhen (BGH, Urteil vom 13. Juli 2016 – 1 StR 94/16, juris Rn. 9).
10
b) Diesen Maßstäben genügt die tatrichterliche Beweiswürdigung nicht.
11
(1) Die Kammer führt im Rahmen der Beweiswürdigung lediglich aus, „dieFeststellung zum Rücktrittshorizont des Angeklagten beruhen auf dessen Einlassung sowie den … bereits dargelegten glaubhaften Angaben der Zeugen G. und A. “ (UA 26). Diese Beweiswürdigung ist widersprüchlich bzw. lückenhaft.
12
(a) Die Widersprüchlichkeit zeigt sich zunächst darin, dass der Angeklagte nach der von der Kammer geschilderten Einlassung gerade nicht von einer lebensgefährlichen Verletzung des Nebenklägers ausging. Vielmehr führt das Urteil zur Einlassung des Angeklagten aus (UA 11), er habe ein Eindringen des Messers in den Körper nicht gespürt. Er habe kein Blut gesehen, auch die Messerklinge sei frei von Blutanhaftungen gewesen. Er habe gedacht, der Ge- schädigte habe nur weiche Knie bekommen. Wenngleich die Kammer diese Einlassung rechtsfehlerfrei für widerlegt erachtet hat, ergibt sich aus ihr jedenfalls nicht der angenommene Rücktrittshorizont des Angeklagten.
13
(b) Die Aussagen der Zeugen G. und A. sind ebenfalls nicht geeignet, den von der Kammer gezogenen Schluss auf den Rücktrittshorizont des Angeklagten zu unterlegen.
14
Nach der Darstellung der Kammer ist der Zeuge A. durch Schreie aufmerksam geworden und zum Tatort geeilt. Er beobachtete dort, dass der Angeklagte sich über den am Boden liegenden Nebenkläger beugte und diesen am Kragen festhielt (UA 25). Welche Rückschlüsse dies auf den Rücktrittshorizont des Angeklagten zulassen soll, ist im Urteil nicht dargestellt und bleibt deshalb offen.
15
Gleiches gilt für die Angaben des Zeugen G. , der aus dem vierten Stock seiner Wohnung den Angeklagten mit einem Messer über dem Nebenkläger beobachtete und sah, dass das Blut hinter dem Rücken des Nebenklägers auf den Boden lief. Er, G. , habe gedacht, dass sich der Nebenkläger an dem Wurzelwerk des Baumes, an dem er lag, „aufgeratscht“ habe (UA 25). Welchen Rückschluss diese Darstellung des Zeugen für die Beurteilung des Rücktrittshorizonts eröffnen soll, erschließt sich nicht und wird im Urteil nicht erörtert.
16
(2) Der Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist ebenfalls nicht geeignet , den Schluss der Kammer auf den Rücktrittshorizont des Angeklagten zu tragen.
17
(a) Zwar stellt die Kammer zutreffend darauf ab, dass der Angeklagte wusste, dass er zweimal mit dem Messer in sensible Körperbereiche des Ne- benklägers gestochen hatte. Zudem hatte er nach der insoweit rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung wahrgenommen, dass der Nebenkläger blutete. Hinsichtlich der zusätzlichen Annahmen der Kammer, der Angeklagte habe ferner realisiert , dass der Nebenkläger nicht mehr habe antworten können (UA 7), erweist sich das Urteil jedoch als lückenhaft. Denn diese Annahme findet in der Beweiswürdigung keine Stütze. Zudem hatte der Nebenkläger kurz zuvor mehrfach gerufen, „er solle aufhören, es tue ihm leid“. Wieso der Angeklagte unmittelbar danach davon ausgegangen sein soll, der Nebenkläger könne nicht mehr antworten, ist weder dem Gesamtzusammenhang des Urteils zu entnehmen, noch liegt dies nach den festgestellten Tatumständen auf der Hand.
18
(b) Letzlich ist deshalb auch die ohnehin missverständliche Formulierung der rechtlichen Würdigung (UA 31), der Angeklagte „musste nach alledem davon ausgehen, dass der Geschädigte an den Stichverletzungen sterben könne“, nicht tragfähig (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Mai 2007 – 3 StR 179/07, NStZ 2007, 634, 635).
19
3. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil auf dieser fehlerhaften Beweiswürdigung beruht. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Der aufgezeigte Mangel zwingt auch zur Aufhebung der für sich genommen rechtlich nicht zu beanstandenden Verurteilung wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung. Krehl Bartel Richterin am BGH Wimmer ist an der Unterschriftsleistung gehindert. Krehl Grube Schmidt

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 588/15
vom
29. Juni 2016
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u. a.
ECLI:DE:BGH:2016:290616U2STR588.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 29. Juni 2016, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl, Dr. Eschelbach, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Ott, Richter am Bundesgerichtshof Zeng, Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt , Rechtsanwältin als Verteidiger, Rechtsanwalt als Vertreter des Nebenklägers , Rechtanwältin als Vertreterin der Nebenklägerin , Justizhauptsekretärin in der Verhandlung, Justizangestellte bei der Verkündung als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Angeklagten, der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers H. F. wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 3. Juni 2015 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die dagegen gerichteten Revisionen der Angeklagten, der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers H. F. haben jeweils mit der Sachrüge Erfolg.

I.

2
1. Die zur Tatzeit 58jährige Angeklagte wurde im Alter von 16 Jahren mit dem später Geschädigten, dem zuletzt 67jährigenI. F. zwangsverheiratet. Die Ehe, aus der mehrere Kinder hervorgingen, war geprägt von Gewalt und Erniedrigungen. I. F. schlug und quälte seine Frau wie auch die gemeinsamen Kinder. Mit der Geburt des jüngsten Sohnes, dem Zeugen E.
F. , im Jahre 1990 änderte sich die Situation dahingehend, dass I. F. , der seinem jüngsten Sohn sehr zugetan war, sowohl seinen bis dahin teilweise sehr exzessiven Alkoholkonsum als auch seine gewalttätigen Übergriffe auf die anderen Familienmitglieder nach und nach reduzierte. Die Atmosphäre in der Familie blieb gleichwohl angespannt und war von lautstarken Streitigkeiten und verbalen Erniedrigungen seitens des Geschädigten geprägt. Als die Angeklagte sich im Jahre 1995 schließlich entschloss, ihren Ehemann zu verlassen, erkrankte dieser an Krebs, weshalb sie davon absah. I. F. gesundete, litt aber alsbald – wie auch die Angeklagte – an Diabetes und Bluthochdruck und musste sich im Jahre 2005 einer beidseitigen Unterschenkelamputation unterziehen. Er saß ab 2008 im Rollstuhl und erlitt in der Folgezeit mehrere Herzinfarkte. Unterstützung erfuhr er vor allem von seinem jüngsten Sohn, dem Zeugen E. F. .
3
Die Angeklagte ihrerseits war infolge des jahrelang durchlittenen Martyriums seelisch krank geworden und litt vor allem unter depressiven Stimmungen und unspezifischen Schmerzen. Die Eheleute lebten zuletzt nur noch mit ihren Söhnen B. und E. F. zusammen.
4
Zum Tatgeschehen:
5
Ende 2012 warf der Geschädigte seinen älteren Sohn, den Zeugen B. F. , nach einem Streit aus der Wohnung. Als der Sohn am 2. Januar 2013 wieder zurückkehren wollte, verwies ihn der Geschädigte abermals der Wohnung. Die Angeklagte war hierüber ausgesprochen verärgert.
6
Am Morgen des 3. Januar 2013 zwischen 8 und 9 Uhr verließ der Sohn E. F. das Haus. Sein multimorbider Vater saß zu diesem Zeitpunkt angezogen in seinem Rollstuhl im Wohnzimmer. In der Folgezeit, spätestens aber kurz vor 10 Uhr, erlitt er einen Herzinfarkt, der dazu führte, dass er in hilflosem Zustand und in getrübter Bewusstseinslage auf dem Boden zum Liegen kam.
7
Als die Angeklagte ihren zwischenzeitlich bewusstlosen Ehemann auf dem Boden liegend antraf, fasste sie spontan den Entschluss, ihn zu töten. Hierzu nahm sie einen Schal oder anderen Gegenstand aus Stoff, legte ihn dem auf dem Rücken liegenden I. F. um den Hals und zog dasStoffteil vor seinem Kehlkopf fest zusammen. Nach einiger Zeit erschrak sie jedoch über ihr Tun und ließ von dem Geschädigten ab. Sie beseitigte das Strangulationswerkzeug und lief zu ihren Nachbarn, um Hilfe zu holen. Als die Angeklagte an der Wohnungstür der Nachbarn klingelte, war ihr Ehemann bereits an den Folgen des erlittenen Herzinfarkts gestorben.
8
2. Die Angeklagte hat die Tat bestritten und sich eingelassen, sogleich nach dem Auffinden ihres Ehemanns zu den Nachbarn geeilt zu sein.
9
Davon, dass der Geschädigte noch zu Lebzeiten stranguliert wurde, hat sich das Landgericht aufgrund sicherer medizinischer Beweisanzeichen überzeugt. Die Annahme der Täterschaft der Angeklagten beruht maßgeblich auf ihrem Motiv und ihrer Gelegenheit zur Tat, wobei das Gericht sowohl einen Alternativtäter als auch eine Selbsttötung ausgeschlossen hat.
10
Das Landgericht konnte jedoch nicht ausschließen, dass der Geschädigte zuvor bereits einen Herzinfarkt erlitten hatte und dieser letztlich todesursächlich gewesen ist. Zwar habe sich durch medizinische Beweiszeichen nicht belegen lassen, dass I. F. tatsächlich einen Herzinfarkt erlitten habe. Dafür sprächen aber zahlreiche konkret festgestellte Umstände. Der multimorbide Geschädigte habe bereits mehrere Infarkte erlitten; auch sei sein Herz durch eine Verkalkung zweier Herzkranzschlagadern vorgeschädigt gewesen. Er sei in der Vergangenheit auch bereits mehrfach aus dem Rollstuhl gefallen. Dafür, dass er einen Herzinfarkt erlitten habe, spreche auch, dass weder Abwehrverletzungen noch Spuren einer Kampfhandlung festgestellt werden konnten. Dies wäre aber zu erwarten gewesen, da die Strangulation noch zu Lebzeiten erfolg- te und er – auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass er das Beruhigungsmittel Diapezam in einer normal therapeutisch wirksamen Konzentration im Blut hatte – nicht völlig kraft- und wehrlos war.
11
Nach alledem seien beide Todesursachenals naheliegend anzusehen, weshalb die Strafkammer zu Gunsten der Angeklagten einen Herzinfarkt als Todesursache zu Grunde gelegt hat.
12
3. Das Landgericht hat die Angeklagte wegen versuchten Totschlages in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 StGB verurteilt. Von dem Versuch des Totschlags sei sie nicht strafbefreiend zurückgetreten, weil der Geschädigte bei Vornahme ihrer Rettungsbemühungen bereits tot gewesen sei.

II.

13
Die Revision der Angeklagten hat Erfolg.
14
1. Die Erwägungen, mit denen die Strafkammer einen Rücktritt der Angeklagten vom versuchten Totschlag ausgeschlossen hat, begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
15
§ 24 Abs. 1 StGB ist nicht auf Fälle beschränkt, in denen die Vollendung mangels tatbestandsmäßigen Erfolges ausbleibt. Die Vorschrift ist vielmehr auch dann anwendbar, wenn zwar ein tatbestandsmäßiger Erfolg eintritt, dieser jedoch nicht kausal auf die Angriffshandlung des Täters zurückgeführt werden kann, der konkrete Erfolg also auch dann eingetreten wäre, wenn der Täter überhaupt nicht auf das Opfer eingewirkt hätte (sog. überholende oder abgebrochene Kausalität).
16
Soweit die Strafkammer einen Rücktritt ausgeschlossen hat, weil I. F. zu dem Zeitpunkt als die Angeklagte Rettungsbemühungen entfaltet hatte, bereits verstorben war, ist sie offenkundig von einem beendeten Versuch ausgegangen. Dies wird indes von den Feststellungen nicht getragen; es fehlen entsprechende Feststellungen zum Rücktrittshorizont der Angeklagten zum Zeitpunkt der letzten Ausführungshandlung.
17
Die Strafkammer hat zwar angenommen, dass die Angeklagte mit gehöriger Entschlossenheit das Strangulationswerkzeug zugezogen hat (UA S. 45) und dass die Strangulation todesursächlich gewesen sein kann (UA S. 24). Auch ist sie davon ausgegangen, dass es sich bei der Strangulation, die zu erheblichen Stauungsblutungen geführt hatte, um eine das Leben gefährdende Behandlung des Geschädigten gehandelt hat (UA S. 44). Dass aber die Angeklagte tatsächlich nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung angenommen hat, bereits alles Erforderliche zur Verwirklichung des angestrebten Erfolgs getan zu haben, lässt sich den Feststellungen nicht sicher entnehmen.
18
Die Strafkammer hat dahin gehend lediglich ausgeführt, die Angeklagte sei über ihr eigenes Verhalten erschrocken gewesen und habe das Bedürfnis gehabt, „alles wieder gut und die Tat rückgängig zu machen“ (UA S. 15, 50).
19
Dies belegt aber vor dem Hintergrund, dass auch in objektiver Hinsicht nicht festgestellt ist, dass die Strangulation durch die Angeklagte tatsächlich ursächlich oder auch nur mitursächlich für den Tod des Geschädigten geworden ist, nicht ohne weiteres, dass die Angeklagte nach der letzten Ausführungshandlung bereits alles getan hatte, was nach ihrer Vorstellung zur Herbeiführung des Todes erforderlich oder zumindest ausreichend war. Nicht ausgeschlossen ist vielmehr das Vorliegen eines nur unbeendeten Versuchs, von dem die Angeklagte durch bloße Untätigkeit hätte strafbefreiend zurücktreten können.
20
2. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
21
Sollte für die Strafbarkeit der Angeklagten nicht an ihrem aktiven Tun angeknüpft werden können, weil insoweit von einem strafbefreienden Rücktritt ausgegangen werden muss, müsste sich der Tatrichter mit einem in diesem Fall „wiederauflebenden“ möglichen pflichtwidrigen Unterlassen der Angeklagten auseinandersetzen.
22
Allerdings käme nach den bisherigen Feststellungen, die Zeitpunkt, Art und Schwere des Herzinfarkts offen lassen, nur ein (untauglicher) Versuch des Totschlags durch Unterlassen in Betracht, da zu Gunsten der Angeklagten davon ausgegangen werden müsste, dass eine Lebensrettung nicht mehr möglich war und damit das Unterlassen der Angeklagten für den Erfolg nicht mehr ursächlich gewesen sein konnte.
23
Erforderlich ist insoweit, dass die Angeklagte, als sie ihren, offensichtlich bewusstlosen Ehemann am Boden liegen sah, ihm in diesem Zustand keine Hilfe leistete und stattdessen zur Strangulation ansetzte, zum einen bewusst war, dass dieser aufgrund seiner schweren Verletzungen sterben könnte, zum anderen aber auch die Vorstellung hatte, dessen Leben könne noch durch ihr mögliche Maßnahmen gerettet oder in rechtlich erheblicher Weise verlängert werden (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2005 – 4 StR 469/04 – juris Rn. 23 f.).
24
Von einem solchen Totschlagsversuch durch Unterlassen hätte die Angeklagte auch nicht mehr strafbefreiend zurücktreten können. Der Rücktritt des Unterlassenstäters ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nach den Grundsätzen des beendeten Versuchs beim Begehungsdelikt gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. StGB zu beurteilen, da den Täter von der ersten Rettungsmöglichkeit an eine Pflicht zum Handeln trifft (BGH, Urteil vom 15. Mai 1997 – 5 StR 127/97, BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Versuch, beendeter 11; siehe auch BGH, Beschlüsse vom 10. März 2000 – 1 StR 675/99, NJW 2000, 1730, 1732; vom 29. Oktober 2002 – 4 StR 281/02, NStZ 2003, 252, 253 und vom 20. Dezember 2002 – 2 StR 251/02, BGHSt 48, 147, 149). Die Angeklagte konnte hier aber die Vollendung der Tat weder verhindern (§ 24 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. StGB) noch wurde die Tat ohne ihr Zutun nicht vollendet (§ 24 Abs. 1 Satz 2 StGB).

III.

25
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers haben ebenfalls Erfolg.
26
1. Die Beweiswürdigung leidet an zwei durchgreifenden Erörterungsmängeln.
27
a) Die Strafkammer hat rechtsfehlerhaft nicht erwogen, dassI. F. beim Ansetzen der Angeklagten zur Strangulation geschlafen haben könnte. Dies hätte das Fehlen von Abwehrverletzungen und Kampfeshandlungen erklären und deshalb der Annahme eines zuvor erlittenen Herzinfarkts entgegenstehen können.
28
Eine Erörterung hätte sich für die Strafkammer auch aufgedrängt, denn der Geschädigte hatte zum Tatzeitpunkt das beruhigend wirkende Medikament Diapezam zu sich genommen. Zudem hatten mehrere Zeugen angegeben, dass er kurz vor seinem Tod wiederholt beklagt habe, er sei in letzter Zeit so schläfrig und schlafe viel.
29
b) Die Strafkammer hat es rechtsfehlerhaft aber auch zu erörtern versäumt , ob die Strangulation den Eintritt des Todes des Geschädigten nicht zumindest beschleunigt hat.
30
Auch hierzu bestand Anlass, denn I. F. hat bei Vornahme der Strangulation nachweislich noch gelebt und war nur kurze Zeit später, als die Angeklagte bei den Nachbarn klingelte, bereits verstorben. Hinzu kommt, dass die Angeklagte nach den Feststellungen das Strangulationswerkzeug mit gehöriger Entschlossenheit zugezogen (UA S. 45) und die Strangulation zu erheblichen Stauungsblutungen geführt hat. Vor diesem Hintergrund liegt die Annahme nicht fern, dass ein solcher Strangulationsvorgang den Todeseintritt des multimorbiden und aufgrund eines Herzinfarkts in einer geschwächten Lage befindlichen Geschädigten, wenngleich nur um eine geringfügige Zeit, in jedem Fall zumindest beschleunigt haben muss.
31
Ein Beruhen des Urteils auf diesem Erörterungsmangel kann nicht ausgeschlossen werden, da eine vollendete Tötung bereits dann vorliegt, wenn die Handlung des Täters auch nur zu einer Lebenszeitverkürzung führt (vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 1980 – 1 StR 177/80, NStZ 1981, 218).
32
c) Eine Strafbarkeit der Angeklagten wegen vollendeten Totschlags durch Unterlassen kommt dagegen – entgegen der Auffassung der Revisionsführer – nicht in Betracht.
33
Sollte der von der Strafkammer zugunsten der Angeklagten angenommene Herzinfarkt allein todesursächlich gewesen sein, so besteht nach den übrigen Beweisergebnissen kein Anhalt für eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob und inwieweit Rettungsbemühungen noch hätten erfolgreich sein können. Die Strafkammer konnte weder feststellen, zu welchem Zeitpunkt der Geschädigte einen Herzinfarkt erlitten hat noch wie viel Zeit zwischen seinem Auftreten bis zum Tod des Geschädigten verstrichen ist. Auch zu Art und Schwere des Infarkts konnten keine Feststellungen getroffen werden. Dem zugrunde lag, dass die Strafkammer, gestützt auf die Angaben der Sachverständigen schon nicht sicher nachweisen konnte, dass der Geschädigte überhaupt einen Herzinfarkt erlitten hat. Mangels Vorliegens jeglicher medizinischer Erkenntnisse war aber eine Erörterung, ob und inwieweit Rettungsbemühungen noch hätten erfolgreich sein können, offensichtlich nicht veranlasst.
34
War der Herzinfarkt demgegenüber nicht allein todesursächlich und die Strangulation vielmehr mitursächlich, so liegt der Schwerpunkt des strafbaren Verhaltens der Angeklagten auf einem positiven Tun. Fischer Appl Eschelbach Ott Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 4 5 8 / 1 4
vom
27. November 2014
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 27. November 2014 gemäß § 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 17. Juni 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchtem Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion mit Todesfolge sowie (mit) versuchter Brandstiftung mit Todesfolge zur Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Auf die Verfahrensrüge kommt es nicht an, denn das Rechtsmittel hat mit der Sachbeschwerde Erfolg.
2
Das Urteil kann nicht bestehen bleiben. Das Landgericht hat nicht geprüft und erörtert, ob der Angeklagte strafbefreiend vom Versuch zurückgetreten ist (§ 24 Abs. 1 StGB), obwohl dies rechtlich geboten war.
3
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts entschloss sich der Angeklagte in den frühen Morgenstunden des Tattages, spätestens gegen fünf Uhr, zum Selbstmord durch Herbeiführen einer Explosion, durch die das gesamte Mehrfamilienhaus, in dessen ersten Obergeschoss er wohnte und das achtzehn Wohneinheiten umfasste, zum Einsturz gebracht und zerstört werden sollte. Zu diesem Zweck verband er innerhalb der folgenden circa 30 Minuten in seinem, zwei Geschosse unterhalb seiner Wohnung gelegenen Kellerraum eine dort auf dem Boden stehende elektrische Camping-Kochplatte mit einer im Kellerraum montierten Steckdose, die von seinem Schlafzimmer aus schaltbar war. Auf die Kochplatte legte er einen Stapel mit Prospekten und Zeitschriften und übergoss diesen mit Benzin. Unmittelbar neben die Kochplatte legte er einen mit einem Butan/Propangasgemisch gefüllten Behälter, der nach seiner Vorstellung durch das nach Einschalten der Kochplatte entstehende Feuer so stark erhitzt werden sollte, dass es in der Folge zu einer Gasexplosion kommt.
4
Nachdem der Angeklagte den Schalter in seinem Schlafzimmer betätigt hatte, erhitzte sich die Kochplatte, so dass sich das darauf gestapelte Papier entzündete und der Gasdruckbehälter erwärmt wurde. Infolge des Brandes entwickelte sich im Keller des Angeklagten starker Rauch, so dass ein seine Wohnung verlassender Mieter im Treppenhaus Rauchgeruch wahrnahm und einen im Erdgeschoss des Hauses wohnenden Mitbewohner über ein mögliches Feuer informierte sowie umgehend die Feuerwehr rief. Der alarmierte Mitbewohner klingelte sodann bei "sämtlichen Hausbewohnern, um diese zum Verlassen des Hauses aufzufordern". Die etwa 30 Minuten nach Bemerken des Rauchgeruches eintreffende Feuerwehr brach das sich an der Kellertür des Angeklagten befindliche Vorhängeschloss auf und löschte das auf der Kochplatte liegende, glimmende Papier sowie eine kleine offene Flamme, die auf der anderen Seite des Kellerraumes entstanden war. Der in den Kellerraum vorge- drungene Feuerwehrmann trennte sodann die Kochplatte von der Steckdose durch Herausziehen des Steckers. Eine nach dem Löschen durchgeführte Messung mittels einer Wärmebildkamera ergab eine Temperatur des Kochfeldes von etwa 180 Grad Celsius sowie eine Außentemperatur des - nahezu vollständig gefüllten - Gasbehälters von etwa 85 Grad Celsius. Zum Zeitpunkt des Brandes befanden sich neben dem Angeklagten noch 13 andere Personen in dem Haus. Nach der Verhaftung des Angeklagten war der Schalter im Schlafzimmer des Angeklagten (wieder) ausgeschaltet und in dieser Stellung mit einem Klebeband fixiert.
5
2. Auf der Grundlage dieser Feststellungen hätte das Landgericht prüfen und erörtern müssen, ob der Angeklagte strafbefreiend von der versuchten Tat zurückgetreten ist; denn sie belegen weder, dass der Versuch fehlgeschlagen war, noch schließen sie es aus, dass der Angeklagte freiwillig vom unbeendeten Versuch der Tat zurückgetreten ist.
6
a) Ein Versuch ist fehlgeschlagen, wenn der Täter nach der letzten von ihm vorgenommenen Tathandlung erkennt, dass mit den bereits eingesetzten oder den ihm sonst zur Hand liegenden Mitteln der erstrebte Taterfolg nicht mehr herbeigeführt werden kann, ohne dass er eine neue Handlungs- und Kausalkette in Gang setzt (s. etwa nur BGH, Urteile vom 30. November 1995 - 5 StR 465/95, BGHSt 41, 368, 369; vom 19. Mai 2010 - 2 StR 278/09, NStZ 2010, 690, 691 mwN). Die subjektive Sicht des Täters ist auch dann maßgeblich , wenn der Versuch zwar objektiv fehlgeschlagen ist, der Täter dies aber nicht erkennt; zumindest soll ein freiwilliger Verzicht auf weitere Tathandlungen zur Straffreiheit nach § 24 Abs. 1 Satz 2 StGB führen (vgl. BGH, Beschluss vom 24. November 2004 - 5 StR 239/04, NStZ-RR 2005, 70, 71).
7
Nach diesen Maßstäben belegen die Urteilsgründe einen fehlgeschlagenen Versuch nicht. Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts ergibt sich auch aus ihrem Gesamtzusammenhang nicht, dass in dem Zeitpunkt, in dem der Angeklagte die Stromzufuhr zu der Kochplatte wieder abstellte und den Schalter überklebte, der Taterfolg aufgrund der Entdeckung des Feuers und des Eingreifens der Feuerwehr nicht mehr eintreten konnte und der Angeklagte dies erkannt hatte. Das Landgericht führt im Rahmen der rechtlichen Würdigung lediglich aus, dass die Vollendung der Tat "allein durch die Alarmierung und das Eingreifen der Feuerwehr verhindert" worden sei. Zu dem Zeitpunkt , in dem der Angeklagte die weitere Stromzufuhr zu der Kochplatte unterbrach , verhalten sich die Urteilsgründe indes ebenso wenig wie zu der Frage, ob in diesem Moment das Feuer bereits entdeckt war, die Feuerwehr eingegriffen hatte und - so dies der Fall war - der Angeklagte sich dessen auch bewusst war. Zwar könnten die Feststellungen zur Temperatur der Kochplatte, der Entzündung der Prospekte und Zeitschriften sowie des Grades der Erhitzung der Gasflasche beim Eintreffen der Feuerwehr dafür sprechen, dass die Stromzufuhr erst zu einem sehr späten Zeitpunkt unterbrochen wurde. Für die Annahme eines fehlgeschlagenen Versuchs genügt dies ohne nähere Prüfung und Erörterung der weiteren Tatumstände indes nicht.
8
b) Auch für die Frage, ob ein Versuch unbeendet oder beendet ist, kommt es maßgeblich darauf an, welche Vorstellung der Täter nach seiner letzten Ausführungshandlung von der Tat hat (sog. Rücktrittshorizont; s. nur BGH, Urteil vom 19. März 2013 - 1 StR 647/12, NStZ-RR 2013, 273, 274 mwN). Danach liegt ein unbeendeter Versuch vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung noch nicht alles getan hat, was zur Tatbestandsverwirklichung erforderlich ist; in diesem Fall kann er allein durch das freiwillige Unterlassen weiterer auf den Taterfolg abzielender Handlungen strafbefreiend vom Versuch zurücktreten (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 StGB). Hält er dagegen den Eintritt des Taterfolgs für möglich, so ist der Versuch beendet; der strafbefreiende Rücktritt setzt dann voraus, dass der Täter den Taterfolg freiwillig durch aktives Tun verhindert (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 StGB) oder zumindest entsprechende ernsthafte Bemühungen entfaltet, wenn der Erfolg ohne sein Zutun ausbleibt (§ 24 Abs. 1 Satz 2 StGB; s. BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 - GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 227 mwN). Lässt sich den Urteilsfeststellungen die entsprechende Vorstellung des Täters von seiner Tat nicht entnehmen, so hält das Urteil regelmäßig sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand, weil es die revisionsrechtliche Prüfung eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch nicht ermöglicht (s. etwa BGH, Urteil vom 12. Juni 2014 - 3 StR 154/14, NStZ 2014, 507, 509 mwN).
9
So liegt es hier. Nach den getroffenen Feststellungen ist bereits ein freiwilliger Rücktritt des Angeklagten vom unbeendeten Versuch nicht ausgeschlossen. Ihnen lässt sich nicht entnehmen, welche Vorstellungen sich der Angeklagte von der Entwicklung der Vorgänge im Keller machte, als er die Stromzufuhr zur Kochplatte unterbrach, insbesondere ob er davon ausging, die Prospekte und Zeitschriften seien bereits in Brand geraten, würden die Gasflasche bis zur Explosion erhitzen oder das Feuer werde auch unabhängig hiervon auf das Wohnhaus übergreifen. Sollte seine Vorstellung gewesen sein, dass sich das Papier noch nicht entzündet hatte und auch nicht mehr entzünden werde, läge ein unbeendeter Versuch vor, von dem er durch das Abschalten des Stromes zurückgetreten wäre. Dass im Keller tatsächlich bereits ein Feuer ausgebrochen war, würde hieran nichts ändern. Da das Urteil - wie bereits dargelegt - sich auch nicht dazu verhält, ob in dem Moment, als der Angeklagte den Strom wieder ausschaltete, das Feuer bereits entdeckt, gegebenenfalls bereits die Feuerwehr vor Ort war und der Angeklagte dies auch bemerkt hatte, schließen die bisherigen Feststellungen auch die Freiwilligkeit des Rücktritts nicht aus.
10
3. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.

Becker Hubert Schäfer Mayer Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 140/17
vom
14. Juni 2017
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:140617B2STR140.17.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 14. Juni 2017 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 2. Dezember 2016 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht tätige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine dagegen gerichtete, auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision hat Erfolg.

I.

2
Nach den Feststellungen des Landgerichts gerieten der Angeklagte und der Nebenkläger, die sich bis dato nicht kannten, am 12. April 2016 auf dem öffentlichen Facebook-Account des Nebenklägers über ein Mathematikrätsel in Streit. Es kam zu wechselseitigen Beschimpfungen und Beleidigungen.
3
Nachdem es am Vormittag des nächsten Tages über Facebook zu weiteren beleidigenden, aggressiven und provokanten Äußerungen von beiden Seiten gekommen war, begegneten sich der Angeklagte und der Nebenkläger zufällig auf der Straße. Der Angeklagte erkannte den Nebenkläger, da er zuvor dessen Facebook-Profilbild gesehen hatte.
4
Aufgrund der vorangegangenen Beschimpfungen und Beleidigungen entschloss sich der Angeklagte spontan, dem Nebenkläger mit einem mitgeführten Messer eine „Abreibung zu verpassen“, wobei er ihn körperlich verletzen wollte und dessen Tod zumindest billigend in Kauf nahm. Der Angeklagte sprang auf den mit seinem Handy beschäftigten und nichts Böses ahnenden Nebenkläger zu, stieß ihm mit der linken Hand das Messer mit der scharfen Klingenseite nach oben in den Bauch und zog es mit einer Drehbewegung wieder heraus. Der Nebenkläger erschrak, schrie auf und wandte sich ab, um zu flüchten. Nunmehr versetzte der Angeklagte dem Nebenkläger im Bereich der rechten Niere einen weiteren wuchtigen Messerstich in den Rücken, so dass die Klinge bis zum Schaft in den Körper eindrang und die Nierenschlagader und die Nierenvene der rechten Niere durchtrennte. Der Stich in den Bauch war abstrakt, der Stich in den Rücken konkret lebensgefährlich.
5
Der Nebenkläger taumelte zu Boden und kam rücklings in der Nähe eines Baumes zum Liegen. Er hatte den Angeklagten, von dem er über Facebook ein Foto gesehen hatte, inzwischen als denjenigen erkannt, mit dem er auf Facebook gestritten hatte. Er hielt seine Arme schützend vor den Körper und trat mit den Füßen nach dem Angeklagten. Gleichzeitig rief er, der Angeklagte solle aufhören, es tue ihm leid. Der Angeklagte, der die Entschuldigung des Nebenklägers hörte und sah, dass dieser blutete, beugte sich über ihn, packte ihn am Kragen und schrie ihn an: "Was tut dir leid?" Der Nebenkläger konnte jedoch nicht mehr antworten, was der Angeklagte realisierte. Er ging davon aus, dass der Nebenkläger an den erlittenen Stichverletzungen versterben könne, ließ daraufhin von ihm ab und verließ in aller Ruhe den Tatort. Der lebensgefährlich verletzte Nebenkläger konnte durch eine Notoperation gerettet werden.

II.

6
Die Revision des Angeklagten ist begründet.
7
1. Die Kammer ist zunächst von einem zutreffenden rechtlichen Maßstab für die Annahme eines beendeten Versuchs des Totschlags ausgegangen. Maßgeblich ist das Vorstellungsbild (Rücktrittshorizont) des Täters nach der letzten Ausführungshandlung (Senat, Urteil vom 29. Juni 2016 – 2 StR 588/15, NStZ 2016, 664, 665; BGH, Beschluss vom 27. November 2014 – 3 StR 458/14, NStZ 2015, 331). Dabei liegt ein beendeter Versuch bereits dann vor, wenn der Täter die naheliegende Möglichkeit des Erfolgseintritts erkennt, selbst wenn er den Erfolg weder will noch billigt (BGH, Urteil vom 25. November 2004 – 4 StR 326/04, NStZ 2005, 263, 264). Die Kenntnis der tatsächlichen Umstän- de, die den Erfolgseintritt nahe legen, reicht aus (BGH aaO).
8
2. Die diesen Maßstäben genügenden Feststellungen des Landgerichts, der Angeklagte sei, als er von dem Geschädigten abließ, davon ausgegangen, dass dieser an den Messerstichen versterben könnte (UA 7), sind zwar durchaus naheliegend, werden aber durch die von der Kammer vorgenommene Beweiswürdigung nicht getragen.
9
a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts. Ihm obliegt es, sich aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden (§ 261 StPO). Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Vielmehr hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2015 – 5 StR 521/14, NStZ-RR 2015, 178, 179). Die Schlussfolgerungen des Tatgerichts brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 - 4 StR 420/14, NStZRR 2015, 148 mwN). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht insbesondere der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. Senat, Urteil vom 26. Oktober 2016 - 2 StR 275/16, juris Rn. 12). Zudem muss die tatrichterliche Beweiswürdigung auf einer nachvollziehbaren und tragfähigen Grundlage beruhen (BGH, Urteil vom 13. Juli 2016 – 1 StR 94/16, juris Rn. 9).
10
b) Diesen Maßstäben genügt die tatrichterliche Beweiswürdigung nicht.
11
(1) Die Kammer führt im Rahmen der Beweiswürdigung lediglich aus, „dieFeststellung zum Rücktrittshorizont des Angeklagten beruhen auf dessen Einlassung sowie den … bereits dargelegten glaubhaften Angaben der Zeugen G. und A. “ (UA 26). Diese Beweiswürdigung ist widersprüchlich bzw. lückenhaft.
12
(a) Die Widersprüchlichkeit zeigt sich zunächst darin, dass der Angeklagte nach der von der Kammer geschilderten Einlassung gerade nicht von einer lebensgefährlichen Verletzung des Nebenklägers ausging. Vielmehr führt das Urteil zur Einlassung des Angeklagten aus (UA 11), er habe ein Eindringen des Messers in den Körper nicht gespürt. Er habe kein Blut gesehen, auch die Messerklinge sei frei von Blutanhaftungen gewesen. Er habe gedacht, der Ge- schädigte habe nur weiche Knie bekommen. Wenngleich die Kammer diese Einlassung rechtsfehlerfrei für widerlegt erachtet hat, ergibt sich aus ihr jedenfalls nicht der angenommene Rücktrittshorizont des Angeklagten.
13
(b) Die Aussagen der Zeugen G. und A. sind ebenfalls nicht geeignet, den von der Kammer gezogenen Schluss auf den Rücktrittshorizont des Angeklagten zu unterlegen.
14
Nach der Darstellung der Kammer ist der Zeuge A. durch Schreie aufmerksam geworden und zum Tatort geeilt. Er beobachtete dort, dass der Angeklagte sich über den am Boden liegenden Nebenkläger beugte und diesen am Kragen festhielt (UA 25). Welche Rückschlüsse dies auf den Rücktrittshorizont des Angeklagten zulassen soll, ist im Urteil nicht dargestellt und bleibt deshalb offen.
15
Gleiches gilt für die Angaben des Zeugen G. , der aus dem vierten Stock seiner Wohnung den Angeklagten mit einem Messer über dem Nebenkläger beobachtete und sah, dass das Blut hinter dem Rücken des Nebenklägers auf den Boden lief. Er, G. , habe gedacht, dass sich der Nebenkläger an dem Wurzelwerk des Baumes, an dem er lag, „aufgeratscht“ habe (UA 25). Welchen Rückschluss diese Darstellung des Zeugen für die Beurteilung des Rücktrittshorizonts eröffnen soll, erschließt sich nicht und wird im Urteil nicht erörtert.
16
(2) Der Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist ebenfalls nicht geeignet , den Schluss der Kammer auf den Rücktrittshorizont des Angeklagten zu tragen.
17
(a) Zwar stellt die Kammer zutreffend darauf ab, dass der Angeklagte wusste, dass er zweimal mit dem Messer in sensible Körperbereiche des Ne- benklägers gestochen hatte. Zudem hatte er nach der insoweit rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung wahrgenommen, dass der Nebenkläger blutete. Hinsichtlich der zusätzlichen Annahmen der Kammer, der Angeklagte habe ferner realisiert , dass der Nebenkläger nicht mehr habe antworten können (UA 7), erweist sich das Urteil jedoch als lückenhaft. Denn diese Annahme findet in der Beweiswürdigung keine Stütze. Zudem hatte der Nebenkläger kurz zuvor mehrfach gerufen, „er solle aufhören, es tue ihm leid“. Wieso der Angeklagte unmittelbar danach davon ausgegangen sein soll, der Nebenkläger könne nicht mehr antworten, ist weder dem Gesamtzusammenhang des Urteils zu entnehmen, noch liegt dies nach den festgestellten Tatumständen auf der Hand.
18
(b) Letzlich ist deshalb auch die ohnehin missverständliche Formulierung der rechtlichen Würdigung (UA 31), der Angeklagte „musste nach alledem davon ausgehen, dass der Geschädigte an den Stichverletzungen sterben könne“, nicht tragfähig (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Mai 2007 – 3 StR 179/07, NStZ 2007, 634, 635).
19
3. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil auf dieser fehlerhaften Beweiswürdigung beruht. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Der aufgezeigte Mangel zwingt auch zur Aufhebung der für sich genommen rechtlich nicht zu beanstandenden Verurteilung wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung. Krehl Bartel Richterin am BGH Wimmer ist an der Unterschriftsleistung gehindert. Krehl Grube Schmidt

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 326/04
vom
25. November 2004
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25.
November 2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Athing,
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 5. April 2004 mit den Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2. In diesem Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung und wegen Geiselnahme zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich die Nebenklägerin mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision. Sie beanstandet die Verurteilung des Angeklagten wegen einer zu ihrem Nachteil begangenen gefährlichen Körperverletzung und erstrebt insoweit eine Verurteilung wegen versuchten Mordes in zwei Fällen.
Das entgegen dem auf Aufhebung des gesamten Urteils gerichteten Revisionsantrag nach der Revisionsbegründung auf die Anfechtung der Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung beschränkte (vgl. BGHR StPO § 344
Abs. 1 Antrag 3; Kuckein in KK-StPO 5. Aufl. § 344 Rdn. 5 m.w.N.) und demgemäß zulässige Rechtsmittel (§ 400 Abs. 1 StPO) hat Erfolg.

I.


1. Der Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung liegen folgende Feststellungen zugrunde:
Der Angeklagte wollte mit Hilfe des Zeugen R. seine persönlichen Sachen aus der Wohnung der Nebenklägerin, seiner früheren Lebensgefährtin , holen. Hierbei kam es zum Streit mit der Nebenklägerin. Als sie erklärte , sie habe eine sexuelle Beziehung zu einem anderen Mann, wurde der Angeklagte "ausbruchartig zunehmend aggressiver". Er zerstörte Einrichtungsgegenstände und bedrohte die Nebenklägerin mit einem Messer. Nach einer Rangelei mit dem Zeugen R. , der versuchte, den Angeklagten zurückzuhalten , verfolgte der Angeklagte die in das Schlafzimmer geflüchtete Nebenklägerin. Dort würgte er sie „mindestens 6 oder 7 Sekunden“ lang, um sie zu töten. Der Zeuge R. riß den Angeklagten schließlich von der Nebenklägerin weg.
Nachdem der Zeuge den Angeklagten von der Nebenklägerin getrennt hatte, machte der Angeklagte den Festnetzanschluß der Nebenklägerin unbrauchbar , nahm das Mobiltelefon an sich, um zu verhindern, daß die Nebenklägerin die Polizei anrief, und verließ mit dem Zeugen R. die im 7. Stockwerk des Hauses gelegene Wohnung. Im Hausflur kniete der Angeklagte einige Minuten zusammengekauert und weinend auf dem Boden. Der ZeugeR. und der Angeklagte fuhren dann mit dem Fahrstuhl ins Erd-
geschoß. Dort erklärte der Angeklagte dem Zeugen, er brauche seine Ruhe und wolle für sich allein sein.
Sodann ging der Angeklagte in den Keller des Hauses, holte aus einem Kellerraum ein Messer mit 20 cm Klingenlänge, fuhr mit dem Fahrstuhl hinauf in den 7. Stock und trat die Tür zur Wohnung der Nebenklägerin ein. Die Nebenklägerin war inzwischen in eine ein Halbgeschoß tiefer gelegene Wohnung geflüchtet und hatte mit der Mutter des Angeklagten und der Polizei telefoniert. Der Angeklagte, der möglicherweise im Flur die Stimme der Nebenklägerin gehört hatte, drang in die Wohnung ein und griff die Nebenklägerin - "immer noch" in Tötungsabsicht - mit dem Messer an. Er versetzte ihr einen mehrere Zentimeter tiefen Stich in den linken Brustkorb, der die Lunge verletzte und zu starken inneren Blutungen führte. Der Angeklagte entriß der Nebenklägerin den gemeinsamen Sohn Leon, den diese noch auf ihrem rechten Arm trug, warf ihn auf ein Sofa und versetzte der Nebenklägerin einen Stich in die linke Unterbauchseite , der zu einer 5 bis 6 cm großen äußeren Verletzung und einer zweifachen Durchtrennung des Dünndarms führte. Ohne notärztliche Versorgung wäre die Nebenklägerin binnen weniger Stunden an den Folgen der beiden Stichverletzungen durch Verbluten verstorben.
Dem Zeugen R. , der dem Angeklagten nachgeeilt war, gelang es, diesen nach einem Gerangel, in dessen Verlauf die Nebenklägerin weitere, geringfügigere Verletzungen erlitt, vorübergehend zu Boden zu bringen. Die Nebenklägerin flüchtete aus der Wohnung, ging über die Treppe zwei Stockwerke tiefer. Dort setzte sie sich, durch die Verletzungen geschwächt, zu Boden und bat eine vorbeikommende Hausbewohnerin um Hilfe. Als der Angeklagte , der sich inzwischen von dem Zeugen R. hatte losreißen können,
mit dem Messer in der Hand hinzukam, bat die Nebenklägerin ihn flehentlich, er möge doch endlich aufhören, es sei genug. Dabei zeigte sie ihm ihre Bauchwunde , aus der Darmschlingen hervorquollen. Der Angeklagte gab nunmehr sein Vorhaben, die Nebenklägerin zu töten, auf, flüchtete mit seinem Sohn Leon , den er der Nebenklägerin entriß, in das 7. Stockwerk, von dort auf das vor dem Haus stehende Baugerüst und drohte, mit seinem Sohn hinunterzuspringen , falls die Polizei eingreife.
2. Nach Auffassung des Landgerichts hat sich der Angeklagte durch die mit Tötungsvorsatz ausgeführten Verletzungshandlungen einer „tateinheitlich begangenen“ gefährlichen Körperverletzung (§§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2, 5 StGB) schuldig gemacht. Zwar liege ein „deutlicher zeitlicher Abstand“ zwischen dem Würgen und dem Messerangriff auf die Nebenklägerin. Es sei aber nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar, daß der Angeklagte den einmal gefaßten Tötungsvorsatz zwischenzeitlich aufgegeben und einen neuen Tatentschluß für den Angriff mit dem Messer gefasst habe. Da der Angeklagte sich schließlich entfernt habe, obwohl es für ihn ein leichtes gewesen sei, weitere Verletzungshandlungen mit Tötungsvorsatz auszuführen, sei er mit strafbefreiender Wirkung von dem versuchten Totschlag zurückgetreten. Zu seinen Gunsten sei von einem unbeendeten Versuch auszugehen, weil nicht aufklärbar sei, ob der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt habe erkennen können, daß er zur Vollendung der Tat alles Erforderliche getan hatte, mithin die Verletzungen der Nebenklägerin "sicher zum Tode geführt hätten".

II.


Sowohl die Annahme nur einer Tat im Rechtssinne zum Nachteil der Nebenklägerin als auch die Annahme eines unbeendeten Totschlagsversuchs begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
1. Daß der Angeklagte seinen einmal gefaßten Tötungsvorsatz während des mehraktigen Tatgeschehens nicht aufgegeben hat, vermag auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen die Annahme nur einer Tat im Rechtssinne nicht zu rechtfertigen.

a) Eine natürliche Handlungseinheit und damit eine Tat im materiellrechtlichen Sinne liegt bei einer Mehrheit gleichartiger strafrechtlich erheblicher Verhaltensweisen nach der Rechtsprechung vielmehr nur dann vor, wenn die einzelnen Betätigungsakte durch ein gemeinsames subjektives Element verbunden sind und zwischen ihnen ein derart unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht, daß das gesamte Handeln des Täters objektiv auch für einen Dritten als ein einheitliches zusammengehöriges Tun erscheint (vgl. BGHSt 41, 368; BGHSt 43, 381, 387; BGH NStE Nr. 39 zu § 24 StGB, jeweils m. w. N.). Auch für die Beurteilung einzelner Versuchshandlungen als eine natürliche Handlungseinheit ist eine solche Gesamtbetrachtung vorzunehmen (st. Rspr., vgl. BGHSt 40, 75, 76). Dabei begründet der Wechsel eines Angriffsmittels nicht ohne weiteres eine die Annahme einer Handlungseinheit ausschließende Zäsur (vgl. BGHSt 40, 75, 77; 41, 368, 369). Eine tatbestandliche Handlungseinheit endet jedoch mit dem Fehlschlagen des Versuchs (vgl. BGHSt 41, 268, 269; 44, 91, 94). Ein solcher Fehlschlag, der nach der Rechtsprechung einen Rücktritt aussschließt (vgl. BGHSt 34, 53, 56; 35, 90, 94; 39, 221, 228), liegt vor, wenn der Täter die Tat, wie er weiß, mit den bereits eingesetzten oder den zur Hand liegenden Mitteln nicht mehr ohne zeitliche Zäsur
vollenden kann (vgl. BGHSt 39, 221, 228; BGHSt 41, 368, 369; BGH NStZ-RR 2002, 168), so daß ein erneutes Ansetzen notwendig ist, um zu dem gewünschten Ziel zu gelangen (vgl. BGHSt 39, 221, 232; 41, 368, 369).

b) Nach diesen Grundsätzen legen die bisherigen Feststellungen - unbeschadet des fortbestehenden Tötungsvorsatzes - die Annahme zweier Taten im Rechtssinne nahe, durch die sich der Angeklagte jeweils des versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig gemacht hat:
Objektiv hat der Geschehensablauf durch das massive Eingreifen des Zeugen R. , das schließlich zur Beendigung des für die Nebenklägerin lebensgefährdenden Würgens und dazu führte, daß der Angeklagte die Wohnung der Nebenklägerin mit dem Zeugen verließ, eine Zäsur erfahren. War der Angeklagte durch das Eingreifen des Zeugen gehindert, die Nebenklägerin weiter zu würgen oder den angestrebten Taterfolg ohne zeitliche Zäsur mit anderen bereitstehenden Mitteln - etwa dem zuvor zur Drohung eingesetzten Messer - herbeizuführen, so war der Versuch, die Nebenklägerin in deren Wohnung zu töten, fehlgeschlagen. War der Versuch, die Nebenklägerin durch Würgen zu töten, fehlgeschlagen, kommt ein strafbefreiender Rücktritt gemäß § 24 Abs. 1 StGB nur hinsichtlich des zweiten, mittels eines Messers begangenen Totschlagsversuchs in Betracht.
2. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht insoweit die Annahme eines unbeendeten, durch bloße Aufgabe der weiteren Tatausführung rücktrittsfähigen Versuchs im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 StGB begründet
hat, beruhen jedoch auf einem unzutreffenden Ansatz zur Abgrenzung des unbeendeten vom beendeten Versuch.
Ein beendeter Versuch im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 StGB, der für die Straffreiheit Gegenmaßnahmen des Täters zur Erfolgsabwendung verlangt , liegt entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht erst bei Kenntnis vom sicheren Todesverlauf (vgl. BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Versuch, beendeter 4), sondern schon dann vor, wenn der Täter die naheliegende Möglichkeit des Erfolgseintritts erkennt, selbst wenn er ihn nunmehr weder will noch billigt (BGHSt 31, 170, 177; 33, 295, 300). Die Kenntnis der tatsächlichen Umstände , die den Erfolgseintritt nach der Lebenserfahrung nahe legen, reicht aus. Sie liegt bei gefährlichen Gewalthandlungen und schweren Verletzungen, insbesondere bei tief in den Brust- oder Bauchraum eingedrungenen Messerstichen , deren Wirkungen der Täter, wie hier, wahrgenommen hat, auf der Hand (BGHSt 39, 221, 231 m.w.N.; vgl. auch BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Versuch, beendeter 8; BGHR aaO Versuch, unbeendeter 13; BGH NStZ 1993, 279 f.; BGH, Urt. vom 2. Juli 1997 - 2 StR 248/97). Dies gilt auch dann, wenn der Täter bei unverändert fortbestehender Handlungsmöglichkeit mit einem tödlichen Ausgang zunächst noch nicht gerechnet hat, unmittelbar darauf jedoch erkennt, daß er sich insoweit geirrt hat (BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Versuch, beendeter 12). Unbeachtlich ist deshalb, ob der Angeklagte, weil die Nebenklägerin flüchten konnte, zunächst weitere Verletzungshandlungen für erforderlich gehalten hat und er eine umfassende Kenntnis der Umstände, die nach der Lebenserfahrung den Erfolgseintritt nahe legen, erst erlangte, als ihm die nunmehr am Boden sitzende Nebenklägerin ihre Bauchverletzung zeigte, aus der Darmschlingen hervorquollen.
Ein beendeter Versuch wäre im übrigen auch dann anzunehmen, wenn sich der Angeklagte bei Aufgabe der weiteren Tatausführung keine Vorstellungen über die Folgen seines Tuns gemacht hätte (vgl. BGHSt 40, 304, 306). Auch hiermit hätte sich das Landgericht vor einer Anwendung des Zweifelssatzes auseinandersetzen müssen, denn dieser greift erst nach abgeschlossener Würdigung aller Umstände ein (vgl. BGH, Urt. vom 2. Februar 1997- 2 StR 248/97).
3. Die Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung hat daher keinen Bestand. Die insoweit gebotene Aufhebung des Urteils hat die Aufhebung auch des Ausspruchs über die Gesamtstrafe zur Folge.
Da die Sache in diesem Umfang neu zu verhandeln und entscheiden ist, bedürfen die weiteren von der Revision gegen das Urteil erhobenen Einwendungen keiner Erörterung, zumal die Ausführungen der Revision zu den Mordmerkmalen der Heimtücke, der Mordlust und der Grausamkeit in den Urteilsgründen keine Stütze finden und nach den bisherigen Feststellungen die Annahme niedriger Beweggründe fern liegt.
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Sost-Scheible

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR521/14
vom
24. März 2015
in der Strafsache
gegen
wegen des Verdachts der schweren Vergewaltigung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
24. März 2015, an der teilgenommen haben:
Richter Prof. Dr. Sander
als Vorsitzender,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Prof. Dr. König,
Richter Dr. Berger,
Richter Bellay
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt K.
als Verteidiger,
Rechtsanwalt Ba.
als Vertreter der Nebenklägerin Bö. ,
Rechtsanwältin T.
als Vertreterin der Nebenklägerin H. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 24. März 2014 wird verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen und Betrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und ihn hinsichtlich weiterer vier Tatvorwürfe aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die Revision des Angeklagten hat der Senat im Beschlusswege gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision gegen die Freisprüche des Angeklagten wegen drei der weiteren ihm vorgeworfenen Straftaten. Das vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
2
1. Dem Angeklagten lag zur Last, in zwei Fällen jeweils eine schwere Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung begangen zu haben, indem er im Mai 2010 die Geschädigte Bö. und im Juni 2010 die Geschädigte H. durch heimliche Beibringung eines bewusstseinstrüben- den Mittels (sog. K.O.-Tropfen) in einen willenlosen Zustand versetzt und diesen jeweils zur Durchführung des Geschlechtsverkehrs ausgenutzt habe. Darüber hinaus war ihm vorgeworfen worden, eine räuberische Erpressung in Tateinheit mit Anstiftung zum Betrug verübt zu haben; er habe U. und L. unter Androhung körperlicher Repressalien dazu gebracht, dass L. unter Vortäuschung von Zahlungswilligkeit und -fähigkeit einen Mobilfunkvertrag abgeschlossen und anschließend dem Angeklagten das erlangte Mobiltelefon nebst SIM-Karte weisungsgemäß ausgehändigt habe.
3
2. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
4
a) Die Nebenklägerin Bö. lernte den Angeklagten über einen Chat kennen und verabredete sich mit ihm für den Abend des 12. Mai 2010. Begleitet von ihrer Freundin P. und einem Bekannten des Angeklagten besuchten sie eine Diskothek, in der sie Alkohol tranken und sich küssten. Als ihr aufgrund des Alkoholkonsums schlecht wurde, wurde sie von mehreren Personen vor die Diskothek gebracht. Anschließend fuhr sie mit dem Angeklagten in einem Taxi zu dessen Wohnung. Dabei war sie alkoholbedingt enthemmt; sie wusste jedoch noch, was sie tat, und konnte sich ihrem Willen entsprechend ohne erhebliche Beeinträchtigung steuern und äußern (UA S. 51). Nachdem sie, in der Wohnung angelangt, weiterhin unter Übelkeit gelitten hatte, zog sie sich aus, legte sich ins Bett und schlief ein. Am nächsten Morgen verließ die Nebenklägerin Bö. die Wohnung des noch schlafenden Angeklagten, ohne ihn zu wecken , weil ihr Verhalten ihr peinlich war. Sie ließ sich von ihrem ehemaligen Freund nach Hause bringen, mit dem sie noch am selben Abend an einer Feier teilnahm.
5
b) In der Nacht zum 3. Juni 2010 besuchte die Nebenklägerin H. , die „gerne Schnaps trank, diesen gut vertrug und am Vortag oderam Morgen des 3. Juni 2010 Crystal konsumiert hatte“ (UA S. 53), mit Freunden eine Diskothek. Dort traf sie den ihr bereits bekannten Angeklagten, mit dem sie früher „gelegentlich Zärtlichkeiten in nicht näher ermittelbarer Art“ (UA S. 52) ausge- tauscht hatte. Gemeinsam mit dem Angeklagten konsumierte sie innerhalb von zehn bis zwanzig Minuten jeweils zehn Gläser mit 4 cl „Wodka-Energy“. Etwa eine Stunde später fuhr sie mit dem Angeklagten und einem ihm Bekannten zu dessen Wohnung. Dort spielten sie bei weiterem Alkoholkonsum zu Dritt ein Spiel, in dessen Verlauf sie sich einzelne Kleidungsstücke auszogen und H. , die alkoholbedingt – lediglich – enthemmt ihre Mitspieler küsste. Außerdem kam es zwischen ihr und dem Angeklagten zum Geschlechtsverkehr. Nachdem sie zuvor ihren Freunden gegenüber telefonisch ihre baldige Rückkehr in die Diskothek angekündigt hatte, nutzte nicht ausschließbar der Bekannte des Angeklagten einen Toilettenbesuch H. s dazu, aus ihrem Mobiltelefon die SIM-Karte zu entfernen, zu zerbrechen und zu verstecken, weil er sich bei ihrem längeren Aufenthalt in seiner Wohnung einen intensiveren Austausch von Zärtlichkeiten mit ihr erhoffte. Gegen 6:00 Uhr schlief H. auf einem Sofa ein. Als sie kurz darauf wieder erwachte, war ihr aufgrund des vorangegangenen Alkohol- und Drogenkonsums schwindelig und ihr fiel ein, dass sie einen Termin beim Arbeitsamt hatte. Sie verließ die Wohnung und fuhr zunächst zu ihren Freunden, denen gegenüber sie über Schmerzen an den Oberschenkeln klagte und andeutete, sexuell bedrängt worden zu sein. Sie konsumierte Liquid Ecstasy und ließ sich von ihrer Hausärztin krankschreiben.
6
c) Am 22. Mai 2010 schloss L. auf Veranlassung seines Freundes U. einen Mobilfunkvertrag, der die Aushändigung eines Mobiltelefons umfasste. Hierbei täuschte er seine tatsächlich nicht bestehende Zahlungswilligkeit und -fähigkeit vor. Die bis zum 13. Juli 2010 angefallenen Tele- fonkosten in Höhe von 355 Euro entrichtete er nicht. Um sich weiteren Forderungen des Mobilfunkanbieters und Vorwürfen seiner Mutter zu entziehen, dachte er sich aus, dass der sich mittlerweile in Untersuchungshaft befindliche Angeklagte ihn und U. unter Ankündigung, diesen andernfalls töten zu wollen , gezwungen habe, den Vertrag abzuschließen.
7
3. Die angefochtenen Freisprüche halten sachlich-rechtlicher Nachprüfung stand.
8
a) Die Beweiswürdigung ist dem Tatgericht vorbehalten (§ 261 StPO). Spricht das Tatgericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies vom Revisionsgericht grundsätzlich hinzunehmen, da die Beweiswürdigung Sache des Tatgerichts ist. Der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt nur, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist, wenn sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder das Gericht überspannte Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt hat (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteil vom 10. Dezember 2014 – 5 StR 136/14 mwN). Dabei hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2013 – 4 StR 371/13, NStZ-RR 2014, 87; Sander in LR-StPO, 26. Aufl., § 261 Rn. 182 mwN).
9
b) Daran gemessen ist die Beweiswürdigung nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Landgericht die erforderliche Gesamtwürdigung der be- und entlastenden Umstände in jedem der angegriffenen Fälle vorgenommen und sich mit den Angaben der betroffenen Nebenklägerinnen ausführlich auseinandergesetzt. Die Schlussfolgerungen und Wertungen des Landgerichts sind tatsachenfundiert, lassen keine Rechtsfehler erkennen und halten sich im tatgerichtlichen Beurteilungsspielraum. Die Revision hat weder Widersprüche noch wesentliche Erörterungsmängel aufgezeigt. Die Beanstandungen der Revision zielen auf eine andere Bewertung von Tatsachen ab, die das Landgericht aber allesamt bedacht hat.
10
aa) Hinsichtlich der dem Angeklagten vorgeworfenen Tat zum Nachteil der Nebenklägerin Bö. hat das Landgericht nicht ausschließen können, dass deren Erinnerungsvermögen – entgegen ihren Angaben – bei alkoholbedingter Enthemmung nicht vorübergehend aufgehoben, sondern insgesamt erhalten geblieben war. Nachvollziehbar hat es das Landgericht insbesondere aufgrund der Aussage der Zeugin Br. für möglich gehalten, dass Bö. sich ein Erlebnis, das ihr die Zeugin Br. im Zusammenhang mit einer Verabreichung von „K.O.-Tropfen“ geschildert hatte, zu eigen gemacht habe, um eine freiwillige Übernachtung bei dem Angeklagten gegenüber ihrer Mutter und ihrem ehemaligen Freund zu rechtfertigen (UA S. 83 f.). Die Zeugin Br. war von der Mutter der Nebenklägerin um ein Gespräch mit ihrer Tochter gebeten worden, weil die Mutter vermutet hatte, dass es eine Verbindung mit dem ihr von Br. berichteten Geschehen gäbe (UA S. 73). Das Landgericht hat weiter bedacht, dass die Nebenklägerin ihre Angaben zur Aufnahme der alkoholischen Getränke, zu ihrer Erinnerungslücke und ihrem Zustand beim Erwachen gegenüber verschiedenen Personen im Zeitablauf verändert hatte. Es vermochte nicht festzustellen, dass sie zu ihren wechselnden Schilderungen (vgl. UA S. 69, 71) etwa durch gravierende Angstzustände oder eine erhebliche Beeinträchtigung des seelischen Befindens und der körperlichen Gesundheit veranlasst worden sein könnte, da sie am Abend nach dem Geschehen mit Freunden feierte und Geschlechtsverkehr hatte (UA S. 75). Vielmehr hat das Landgericht nicht ausschließen können, dass die Nebenklägerin und ihre Freundin P. frühzeitig Handlungen, soweit sie elterlichen Erwartungen nicht entsprachen, nicht oder nicht vollständig preisgegeben oder aber der Beigabe von „K.O.-Tropfen“ zugeschrieben hätten. Insoweit hatte das Landgericht neben der Aussage der Zeugin Br. auch die Angaben der Zeugin P. in deren polizeilicher Vernehmung zu berücksichtigen, in der sie einräumte, dass Bö. deren Mutter das Geschehen anders geschildert und sie „wohl angeschwindelt habe, weil sie Ärger befürchtet habe, wenn sie die Wahrheit sage“ (UA S. 79 f.). Gegen diese Beweiswürdigung ist nichts zu erinnern.
11
bb) In dem die Nebenklägerin H. betreffenden Fall ist das Landgericht von einem nicht ausschließbar einvernehmlichen Geschlechtsverkehr zwischen dem Angeklagten und H. ausgegangen. Es hat dabei sämtliche – fürsich genommen gewichtigen belastenden – Indizien, wie Schmerzen und eine schwache Unterblutung an der Oberschenkelinnenseite, Nachweis von Sperma des Angeklagten in der Scheide der Nebenklägerin und von Gammahydroxybuttersäure (GHB) im Urin der Nebenklägerin (UA S. 94, 96) erkannt und bewertet, sich aber nach umfassender Gesamtwürdigung im Ergebnis nicht von dem in der Anklage vorgeworfenen Tatgeschehen zu überzeugen vermocht. Das Landgericht hat der Nebenklägerin H. nicht geglaubt, dass sie sich nicht habe erinnern können, ob es jemals zwischen ihr unddem Angeklagten Zärtlichkeiten in ansonsten unbeeinträchtigten Situationen gegeben habe (UA S. 84, 87, 98). Es hat ferner bedacht, dass aus sachverständiger Sicht eine Substanz mit dem Wirkstoff GHB auch noch nach dem vorgeworfenen Tatgeschehen eingenommen worden sein könnte. Das Landgericht ist insofern zu dem – nach den Gesamtumständen möglichen – Schluss gekommen, dass H. , in deren Urin auch Amphetamine nachgewiesen worden sind, am nächsten Morgen in der Wohnung ihrer Drogen konsumierenden Freunde Liquid Ecstasy eingenommen hat. Auch haben sich für die sachverständig beratene Strafkammer die von der Nebenklägerin beschriebene Erinnerungslücke und der Umstand, dass sie beim nächtlichen Telefonat mit ihrer Freundin „durcheinander“ gewirkt habe, allein durch den massiven Alkoholkonsum und nicht durch die Einnahme eines Narkosemittels erklären lassen (UA S. 88, 97). Die gewissen Parallelen zu den weiteren Anklagevorwürfen der übrigen Nebenklägerinnen mit dem Angeklagten hat das Landgericht gesehen (UA S. 98), es vermochte sich jedoch letztlich insbesondere wegen der Alkoholgewöhnung und der wechselnden Angaben der Nebenklägerin H. zu ihrem Erinnerungsvermögen nicht von einer erheblichen Willensbeeinträchtigung bei Durchführung des Geschlechtsverkehrs zu überzeugen. Diese Würdigung hat der Senat angesichts des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs hinzunehmen.
12
c) Auf die wenig verlässlichen, von erheblichem Belastungseifer getragenen und zum Teil widersprüchlichen Angaben der Zeugen U. und L. hat die Strafkammer auch eingedenk der erst im August 2010 erfolgten Anzeigenerstattung zu Recht keine Verurteilung gestützt.
Sander Schneider König
Berger Bellay

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 420/14
vom
12. Februar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Februar
2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof – in der Verhandlung –,
Richterin am Landgericht – bei der Verkündung –
als Vertreterinnen des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Pflichtverteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 24. März 2014 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte vom Vorwurf des schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung freigesprochen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs und fahrlässigen unerlaubten Besitzes eines nach dem Waffengesetz verbotenen Gegenstandes zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Vom Vorwurf, einen (besonders) schweren Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie einen Diebstahl begangen zu haben, hat es den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Mit ihrer vom Generalbundesanwalt vertretenen, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen den hinsichtlich der Raubtat ergangenen Teilfreispruch.
2
Ausweislich der Ausführungen in der Revisionsrechtfertigung, mit denen die Beschwerdeführerin ausschließlich den Freispruch vom Vorwurf des schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung als sachlich-rechtlich fehlerhaft beanstandet, ist das Rechtsmittel ungeachtet des in der Revisionsbegründung abschließend formulierten umfassenden Aufhebungsantrags auf diesen Teilfreispruch beschränkt (vgl. BGH, Urteile vom 12. April 1989 – 3 StR453/88, BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3; vom 18. Dezember 2014 – 4 StR 468/14 Rn. 7 mwN; Gericke in KK-StPO, 7. Aufl., § 344 Rn. 7).
3
Die wirksam beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

I.


4
Zu dem in der zugelassenen Anklage gegen den Angeklagten erhobenen Vorwurf, gemeinsam mit einem bislang unbekannten Täter einen schweren Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung begangen zu haben, hat die Strafkammer folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
5
In den frühen Morgenstunden des 10. Juli 2013 gegen 2.00/2.30 Uhr klingelte es an der Wohnungstür des Geschädigten. Unbedarft öffnete er die Wohnungstür und erblickte zwei schwarz gekleidete und mit Sturmhauben maskierte männliche Personen, welche ihn unvermittelt zurück in seine Wohnung drängten und zu Boden zwangen. Einer der beiden Männer hielt einen schwarzen, etwa 50 bis 80 cm langen Schlagstock in der Hand und fuchtelte mit diesem herum, wobei er den Geschädigten auch am linken Unterarm traf. Während einer der beiden maskierten Männer den Geschädigten mit dem Fuß auf dem Brustkorb am Boden hielt, trug der andere verschiedene elektronische Geräte in der Wohnung zusammen. Er holte einen Rucksack aus dem Schlafzimmer und verstaute darin einen Laptop Sony Vaio, eine Playstation 3 sowie eine Toshiba Festplatte. Ferner stellte er ein Mischpult Traktor Kontrol S2, welches sich in einem Karton befand, zur Mitnahme bereit. Anschließend forderten die Täter den Geschädigten auf, sowohl seine Geldbörse als auch sein Mobiltelefon , ein Apple iPhone 4-8 GB, herauszugeben. Aus Angst und unter dem Eindruck des Überfalls stehend übergab der Geschädigte die geforderten Gegenstände. In der Geldbörse befanden sich u.a. der Personalausweis, der Führerschein und die Krankenkassenkarte des Geschädigten. Unter Mitnahme der genannten Gegenstände verließen die Täter sodann die Wohnung.
6
Das Mobiltelefon des Geschädigten verkaufte der Angeklagte am 22. Juli 2013 für 130 € an den Bruder seiner ehemaligen Freundin, nachdem er es in der Zeit vom 12. Juli 2013 bis zum Verkauf selbst genutzt hatte. Das entwendete Laptop nutzte der Angeklagte vom 12. Juli bis 15. Juli 2013 und veräußerte es anschließend für 100 € an seine ehemalige Freundin. Bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten konnten am 22. Juli 2013 das Mischpult des Geschädigten sowie dessen Führerschein und Krankenkassenkarte aufgefunden werden.
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Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Beteiligung an dem Raubüberfall zum Nachteil des Geschädigten freigesprochen, weil nicht habe festgestellt werden können, wie der Angeklagte an die Gegenstände aus der Tatbeute gelangt sei. Die tatsächlichen Voraussetzungen für eine wahldeutige Verurteilung wegen Diebstahls oder Hehlerei hat es verneint.

II.


8
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet. Die dem Teilfreispruch zugrunde liegende Beweiswürdigung hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
9
1. Das Revisionsgericht hat es regelmäßig hinzunehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, denn die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1966 – 1 StR 305/66, BGHSt 21, 149, 151). Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 – 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 18. Januar 2011 – 1 StR 600/10, NStZ 2011, 302; vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16). Insbesondere sind die Beweise erschöpfend zu würdigen (BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 – 4 StR 441/78 aaO). Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2012 – 4 StR 360/12, NStZ 2013, 180). Aus den Urteilsgründen muss sich ferner ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (vgl. BGH, Urteil vom 10. August 2011 – 1 StR 114/11, NStZ 2012, 110, 111). Rechtsfehlerhaft ist eine Beweiswürdigung schließlich dann, wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt sind (vgl. BGH, Urteile vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97 aaO; vom 26. Juni 2003 – 1 StR 269/02, NStZ 2004, 35, 36). Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (vgl. BGH, Urteile vom 17. Juli 2014 – 4 StR 129/14 Rn. 7; vom 18. August 2009 – 1 StR 107/09, NStZ-RR 2010, 85, 86; vom 21. Oktober 2008 – 1 StR 292/08, NStZ-RR 2009, 90, 91).
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2. Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht in jeder Hinsicht gerecht.
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a) Die Strafkammer hat die Einlassung des Angeklagten, er sei, nachdem er am Tattag bis gegen 1.00 Uhr bzw. 1.30 Uhr bei seiner Schwester gewesen sei, von dort an die Schwimmhalle in Bitterfeld gefahren worden, wo er seinen Bekannten K. O. getroffen habe, der ihm „schöne Dinge“ angeboten und gefragt habe, ob er daran Interesse habe, als unglaubhaft bewertet. Dabei hat sie sich u.a. auf die Zeugenaussage der Schwester des Angeklagten gestützt, die bekundet hat, den Angeklagten gegen 1.00 Uhr bzw. 1.30 Uhr gemeinsam mit einer Freundin von ihr zur Haustür begleitet, ihn anschließend aber nicht zur Schwimmhalle gefahren zu haben. Wenn das Landgericht dieses Beweisergebnis dahingehend bewertet, dass dem Angeklagten für die Tatzeit ein Alibi fehlt (UA S. 22), liegt dem ersichtlich die Annahme zugrunde, dass es dem Angeklagten nach den zeitlichen und räumlichen Gegebenheiten möglich war, nach dem Verlassen der Wohnung der Schwester um 1.00 Uhr bzw. 1.30 Uhr die wenig später um 2.00/2.30 Uhr verübte Raubtat zu begehen. Die objektiv belegte Gelegenheit zur Tatausführung, die daraus resultiert, dass der Angeklagte maximal 1 ½ Stunden vor der Tat in der eine Tatausführung ermöglichenden Nähe zum Tatort unterwegs war, stellt aber ein den Angeklagten belastendes Indiz dar, das in seinem Beweiswert durch den bloßen Hinweis auf das fehlende Alibi zur Tatzeit nicht erschöpfend erfasst wird und daher in die tatrichterlichen Überlegungen hätte einbezogen werden müssen.
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b) Im Rahmen der Gesamtwürdigung der Beweisergebnisse wäre zudem zu erörtern gewesen, dass der Angeklagte nicht nur über ohne weiteres selbst zu nutzende oder wirtschaftlich verwertbare Gegenstände aus der Beute verfügte , sondern mit dem Führerschein und der Krankenkassenkarte des Geschädigten auch solche Beutestücke in Besitz hatte, denen kein unmittelbarer Vermögenswert zukommt und für deren Überlassung durch einen Raubtäter kein nachvollziehbarer Anlass erkennbar ist.
13
c) Mit seiner der Ablehnung einer wahldeutigen Verurteilung zugrunde liegenden Annahme, der Erwerb der Gegenstände aus der Beute könne auch auf einem dritten Weg erfolgt sein, der in seiner konkreten Gestalt nicht näher bekannt sei, hat die Strafkammer schließlich eine Sachverhaltsvariante für möglich erachtet, für welche sich aus dem Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte ergeben. Soweit die Strafkammer in der Unglaubhaftigkeit der Schilderung des Angeklagten über den (hehlerischen) Erwerb der Gegenstände von seinem Bekannten K. O. einen Anhalt für ihre Annahme gesehen hat, hat sie verkannt, dass der widerlegten Einlassung des Angeklagten keine Beweisbedeutung zukommt, die gegen eine anderweitige hehlerische Erlangung der Beutestücke durch den Angeklagten spricht. Das Landgericht hat es insoweit versäumt, eine umfassende Würdigung aller Beweisumstände vorzunehmen und auf dieser Grundlage zu prüfen und zu entscheiden, ob die Beweisergebnisse die Überzeugung zu tragen vermögen, dass der Angeklagte die Gegenstände aus der Tatbeute entweder durch die Raubtat oder im Wege der Hehlerei erlangt hat.
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin
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Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 - 4 StR 420/14, NStZRR 2015, 148 mwN). Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Vielmehr hat es die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2015 - 5 StR 521/14, NStZ-RR 2015, 178, 179). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 1. Juni 2016 - 1 StR 597/15, Rn. 27, zit. nach juris, mwN [insoweit in NStZ-RR 2016, 272 nicht abgedruckt]). Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen , erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Aus den Urteilsgründen muss sich ferner ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden. Rechtsfehlerhaft ist eine Beweiswürdigung schließlich dann, wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt worden sind. Dabei ist es weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (vgl. etwa Senat, Urteil vom 22. September 2016 - 2 StR 27/16, Rn. 26, zit. nach juris mwN).
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a) Die Beweiswürdigung ist dem Tatgericht vorbehalten (§ 261 StPO). Es obliegt allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind (siehe nur BGH, Beschlüsse vom 7. August 2014 – 3 StR 224/14 Rn. 5 [in NStZ-RR 2014, 349 nur redaktioneller Leitsatz] und vom 25. Februar 2015 – 4 StR 39/15 Rn. 2 [NStZ-RR 2015, 180 nur redaktioneller Leitsatz]). Der Beur- teilung durch das Revisionsgericht unterliegt nur, ob dem Tatgericht Rechtsfeh- ler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist, wenn sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder das Gericht überspannte Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt hat (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 10. Dezember 2014 – 5 StR 136/14 mwN und vom 15. Dezember 2015 – 1 StR 236/15, Rn. 18; BGH, Beschluss vom 25. Februar 2015 – 4 StR 39/15 Rn. 2 [NStZ-RR 2015, 180 nur redaktioneller Leitsatz]). Dabei hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteile vom 5. Dezember 2013 – 4 StR 371/13, NStZ-RR 2014, 87 und vom 15. Dezember 2015 – 1 StR 236/15 Rn. 18; siehe auch BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 – 4 StR 569/15 Rn. 26; Sander in LR-StPO, 26. Aufl., § 261 Rn. 182 mwN). Die Überzeugung des Tatgerichts muss in den Feststellungen und der diesen zugrunde liegenden Beweiswürdigung allerdings eine ausreichende objektive Grundlage finden (BGH, Urteil vom 19. April 2016 – 5 StR 594/15 Rn. 6; vgl. auch BGH, Beschluss vom 22. August 2013 – 1 StR 378/13, NStZ-RR 2013, 387, 388). Es ist im Fall einer Verurteilung des Angeklagten grundsätzlich verpflichtet, die für den Schuldspruch wesentlichen Beweismittel im Rahmen seiner Beweiswürdigung heranzuziehen und einer erschöpfenden Würdigung zu unterziehen (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 20. März 2002 – 5 StR 448/01 und vom 25. Februar 2015 – 4 St4 StR 39/15 Rn. 2 [NStZ-RR 2015, 180 nur redaktioneller Leitsatz]).

(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern.

(2) Sind an der Tat mehrere beteiligt, so wird wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert. Jedoch genügt zu seiner Straflosigkeit sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, wenn sie ohne sein Zutun nicht vollendet oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird.

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1. Der Annahme von Freiwilligkeit im Sinne des § 24 Abs. 1 StGB steht es nicht von vornherein entgegen, dass der Anstoß zum Umdenken von außen kommt oder die Abstandnahme von der Tat erst nach dem Einwirken eines Dritten erfolgt. Entscheidend ist vielmehr, dass der Täter die Tatvollendung aus selbstgesetzten Motiven nicht mehr erreichen will und dementsprechend „Herr seiner Entschlüsse“ geblieben ist (BGH, Beschlüsse vom 24. Oktober 2017 – 1 StR 393/17 und vom 3. April 2014 – 2 StR 643/13, NStZ-RR 2014, 241 mwN).
12
Freiwilligkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor, wenn der Täter "Herr seiner Entschlüsse" geblieben ist und die Ausführung seines Verbrechensplans noch für möglich gehalten hat, er also weder durch eine äußere Zwangslage daran gehindert noch durch seelischen Druck unfähig geworden ist, die Tat zu vollbringen. Maßgebliche Beurteilungsgrundlage ist insoweit nicht die objektive Sachlage, sondern die Vorstellung des Täters hiervon. Der Annahme von Freiwilligkeit steht es dabei nicht von vornherein entgegen, dass der Anstoß zum Umdenken von außen kommt oder das Abstandnehmen von der Tat erst nach dem Einwirken eines Dritten erfolgt. Entscheidend für die Annahme von Freiwilligkeit ist, dass der Täter die Tatvollendung aus selbstgesetzten Motiven nicht mehr erreichen will (BGH, Beschluss vom 22. April 2015 – 2 StR 383/14, StV 2015, 687, 688 Rn. 9 mwN).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 6 4 3 / 1 3
vom
3. April 2014
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 3. April 2014 gemäß § 349 Abs. 4
StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten K. und I. wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 3. Juni 2013 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und den Angeklagten I. wegen versuchter Strafvereitelung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, die es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die Revisionen der Angeklagten haben mit der Sachrüge Erfolg.
2
I. Die Verurteilung des Angeklagten K. wegen versuchten Totschlags hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Es kann dahinstehen, ob schon - wie die Revision des Angeklagten K. meint - die Beweiswürdigung der Schwurgerichtskammer an durchgreifenden rechtlichen Mängeln leidet. Denn das Landgericht hat einen Rücktritt des Angeklagten K. vom versuchten Tötungsdelikt mit einer rechtsfehlerhaften Begründung abgelehnt.
3
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts gerieten der Angeklagte K. und der Geschädigte Kü. in einen Streit, der mit einer Beleidigung durch den Geschädigten, die der Angeklagte erwiderte, seinen Ausgang nahm und schließlich in eine körperliche Auseinandersetzung mündete. Der Geschädigte schlug den Angeklagten, der zu diesem Zeitpunkt bereits - vom Geschädigten zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht bemerkt - ein Einhandmesser in der Hand hielt, ins Gesicht, worauf sich beide gegenseitig an den Oberarmen griffen und miteinander rangen. Sie kamen zu Fall, setzten ihre Auseinandersetzung aber am Boden fort. Der Angeklagte führte das Messer nunmehr auch in Richtung des später Geschädigten, der die Hand zunächst abblocken konnte und schließlich - als der Angeklagte mit seiner anderen Hand nachgriff - aus Angst vor Stichen in den Ringfinger von dessen linker Hand biss. Zeitgleich oder unmittelbar auf den Biss folgend versetzte der Angeklagte dem weiter auf dem Boden liegenden Geschädigten mit dem Messer zwei Stiche in den Bereich des linken Mittelbauchs, wobei er den Tod des Opfers billigend in Kauf nahm. Mittlerweile war der Zeuge S. , der als zufälliger Passant auf das Geschehen aufmerksam geworden war, hinzugetreten. Er richtete eine von ihm mitgeführte pistolenähnliche Anscheinswaffe auf den Angeklagten und forderte ihn lautstark zum Aufhören auf. Dieser sah sich zur weiteren Tatausübung nicht mehr in der Lage, erhob und entfernte sich - das Tatmesser weiter in der Hand haltend - vom Tatort (UA S. 6 f.).
4
Das Landgericht, das offenbar vom Vorliegen eines unbeendeten Tötungsversuchs ausgegangen ist, hat einen strafbefreienden Rücktritt vom Tötungsversuch verneint; der Angeklagte K. habe von der Fortführung der Tat nur deshalb abgelassen, weil der Zeuge S. ihn unter Vorhalten einer pistolenähnlichen Anscheinswaffe zum Aufhören aufgefordert habe. Die Tataufgabe sei deshalb nicht freiwillig erfolgt, ginge vielmehr auf das Einschreiten des Zeugen zurück (UA S. 40).
5
2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Freiwilligkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor, wenn der Täter "Herr seiner Entschlüsse" geblieben ist und die Ausführung seines Verbrechensplans noch für möglich gehalten hat, er also weder durch eine äußere Zwangslage daran gehindert noch durch seelischen Druck unfähig geworden ist, die Tat zu vollbringen. Maßgebliche Beurteilungsgrundlage ist insoweit nicht die objektive Sachlage, sondern die Vorstellung des Täters hiervon (vgl. nur BGH NStZ-RR 2014, 9 f. mwN). Der Annahme von Freiwilligkeit steht es dabei nicht von vornherein entgegen, dass der Anstoß zum Umdenken von außen kommt (BGH NStZ-RR 2010, 366 f.) oder die Abstandnahme von der Tat erst nach dem Einwirken eines Dritten erfolgt (s. BGH NStZ 1988, 69 f.). Entscheidend für die Annahme von Freiwilligkeit ist, dass der Täter die Tatvollendung aus selbstgesetzten Motiven nicht mehr erreichen will (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2013 - 2 StR 289/13).
6
Unter Zugrundelegung dieses rechtlichen Maßstabs tragen die Feststellungen des Landgerichts den Ausschluss eines strafbefreienden, freiwilligen Rücktritts des Angeklagten nicht.
7
Das Landgericht hat insoweit lediglich festgestellt, dass der Zeuge S. den Angeklagten unter Vorhalten einer pistolenähnlichen Waffe zum Aufhören aufgefordert und dieser deshalb von der weiteren Tatbegehung abgelassen habe. Ob aber allein dieser Umstand geeignet war, eine äußere Zwangslage zu schaffen, die den Angeklagten hinderte, die Tat fortzusetzen, lässt sich den Feststellungen des Landgerichts nicht zweifelsfrei entnehmen. Das Schwurgericht hat sich insoweit auf die Angaben des Zeugen S. gestützt, der angegeben hat, die Stiche wahrgenommen, nach Hinzutreten zu den am Boden Kämpfenden umgehend seine Anscheinswaffe auf den Angeklagten , der ihm den Rücken zugewandt habe, gerichtet und "Aufhören" ge- schrieen zu haben (UA S. 29). Auch wenn der Zeuge S. weiter versicherte , der Angeklagte habe ihn - entgegen dessen Bekundung - "wahrgenommen" , belegt dies noch nicht das Vorliegen einer äußeren Zwangslage, die das Landgericht in der Sache damit begründet hat, dass der Zeuge S. den Angeklagten unter Vorhalten einer pistolenähnlichen Anscheinswaffe zum Aufhören aufgefordert habe. Hätte der Angeklagte den Zeugen S. mit auf ihn gerichteter Waffe gesehen, könnte dies zwar die Annahme einer äußeren Zwangslage durch das Landgericht stützen; ob dies aber der Fall gewesen ist, lässt sich den insoweit nicht eindeutigen Äußerungen des Zeugen S. nicht entnehmen, der lediglich davon gesprochen hat, der Angeklagte habe ihn "wahrgenommen". Dies lässt offen, ob der Angeklagte nur das Rufen des Zeugen S. gehört oder ob er ihn auch gesehen hat. Sollte der Angeklagte aber nur die Rufe des herbeigeeilten Zeugen vernommen haben, ohne zu wissen , dass dieser seine Aufforderung mit einer gezogenen Waffe unterstützte, würde dies die Möglichkeit eines freiwilligen Rücktritts nicht ausschließen. Weitergehende Zweifel daran, dass der Angeklagte den Zeugen S. tatsächlich nicht gesehen hat, ergeben sich im Übrigen daraus, dass dieser nach den Feststellungen des Landgerichts im Rücken des Angeklagten stand (UA S. 29). Da sich auch aus anderen Umständen, insbesondere auch nicht aus den Angaben der Zeugin A. , deren Kenntnis es sich entzog, warum der Angeklagte aufgestanden und weggegangen sei (UA S. 30), nicht erschließt, dass der Angeklagte nicht freiwillig von der Tat abgelassen hat, bleibt letztlich offen, ob die gegenteilige Annahme des Landgerichts auf tragfähigen Feststellungen beruht.
8
3. Der aufgezeigte Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Schuldspruchs sowie sämtlicher Feststellungen, die nicht nur hinsichtlich des Rücktrittgesche- hens, sondern auch in Bezug auf die eigentliche Tat auf die Bekundungen des Zeugen S. gestützt waren. Der neue Tatrichter soll Gelegenheit zu einer widerspruchsfreien und in sich schlüssigen Würdigung des Gesamtgeschehens erhalten.
9
II. Die Aufhebung der Verurteilung des Angeklagten K. entzieht ohne Weiteres dem Schuldspruch gegen den Angeklagten I. die Grundlage. Auch insoweit bedarf die Sache neuer Verhandlung und Entscheidung. Schmitt Krehl Eschelbach Ott Zeng