Bundesgerichtshof Urteil, 08. Aug. 2017 - 1 StR 519/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:080817U1STR519.16.0
08.08.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 519/16
vom
8. August 2017
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbsmäßiger unerlaubter Veranstaltung eines Glücksspiels u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:080817U1STR519.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8. August 2017, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Jäger, Bellay und die Richterinnen am Bundesgerichtshof Cirener, Dr. Hohoff,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als Verteidiger, Regierungsrätin als Vertreterin des Finanzamts Chemnitz-Süd, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 8. April 2016 mit den Feststellungen aufgehoben
a) soweit der Angeklagte wegen gewerbsmäßiger unerlaubter Veranstaltung eines Glücksspiels in 73 Fällen verurteilt worden ist;
b) im gesamten verbleibenden Strafausspruch.
2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das oben genannte Urteil im Gesamtstrafausspruch und im Ausspruch über die Kompensation für die unangemessene Verfahrensdauer aufgehoben.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Rechtsmittel – an eine andere als Wirtschaftsstrafkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
4. Die weitergehenden Rechtsmittel werden verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger unerlaubter Veranstaltung eines Glücksspiels in 73 Fällen in Tatmehrheit mit Steuerhin- terziehung in sieben Fällen, „jeweils im besonders schweren Fall“ zu einer Ge- samtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und einer Gesamtgeldstrafe von 340 Tagessätzen zu je 15 Euro verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe hat es zur Bewährung ausgesetzt und von dieser Strafe vier Monate und von der Gesamtgeldstrafe 40 Tagessätze für vollstreckt erklärt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die nicht ausgeführte Sachrüge gestützten Revision. Die Staatsanwaltschaft erhebt eine Verfahrensrüge und beanstandet die Verletzung sachlichen Rechts.

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Der Angeklagte war Geschäftsführer der „N. GmbH“, die in mehreren Städten Spielotheken betrieb und in Gaststätten Automaten aufstellte. Zwischen dem 1. Januar 2006 und dem 2. Dezember 2008 waren in den Spielotheken 73 Unterhaltungsspielgeräte in Betrieb, die Gewinnmöglichkeiten vorsahen und mit am Tresen zu erwerbenden sogenannten Token, einer Art Spielmünze, vom Kunden bedient wurden. Diese Gewinne wurden entweder bis zur Barauszahlung als aufaddierte Punkte auf internen Konten gespeichert „und/oder“ durch Auszahlung von Token oder von 5-DM- Münzen realisiert. Zumindest den Stammspielern wurden diese Token oder 5-DM-Münzen vom Personal der Spielotheken in Euro umgetauscht. Diese ihm bekannte Verfahrensweise duldete der Angeklagte. Ihm war gleichfalls bekannt, dass die Automaten wegen Verstoßes gegen § 13 der Spielverordnung seit dem 1. Januar 2006 nicht mehr genehmigungsfähig waren und er deswegen von der Stadt L. zur Entfernung dieser Geräte aus den Spielotheken aufgefordert worden war. Durch den Betrieb dieser Geräte im Tatzeitraum sicherte sich der Angeklagte eine nicht unerhebliche Einnahmequelle zur Finanzierung seines Lebensunterhaltes, was er billigend in Kauf nahm.
4
2. Für die Veranlagungszeiträume 2001 bis 2007 gab der Angeklagte bewusst falsche Steuererklärungen ab. Darin waren seine Umsätze aus dem Spielautomatenbetrieb nur unvollständig erfasst und erklärt. Hierzu hatte er zuvor die Auslesung der Automaten manipuliert, nicht alle Automaten ausgelesen und nicht alle Ausleseergebnisse in die Aufstellung der Erlöse übernommen, die er den Steuererklärungen zugrunde legte. Für das Jahr 2001 war hiervon die Einkommensteuerklärung erfasst, für das Jahr 2002 waren die Einkommenund Körperschaftsteuererklärung sowie für die Jahre 2003 bis 2007 die Einkommen -, Umsatz- und Körperschaftsteuererklärungen erfasst. Infolge dieser falschen Angaben wurde vom Finanzamt die jeweilige Steuer zu niedrig festgesetzt , was vom Angeklagten beabsichtigt war. Zwar kannte er die genauen Beträge seiner Gewinne nicht, er rechnete aber mit einem verkürzten jährlichen Steuerbetrag von mehr als 50.000 €. Für die Veranlagungszeiträumen 2001 bis 2007 errechnete das Landgericht eine Verkürzung von Steuern in der Höhe von insgesamt 922.181 €.
5
Grundlage dieser Berechnung war eine Schätzung der tatsächlich erzielten Einkünfte des Angeklagten aus Geldspiel- und Unterhaltungsautomaten. Diese Schätzung ist auf einen monatlichen Durchschnittsumsatz für das Unternehmen des Angeklagten und einen Schätzzuschlag gestützt. Dieser beläuft sich auf 800 € monatlich für Geldspielgeräte und 400 € monatlich für Unterhal- tungsautomaten. Für das Jahr 2001 ist eine Zuschätzung für 80 Automaten, für 2002 für 90 Automaten, für 2003 und 2004 für je 100 Automaten, für 2005 und 2006 für je 120 Automaten und für 2007 für 145 Automaten erfolgt.
6
3. Der Angeklagte hat eingeräumt, um die Unzulässigkeit der betriebenen Spielautomaten gewusst und dennoch deren Betrieb geduldet zu haben.
7
Er hat weiter eingeräumt, für die Veranlagungszeiträume 2001 bis 2007 geringere Einnahmen als tatsächlich erzielt in den Steuererklärungen angegeben zu haben. Ausleselücken bei den Geldspielgeräten habe es aber nicht gegeben , es seien auch alle aufgestellten Geräte ausgelesen worden und das Ausleseergebnis sei komplett in die „MAS-Dateien“ übernommen worden. Die- se Dateien seien daher korrekt, die Steuererklärungen jedoch falsch. Nur für einen Monat sei mittels Auslesesoftware die Auslesung manipuliert gewesen. Er habe „hier und da mal mehr Geräte laufen gehabt als angegeben“, diese Lücken beträfen nur die Unterhaltungsgeräte.
8
Demgegenüber hat sich das Landgericht von weitergehenden Manipulationen der Erlöse aus dem Automatengeschäft auch hinsichtlich der Gewinnspielgeräte überzeugt. Dies stützt es auf Ungereimtheiten der Auslesedokumentation und den Umstand, dass der Angeklagte einen Monat vor der Durchsuchung im März 2008 sieben Geldspielautomaten mehr aufgestellt gehabt habe , als er abgerechnet habe sowie dass im Jahr 2003 ein Gerät schon 14 Tage vor der erstmaligen Auslesung in Betrieb gewesen sei.

II.


Die Revision des Angeklagten
9
1. Der Schuldspruch wegen gewerbsmäßiger unerlaubter Veranstaltung eines Glücksspiels in 73 Fällen kann keinen Bestand haben.
10
Zwar ist angesichts der ausreichend belegten Feststellung, dass die Gewinnspielautomaten nicht zulassungsfähig waren, der Anwendungsbereich des § 284 StGB eröffnet (vgl. Graf/Jäger/Wittig/Bär, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht , 2. Aufl., § 284 StGB Rn. 31; Erbs/Kohlhaas/Ambs, GewO, Stand: Juli 2015, § 33c Rn. 10; LK-StGB/Krehl, 12. Aufl., § 284 Rn. 22; jeweils auch zur Abgrenzung zum Anwendungsbereich der §§ 33c ff., § 144 Abs. 1, § 148 Nr. 1 GewO). Es ist aber nicht hinreichend belegt, dass es sich bei den Automaten um Glücksspielgeräte im Sinne des § 284 Abs. 1 StGB handelt.
11
a) Das Wesen eines solchen Glücksspiels besteht nach allgemeiner Auffassung darin, dass die Entscheidung über Gewinn und Verlust nach den Vertragsbedingungen nicht wesentlich von den Fähigkeiten, den Kenntnissen und der Aufmerksamkeit der Spieler abhängt, sondern allein oder hauptsächlich vom Zufall (BGH, Urteil vom 28. November 2002 – 4 StR 260/02, JR 2003, 342; Beschluss vom 11. Januar 1989 – 2 StR 461/88, BGHSt 36, 74, 80; Urteil vom 18. April 1952 – 1 StR 739/51, BGHSt 2, 274, 276). Ob dies auf die vom Angeklagten betriebenen Spielautomaten zutrifft, wird durch die Feststellungen nicht belegt. Denn die Funktionsweise der Automaten wird nicht beschrieben, weswegen offen bleibt, ob es sich nicht um Automaten handelt, bei denen die Entscheidung über Gewinn und Verlust wesentlich von den Fähigkeiten sowie vom Grad der Aufmerksamkeit der Spieler abhängt. Allein die hierzu mitgeteilten Namen der Automaten wie z.B. „Videostar“ oder „Hellraiser“ geben hierzu keine Auskunft.
12
b) Um Glücksspiel im Sinne des § 284 StGB annehmen zu können, bedarf es zudem eines nicht unerheblichen Einsatzes eines Vermögenswertes (BGH, Beschluss vom 29. September 1986 – 4 StR 148/86, BGHSt 34, 171, 176 f. mwN; BayObLG, Urteil vom 12. Dezember 2002 – 5 St RR 296/2002, JR 2003, 386, 387; BeckOK StGB/Feilcke/Hollering, 34. Edition, § 284 Rn. 11; Satzger/Schluckebier/Widmaier/Rosenau, StGB, 3. Aufl., § 284 Rn. 6; Wohlers, JR 2003, 388). Einsatz ist jede Vermögensleistung, die in der Hoffnung auf Gewinn und mit dem Risiko des Verlustes an den Gegenspieler oder Veranstalter erbracht wird, wobei es sich wegen der notwendigen Abgrenzung zum bloßen Unterhaltungsspiel um einen Einsatz handeln muss, der nicht ganz unbeträchtlich ist (BGH aaO; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 284 Rn. 5; Wohlers aaO; NK-StGB/Gaede, 5. Aufl., § 284 Rn. 13). Auch das Vorliegen dieses Erfordernisses wird durch die Feststellungen nicht belegt. Mit welchen Einsätzen gespielt wird und wie lange es ohne Erzielung eines Gewinns dauert, diesen Einsatz zu verspielen, teilt das Urteil nicht mit. Es kann aber nicht beurteilt werden, ob es sich um einen nicht ganz unbeträchtlichen Einsatz handelt. Damit bleibt offen, ob es sich überhaupt um ein dem § 284 StGB unterfallendes Glücksspiel und nicht nur um ein Unterhaltungsspiel handelt.
13
Ob ein Einsatz als nicht ganz unbeträchtlich einzuordnen ist, bestimmt sich jedenfalls bei jedermann offen stehenden Glücksspielen nach den gesellschaftlichen Anschauungen (RG, Urteil vom 28. Mai 1889 – Rep. 1039/89, RGSt 19, 253 f.; OLG Köln, Urteil vom 19. Februar 1957 – Ss 417/56, NJW 1957, 721; LK-StGB/Krehl, 12. Aufl., § 284 Rn. 12; NK-StGB/Gaede, 5. Aufl., § 284 Rn. 13; vgl. auch BGH, Urteil vom 28. September 2011 – I ZR 93/10, GRUR 2012, 201, 206). Dabei kann das Kriterium des erforderlichen Aufwands für eine anderweitige unterhaltende Veranstaltung zur Orientierung herangezogen werden (MünchKomm StGB/Hohmann, 2. Aufl., § 284 Rn. 11;NK-StGB/ Gaede aaO; Satzger/Schluckebier/Widmaier/Rosenau, StGB, 3. Aufl., § 284 Rn. 6; Schönke/ Schröder/Heine/Hecker, StGB, 29. Aufl., § 284 Rn. 8). Danach dürfte derzeit ein möglicher Verlust von mehr als 10 € in der Stunde auf ein Glücksspiel hindeuten. Ob bei dem vorliegenden Fall der Glücksspielcharakter anzunehmen sein wird, hängt aber auch davon ab, ob einerseits der Gewinnzweck im Vordergrund stand und andererseits der Angeklagte und seine Angestellten jeweils von vornherein einen Anspruch auf Barumtausch der erspielten Token einräumten oder ob dies auf eine nachträgliche Anfrage des betreffenden Spielers aus Kulanzgründen erfolgte (vgl. hierzu RG, Urteil vom 2. Juni 1930 – III 289/30, RGSt 64, 219, 220; BayObLG, Urteil vom 12. Dezember 2002 – 5 St RR 296/2002, JR 2003, 386, 387 m. Anm. Wohlers, JR 2003, 388).
14
c) Der Senat hebt das Urteil insoweit mit den Feststellungen auf, um dem zuständigen Tatgericht in sich geschlossene neue Feststellungen zu ermöglichen.
15
d) Sollte sich das nunmehr zuständige Tatgericht vom Vorliegen eines Glücksspiels im Sinne des § 284 StGB überzeugen, so wird es bei der Prüfung des Qualifikationsmerkmals der Gewerbsmäßigkeit nach § 284 Abs. 3 Nr. 1 StGB darauf abzustellen haben, ob der Täter sich durch die wiederholte Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer verschaffen will. Dies beurteilt sich nach seinen ursprünglichen Planungen sowie seinem tatsächlichen, strafrechtlich relevanten Verhalten über den gesamten ihm jeweils anzulastenden Tatzeitraum (st. Rspr.; siehe nur BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 – 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 181).

16
Für die konkurrenzrechtliche Beurteilung wird es in den Blick zu nehmen haben, dass dem gleichzeitigen Betreiben von 73 dieser Spielautomaten mit einem gleichartigen Spielsystem auch ein einheitlicher Entschluss – gegebenenfalls bezogen auf die verschiedenen Spielstätten – zugrunde liegen kann, so dass insoweit Tateinheit bestünde (vgl. MünchKomm StGB/Hohmann, 2. Aufl., § 284 Rn. 34).
17
2. Der Schuldspruch wegen Steuerhinterziehung in sieben Fällen wird von den Feststellungen getragen. Jedoch ist der Schuldumfang rechtsfehlerhaft bestimmt, was zur Aufhebung des Strafausspruchs und den zugrundeliegenden Feststellungen wegen dieser Taten führt. Beim Straftatbestand der Steuerhinterziehung lässt es den Schuldspruch grundsätzlich unberührt, wenn lediglich der Verkürzungsumfang, etwa durch eine fehlerhafte Schätzung, unrichtig bestimmt ist, die Verwirklichung des Tatbestandes aber sicher von den Feststellungen getragen wird (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2016 – 1StR 505/16, StraFo 2017, 254; Urteil vom 22. Mai 2012 – 1 StR 103/12, Rn. 28, NZWiSt 2012, 299). Dies ist hier der Fall. Das Landgericht hat u.a. auf der Grundlage des Geständnisses des Angeklagten, in den Steuerklärungen für die Veranlagungszeiträume 2001 bis 2007 jeweils nicht alle Umsätze aus dem Spielautomatenbetrieb angegeben zu haben, rechtsfehlerfrei festgestellt, dass eine Steuerverkürzung eingetreten ist.
18
Die Bestimmung des Umfangs dieser Steuerverkürzung ist rechtsfehlerhaft. Die vom Landgericht gewählte Schätzung und die mitgeteilten Berechnungsgrundlagen setzen das Revisionsgericht nicht in den Stand, nachvollziehen zu können, wie sich die Schätzungsergebnisse und der jeweils festgestellte Verkürzungserfolg ergeben.
19
a) Zwar durfte das Landgericht die Besteuerungsgrundlagen schätzen. Im Steuerstrafverfahren ist die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen zulässig , wenn feststeht, dass der Steuerpflichtige einen Besteuerungstatbestand erfüllt hat, die tatsächlichen Besteuerungsgrundlagen aber ungewiss sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 20. Dezember 2016 – 1 StR 505/16, StraFo 2017, 254; vom 6. April 2016 – 1 StR 523/15, NStZ 2016, 728 und vom 29. Januar 2014 – 1 StR 561/13, wistra 2014, 276). Das ist hier der Fall. Eine konkrete Berechnung war ausgeschlossen, weil der Angeklagte schon die Aufstellung der Umsätze („MAS-Dateien“, „Querblätter“) manipuliert und die ohnehin nicht alle Umsätze erfassenden Auslesestreifen der Automaten nicht vollständig aufgehoben hat.
20
b) Die Darstellung der gewählten Schätzungsmethode ist jedoch rechtsfehlerhaft. Das Landgericht legt zwar noch nachvollziehbar dar, weshalb es von einem monatlichen Umsatz von 800 € für Geldspielgeräte und von 400 € für Unterhaltungsspielgeräte ausgegangen ist. Es fehlen jedoch jegliche Erklärungen für die weiteren Faktoren der Berechnung, insbesondere für die Anzahl der Automaten. So erschließt sich nicht, warum 2001 eine Zuschätzung für 80 Automaten , 2002 eine solche für 90 Automaten, 2003 und 2004 für jeweils 100 Automaten, 2005 und 2006 für jeweils 120 Automaten und 2007 von 145 Automaten erfolgte. Auch ist nicht dargelegt, wie viele von diesen Automaten als Geldspielgeräte mit einem jeweils höheren monatlichen Umsatz angesetzt worden sind. Es ist auch nicht ersichtlich, wieso das Landgericht bei gleichbleibenden geschätzten monatlichen Umsätzen pro Gerät für das Jahr 2005 ausgehend von 120 Automaten 240.000 € als Zuschätzung errechnet und 2006 für dieselbe Anzahl von Automaten 250.000 €. Für das Jahr 2002 errechnet es ausgehend von 90 Automaten eine Zuschätzung von 240.000 €; auf diese Summe kommt es auch für die Jahre 2003 und 2004, geht aber dort von 100 Automaten aus. Genauere Darlegungen zur Anzahl der hinzugeschätzten Automaten wären auch deswegen erforderlich, um nachvollziehen zu können, ob sich dies auf eine ausreichende Tatsachengrundlage stützt.
21
Des Weiteren erschließt sich nicht, inwieweit die errechneten Zuschätzungen bei den verschiedenen Steuerarten Berücksichtigung gefunden haben. Eine einheitliche Verfahrensweise lässt sich der Aufstellung der errechneten Verkürzungsbeträge nicht entnehmen. Diese Aufstellung ermöglicht auch nicht durchgängig, wie erforderlich (vgl. nur BGH, Beschluss vom 24. Mai 2017 – 1StR 176/17), dass für jede Steuerart und jeden Steuerabschnitt gesondert die Berechnung der verkürzten Steuern im Einzelnen nachvollzogen werden kann.
22
c) Das neu zuständige Tatgericht wird bei der Prüfung, ob ein Regelbeispiel eines besonders schweren Falls nach § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO vorliegt , Folgendes zu beachten haben: Soweit die Taten vor dem 1. Januar 2008 begangen wurden, findet § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung Anwendung. Das Regelbeispiel ist in diesem Fall nur dann erfüllt, wenn der Täter zudem aus grobem Eigennutz gehandelt hat, was das Landgericht auch nicht verkannt hat. Grober Eigennutz ist anzunehmen, wenn der Täter sein Verhalten von dem Streben nach Vorteil in besonders anstößigem Maße hat leiten lassen. Dabei muss das Gewinnstreben des Täters das bei jedem Steuerstraftäter vorhandene Gewinnstreben deutlich übersteigen (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juni 2016 – 1 StR 99/16, NStZ 2017, 100 mwN). Erforderlich ist eine vom Tatgericht vorzunehmende Gesamtbetrachtung sämtlicher Tatumstände, namentlich der vom Täter gezogenen Vorteile, der Art, Häufigkeit und Intensität der Tatbegehung und des Verwendungszwecks der erlangten Vorteile. Diese Umstände müssen im Zusammen- hang gesehen und daraufhin überprüft werden, ob sie den Schluss auf groben Eigennutz des Täters rechtfertigen (BGH aaO; Klein/Jäger, AO, 13. Aufl., § 370 Rn. 283). Der Verweis darauf, dass dem Angeklagten die hinterzogenen Beträge zu Gute gekommen sind, genügt dem nicht.

III.


Die Revision der Staatsanwaltschaft
23
1. Verfahrensrüge
24
Die Revision rügt eine Verletzung des § 257c Abs. 3 Satz 4 StPO. Die Rüge erweist sich bereits als unzulässig, § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Denn es sind nicht alle Verfahrenstatsachen so vollständig, genau und aus sich heraus verständlich dargelegt, dass der Senat allein auf dieser Grundlage ohne Rückgriff auf die Akten prüfen kann, ob der behauptete Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden.
25
Der Vortrag der Revision erschöpft sich darin, auszugsweise Protokollinhalt wiederzugeben. Dieser enthält schon nicht die bestimmte Behauptung eines verfahrensfehlerhaften tatsächlichen Geschehens (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2013 – 3 StR 210/13, NJW 2014, 1254). Eine Beanstandung der fehlerhaften Protokollierung lässt sich der Rüge nicht entnehmen (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom 29. April 2015 – 1 StR 235/14, NStZ-RR 2015, 278 und vom 15. April 2014 – 3 StR 89/14, NStZ 2014, 418). Der Vortrag ist aber auch deswegen nicht vollständig, weil die Inhalte der in Bezug genommenen Vermerke der Vorsitzenden und der Erklärungen der Staatsanwaltschaft nur auszugsweise mitgeteilt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 3. August 2016 – 5 StR 294/16). Die Kenntnis von deren vollständigem Inhalt wäre aber zur Entscheidung erforderlich. Denn anders als in der von der Revision in Bezug genommenen Senatsentscheidung vom 11. Mai 2016 – 1 StR 71/16, in der ein Verstoß gegen Belehrungspflichten gerügt wurde, könnte die Kenntnis des vollständigen Inhalts den relevanten Verfahrensablauf in einem anderen Licht darstellen. Der Vortrag der Revision vermittelt dem Revisionsgericht kein umfassendes Bild über das dem gerügten Verfahrensfehler zugrunde liegende prozessuale Geschehen, auch weil bestimmte Vorgänge, insbesondere zustimmende bzw. initiative Stellungnahmen des Vertreters der Staatsanwaltschaft zu der letztlich erfolgten Verfahrensweise (u.a. S. 6 f. des Protokolls vom 8. April 2016) nicht erwähnt werden.
26
Soweit die Revision auf die Urteilsgründe Bezug nimmt, wonach „Der Angeklagte und seine Verteidiger … den Vorschlag angenommen“ haben,er- setzt dies die Mängel des Vortrags nicht. Zwar kann bei einer zusätzlich zur Verfahrensrüge erhobenen Sachrüge ergänzend auf die Urteilsgründe zurückgegriffen werden (BGH, Beschluss vom 20. Januar 2016 – 4 StR 376/15, StV 2016, 771), allein ergibt sich aber aus dieser Passage nicht, dass eine Zustimmung der Staatsanwaltschaft nicht erfolgt ist.
27
2. Sachrüge
28
Die auf die Verletzung des § 46 StGB gestützte Sachrüge hat Erfolg und führt zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs und des Ausspruchs über die Kompensation für die überlange Verfahrensdauer. Jedoch weist die Zumessung der Einzelstrafen keinen Rechtsfehler auf.
29
a) Soweit beanstandet wird, dass das Landgericht rechtsfehlerhaft der Strafzumessung eine Verständigung zugrunde gelegt hat, ergibt sich dies aus den Urteilsgründen, die dem Senat im Rahmen der Sachrüge allein zur Verfü- gung stehen, nicht. Aus der Darstellung, „Der Angeklagte und seine Verteidiger haben den Vorschlag angenommen“ ergibt sich nicht zwingend, dass die übri- gen Voraussetzungen einer wirksamen Verständigung nicht vorgelegen haben. Eine zulässige Verfahrensrüge ist nicht erhoben.
30
Der Senat besorgt nicht, das Landgericht habe bei der Berücksichtigung der „geständigen Einlassung“ des Angeklagten deren begrenzten Umfang aus dem Blick verloren. Es setzt sich an mehreren Stellen des Urteils damit auseinander , dass der Angeklagte sämtliche Anklagepunkte dem Grunde nach eingeräumt, aber in größerem Umfang der Manipulation der Umsatzergebnisse überführt worden ist. Soweit die Revisionsführerin die Verhängung einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und einer Gesamtgeldstrafe von 340 Tagessätzen bei einer den festgestellten Schuldumfang nicht voll erfassenden Einlassung als widersprüchlich zu dem im Urteil dargestellten Verständigungs- inhalt („maximale Strafobergrenze von2 Jahren, verbunden mit einer isolierten Geldstrafe von um die 300 Tagessätzen“ für den Fall eines „vollständigen Geständnisses zu allen noch gegenständlichen Anklagepunkten“) beanstandet, zeigt dies keinen revisionsrechtlich relevanten Rechtsfehler auf.
31
Die Gewichtung der strafmildernden Berücksichtigung des Zeitablaufs zwischen den Steuerhinterziehungstaten und dem Urteil erweist sich nicht als durchgreifend rechtsfehlerhaft. Zwar ist der Revision darin zuzustimmen, dass die Tathandlungen der Abgabe unvollständiger Steuererklärungen nicht – wie das Landgericht bei der Strafzumessung ausführt – zwischen den Jahren 2001 und 2007 erfolgten, sondern die erste Tat am 7. November 2002 und die letzte am 19. März 2009 begangen wurde. Das Landgericht hatte jedoch ersichtlich als Anknüpfungspunkt die Manipulationen an der Buchführung im Blick, die zwischen 2001 und 2007 stattfanden und die es dem Angeklagten wegen der dabei zu Tage getretenen kriminellen Energie strafschärfend angelastet hat. Letztlich kann der Senat ausschließen, dass das Tatgericht ohne diese – angesichts des verbleibenden Zeitabstands – eher marginale Fehleinschätzung hinsichtlich der Zeitpunkte der Tatbegehung auf eine andere Strafhöhe erkannt hätte.
32
b) Jedoch besorgt der Senat, dass sich das Landgericht bei der Gesamtstrafenbildung von rechtsfehlerhaften Gesichtspunkten hat leiten lassen.
33
Ob beim Zusammentreffen einer Freiheitsstrafe mit Einzelgeldstrafen eine Gesamtfreiheitsstrafe gebildet wird oder eine Geldstrafe oder Gesamtgeldstrafe selbständig neben der Freiheitsstrafe ausgesprochen wird, liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2007 – 5 StR 504/07, NStZ 2009, 27; Urteil vom 17. Januar 1989 – 1 StR 730/88, BGHR StGB § 53 Abs. 2 Einbeziehung 1). Dabei hat es unter Berücksichtigung der allgemeinen Strafzumessungserwägungen zu prüfen, ob eher eine längere Gesamtfreiheitsstrafe oder eine kürzere Freiheitsstrafe neben einer Geldstrafe den Strafzwecken entspricht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Dezember 2014 – 4 StR 486/14, NStZ 2015, 334 und vom 11. Juni 2002 – 1 StR 142/02, NStZ-RR 2002, 264). Aus Wortlaut und Systematik des § 53 Abs. 2 StGB ergibt sich, dass die selbständige Verhängung einer Geldstrafe neben einer Freiheitsstrafe die Ausnahme bildet (BGH, Beschluss vom 11. Juni 2002 – 1 StR 142/02, NStZ-RR 2002, 264); sie bedarf daher – anders als der Regel- fall der Gesamtstrafenbildung (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Oktober 2010 – 1 StR 484/10, wistra 2011, 19) – regelmäßig besonderer Begründung (vgl. Fischer, StGB, 64. Aufl., § 53 Rn. 5 mwN).
34
Diesen Begründungsanforderungen wird das Landgericht nicht gerecht. Es stellt formelhaft allein darauf ab, den Angeklagten auch am Vermögen strafen zu wollen. Vor dem Hintergrund der dargestellten wirtschaftlichen Verhältnisse – der Angeklagte ist auf 450 €-Basis bei seiner Ehefrau angestellt – erschließt sich diese Erwägung für sich genommen nicht. Sie lässt vielmehr besorgen , dass das Landgericht sich nicht an den strafzumessungsrelevanten Umständen nach § 46 StGB ausgerichtet hat, sondern sich allein von dem Bestreben hat leiten lassen, die Gesamtfreiheitsstrafe in jedem Fall noch zur Bewährung aussetzen zu können; das aber wäre rechtlich zu beanstanden (BGH, Urteile vom 17. März 2009 - 1 StR 627/08, NJW 2009, 1979, 1984; vom 19. Dezember 2000 – 5 StR 490/00, BGHR StGB, § 53 Abs. 2 Nichteinbeziehung 3 und vom 17. September 1980 – 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 321).
35
Der Aufhebung von Feststellungen bedurfte es insoweit nicht, da diese vom Rechtsfehler nicht betroffen sind. Das neu zuständige Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, solange diese den bisherigen nicht widersprechen.
36
3. Der Senat hat den Ausspruch über die Kompensation für die unangemessene Verfahrensdauer mit aufgehoben, damit das neu zuständige Tatgericht die Kompensation auf die Gesamtsanktion abstimmen kann. Graf Jäger Bellay Cirener Hohoff

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 08. Aug. 2017 - 1 StR 519/16

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 08. Aug. 2017 - 1 StR 519/16

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Urteil, 08. Aug. 2017 - 1 StR 519/16 zitiert 13 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Strafgesetzbuch - StGB | § 46 Grundsätze der Strafzumessung


(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um

Abgabenordnung - AO 1977 | § 370 Steuerhinterziehung


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer1.den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,2.die Finanzbehörden pflichtwidrig über steu

Strafgesetzbuch - StGB | § 53 Tatmehrheit


(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. (2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wi

Strafprozeßordnung - StPO | § 257c Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten


(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt. (2) Gegenstand dieser Verstä

Strafgesetzbuch - StGB | § 284 Unerlaubte Veranstaltung eines Glücksspiels


(1) Wer ohne behördliche Erlaubnis öffentlich ein Glücksspiel veranstaltet oder hält oder die Einrichtungen hierzu bereitstellt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Als öffentlich veranstaltet gelten auch

Spielverordnung - SpielV | § 13


Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt darf die Bauart eines Geldspielgerätes nur zulassen, wenn folgende Anforderungen erfüllt sind: 1. Der Spieleinsatz darf nur in Euro oder Cent erfolgen; ein Spiel beginnt mit dem Einsatz des Geldes, setzt sich

Gewerbeordnung - GewO | § 144 Verletzung von Vorschriften über erlaubnisbedürftige stehende Gewerbe


(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig1.ohne die erforderliche Erlaubnisa)(weggefallen),b)nach § 30 Abs. 1 eine dort bezeichnete Anstalt betreibt,c)nach § 33a Abs. 1 Satz 1 Schaustellungen von Personen in seinen Geschäftsräumen v

Gewerbeordnung - GewO | § 148 Strafbare Verletzung gewerberechtlicher Vorschriften


Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer1.eine in § 144 Abs. 1, § 145 Abs. 1, 2 Nr. 2 oder 6 oder § 146 Abs. 1 bezeichnete Zuwiderhandlung beharrlich wiederholt oder2.durch eine in § 144 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b, A

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Urteil, 08. Aug. 2017 - 1 StR 519/16 zitiert oder wird zitiert von 18 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 08. Aug. 2017 - 1 StR 519/16 zitiert 17 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 28. Sept. 2011 - I ZR 93/10

bei uns veröffentlicht am 28.09.2011

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 93/10 Verkündet am: 28. September 2011 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nei

Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Dez. 2007 - 5 StR 504/07

bei uns veröffentlicht am 03.12.2007

5 StR 504/07 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 3. Dezember 2007 in der Strafsache gegen wegen Steuerhinterziehung u. a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. Dezember 2007 beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urt

Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Jan. 2014 - 1 StR 561/13

bei uns veröffentlicht am 29.01.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 S t R 5 6 1 / 1 3 vom 29. Januar 2014 in der Strafsache gegen wegen Steuerhinterziehung Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Januar 2014 beschlossen : Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des

Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Okt. 2010 - 1 StR 484/10

bei uns veröffentlicht am 07.10.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 484/10 vom 7. Oktober 2010 in der Strafsache gegen wegen Steuerhinterziehung Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Oktober 2010 beschlossen: Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landger

Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Juni 2002 - 1 StR 142/02

bei uns veröffentlicht am 11.06.2002

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 142/02 vom 11. Juni 2002 in der Strafsache gegen wegen Untreue Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Juni 2002 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen: Auf die Revision des Angeklagten wird das U

Bundesgerichtshof Urteil, 17. März 2009 - 1 StR 627/08

bei uns veröffentlicht am 17.03.2009

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 627/08 vom 17. März 2009 Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja Veröffentlichung: ja ______________________ AO § 370 Abs. 1 und 4 UStG § 18 StGB § 46 Bei der Hinterziehung von Umsatzsteuern bemisst sich der

Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Aug. 2016 - 5 StR 294/16

bei uns veröffentlicht am 03.08.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 5 StR 294/16 vom 3. August 2016 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. ECLI:DE:BGH:2016:030816B5STR294.16.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs

Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Dez. 2013 - 3 StR 210/13

bei uns veröffentlicht am 12.12.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 S t R 2 1 0 / 1 3 vom 12. Dezember 2013 Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja - nur A. II. (Überschrift) Nr. 3 Veröffentlichung: ja ________________________________ StPO § 337 Abs. 1, § 257c Abs. 5, § 273 Abs. 1a

Bundesgerichtshof Urteil, 22. Mai 2012 - 1 StR 103/12

bei uns veröffentlicht am 22.05.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 103/12 vom 22. Mai 2012 BGHSt: nein BGHR: ja Nachschlagewerk: ja Veröffentlichung: ja ___________________________ AO § 370 Abs. 1 und 3, § 373 Abs. 1; StGB § 46 1. Auch bei einer gewerbsmä

Bundesgerichtshof Urteil, 19. Dez. 2000 - 5 StR 490/00

bei uns veröffentlicht am 19.12.2000

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES 5 StR 490/00 URTEIL vom 19. Dezember 2000 in der Strafsache gegen wegen Untreue Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. Dezember 2000, an der teilgenommen haben: Vorsitzende Richte

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Dez. 2016 - 1 StR 505/16

bei uns veröffentlicht am 20.12.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 505/16 vom 20. Dezember 2016 in der Strafsache gegen wegen Steuerhinterziehung ECLI:DE:BGH:2016:201216B1STR505.16.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Gener

Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Juni 2016 - 1 StR 99/16

bei uns veröffentlicht am 30.06.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 99/16 vom 30. Juni 2016 in der Strafsache gegen wegen Steuerhinterziehung ECLI:DE:BGH:2016:300616B1STR99.16.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbund

Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Apr. 2016 - 1 StR 523/15

bei uns veröffentlicht am 06.04.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 523/15 vom 6. April 2016 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Steuerhinterziehung u.a. ECLI:DE:BGH:2016:060416B1STR523.15.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. April 2016 gemäß § 349 Abs. 4 StP

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Jan. 2016 - 4 StR 376/15

bei uns veröffentlicht am 20.01.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 376/15 vom 20. Januar 2016 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. 4. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ECLI:DE:BGH:2016:200116B4STR376.15.0 Der 4. Strafsenat des Bundesg

Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Apr. 2015 - 1 StR 235/14

bei uns veröffentlicht am 29.04.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 S t R 2 3 5 / 1 4 vom 29. April 2015 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. wegen zu 1.: Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr zu 2. und 3.: Bestechung im geschäftlichen Verkehr u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerich

Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Dez. 2014 - 4 StR 486/14

bei uns veröffentlicht am 17.12.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR486/14 vom 17. Dezember 2014 in der Strafsache gegen wegen Beihilfe zum Betrug Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 17. Dezember 2014 gemä

Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Apr. 2014 - 3 StR 89/14

bei uns veröffentlicht am 15.04.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 S t R 8 9 / 1 4 vom 15. April 2014 in der Strafsache gegen wegen Wohnungseinbruchdiebstahls Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 1
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 08. Aug. 2017 - 1 StR 519/16.

Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Jan. 2018 - 4 StR 305/17

bei uns veröffentlicht am 17.01.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 305/17 vom 17. Januar 2018 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen gewerbs- und bandenmäßigen Computerbetruges u.a. ECLI:DE:BGH:2018:170118B4STR305.17.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung

Referenzen

Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt darf die Bauart eines Geldspielgerätes nur zulassen, wenn folgende Anforderungen erfüllt sind:

1.
Der Spieleinsatz darf nur in Euro oder Cent erfolgen; ein Spiel beginnt mit dem Einsatz des Geldes, setzt sich mit der Bekanntgabe des Spielergebnisses fort und endet mit der Auszahlung des Gewinns beziehungsweise der Einstreichung des Einsatzes.
2.
Die Mindestspieldauer beträgt fünf Sekunden; dabei darf der Einsatz 0,20 Euro nicht übersteigen und der Gewinn höchstens 2 Euro betragen.
3.
Bei einer Verlängerung des Abstandes zwischen zwei Einsatzleistungen über fünf Sekunden hinaus bis zu einer Obergrenze von 75 Sekunden darf der Einsatz um höchstens 0,03 Euro je volle Sekunde erhöht werden; bei einer Verlängerung des Abstandes zwischen zwei Gewinnauszahlungen über fünf Sekunden hinaus bis zu einer Obergrenze von 75 Sekunden darf der Gewinn um höchstens 0,30 Euro je volle Sekunde erhöht werden. Darüber hinausgehende Erhöhungen von Einsatz und Gewinn sind ausgeschlossen.
4.
Die Summe der Verluste (Einsätze abzüglich Gewinne) darf im Verlauf einer Stunde 60 Euro nicht übersteigen.
5.
Die Summe der Gewinne abzüglich der Einsätze darf im Verlauf einer Stunde 400 Euro nicht übersteigen. Jackpots und andere Sonderzahlungen jeder Art sind ausgeschlossen.
6.
Nach einer Stunde Spielbetrieb legt das Spielgerät eine Spielpause von mindestens fünf Minuten ein, in der keine Einsätze angenommen und Gewinne gewährt werden. In der Pause dürfen keine Spielvorgänge, einsatz- und gewinnfreie Probe- oder Demonstrationsspiele oder sonstige Animationen angeboten werden.
6a.
Nach drei Stunden Spielbetrieb legt das Spielgerät eine Spielpause ein, in der es für mindestens fünf Minuten in den Ruhezustand versetzt wird; zu Beginn des Ruhezustandes sind die Geldspeicher zu entleeren und alle Anzeigeelemente auf die vordefinierten Anfangswerte zu setzen.
7.
Die Speicherung von Geldbeträgen in Einsatz- und Gewinnspeichern ist bei Geldannahme vom Spieler in der Summe auf 10 Euro begrenzt. Höhere Beträge werden unmittelbar nach der Aufbuchung automatisch ausgezahlt. Eine Bedienvorrichtung für den Spieler, mit der er vorab einstellen kann, dass aufgebuchte Beträge unbeeinflusst zum Einsatz gelangen, ist unzulässig. Jeder Einsatz darf nur durch unmittelbar zuvor erfolgte gesonderte physische Betätigung des Spielers ausgelöst werden. Es gibt eine nicht sperrbare Bedienvorrichtung zur Auszahlung, mit der der Spieler uneingeschränkt über die aufgebuchten Beträge, die in der Summe größer oder gleich dem Höchsteinsatz gemäß Nummer 1 sind, verfügen kann.
8.
Der Spielbetrieb darf nur mit auf Euro lautenden Münzen und Banknoten und nur unmittelbar am Spielgerät erfolgen.
8a.
Bei Mehrplatzspielgeräten müssen die einzelnen Spielstellen unabhängig voneinander benutzbar sein und jede Spielstelle hat die Anforderungen der §§ 12 und 13 zu erfüllen, soweit diese landesrechtlich überhaupt zulässig sind; aus der Bauartzulassung eines Mehrplatzspielgerätes folgt kein Anspruch auf die Aufstellung des Mehrplatzspielgerätes.
8b.
Mehrplatzspielgeräte dürfen über höchstens vier Spielstellen verfügen, einzelne Spielstellen dürfen nicht abstellbar sein.
9.
Das Spielgerät beinhaltet eine Kontrolleinrichtung, die sämtliche Einsätze, Gewinne und den Kasseninhalt zeitgerecht, unmittelbar und auslesbar erfasst. Die Kontrolleinrichtung gewährleistet die in den Nummern 1 bis 5 Satz 1 und Nummer 6a aufgeführten Begrenzungen.
9a.
Das Spielgerät zeichnet nach dem Stand der Technik die von der Kontrolleinrichtung gemäß Nummer 8 erfassten Daten dauerhaft so auf, dass
a)
sie jederzeit elektronisch verfügbar, lesbar und auswertbar sind,
b)
sie auf das erzeugende Spielgerät zurückgeführt werden können,
c)
die einzelnen Daten mit dem Zeitpunkt ihrer Entstehung verknüpft sind,
d)
ihre Vollständigkeit erkennbar ist und
e)
feststellbar ist, ob nachträglich Veränderungen vorgenommen worden sind.
10.
Der Spielbetrieb darf nur bei ständiger Verwendung eines gültigen gerätegebundenen, personenungebundenen Identifikationsmittels möglich sein, wobei
a)
die Gültigkeit des verwendeten Identifikationsmittels durch das Spielgerät vor Aufnahme des Spielbetriebs geprüft werden muss und
b)
während des Spielbetriebs keine Daten auf dem verwendeten Identifikationsmittel gespeichert werden dürfen.
11.
Das Spielgerät und seine Komponenten müssen der Funktion entsprechend nach Maßgabe des Standes der Technik zuverlässig und gegen Veränderungen gesichert gebaut sein.
12.
Das Spielgerät muss so gebaut sein, dass die Übereinstimmung der Nachbaugeräte mit der zugelassenen Bauart überprüft werden kann.

(1) Wer ohne behördliche Erlaubnis öffentlich ein Glücksspiel veranstaltet oder hält oder die Einrichtungen hierzu bereitstellt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Als öffentlich veranstaltet gelten auch Glücksspiele in Vereinen oder geschlossenen Gesellschaften, in denen Glücksspiele gewohnheitsmäßig veranstaltet werden.

(3) Wer in den Fällen des Absatzes 1

1.
gewerbsmäßig oder
2.
als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(4) Wer für ein öffentliches Glücksspiel (Absätze 1 und 2) wirbt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig

1.
ohne die erforderliche Erlaubnis
a)
(weggefallen),
b)
nach § 30 Abs. 1 eine dort bezeichnete Anstalt betreibt,
c)
nach § 33a Abs. 1 Satz 1 Schaustellungen von Personen in seinen Geschäftsräumen veranstaltet oder für deren Veranstaltung seine Geschäftsräume zur Verfügung stellt,
d)
nach § 33c Abs. 1 Satz 1 ein Spielgerät aufstellt, nach § 33d Abs. 1 Satz 1 ein anderes Spiel veranstaltet oder nach § 33i Abs. 1 Satz 1 eine Spielhalle oder ein ähnliches Unternehmen betreibt,
e)
nach § 34 Abs. 1 Satz 1 das Geschäft eines Pfandleihers oder Pfandvermittlers betreibt,
f)
nach § 34a Abs. 1 Satz 1 Leben oder Eigentum fremder Personen bewacht,
g)
nach § 34b Abs. 1 fremde bewegliche Sachen, fremde Grundstücke oder fremde Rechte versteigert,
h)
nach § 34c Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 den Abschluß von Verträgen der dort bezeichneten Art vermittelt oder die Gelegenheit hierzu nachweist,
i)
nach § 34c Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 ein Bauvorhaben vorbereitet oder durchführt,
j)
nach § 34c Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 Wohnimmobilien verwaltet,
k)
nach § 34d Absatz 1 Satz 1 den Abschluss eines dort genannten Vertrages vermittelt,
l)
nach § 34d Absatz 2 Satz 1 über eine Versicherung oder Rückversicherung berät,
m)
nach § 34f Absatz 1 Satz 1 Anlageberatung oder Anlagevermittlung erbringt,
n)
nach § 34h Absatz 1 Satz 1 Anlageberatung erbringt oder
o)
nach § 34i Absatz 1 Satz 1 den Abschluss von Verträgen der dort bezeichneten Art vermittelt oder Dritte zu solchen Verträgen berät,
2.
ohne Zulassung nach § 31 Absatz 1 Leben oder Eigentum fremder Personen auf einem Seeschiff bewacht,
3.
einer vollziehbaren Auflage nach § 31 Absatz 2 Satz 2 zuwiderhandelt oder
4.
ohne eine nach § 47 erforderliche Erlaubnis das Gewerbe durch einen Stellvertreter ausüben läßt.

(2) Ordnungswidrig handelt auch, wer vorsätzlich oder fahrlässig

1.
einer Rechtsverordnung nach § 31 Absatz 4 Satz 1 Nummer 1, 2, 3 Buchstabe a bis c oder Buchstabe d oder Nummer 4 oder Satz 2 oder einer vollziehbaren Anordnung auf Grund einer solchen Rechtsverordnung zuwiderhandelt, soweit die Rechtsverordnung für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist,
1a.
einer Rechtsverordnung nach § 33f Absatz 1 Nummer 1, 2 oder 4 oder einer vollziehbaren Anordnung aufgrund einer solchen Rechtsverordnung zuwiderhandelt, soweit die Rechtsverordnung für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist,
1b.
einer Rechtsverordnung nach § 33g Nr. 2, § 34 Abs. 2, § 34a Abs. 2, § 34b Abs. 8, § 34e Absatz 1 Satz 1 Nummer 2, 4 oder 7, Absatz 2 oder 3 oder § 38 Abs. 3 oder einer vollziehbaren Anordnung auf Grund einer solchen Rechtsverordnung zuwiderhandelt, soweit die Rechtsverordnung für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist,
2.
entgegen § 34 Abs. 4 bewegliche Sachen mit Gewährung des Rückkaufrechts ankauft,
3.
einer vollziehbaren Auflage nach § 33a Abs. 1 Satz 3, § 33c Abs. 1 Satz 3, § 33d Abs. 1 Satz 2, § 33e Abs. 3, § 33i Abs. 1 Satz 2, § 34 Abs. 1 Satz 2, § 34a Abs. 1 Satz 2, § 34b Abs. 3, § 34d Absatz 4 Satz 1, auch in Verbindung mit Absatz 6 Satz 3, oder § 36 Abs. 1 Satz 3 oder einer vollziehbaren Anordnung nach § 33c Abs. 3 Satz 3 oder § 34a Abs. 4 zuwiderhandelt,
4.
ein Spielgerät ohne die nach § 33c Abs. 3 Satz 1 erforderliche Bestätigung der zuständigen Behörde aufstellt,
4a.
entgegen § 33c Absatz 3 Satz 4 eine Person beschäftigt,
5.
einer vollziehbaren Auflage nach § 34c Abs. 1 Satz 2, § 34f Absatz 1 Satz 2, § 34h Absatz 1 Satz 2 oder § 34i Absatz 1 Satz 2 zuwiderhandelt,
5a.
entgegen § 34c Absatz 2a Satz 1 in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 34c Absatz 3 Nummer 3 sich nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig weiterbildet,
6.
einer Rechtsverordnung nach § 34c Abs. 3 oder § 34g Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 2 Satz 1 Nummer 1, 2 oder 4 oder Satz 2 oder § 34j oder einer vollziehbaren Anordnung auf Grund einer solchen Rechtsverordnung zuwiderhandelt, soweit die Rechtsverordnung für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist,
7.
entgegen § 34d Absatz 1 Satz 7 eine Sondervergütung gewährt oder verspricht,
7a.
entgegen § 34d Absatz 2 Satz 4, auch in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 34e Absatz 1 Nummer 3, eine Zuwendung annimmt,
7b.
entgegen § 34d Absatz 2 Satz 6 die Auskehrung einer Zuwendung nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig veranlasst,
7c.
entgegen § 34d Absatz 3, § 34h Absatz 2 Satz 1 oder § 34i Absatz 5 Satz 2 ein Gewerbe oder eine Tätigkeit ausübt,
7d.
entgegen § 34d Absatz 9 Satz 2 in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 34e Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe c sich nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig weiterbildet,
8.
entgegen § 34d Absatz 10 Satz 1 oder § 34f Absatz 5 oder 6 Satz 1 eine Eintragung nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig vornehmen lässt,
9.
entgegen § 34d Absatz 10 Satz 2, § 34f Absatz 5 oder Absatz 6 Satz 2 oder § 34i Absatz 8 Nummer 3 eine Mitteilung nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig macht,
10.
entgegen § 34h Absatz 3 Satz 2 oder § 34i Absatz 5 eine Zuwendung annimmt oder
11.
entgegen § 34h Absatz 3 Satz 3 eine Zuwendung nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig auskehrt.

(3) Ordnungswidrig handelt ferner, wer vorsätzlich oder fahrlässig bei einer Versteigerung einer Vorschrift des § 34b Abs. 6 oder 7 zuwiderhandelt.

(4) Die Ordnungswidrigkeit kann in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 Buchstabe m und n und Nummer 2 mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro, in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 Buchstabe a bis l und o, Nummer 3 und 4 und des Absatzes 2 Nummer 1, 1a und 5 bis 11 mit einer Geldbuße bis zu fünftausend Euro, in den Fällen des Absatzes 2 Nummer 1b und 2 bis 4a mit einer Geldbuße bis zu dreitausend Euro und in den Fällen des Absatzes 3 mit einer Geldbuße bis zu eintausend Euro geahndet werden.

(5) Verwaltungsbehörde im Sinne des § 36 Absatz 1 Nummer 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ist in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 2 und 3 und des Absatzes 2 Nummer 1 das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle.

Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
eine in § 144 Abs. 1, § 145 Abs. 1, 2 Nr. 2 oder 6 oder § 146 Abs. 1 bezeichnete Zuwiderhandlung beharrlich wiederholt oder
2.
durch eine in § 144 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b, Absatz 2 Nummer 1a oder Nummer 1b, § 145 Abs. 1, 2 Nr. 1 oder 2, oder § 146 Abs. 1 bezeichnete Zuwiderhandlung Leben oder Gesundheit eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet.

(1) Wer ohne behördliche Erlaubnis öffentlich ein Glücksspiel veranstaltet oder hält oder die Einrichtungen hierzu bereitstellt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Als öffentlich veranstaltet gelten auch Glücksspiele in Vereinen oder geschlossenen Gesellschaften, in denen Glücksspiele gewohnheitsmäßig veranstaltet werden.

(3) Wer in den Fällen des Absatzes 1

1.
gewerbsmäßig oder
2.
als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(4) Wer für ein öffentliches Glücksspiel (Absätze 1 und 2) wirbt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 93/10 Verkündet am:
28. September 2011
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Poker im Internet
UWG § 4 Nr. 11; GlüStV § 3 Abs. 1
Ob ein Glücksspiel im Sinne des § 3 Abs. 1 GlüStV vorliegt, beurteilt sich nach
den durchschnittlichen Fähigkeiten eines Spielers; unerheblich ist, ob professionelle
Spieler oder geübte Amateure, die sich gegebenenfalls auch Lehrbuchwissen
angeeignet haben, ihre Erfolgschancen steigern können.
BGH, Urteil vom 28. September 2011 - I ZR 93/10 - OLG Köln
LG Köln
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren, in
dem bis zum 5. September 2011 Schriftsätze eingereicht werden konnten,
durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Pokrant,
Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff und Dr. Löffler

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 12. Mai 2010 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin organisiert und veranstaltet Lotterien und Sportwetten in Nordrhein-Westfalen.
2
Die Beklagte zu 1 ist ein Wettunternehmen mit Sitz in Gibraltar, der Beklagte zu 2 ist ihr organschaftlicher Vertreter. Jedenfalls bis Oktober 2008 bewarb die Beklagte zu 1 auf der Internetseite „www.carmenmedia.com/.de/“ ihr Spielangebot, darunter Sportwetten zu festen Gewinnquoten, Roulette, Poker, Black Jack, Baccara und virtuelle Slotmachines in deutscher Sprache. In dem Internetauftritt war eine Kontaktseite unter einer Deutschlandfahne und dem fettgedruckten Wort „Deutschland“ eingerichtet.
3
Außerdem enthielt die Internetseite einen Link zum deutschsprachigen Spiel- und Sportwettenangebot einer ehemaligen Tochtergesellschaft der Be- klagten zu 1 auf der Internetadresse „www.betway.com“. Unter den Internetadressen „www.jackpotcity.com“, „www.49jackpotcity.com“ und „www.pokertime.eu“ bieten hundertprozentige Tochtergesellschaften der Be- klagten zu 1 Glücksspiele an.
4
Der Beklagten zu 1 ist in Gibraltar eine Genehmigung erteilt worden, Glücksspiele gegen Geldeinsatz im Internet anzubieten. Über eine Genehmigung deutscher Behörden für die Veranstaltung von Glücksspielen verfügen die Beklagten nicht.
5
Nach Ansicht der Klägerin handeln die Beklagten wettbewerbswidrig im Sinne der §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit §§ 284, 287 StGB und § 4 GlüStV, weil sie in Deutschland Glücksspiele ohne Genehmigung anbieten.
6
Mit ihrer im Oktober 2008 erhobenen Klage hat die Klägerin zuletzt beantragt , I. die Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, 1. es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs über das Internet in Deutschland befindlichen Personen die Möglichkeit anzubieten und/oder zu verschaffen, Glücksspiele, insbesondere Sportwetten zu festen Gewinnquoten sowie Kasinospiele, insbesondere Roulette, Poker, Black Jack, Baccara und virtuelle Slotmachines einzugehen und/oder abzuschließen, sei es durch Abschluss eines Wettund /oder Spielvertrags mit der Beklagten zu 1 oder einer Tochtergesellschaft der Beklagten zu 1, und/oder diese Möglichkeit zu bewerben, wie nachstehend beispielhaft wiedergegeben: (es folgen 17 mit und/oder verknüpfte Bildschirmausdrucke, von denen die ersten fünf Abbildungen nachfolgend wiedergegeben sind) 2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die Entgegennahme von Spielaufträgen nach Ziffer 1 von Spielteilnehmern aus Nordrhein-Westfalen seit dem 26. März 2008 entstanden ist oder künftig noch entstehen wird; 3. die Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen über die Umsätze, welche die Beklagte zu 1 durch die Entgegennahme von Spielaufträgen nach Ziffer 1 von Spielteilnehmern aus Nordrhein-Westfalen seit dem 26. März 2008 erzielt hat.
7
Die Beklagten haben die Auffassung vertreten, das beanstandete Angebot richte sich nicht an Personen, die sich in Deutschland aufhielten. Die Beklagte zu 1 stehe nicht im Wettbewerb mit der Klägerin, da diese weder im Internet auftrete noch vergleichbare Spiele anbiete. Das staatliche Glücksspielmonopol verstoße gegen die höherrangige unionsrechtliche Dienstleistungsund Niederlassungsfreiheit. Als regionaler Anbieter könne die Klägerin jedenfalls keine Unterlassung für das gesamte Bundesgebiet verlangen. Zudem handele es sich bei Poker in der Variante „Texas hold’em“ und den OnlineGewinnspielen mit einem Einsatz von höchstens 50 Cent pro Teilnahme nicht um Glücksspiele im Sinne des Glücksspielstaatsvertrags.
8
Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt (LG Köln, ZfWG 2009, 311). Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass in dem Verbotsausspruch die Worte „Glücksspiele , insbesondere“ und „Kasinospiele, insbesondere“ entfallen (OLG Köln, ZfWG 2010, 359 = MMR 2010, 856).
9
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstreben die Beklagten weiterhin die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe:


10
A. Das Berufungsgericht hat den geltend gemachten Unterlassungsanspruch aus §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 284 Abs. 1 bzw. 4 StGB, § 4 Abs. 4, § 5 Abs. 3 GlüStV bejaht. Dazu hat es ausgeführt:
11
Der Unterlassungsantrag sei hinreichend bestimmt und begründet. Zwischen den Parteien bestehe ein konkretes Wettbewerbsverhältnis. Soweit die Klägerin sich gegen das Angebot von Sportwetten im Internet wende, richte sich ihr Angebot an denselben Abnehmerkreis. Auch hinsichtlich der übrigen angegriffenen Spiele böten die Parteien gleichartige Dienstleistungen an. Die Beklagten seien zudem passivlegitimiert. Dies gelte auch hinsichtlich des Angebots unter der Internetadresse „www.betway.com“. Die Beklagte zu 1 habe eigenverantwortlich das Betway-Spielportfolio unter eigenem Namen angeboten und beworben.
12
Der Anwendung von § 284 StGB und § 4 GlüStV stehe der Vorrang des Unionsrechts nicht entgegen. Insbesondere sei der Glücksspielstaatsvertrag kohärent im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Die nunmehr noch zulässige Werbung staatlicher Anbieter von Glücksspielen und Sportwetten sei mit den vom Glücksspielstaatsvertrag verfolgten Zielen der Bekämpfung der Spielsucht, des Jugend- und Spielerschutzes und des Schutzes vor Betrug vereinbar. Die Regelung sei auch nicht deshalb inkohärent, weil das private Angebot von Glücksspielen nicht generell ausgeschlossen sei. In Bezug auf die erlaubten Münzspielgeräte sei festzustellen, dass Spielangebote im Internet besondere Gefahren mit sich brächten, die eine gesonderte und strengere Behandlung rechtfertigten.
13
Die Regelungen seien auch verfassungsgemäß, denn sie dienten in geeigneter und verhältnismäßiger Weise den in § 1 GlüStV niedergelegten legitimen Zwecken. Das Bundesverfassungsgericht habe im sogenannten Sportwetten -Urteil für die Vereinbarkeit eines staatlichen Wettmonopols mit Art. 12 Abs. 1 GG keine Kohärenz des gesamten Glücksspielsektors einschließlich des gewerberechtlich zugelassenen Automatenspiels verlangt.
14
Der Unterlassungsanspruch sei für alle vom Klageantrag erfassten Spiele begründet. Bei den Online-Gewinnspielen mit maximal 50 Cent Einsatz sei nicht anzunehmen, dass sich die Spieler auf ein einzelnes Spiel beschränkten. Bei längerer Spieldauer sei der Einsatz aber nicht mehr unerheblich, so dass das Spiel vom Glücksspielstaatsvertrag erfasst werde. Unabhängig davon, dass auch Geschicklichkeit und Spielstrategien bei Poker der Variante „Texas hold’em“ Bedeutung hätten, handele es sich auch dabei um ein Glücksspiel nach § 3 Abs. 1 GlüStV. Die geltend gemachten Schadensersatzfeststellungsund Auskunftsansprüche stünden der Klägerin ebenfalls zu.
15
B. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Beklagten hat keinen Erfolg. Die Klägerin kann von den Beklagten nach §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 4 Abs. 4 GlüStV verlangen, das Angebot und die Vermittlung von sowie die Werbung für die vom Klageantrag erfassten Glücksspiele in Deutschland zu unterlassen.
16
I. Der auf die Abwehr künftiger Rechtsverstöße gerichtete Unterlassungsanspruch ist nur begründet, wenn auf der Grundlage des zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Rechts Unterlassung verlangt werden kann. Zudem muss die Handlung zum Zeitpunkt ihrer Begehung wettbewerbswidrig gewesen sein, weil es anderenfalls an der Wiederholungsgefahr fehlt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 29. April 2010 - I ZR 23/08, GRUR 2010, 652 Rn. 10 = WRP 2010, 872 - Costa del Sol, mwN). Der Zeitpunkt der Begehung der beanstandeten Handlung ist auch für die Feststellung der Schadensersatzpflicht und die Auskunftserteilung maßgeblich (BGH, Urteil vom 20. Januar 2005 - I ZR 96/02, GRUR 2005, 442 = WRP 2005, 474 - Direkt ab Werk).
17
Im Streitfall kommt es allein auf die seit dem 1. Januar 2008 bestehende Rechtslage an. Die Klägerin beanstandet den Internetauftritt der Beklagten nach dem 1. Januar 2008. Auskunft und Schadensersatzfeststellung begehrt sie nur für die Zeit nach dem 26. März 2008.
18
Allerdings ist das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb mit Wirkung vom 28. Dezember 2008 geändert worden. Diese Änderung, die der Umsetzung der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken diente, hat für den Streitfall aber keine Bedeutung. Der Anwendung des § 4 Nr. 11 UWG steht hier nicht entgegen, dass diese Richtlinie, die die vollständige Harmonisierung der verbraucherschützenden Vorschriften der Mitgliedstaaten über unlautere Geschäftspraktiken bezweckt, keinen vergleichbaren Unlauterkeitstatbestand kennt. Denn sie lässt - vorbehaltlich ihrer Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht - nationale Vorschriften unberührt, die sich auf Glücksspiele beziehen (Erwägungsgrund 9 der Richtlinie 2005/29/EG).
19
II. Die Klägerin ist als Mitbewerberin der Beklagten gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG aktivlegitimiert. Zwischen den Parteien besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG, weil beide Parteien gleichartige Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen suchen mit der Folge, dass das konkret beanstandete Wettbewerbsverhalten des einen Wettbewerbers den anderen beeinträchtigen, das heißt im Absatz behindern oder stören kann (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 2010 - I ZR 99/08, GRUR 2011, 82 Rn. 19 = WRP 2011, 55 - Preiswerbung ohne Umsatzsteuer).
20
Der Gleichartigkeit der Dienstleistungen der Parteien steht nicht entgegen , dass die Beklagten anders als die Klägerin auch einige Spiele mit Strategie - und Geschicklichkeitskomponenten anbieten wie Poker der Variante „Texas hold’em“ oder Black Jack. Gleichartigkeit von Dienstleistungen setzt keine Gleichheit voraus. Für die Gleichartigkeit reicht es aus, dass beide Parteien entgeltlich Spiele anbieten, bei denen die Aussicht auf einen Gewinn jedenfalls maßgeblich vom Glück des Spielers abhängig ist.
21
Entgegen der Auffassung der Revision steht der Annahme eines Wettbewerbsverhältnisses auch nicht entgegen, dass die Klägerin gehalten ist, ihren Absatz möglichst zu beschränken und keine Anreize zur Teilnahme an den von ihr veranstalteten Wetten zu schaffen. Für das Wettbewerbsverhältnis kommt es nicht darauf an, welche Absicht mit dem Angebot der Sportwetten durch die Klägerin verbunden ist. Jedenfalls nimmt das Land Nordrhein-Westfalen über die Klägerin in berechtigter Weise am Wirtschaftsleben teil, so dass ihr auch der Schutz des Lauterkeitsrechts zugute kommt (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., § 4 Rn. 13.5). Dies gilt auch dann, wenn im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die Erzielung von Einnahmen lediglich eine erfreuliche Nebenfolge und nicht eigentlicher Grund der Tätigkeit der Klägerin ist (vgl. EuGH, Urteil vom 21. Oktober 1999 - C-67/98, Slg. 1999, I-7289 = WRP 1999, 1272 Rn. 30 f. - Zenatti; Urteil vom 6. November 2003 - C-243/01, Slg. 2003, I-13031 = EuZW 2004, 115 Rn. 62 - Gambelli u.a.).
22
III. Das angegriffene Sportwettenangebot der Beklagten im Internet ist gemäß §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 4 Abs. 4 GlüStV unzulässig.
23
1. Am 1. Januar 2008 ist der Glücksspielstaatsvertrag im Bundesland Nordrhein-Westfalen in Kraft getreten. Nach § 4 Abs. 4 GlüStV ist das Veranstalten und Vermitteln von Glücksspielen im Internet verboten.
24
Dieses Verbot, das unmittelbar die Vertriebswege für Glücksspiele beschränkt , ist eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG. Entgegen der Ansicht der Revision handelt es sich nicht um eine Marktzutrittsregelung. Es kommt nicht darauf an, dass § 4 Abs. 1 GlüStV zwar der Klägerin, nicht aber den Beklagten erlaubt, Sportwetten zu veranstalten und zu vermitteln. Denn niemand kann sich der Gültigkeit eines Verbots mit der Begründung entziehen , er sei schon aus anderen Gründen nicht berechtigt, die verbotene Tätigkeit auszuüben.
25
Das Verbot des § 4 Abs. 4 GlüStV richtet sich auch nicht nur an die in § 10 GlüStV genannten Anbieter, mit denen die Länder ihre Aufgabe erfüllen, ein ausreichendes Glücksspielangebot sicherzustellen, sondern an jeden Anbieter und Vermittler öffentlicher Glücksspiele im Sinne von § 2 GlüStV und damit auch an die Beklagten. Der Wortlaut des § 4 Nr. 4 GlüStV gibt für eine Beschränkung der Normadressaten keinen Anhaltspunkt. Auch Sinn und Zweck der Vorschrift stehen einer Auslegung entgegen, nach der das Verbot zwar für konzessionierte Anbieter, nicht aber für ohne Erlaubnis tätige Veranstalter und Vermittler gelten soll (ebenso BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 - 8 C 5.10, juris Rn. 11).
26
2. Die Beklagten werden mit dem beanstandeten Internetangebot in Deutschland und damit auch in Nordrhein-Westfalen tätig. Wie sich aus der Verwendung der deutschen Sprache und der unter einer Deutschlandfahne sowie dem fett gedruckten Wort „Deutschland“ angebotenen Kontaktseite ergibt, wenden sich die Beklagten mit ihren Spielangeboten gerade auch an Ver- braucher in Deutschland. Damit veranstalten und vermitteln sie ihre Glücksspiele in Deutschland, so dass der Anwendungsbereich des Glücksspielstaatsvertrags eröffnet ist (vgl. § 3 Abs. 4 GlüStV). Dabei ist unerheblich, ob sich der Server und sämtliche Einrichtungen der Beklagten außerhalb Deutschlands befinden. Bei Nutzung des Internets wird die Möglichkeit zur Spielteilnahme nicht am Sitz des Veranstalters, sondern am Wohnsitz des Spielers oder einem anderen Standort seines Computers eröffnet.
27
3. Der Glücksspielstaatsvertrag und insbesondere das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüSpV sind formell und materiell mit dem Verfassungsrecht vereinbar.
28
a) Die Länder haben mit dem Glücksspielstaatsvertrag ihre Kompetenzen nicht überschritten. Von einer möglichen Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG hat der Bund ungeachtet der Regelungen in §§ 33c ff. GewO jedenfalls nicht in der Weise Gebrauch gemacht, dass die Länder an den im Glücksspielstaatsvertrag getroffenen Regelungen gemäß Art. 72 Abs. 1 GG gehindert wären (BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Oktober 2008 - 1 BvR 928/08, NVwZ 2008, 1338 Rn. 25).
29
b) Der Glücksspielstaatsvertrag ist auch materiell verfassungsgemäß. Die durch ihn bewirkten Eingriffe in das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) sind durch überragend wichtige Gemeinwohlziele gerechtfertigt, nämlich den Schutz der Bevölkerung vor den Gefahren der Glücksspielsucht und vor der mit Glücksspielen verbundenen Folge- und Begleitkriminalität (vgl. BVerfG, NVwZ 2008, 1338 Rn. 27 ff.). Dabei ist davon auszugehen, dass die Besonderheiten des Glücksspiels im Internet, namentlich dessen Bequemlichkeit und - im Vergleich zur Abgabe eines Lottoscheins in einer Annahmestelle - dessen Abstraktheit , problematisches Spielerverhalten in entscheidender Weise begünsti- gen. Das Internetverbot ist deshalb geeignet, erforderlich und angemessen, ein Gemeinwohlziel hohen Ranges zu fördern (vgl. BVerfG, NVwZ 2008, 1338 Rn. 40, 48, 59).
30
4. Die Vorschrift des § 4 Abs. 4 GlüStV steht mit dem Unionsrecht in Einklang.
31
a) Einer Anwendung der Bestimmungen des Glücksspielstaatsvertrags steht nicht entgegen, dass die Länder ihrer europarechtlichen Notifizierungspflicht nicht nachgekommen seien.
32
aa) Gemäß Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 98/34/EG über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften (nachfolgend : Informationsrichtlinie) haben die Mitgliedstaaten jeden Entwurf einer technischen Vorschrift unverzüglich der Europäischen Kommission zu übermitteln. Zweck der Notifizierung ist es, durch eine vorbeugende Kontrolle der Kommission den freien Warenverkehr im Binnenmarkt zu schützen (vgl. EuGH, Urteil vom 30. April 1996 - C-194/94, Slg. 1996, I-2201 = EuZW 1996, 379 Rn. 40 f., 51 - CIA Security International/Signalson; Erwägungsgründe 4 und 7 der Informationsrichtlinie). Ein Verstoß gegen die Mitteilungspflicht führt zur Unanwendbarkeit der betreffenden technischen Vorschriften, so dass sie Einzelnen nicht entgegengehalten werden können (EuGH aaO Rn. 54).
33
bb) Der Glücksspielstaatsvertrag ist der Kommission am 21. Dezember 2006 notifiziert worden (vgl. Verwaltungsschreiben der Kommission vom 14. Mai 2007, abgedruckt als Anlage 1 c zum Entwurf des Gesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen zum Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland , Landtag Nordrhein-Westfalen, Drucks. 14/4849). Gemäß Art. 9 Abs. 2 der Informationsrichtlinie durfte Deutschland das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV dann jedenfalls ab 21. Juni 2007 in Kraft setzen, also im Land Nordrhein -Westfalen auch durch ein ab 1. Januar 2008 geltendes Ausführungsgesetz.
34
cc) Zwar können Verschärfungen des Entwurfs einer technischen Vorschrift nach Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 3 der Informationsrichtlinie eine erneute Notifizierungspflicht auslösen. Das Ausführungsgesetz des Landes NordrheinWestfalen zum Glücksspielstaatsvertrag enthält aber keine Verschärfung des ohnehin bereits umfassenden und von den Marktteilnehmern zu beachtenden Internetverbots gemäß § 4 Abs. 4 GlüStV. Insbesondere ist weder der Bestimmung über Sportwetten in § 14 noch dem Ordnungswidrigkeitenkatalog in § 21 Glücksspielstaatsvertrag AG NRW eine solche Verschärfung zu entnehmen.
35
Es kann dahinstehen, ob für die Ausführungsgesetze der Länder zum Glücksspielstaatsvertrag unter anderen Gesichtspunkten eine gesonderte Notifizierungspflicht bestand.
36
b) Die Vorschrift des § 4 Abs. 4 GlüStV ist auch materiell mit dem Unionsrecht vereinbar.
37
aa) Allerdings stellt diese Regelung eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs gemäß Art. 56 AEUV dar. Das Internetverbot erschwert Wettunternehmen aus anderen Mitgliedstaaten eine Tätigkeit in Deutschland. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit im Glücksspielsektor nur unionsrechtskonform , wenn sie das Diskriminierungsverbot beachtet und aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. Die Maßnahme muss geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten , indem sie kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkei- ten beiträgt; sie darf ferner nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (EuGH, EuZW 2004, 115 Rn. 65 - Gambelli u.a.; EuGH, Urteil vom 6. März 2007 - C-338/04 u.a., Slg. 2007, I-1891 = EuZW 2007, 209 Rn. 49 - Placanica; Urteil vom 8. September 2009 - C-42/07, Slg. 2009, I-7633 = EuZW 2009, 689 Rn. 60 - Liga Portuguesa de Futebol Profissional

).


38
bb) Eine formale Diskriminierung liegt nicht vor. Die Vorschrift des § 4 Abs. 4 GlüStV gilt gleichermaßen für In- und Ausländer. Zwar beeinträchtigt das Internetverbot faktisch Glücksspielanbieter außerhalb Deutschlands stärker als solche, die im Inland ansässig sind, weil ihnen ein für den unmittelbaren Zugang zum deutschen Markt besonders wirksames Vermarktungsmittel genommen wird (vgl. EuGH, Urteil vom 30. Juni 2011 - C-212/08, EuZW 2011, 674 Rn. 74 - Zeturf Ltd.). Dieser Umstand allein steht nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union einer unionsrechtlichen Rechtfertigung des Internetverbots aber nicht entgegen. Vielmehr kommt es auch dann darauf an, ob diese Beschränkung zwingenden Belangen des Allgemeinwohls dient, kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beiträgt und nicht über das erforderliche Maß hinausgeht (vgl. EuGH, EuZW 2009, 689 Rn. 52 ff. - Liga Portuguesa de Futebol Profissional; EuZW 2011, 674 Rn. 76 ff. - Zeturf Ltd.).
39
cc) Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die durch den Glücksspielstaatsvertrag und die Ausführungsbestimmungen des Landes Nordrhein-Westfalen bewirkten Einschränkungen der Dienstleistungsfreiheit im Bereich der Sportwetten zwingenden Gründen des Allgemeininteresses im Sinne des Unionsrechts dienen (ebenso BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 - 8 C 5.10, juris Rn. 34). Ziele des Glücksspielstaatsvertrags sind die Suchtbekämpfung (§ 1 Nr. 1 GlüStV), die Begrenzung des Glücksspielangebots und die Lenkung der Wettleidenschaft (§ 1 Nr. 2 GlüStV), der Jugend- und Spielerschutz (§ 1 Nr. 3 GlüStV) sowie die Betrugsvorbeugung (§ 1 Nr. 4 GlüStV). Der Gerichtshof der Europäischen Union hat anerkannt, dass der Verbraucherschutz , die Betrugsvorbeugung, die Abwehr von Störungen der sozialen Ordnung und das Anliegen, die Bürger vor Anreizen zu überhöhten Spieleinsätzen zu bewahren, zwingende Gründe des Allgemeininteresses sind, die Beschränkungen der Spieltätigkeiten rechtfertigen können (vgl. EuGH, Urteil vom 24. März 1994 - C-275/92, Slg. 1994, I-1039 = EuZW 1994, 311 Rn. 57 f. - Schindler; EuGH, WRP 1999, 1272 Rn. 30 f. - Zenatti; EuZW 2004, 115 Rn. 67 - Gambelli; EuZW 2009, 689 Rn. 46 - Placanica; EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - C-46/08, NVwZ 2010, 1422 Rn. 55 ff. = MMR 2010, 840 - Carmen Media Group). Die Ziele der Suchtbekämpfung sowie des Jugendund Spielerschutzes (§ 1 Nr. 1 und Nr. 3 GlüStV) dienen dem Schutz der Sozialordnung. Die Begrenzung des Glücksspielangebots und die Lenkung der Wettleidenschaft (§ 1 Nr. 2 GlüStV) zielen darauf ab, die Bürger vor Anreizen zu überhöhten Spieleinsätzen zu bewahren.
40
dd) Das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV ist geeignet, die mit dem Glücksspielstaatsvertrag verfolgten Gemeinwohlziele zu fördern.
41
(1) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat anerkannt, dass eine Maßnahme, mit der jedes Anbieten von Glücksspielen über das Internet verboten wird, grundsätzlich geeignet ist, die legitimen Ziele der Vermeidung von Anreizen zu übermäßigen Spielausgaben und der Bekämpfung der Spielsucht sowie des Jugendschutzes zu verfolgen, auch wenn das Angebot solcher Spiele über herkömmliche Kanäle zulässig bleibt (EuGH, NVwZ 2010, 1422 Rn. 105 - Carmen Media Group). Denn über das Internet angebotene Spiele weisen wegen des Fehlens eines unmittelbaren Kontakts zwischen Verbraucher und Anbieter und einer sozialen Kontrolle sowie wegen der Anonymität und Isolation der Spieler ein besonderes Gefährdungspotential für jugendliche und spielsuchtgefährdete oder spielsüchtige Verbraucher auf, das mit erhöhten Betrugsrisiken einhergeht. Dabei fällt insbesondere auch die für das Internet typische besonders leichte und ständige Zugänglichkeit zu einem sehr großen internationalen Spielangebot ins Gewicht (vgl. EuGH, EuZW 2009, 689 Rn. 70 - Liga Portuguesa de Futebol Profissional; NVwZ 2010, 1422 Rn. 102 f. - Carmen Media Group; siehe auch BVerfGE 115, 276 Rn. 139; BVerfG, NVwZ 2008, 1338 Rn. 40; BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 - 8 C 5.10, juris Rn. 34).
42
Die Vorschrift des § 4 Abs. 4 GlüStV soll speziell diesen besonderen Gefahren des Angebots von Glücksspielen im Internet begegnen. Für die Beurteilung der unionsrechtlichen Zulässigkeit des Internetverbots kommt es deshalb nicht auf die Verfügbarkeit von Glücksspielen in anderen Vertriebskanälen an, die nicht die besonderen Gefahren des Internetvertriebs aufweisen (vgl. EuGH, EuZW 2011, 674 Rn. 78 ff. - Zeturf Ltd.).
43
(2) Das Internetverbot ist nicht deshalb zur Verfolgung legitimer Gemeinwohlinteressen ungeeignet, weil bislang konkrete und belastbare Nachweise dafür fehlen, dass solche Interessen durch das Veranstalten und Vermitteln von Sportwetten im Internet gefährdet werden können. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat klargestellt, dass ein Mitgliedstaat die Eignung einer beschränkenden Maßnahme im Glücksspielsektor für die Verfolgung anerkannter Gemeinwohlziele auch dann belegen kann, wenn er dazu keine konkreten Untersuchungen vorzulegen vermag. Es reicht aus, wenn der Mitgliedstaat alle Umstände darlegt, anhand deren sich ein zur Entscheidung berufenes Gericht darüber vergewissern kann, dass die Maßnahme tatsächlich dem Gebot der Verhältnismäßigkeit genügt (EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - C-316/07 u.a., WRP 2010, 1338 Rn. 70 ff. - Markus Stoß u.a.). Diese Anforderung ist im Streitfall erfüllt.
44
(3) Das Internetverbot ist auch eine kohärente und systematische Beschränkung der Gelegenheiten zum Glücksspiel (ebenso BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 - 8 C 5.10, juris Rn. 35 ff.). Die Prüfung dieser unionsrechtlichen Anforderung obliegt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union den Gerichten der Mitgliedstaaten (EuGH, NVwZ 2010, 1422 Rn. 65 - Carmen Media Group).
45
(a) Die unionsrechtliche Prüfung hat grundsätzlich für jede nationale Beschränkung im Bereich der Glücksspiele gesondert zu erfolgen (EuGH, NVwZ 2010, 1422 Rn. 60 - Carmen Media Group). Prüfungsgegenstand ist im Streitfall somit allein das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV und nicht der Glücksspielstaatsvertrag in seiner Gesamtheit oder das deutsche Glücksspielmonopol.
46
(aa) Das Internetverbot ist nicht in dem Sinne „monopolakzessorisch“, dass es bei einer eventuellen Unionsrechtswidrigkeit des deutschen Glücksspielmonopols keine Wirkung mehr entfalten könnte (BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 - 8 C 5.10, juris Rn. 12). Es handelt sich vielmehr um eine eigenständige Regelung, die schon für sich allein zur Förderung der mit dem Glücksspielstaatsvertrag verfolgten Ziele geeignet ist. Selbst wenn das deutsche Glücksspielmonopol oder andere Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags mit dem Unionsrecht unvereinbar wären, führte dessen Anwendungsvorrang nur dazu, dass das deutsche Recht insoweit nicht anzuwenden wäre. Hingegen blieben diejenigen Bestandteile des Glücksspielstaatsvertrags weiterhin anwendbar , die noch eine aus sich heraus sinnvolle und handhabbare Regelung darstellen, die der erkennbaren Absicht des Normgebers entspräche (vgl. BVerwGE 105, 336, 345 f.). Zur Sicherstellung der Ziele des § 1 GlüStV ist es nach der Regelungsabsicht des Normgebers geboten, den Vertriebsweg Internet für Glücksspiele grundsätzlich zu versagen. Dieser Zweck entfiele auch dann nicht, wenn die Vorschriften über das staatliche Monopol im Glücksspiel- staatsvertrag wegfielen (BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 - 8 C 5.10, juris Rn. 12 aE).
47
(bb) Zudem ist davon auszugehen, dass die verschiedenen Arten von Glücksspielen erhebliche Unterschiede aufweisen können, etwa hinsichtlich der sie kennzeichnenden Einsätze und Gewinne, der Zahl potentieller Spieler, der Präsentation, der Häufigkeit, der Dauer oder danach, ob sie die körperliche Anwesenheit des Spielers erfordern oder nicht. Daher führt allein der Umstand, dass für verschiedene Arten von Glücksspielen unterschiedliche nationale Regelungen gelten, nicht schon dazu, dass diese Maßnahmen ihre unionsrechtliche Rechtfertigung verlieren (EuGH, NVwZ 2010, 1422 Rn. 62 f. - Carmen Media Group; WRP 2010, 1338 Rn. 95 f. - Markus Stoß u.a.).
48
(b) Allerdings können nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. EuGH, NVwZ 2010, 1422 Rn. 71 - Carmen Media Group) berechtigte Zweifel an der Eignung eines nationalen Monopols für Sportwetten und Lotterien zur kohärenten und systematischen Beschränkung des Glücksspiels bestehen, wenn - andere Arten von Glücksspielen von privaten Veranstaltern betrieben werden dürfen und - der Mitgliedstaat in Bezug auf diese anderen Arten von Glücksspielen, die zudem ein höheres Suchtpotenzial als die dem Monopol unterliegenden Spiele aufweisen, eine zur Entwicklung und Stimulation der Spieltätigkeiten geeignete Politik der Angebotserweiterung betreibt, um insbesondere die aus diesen Tätigkeiten fließenden Einnahmen zu maximieren.
49
Außerdem sind auch Ausnahmen und Einschränkungen zu einer die Glücksspieltätigkeit beschränkenden Regelung dahingehend einer Kohärenzprüfung zu unterziehen, ob sie deren Eignung zur Verfolgung legitimer Allge- meininteressen beseitigen (vgl. EuGH, NVwZ 2010, 1422 Rn. 106 ff. - Carmen Media Group).
50
(c) Bei der Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall ist zu beachten , dass es hier allein auf die unionsrechtliche Wirksamkeit des Internetverbots des § 4 Abs. 4 GlüStV ankommt. Daher sind die Regelungen zum Automatenspiel und zum herkömmlichen Spielbankenbetrieb in Deutschland im vorliegenden Zusammenhang ohne Bedeutung. Diese Glücksspielformen setzen anders als das Spiel im Internet die persönliche Anwesenheit der Spieler voraus. Weil das bereits aus dem Wesen dieser Glücksspiele folgt, können sie von vornherein nicht durch ein Internetverbot geregelt werden (in diesem Sinne etwa Ohler , EuR 2010, 253, 259). Eine inkohärente oder unsystematische Regelung liegt in diesem tatsächlichen Unterschied zu Sportwetten aber nicht. Selbst wenn Deutschland beim Automatenspiel und im Bereich der Spielbanken eine expansive Politik betreiben sollte, ließe dies die Eignung von § 4 Abs. 4 GlüStV als wirksame Maßnahme zum Jugend- und Spielerschutz sowie zur Begrenzung der Glücksspieltätigkeit unberührt. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist ein allgemeines Internetverbot grundsätzlich auch dann geeignet, die mit ihm verfolgten legitimen Allgemeininteressen zu erreichen, wenn das Anbieten von Spielen über herkömmliche Kanäle zulässig bleibt (vgl. EuGH, NVwZ 2010, 1422 Rn. 105 - Carmen Media Group).
51
Abweichendes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des Gerichtshofs in der Sache „Zeturf“ (EuGH, EuZW 2011, 674 Rn. 73 ff.). Der Gerichtshof hat dort im Zusammenhang mit einem generellen Monopol für Pferdewetten in Frankreich zwar ausgeführt, dass eine Beschränkung der Tätigkeit der Wettannahme grundsätzlich unabhängig davon geprüft werden sollte, auf welchem Weg die Wetten abgeschlossen werden (aaO Rn. 77). Hat der nationale Gesetzgeber eine Unterscheidung zwischen online angebotenen Wetten und solchen, die über traditionelle Vertriebskanäle angeboten werden, nicht für erforderlich gehalten, und eine allgemeine Ausschließlichkeitsregelung für Pferdewetten vorgesehen, so kommt es für die unionsrechtliche Zulässigkeit auf den gesamten Sektor der Pferdewetten an (aaO Rn. 82 f.). Im Einklang mit seiner bisherigen Rechtsprechung betont der Gerichtshof aber auch, dass der Absatz von Glücksspielen über das Internet gegenüber den klassischen Vertriebswegen andere und größere Gefahren in sich bergen kann (aaO Rn. 78 ff.). Wie sich aus Randnummer 82 des Urteils „Zeturf“ ergibt, hält der Gerichtshof dabei daran fest, dass es dem einzelnen Mitgliedstaat obliegt zu beurteilen, ob spezifische Gefahren des Glücksspielvertriebs im Internet besondere Beschränkungen dieses Vertriebswegs erfordern. Unerheblich ist im Übrigen auch, ob die Länder im Zusammenhang mit der Änderung des Glücksspielstaatsvertrags eine Lockerung des Internetverbots erwägen. Im Streitfall steht allein das geltende Recht auf dem Prüfstand. Rechtspolititsche Erwägungen, die de lege ferenda angestellt werden, vermögen die Beurteilung des geltenden Rechts nicht zu verändern.
52
Da Deutschland - anders als Frankreich in dem der Entscheidung „Zeturf“ zugrundeliegenden Fall - in § 4 Abs. 4 GlüStV eine besondere Rege- lung für den Glücksspielvertrieb im Internet getroffen hat, die aufgrund der spezifischen Gefahren dieses Vertriebswegs gerechtfertigt ist, kommt es für die unionsrechtliche Kohärenzprüfung allein auf diesen Vertriebskanal an.
53
Im Übrigen ist es nach § 4 Abs. 4 GlüStV generell verboten, im Internet Automatenspiele anzubieten; denn die Erlaubnis nach § 33c Abs. 1 GewO gilt nur für den stationären Betrieb von Geldspielautomaten (OVG Münster, Beschluss vom 27. Oktober 2008 - 4 B 1774/07, juris; LG Köln, ZfWG 2010, 149, 150 f.). Spielbanken müssen das Internetverbot gemäß § 2 Satz 2 GlüStV beachten.
54
(d) Ein Verstoß gegen das unionsrechtliche Kohärenzgebot ergibt sich auch nicht im Hinblick auf den Bereich der Pferdewetten.
55
(aa) Pferdewetten dürfen nicht über das Internet angeboten oder vermittelt werden. Der Senat schließt sich dazu den überzeugenden Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in dessen Urteil vom 1. Juni 2011 an (8 C 5.10, juris Rn. 37 ff.). Die Veranstaltung oder Vermittlung von Pferdewetten ist verboten , sofern sie nicht auf der Grundlage des Rennwett- und Lotteriegesetz vom 8. April 1922 (RGBl. I, S. 393) erlaubt wird. Die nach § 2 Abs. 2 RennwLottG erteilte Erlaubnis ist auf die Örtlichkeit beschränkt, in der die Wetten entgegengenommen oder vermittelt werden. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut, insbesondere aber auch aus dem Zweck dieser Bestimmung: Sie dient dazu, den Missstand des sog. Winkelbuchmachertums zu bekämpfen, der dazu geführt hatte, dass Kunden überall und jederzeit aufgesucht und zum Wetten verleitet werden konnten. Wie das Bundesverwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat (aaO Rn. 39), liegt dem Typus der erlaubten Pferdewette die Vorstellung eines Wettabschlusses unter Anwesenden zugrunde. Mit diesem Gesetzeszweck ist die - zulässige - telefonische oder telegrafische Wettannahme noch vereinbar, bei der die Initiative zum Wetten vom Wettwilligen ausgehen muss, der zudem weiß, mit welchem Buchmacher er es zu tun hat. Das Wettangebot ist bei Nutzung dieser Formen der Telekommunikation weder ubiquitär noch anonym (BVerwG aaO). Dies ist beim Vertrieb von Wetten im Internet anders. Das Internet ermöglicht den Abschluss von Wetten von jedem Ort und zu jeder Zeit ohne jeden persönlichen Kontakt (vgl. zu allem Vorstehenden BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 - 8 C 5.10, juris Rn. 38 ff.). Dass das Rennwett- und Lotteriegesetz in § 1 für die Totalisatorwette nicht ausdrücklich eine entsprechende Bindung an ein stationäres Wettbüro verlangt, vermag hieran nichts zu ändern; denn zum Betrieb eines Totalisators dürfen nur Renn- und Pferde- zuchtvereine zugelassen werden (§ 2 Abs. 1 der Ausführungsbestimmungen zum Rennwett- und Lotteriegesetz).
56
(bb) Allerdings schreiten die Bundesländer bislang nicht gegen die Annahme und Vermittlung von Pferdewetten im Internet ein. Damit besteht in diesem Bereich ein strukturelles Vollzugsdefizit (BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 - 8 C 5.10, juris Rn. 41). Das führt jedoch nicht zur Unzulässigkeit des Internetverbots im gesamten sonstigen Glücksspielbereich.
57
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union bezieht sich die Kohärenzprüfung auf die Eignung einer Beschränkung zur Zielerreichung. Diese Eignung wird nicht schon durch jede abweichende Regelung in einem quantitativ noch so unbedeutenden Bereich in Frage gestellt. So hat der Gerichtshof der Europäischen Union unter dem Aspekt der Kohärenz des Internetverbots keine Bedenken daraus abgeleitet, dass § 25 Abs. 6 GlüStV eine begrenzte und zeitlich beschränkte Ausnahme von diesem Verbot vorsah (vgl. EuGH, NVwZ 2010, 1422 Rn. 106 ff. - Carmen Media Group).
58
Die Vorschrift des § 4 Abs. 4 GlüStV verliert danach nicht deswegen ihre Eignung zum Jugend- und Spielerschutz, zur Betrugsbekämpfung und zur Eindämmung des Glücksspiels, weil Pferdewetten noch im Internet abgeschlossen werden können. Pferdewetten machen erkennbar nur einen kleinen Prozentsatz des Glücksspielmarkts aus (vgl. OVG Münster, ZfWG 2011, 47, 52; VGH Mannheim, ZfWG 2010, 24, 39) und die von ihnen ausgehenden Suchtgefahren treffen nur einen sehr geringen Teil der Bevölkerung, weil nur verhältnismäßig wenige Verbraucher im Bereich der Pferderennen tatsächlich über solche Kenntnisse verfügen, um sich zuzutrauen, erfolgreich auf den Rennausgang wetten zu können. Im Gegensatz dazu empfinden beim Fußball und anderen Breitensportarten weite Personenkreise eine subjektiv empfundene „Wettkom- petenz“, die sie zum Spielen verleitet. Hinzu kommt, dass die Zahl der Pferderennen deutlich unter derjenigen der sonstigen Sportereignisse liegt, die gerade beim Internetvertrieb dem Spielinteressierten ständig neue Wettmöglichkeiten eröffnen (vgl. zur marginalen Bedeutung der Pferdewetten für den Glücksspielmarkt insgesamt auch BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 - 8 C 5.10, juris Rn. 42).
59
(cc) Dementsprechend hat auch der Gerichtshof der Europäischen Union zwar gemäß dem ihm von den vorlegenden deutschen Gerichten unterbreiteten Sachverhalt die Zulässigkeit von Pferdewetten privater Veranstalter angenommen , eine mögliche Inkohärenz des deutschen Sportwettenmonopols aber allein mit der in den Vorlagebeschlüssen festgestellten Politik der Angebotsausweitung im Bereich Spielbanken und Automatenspiele begründet (EuGH, NVwZ 2010, 1422 Rn. 67 f. - Carmen Media Group; WRP 2010, 1338 Rn. 100, 106 - Markus Stoß u.a.).
60
(dd) Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die an Pferdewetten interessierten Verbraucher im Hinblick auf die damit verbundenen Suchtgefahren nicht weniger schutzwürdig sind als diejenigen Verbraucher, die als Teilnehmer sonstiger Sportwetten in Betracht kommen. Der Gesetzgeber mag nach deutschem Recht auch unter diesem Aspekt gehalten sein, das gegenwärtige Vollzugsdefizit alsbald zu beseitigen. Zur unionsrechtlichen Unzulässigkeit des § 4 Abs. 4 GlüStV kann dieser Umstand aber nicht führen, weil die Gefahren für die Sozialordnung, die sich aus der derzeitigen Duldung des Abschlusses von Internetwetten für Pferderennen ergeben, wegen des beschränkten Teilnehmerkreises deutlich geringer sind als diejenigen der anderen von § 4 Abs. 4 GlüStV erfassten Glücksspiele.
61
(e) § 4 Abs. 4 GlüStV ist auch nicht im Hinblick auf § 8a Rundfunkstaatsvertrag (RStV) unionsrechtlich inkohärent.
62
Die Vorschrift des § 8a RStV lässt Gewinnspielsendungen und Gewinnspiele im Rundfunk unter bestimmten Voraussetzungen zu. Nach § 58 Abs. 4 in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Nr. 13 RStV gilt § 8a RStV entsprechend für Gewinnspiele in mit Rundfunk vergleichbaren Telemedien, die sich an die Allgemeinheit richten. Dazu zählen auch Internetportale, die redaktionelle Informations - und Unterhaltungsangebote für die Allgemeinheit bereitstellen (vgl. Bolay, MMR 2009, 669, 673).
63
(aa) Gewinnspiele im Sinne des § 8a RStV können grundsätzlich auch zufallsabhängige Spiele sein. Das ergibt sich zwar nicht schon aus dem Wortlaut dieser Vorschrift. So ist nach § 8a Abs. 1 Satz 4 RStV im Programm über die Auflösung der gestellten Aufgabe zu informieren. Das spricht dafür, dass Gewinnspiele nur solche Spiele sind, bei denen die Spieler eine gestellte Aufgabe lösen müssen, was grundsätzlich nicht zufallsabhängig ist. Zweck des § 8a RStV ist aber klarzustellen, dass die erst in neuerer Zeit aufgekommenen „interaktiven“ Gewinnspielsendungen und Gewinnspiele, an denen sich das Publikum mittels individueller Kommunikationsmittel (insbesondere Telefon) kostenpflichtig beteiligen kann, ein in Fernsehen und Hörfunk zulässiger Programminhalt sind und damit für private Rundfunkveranstalter eine erlaubte Einnahmequelle bilden. Zu den nach § 8a RStV zulässigen Gewinnspielen zählen danach grundsätzlich auch privat veranstaltete, zufallsabhängige Call-in-Gewinnspiele gegen Entgelt (vgl. VGH München, AfP 2010, 204, 205; Begründung zum 10. Rundfunkänderungsstaatsvertrag, Bayerischer Landtag, LTDrucks. 15/9667, S. 15; Bolay, MMR 2009, 669, 671). Das ergibt sich auch aus der Satzung der Landesmedienanstalten über Gewinnspielsendungen und Gewinnspiele (Gewinnspielsatzung), die zur Konkretisierung des § 8a RStV erlas- sen worden ist. Nach § 2 Gewinnspielsatzung liegt ein Gewinnspiel vor, wenn den Nutzern des Programmangebots im Fall der Teilnahme die Möglichkeit auf den Erhalt eines Vermögenswertes geboten wird. Das schließt zufallsabhängige Spiele ein.
64
(bb) Ein Glücksspiel liegt aber nur vor, wenn für den Erwerb einer - zumindest überwiegend zufallsabhängigen - Gewinnchance ein Entgelt gezahlt wird (vgl. § 3 Abs. 1 GlüStV). Daran fehlt es bei den Gewinnspielen im Sinne des § 8a RStV.
65
Wie sich aus der Verweisung des § 8a Abs. 1 auf § 13 Abs. 1 Satz 3 RStV ergibt, dürfen öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten aus Gewinnspielen keine Einnahmen erzielen. Im Übrigen ist das Teilnahmeentgelt auf höchstens 0,50 € begrenzt. Nach § 8 Gewinnspielsatzung ist es unzulässig, zu wiederholter Teilnahme aufzufordern oder dafür Anreize zu setzen.
66
Teilnahmeentgelte von höchstens 0,50 € sind glücksspielrechtlich unerheblich (OLG München, MMR 2006, 225; Heine in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 284 Rn. 6; MünchKommStGB/Groeschke/Hohmann, § 284 Rn. 8; Bolay, MMR 2009, 669, 670). Sie entsprechen den üblichen Portokosten, wie sie auch für die Teilnahme an herkömmlichen Gewinnspielen im Einzelhandel aufgewendet werden müssen, bei denen die Gewinner aus den Einsendern der richtigen Antwort durch Los und damit zufallsabhängig bestimmt werden. Derartige wettbewerbsrechtlich zulässige Gewinnspiele unterliegen eindeutig nicht den Bestimmungen des Glücksspielstaatsvertrags. Zudem werden Gewinnspiele und Gewinnspielsendungen im Rundfunk maßgeblich durch ihren Show- und Unterhaltungscharakter geprägt, so dass sie in dem durch § 8a RStV festgelegten Entgeltrahmen als Unterhaltungsspiele anzusehen sind.
67
(cc) Durch die Zulassung von Gewinnspielen im Sinne des § 8a RStV auch in Internetportalen mit redaktionellem Inhalt werden die Zielsetzungen des Glücksspielstaatsvertrags nicht beeinträchtigt. Es ist insbesondere nicht ersichtlich , dass die fraglichen Spiele ein höheres Suchtpotential als die vom Glücksspielstaatsvertrag erfassten Spiele haben (vgl. EuGH, NVwZ 2010, 1422 Rn. 71 - Carmen Media Group). Sie können infolgedessen auch nicht zur Unionsrechtswidrigkeit des Internetverbots in § 4 Abs. 4 GlüStV führen.
68
(f) Die Revision hat auch keine Vollzugsdefizite des Glücksspielstaatsvertrags in Nordrhein-Westfalen dargelegt, aus denen sich eine Inkohärenz des Internetverbots jedenfalls für dieses Bundesland ergeben würde. Die pauschale Behauptung von Verstößen staatlich beherrschter Anbieter gegen die Werbebeschränkungen des Glücksspielstaatsvertrags reicht dafür nicht aus. Im Übrigen ist nach § 5 GlüStV die Werbung für erlaubte Glücksspiele außerhalb von Fernsehen, Internet und Telekommunikationsanlagen nicht generell unzulässig, sondern unter bestimmten – engen – Voraussetzungen gestattet. Über die Auslegung dieser Voraussetzungen bei konkreten Werbemaßnahmen kann bis zu einer gerichtlichen Klärung Unsicherheit bestehen. Das vermag jedoch keine unionsrechtliche Inkohärenz des allgemein und eindeutig geltenden Internetverbots zu begründen.
69
ee) Das Internetverbot begegnet ferner unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit keinen unionsrechtlichen Bedenken.
70
Das Unionsrecht verlangt, dass Beschränkungen im Glücksspielsektor nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung der mit ihnen verfolgten legitimen Ziele erforderlich ist (vgl. EuGH, EuZW 2007 Rn. 49 - Placanica; NVwZ 2010, 1422 Rn. 60 - Carmen Media Group). Dabei ist es jedoch Sache jedes Mitgliedstaats zu beurteilen, ob es erforderlich ist, bestimmte Glücksspieltätig- keiten vollständig oder teilweise zu verbieten, oder ob es genügt, sie zu beschränken und zu diesem Zweck mehr oder weniger strenge Kontrollen vorzusehen. In diesem Zusammenhang kommt es für die Erforderlichkeit der erlassenen Maßnahmen allein auf die von den betreffenden nationalen Stellen verfolgten Ziele und das von ihnen angestrebte Schutzniveau an (EuGH, NVwZ 2010, 1422 Rn. 58 - Carmen Media Group). Dagegen wird nicht verlangt, dass eine von einem Mitgliedstaat erlassene beschränkende Maßnahme einer von allen Mitgliedstaaten geteilten Auffassung in Bezug auf die Modalitäten des Schutzes des fraglichen berechtigten Interesses entspricht (vgl. EuGH, Urteil vom 28. April 2009 - C-518/06, Slg. 2009, I-3491 Rn. 83 ff. - Kommission/ Italien). Das hat der Gerichtshof der Europäischen Union gerade auch im Zusammenhang mit dem Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV betont (EuGH, NVwZ 2010, 1422 Rn. 104 - Carmen Media Group).
71
Die deutschen Bundesländer konnten es deshalb im Hinblick auf die besonderen Gefahren des Glücksspielvertriebs im Internet (vgl. oben Rn. 43) für erforderlich halten, diesen Vertriebsweg im Anwendungsbereich des Glücksspielstaatsvertrags vollständig auszuschließen. Dieses Ergebnis ließ sich nur durch das Verbot des § 4 Abs. 4 GlüStV erreichen, nicht dagegen durch weniger einschneidende Reglementierungen des Vertriebskanals Internet.
72
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat zwar ein mitgliedstaatliches Verbot des Vertriebs von Kontaktlinsen über das Internet als nicht erforderlich und damit als unzulässige Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit angesehen (EuGH, Urteil vom 2. Dezember 2010 - C-108/09, GRUR 2011, 243 Rn. 58, 65 ff., 75 - Ker-Optica). Anders als in jenem Fall sind die das Verbot des Internetvertriebs von Glücksspielen rechtfertigenden Gefahren aber unmittelbar und zwangsläufig mit dem Medium Internet verbunden (etwa mangelnde soziale Kontrolle wegen Anonymität, permanente Spielmöglichkeit, besondere Be- quemlichkeit der Spielteilnahme). Sie lassen sich daher nicht durch begleitende Erläuterungen während des Spiels ausräumen.
73
5. Die Unlauterkeit des Glücksspielangebots der Beklagten entfällt nicht deswegen, weil der Beklagten zu 1 in Gibraltar eine Genehmigung erteilt worden ist, Glücksspiele im Internet gegen Geldeinsatz anzubieten.
74
Bereits am 8. September 2009 und damit mehr als sechs Monate vor der Berufungsverhandlung hat der Gerichtshof der Europäischen Union ausdrücklich entschieden, dass sich Wettunternehmen nicht auf eine durch einen anderen Mitgliedstaat erteilte Erlaubnis berufen dürfen, um Glücksspiele in einem anderen Mitgliedstaat entgegen einem dort bestehenden Verbot über das Internet anzubieten (EuGH, EuZW 2009, 689 Rn. 73 - Liga Portuguesa de Futebol Profissional). In dem nicht harmonisierten Gebiet des Glücksspielrechts gibt es beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts keine Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung der von den verschiedenen Mitgliedstaaten erteilten Erlaubnisse (EuGH, Urteil vom 3. Juni 2010 - C-258/08, EWS 2010, 185 Rn. 32 f. - Sporting Exchange; EuGH, WRP 2010, 1338 Rn. 112 - Markus Stoß u.a.).
75
6. Der Streitfall gibt keinen Anlass zu einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV. Der Gerichtshof hat wiederholt betont, dass die unionsrechtliche Kohärenzprüfung beschränkender Maßnahmen im Glücksspielsektor im Einzelfall Sache der nationalen Gerichte ist (vgl. EuZW 2007, 209 Rn. 58 - Placanica; NVwZ 2010, 1422 Rn. 65 - Carmen Media Group). Die für diese Prüfung maßgeblichen Grundsätze des Unionsrechts hat er in einer Vielzahl von Entscheidungen geklärt (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - C-283/81, Slg. 1982, 3415 = NJW 1983, 1257 Rn. 14 - C.I.L.F.I.T.).
76
Das gilt insbesondere für § 4 Abs. 4 GlüStV (vgl. EuGH, NVwZ 2010, 1422 Rn. 98, 105 - Carmen Media Group). Dabei war dem Gerichtshof auch die für Pferdewetten geduldete Ausnahme bekannt (vgl. EuGH, NVwZ 2010, 1422 Rn. 98 - Carmen Media Group - in Verbindung mit dem Vorlagebeschluss des VG Schleswig, ZfWG 2008, 69, 74, und der dort erfolgten Bezugnahme auf die Ausführliche Stellungnahme der Kommission im Notifizierungsverfahren, S. 1 u., 3 bei Ziff. 2.2, Anlage 1 a zum Entwurf des Gesetzes des Landes NordrheinWestfalen zum Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland, Landtag Nordrhein-Westfalen, Drucks. 14/4849). Sie hat dem Gerichtshof aber keinen Anlass zu Zweifeln an der Kohärenz des § 4 Abs. 4 GlüStV gegeben.
77
IV. Entgegen der Auffassung der Revision besteht der Unterlassungsanspruch bundesweit, obwohl die Klägerin nur in Nordrhein-Westfalen tätig ist. Denn das Verhalten der Beklagten ist im Streitfall - anders als in dem vom Senat am 14. Februar 2008 entschiedenen Fall (I ZR 207/05, BGHZ 175, 238 Rn. 28 - ODDSET) bundesweit als unlauterer Wettbewerb anzusehen. Das Internetverbot des § 4 und die Werbebeschränkungen des § 5 Glücksspielstaatsvertrag gelten gemäß § 24 GlüStV in Verbindung mit den Ausführungsgesetzen der Länder einheitlich im gesamten Bundesgebiet. Die von der Revision vertretene Annahme eines lediglich regionalen Unterlassungsanspruchs würde dann zu dem nicht praktikablen Ergebnis führen, dass der räumliche Geltungsbereich des wettbewerblichen Anspruchs für jeden als Anspruchsteller auftretenden Wettbewerber selbständig bestimmt werden müsste (vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 1998 - I ZR 141/08, GRUR 1999, 509, 510 = WRP 1999, 421 - Vorratslücken).
78
V. Der Unterlassungsantrag geht auch nicht deshalb zu weit, weil er auch Online-Gewinnspiele mit einem Höchsteinsatz von 50 Cent für das einzelne Spiel und Poker in der Version „Texas hold’em“ erfasst.
79
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, selbst wenn der Einsatzvon 50 Cent für das einzelne Spiel unerheblich sein möge, handele es sich bei den Online-Gewinnspielen der Beklagten um Glücksspiele nach § 3 Abs. 1 GlüStV. Denn es könne nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Spieler auf ein einzelnes Spiel beschränke. Den Regulierungen des Glücksspielrechts liege die empirisch gestützte Einschätzung zugrunde, dass ein Spielteilnehmer typischerweise gerade nicht geringfügige Verluste hinnehme und das Spiel beende, sondern sich erhoffe, durch eine Fortsetzung des Spiels den Verlust nicht nur wieder auszugleichen, sondern darüber hinaus den von Anfang an erhofften Gewinn zu erzielen. Diese Erwägungen lassen keinen Rechtsfehler erkennen und werden von der Revision auch nicht angegriffen. Die Revision verweist insbesondere auf keinen Vortrag der Beklagten, dass sie dem wiederholten Spiel eines Spielers nach Aufruf ihres Internetangebots durch geeignete Maßnahmen entgegenwirken.
80
2. In Übereinstimmung mit jüngerer Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte (OVG Münster, MMR 2010, 350; OVG Lüneburg, NVwZ-RR 2010, 104) hat das Berufungsgericht angenommen, Poker in der Variante „Texas hold’em“ sei ein Glücksspiel gemäß § 3 Abs. 1 GlüStV, weil der Gewinn überwiegend vom Zufall abhänge. Denn der Gewinn eines Spielers richte sich danach, ob seine Mitspieler früher ausstiegen als er und welche Karten sie letztlich offenlegten. Auch der Erfolg eines Bluffs sei von der aus Sicht des Spielers, der dieses Mittel nutze, ungewissen Reaktion der Mitspieler abhängig. Zwar stünden die im Falle des Showdowns schließlich aufzudeckenden Karten bereits vorher fest, der jeweilige Spieler könne davon aber keine sichere Kenntnis haben.
81
Die Revision zeigt keinen Rechtsfehler dieser tatrichterlichen Würdigung des Berufungsgerichts auf. Dabei ist von Bedeutung, dass entsprechend dem gesetzlichen Schutzzweck für die glücksspielrechtliche Beurteilung nicht mehr als durchschnittliche Fähigkeiten eines Spielers maßgeblich sind (vgl. OVG Münster, MMR 2010, 350, 351; OVG Lüneburg, NVwZ-RR 2010, 104). Unerheblich ist, ob professionelle Spieler oder geübte Amateure, die sich gegebenenfalls auch Lehrbuchwissen angeeignet haben, ihre Erfolgschancen steigern können. Das Berufungsgericht hat auch die Möglichkeit eines bewussten Bluffs und deren Auswirkungen auf das Spielerverhalten berücksichtigt. Soweit die Revision im Übrigen auf ihren instanzgerichtlichen Vortrag verweist, versucht sie lediglich, ihre Tatsachenwürdigung an die Stelle derjenigen des Berufungsgerichts zu setzen.
82
VI. Da der auf Unterlassung gerichtete Klageantrag begründet ist, hat das Berufungsgericht auch die darauf rückbezogenen Anträge auf Auskunftserteilung (§ 242 BGB) und Feststellung der Schadensersatzpflicht (§ 9 UWG) zu Recht zugesprochen.
83
1. Die Feststellung der Ersatzpflicht im gerichtlichen Verfahren setzt voraus , dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den Eintritt eines Schadens besteht. Dafür reicht es aus, dass aufgrund des festgestellten Sachverhalts ein Schaden zumindest denkbar und möglich erscheint, wobei ein großzügiger Maßstab geboten ist (BGH, Urteil vom 6. März 2001 - KZR 32/98, GRUR 2001, 849, 850). Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Es ist nach der Lebenserfahrung jedenfalls denkbar und möglich, dass das Internetangebot der Beklagten, insbesondere wegen seiner großen Bequemlichkeit und Anonymität, Spielinteressierte in Nordrhein-Westfalen davon abgehalten hat, Spielmöglichkeiten bei der Klägerin im herkömmlichen Vertrieb zu nutzen. Das gilt auch, soweit die Beklagten Online-Casinospiele anbieten.
84
2. Das Berufungsgericht hat ein Verschulden der Beklagten für den hier allein erheblichen Zeitraum ab dem 26. März 2008 zutreffend mit der Erwägung bejaht, die Rechtslage sei mit dem Inkrafttreten des Verbots für das Veranstalten und Vermitteln von Glücksspielen im Internet (§ 4 Abs. 4 GlüStV) hinreichend geklärt worden. Die Beklagten mussten jedenfalls ernsthaft damit rechnen , dass das zuständige Gericht einen Wettbewerbsverstoß annehmen werde. Die Kommission hatte zwar Ende Januar 2008 eine Untersuchung unter anderem über die Vereinbarkeit des § 4 Abs. 4 GlüStV mit dem Unionsrecht eingeleitet und dazu am 31. Januar 2008 eine Pressemitteilung veröffentlicht (IP/08/119). Das Ergebnis dieser Untersuchung und eines ihr gegebenenfalls folgenden Verfahrens vor dem Gerichtshof der Europäischen Union war aber völlig offen. Deutschland hatte bereits für den Entwurf des Glücksspielstaatsvertrags näher begründet, warum das Internetverbot unionsrechtlich zulässig sei. Soweit ersichtlich, hat die Kommission die Sache auch nicht weiterverfolgt und keine mit Gründen versehene Stellungnahme im Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 AEUV abgegeben.
85
C. Danach ist die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
RiBGH Pokrant ist in Kur und kann daher nicht unterschreiben. Bornkamm Bornkamm Schaffert
Kirchhoff Löffler
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 09.07.2009 - 31 O 599/08 -
OLG Köln, Entscheidung vom 12.05.2010 - 6 U 142/09 -

(1) Wer ohne behördliche Erlaubnis öffentlich ein Glücksspiel veranstaltet oder hält oder die Einrichtungen hierzu bereitstellt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Als öffentlich veranstaltet gelten auch Glücksspiele in Vereinen oder geschlossenen Gesellschaften, in denen Glücksspiele gewohnheitsmäßig veranstaltet werden.

(3) Wer in den Fällen des Absatzes 1

1.
gewerbsmäßig oder
2.
als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(4) Wer für ein öffentliches Glücksspiel (Absätze 1 und 2) wirbt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

28
b) Dies bedingt zugleich die Aufhebung des Urteils insgesamt. Zwar erfordert ein lediglich den Schuldumfang betreffender Rechtsfehler regelmäßig nicht die Aufhebung auch des Schuldspruchs, da sich die Verurteilung jedenfalls im Ergebnis rechtfertigt (Kuckein in Karlsruher Kommentar, StPO, 6. Aufl., § 353 Rn. 13 mwN). So lässt es bei Steuerhinterziehung den Schuldspruch grundsätzlich unberührt, wenn lediglich der Verkürzungsumfang, etwa durch eine fehlerhafte Schätzung, unrichtig bestimmt ist, die Verwirklichung des Tatbestandes aber sicher von den Feststellungen getragen wird (vgl. BGH, Be- schluss vom 24. Mai 2007 - 5 StR 58/07, wistra 2007, 345). Der Schuldspruch ist hier jedoch aufzuheben, weil - insbesondere mit Blick auf § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG - wesentliche Modalitäten zu dem auch den Schuldumfang determinierenden Tathergang unklar bleiben (hierzu vgl. Kuckein in Karlsruher Kommentar , StPO, 6. Aufl., § 353 Rn. 18 mwN) und dem neuen Tatrichter die Möglichkeit zu geben ist, eine Entscheidung ohne Bindung an die bisherigen - widersprüchlichen - Feststellungen zu treffen (hierzu vgl. auch BGH, Beschluss vom 20. Juni 1996 - 4 StR 680/95, NStZ-RR 1997, 72, 73).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 505/16
vom
20. Dezember 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
ECLI:DE:BGH:2016:201216B1STR505.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts – zu 3. auf dessen Antrag – am 20. Dezember 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stade vom 8. Juni 2016 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten verurteilt.
2
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.


3
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
Der Angeklagte betrieb in L. von 1996 bis 2010 das Restaurant „M. “ mit Café-Betrieb in zentraler Lage der L. er Fußgängerzone. Das Lokal verfügte auf zwei Etagen im Innenbereich über ca. 100 und im Außenbereich über ca. 120 Plätze und hatte sich spätestens ab dem Jahr 2002 als sehr beliebtes Restaurant („Szenelokal“) in L. etabliert. Im Jahr 2005 über- nahm der Angeklagte zusätzlich das ebenfalls in der L. er Fußgängerzo- ne befindliche Restaurant „B. “ mit einem Angebot von Speisen und Getränken. Hieraus erzielte der Angeklagte Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG). Zudem bot der Angeklagte mit dem im selben Jahr eröffneten weiteren Restaurant „P. “ italienische Speisen an, das von der P. GmbH (nachfolgend: „P. “) betrieben wurde, deren Alleingesellschafter und Ge- schäftsführer der Angeklagte war.
5
Der Angeklagte reichte seine Einkommensteuererklärung und die Gewerbesteuer - und Umsatzsteuererklärungen für das Einzelunternehmen für die Jahre 2004 bis 2009 jeweils gemeinsam beim zuständigen Finanzamt ein. Das Finanzamt setzte die Steuern antragsgemäß fest.
6
In den eingereichten Steuererklärungen waren Anteile von Speisen und Getränken nicht enthalten, die der Angeklagte ohne Dokumentation in der Buchhaltung eingekauft und in seinen Restaurants neben dem ordentlich erklärten Wareneinsatz vertrieben hatte. So wurden bei einem Großhändler in H. unter einer Scheinfirma Speisen für die Jahre 2004 bis 2009 in einer Größenordnung von ca. 20.000 Euro pro Jahr erworben. Weitere Feststellungen zu Schwarzeinkäufen konnte das Landgericht ebenso wenig treffen wie zu konkreten Manipulationsmethoden der Kassenführung. Da der Angeklagte zwar eingeräumt hatte, dass es „Schwarzeinkäufe“ gegeben habe, die zu (nichter- klärten) Erlösen geführt hätten, er aber zur Höhe der nicht erklärten Erlöse keine Angaben machen könne, da er in den relevanten Jahren jeglichen Überblick verloren habe, schätzte das Landgericht die Besteuerungsgrundlagen sowohl hinsichtlich des Einzelunternehmens als auch der GmbH (UA S. 5, 10).
7
Die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen erfolgte unter Heranziehung der Richtwerte für Rohgewinnaufschlagsätze aus der Richtsatzsammlung des Bundesministeriums der Finanzen. Hinsichtlich des Einzelunternehmens mit den Restaurants „M. “ und „B. “ ging das Landgericht für die Jah- re 2004, 2005 und 2006 von einem Rohgewinnaufschlagssatz von 263 % und für die Jahre 2007, 2008 und 2009 von 283 % aus. Das Landgericht schlug jeweils 50 % auf den mittleren Wert aus der Richtsatzsammlung auf (UA S. 14). Der Aufschlag ergebe sich angesichts des attraktiven Standortes des „M. “ und der „B. “, der durchgehend guten Auslastung des „M. “ so- wie der dortigen Anzahl der Plätze und der ständigen Präsenz des Angeklagten im Unternehmen (UA S. 12 und 14).
8
Hinsichtlich der GmbH ging das Landgericht davon aus, dass die Schwarzeinkäufe beim „P. “ 10 %des Wareneinkaufs betrugen, mithin der Angeklagte in allen Jahren 90 % seines Wareneinkaufs erklärt hatte (UA S. 16). Hinsichtlich des Rohgewinnaufschlagsatzes nahm das Landgericht hier an, dass dieser dem jeweiligen Mittelwert der amtlichen Richtsatzsammlung entsprach. Die festgestellten Mehrgewinne rechnete es dem Angeklagten im Rahmen des Halbeinkünfteverfahrens als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu (§ 20 EStG).
9
Ausgehend von diesen Schätzungsgrundlagen errechnete das Landgericht für die Veranlagungszeiträume 2004 bis 2009 Verkürzungen von Einkommensteuer einschließlich Solidaritätszuschlag, von Gewerbesteuer und von Umsatzsteuer im Umfang von insgesamt 1.038.342 Euro.

II.


10
Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen tragen zwar den Schuldspruch, der Strafausspruch hält jedoch revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand.
11
1. Beim Straftatbestand der Steuerhinterziehung lässt es den Schuldspruch grundsätzlich unberührt, wenn lediglich der Verkürzungsumfang, etwa durch eine fehlerhafte Schätzung, unrichtig bestimmt ist, die Verwirklichung des Tatbestandes aber sicher von den Feststellungen getragen wird (vgl. BGH, Urteil vom 22. Mai 2012 – 1 StR 103/12 Rn. 28, NZWiSt 2012, 299; Beschluss vom 24. Mai 2007 – 5 StR 58/07, wistra 2007, 345). Dies ist hier der Fall. Auf Grund der vom Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellten und vom Angeklagten auch eingeräumten „Schwarzeinkäufe“, schließt der Senat jeweils aus, dass durch die verfahrensgegenständlichen Taten keine Steuerverkürzung eingetreten ist.
12
2. Der Strafausspruch hat jedoch keinen Bestand, weil dasLandgericht den Umfang der Steuerverkürzungen nicht rechtsfehlerfrei bestimmt hat. Die vom Landgericht vorgenommene Schätzung enthält durchgreifende Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten.
13

a) Vorliegend war das Landgericht zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen berechtigt.
14
aa) Im Steuerstrafverfahren ist die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen zulässig, wenn zwar feststeht, dass der Steuerpflichtige einen Besteuerungstatbestand erfüllt hat, die tatsächlichen Besteuerungsgrundlagen aber ungewiss sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 6. April 2016 – 1 StR 523/15, NStZ 2016, 728; vom 29. Januar 2014 – 1 StR 561/13, wistra 2014, 276; vom 4. Februar 1992 – 5 StR 655/91, wistra 1992, 147 und vom 10. September 1985 – 4 StR 487/85, wistra 1986, 65).
15
So verhält es sich hier. Das Landgericht durfte aufgrund der unvollständig und bewusst – ohne die Schwarzeinkäufe – zu niedrig angesetzten steuerpflichtigen Umsätze und Einnahmen, die der Angeklagte dem Grunde nach für das Einzelunternehmen und die GmbH auch eingeräumt hatte, seine Überzeugung vom Umfang der Besteuerungsgrundlagen aufgrund eigener Schätzung bilden. Eine konkrete Berechnung der Besteuerungsgrundlagen war bei den hier vorliegenden Gastronomiebetrieben ausgeschlossen, weil die Buchführung wegen unvollständig erfassten Betriebseinnahmen formell und materiell unvollständig war.
16
bb) Ist eine konkrete Berechnung der Umsätze und Gewinne nicht möglich und kommen ausgehend von der vorhandenen Tatsachenbasis andere Schätzungsmethoden nicht in Betracht, darf das Tatgericht die Besteuerungsgrundlagen gestützt auf die Richtwerte für Rohgewinnaufschlagsätze aus der Richtsatzsammlung des Bundesministeriums der Finanzen pauschal schätzen (BGH, Beschlüsse vom 6. April 2016 – 1 StR 523/15, NZWiSt 2016, 354 und vom 29. Januar 2014 – 1 StR 561/13, NStZ 2014, 337; Urteil vom 28. Juli 2010 – 1 StR 643/09,NStZ 2011, 233; Beschluss vom 24. Mai 2007 – 5 StR 58/07, wistra 2007, 345). Da es sich bei der Anwendung der Richtsätze aber um ein eher grobes Schätzungsverfahren handelt (vgl. BFH, Urteil vom 26. April 1983 – VIII R 38/82, BFHE 138, 323, BStBl II 1983, 618; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand: Januar 2017, § 162 AO, Rn. 56; Buciek in: Beermann/Gosch, AO/FGO, Stand: 1. Juli 2010, § 162 AO 1977, Rn. 143), müssen auch bei dieser Schätzungsmethode die festgestellten Umstände des Einzelfalls in den Blick genommen werden.
17
Deshalb muss sich das Tatgericht bei der Beweiswürdigung zum Rohgewinnaufschlagsatz zwar einerseits nicht zugunsten eines Angeklagten an den unteren Werten der in der Richtsatzsammlung genannten Spannen orientieren, wenn sich Anhaltspunkte für eine positivere Ertragslage ergeben (BGH, Beschluss vom 29. Januar 2014 – 1 StR 561/13, NStZ 2014, 337; Urteil vom 28. Juli 2010 – 1 StR 643/09, NStZ 2011, 233). Soweit Zweifel verbleiben, darf das Tatgericht aber andererseits auch nicht ohne Weiteres einen als wahrscheinlich angesehenen Wert aus der Richtsatzsammlung zugrunde legen, sondern muss einen als erwiesen angesehenen Mindestschuldumfang feststellen (vgl. BGH, Beschluss vom 6. April 2016 – 1 StR 523/15 Rn. 20, NStZ 2016, 728). Auch bei Zugrundelegung des Mittelsatzes aus der amtlichen Richtsatzsammlung muss das Tatgericht daher in den Urteilsgründen ausführen, aufgrund welcher Anknüpfungstatsachen es davon überzeugt ist, dass es sich um einen Betrieb handelt, bei dem jedenfalls dieser Mittelsatz erreicht ist. Zwar handelt es sich bei dem Mittelsatz um das gewogene Mittel aus den geprüften Betrieben einer Gewerbeklasse (vgl. Richtsatzsammlung für das Kalenderjahr 2015 Rn. 6), weshalb die Anwendung der Mittelsätze bei der Schätzung nach Richtsätzen im Allgemeinen zu dem Ergebnis führt, dass die Schätzung mit der größten Wahrscheinlichkeit den tatsächlichen Verhältnissen am nächsten kommt (vgl. Richtsatzsammlung für das Kalenderjahr 2015 Rn. 10.2.1). Auch die Richtsatzsammlung geht aber davon aus, dass ein Abweichen durch be- sondere betriebliche oder persönliche Verhältnisse begründet sein kann (Richtsatzsammlung für das Kalenderjahr 2015 aaO). Da die in der Richtsatzsammlung enthaltenen Rohgewinnaufschlagsätze auf bundesweite Prüfungsergebnisse zurückgehen, muss das Tatgericht deshalb bei Anwendung der Richtsatzsammlung für die Schätzung im Strafprozess erkennen lassen, dass es die örtlichen Verhältnisse und – soweit vorhanden – die Besonderheiten des Gewerbebetriebes in den Blick genommen hat.
18
b) Diesen Anforderungen werden die Schätzungen des Landgerichts nicht ausreichend gerecht. Der Senat kann nicht ausschließen, dass sich dies auf das Ergebnis der Schätzung der Besteuerungsgrundlagen und in der Folge zum Nachteil des Angeklagten auf den Strafausspruch ausgewirkt hat.
19
aa) Hinsichtlich des Lokals „P. “ hat das Landgericht ohne nähere Begründung den Mittelwert der Rohgewinnaufschlagsätze der einschlägigen Gewerbeklasse zu Grunde gelegt. Den örtlichen Verhältnissen hat es dabei ersichtlich keine Bedeutung beigemessen. Der Tatrichter muss aber bei Zugrundelegung eines Mittelsatzes aus der amtlichen Richtsatzsammlung seine Überzeugung begründen, aus welchen Umständen er geschlossen hat, dass es sich um einen Betrieb handelt, bei dem jedenfalls dieser Mittelwert erreicht ist (BFH, Urteile vom 12. September 1990 – I R 122/85, BFH/NV 1991, 573 und vom 2. Februar 1982 – VIII R 65/80, BFHE 135, 158, BStBl II 1982, 409). Nach den Feststellungen des Landgerichts handelte es sich bei dem „P. “ um ein weniger erfolgreiches Restaurant, das erst ein systemgastronomisches Konzept verfolgte, das von der L. er Kundschaft nicht angenommen wurde, weshalb auch eine Umstellung auf Tischbedienung erforderlich wurde (UA S. 4). Gleichwohl hat das Landgericht ohne weitergehende Feststellungen der Schätzung der Besteuerungsgrundlagen für dieses Restaurant hinsichtlich der nicht erklärten Umsätze einen Rohgewinnaufschlag in Höhe der jeweiligen Mittelwerte zu Grunde gelegt, „da besondere betriebliche Verhältnisse, welche eine Abweichung vom Mittelwert gerechtfertigt hätten, nicht feststellbar waren“ (UA S. 16). Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil das Landgericht die für das Restaurant „P. “ festgestellten besonderen Umstände bei der Schätzung anhand der Richtsatzsammlung außer Betracht gelassen hat.
20
bb) Bei den Restaurants „M. “ und „B. “ liegt zwar dieser Rechtsfehler nicht vor; denn das Landgericht hat im Rahmen der Schätzung der Besteuerungsgrundlagen die sich insbesondere aus der Lage dieser Restaurants ergebenden Besonderheiten ausdrücklich berücksichtigt (UA S. 12). Allerdings hat das Landgericht bei diesen Gastronomiebetrieben jeweils um 50 % über den jeweiligen Mittelsätzen der Richtsatzsammlung liegende Roh- gewinnaufschlagsätze für zutreffend erachtet, die es beim Lokal „P. “ zu- grunde gelegt hat. Der Senat kann daher nicht ausschließen, dass diese Schätzungen für die Restaurants „M. “ und „B. “ in Relation zu derjenigen beim Lokal „P. “ erfolgt sind und infolgedessen die rechtsfeh- lerhafte Schätzung für dieses Restaurant sich auch auf die Schätzungen für die beiden weiteren Restaurants ausgewirkt hat. Der Strafausspruch kann daher auch insoweit keinen Bestand haben.
21
3. Der Senat hebt den Strafausspruch mit den Feststellungen auf, weil die Feststellungen zu den Besteuerungsgrundlagen von der rechtsfehlerhaften Schätzung betroffen sind. Die Feststellungen zu den Schwarzeinkäufen bleiben allerdings bestehen, da sie vom aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen sind und den Schuldspruch rechtfertigen.

III.

22
Im Hinblick auf die neue Hauptverhandlung bemerkt der Senat:
23
1. Der Tatrichter darf zwar aufgrund der mangelhaften Buchführung, die der Angeklagte hier dem Grunde nach für das Einzelunternehmen und die GmbH auch eingeräumt hatte, seine Überzeugung aufgrund eigener Schätzung bilden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. Juli 2015 – 1 StR 602/14, NZWiSt 2016, 26; vom 6. Oktober 2014 – 1 StR 214/14, NZWiSt 2015, 108 und vom 29. Januar 2014 – 1 StR 561/13, wistra 2014, 276; Urteil vom 28. Juli 2010 - 1 StR 643/09, NStZ 2011, 233; Beschluss vom 24. Mai 2007 – 5 StR 58/07, wistra 2007, 345). Allerdings muss er in diesem Fall in den Urteilsgründen für das Revisionsgericht nachvollziehbar darlegen, dass keine konkretere und damit genauere Schätzungsmethode zur Verfügung steht als die pauschale Heranziehung der Richtwerte für Rohgewinnaufschlagsätze aus der Richtsatzsammlung des Bundesministeriums der Finanzen (BGH, Beschluss vom 6. April 2016 – 1 StR 523/15, NStZ 2016, 728).
24
Erst wenn sich eine konkrete Ermittlung oder Schätzung der tatsächlichen Umsätze von vorneherein oder nach entsprechenden Berechnungsversuchen als nicht möglich erweist, kann pauschal geschätzt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Januar 2014 – 1 StR 561/13, wistra 2014, 276; Urteil vom 28. Juli 2010 – 1 StR 643/09, NStZ 2011, 233; Beschluss vom 24. Mai 2007 – 5 StR 58/07, wistra 2007, 345). Denn soweit Tatsachen zur Überzeugung des Tatrichters feststehen, hat er diese der Schätzung zugrunde zu legen (BGH, Beschluss vom 6. April 2016 – 1 StR 523/15, NStZ 2016, 728). Da es sich bei der Anwendung der Richtsätze um ein verhältnismäßig grobes Schätzungsverfahren handelt, muss sich die Schätzung soweit wie möglich an den feststellbaren Daten des konkreten Einzelfalls orientieren.
25
Ist eine konkrete Ermittlung oder Schätzung nach dem Vorgesagten nicht möglich, darf der Tatrichter überdies nicht lediglich einen wahrscheinlichen Wert aus der Richtsatzsammlung zugrunde legen, sondern muss einen als erwiesen angesehenen Mindestschuldumfang feststellen (§ 261 StPO; vgl. BGH, Beschluss vom 6. April 2016 – 1 StR 523/15 Rn. 20, NStZ 2016, 728). Er muss daher auch bei Zugrundelegung des Mittelsatzes aus der amtlichen Richtsatzsammlung seine Überzeugung begründen, welche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass es sich um einen Betrieb handelt, bei dem jedenfalls dieser Mittelsatz erreicht ist.
26
2. Bei seiner Schätzung wird das Landgericht in den Blick zu nehmen haben, ob hinsichtlich der Restaurants „M. “ und „B. “ Unter- schiede bestehen, die eine getrennte Schätzung der Besteuerungsgrundlagen für beide Restaurants erforderlich machen.
27
3. Im Hinblick auf die Bestimmung der Höhe verdeckter Gewinnausschüttungen geben die Rügen der Revision Anlass zu folgendem Hinweis: Maßgeblich ist der Betrag, der dem Gesellschafter im Rahmen der verdeckten Gewinnausschüttung zugeflossen ist (BFH, Urteile vom 19. Juni 2007 – VIII R 54/05, BFHE 218, 244, BStBl II 2007, 830 und vom 20. August 2008 – I R 29/07, BFH/NV 2008, 2133).
28
4. Im Hinblick auf die Bestimmung der Höhe eines nicht gerechtfertigten Steuervorteils im Sinne von § 370 Abs. 1 AO (hier für den Veranlagungszeitraum 2009) weist der Senat auf seinen Beschluss vom 2. November 2010 (1 StR 544/09, NStZ 2011, 294) hin. Danach können die steuerlichen Auswirkungen eines festgestellten Verlustes im Rahmen der Strafzumessung Bedeutung erlangen. Hierzu bedarf es gegebenenfalls Feststellungen zum Verlustabzug gemäß § 10d EStG. Raum Jäger Cirener Mosbacher Bär

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 523/15
vom
6. April 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Steuerhinterziehung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:060416B1STR523.15.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. April 2016 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kleve vom 28. Mai 2015 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte H. der Steuerhinterziehung in 39 Fällen sowie des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in 47 Fällen für schuldig erachtet und gegen sie eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten sowie eine Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 70 Euro verhängt. Den Angeklagten U. hat es der Steuerhinterziehung in 39 Fällen sowie des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in 29 Fällen für schuldig erachtet und zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten sowie zu einer Gesamtgeldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 70 Euro verurteilt.
2
Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren (jeweils auf Verfahrens- und Sachrügen) gestützten Revisionen, die in vollem Umfang Erfolg haben.

I.


3
Das Landgericht hat die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen :
4
Die Angeklagten sind miteinander verheiratet und betrieben im verfahrensgegenständlichen Zeitraum gemeinsam ein Taxi- und Mietwagenunternehmen. Zusätzlich unterhielten sie auch einige Schulbusse. Das Unternehmen war auf die Angeklagte H. angemeldet, der Angeklagte U. war jedoch als gleichberechtigter Partner im Unternehmen tätig.
5
Die Angeklagten beschäftigten Taxi- und Mietwagenfahrer auf Stundenlohnbasis. In 2008 hatten sie ca. 18 Mitarbeiter, die laut Arbeitsverträgen jedenfalls in 2008 jeweils zwischen 100 und 200 Stunden tätig waren. Die Mitarbeiter arbeiteten in einem Schichtsystem und erfassten ihre Arbeitsstunden auf sogenannten Fahrtenkontrollblättern.
6
Um Steuern und Sozialabgaben zu verkürzen, hatten die Angeklagten mit ihren Mitarbeitern vereinbart, dass sie nicht die tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden , sondern jeweils weniger als diese auf den Fahrtenkontrollblättern eintrugen und den übrigen Arbeitslohn unversteuert und ohne Abgabe von Sozialversicherungsbeiträgen erhalten sollten. Zudem manipulierten die Angeklagten jedenfalls bis 2005 mindestens an neun Fahrzeugen die Tachometer und stellten deren Laufleistung zwischen 9.000 km und 120.000 km zurück.
7
Von den tatsächlich erzielten Umsätzen verkürzten die Angeklagten auf diese Weise in den verfahrensgegenständlichen Zeiträumen 2004 bis 2008 ca. 20 % bis 30 %. Die genaue Höhe der Verkürzung konnte das Landgericht auf- grund von fehlenden Buchhaltungsunterlagen nicht mehr feststellen und hat daher die Besteuerungsgrundlagen geschätzt.
8
Ausgangspunkt und damit Grundlage der Schätzung waren die in den Jahren gefahrenen Kilometer der einzelnen PKW, aus welchen das Landgericht die Umsätze für die Taxis, Mietwagen und Schulbusse ermittelt hat.
9
Nach den auf den genannten Schätzungen beruhenden Feststellungen haben die Angeklagten in den Besteuerungszeiträumen 2004, 2005 und 2006 insgesamt 12.479 Euro, 16.703 Euro und 28.727 Euro Umsatzsteuer verkürzt. In den Voranmeldungszeiträumen Januar 2007 bis September 2008 lagen die Umsatzsteuerverkürzungsbeträge zwischen 159 Euro und 4.264 Euro.
10
Für die Veranlagungszeiträume 2004, 2005 und 2006 errechnete das Landgericht insgesamt eine Verkürzung von 23.251 Euro, 18.840 Euro und 33.524 Euro Einkommensteuer und 13.797 Euro, 11.289 Euro und 17.888 Euro Gewerbesteuer.
11
Die vom Landgericht geschätzte Lohnsteuerverkürzung für die Anmeldungszeiträume Oktober 2004 bis zum zweiten Quartal 2008 lag zwischen 1.166 Euro und 4.972 Euro und für das Jahr 2006 bei 20.577 Euro. Die vorenthaltenen Gesamtsozialversicherungsbeiträge betrugen nach den Feststellungen für die Zeiträume September 2004 bis Juli 2008 zwischen 803 Euro und 4.521 Euro im Monat.

II.


12
Die Revisionen der Angeklagten haben bereits auf die Sachrügen hin Erfolg , weil die zum Schuld- und Strafausspruch getroffenen Feststellungen sachlich -rechtlicher Nachprüfung nicht standhalten. Eines weiteren Eingehens auf die von beiden erhobene Verfahrensrüge bedarf es daher nicht.
13
1. Dem Landgericht waren angesichts der fehlenden (unmittelbaren) Beweismittel, insbesondere aufgrund der mangelhaften Buchführung der Angeklagten , die Besteuerungsgrundlagen nicht bekannt. Es war daher berechtigt die Besteuerungsgrundlagen durch Schätzung zu ermitteln (a). Bei der konkreten Umsetzung der Schätzungsmethode sind dem Landgericht jedoch Fehler unterlaufen, die dazu führen, dass bereits die dem Schuldspruch zugrunde liegenden Feststellungen nicht durch eine rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung getragen werden (b).
14
a) Das Landgericht war dem Grunde nach zur Schätzung berechtigt.
15
aa) Auch im Steuerstrafverfahren ist die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen zulässig (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 29. Januar 2014 – 1 StR 561/13, wistra 2014, 276, vom 4. Februar 1992 – 5 StR 655/91, wistra 1992, 147 und vom 10. September 1985 – 4 StR 487/85, wistra 1986, 65; Urteil vom 26. Oktober 1998 – 5 StR 746/97, BGHR AO § 370 Abs. 1 Steuerschätzung 1, 2), wenn feststeht, dass der Steuerpflichtige einen Besteuerungstatbestand erfüllt hat, die tatsächlichen Verhältnisse, die für die Bemessung der Steuer maßgebend sind, aber ungewiss sind. So verhält es sich hier.
16
bb) Dem Gericht war es nicht möglich, aus den Aufzeichnungen und Unterlagen der Angeklagten die Besteuerungsgrundlagen in zutreffender Höhe festzustellen. Die Angeklagten haben ihre steuerpflichtigen Umsätze bzw. Einnahmen bewusst falsch aufgezeichnet, indem sie auf den Fahrtenkontrollblättern weniger Arbeitsstunden als tatsächlich geleistet durch ihre Angestellten eintragen ließen, um auf diese Weise Einnahmen zu verschleiern und Lohnsteuer und Sozialversicherungsabgaben zu verkürzen. Dementsprechend waren bereits die der Besteuerung zugrunde zu legenden Ursprungsaufzeichnungen falsch und die Ermittlung der Einnahmen und Umsätze durch Schätzung dem Grunde nach zulässig.
17
Überdies hatten die Angeklagten jedenfalls bis 2007 ihre steuerliche Pflicht zur Einzelaufzeichnung der Betriebseinnahmen verletzt, da sie die Schichtzettel der Mitarbeiter nicht aufbewahrten und auch keine tägliche Übertragung des Inhalts der Schichtzettel in ein Kassenbuch erfolgte (vgl. BFH, Beschluss vom 25. Oktober 2012 – X B 133/11, BFH/NV 2013, 341). Gerade derartige Aufzeichnungen hätten es dem Landgericht jedoch ermöglicht sich davon zu überzeugen, dass die aufgezeichneten Einnahmen den tatsächlichen Einnahmen entsprachen. Fehlen derartige Unterlagen, ist das Tatgericht gehalten, sich seine Überzeugung von dem wirklichen Sachverhalt auf Grund sonstiger Anhaltspunkte zu bilden und den Umfang der verwirklichten Besteuerungsgrundlagen aus Hilfstatsachen zu erschließen (Joecks in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl., § 370 Rn. 82).
18
b) Die vom Landgericht gewählte Schätzungsmethode erweist sich hingegen als rechtsfehlerhaft, so dass die Schätzung der Höhe nach der revisionsrechtlichen Prüfung nicht standhält.
19
aa) Zwar obliegen die Ermittlung und Darlegung der Besteuerungsgrundlagen einschließlich der Schätzung dem Tatrichter in freier und eigenverantwortlicher richterlicher Überzeugungsbildung (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 17. März 2005 – 5 StR 461/04, NStZ-RR 2005, 209, 211; BGH, Beschluss vom 26. April 2001 – 5 StR 448/00, wistra 2001, 308, 309). Allerdings hat er in den Urteilsgründen für das Revisionsgericht nachvollziehbar darzulegen, wie er zu den Schätzungsergebnissen gelangt ist (BGH, Beschluss vom 24. Mai 2007 – 5 StR 58/07, wistra 2007, 345).
20
Ziel der Schätzung ist es, aus den vorhandenen Anhaltspunkten in einem Akt des Schlussfolgerns und der Subsumtion diejenigen Tatsachen zu ermitteln , von deren Richtigkeit der Tatrichter überzeugt ist (BGH, Beschluss vom 24. Mai 2007 – 5 StR 58/07, wistra 2007, 345; vgl. auch BFH, Urteil vom 26. Februar 2002 – X R 59/98, BFHE 198, 20, BStBl II 2002, 450). Die Schätzung ist so vorzunehmen, dass sie im Ergebnis einem ordnungsgemäß durchgeführten Bestandsvergleich bzw. einer ordnungsgemäßen Einnahmeüberschussrechnung möglichst nahekommt (BFH, Urteil vom 19. Januar 1993 – VIIIR 128/84, BFHE 170, 511, BStBl II 1993, 594, Rn. 23). Sie muss daher schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sein (BFH, Urteil vom 28. Januar 1992 – VIII R 28/90, BFHE 168, 30, BStBl II 1992, 881). Soweit Tatsachen zur Überzeugung des Tatrichters feststehen, hat er diese der Schätzung zugrunde zu legen. Die im Rahmen des Steuerstrafverfahrens erfolgende Schätzung steht zudem unter dem Gebot, dass sich unüberwindbare Zweifel zugunsten des Angeklagten auswirken müssen (Joecks in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht , 8. Aufl., § 370 Rn. 81). Dementsprechend müssen die vom Besteuerungsverfahren abweichenden Verfahrensgrundsätze (§ 261 StPO) eingehalten werden (BGH, Beschluss vom 10. November 2009 – 1 StR 283/09, wistra 2010, 148). Erforderlichenfalls hat der Tatrichter einen als erwiesen angesehenen Mindestschuldumfang festzustellen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2009 – 1 StR 283/09, wistra 2010, 148 sowie Jäger in Klein, AO, 12. Aufl., § 370 Rn. 96 mwN). Das bedeutet u.a., dass der Tatrichter die Schät- zung der Höhe nach auf den Betrag zu begrenzen hat, der „mindestens“ hinter- zogen worden ist (Rüsken in Klein, AO, 12. Aufl., § 162 Rn. 19a).
21
bb) Diesen Grundsätzen entspricht die vom Landgericht vorgenommene Schätzung nicht.
22
Das Landgericht hat die Laufleistung (gefahrene Kilometer) der jeweiligen im Unternehmens- bzw. Betriebsvermögen befindlichen PKW mit einer festgestellten Größe „Umsatz pro Kilometer“ multipliziert, um die Einnahmen bzw. die Umsätze zu ermitteln. Im Ausgangspunkt handelt es sich hierbei um eine sachgerechte Schätzungsmethode (vgl. FG Hamburg, Urteil vom 11. November 2014, 6 K 206/11).
23
Bei seiner Schätzung hat es zunächst jeweils für die im Unternehmen befindlichen Fahrzeuge die Gesamtkilometerleistung festgestellt und sodann pauschal eine durchschnittliche Nutzung in Kilometern pro Tag errechnet, die es auf die Nutzung pro Jahr hochrechnet. Dieses (rein rechnerische) Ergebnis entspricht nicht stets dem tatsächlichen Sachverhalt.
24
Die Kammer übersieht, dass für einige PKW die Kilometerleistung pro Jahr aus den vorhandenen Unterlagen vorlagen. Anhand der dem Urteil als Anlage beigefügten Übersichten war erkennbar, dass die PKW zum Teil in den Besteuerungs- bzw. Veranlagungszeiträumen sehr unterschiedliche Laufleistungen pro Jahr aufwiesen, die aufgrund von Rechnungen der Werkstätten, der Dekra und des TÜVs u.ä. jedenfalls annähernd nachvollziehbar waren. Diese Feststellungen hätte die Kammer bei ihrer Schätzung nicht unbeachtet lassen dürfen. Die pauschale Schätzung der Kilometer pro Tag / pro Jahr führt im Ergebnis zu erheblichen Verschiebungen für einzelne PKW. Eine hohe Kilometer- leistung in einem Jahr hat eine niedrige Schätzung in einem anderen Jahr zur Folge.
25
So wurde beispielsweise der PKW Touran mit dem amtlichen Kennzeichen im Zeitraum zwischen der Anmeldung am 21. November 2005 und dem 28. Dezember 2006 (ca. Besteuerungszeitraum/Veranlagungsjahr 2006) für 73.321 km betrieblich genutzt, in den darauffolgenden Monaten bis zum 23. November 2007 für weitere 121.007 km (ca. Besteuerungszeitraum /Veranlagungsjahr 2007). Die Kammer ist jedoch bei ihrer Schätzung davon ausgegangen, dass der PKW für 100.845 km sowohl im Jahr 2006 als auch 2007 genutzt wurde. Der PKW Passat mit dem amtlichen Kennzeichen wurde z.B. im Besteuerungs- bzw. Veranlagungszeitraum 2004 tatsächlich für ca. 65.000 km betrieblich genutzt. Die Kammer schätzt jedoch aufgrund der beschriebenen Methode eine jährliche Kilometerleistung von 97.440 km. Derartige Unterschiedsbeträge finden sich bei weiteren PKW, von deren einzelner Darstellung abgesehen wird.
26
Aufgrund der z.T. festgestellten sehr geringen Verkürzungsbeträge hinsichtlich der einzelnen Taten vermag der Senat nicht auszuschließen, dass derartige Verschiebungen den jeweiligen Schuldsprüchen die Grundlage entzogen hätten. Die Durchführung der damit an sich möglichen Schätzungsmethode ist damit nicht frei von Rechtsfehlern.
27
Dies gilt sowohl für die Umsatz-, Einkommen-, Gewerbe- und Lohnsteuer als auch für die geschätzten Sozialversicherungsabgaben, da Grundlage der Gesamtschätzung jeweils die Kilometerleistung der PKW ist, die zu den entsprechenden Umsätzen führt. Die Kammer ermittelt aus dem jeweils geschätzten Bruttoumsatz die Umsatzsteuer, schätzt Gewinne hinsichtlich der Einkommensteuer - und Gewerbesteuer hinzu und geht davon aus, dass die Lohn- summe als Grundlage der Lohnsteuer bzw. der Sozialversicherungsabgaben 37 % der Umsätze beträgt.
28
Da die Ergebnisse der Schätzung sämtlichen Schuldsprüchen zugrunde liegen und das Landgericht jeweils lediglich geringe Hinterziehungsbeträge festgestellt hat, vermag der Senat nicht auszuschließen, dass bei rechtsfehlerfreier Schätzung die Schuldsprüche für sämtliche verfahrensgegenständliche Taten entfallen.
29
2. Wie die Kammer bereits selbst ausgeführt hat, fehlt es auch hinsichtlich der Tat 26 wegen Umsatzsteuerhinterziehung November 2008 an der Feststellung eines Hinterziehungsbetrages. Die Kammer kommt zu dem Ergebnis, dass die angemeldete Umsatzsteuer die geschätzte Umsatzsteuer um 78 Euro übersteigt. Bei einer Überprüfung der Schätzung und damit auch der Steuerhinterziehung wegen Umsatzsteuer November 2008 wird die neue Kammer die Berechnung zu überprüfen haben.
30
3. Hinsichtlich der Umsatzsteuervoranmeldungen Januar 2007 bis November 2007, Januar 2008, März 2008 bis September 2008 fehlt es zudem an Feststellungen dazu, ob die Angeklagten eine Umsatzsteuerzahllast oder eine Umsatzsteuererstattung angemeldet haben und dementsprechend ob eine Zustimmung des Finanzamtes erforderlich gewesen wäre (§ 168 Satz 2 AO). Der Senat kann deshalb nicht nachprüfen, ob diese Taten vollendet worden sind (vgl. Senat, Beschlüsse vom 19. August 2015 – 1 StR 178/15, wistra 2015, 476 und vom 23. Juli 2014 – 1 StR 196/14, NStZ 2015, 282).

III.


31
1. Der Senat hebt das Urteil mit den zugrunde liegenden Feststellungen auf, um dem neuen Tatgericht eine erneute Schätzung der Besteuerungsgrundlagen zu ermöglichen (II.1.), Rechenfehler (II. 2.) zu beheben und neue fehlerfreie Feststellungen (II. 3.) zu treffen. Sollte das Landgericht zu dem Ergebnis gelangen, dass andere Berechnungsmethoden ebenfalls ähnliche Mängel aufweisen , bleibt es ihm unbenommen, auf andere durchaus auch pauschalere Schätzungsmethoden zurückzugreifen.
32
Erweist sich eine konkrete Ermittlung oder Schätzung der tatsächlichen Umsätze von vorneherein oder nach entsprechenden (darzulegenden) Berechnungsversuchen als nicht möglich und fehlerbehaftet, kann pauschal geschätzt werden, auch unter Heranziehung der Richtwerte für Rohgewinnaufschlagsätze aus der Richtsatzsammlung des Bundesministeriums der Finanzen (vgl. Senat, Beschluss vom 29. Januar 2014 – 1 StR 561/13, wistra 2014, 276; Urteil vom 28. Juli 2010 – 1 StR 643/09, wistra 2011, 28; BGH, Beschluss vom 24. Mai 2007 – 5 StR 58/07, BGHR AO § 370 Abs. 1 Steuerschätzung 3) oder z.B. unter Heranziehung von Erfahrungssätzen vergleichbarer Betriebe (Joecks in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl., § 370 Rn. 83).
33
Der Senat weist zudem darauf hin, dass die jeder Schätzung anhaftende Ungenauigkeit im Hinblick auf nicht ins Gewicht fallende Taten auch durch eine Einstellung des Verfahrens – insoweit – begegnet werden kann.
34
2. Sollte das Landgericht zu dem Ergebnis kommen, dass eine andere Schätzungsmethode zum Wegfall oder zum Eintritt einer Verkürzung führt, hat es dies unter Beachtung des Verschlechterungsverbots (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) zu berücksichtigen (vgl. Senat, Beschluss vom 19. August 2009 – 1 StR 206/09, BGHSt 54, 133 [teilweise abgedruckt], wistra 2009, 475 und BGH, Beschluss vom 4. März 2008 – 5 StR 594/07, wistra 2008, 217, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Konkurrenzen).
Graf Jäger Cirener
Radtke Bär

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 5 6 1 / 1 3
vom
29. Januar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Januar 2014 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Augsburg vom 15. Mai 2013 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 17 Fällen, davon in fünf Fällen jeweils in Tateinheit mit zwei weiteren Fällen der Steuerhinterziehung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt.
2
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.


3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
1. Der Angeklagte wurde im August 1999 zum (Mit-)Geschäftsführer der F. GmbH ( ) bestellt. Mit dem dama- ligen Alleingesellschafter und Geschäftsführer C. kam der Angeklagte mündlich überein, dass nunmehr der Angeklagte alleiniger Gesellschafter der F. GmbH sein sollte. Eine Übertragung der Geschäftsanteile erfolgte zunächst nicht. Diese wurden von C. treuhänderisch für den Angeklagten verwaltet. Alle wesentlichen geschäftlichen Entscheidungen traf ab diesem Zeitpunkt ausschließlich der Angeklagte. Der formelle Gesellschafter C. nahm keinen Einfluss auf die Geschicke der F. GmbH; ihm flossen auch keine Gewinnausschüttungen mehr zu. Die Übertragung der Geschäftsanteile erfolgte schließlich mit notarieller Urkunde vom 2. Juli 2010.
5
Die F. GmbH betrieb ein italienisches Speiselokal. Ab dem Jahr 2005 wurde eine Gutscheinaktion „2 für 1“ bzw. „4 für 2“ durchgeführt. Dabei erhielten Kunden bei Vorlage eines entsprechenden Gutscheins die günstigere von zwei Hauptspeisen bzw. die beiden günstigsten von vier Hauptspeisen gratis.
6
Der Angeklagte verwendete für die F. GmbH eine Registrierkasse, die - grundsätzlich fortlaufend nummeriert - alle Geschäftsvorfälle aufzeichnete. Die Tagesausdrucke (sog. Z-Bons) wurden der Buchhaltung der Gesellschaft zugrunde gelegt. Im Zeitraum Januar 2003 bis Dezember 2008 manipulierte der Angeklagte die Registrierkasse bzw. die aufgezeichneten Daten dahingehend, dass er tatsächlich erzielte und aufgezeichnete Umsätze aus dem System entfernte , sodass diese auf den Z-Bons nicht mehr erschienen. Zu diesem Zweck ließ er durch seine Mitarbeiter Bestellungen auf sog. Trainingskellner buchen, deren Umsätze bei Ausdruck der Z-Bons unberücksichtigt blieben. Weiterhin wurden aufgezeichnete Umsätze ohne rechtlichen Grund storniert. Zur Verschleierung der Kassenmanipulationen beeinflusste der Angeklagte das Kassensystem dahingehend, dass die zuletzt aufgezeichneten Umsätze nicht mehr auslesbar waren und die Belegzählung von neuem begann. Die nicht verbuchten Umsätze entnahm der Angeklagte aus der F. GmbH und verwendete sie für seine private Lebensführung.
7
In den jeweils am selben Tag beim Finanzamt eingereichten Körperschaftsteuer -, Gewerbesteuer- und Umsatzsteuererklärungen der Jahre 2003 bis 2007 sowie in den Umsatzsteuervoranmeldungen der Monate Januar bis Dezember 2008 waren entsprechende Umsätze in Höhe von 89.174,59 Euro in 2003, 79.026,05 Euro in 2004, 117.992,56 Euro in 2005, 197.756,27 Euro in 2006, 193.101,12 Euro in 2007 sowie jeweils 17.316,79 Euro in den Monaten Januar bis Dezember 2008 nicht enthalten. Aufgrund der unrichtigen Angaben wurden Steuern in Höhe von insgesamt mehr als 408.000 Euro zu niedrig festgesetzt und damit verkürzt.
8
2. Das Landgericht hat - nachdem es eine konkrete Ermittlung mangels verlässlicher Berechnungsgrundlagen als nicht möglich angesehen hat - die Mehrumsätze im Wege einer pauschalen Schätzung ermittelt. Da es für andere Schätzungsmethoden an einer ausreichenden Tatsachengrundlage fehlte, hat es dabei den Gesamtumsatz auf der Grundlage der durch das Bundesministerium der Finanzen jährlich herausgegebenen Richtsatzsammlung ermittelt, indem es einen Rohgewinnaufschlag von 300 % auf die in den Gewinnermittlungen enthaltenen Wareneinsatzbeträge vorgenommen hat.
9
Das Landgericht hat auch hinsichtlich der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer der Jahre 2003 bis 2007 eine Steuerverkürzung angenommen. Dabei hat es die Entnahmen der nicht verbuchten Betriebseinnahmen durch den Angeklagten als verdeckte Gewinnausschüttungen behandelt, die den Gewinn der Gesellschaft nicht minderten, und nicht als Betriebsausgaben in Form von Geschäftsführervergütungen. Der Angeklagte sei aufgrund eines mit C. mündlich geschlossenen Treuhandvertrages als wirtschaftlicher Eigentümer der Geschäftsanteile der F. GmbH anzusehen.

II.


10
1. Die Revision macht mit der Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2 StPO) geltend , das Landgericht hätte die Ehefrau des formellen Gesellschafters C. , D. , als Zeugin vernehmen müssen. Aus der in der Hauptverhandlung verlesenen notariellen Urkunde vom 2. Juli 2010 hinsichtlich der Abtretung der Geschäftsanteile an den Angeklagten ergebe sich, dass D. ebenfalls Gesellschafterin der F. GmbH gewesen sei. Ihre Vernehmung hätte ergeben, dass sie sich nicht - auch nicht konkludent - mit dem Angeklagten darüber geeinigt habe, „dass dieser die Geschäftsanteile an der F. GmbH treuhänderisch verwalten solle“.
11
Es kann dahinstehen, ob die Aufklärungsrüge bereits unzulässig ist, weil der Inhalt der in der fraglichen notariellen Urkunde in Bezug genommenen „Vorurkunde“ nicht mitgeteilt worden ist (vgl. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).Die Aufklärungsrüge ist jedenfalls unbegründet, denn das Landgericht musste sich zur Vernehmung der Ehefrau des Gesellschafters C. nicht gedrängt sehen.
12
a) Allein aus dem Umstand, dass ausweislich des notariellen Abtre- tungsvertrags vom 2. Juli 2010 die von den „Ehegatten C. /D. “ an der F. GmbH gehaltenen Geschäftsanteile von 25.000 DM und 25.000 DM zu diesem Zeitpunkt auf den Angeklagten übertragen worden sind, ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass C. nicht im Jahr 1999 Inhaber sämtlicher Gesellschaftsanteile der F. GmbH war und diese nicht von da an treuhänderisch für den Angeklagten halten konnte. Für die Annahme, dass ein Teil der Gesellschaftsanteile zu irgendeinem Zeitpunkt bis zur formellen Übertragung auf den Angeklagten im Jahr 2010 nicht treuhänderisch für diesen gehalten worden sein könnte, bestehen keine Anhaltspunkte, zumal nach den Urteilsfeststellungen noch bis zum Jahr 2008 allein C. als formeller Gesellschafter Gesellschafterversammlungen abhielt und den jeweiligen Jahresabschluss genehmigte (UA S. 15).
13
b) Zudem hat sich das Landgericht rechtsfehlerfrei vom Vorliegen einer Vereinbarungstreuhand zwischen dem Angeklagten und C. überzeugt (zu den Anforderungen an ein Treuhandverhältnis vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. September 2012 - 1 StR 140/12, BGHSt 58, 1; vom 11. November 2004 - 5 StR 299/03, BGHSt 49, 317 und vom 11. Oktober 2005 - 5 StR 65/05, wistra 2006, 20, jeweils mwN auch aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs). Selbst wenn die Geschäftsanteile an der F. GmbH C. lediglich zum Teil zuzurechnen gewesen sein sollten, wäre der Angeklagte - unabhängig von der zivilrechtlichen Wirksamkeit der Treuhandvereinbarung (vgl. BGH, Beschluss vom 6. September 2012 - 1 StR 140/12, BGHSt 58, 1; Urteil vom 19. April 1999 - II ZR 365/97, BGHZ 141, 207) - jedenfalls in diesem Umfang gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 1, § 41 Abs. 1 Satz 1 AO als wirtschaftlicher Eigentümer der Geschäftsanteile anzusehen.
14
2. Die übrigen Verfahrensrügen bleiben aus den vom Generalbundesanwalt zutreffend dargelegten Gründen ohne Erfolg.

III.


15
Die auf die Sachrüge vorzunehmende Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Die Feststellungen des Landgerichts tragen den Schuldspruch. Auch der Strafausspruch hält revisionsgerichtlicher Nachprüfung stand.
16
Der näheren Erörterung bedarf lediglich Folgendes:
17
1. Die Würdigung des Landgerichts, bei den Entnahmen des Angeklagten handele es sich um verdeckte Gewinnausschüttungen, die den Gewinn nicht minderten (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG), und nicht um Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG), wird von den auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen getragen.
18
2. Das Landgericht hat die der Berechnung der verkürzten Steuern zugrunde liegenden Mehrumsätze in nicht zu beanstandender Weise im Wege der Schätzung ermittelt.
19
a) Eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen ist zulässig, wenn - wie hier - feststeht, dass der Steuerpflichtige einen Besteuerungstatbestand erfüllt hat, das Ausmaß der verwirklichten Besteuerungsgrundlagen aber ungewiss ist. Zur Durchführung der Schätzung kommen die auch im Besteuerungsverfahren anerkannten Schätzungsmethoden zur Anwendung. Der Tatrichter muss dann in den Urteilsgründen für das Revisionsgericht nachvollziehbar darlegen, wie er zu den Schätzungsergebnissen gelangt ist. Erweist sich eine konkrete Ermittlung oder Schätzung der tatsächlichen Umsätze von vorneherein oder nach entsprechenden Berechnungsversuchen als nicht möglich, kann pauschal geschätzt werden, auch - wie hier - unter Heranziehung der Richtwerte für Roh- gewinnaufschlagsätze aus der Richtsatzsammlung des Bundesministeriums der Finanzen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juli 2010 - 1 StR 643/09, NStZ 2011, 233; Beschluss vom 24. Mai 2007 - 5 StR 58/07, BGHR AO § 370 Abs. 1 Steuerschätzung

3).


20
b) Das Landgericht hat der Schätzung ohne Rechtsfehler einen Rohgewinnaufschlagsatz von 300 % zugrunde gelegt. Ausgehend von den genannten Grundsätzen durfte es eine Schätzung auf der Basis der Richtsatzsammlung vornehmen. Auch im Übrigen ist die Schätzung frei von Rechtsfehlern. Zwar liegt der vom Landgericht zugrunde gelegte Prozentsatz über den amtlichen Mittelwerten der Richtsatzsammlung für Pizzerien von 270 % in den Jahren 2003 bis 2006 bzw. 285 % in den Jahren 2007 und 2008. Bei der Festsetzung des Rohgewinnaufschlagsatzes muss sich das Gericht jedoch nicht zugunsten eines Angeklagten an den unteren Werten der in der Richtsatzsammlung genannten Spannen orientieren, wenn sich Anhaltspunkte für eine positivere Ertragslage ergeben (BGH, Urteil vom 28. Juli 2010 - 1 StR 643/09, NStZ 2011, 233). So verhielt es sich auch hier. Denn das Landgericht hat derartige Anhaltspunkte ohne Rechtsfehler in der „überdurchschnittlichen guten Lage“ und der „jedenfalls mittleren Preisgestaltung“ des Restaurants gesehen. Zudem durfte es die durch „Auslesung“ der Registrierkasse im Mai 2009 für einen Zeit- raum von 19 Tagen festgestellten Umsätze der F. GmbH sowie die Erkenntnisse des als Zeugen gehörten Steuerfahnders Fe. aus den von diesem vorgenommenen Fahndungsprüfungen heranziehen.
21
c) Entgegen der Auffassung der Revision ist nicht zu besorgen, dass das Landgericht bei der Ermittlung der Gesamtumsätze die Gutscheinaktion „2 für 1“ oder „4 für 2“ ab dem Jahr 2005 unberücksichtigt gelassen hat. Zwar hat das Landgericht die auf Grundlage der in den Gewinnermittlungen enthaltenen Wa- reneinsatzbeträge und eines Rohgewinnaufschlagsatzes von 300 % ermittelten Umsätze nicht um Erlösschmälerungen aufgrund der Gutscheinaktion gekürzt. Jedoch hat es die umsatzmindernden Auswirkungen der Gutscheinaktion ersichtlich bereits bei der Höhe des Rohgewinnaufschlagsatzes berücksichtigt. Das Landgericht hat bei der Bemessung des Rohgewinnaufschlagsatzes in nicht zu beanstandender Weise darauf abgestellt, dass dieser ohne die Erlösschmälerungen aufgrund der Gutscheinaktion noch höher anzusetzen gewesen wäre. In den Jahren vor 2005 hat es lediglich zugunsten des Angeklagten davon abgesehen, einen höheren Wert zugrunde zu legen (UA S. 27/28).
22
3. Allerdings ist die Berechnung der verkürzten Gewerbesteuer der Jahre 2003 bis 2007 nicht frei von Rechtsfehlern. Denn das Landgericht hat nicht bedacht , dass die in Bezug auf die verdeckten Gewinnausschüttungen zusätzlich anfallende Gewerbesteuer auch die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer selbst mindert. Es hätte deshalb den bei Berechnung der Körperschaftsteuerverkürzung unter Berücksichtigung der Gewerbesteuerrückstellung ermittelten Gewinn auch der Berechnung der Gewerbesteuerverkürzung zugrunde legen müssen (vgl. BGH, Urteil vom 11. August 2010 - 1 StR 199/10; Beschluss vom 17. April 2008 - 5 StR 547/07, wistra 2008, 310). Wegen der lediglich geringfügigen Abweichung zum tatsächlichen Verkürzungsumfang schließt der Senat aber aus, dass sich der Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat.
RiBGH Dr. Wahl befindet sich in Urlaub und ist deshalb an der Unterschriftsleistung verhindert. Raum Raum Rothfuß Jäger Radtke

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 99/16
vom
30. Juni 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
ECLI:DE:BGH:2016:300616B1STR99.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts – zu 2. auf dessen Antrag – am 30. Juni 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 17. Juli 2015 im Strafausspruch aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Drei Monate hat es wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung für vollstreckt erklärt und die Anrechnung in Ungarn erlittener Untersuchungshaft im Maßstab 1:1 ausgesprochen. Die Revision des Angeklagten rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO) und ist im Übrigen unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Die Verfahrensrügen erweisen sich aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts als erfolglos. Ergänzend bemerkt der Senat:
3
a) Soweit die Revision die Ablehnung der Beweisanträge, die in Kasachstan ansässigen Zeugen K. und S. im Wege der Rechtshilfe mittels Videokonferenz zu vernehmen, als fehlerhaft rügt, zeigt sie damit keinen Rechtsfehler auf.
4
Ein Rechtsfehler ist bereits deswegen auszuschließen, weil beide Zeugen eine audiovisuelle Vernehmung abgelehnt haben. Der Zeuge K. hat ausdrücklich erklärt, an einer audiovisuellen Vernehmung nicht teilzunehmen.
5
Hinsichtlich des Zeugen S. kommt das Landgericht rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis, dass dieser für eine audiovisuelle Vernehmung durch ein deutsches Gericht nicht zur Verfügung stand; er hatte nämlich erklärt, allenfalls einer Vernehmung durch ein kasachisches Gericht zuzustimmen. Der Zeuge S. hat mit Schreiben vom 19. Juni 2015 mitgeteilt, dass er „ausschließ- lich“ vor einem entsprechendenGericht der Republik Kasachstan unter Anwesenheit seines Rechtsanwaltes bereit sei, als Zeuge auszusagen. Das Landgericht durfte aus dieser Erklärung ohne weiteres schließen, dass jede andere Form der Vernehmung für den Zeugen nicht in Betracht kam.
6
b) Auch die Rüge, der Beweisantrag auf Vernehmung der Dolmetscherin Sa. als Zeugin über den Inhalt ihrer Telefonate mit dem Zeugen K. sei fehlerhaft abgelehnt worden, bleibt ohne Erfolg.
7
Es lag bereits kein ordnungsgemäßer Beweisantrag vor. Vielmehr handelt es sich bei dem Antrag vom 21. Mai 2015 um einen Beweisermittlungsantrag , dessen Ablehnung hier nur mit einer zulässigen Aufklärungsrüge beanstandet werden kann.
8
Zutreffend hat der Generalbundesanwalt ausgeführt, dass ein Beweisantrag hätte darlegen müssen, welche tatsächlichen Umstände die Kammer zur Prüfung drängen mussten, dass das Telefonat zwischen der Dolmetscherin und dem Zeugen K. vom 14. April 2015 einen völlig anderen Inhalt hatte als schriftlich niedergelegt. Dies gilt umso mehr, als die vereidigte Dolmetscherin in ihrer dienstlichen Stellungnahme die Behauptungen des Angeklagten, die Gespräche zwischen ihr und dem Zeugen K. hätten einen anderen Inhalt gehabt, als „frei erfunden“ bezeichnet hatte.
9
2. Der Strafausspruch hat keinen Bestand.
10
Das Landgericht hat für beide Fälle der Steuerhinterziehung in den Veranlagungszeiträumen 2003 und 2004 den Strafrahmen für besonders schwere Fälle angenommen und dies mit dem „großen Ausmaß“ des verursachten Steuerschadens von mehr als 150.000 Euro für den Veranlagungszeitraum 2003 und von mehr als 660.000 Euro für den Veranlagungszeitraum 2004 begründet.
11
Die Strafkammer hat dabei aber übersehen, dass sich § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO mit Wirkung zum 1. Januar 2008 geändert hatte (Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG, BGBl. I 2007, 3198). Für vor dem 1. Januar 2008 begangene Taten bedarf es zusätzlich zum „großen Ausmaß“ noch eines Handelns aus „grobem Eigennutz“.
12
Angesichts der Abgabe der Einkommensteuererklärungen für die Veranlagungszeiträume 2003 und 2004 am 2. Mai 2006 bei dem zuständigen Finanzamt , kommt die Anwendbarkeit von § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO aF in Betracht, falls die Taten bis zum 31. Dezember 2007 beendet wurden (§ 2 Abs. 1, 2 StGB). Ob dies der Fall war, kann nicht beurteilt werden, da das Landgericht keine Feststellungen zum Zeitpunkt der Beendigung der Steuerstraftaten getroffen hat.
13
a) Bei Veranlagungssteuern – wie hier der Einkommensteuer – ist der durch die Abgabe einer unrichtigen Steuererklärung verursachte Erfolg der Steuerverkürzung eingetreten und die Straftat damit vollendet, wenn auf Grund der unrichtigen Erklärung die Steuer zu niedrig festgesetzt und dies dem Steuerpflichtigen bekannt gegeben worden ist. In diesem Zeitpunkt ist die Tat zugleich beendet (BGH, Beschlüsse vom 25. April 2001 – 5 StR 613/00, wistra 2001, 309, 310 und vom 7. Februar 1984 – 3 StR 413/83, wistra 1984, 142; Joecks in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl., § 376 Rz. 26).
14
b) Sollte die Tat vor dem 1. Januar 2008 beendet worden sein, wird das Gericht zu prüfen haben, ob der Angeklagte grob eigennützig gehandelt hat. Dies ist der Fall, wenn der Täter sein Verhalten von dem Streben nach Vorteil in besonders anstößigem Maße hat leiten lassen. Dabei muss das Gewinnstreben des Täters das bei jedem Steuerstraftäter vorhandene Gewinnstreben deutlich übersteigen (vgl. BGH, Urteile vom 1. August 1984 – 2 StR 220/84, BGHSt 33, 35 [nicht abgedruckt]; vom 20. November 1990 – 1 StR 548/90, wistra 1991, 106; vom 23. Januar 1991 – 3 StR 365/90, BGHR AO § 370 Abs. 3 Nr. 1 Eigennutz 4 und vom 24. Juli 1985 – 3 StR 191/85, wistra 1985, 228). Erforderlich ist eine vom Tatgericht vorzunehmende Gesamtbetrachtung sämtlicher Tatumstände, namentlich der vom Täter gezogenen Vorteile, der Art, Häufigkeit und Intensität der Tatbegehung und des Verwendungszwecks der erlangten Vorteile. Diese Umstände müssen im Zusammenhang gesehen und daraufhin überprüft werden, ob sie den Schluss auf groben Eigennutz des Täters rechtfertigen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Juni 1990 – 3 StR 471/89, BGHR AO § 370 Abs. 3 Nr. 1 Eigennutz 3 und vom 13. Juni 2013 – 1 StR 226/13, BGHR AO § 370 Abs. 3 Nr. 1 Eigennutz 5).
15
c) Sollte die Strafkammer groben Eigennutz im Sinne von § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO aF nicht feststellen können, kann ein unbenannter besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung in Betracht kommen (vgl. BGH, Urteil vom 21. August 2012 – 1 StR 257/12, wistra 2013, 28, 30; Beschluss vom 22. September 2008 – 1 StR 323/08, NStZ 2009, 159; Jäger in Klein, AO, 13. Aufl., § 370 Rn. 277).
16
d) Die Feststellungen sind von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen und können deshalb bestehen bleiben (vgl. § 353 Abs. 2 StPO). Sie dürfen um solche ergänzt werden, die den bisherigen nicht entgegenstehen.
17
3. Die Aufhebung des Urteils durch das Revisionsgericht im Strafausspruch lässt die angeordnete Kompensation für die eingetretene rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung unberührt (BGH, Urteil vom 27. August 2009 – 3 StR 250/09, BGHSt 54, 135; Beschlüsse vom 16. März 2016 – 1 StR 402/15 und vom 22. Januar 2013 – 1 StR 234/12, BGHSt 58, 115). Etwaige weitere Verzögerungen wird das neue Tatgericht gegebenenfalls ergänzend zu berücksichtigen haben.
Raum Cirener Mosbacher Fischer Bär

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 2 1 0 / 1 3
vom
12. Dezember 2013
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja - nur A. II. (Überschrift) Nr. 3
Veröffentlichung: ja
________________________________
Allein auf der fehlenden oder fehlerhaften Protokollierung einer Belehrung gemäß
§ 257c Abs. 5, § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO kann das Urteil nicht beruhen.
BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2013 - 3 StR 210/13 (OLG Frankfurt am
Main)
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland u.a.
zu 2.: versuchten Erwerbs einer halbautomatischen Kurzwaffe u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
12. Dezember 2013 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten S. S. wird das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 17. Dezember 2012, soweit es ihn betrifft, dahin ergänzt, dass er im Übrigen freigesprochen wird und die Staatskasse insoweit seine notwendigen Auslagen sowie die Kosten des Verfahrens trägt.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten S. S. und die Revision des Angeklagten J. S. werden verworfen.
3. Der Angeklagte J. S. hat die Kosten seines Rechtsmittels, der Angeklagte S. S. die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten S. S. wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland in vier Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Beihilfe zum versuchten Erwerb einer halbautomatischen Kurzwaffe, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten sowie den Angeklagten J. S. wegen versuchten Erwerbs einer halbautomatischen Kurzwaffe und wegen des Besitzes eines verbotenen Gegenstandes sowie von Munition zu einer Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe hat es zur Bewährung ausgesetzt. Der Angeklagte S. S. erhebt mit seiner Revision die allgemeine Sachrüge und eine Verfahrensrüge. Der Angeklagte J. S. begehrt mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision allein die Nachholung eines Teilfreispruchs. Während die Revision des Angeklagten S. S. insofern einen Teilerfolg erzielt, als bei ihm ein unterbliebener Teilfreispruch nachzuholen ist, hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen im Übrigen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
A. Revision des Angeklagten S. S.
3
I. Nach den Feststellungen und Wertungen des Oberlandesgerichts förderte der Angeklagte S. S. in mehreren Einzelfällen bewusst die "Khalistan Zindabad Force". Hierbei handelt es sich um eine von Pakistan aus gesteuerte Gruppierung, die einen unabhängigen Sikh-Staat Khalistan sowie die Bewahrung des orthodoxen Sikh-Glaubens anstrebte und diese Ziele unter anderem durch Sprengstoffanschläge und die gezielte Ermordung von Gegnern zu erreichen suchte. Die nicht revidierenden Mitangeklagten B. S. und G. S. waren von Sommer 2009 bis zu ihrer Verhaftung im Juli 2010 in die Gruppierung eingeordnet, hatten regelmäßigen Kontakt zu deren damaliger Führungsperson R. S. und gestalteten unterschiedliche Aktionen mit. Der Angeklagte S. S. unterstützte sie und die Organisation im Einzelnen in folgender Weise: Spätestens seit September 2009 war er mit der Beschaffung von Handfeuerwaffen und Munition beauftragt. Er beriet Anfang September 2009 G. S. und am 3. November 2009 diesen sowie B. S. hinsichtlich verschiedener Waffen im Wissen, dass er die Mitangeklagten dadurch in die Lage versetzte, geeignete Waffen auch ohne seine weitere Mitwirkung zu erwerben und einzusetzen. Ferner erklärte er sich in einem Telefonat mit B. S. am 5. Januar 2010 spontan bereit, notfalls persönlich nach Indien zu reisen, um eine geplante Auskundschaftung verschiedener indischer Militärstützpunkte zu unterstützen. Überdies beriet er am 2. März 2010 im Rahmen eines Waffenankaufs B. S. telefonisch. Dieser erwarb schließlich - gemeinsam mit dem Angeklagten J. S. - eine Schreckschusspistole , wobei alle drei davon ausgingen, dass es sich um eine halbautomatische Pistole handelte. Schließlich druckte der Angeklagte S. S. im April 2010 auf Anweisung einen Briefkopf der "Khalistan Zindabad Force" aus und stellte ihn B. S. zur Verfügung. Eine über diese einzelnen Tätigkeiten hinaus gehende dauerhafte Einbindung des Angeklagten S S. in die Verbandsstruktur der "Khalistan Zindabad Force" hat das Oberlandesgericht nicht feststellen können.
4
Soweit der Angeklagte S. S. im Juli 2010 von dem Plan erfuhr , einen Sektenführer in Österreich zu erschießen, und keine Maßnahmen ergriff, die von ihm abgelehnte Tat zu verhindern, ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass eine Strafbarkeit wegen Nichtanzeige geplanter Straftaten (§ 138 Abs. 1 Nr. 5 oder Abs. 2 StGB) nicht in Betracht komme, weil die Strafverfolgungsbehörden durch Telefonüberwachungen bereits Kenntnis von der Planung gehabt hätten.
5
II. Die Rüge des Angeklagten S. S. , das Oberlandesgericht habe "§§ 257c Abs. 2, 4 und 5, 237 Abs. 1a StPO in Verbindung mit dem Recht auf ein faires Verfahren" verletzt, bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.
6
1. Am 27. Hauptverhandlungstag unterbreitete das Oberlandesgericht den Angeklagten einen - als Anlage zu Protokoll genommenen - näher ausgeführten und begründeten "Verständigungsvorschlag gemäß § 257c StPO". Am 52. Hauptverhandlungstag wurde laut (von der Revision insoweit nicht mitgeteiltem ) Protokoll festgestellt, dass unter anderem hinsichtlich des Angeklagten S. S. eine "verfahrensbeendende Absprache entsprechend § 257c StPO" stattgefunden habe. Mit der Rüge beanstandet die Revision, dass sich aus dem Protokoll nicht ergebe, ob eine Verständigung zustande gekommen und eine Belehrung gemäß § 257c Abs. 5 StPO erteilt worden sei. Zudem sei nicht dokumentiert, ob und wie die Angeklagten sich zu dem Verständigungsvorschlag geäußert hätten. Überdies habe der gerichtliche Verständigungsvorschlag einzelne Strafnormen zitiert, obschon der Schuldspruch nicht Gegenstand der Verständigung sein dürfe.
7
2. Bereits unzulässig ist die Verfahrensrüge, soweit der Beschwerdeführer beanstandet, das Zustandekommen einer Verständigung und der nähere Ablauf des vorangehenden Verfahrens seien nicht dokumentiert. Die Revision unterlässt es, die insofern zur Entscheidung erforderlichen Tatsachen vollständig vorzutragen. So teilt sie den die Verständigung betreffenden Inhalt des Protokolls nicht abschließend mit, sondern verschweigt, dass laut Protokoll zum einen der Vorsitzende bereits am 26. Hauptverhandlungstag über (nach Schluss des vorangegangenen Verhandlungstermins geführte) Besprechungen mit dem Ziel einer möglichen Verständigung berichtete und zum anderen später eine "verfahrensbeendende Absprache" festgestellt wurde. Die Kenntnis dieser Gesichtspunkte wäre indes für die Prüfung erforderlich, ob das Protokoll den wesentlichen Ablauf und Inhalt sowie das Ergebnis einer Verständigung in der nach § 273 Abs. 1a Satz 1 StPO gebotenen Weise wiedergibt. Der lückenhafte Revisionsvortrag führt insoweit zur Unzulässigkeit der Rüge (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. November 2010 - 1 StR 544/09, BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Anforderungen 1; vom 16. April 1999 - 3 StR 642/98; BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 2005 - 2 BvR 656/99 u.a., BVerfGE 112, 185, 208 f. mwN).
8
3. Soweit der Beschwerdeführer beanstandet, aus dem Protokoll ergebe sich keine Belehrung des Angeklagten gemäß § 273 Abs. 1a Satz 2, § 257c Abs. 5 StPO, bleibt seine Verfahrensrüge ebenfalls erfolglos, da das Urteil auf dem geltend gemachten Verfahrensverstoß nicht beruhen kann (§ 337 Abs. 1 StPO).
9
a) Der Beschwerdeführer rügt, dass sich in der Sitzungsniederschrift keine Protokollierung einer gemäß § 257c Abs. 5 StPO etwaig erteilten Belehrung finde. Damit ist Gegenstand der Verfahrensrüge allein die Frage einer ordnungsgemäßen Protokollierung; denn aus der Revisionsbegründung ergibt sich - auch bei einer Auslegung nach ihrem Gesamtzusammenhang - nicht die Behauptung , dass eine Belehrung in der Hauptverhandlung tatsächlich unterblieben ist, und dieser Gesichtspunkt von der Urteilsanfechtung umfasst sein soll.
10
aa) Die Revisionsbegründung muss bei der Rüge der Verletzung einer Verfahrensnorm die den Verfahrensmangel enthaltenden Tatsachen angeben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit etwa BVerfG, Beschluss vom 12. November 1984 - 2 BvR 1350/84, NJW 1985, 125, 126). Nur in diesem Umfang ist das Revisionsgericht überhaupt zu eigener Prüfung berechtigt (§ 352 Abs. 1 StPO). Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass dem Vorbringen in der Revisionsbegründung, ein bestimmter Verfahrensvorgang sei nicht protokolliert worden, regelmäßig nicht die Behauptung zu entnehmen ist, dieser Verfahrensvorgang habe tatsächlich in der Hauptverhandlung auch nicht stattgefunden (vgl. allgemein BGH, Urteile vom 1. Februar 1955 - 5 StR 678/54, BGHSt 7, 162 ff. mwN; vom 20. April 2006 - 4 StR 604/05, NStZ-RR 2007, 52, 53; vom 12. Januar 2005 - 2 StR 138/04, NStZ 2005, 281; vom 20. Oktober 1970 - 1 StR 225/70; Beschluss vom 4. April 2006 - 3 StR 23/06; RG, Urteil vom 26. Mai 1914 - II 374/14, RGSt 48, 288, 289 f.; LR/Franke, StPO, 26. Aufl., § 344 Rn. 86). Dem liegt im Wesentlichen die Überlegung zugrunde, dass bei dem alleinigen Abstellen auf das Protokoll offen bleibt, ob der Vorgang gegebenenfalls stattgefunden hat und nur versehentlich nicht protokolliert worden ist. Im Übrigen würde das Erfordernis des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO übergangen, da an Stelle der bestimmten Behauptung einer Tatsachenangabe lediglich das Protokoll, das nur ein Beweismittel darstellt (vgl. § 274 Satz 1 StPO), angeführt wird.
11
bb) Vorliegend stellt die Revisionsbegründung ("Ob […] eine Belehrung gemäß § 257c Abs. 5 StPO erfolgt ist, ergibt sich - falls die Verteidigung insoweit nichts übersehen hat - aus dem Protokoll nicht.") allein auf die fehlende Protokollierung ab. Dies wird durch die anschließenden Rechtsausführungen bestärkt, denen zufolge das Oberlandesgericht "mit dieser Vorgehensweise […] gegen § 273a Abs. 1a StPO" verstoßen habe. Zudem geht die Revision selbst von einer "etwaig erfolgten Belehrung" aus und lässt damit ausdrücklich offen, ob eine solche erteilt worden ist oder nicht. Gerade in der Zusammenschau wird deutlich, dass die Verfahrensrüge die unterlassene Protokollierung und nicht eine unterbliebene Belehrung selbst zum Gegenstand hat.
12
b) Es kann offen bleiben, ob die danach allein zu prüfende Rüge, aus dem Protokoll lasse sich die Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO nicht erkennen , - wie für "Protokollrügen" regelmäßig angenommen (etwa BGH, Beschluss vom 4. April 2006 - 3 StR 23/06; Urteil vom 17. Januar 1978 - 1 StR 734/77) - bereits unzulässig oder in der konkreten Konstellation ausnahmsweise zulässig ist (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 2013 - 2 StR 195/12, BGHSt 58, 310). Der Beanstandung bleibt der Erfolg jedenfalls versagt; denn es ist denklogisch ausge- schlossen, dass das Urteil auf einer unzureichenden Protokollierung beruht (§ 337 Abs. 1 StPO). Hierzu gilt:
13
Die Fertigstellung des Protokolls geht der Verkündung des Urteils nach. Dies ergibt sich bereits daraus, dass das Protokoll die Urteilsformel enthalten muss (§ 273 Abs. 1 Satz 1 StPO) und es mithin vor der Urteilsverkündung nicht fertiggestellt (vgl. § 271 Abs. 1 StPO) werden kann. Vor der Fertigstellung steht der tatsächliche Protokollinhalt noch nicht fest und ist im Einzelnen ungewiss. Das Protokoll über den Verlauf der (sich gegebenenfalls über mehrere Tage erstreckenden) Hauptverhandlung bildet eine Einheit und ist erst mit den Unterschriften unter die gesamte Niederschrift fertiggestellt. Zuvor angefertigte Protokollteile sowie Mitschriften haben lediglich Entwurfscharakter und sind nicht Bestandteil der Akten (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Oktober 1980 - StB 43/80, BGHSt 29, 394, 395; Urteil vom 20. November 1961 - 2 StR 395/61, BGHSt 16, 306, 307). Das Gericht hat - ebenso wie alle Verfahrensbeteiligten - keine Kenntnis vom späteren Protokollinhalt. Grundlage für das Urteil ist das tatsächliche Geschehen in der Hauptverhandlung, nicht die spätere Niederschrift. Liegt mithin das Protokoll erst nach der Urteilsverkündung vor, ist ausgeschlossen, dass die Protokollierung einen Einfluss auf das bereits zuvor ergangene Urteil hat (st. Rspr.; instruktiv RG, Urteil vom 29. Januar 1909 - II 975/08, RGSt 42, 168, 170 f.; s. auch BGH, Urteile vom 20. April 2006 - 4 StR 604/05, NStZRR 2007, 52, 53; vom 1. Februar 1955 - 5 StR 678/54, BGHSt 7, 162, 163; Beschluss vom 11. Oktober 2010 - 1 StR 359/10, NStZ 2011, 170; Radtke, NStZ 2013, 669).
14
c) Eine abweichende Beurteilung ist auch nicht vor dem Hintergrund geboten , dass das Gesetz zur Regelung der Verständigung in Strafverfahren vom 29. Juli 2009 (Verständigungsgesetz, BGBl. I S. 2353) unter anderem das Ziel verfolgt, eine wirksame "vollumfängliche" Kontrolle verständigungsbasierter Ur- teile durch das Rechtsmittelgericht zu ermöglichen (BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10 u.a., NJW 2013, 1058, 1066 [Rn. 94]).
15
aa) Das Verständigungsgesetz hat die revisionsrechtlichen Regelungen der StPO - von dem Ausschluss eines Rechtsmittelverzichts nach einer Verständigung (§ 302 Abs. 1 Satz 2 StPO) abgesehen - unverändert gelassen. Zum einen sind die allgemeinen Vorschriften, nach denen dem Revisionsgericht die Prüfung von Verfahrensverstößen nur aufgrund einer entsprechenden Rüge und der Angabe der zu ihrer Beurteilung erforderlichen Tatsachen erlaubt ist (§ 344 Abs. 2 Satz 2, § 352 Abs. 1 StPO), nicht modifiziert worden (vgl. im Ergebnis auch BGH, Urteil vom 10. Juli 2013 - 2 StR 47/13, BGHSt 58, 315; Urteil vom 3. September 2013 - 5 StR 318/13, NStZ 2013, 671; BT-Drucks. 16/12310 S. 9). Zum anderen hat das Verständigungsgesetz davon abgesehen, Verstöße gegen die verfahrensrechtlichen Sicherungen der Verständigung den absoluten Revisionsgründen zuzuordnen (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10 u.a., NJW 2013, 1058, 1067 [Rn. 97]). Soweit das Bundesverfassungsgericht davon ausgegangen ist, dass ein Urteil regelmäßig auf einem Verstoß gegen "Transparenz- und Dokumentationspflichten" des Verständigungsverfahrens beruhe (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10 u.a., NJW 2013, 1058, 1067 [Rn. 97 ff.]; Beschluss vom 30. Juni 2013 - 2 BvR 85/13, NStZ-RR 2013, 315, 316), war jeweils nicht allein die fehlende oder fehlerhafte spätere Protokollierung Entscheidungsgegenstand, sondern zumindest auch die Nichtbeachtung einer vor dem Urteilsspruch gegenüber Verfahrensbeteiligten bestehenden Transparenzpflicht an sich. Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts können deshalb nicht dahin verstanden werden, dass - entgegen den Gesetzen der Logik - kraft Verfassungsrechts grundsätzlich bereits auf die Rüge der unterlassenen Protokollierung eines nach den Regeln des Verständigungsverfahrens erforderlichen Hinweises oder einer notwendigen Belehrung die Aufhebung des angefochtenen Urteils geboten sei.
16
Die Fragen, inwieweit das Bundesverfassungsgericht überhaupt allgemeine Vorgaben für eine im Tatsächlichen zu klärende Beruhensprüfung machen kann (vgl. etwa Knauer, NStZ 2013, 433, 436; Stuckenberg, ZIS 2013, 212, 215 f.) und wie weit die Bindungswirkung der Entscheidung im Einzelnen reicht (s. BVerfG, Beschlüsse vom 6. November 1968 - 1 BvR 727/65, BVerfGE 24, 289, 297; vom 10. Juni 1975 - 2 BvR 1018/74, BVerfGE 40, 88, 93 f.; vom 18. Januar 2006 - 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97, 109 f.; BFH, Urteil vom 11. August 1999 - XI R 77/97, NJW 1999, 3798; Maunz/SchmidtBleibtreu /Klein/Bethge, BVerfGG, § 31 Rn. 88 [Stand: Juli 2013]), bedürfen hier daher keiner weiteren Erörterung.
17
bb) Soweit der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in einem Urteil vom 10. Juli 2013 (2 StR 195/12, BGHSt 58, 310) die Auffassung vertreten hat, dass das Prozessverhalten des Angeklagten durch das Fehlen einer Dokumentation im Protokoll beeinflusst und ein Beruhen des Urteils auf dem Protokollierungsfehler nicht ausgeschlossen werden könne, vermag der Senat dem aus den dargelegten Gründen nicht zu folgen. Eines Verfahrens nach § 132 Abs. 2 GVG bedarf es deswegen jedoch nicht. Zum einen betraf das dortige Urteil nicht die hier zu prüfende fehlende Protokollierung der Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO. Zum anderen handelt es sich bei der Frage, ob das Urteil auf einem bestimmten Verfahrensfehler beruhen kann, nicht um eine Rechtsfrage im Sinne des § 132 Abs. 2 GVG, sondern um eine im Einzelfall zu prüfende Tatsachenfrage (vgl. BGH, Beschluss vom 23. August 2006 - 1 StR 466/05, NJW 2006, 3582, 3586; Herdegen, NStZ 1990, 513, 515).
18
4. Eine unzulässige Verständigung über den Schuldspruch (§ 257c Abs. 2 Satz 3 StPO) liegt entgegen der Ansicht der Revision nicht vor.
19
Der Beschwerdeführer begründet seine diesbezügliche Annahme allein mit dem Wortlaut des gerichtlichen Verständigungsvorschlags, der konkrete Straftatbestände und diesen zugeordnete Sachverhalte aufführt. Indes ist dies ersichtlich nicht dahin zu verstehen, dass entsprechende Schuldsprüche Gegenstand der Verständigung sein sollten. Vielmehr hat das Oberlandesgericht lediglich dargelegt, auf Grund welcher Erwägungen es "im Bewusstsein der Problematik einer vorläufigen Beweisprognose" zu dem allein die Rechtsfolgen betreffenden Vorschlag gekommen ist. Einer solchen unverbindlichen Beurteilung der Sach- und Rechtslage steht weder Verfassungs- noch Strafverfahrensrecht entgegen (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10 u.a., NJW 2013, 1058, 1068 [Rn. 106]). Das Gericht ist sogar grundsätzlich dazu gehalten, in seinem Vorschlag das vom Angeklagten im Rahmen der Verständigung erwartete Prozessverhalten genau zu bezeichnen und "unter antizipierender Berücksichtigung dieses Verhaltens und Beachtung der Vorgaben des materiellen Rechts eine strafzumessungsrechtliche Bewertung des Anklagevorwurfs vorzunehmen" (BGH, Urteil vom 21. Juni 2012 - 4 StR 623/11, BGHSt 57, 273, 278; vgl. auch BT-Drucks. 16/12310 S. 14). Eine solche Bewertung ist schwerlich möglich, ohne zunächst klarzustellen, von welchen Delikten und Strafrahmen das Gericht ausgeht. Vor diesem Hintergrund folgt aus dem Hinweis auf einen bestimmten Sachverhalt und eine rechtliche Wertung, die es seinem Vorschlag vorläufig zugrunde legt, keine Verständigung über den Schuldspruch.
20
Dafür, dass das Oberlandesgericht lediglich eine nicht abschließende und nicht von der eigentlichen Verständigung umfasste Einschätzung abgege- ben hat, spricht ferner, dass es den Angeklagten trotz der getroffenen Verständigung nicht in dem Umfang schuldig gesprochen hat, der sich aus der im Vorschlag genannten Zwischenbewertung ergab (s. auch zum Bindungsumfang BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2012 - 1 StR 421/12, NStZ-RR 2013, 184).
21
III. Erfolg hat das Rechtsmittel insoweit, als das Oberlandesgericht den Angeklagten S. S. nicht von dem in der zugelassenen Anklageschrift erhobenen Vorwurf freigesprochen hat, er habe tateinheitlich zu einer Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland spätestens am 27. Juli 2010 von dem Vorhaben eines Mordes erfahren und eine rechtzeitige Anzeige unterlassen.
22
1. Geht der Eröffnungsbeschluss davon aus, dass die dem Angeklagten angelasteten strafbaren Handlungen sich aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen als eine einheitliche Tat im materiellrechtlichen Sinne darstellen, so muss ein Teilfreispruch zwar dann nicht ergehen, wenn sich eine der Handlungen nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung als nicht nachweisbar oder nicht strafbewehrt erweist, es im Übrigen aber bei der konkurrenzrechtlichen Bewertung der Einzelakte verbleibt (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 260 Rn. 12 mwN). Anderes gilt indes, wenn die Hauptverhandlung ergibt, dass es sich bei den dem Angeklagten angelasteten Handlungen um selbständige, tatmehrheitliche Delikte handelt, etwa weil das verbindende Element, das die Einzelakte zu einer natürlichen Handlungseinheit verschmolzen hätte, nicht zu belegen ist. Erweist sich in diesem Falle ein dem Angeklagten von Anklage und Eröffnungsbeschluss vorgeworfener Einzelakt als nicht nachweisbar, so ist der Angeklagte insoweit freizusprechen (vgl. BGH, Urteil vom 1. Juni 2011 - 2 StR 90/11, juris Rn. 19; KK/Ott, StPO, 7. Aufl., § 260 Rn. 20; zur fortgesetzten Handlung bereits BGH, Beschluss vom 7. Januar 1988 - 4 StR 669/87, BGHR StPO § 260 Abs. 1 Teilfreispruch 4; RG, Urteil vom 29. Mai 1923 - I 1161/22, RGSt 57, 302, 303 f.).
23
2. So liegt es hier. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme konnte dem Angeklagten S. S. eine mitgliedschaftliche Beteiligung an der (ausländischen ) terroristischen Vereinigung (§ 129b Abs. 1, § 129a Abs. 1 StGB) nicht nachgewiesen werden. Nur dieses Delikt verbindet indes aufgrund seiner Struktur die einzelnen Betätigungsakte des Mitglieds zu einer tatbestandlichen Handlungseinheit (BGH, Beschluss vom 15. Februar 2007 - StB 19/06, NStZ 2007, 401); erweist sich der Betätigungsakt noch nach einer weiteren Bestimmung als strafbar, so besteht Tateinheit (§ 52 Abs. 1 StGB) zwischen diesem Delikt und der mitgliedschaftlichen Beteiligung an der Vereinigung (vgl. allgemein dazu BGH, Urteil vom 11. Juni 1980 - 3 StR 9/80, BGHSt 29, 288, 290 f. mwN). Dagegen stehen Unterstützungshandlungen zugunsten einer (ausländischen ) terroristischen Vereinigung (§ 129b Abs. 1, § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB), so sie nicht zur Erreichung eines einheitlichen Unterstützungserfolgs begangen werden, zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit (BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, 131 f.); davon ist zutreffend auch das Oberlandesgericht ausgegangen. Da es nun aber hinsichtlich einer dieser dem Angeklagten angelasteten und nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auf der Grundlage der dargestellten Rechtslage allenfalls tatmehrheitlich verwirklichten Einzelhandlungen eine Strafbarkeit verneint hat, hätte es den Angeklagten insoweit freisprechen müssen.
24
Eine Überprüfung der zur Verneinung der Strafbarkeit führenden Erwägungen des Oberlandesgerichts (vgl. insofern zweifelnd etwa Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht, Besonderer Teil, 2. Aufl., § 46 Rn. 12) war dem Senat angesichts der allein vom Angeklagten eingelegten Revision nicht eröffnet.
25
3. Der Senat holt deshalb den Teilfreispruch - mit der sich aus § 467 Abs. 1 StPO ergebenden Kostenfolge - nach (§ 354 Abs. 1 StPO).
26
IV. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils auf die erhobene Sachrüge keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten S. S. ergeben. Hinsichtlich der Einzelheiten verweist der Senat auf die Antragsschrift des Generalbundesanwalts.
27
B. Revision des Angeklagten J. S.
28
I. Der Angeklagte J. S. begehrt mit seiner in zulässiger Weise beschränkten Revision allein einen Teilfreispruch, soweit das Oberlandgericht die - nach Anklage und Eröffnungsbeschluss dem Angeklagten neben den beiden Waffendelikten jeweils in Tateinheit zur Last gelegte - Strafbarkeit wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung nicht festgestellt hat. Auch wenn die Rechtsmittelbeschränkung nicht ausdrücklich erklärt wurde, kommt sowohl in der Revisions- als auch in der Revisionsbegründungsschrift zum Ausdruck, dass der Beschwerdeführer allein das Fehlen eines Teilfreispruchs beanstandet (vgl. zur Revisionsauslegung bereits BGH, Urteil vom 16. Februar 1956 - 3 StR 473/55, NJW 1956, 756, 757).
29
II. Die (insoweit beschränkte) Nachprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten J. S. ergeben. Eines Teilfreispruchs bedurfte es entgegen der mit der Revision vorgebrachten Ansicht - anders als bei dem Angeklagten S. S. (s.o.) - nicht.
30
Die mit dem Eröffnungsbeschluss zugelassene Anklage hatte dem Angeklagten J. S. zur Last gelegt, durch dieselbe rechtliche Handlung sich spätestens ab Spätsommer 2009 bis zu seiner Festnahme im De- zember 2010 als Mitglied an der "Khalistan Zindabad Force" beteiligt zu haben, im März 2010 gemeinsam mit B. S. mit Hilfe des Angeklagten S. S. versucht zu haben, eine halbautomatische Kurzwaffe zu erwerben, und bei seiner Festnahme eine einen anderen Gegenstand vortäuschende Hieb- und Stoßwaffe sowie Munition besessen zu haben. Zwar ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass der Angeklagte sich nicht wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung strafbar gemacht hat und daher die in Anklage und Eröffnungsbeschluss angenommene Verklammerung der beiden Waffendelikte zu einer Tat in materiellem Sinne wegfällt. Allerdings sind - insoweit im Unterschied zum Angeklagten S. S. - sämtliche danach bestehen bleibende einzelne Taten abgeurteilt worden. Eine selbständige (materiellrechtliche) Tat, die Gegenstand eines Freispruchs sein könnte, liegt mithin nicht vor. Entfällt lediglich ein in Tateinheit stehender Tatvorwurf, kommt ein Freispruch nicht in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 5. Mai 2004 - 5 StR 548/03, NJW 2005, 2720, 2723). Da die nicht erwiesene Mitgliedschaft in der Vereinigung mit den beiden Waffendelikten jeweils in Tateinheit stünde, ist der Tatvorwurf des Eröffnungsbeschlusses durch den Schuldspruch erschöpft.
Becker Schäfer Mayer Gericke Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 2 3 5 / 1 4
vom
29. April 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen zu 1.: Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr
zu 2. und 3.: Bestechung im geschäftlichen Verkehr u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. April 2015 beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 17. Oktober 2013 werden als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten N. wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren, die Angeklagten D. und E. jeweils wegen wettbewerbsbeschränkender Absprache bei Ausschreibungen in Tateinheit mit Bestechung im geschäftlichen Verkehr zu Freiheitsstrafen von einem Jahr und sechs Monaten (Angeklagter D. ) bzw. zwei Jahren und vier Monaten (Angeklagter E. ) verurteilt. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen , mit denen sie die Verletzung sachlichen Rechts geltend machen und Verfahrensrügen erheben. Die Rechtsmittel bleiben erfolglos.

A.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
I. Der Angeklagte N. war als Geschäftsführer der ET. GmbH von der P. , einem Zweckverband von elf Landkreisen und einem Stadtkreis, beauftragt worden, beschränkte Ausschreibungen für Aufträge im Rahmen der technischen Umgestaltung einer Tierkörperverbrennungsanlage durchzuführen. Seitens der P. war dabei vorgegeben, dass mindestens drei unterschiedliche Firmen ein Angebot abgeben sollten; die Aufträge sollten – sofern möglich – an Unternehmen aus der näheren Umgebung vergeben werden. Den regen Wettbewerb wollte die P. nutzen, um ein möglichst günstiges Angebot zu bekommen.
4
Der Angeklagte N. beschloss, die Ausschreibungen zu manipulieren , um sich dadurch eine erhebliche Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer zu verschaffen. In Absprache mit einem der Mitangeklagten bzw. dem gesondert Verfolgten K. , von denen jeder um die Beauftragung des Angeklagten N. durch die P. wusste, wollte er deren Unternehmen den jeweiligen Auftrag verschaffen. Dazu sollten neben dem Angebot des be- günstigten Unternehmens noch „Schutzangebote“ abgegeben werden, um die Anforderungen an die Zahl der an der Ausschreibung teilnehmenden Firmen dem Schein nach zu erfüllen. Diese „Schutzangebote“ sollten von Unternehmen stammen, mit deren Verantwortlichen eine Absprache dahingehend erfolgt ist, dass das Angebot über demjenigen des für den Zuschlag ausersehenen Unternehmens liegt. Auf diese Weise sollte der tatsächliche Wettbewerb ausgeschaltet , für die P. aber der Eindruck erweckt werden, das zuvor vom Angeklagten ausersehene Unternehmen habe sich unter Wettbewerbsbedingungen als der wirtschaftlich günstigste Anbieter der ausgeschriebenen Leistungen erwiesen. Als Gegenleistung für die vom Angeklagten N. bereitete Sicherung der Auftragsvergabe unter Ausschaltung des Wettbewerbs sollten die jeweils begünstigten Unternehmen eine dem Angeklagten N. zuzuordnende Fir- ma „rückbeauftragen“ und ihm dadurch ein Auftragsvolumen in „nicht unerheblicher Höhe“ verschaffen. Damit diese Rückbeauftragung für die P. uner- kannt blieb, plante der Angeklagte N. zur Verschleierung die Nutzung seines komplexen Firmengeflechts. So sollte der Auftrag an die PI. , eine dem Angeklagten N. zuzurechnende Firma, erfolgen, für die er bewusst gegenüber der P. nicht nach außen in Erscheinung trat, deren faktischer Geschäftsführer er aber war.
5
Im Einzelnen handelte es sich um die Manipulationen der folgenden Ausschreibungen:
6
1. Im Frühjahr 2009, noch vor dem 15. April 2009 in Ausführung der beschriebenen Vorgehensweise plante der Angeklagte N. mit dem Mitangeklagten E. , diesem als Geschäftsführer der A. einen lukrativen Auftrag für den Bereich Prozessleitsysteme zu verschaffen. Absprachegemäß besorgte der Angeklagte E. zwei „Schutzangebote“ von mit ihm gut bekannten Unternehmern. Während das erste das Angebot der A. , welches auf 1.221.784,90 € lautete, um etwa 181.600 € überschritt, lag das zweite etwa 52.700 € über dem A. -Angebot. Jedoch war dieses Angebot, welches von dem gesondert Verfolgten Kl. stammte, von einer nicht ermittelbaren Person manipuliert worden, indem bei zwei Positionen vermerkt wurde, die Leistung könne nicht erbracht werden. Entsprechend der Empfehlung des Angeklagten N. , der dabei zur zusätzlichen Absicherung der Auftragsvergabe an die A. trotz des Umstands, dass diese nicht aus der Region stammte, die Unvollständigkeit des durch Kl. abgegebenen Angebots als besonderes Manko darstellte, erteilte die P. am 30. April 2009 der A. den Zuschlag. In der Folge erteilte der Angeklagte E. der dem Angeklagten N. zuzurechnenden PI. zwei Aufträge in Höhe von 478.839,74 €.

7
2. Ebenfalls im Frühjahr 2009, noch vor dem 15. April 2009 wollte der Angeklagte N. der M. GmbH auf die vorbeschriebene Weise einen Auftrag für unternehmerische Leistungen aus dem Bereich Metallverarbeitung verschaffen. In Absprache mit dem Angeklagten N. gab K. ein Angebot ab und erklärte sich bereit, im Gegenzug seinerseits den Angeklagten N. bzw. zur Verschleierung eine ihm zuzurechnende Firma zu beauftragen. K. erhoffte sich neben der Vergabe des lukrativen Auftrags auch zukünftige „Bevorzugungen“. Der Angeklagte N. selbst beschaffte sich von einem mit ihm befreundeten Unternehmer ein „Schutzangebot“, wel- ches deutlich über dem Angebotspreis von K. lag. Über die Firma Pr. , die ebenfalls dem Angeklagten N. zuzurechnen war, bei der er aber nach außen zur Verschleierung nicht in Erscheinung trat, gab er selbst schließlich das dritte Angebot ab, welches ebenfalls absprachegemäß über dem Angebot von K. lag. Auf die Empfehlung des Angeklagten N. erhielt die M. GmbH den Auftrag von der P. . In der Folge erteilte K. der PI. einen Auftrag in Höhe von 140.560,50 €.
8
3. Im Herbst 2009, jedoch noch vor dem 21. Oktober 2009, beschloss der Angeklagte N. , das beschriebene Geschäftsmodell einzusetzen, um seinem Freund, dem Angeklagten D. , als Geschäftsführer der C. GmbH einen Auftrag aus dem Bereich Klima- und Lüftungstechnik zu verschaffen. D. ließ sich darauf ein, die erforderlichen „Schutzangebote“ zu beschaffen und die dem Angeklagten N. zuzurechnende PI. seinerseits zu beauftragen , um den lukrativen Bauauftrag zu erhalten, aber auch, da er sich weitere Vorteile aus der Geschäftsverbindung versprach. Der Angeklagte D. beschaffte die „Schutzangebote“ von mit ihm bekannten Unternehmern, deren Angebote absprachegemäß über dem der C. GmbH lagen. Auf die Empfehlung des Angeklagten N. erhielt diese den Auftrag von derP. und beauftragte ihrerseits über den Angeklagten D. die PI. mit der Leis- tung von „Know-How“ in Höhe von 102.250 €.
9
4. Im Herbst/Winter 2009, noch vor dem 9. Dezember 2009, kam der Angeklagte N. erneut mit dem gesondert Verfolgten K. überein, der Firma des K. einen weiteren Auftrag aus dem Bereich Metallverarbeitung zu beschaffen. Die zur Manipulation der Ausschreibung erforderlichen „Schutzangebote“ beschaffte der Angeklagte N. durch Vermittlung des Angeklagten D. von bekannten Unternehmern. Diese Angebote überstiegen wie abgesprochen das von K. abgegebene. Sowohl das von K. abgegebene als auch eines der „Schutzangebote“ hatte der Angeklagte N. hinsichtlich Einzel- und Gesamtpreis in seinen Geschäftsräumen ausgefüllt. Auf Empfehlung des Angeklagten N. beauftragte die P. das Unternehmen des K. , der wiederum die PI. in Höhe von 281.383 € rückbeauftragte.
10
II. Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten N. als vier Fälle der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr gemäß § 299 Abs. 1 StGB gewertet und sich vom Vorliegen der Regelbeispiele des § 300 Satz 2 Nr. 1 und 2 Alt. 1 StGB überzeugt. Das Verhalten der Angeklagten D. undE. hat es jeweils als eine wettbewerbsbeschränkende Absprache bei Ausschreibungen nach § 298 Abs. 1 StGB in Tateinheit mit Bestechung im geschäftlichen Verkehr gemäß § 299 Abs. 2 StGB gewertet. Insoweit ist es jeweils vom Vorliegen des Regelbeispiels des § 300 Satz 2 Nr. 1 StGB ausgegangen, da sich ihre Tat auf die Verschaffung eines Vorteils großen Ausmaßes durch den Angeklagten N. bezogen habe.

B.


11
Die von den Angeklagten erhobenen Verfahrensrügen haben keinen Erfolg. Ergänzend zu den Antragsschriften des Generalbundesanwalts bedarf Folgendes der Erörterung:
12
I. Zu den Verfahrensrügen des Angeklagten N.
13
Die Rüge der Verletzung des „§§ 243 Abs. 4 Satz 1 und 2, 273 Abs. 1a Satz 2 StPO" ist bereits unzulässig soweit sie sich gegen die unterlassene Mitteilung von auf eine Verständigung abzielenden Gesprächen betreffend den früheren Mitangeklagten Dr. richtet und bleibt auch im Übrigen ohne Erfolg.
14
1. Nach dem Revisionsvortrag liegt der Rüge folgendes Geschehen zugrunde :
15
Im Anschluss an einen Hauptverhandlungstermin fand zwischen den berufsrichterlichen Strafkammermitgliedern, den Verteidigern und den Vertretern der Staatsanwaltschaft ein Rechtsgespräch statt. Gegenstand desselben war die Möglichkeit einer Verständigung bezüglich aller Angeklagten. Der Vorsit- zende verwies darauf, dass nach „derzeitiger Sachlage“ für den Angeklagten Kli. eine Einstellung nach § 153a StPO in Betracht komme. Bezüglich des Angeklagten Dr. wurde für den Fall eines Geständnisses eine Freiheitsstrafe von sieben bis acht Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung in Aussicht gestellt. Angesichts dieser Strafvorstellung beendeten die Verteidiger das Gespräch. Am darauffolgenden Termin der Hauptverhandlung teilte der Vorsitzende lediglich mit, dass ein Rechtsgespräch geführt und dass bezüglich des Angeklagten Kli. eine Verfahrenseinstellung nach § 153a StPO erörtert worden sei; eine Verständigung im Übrigen sei nicht zustande gekommen.
16
2. Dieser Vortrag genügt nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Danach sind die Verfahrenstatsachen so vollständig, genau und aus sich heraus verständlich vorzutragen, dass das Revisionsgericht allein auf dieser Grundlage prüfen kann, ob der behauptete Verfahrensfehler vorliegt. Der Revisionsführer macht insoweit eine Verletzung der Mitteilungspflichten aus nicht ihn selbst betreffenden Verständigungsgesprächen geltend. Ob der von den Transparenzvorschriften des Verständigungsgesetzes bezweckte Schutz des von der Verständigung betroffenen Angeklagten ausnahmsweise auch auf Mitangeklagte zu erstrecken sein kann, die von der nicht hinreichend transparenten Verständigung nicht betroffen sind, bedarf – auch unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des fairen Verfahrens – der Kenntnis der Verfahrensrolle des Angeklagten, auf den sich die Verständigungsgespräche bezogen haben. Denn ist derjenige nicht mehr Mitangeklagter, liegt in Bezug auf ihn schon keine unmittelbare Verletzung des § 243 Abs. 4 StPO vor, was Auswirkungen auf die Frage der Schutzwirkung für den nicht betroffenen Angeklagten haben kann. Die Revision unterlässt es aber mitzuteilen, dass Dr. zum Zeitpunkt der Mitteilung nicht mehr Mitangeklagter in diesem Verfahren war. Das Verfahren war bereits zuvor abgetrennt worden. Dies steht dem Erfolg der Rüge möglicherweise entgegen und wäre daher vorzutragen gewesen (vgl. zur Vortragspflicht von gegenläufigen Tatsachen BGH, Beschluss vom 11. März 2014 – 1 StR 711/13, NStZ 2014, 532; BGH, Urteil vom 4. September 2014 – 4 StR 473/13, BGHSt 59, 292 ff.).
17
3. Die Rüge würde aber auch dessen ungeachtet nicht durchgreifen. Durch die unzureichende Mitteilung und Protokollierung von Verständigungsgesprächen , die allein Mitangeklagte betroffen haben, ist der Beschwerdeführer im Regelfall nicht in seinen Rechten betroffen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 2014 – 2 BvR 989/14, StV 2014, 649; BGH, Beschluss vom 24. April 2014 – 5 StR 123/14; BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 – 2 StR 381/13, NJW 2014, 2514, 2516; BGH, Beschluss vom 25. Februar 2015 – 4 StR 587/14). Dass der Angeklagte bei Kenntnis des konkreten Inhalts des mit dem Verteidiger des Dr. geführten Verständigungsgesprächs sein Prozessverhalten geändert hätte, wird von der Revision nicht behauptet und es ist auch nicht ersichtlich, wie sich solche Kenntnis auf sein Verteidigungsverhalten hätte auswirken können.
18
4. Soweit die Revision eine Verletzung in Bezug auf den Mitangeklagten Kli. geführte Gespräche geltend macht, liegen nach dem Revisionsvortrag schon die Voraussetzungen für eine Mitteilungspflicht nach § 243 Abs. 4 StPO nicht vor. Denn diese besteht nur hinsichtlich solcher Erörterungen der Verfahrensbeteiligten , deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung war, in denen also ausdrücklich oder konkludent Fragen des prozessualen Verhaltens des Angeklagten in Konnex zum Verfahrensergebnis gebracht wurden (BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10 u.a., NJW 2013, 1058, 1065; BGH, Beschluss vom 29. April 2014 – 3 StR 24/14, NStZ 2014, 529; vgl. auch BGH, Beschluss vom 14. April 2015 – 5 StR 9/15).
19
5. Soweit der Revisionsführer mit seiner Rüge eine Verletzung der Mitteilungspflichten in Bezug auf ihn betreffende Verständigungsgespräche geltend machen möchte, ist die Rüge jedenfalls unbegründet. Nach seinem Revisionsvortrag ist nicht dargelegt, dass insoweit etwas erörtert worden wäre, was gemäß § 243 Abs. 4 StPO hätte mitgeteilt werden müssen. Zu dem vorzutragendem Inhalt gehört auch dann, wenn keine Verständigung zustande gekommen ist, jedenfalls der Verständigungsvorschlag und die zu diesem abgegebenen Erklärungen der übrigen Verfahrensbeteiligten (BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2014 – 1 StR 242/14, NStZ 2015, 352). Dass solches erörtert worden wäre, trägt die Revision nicht vor. Soweit der Revisionsführer die Mitteilungspflichten schon dadurch ausgelöst sehen will, dass Zweck des Rechtsgesprächs die Möglichkeit einer Verständigung bezüglich aller Angeklagten, mithin auch ihn selbst betreffend gewesen sei (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2014 – 1 StR 422/14, NStZ 2015, 293 f.), verkennt er, dass es allein auf die tatsächlich erfolgten Erörterungen ankommt, die er selbst nicht behauptet.
20
6. Soweit die Revision eine Verletzung der Protokollierungspflicht aus § 273 Abs. 1a Satz 2 i.V.m. § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO rügt, ergibt sich schon aus ihrem Vortrag, dass ein solcher Rechtsfehler nicht vorliegt. Nach § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO muss das Protokoll u.a. die Beachtung der in § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO vorgeschriebenen Mitteilungen wiedergeben. Sollte entgegen § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO eine Erörterung, die außerhalb der Hauptverhandlung stattgefunden hat, nach Fortsetzung der Hauptverhandlung nicht oder nur unzureichend bekannt gemacht und damit die Informationspflicht nicht beachtet worden sein, so ergibt sich aus dem Schweigen des Protokolls kein zusätzlicher Rechtsfehler. Ein "Fehlen der Protokollierung" liegt gerade nicht vor (BGH, Beschluss vom 15. April 2014 – 3 StR 89/14, NStZ 2014, 418 f.). Vielmehr gibt das Protokoll auch nach dem Vortrag der Revision den Gang der Hauptverhandlung zutreffend wieder.

21
II. Zur Verfahrensrüge des Angeklagten D.
22
Die Revision macht das Vorliegen des absoluten Revisionsgrundes nach § 338 Nr. 5 StGB geltend. Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde :
23
Der Angeklagte D. war zum Fortsetzungstermin am 17. April 2013 nicht erschienen. Unmittelbar vor dem Beginn der Sitzung um 9.30 Uhr hatte er über seinen Verteidiger dem Gericht mitgeteilt, er sei verhandlungsunfähig krank. Der Verteidiger erklärte, er habe kein Attest, auch wisse er nicht, um welche Krankheit es sich handele, der Angeklagte wisse aber, dass er nicht einfach fortbleiben könne. Nach Unterbrechung gab der Verteidiger an, dass er vergeblich versucht habe, seinen Mandanten unter allen ihn bekannten Telefonnummern zu erreichen. Nach einer erneuten Verhandlungspause teilte der Vorsitzende mit, dass polizeiliche Ermittlungen am bisher bekannten Wohnort des Angeklagten in B. durchgeführt worden seien, Polizeibeamte hätten mit dem Vermieter des Angeklagten D. gesprochen. Dieser habe angegeben , D. halte sich schon seit Monaten nicht mehr in der Wohnung auf, er sei abgemeldet und nach unbekannt verzogen. Die Strafkammer fasste sodann einen Beschluss nach § 231 Abs. 2 StPO und setzte die Verhandlung gegen 11.30 Uhr fort. Im nächsten Termin zur Hauptverhandlung am 24. April 2013 erklärte der Angeklagte D. kein Attest beibringen zu können, da er in der Schweiz lebe. Er teilte weiter seine aktuelle Schweizer Wohnadresse mit und dass er sich dort am 16. April 2013 angemeldet habe.
24
Nunmehr wird mit der Revision vorgetragen, der Angeklagte sei am Morgen des betreffenden Hauptverhandlungstermins an schweren Migräneattacken erkrankt, er habe deswegen Paracetamol nehmen müssen. Seine Reisefähigkeit sei aufgrund der Schmerzen deutlich eingeschränkt gewesen. Krankheitsbedingt wäre er auch nicht in der Lage gewesen, einer Hauptverhandlung zu folgen und seine Interessen vernünftig zu vertreten. Hierzu legt er eine ärztliche Bestätigung eines Schweizer Arztes vom 25. Februar 2014 vor. Diese stellt die eigenanamnestischen Angaben des Angeklagten zu seinem Befinden – die sich mit seinem Revisionsvortrag decken – am 17. April 2013 zusammen. Auf- grund der geschilderten Schmerzen kommt der Mediziner zu dem Schluss, dass die Reisefähigkeit vorübergehend deutlich eingeschränkt gewesen sei.
25
Die Rüge ist jedenfalls unbegründet. Es bedarf keiner Auseinandersetzung mit der Frage, ob am 17. April 2015 ein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung stattfand. Denn das Vorgehen der Strafkammer verletzt § 231 Abs. 2 StPO nicht. Über den Wortlaut dieser Vorschrift hinaus darf eine unterbrochene Hauptverhandlung nur dann ohne den Angeklagten fortgesetzt werden, wenn dieser ihr eigenmächtig ferngeblieben ist, d.h. ohne Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe wissentlich seiner Anwesenheitspflicht nicht genügt hat (BGH, Urteil vom 30. November 1990 – 2 StR 44/90, BGHSt 37, 249, 251; BGH, Beschluss vom 17. März 1999 – 3 StR 507/98; NStZ 1999, 418; BGH, Beschluss vom 25. Juli 2011 – 1 StR 631/10, BGHSt 56, 298). Dabei obliegt es nicht dem Angeklagten, glaubhaft zu machen, dass sein Ausbleiben nicht auf Eigenmächtigkeit beruht, diese ist ihm vielmehr nachzuweisen (BGH, Urteil vom 26. Juni 1957 – 2 StR 182/57, BGHSt 10, 304, 305; BGH, Beschluss vom 6. Juni 2001 – 2 StR 194/01, BGHR StPO § 338 Nr. 5 Angeklagter 24). Das Revisionsgericht hat dabei zwar ausgehend vom Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Revisionsentscheidung (vgl. aber BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2011 – 3 StR 282/11, StV 2012, 72; Becker in Löwe/Rosenberg, 26. Aufl., § 231 Rn. 44 mwN) die Frage der Eigenmächtigkeit gegebenenfalls im Freibeweis zu überprüfen, jedoch – wie auch sonst bei behaupteten Verletzungen von Vorschriften über das Verfahren – nur auf der Grundlage eines entsprechenden Revisionsvortrags (BGH, Urteil vom 6. März 1984 – 5 StR 997/83, StV 1984, 326; Beschluss vom 3. April 2003 – 4 StR 506/02, BGHSt 48, 264, 267; BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2011 – 3 StR 282/11, StV 2012, 72; MeyerGoßner /Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 231 Rn. 25).
26
Ein ausreichender Nachweis der Eigenmächtigkeit ist zur Überzeugung des Senats geführt. Der Schluss, dass der Angeklagte am 17. April 2013 schuldhaft der Hauptverhandlung fern blieb, wird durch eine Gesamtschau seines Verhaltens belegt, was auf Verdeckung seines tatsächlichen Zustands an diesem Tag gerichtet ist und sich zudem im zeitlichen Verlauf nicht nachvollziehbar uneinheitlich darstellt. So hat er sich bei seiner Krankmeldung gegenüber seinem Verteidiger lediglich auf die floskelhafte Beschreibung, krank zu sein, beschränkt; erst mit der Revisionsschrift legt er dies näher dar. Zeitnahe Nachforschungen zur Frage der Verhandlungsfähigkeit durch die Strafkammer – deren Ausbleiben er mit der Revision beanstandet – hat er dann aber vereitelt. So war er telefonisch unerreichbar – was selbst durch das in der Revision beschriebene Krankheitsbild nicht plausibel erklärt wird – und er hatte seinen Aufenthaltsort bis zum 24. April 2013 nicht offen gelegt, obwohl er sich an seinem bisherigen, dem Gericht bekannten Wohnort seit Monaten nicht mehr aufhielt. Seine Anmeldung am neuen Wohnsitz im Ausland erfolgte demgegenüber erst einen Tag vor seinem Ausbleiben. Trotz des von seinem Verteidiger bestätigten Wissens, nicht einfach unentschuldigt fortbleiben zu können, hat er sich weder am Tag der angeblichen Erkrankung noch zeitnah um eine ärztliche Bestätigung derselben bemüht. Im Revisionsverfahren aber – entgegen seiner Erklärung am nächsten Hauptverhandlungstermin, wegen seines Schweizer Wohnsitzes kein Attest beibringen zu können, was freilich für sich genommen kaum nachvollziehbar ist – hat er sich über zehn Monate später zu einem Schweizer Arzt begeben und diesem die behaupteten Schmerzen bzw. Symptome unterbreitet. Eine Überprüfung der Angaben ließ der vom Angeklagten gewählte Zeitpunkt nicht mehr zu. Hinzu tritt, dass selbst diese auf seinen eigenen Angaben basierende ärztliche Bestätigung die Behauptung, er sei verhandlungsunfähig gewesen, nicht trägt.
27
III. Zu den Verfahrensrügen des Angeklagten E.
28
1. Rüge der Verletzung des § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO
29
Nach dem Revisionsvorbringen stellte der Verteidiger am 23. Sitzungstag den Antrag, den in der Schweiz wohnhaften Zeugen Z. zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, dass der Angeklagte N. in Zusammenhang mit der Tierkörperbeseitigungsanlage des ZweckverbandsP. O. ab dem Jahr 2009 auch für die PI. im Geschäftsverkehr aufgetreten ist. Zur Begründung führte er aus, der Zeuge sei Revisor einer Firma, die für die PI. Dienstleistungen erbracht habe. In diesem Zusammenhang seien dem Zeugen die geschäftlichen Aktivitäten des Angeklagten N. für die PI. bekannt geworden. Mit Beschluss vom 26. März 2013 lehnte das Landgericht die beantragte Beweiserhebung ab. Soweit mit dem Antrag bewiesen werden sollte, dass der Angeklagte N. im allgemeinen Geschäftsverkehr für die PI. aufgetreten sei, sei dies aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos; soweit bewiesen werden sollte, dass der Angeklagte N. gegenüber der P. für die PI. aufgetreten sei, sei das Gegenteil bereits erwiesen. Dies gründete es auf die zeugenschaftlichen Angaben der diesbezüglich dargestellten P. -Verantwortlichen. Es zog in seine Bewertung mit ein, dass es schon fragwürdig sei, ob der Zeuge dies bestätigen würde, da bisher kein Anhaltspunkt zu Tage getreten sei, wonach er Geschäftskontakten zwischen der P. und PI. persönlich beigewohnt habe; jedenfalls wäre ein Einfluss einer derartigen Aussage auf die Überzeugungsbildung der Strafkammer ausgeschlossen.
30
Dies hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Nach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO kann ein auf die Vernehmung eines Auslandszeugen gerichteter Beweisantrag abgelehnt werden, wenn die Beweiserhebung nach dem pflicht- gemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist (§ 244 Abs. 2 StPO). Dabei ist das Gericht von dem Verbot der Beweisantizipation befreit und darf seine Entscheidung davon abhängig machen, welche Ergebnisse von der beantragten Beweisaufnahme zu erwarten sind und wie diese zu erwartenden Ergebnisse zu würdigen wären. Kommt es unter Berücksichtigung sowohl des Vorbringens zur Begründung des Beweisantrags, als auch der in der bisherigen Beweisaufnahme angefallenen Erkenntnisse zu dem Ergebnis, dass ein Einfluss auf seine Überzeugung auch dann sicher ausgeschlossen ist, wenn der benannte Zeuge die in sein Wissen gestellte Behauptung bestätigen werde, ist eine Ablehnung des Beweisantrags rechtlich nicht zu beanstanden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 13. März 2014 – 4 StR 445/13, NStZ 2014, 531 f.; BGH, Urteil vom 18. Januar 1994 – 1 StR 745/93, BGHSt 40, 60, 62; vgl. auch Becker in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 356).
31
Diesen Anforderungen hat das Landgericht genügt. Der Ablehnungsbeschluss legt angesichts der jedenfalls unkonkret gehaltenen Beweisbehauptung (vgl. zu den Anforderungen an die Wahrnehmungssituation des Zeugen BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2010 – 1 StR 275/10, NJW 2011, 1299, 1300; BGH, Beschluss vom 24. März 2014 – 5 StR 2/14, NStZ 2014, 351, 353 f.) die maßgeblichen Erwägungen so umfassend dar, dass der Angeklagte seine Verteidigung darauf einstellen konnte; hierdurch kann auch überprüft werden, dass die Antragsablehnung auf einer rational nachvollziehbaren, die wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalles erkennbar berücksichtigenden Argumentation beruht (vgl. BGH, Beschluss vom 29. April 2010 – 1 StR 644/09, wistra 2010, 410, 411; Urteil vom 18. Januar 1994 – 1 StR 745/93, BGHSt 40, 60, 63; Becker aaO Rn. 359). Es lag keine besondere Beweissituation vor, der durch die Anlegung eines strengeren Maßstabes an die Ablehnung des Beweisantrages Rechnung zu tragen gewesen wäre (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 13. März 2014 – 4 StR 445/13, NStZ 2014, 531 f.). Dies gilt auch nicht angesichts des von der Verteidigung herangezogenen Schreibens aus dem Jahr 2011, ausweislich dessen der Angeklagte im Schriftverkehr mit der P. für die PI. aufgetreten ist, da zu diesem Zeitpunkt die Ermittlungen wegen der Vorwürfe sowohl dem Angeklagten als auch den Verantwortlichen der P. bekannt waren. Einer Auseinandersetzung mit diesem Schreiben bedurfte es entgegen dem Vorbringen der Revision wegen des offensichtlichen zeitlichen Auseinanderfallens und dem fehlenden Bezug zum Zeugen Z. nicht.
32
Da das Landgericht zu der Überzeugung gelangt ist, dass eine Einvernahme des Zeugen für die Sachaufklärung nicht notwendig ist, war es – entgegen der Auffassung des Revisionsführers – nicht gehalten, Vernehmungsalternativen zu prüfen. Denn mit der Ablehnung nach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO entfällt die Pflicht, sich um den Zeugen weiter zu bemühen. Das Tatgericht hat auch nicht mehr zu prüfen, ob eine Vernehmung in der Hauptverhandlung durch eine Vernehmung im Ausland im Wege der Videokonferenz nach § 247a StPO ersetzt werden kann (BGH, Beschluss vom 13. März 2014 – 4 StR 445/13, NStZ 2014, 531 f.; BGH, Beschluss vom 5. September 2000 – 1 StR 325/00, NJW 2001, 695 f.).
33
2. Rüge der Verletzung des § 261 StPO
34
Der Revisionsführer macht geltend, es fehle an einer den Anforderungen des § 249 Abs. 2 Satz 3 StPO genügenden Feststellung über den Abschluss eines Selbstleseverfahrens, weswegen die davon betroffenen Urkunden nicht wirksam in die Hauptverhandlung eingeführt worden seien.
35
Dem liegt folgendes Geschehen zugrunde:
36
Am 37. Sitzungstag ordnete der Vorsitzende hinsichtlich der „aus der Anlage 1 ersichtlichen Urkunden“ das Selbstleseverfahren an. Im Folgetermin wurde folgendes protokolliert: „Es wird festgestellt, dass die Berufsrichter und Schöffen von der Selbstleseverfügung vom 10.06.2013 Kenntnis genommen haben und die übrigen Verfahrensbeteiligten dazu Gelegenheit hatten.“ Weitere Feststellungen zur Kenntnisnahme der in der Anordnung bezeichneten Urkunden erfolgten entgegen dem Vorbringen des Generalbundesanwalts nicht.
37
Eine Verletzung des § 261 StPO i.V.m. § 249 Abs. 2 Satz 1 und 3 StPO liegt nicht vor. Durch die protokollierte Feststellung des Vorsitzenden sind die von den Selbstleseanordnungen umfassten Urkunden wirksam zum Gegenstand der Beweisaufnahme gemacht worden (vgl. BGH, Urteil vom 9. Januar 2013 – 5 StR 461/12, NStZ-RR 2013, 255 f.). Zwar erfasst die Feststellung über die Kenntnisnahme nur die „Selbstleseverfügung“, nicht den Wortlaut der be- troffenen Urkunden. Diese Feststellung ist als Prozesserklärung nach allgemeinen Regeln der Auslegung zugänglich, die bei zweifelhaftem Sinn des Protokolls geboten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juli 2010 – 3 StR 76/10, BGHR StPO § 249 Abs. 2 Selbstleseverfahren 6; BGH, Urteil vom 11. Oktober2012 – 1 StR 213/10, ZuM 2013, 124, 126 = BGHSt 58, 15 ff.; BGH, Urteil vom 9. Januar 2013 – 5 StR 461/12, NStZ-RR 2013, 255 f.). Die Feststellung der Kenntnisnahme allein von der „Selbstleseverfügung“, mithin der Anordnung des Selbstleseverfahrens – und nicht der Liste der erfassten Urkunden – erweist sich als sinnentleert. Denn diese Verfügung war bereits am Tag zuvor in Gegenwart aller zu Protokoll gegeben worden. Auch unter Berücksichtigung der im Übrigen den gesetzlichen Anforderungen nach § 249 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Satz 3 StPO entsprechenden Formulierung ist offensichtlich, dass versehentlich die erfassten Urkunden keinen Eingang in die Feststellung gefunden haben. Danach war ohne weiteres erkennbar, dass sich die Feststellung auf die von der „Selbstleseverfügung“ erfassten Urkunden bezieht.
38
3. Rüge der Verletzung des Beweisantragsrechts (Beweisanträge Nr. 14, 15 und 17)
39
Soweit die Revision den Ablehnungsbeschluss der Strafkammer deswegen für rechtlich fehlerhaft erachtet, da er nicht zwischen tatsächlicher und rechtlicher Bedeutungslosigkeit unterscheide, weist der Generalbundesanwalt zu Recht darauf hin, dass die Ablehnung wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit erfolgte, was von der auch im Übrigen rechtsfehlerfreien Begründung der Ablehnung getragen werde. Insoweit handelt es sich auch nicht um eine nachgeschobene Begründung durch den Generalbundesanwalt, sondern fußt auf Ausführungen im Ablehnungsbeschluss, der ausdrücklich auf tatsächliche Bedeutungslosigkeit gestützt ist (vgl. RB S. 42).
40
4. Rüge der Verletzung des Beweisantragsrechts (Beweisantrag Nr. 30)
41
Die Revision beanstandet die Ablehnung eines auf Einholung eines Sachverständigengutachtens gerichteten, am 30. April 2013 gestellten Beweisantrags , mit dem bewiesen werden sollte, dass es für die Ausführung der der A. von der P. erteilten Aufträge noch technisch notwendig gewesen sei, zahlreiche, im Einzelnen aufgeführte technische Aspekte durch einen Verfahrenstechniker klären zu lassen und in für EDV-Unternehmen umsetzbare Vorgaben zu definieren. Nach der Begründung sollte das Beweisziel dahin gehen , die Beauftragung der PI. als sachlich zwingend und nur auf die Erlangung technischer Beratung gerichtet darzustellen. Dies sei deswegen von Relevanz , da eine sachlich zwingende Beauftragung in der gesamten bisherigen Rechtsprechung noch nicht als Vorteil angesehen worden wäre. Der Antrag habe erst jetzt gestellt werden können, da er eine Reaktion auf die Entscheidungen der Kammer vom 26. März 2013 darstelle.
42
Die Strafkammer hat diesen Antrag zurückgewiesen. Hierzu hat sie darauf abgestellt, dass das aufgestellte Beweisziel nicht dem Sachverständigenbeweis zugänglich sei und sie es kraft eigener Sachkunde selbst zu beurteilen habe. Zudem sei ein weiterer Aufklärungseffekt nicht zu erwarten. Hilfsweise werde der Antrag auch wegen Prozessverschleppung abgelehnt. Denn die zur Stellung von Beweisanträgen gesetzte Frist sei seit dem 28. November 2012 abgelaufen. Die Staatsanwaltschaft habe die Einstellung der Untreuevorwürfe nach § 154a StPO bereits Ende des Jahres 2012 angeregt. Die Strafkammer habe ein dementsprechendes Ansinnen gegenüber der Verteidigung mit Fax vom 13. März 2013 angekündigt. Am 25. März 2013 schließlich sei die Einstellung beschlossen worden. Der Verteidiger des Angeklagten E. habe in den darauffolgenden Sitzungen erklärt, „heute“ keine Anträge stellen zu wollen. Erst am 30. April 2013 sei dann der Antrag gestellt worden, wofür die Verteidigung keine Gründe genannt habe. Solches ergebe sich auch nicht aus sonstigen Umständen. So habe die Verteidigung schon zu früheren Zeitpunkten Beweisanträge zu dem Thema gestellt, ob der Angeklagte N. der A. verfahrenstechnische Informationen vermittelt hat.
43
Ungeachtet der Zulässigkeit dieser Rüge – an der auch wegen der unterlassenen Mitteilung des Faxes vom 13. März 2013, aus dem sich Anhaltspunkte für die Beurteilung der Verschleppungsabsicht ergeben könnten, Bedenken bestehen – bleibt die Rüge ohne Erfolg. Denn jedenfalls kann ein Beruhen des Urteils auf dem von der Revision behaupteten Verfahrensfehler ausgeschlossen werden. Nach den Feststellungen wurde dem Angeklagten N. von dem Angeklagten E. diese Beauftragung als Gegenleistung für die sachwidrige Bevorzugung im Wettbewerb gewährt. Auf die sachliche Notwendigkeit der Erteilung von Unteraufträgen seitens der A. kommt es nicht an. Dies hatte die Strafkammer in dem Ablehnungsbeschluss vom 26. März 2013, der u.a. zu den von ihr in Bezug genommenen Beweisanträgen ergangen war – deren Ablehnung von der Revision ebenfalls nicht vollständig vorgetragen wird – bereits ausgeführt und dementsprechend die unter Beweis gestellte Tatsache als tatsächlich bedeutungslos behandelt.
44
5. Rüge der Verletzung des Beweisantragsrechts (Beweisanträge Nr. 31, 33 bis 41)
45
Ebenfalls am 30. April 2013 stellte die Verteidigung zahlreiche weitere Beweisanträge, die in eine ähnliche Richtung zielten wie der Beweisantrag Nr. 30. Diese Anträge hat die Strafkammer mit ausführlicher Begründung als aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos erachtet und abgelehnt. Hilfsweise hat sie sie auch wegen Verschleppungsabsicht abgelehnt.
46
Die Rüge ist unzulässig. Um die Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO zu erfüllen, sind alle Umstände, die für die Prüfung, ob das Tatgericht den Beweisantrag rechtlich richtig gewertet und beschieden hat, Bedeutung haben, vorzutragen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2014 – 4 StR 78/14, NStZ 2014, 604, 606; BGH, Urteil vom 10. Juli 2014 – 3 StR 140/14, NStZ-RR 2014, 318 f.; Gericke in KK, StPO, 7. Aufl., § 344 Rn. 38 ff. mwN). Dem genügt die Rüge schon deswegen nicht, da der Beschluss zur Ablehnung der Beweisanträge Nr. 9, 11, 14 bis 21, auf dessen Ausführungen die Strafkammer im Ablehnungsbeschluss Bezug nimmt, nicht vorgetragen wird.
47
6. Rüge der fehlerhaften Bescheidung von Hilfsbeweisanträgen (Hilfsbeweisanträge 64 bis 72)
48
Die Revision beanstandet die Zurückweisung von 37 Hilfsbeweisanträgen (den Nummern waren teilweise mehrere Anträge zugeordnet), die im Rahmen des Verteidigerplädoyers für den Fall der Verurteilung gestellt wurden. Sie erachtet die Annahme der Ablehnungsgründe als rechtsfehlerhaft; die Ablehnung wegen Prozessverschleppungsabsicht habe nicht erst im Urteil erfolgen dürfen.
49
Die Strafkammer hat in den Urteilsgründen den Hilfsbeweisantrag Nr. 66 zu Ziffer 8 wegen eigener Sachkunde, Anträge auf wiederholte Zeugeneinvernahme mangels Aufklärungspflicht, alle Hilfsbeweisanträge im Übrigen als tat- sächlich bedeutungslos und sämtliche Anträge „lediglich hilfsweise“ auch we- gen Prozessverschleppungsabsicht abgelehnt.
50
a) Die Rüge erweist sich als unzulässig. Dem Senat ist es nicht möglich, auf der Grundlage des Revisionsvortrags die erforderliche eigene umfassende Überprüfung des Verfahrens im Hinblick auf die behauptete rechtsfehlerhafte Annahme der Prozessverschleppungsabsicht vorzunehmen. Die Strafkammer nimmt insoweit ausdrücklich auf die Fristsetzung vom 28. November 2012 Bezug , wobei in einer solchen Entscheidung die Annahme von Verschleppungsabsicht bei Antragstellung nach Fristablauf in ihren Grundzügen darzulegen ist, so dass die vollständige Fristsetzung vorzutragen gewesen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 12. März 2014 – 1 StR 605/13, NStZ-RR 2014, 251). Da die Revision aber „dem Fristenkriterium in der besonderen Verfahrenskonstellation keine Bedeutung“ zumessen will, wäre diese Verfahrenskonstellation, z.B. durch das gerichtliche Fax vom 13. März 2013, näher darzulegen gewesen. Solches ergibt sich auch aus der Verweisung auf die anderen Rügen – unge- achtet der sich aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ergebenden Verpflichtung zum geordneten und für jede einzelne Rüge zusammenhängenden Vortrag, um den Revisionsvortrag aus sich heraus verständlich zu machen (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juli 2013 – 1 StR 234/13) – nicht. Der Vortrag des maßgebenden Verfahrensstoffs durch den Revisionsführer war auch nicht deshalb entbehrlich, weil er die Sachrüge erhoben und die Strafkammer im Rahmen ihrer schriftlichen Urteilsgründe diese Vorgänge erwähnt, freilich ohne den Inhalt der in Bezug genommenen Entscheidungen und Schreiben darzustellen. Denn den vorliegenden Urteilsgründen können die maßgebenden Verfahrensvorgänge nicht mit der erforderlichen Klarheit entnommen werden, so dass dem Senat eine Prüfung verwehrt ist (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 2014 – 3 StR 140/14, NStZRR 2014, 318 f.). Soweit die Strafkammer sich auch darauf stützt, dass teilweise wortgleiche Beweisanträge bereits zu einem früheren Zeitpunkt gestellt und beschieden worden seien, versäumt es die Revision, alle in dem Zusammenhang benannten Beweisanträge vorzutragen. So finden sich die von der Strafkammer hierzu angeführten Beweisanträge Nr. 16, 26, 50 ausweislich des Inhaltsverzeichnisses auch nicht in dem der Revisionsbegründung angefügten Konvolut. Ihre genaue Kenntnis wäre aber für die abschließende Beurteilung, ob die Anträge wegen Prozessverschleppungsabsicht abgelehnt werden durften , erforderlich.
51
b) Jedenfalls aber begegnet die Ablehnung wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit keinen Bedenken.
52
Soweit die Strafkammer den „Beweisantrag Nr. 66“ zu Ziffer 8 auch nach § 244 Abs. 4 Satz 1 StPO abgelehnt hat, ist schon zweifelhaft, ob es sich im Hinblick auf das Erfordernis eines hinreichend konkreten Tatsachenkerns überhaupt um einen Beweisantrag im Sinne des § 244 Abs. 3 bis 6 StPO handelt. Der Antrag war darauf gerichtet, durch Sachverständigengutachten zu belegen, dass die zwei Unternehmen, die die Schutzangebote abgegeben haben, „im April 2009 … nicht in der Lage“ gewesen seien, die ausgeschriebenen elektro- technischen Arbeiten zu erbringen. Jedenfalls hat die Strafkammer den Antrag ausweislich der Urteilsgründe (UA S. 70) rechtsfehlerfrei ebenfalls wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit abgelehnt. Denn ob die Unternehmen im April 2009, mithin vor der Vergabe des Auftrags in der Lage waren, diesen zu erfüllen , ist für die Entscheidung ohne Bedeutung gewesen.

C.


53
Die auf die jeweiligen Sachrügen vorzunehmende Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat hinsichtlich des Schuld- und Strafausspruchs keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Der Ausführung bedarf ergänzend zu den Antragsschriften des Generalbundesanwalts nur Folgendes:
54
I. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen belegen die tatbestandlichen Voraussetzungen der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr in den dargestellten Fällen durch den Angeklagten N. und spiegelbildlich dazu die Voraussetzungen der Bestechung im geschäftlichen Verkehr durch die Angeklagten D. bzw. E. .
55
1. Die Vorschrift des § 299 StGB setzt eine Unrechtsvereinbarung dergestalt voraus, dass der Vorteil als Gegenleistung für eine künftige unlautere Bevorzugung angenommen bzw. gewährt wird (BGH, Urteil vom 10. Juli2013 – 1 StR 532/12, NStZ 2014, 42, 43 f.; BGH, Beschluss vom 14. Juli 2010 – 2 StR 200/10, wistra 2010, 447). Bevorzugung in diesem Sinne bedeutet da- bei die sachfremde Entscheidung zwischen zumindest zwei Bewerbern, setzt also Wettbewerb und Benachteiligung eines Konkurrenten voraus. Hierbei genügt es aber, wenn die zum Zwecke des Wettbewerbs vorgenommenen Handlungen nach der Vorstellung des Täters geeignet sind, seine eigene Bevorzugung oder die eines Dritten im Wettbewerb zu veranlassen. Danach ist das Tatbestandsmerkmal der Bevorzugung im Wettbewerb subjektiviert; es reicht aus, wenn nach der Vorstellung des Täters der Wettbewerb unlauter beeinflusst werden soll (Fischer, StGB 62. Aufl., § 299 Rn. 15). Der Vorstellung eines bestimmten verletzten Mitbewerbers bedarf es nicht (BGH, Urteil vom 16. Juli 2004 – 2 StR 486/03, NJW 2004, 3129, 3133). Zur Erfüllung des Tatbestandes braucht die vereinbarte Bevorzugung tatsächlich nicht eingetreten zu sein. Es muss auch keine objektive Schädigung eines Mitbewerbers eingetreten sein. Schutzgut des § 299 StGB ist die strafwürdige Störung des Wettbewerbs sowie die abstrakte Gefahr sachwidriger Entscheidungen (BGH, Urteil vom 9. August 2006 – 1 StR 50/06, NJW 2006, 3290, 3298).
56
2. Indem der Angeklagte N. jeweils mit den Angeklagten E. und D. sowie dem gesondert Verfolgten K. übereinkam, diesen den Auftrag zu verschaffen und dafür von diesen beauftragt zu werden, haben sie eine die dargestellten Anforderungen erfüllende Unrechtsvereinbarung geschlossen.
57
a) Das Landgericht hat sich aufgrund der rechtsfehlerfrei festgestellten Vorgehensweise der Angeklagten davon überzeugt, dass nach ihrer Vorstellung der Wettbewerb unlauter beeinflusst werden sollte. Hierfür hat es unter anderem darauf abgestellt, dass es des manipulativen Vorgehens im Wege gezielter Ausschaltung von potentiellen Mitbewerbern durch Unterlassen der beauftragten Ausschreibung bei gleichzeitiger Vorspiegelung gegenüber der P. , es handele sich um das jeweils günstigste Angebot im Rahmen eines Wettbewerbs zwischen drei Unternehmen, nicht bedurft hätte, wären die Angeklagten nicht vom Vorliegen einer Wettbewerbslage ausgegangen. Die vor der Auf- tragsvergabe abgesprochene Vergabe des Folgeauftrags an die PI. hat es als Vorteil für den Beauftragten der P. , den Angeklagten N. angesehen , der für die Bevorzugung gewährt worden ist. Hierfür hat es sich auch darauf gestützt, dass die über die PI. erfolgende „Rückbeauftragung“ des Angeklagten N. vor dem Auftraggeber P. verschleiert und hierfür ein Unternehmen genutzt wurde, das dem Angeklagten N. zwar zuzurechnen , für das er aber bewusst gegenüber der P. nicht in Erscheinung trat. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
58
b) Gleiches gilt, soweit das Landgericht die vom Angeklagten E. nach über 35 Hauptverhandlungstagen abgegebene Einlassung, er sei davon ausgegangen, dass allein die A. in der Lage gewesen sei, den Auftrag zu den vorgegebenen Konditionen zu erfüllen, als an den Ertrag der Hauptverhandlung angepasste Schutzbehauptung angesehen hat und ihr diesbezüglich nicht gefolgt ist. Es hat die von anderen Beweismitteln hinreichend gestützte Einlassung des Angeklagten E. insoweit zugrunde gelegt, er habe die „Schutzangebote“ beschafft, dabei den beteiligten Unternehmen die einzutragenden Preise vorgegeben und dem „Wunsch“ des Angeklagten N. nach Beauftragung der PI. entsprochen, wobei er dies gegenüber der P. nicht offen gelegt habe. Hiervon ausgehend erweist sich die Würdigung, für dieses Verhalten gebe es keinen anderen Grund, als dass die vertragliche Beauftragung der PI. die „Rückvergütung“ für die Bevorzugung der A. bereits im Vorfeld der Ausschreibung darstelle, als tragfähig. Den Schluss von dieser Vorgehensweise auf die Vorstellung von der unlauteren Beeinflussung des Wettbewerbs hat das Landgericht zu Recht dadurch gestützt gesehen, dass der Angeklagte E. eingeräumt hat, es habe sich um die „Inszenierung einer Charade“ gehandelt.
59
3. Das Landgericht durfte in der Erteilung des Folgeauftrags an die dem Angeklagten N. zuzurechnende PI. einen Vorteil im Sinne des § 299 StGB sehen. Hierunter ist jede Leistung zu verstehen, auf die der Empfänger keinen Rechtsanspruch hat und die seine wirtschaftliche, rechtliche oder auch nur persönliche Lage objektiv verbessert (BGH, Urteil vom 18. Juni 2003 – 5 StR 489/02, BGH NJW 2003, 2996, 2997; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 299 Rn. 7). Ein solcher Vorteil kann bereits in dem Abschluss eines Vertrages liegen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 2007 – 4 StR 99/07, NStZ 2008, 216 f. zu § 333 Abs. 1 StGB; zur identischen Begrifflichkeit des Vorteils in § 333 Abs. 1 und § 299 Abs. 1 vgl. nur Tiedemann in LK, 12. Aufl., § 299 Rn. 25). Dass die Erteilung des jeweiligen Auftrags für das Firmengeflecht des Angeklagten N. günstig war, lässt sich dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe hinreichend deutlich entnehmen.
60
Auch soweit die Revision des Angeklagten E. geltend macht, das Urteil setze sich nicht hinreichend mit der Möglichkeit auseinander, dass der Angeklagte N. für den erteilten Folgeauftrag ein „einzigartiges Fachwis- sen“ aufgewiesen habe und daher seine Rückbeauftragung eine „zwingende Notwendigkeit“ gewesen wäre, zeigt sie keine rechtsfehlerhafte Lücke auf. Denn angesichts der Verschleierung der Vergabe des Folgeauftrags an den Angeklagten N. , die der Revisionsführer selbst im Rahmen seiner Einlas- sung in der Hauptverhandlung als „vertragswidriges Verhalten“ gegenüber dem Auftraggeber bezeichnete, und der Absprache einer solchen Vorgehensweise im Vorfeld der Ausschreibungen auf Wunsch des Angeklagten N. , durfte das Landgericht darauf schließen, dass der in der Rückbeauftragung liegende Vorteil für die Bevorzugung im Wettbewerb gewährt wurde, mithin im Sinne eines Gegenseitigkeitsverhältnisses mit ihr verknüpft sein sollte. Einer Auseinandersetzung mit möglichen Sachgründen für eine nicht mit einer Gegenleistung verknüpfte Folgebeauftragung des Angeklagten N. bedurfte es nicht. Soweit die Revision unter Berufung auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 21. Juni 2007 – 4 StR 99/07 (NStZ 2008, 216) meint, es sei eine besonders sorgfältige Prüfung erforderlich gewesen, ob der Auftrag wegen der besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten erfolgt sei, verkennt sie, dass sich diese Anforderungen auf die von § 333 Abs. 1 StGB erfassten Fälle beziehen, in denen der Vorteil nicht für eine bestimmte oder zumindest bestimmbare Gegenleistung gewährt wurde, sondern zu prüfen ist, ob er möglicherweise in Bezug zur allgemeinen Dienstausübung steht.
61
4. Der von der Revision des Angeklagten N. als unauflösbarer Widerspruch gerügte Schreibfehler in den Feststellungen zu der unter I. 1.b. dargestellten Tat (Fall III. 2. der Urteilsgründe) berührt den Bestand des Urteils nicht. Zwar ist der Revision insoweit Recht zu geben, als dass die festgestellte Angebotssumme, die der gesondert Verfolgte K. für die M. GmbH abgegeben hat, über den jeweils bezifferten der „Scheinangebote“ liegt. Jedoch lässt sich aus dem Sachzusammenhang der Feststellungen eindeutig entnehmen, dass das Angebot unter denen der „Konkurrenzangebote“ gelegen hat. So ist es auch an mehreren Stellen in den Urteilsgründen ausdrücklich festgehalten (zum Angebot von Da. : „deutlich über dem Ange- botspreis“ des … K. liegendes Angebot in Höhe von 527.418,50 EUR“, UA S. 15; zum Angebot von Pr. : „Der Gesamtangebotspreis lag dabei mit 458.420,00 EUR wie … geplant über dem Angebotspreis der M. GmbH“, UA S. 16; zur Empfehlung gegenüber der P. : „Der Ange- klagte N. erstellte einen Vergleich der einzelnen Angebotsdetails, bei welchem tatplangemäß das Angebot der M. GmbH das Günstigste war“, UA S. 16). Insoweit ist der Widerspruch auflösbar.
62
5. Die Annahme der Voraussetzungen des Regelbeispiels gemäß § 300 Satz 2 Nr. 1 StGB durch das Landgericht hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand.
63
Wann ein solches Ausmaß vorliegt, ist betragsmäßig nicht bestimmt. Neben der entsprechenden Regelung in § 335 Abs. 2 Nr. 1 StGB ist das Merkmal des „großen Ausmaßes“ auch in weiteren Strafzumessungsregelungen als Regelbeispiel zu finden. So nennen § 263 Abs. 3 Nr. 2 und § 267 Abs. 3 Nr. 2 StGB die Herbeiführung eines Vermögensverlustes großen Ausmaßes als Erschwerungsgrund , während § 264 Abs. 2 Nr. 1 StGB auf die Erlangung einer nicht gerechtfertigten Subvention und § 370 Abs. 3 Nr. 1 AO auf den Hinterziehungsumfang großen Ausmaßes abstellen. Jedoch hat sich die Auslegung an dem jeweiligen Tatbestand zu orientieren (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 2003 – 1 StR 274/03, BGHSt 48, 360, 364; BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 – 1 StR 416/08; BGHSt 53, 71, 83).
64
Der Gesetzgeber hat keine dahingehende Festlegung getroffen. Er hat zwar wenig erhellend einerseits auf die begriffliche Identität hingewiesen (BT-Drucks. 13/5584, S. 15, 17), andererseits deutlich gemacht, dass sich die Auslegung an dem jeweiligen Tatbestand zu orientieren habe. Deswegen könne ein Vorteil großen Ausmaßes nach § 300 StGB schon vorliegen, wenn man bei einer Subvention in dieser Höhe noch nicht von einem großen Ausmaß sprechen würde (BT-Drucks. aaO S. 15). Bei der Bestechung und Bestechlichkeit von Amtsträgern könne ein anderer Auslegungsmaßstab geboten sein (BT-Drucks. aaO S. 17).
65
Angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlauts hat sich die Bestimmung nur auf die Höhe des Vorteils und nicht auf den Umfang der Bevorzugung zu beziehen (Krick in MK, StGB, 2. Aufl., § 300 Rn. 2; Sinner in Matt/Renzikowski, StGB, § 300 Rn. 2; Tiedemann in LK, StGB, 12. Aufl., § 330 Rn. 3; jeweils mwN; kritisch zur Gesetzesfassung Fischer, StGB, 62. Aufl., § 300 Rn. 3; Heine/Eisele in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 300 Rn. 3). Schutzzweckspezifisch ist danach ein großes Ausmaß erreicht, wenn der Vorteil besonders geeignet ist, den Vorteilnehmer zu korrumpieren (Dannecker in NK, StGB, 4. Aufl., § 300 Rn. 5; Rogall in SK, StGB, 8. Aufl., § 300 Rn. 4; Tiedemann, aaO Rn. 4; vgl. auch Rosenau in Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, 2. Aufl., § 300 Rn. 2). Dies erfordert eine Berücksichtigung einzelfallbezogener Umstände (vgl. Dannecker, aaO Rn. 5; Fischer, aaO Rn. 4; Sinner, aaO Rn. 3; Tiedemann, aaO Rn. 4; kritisch zum hierdurch eröffneten weiten Beurteilungsspielraum Rosenau, aaO Rn. 2, der die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Vorteilsnehmers aber ebenfalls für berücksichtigenswert erachtet; a.A. Krick aaO). Denn anders als die nach objektiven Maßstäben zu bestimmenden Merkmale des großen Ausmaßes in § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 2003 – 1 StR 274/03, BGHSt 48, 360, 364) und § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 – 1 StR 416/08; BGHSt 53, 71, 83) ist der Anreiz für Korrumpierbarkeit abhän- gig von den jeweiligen Verhältnissen des Vorteilnehmers, mithin von individuellen Kriterien.
66
Ob es im Hinblick auf die Vorhersehbarkeit der Anwendung der kodifizierten Strafzumessungsregel (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 7. Oktober 2003 – 1 StR 274/03, BGHSt 48, 360, 364) dennoch der Festlegung einer betragsmäßig festgelegten Untergrenze als Begrenzung für den Einfluss individueller Kriterien bedarf, braucht der Senat im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden.
Denn diese Untergrenze müsste angesichts der gesetzgeberischen Vorgabe unter der für § 264 Abs. 2 Nr. 1 StGB geltenden Größenordnung (ab etwa 50.000 €, vgl. BGH, Urteil vom 20. November 1990 – 1 StR 548/90, wistra 1991, 106: 100.000 DM als Grenze; BGH, Urteil vom 7. Oktober 2003 – 1 StR 274/03) liegen. In der Literatur werden stark variierende und damit keine klaren Maßstäbe für eine Grenzziehung vertreten (Rosenau, aaO: nicht diesseits der 50.000 €; Heine/Eisele, aaO: in der Regel 50.000 €, mindestens aber 25.000 €; Krick, aaO Rn. 2: 25.000 €; Dannecker, aaO: in der Regel nicht unter 25.000 €; Tiedemann, aaO Rn. 4: ein Vorteil unter 20.000 € könne ohne das Vorliegen besonderer Umstände nur schwer vorstellbar einen besonders schweren Fall darstellen, was freilich neben dem Vorliegen des tatbestandsähnlich ausgestalteten Regelbeispiels die strafzumessungsrechtliche Gesamtwürdigung, ob ein besonders schwerer Fall vorliegt, mit in den Blick nimmt; Rogall, aaO Rn. 6: mehr als 10.000 €; demgegenüber noch Rudolphi in der Vorauflage § 300 Rn. 3: 5.000 €; vgl. auch Fischer, aaO Rn. 4: 10.000 € können ausreichen; zu Recht kritisch zu dieser Kasuistik Sinner, aaO). Die danach in Betracht kommenden Grenzwerte sind nach der Bewertung des Landgerichts jedenfalls überschritten (vgl. BGH, Urteil vom 9. August 2006 – 1 StR 50/06, NJW 2006, 3290, in diesem Fall war die Größenordnung von jedenfalls 50.000 € überschritten

).


67
Denn das Landgericht hat die jeweils als Vorteil gewährten, einen erheblichen Umfang aufweisenden Aufträge, die sich stets im sechsstelligen Bereich bewegten und die sich in Anbetracht der schwierigen finanziellen Verhältnisse des Angeklagten N. und seiner Firmen auch als äußerst lukrativ für diesen darstellten, als großes Ausmaß gewertet. Das weist angesichts der dem Tatrichter obliegenden Gewichtung und Bewertung der einzelfallbezogenen Umstände und des insoweit nur eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprü- fungsmaßstabs keinen Rechtsfehler auf. Das Landgericht hat den zutreffenden Maßstab seiner Würdigung zugrunde gelegt und die zugehörigen Tatsachen rechtsfehlerfrei festgestellt. Dass es sich dabei an der Bedeutung des Auftragsvolumens für den Geschäftsbetrieb des Angeklagten orientiert und keinen kalkulierten Gewinn ermittelt hat, ist im Rahmen des § 300 Satz 2 Nr. 1 StGB nicht zu beanstanden.
68
II. Auch der die Angeklagten D. und E. jeweils betreffende Schuldspruch wegen wettbewerbsbeschränkender Absprachen bei Ausschreibungen wird von den auch insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen getragen.
69
Soweit die Revision des Angeklagten E. beanstandet, dass der Anwendungsbereich des § 298 StGB nicht eröffnet sei, da auch für beschränkte Ausschreibungen zuvor der Bewerberkreis durch öffentliche Ausschreibung zu ermitteln sei, wird sie dem Regelungsgehalt des § 3 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 und 4 VOB/A 2009 nicht gerecht. Danach können bei einer beschränkten Ausschreibung Bauleistungen nach Aufforderung einer beschränkten Zahl von Unternehmen zur Einreichung von Angeboten vergeben werden, § 3 Abs. 3 VOB/A. Ein vorhergehender öffentlicher Teilnahmewettbewerb ist nur nach § 3 Abs. 4 VOB/A vorgesehen. Auch beschränkte Ausschreibungen ohne vorangegangenen öffentlichen Teilnahmewettbewerb unterfallen dem Tatbestand des § 298 Abs. 1 StGB (BGH, Beschluss vom 17. Oktober 2013 – 3 StR 167/13, BGHSt 59, 34 mwN).
70
Dass die von den Angeklagten D. und E. abgegebenen Angebote auf einer Absprache beruhten, ist entgegen den Beanstandungen der Revision des Angeklagten E. ausdrücklich und hinreichend deutlich festgestellt. Denn danach haben die Angeklagten mit den anderen Anbietern, den Erstellern der „Schutzangebote“, jeweils eine kartellrechtswidrige, nämlich ge- gen § 1 GWB verstoßende Vereinbarung getroffen, die darauf abzielte, die P. zur Annahme ihres Angebots zu veranlassen. Die Feststellungen sind auch nicht etwa hinsichtlich des Inhalts der Absprache lückenhaft. So ergibt sich aus der vorangestellten Darstellung der grundsätzlichen Vorgehensweise in Verbindung mit den Feststellungen zu den einzelnen Fällen, dass mit den hinter den „Schutzangeboten“ stehenden Unternehmensverantwortlichen jeweils eine Vereinbarung getroffen worden war. Diese hatte den Inhalt, dass die Abgabe von „Schutzangeboten“ nur dazu diente, einen tatsächlich unterdrück- ten Wettbewerb vorzuspiegeln und die „Schutzangebote“ deswegen über dem Angebot der A. bzw. der C. GmbH liegen müssen. Das gilt auch für das „Schutzangebot“, welches der gesondert Verfolgte Kl. abgegeben hat. Dass danach noch Manipulationen am entsprechend der Absprache erstellten , über dem Angebotspreis der A. liegenden Angebot vorgenommen worden sind, hindert die Tatbestandserfüllung durch die Abgabe des auf der Absprache beruhenden Angebots des Angeklagten E. nicht.
71
Daneben erfüllt auch die vertikale Absprache zwischen den jeweiligen Angeklagten D. und E. einerseits und dem Angeklagten N. als auf Veranstalterseite Handelnden andererseits ebenfalls die Anforderungen an § 298 Abs. 1 StGB (vgl. nur BGH, Beschluss vom 25. Juli 2012 – 2 StR 154/12, NJW 2012, 3318 mwN zur Rechtslage nach Novellierung des § 1 GWB zum 1. Juli 2005).
72
Angesichts des für die Angeklagten deutlich zu Tage liegenden Verstoßes gegen das Verbot solcher Vereinbarungen aus § 1 GWB bedurfte es der von der Revision vermissten weiteren Ausführungen zum Vorsatz hinsichtlich der Rechtswidrigkeit der Absprache nicht.
73
III. Die Strafzumessung erweist sich aus den vom Generalbundesanwalt in seinen Antragsschriften aufgezeigten Gründen als revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Ergänzend ist nur darauf hinzuweisen, dass das dem Angeklagten E. angelastete Hineinziehen von befreundeten Unternehmern, die die „Schutzangebote“ abgegeben haben, keine unzulässige Doppelverwertung darstellt. Denn der Angeklagte E. ist wegen seiner Beteiligung an der Absprache und nicht zugleich wegen Anstiftung zu – auf der Grundlage der Feststellungen – strafbaren Beteiligung der befreundeten Unternehmer bestraft worden.
Rothfuß Graf Jäger
Cirener Radtke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 8 9 / 1 4
vom
15. April 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Wohnungseinbruchdiebstahls
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 15. April 2014 gemäß
§ 349 Abs. 2, § 354 Abs. 1 StPO einstimmig beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 17. September 2013 wird verworfen; jedoch wird der Strafausspruch dahin ergänzt, dass die in Italien erlittene Auslieferungshaft im Verhältnis 1:1 auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet wird.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Wohnungseinbruchdiebstahls in fünf Fällen und wegen versuchten Wohnungseinbruchdiebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf eine Verfahrensrüge und sachlichrechtliche Beanstandungen gestützte Revision des Angeklagten führt nur zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Ergänzung des Strafausspruchs; im Übrigen ist sie unbegründet.
2
1. Der Schuldspruch wird von den auf rechtsfehlerfreier Grundlage getroffenen Feststellungen getragen.
3
Näherer Erörterung bedarf nur die Rüge, der Vorsitzende der Strafkammer habe entgegen § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO in einem Fall nicht vollständig und im anderen Fall überhaupt nicht über Gespräche außerhalb der Hauptverhandlung unterrichtet, die die Möglichkeit einer Verständigung zum Gegenstand hatten.
4
a) Der Rüge liegt aufgrund des Vortrags der Verteidigung, der unwidersprochen geblieben ist und im Protokoll in Bezug auf das Geschehen innerhalb der Hauptverhandlung seine Bestätigung findet, folgender Verfahrensgang zugrunde :
5
Am ersten Hauptverhandlungstag wurde die Sitzung nach Verlesung der Anklage und Belehrung des Angeklagten für ein Gespräch zwischen dem Gericht , dem Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft und dem Verteidiger unterbrochen. Hierbei gab der Staatsanwalt auf Nachfrage des Verteidigers seine Straferwartung für den Fall anklagegemäßer Verurteilung mit und ohne Geständnis bekannt; der Verteidiger erwiderte, der Angeklagte erwarte bei einem Geständnis eine Strafe "im bewährungsfähigen Rahmen"; die Voraussetzungen einer möglichen Verständigung wurden erörtert, ohne dass eine Einigung erzielt worden wäre. Nach Fortsetzung der Hauptverhandlung teilte der Vorsitzende mit, dass "Gespräche im Hinblick auf das Verfahren geführt wurden, diese haben zu keinem Ergebnis geführt".
6
Am fünften Hauptverhandlungstag wurde die Sitzung auf Anregung des Verteidigers erneut zu einem Gespräch unterbrochen, an dem dieser, das Gericht und die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft teilnahmen. Dabei nannte die Staatsanwältin für den Fall eines vollumfänglichen Geständnisses des Angeklagten eine Straferwartung von nicht unter vier Jahren Freiheitsstrafe , während der Verteidiger "ein wesentlich geringeres Strafmaß vertrat". Im Anschluss an eine Diskussion hierüber unterrichtete der Verteidiger den Angeklagten über die Strafvorstellungen der Verfahrensbeteiligten. Der Angeklagte war damit nicht einverstanden, was der Verteidiger wiederum dem Gericht und der Staatsanwältin mitteilte. Daraufhin wurde die Hauptverhandlung fortgesetzt. Eine Mitteilung über das vorangegangene Gespräch machte der Vorsitzende nicht.
7
Am siebten Hauptverhandlungstag gab der Verteidiger eine Erklärung zur Sache ab, die sich der Angeklagte zu Eigen machte. Hierin räumte er die Beteiligung an zwei der ihm vorgeworfenen Taten ein und bestritt die weitergehenden Tatvorwürfe.
8
b) Die Revision rügt, in beiden Fällen seien die "Mitteilungs- und Protokollierungspflichten" nach § 243 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO verletzt worden; auf der mangelnden Transparenz der ohne den Angeklagten geführten Gespräche beruhe das Urteil, da ein Einfluss auf das Verteidigungsverhalten des Angeklagten nicht ausgeschlossen werden könne.
9
c) Die Rüge bleibt ohne Erfolg. Eine Verletzung der Protokollierungspflicht liegt nicht vor. Die Informationspflichten aus § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO hat der Vorsitzende zwar jeweils verletzt, indes ist ein Beruhen des Urteils auf dem Rechtsfehler auszuschließen. Hierzu im Einzelnen:
10
(1) Soweit die Revision eine Verletzung der Protokollierungspflicht aus § 273 Abs. 1a Satz 2 i.V.m. § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO rügt, ergibt sich schon aus ihrem Vortrag, dass ein solcher Rechtsfehler nicht vorliegt. Nach § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO muss das Protokoll u.a. die Beachtung der in § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO vorgeschriebenen Mitteilungen wiedergeben. Wird entgegen § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO eine Erörterung, die außerhalb der Hauptverhandlung stattgefunden hat, nach Fortsetzung der Hauptverhandlung nicht bekannt gemacht und damit die Informationspflicht nicht beachtet, so ergibt sich aus dem Schweigen des Protokolls kein zusätzlicher Rechtsfehler. Ein "Fehlen der Protokollierung" (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 2013 - 2 StR 195/12, BGHSt 58, 310, 312 f.) liegt gerade nicht vor. Vielmehr gibt das Protokoll den Gang der Hauptverhandlung zutreffend wieder. § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO ist nicht verletzt. So liegt es - wie die Revision selbst vorträgt - auch hier. Es kommt deshalb nicht mehr darauf an, dass allein auf einer fehlenden oder fehlerhaften Protokollierung das Urteil ohnehin nicht beruhen könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2013 - 3 StR 210/13, NJW 2014, 1254, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt).
11
(2) Verletzt worden ist hingegen die nach § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO bestehende Informationspflicht. Danach muss der Vorsitzende über Erörterungen mit Verfahrensbeteiligten (§ 202a StPO), die nach Beginn der Hauptverhandlung , aber außerhalb von dieser stattgefunden haben und deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung gewesen ist, in der Hauptverhandlung Mitteilung machen. Das Transparenzgebot soll sicherstellen, dass derartige Erörterungen stets in der öffentlichen Hauptverhandlung zur Sprache kommen und durch die Möglichkeit, Gespräche außerhalb der Hauptverhandlung zu führen, kein informelles und unkontrolliertes Verfahren betrieben wird (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10 u.a., NJW 2013, 1058, 1065; BGH, Urteil vom 10. Juli 2013 - 2 StR 195/12, BGHSt 58, 310, 312 f.). Mitzuteilen ist dabei nicht nur der Umstand, dass es solche Erörterungen gegeben hat, sondern auch deren wesentlicher Inhalt. Hierzu gehört, welche Standpunkte von den einzelnen Gesprächsteilnehmern vertreten wurden, von welcher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen wurde und ob sie bei anderen Gesprächsteilnehmern auf Zustimmung oder Ablehnung gestoßen ist (BVerfG aaO, BGH aaO). Eine Unterrichtung, die sich auf die Mitteilung beschränkt, es hätten Vorgespräche stattgefunden, aber noch nicht zu einer Einigung geführt, ist nicht ausreichend (BGH, Beschlüsse vom 23. Oktober 2013 - 5 StR 411/13, StV 2014, 66; vom 29. November 2013 - 1 StR 200/13, NStZ-RR 2014, 85, 86).
12
Danach genügt schon die am ersten Hauptverhandlungstag erfolgte Mitteilung nicht den inhaltlichen Anforderungen. Erst recht stellt das vollständige Übergehen der am fünften Hauptverhandlungstag in Unterbrechung der Hauptverhandlung erfolgten Erörterungen eine Verletzung von § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO dar. Daran ändert der Umstand nichts, dass der Angeklagte selbst hatte mitteilen lassen, er sei auf der Basis des in den Gesprächen Erörterten nicht zu einem Geständnis bereit.
13
(3) Auf den beiden Verfahrensfehlern beruht das Urteil nicht.
14
Die Mitteilungspflicht betreffend außerhalb der Hauptverhandlung geführte Erörterungen über die Möglichkeit einer Verständigung dient der Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit und der Information des Angeklagten, der regelmäßig an dem Gespräch nicht teilnimmt und der über das in Kenntnis gesetzt werden soll, was in seiner Abwesenheit über mögliche Abkürzungen des Verfahrens gesprochen worden ist, um seine Verteidigung darauf einrichten zu können (vgl. LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 243 Rn. 52a). Zwar hat das Verständigungsgesetz davon abgesehen, den Verstoß gegen § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO den absoluten Revisionsgründen zuzuordnen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. September 2013 - 1 StR 237/13, StV 2013, 740 [für § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO]; vom 12. Dezember 2013 - 3 StR 210/13, NJW 2014, 1254, 1256), indes ist, sofern die Mitteilung über das Gespräch unterbleibt oder sich auf eine unzureichende Darstellung beschränkt, grundsätzlich die Verteidigungsposition des Angeklagten tangiert (vgl. BVerfG aaO, NJW 2013, 1058, 1067; BGH, Beschluss vom 25. November 2013 - 5 StR 502/13, NStZ-RR 2014, 52).
15
Vorliegend hat der Angeklagte indes eine Einlassung zu den Tatvorwürfen erst abgegeben, nachdem er - wie die Revision selbst vorträgt - von seinem Verteidiger über den Ablauf und den Inhalt der Erörterungen am Rande des fünften Verhandlungstags unterrichtet worden war und er über seinen Verteidiger hatte mitteilen lassen, unter den in Aussicht gestellten Strafrahmen nicht zu einem Geständnis bereit zu sein. Er hat seine Entscheidung, wann und in welcher Weise er sich zu den Tatvorwürfen einlassen würde, in voller Kenntnis dessen getroffen, was in seiner Abwesenheit zuletzt und damit zugleich die Erörterungen am Rande des ersten Hauptverhandlungstags überholend besprochen worden war. Es ist deshalb auszuschließen, dass sich der Angeklagte anders eingelassen hätte, wenn ihm durch den Vorsitzenden nach Wiedereintritt in die Hauptverhandlung Ablauf und Inhalt der Erörterung ordnungsgemäß mitgeteilt worden wären.
16
(4) Da die Rüge letztlich ohne Erfolg bleibt, braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob sie - wie der Generalbundesanwalt meint - hinsichtlich der unvollständigen Unterrichtung am ersten Hauptverhandlungstag schon deshalb unzulässig ist, weil der Angeklagte vom Zwischenrechtsbehelf des § 238 Abs. 2 StPO keinen Gebrauch gemacht hat.
17
2. Der Strafausspruch ist ebenfalls beanstandungsfrei. Allerdings hat das Landgericht entgegen § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB im Urteil keine Bestimmung über den Maßstab getroffen, nach dem die in Italien erlittene Auslieferungshaft auf die hier erkannte Freiheitsstrafe anzurechnen ist. Diese Entscheidung muss in der Urteilsformel zum Ausdruck kommen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Oktober 1977 - 2 StR 410/77, BGHSt 27, 287, 288). Der Senat holt den grundsätzlich dem Tatrichter obliegenden Ausspruch über die Festsetzung des Anrechnungsmaßstabes nach. Im Hinblick darauf, dass die Anrechnung bei einer Freiheitsentziehung in Italien nur im Verhältnis von 1:1 in Betracht kommt, hat der Senat entsprechend § 354 Abs. 1 StPO den Anrechnungsmaßstab selbst bestimmt.
Schäfer Pfister Hubert Mayer Gericke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 294/16
vom
3. August 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:030816B5STR294.16.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. August 2016 beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 23. Februar 2016 werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zu der Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat: Die Verfahrensbeanstandung des Angeklagten G. , der Inhalt von Verständigungsbemühungen – die am 20. Mai 2015 und am 9. November 2015 stattfanden, aber ergebnislos blieben – ergebe sich nicht aus dem Hauptverhandlungsprotokoll, ist auch deshalb bereits unzulässig, weil die Revision die insofern zur Entscheidung erforderlichen Tatsachen nicht vollständig vorgetragen hat (vgl. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO); insbesondere werden weder der Inhalt des in der Revisionsbegründung in Bezug genommenen Sitzungsprotokolls vom 22. Februar 2016 noch die Inhalte der gleichfalls in Bezug genommenen – in der Hauptverhandlung verlesenen – Vermerke des Vorsitzenden über die Verständigungsbemühungen mitgeteilt.
Schneider Dölp Bellay Cirener Feilcke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 376/15
vom
20. Januar 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
ECLI:DE:BGH:2016:200116B4STR376.15.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 20. Januar 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stendal vom 30. März 2015, soweit es die Angeklagten betrifft, im Ausspruch über die Verfallsanordnungen dahin geändert, dass sich die Anordnungen des Verfalls von Wertersatz in Höhe von 8.000 € – gegen die Angeklagten P. und L. N. jeweils als Gesamtschuldner in Höhe von 7.000 € mit dem Angeklagten Q. N. und in weiterer Gesamtschuldnerschaft in Höhe von 1.000 € mit dem Angeklagten D. , – gegen den Angeklagten D. als Gesamtschuldner mit dem Angeklagten Q. N. und in weiterer Gesamtschuldnerschaft in Höhe von 1.000 € jeweils mit den Angeklagten P. und L. N. sowie – gegen den Angeklagten Q. N. als Gesamtschuldner mit dem Angeklagten D. und in weiterer Gesamtschuldnerschaft in Höhe von 7.000 € jeweils mit den Angeklagten P. und L. N.
richten.
2. Die weiter gehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.
3. Die Angeklagten tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten D. unter Freisprechung im Übrigen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Freiheitsstrafe von vier Jahren und die Angeklagten Q. N. , P. und L. N. jeweils wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen von sechs Jahren (Q. N. ), vier Jahren und sechs Monaten (P. ) und fünf Jahren und sechs Monaten (L. N. ) verurteilt. Des Weiteren hat es gegen alle Angeklagten jeweils den Verfall von Wertersatz in Höhe von 8.000 € angeordnet. Hiergegen richten sich die auf Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde gestützten Revisionen der Angeklagten. Die Rechtsmittel führen lediglich zu einer Änderung der Verfallsanordnungen.
2
1. Hinsichtlich der Schuld- und Strafaussprüche sind die Revisionen der Angeklagten unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, weil die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen insoweit keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat. Zu den Verfahrensrügen ist ergänzend zum Verwerfungsantrag des Generalbundesanwalts anzumerken:
3
Entgegen der Auffassung der Revisionen ist die Strafkammer durch den Umstand, dass die beiden Übersetzer im Ermittlungsverfahren bei der Übertragung aufgezeichneter Telefongespräche in die deutsche Sprache als Sachverständige tätig waren, nicht gehindert gewesen, sie in der Hauptverhandlung ausschließlich als Zeugen zum Gegenstand ihrer sinnlichen Wahrnehmung zu vernehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2002 – 5 StR 42/02, NJW 2003, 150, 151; Trück in MüKo-StPO, § 85 Rn. 15; vgl. auch BGH, Urteil vom 7. Mai 1965 – 2 StR 92/65, BGHSt 20, 222, 223 f.; Beschlüsse vom 15. August 2001 – 3 StR 225/01, NStZ 2002, 44; vom 18. März 2010 – 3 StR 426/09, NStZ-RR 2010, 210 [Ls]).
4
Die Rüge, mit welcher der Angeklagte P. beanstandet, dass die beiden Übersetzer vor ihrer zweiten Zeugenvernehmung in der Hauptverhandlung auf Veranlassung des Gerichts einzelne Telefongespräche erneut anhörten, ist nicht ordnungsgemäß ausgeführt (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Dabei kann da- hinstehen, ob der pauschale Verweis der Revision auf eine Vorgabe „des Gerichts“ den Darlegungsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt, weil sich aus den Urteilsgründen, die der Senat aufgrund der gleichfalls erhobenen Sachrüge zur Kenntnis nimmt, ergibt, dass die Aufforderung zum erneuten Abhören einiger Telefongespräche durch den Vorsitzenden der Strafkammer am 16. Hauptverhandlungstag erfolgte. Die Rüge ist aber unzulässig, weil dem Revisionsvorbringen nicht zu entnehmen ist, dass der Beschwerdeführer die Aufforderung des Vorsitzenden, bei der es sich um eine auf die Sachleitung bezogene Anordnung handelte (vgl. Schneider in KK-StPO, 7. Aufl., § 238 Rn. 11), nach § 238 Abs. 2 StPO beanstandet hat. Der Senat braucht daher nicht zu entscheiden, ob die Grundsätze, die für die Vorbereitung von Zeugenvernehmungen zu in amtlicher Eigenschaft gemachten Wahrnehmungen gelten (vgl. BGH, Urteile vom 28. November 1950 – 2 StR 50/50, BGHSt 1, 4, 8; vom 11. November 1952 – 1 StR 465/52, BGHSt 3, 281, 283; vom 21. März 2012 – 1 StR 43/12, NStZ 2012, 521, 522 f.; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 69 Rn. 8; Ignor/Bertheau in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 69 Rn. 9; Franke in Satzger/Schluckebier/Widmaier, StPO, 2. Aufl., § 69 Rn. 4), auf von der Polizei im Ermittlungsverfahren hinzugezogene sachverständige Hilfspersonen übertragen werden können.
5
2. Die im angefochtenen Urteil getroffenen Verfallsanordnungen halten dagegen einer rechtlichen Prüfung insoweit nicht stand, als das Landgericht die zum Teil bestehende gesamtschuldnerische Haftung der Angeklagten nicht berücksichtigt hat.
6
Nach den Feststellungen veräußerten die Angeklagten Q. . N. und D. jeweils Teile des geernteten Marihuanas, wobei der Angeklagte Q. N. insgesamt 160.000 € und der Angeklagte D. 5.500 € erlangten. Von diesen Beträgen kehrten die Angeklagten Q. N. jeweils 7.000 € und der Angeklagte D. jeweils 1.000 € an die jeweiligen anderen Tatgenossen aus. Da die Angeklagten Q. N. und D. mithin zunächst (Mit-)Verfügungsmacht an den an die jeweils anderen Angeklagten ausgekehrten Erlösanteilen hatten, haften die Angeklagten beim Verfall von Wertersatz in diesem Umfang als Gesamtschuldner (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. Juli 2013 – 4 StR 144/13 Rn. 7; vom 23. November 2011 – 4 StR 516/11, NStZ 2012, 382, 383; vom 25. September 2012 – 4 StR 137/12, NStZ 2013, 401). Der Umstand, dass das Landgericht bei den Angeklagten Q. N. und D. nach § 73c StGB von einer den Betrag des ihnen jeweils verbleibenden Erlösanteils übersteigenden Verfallsanordnung abgesehen hat, lässt das Gesamtschuldverhältnis unberührt (vgl. BGH, Beschluss vom 25. September 2012 – 4 StR 137/12 aaO). Die Aussprüche über die Anordnungen des Wertersatzverfalls sind daher entsprechend zu ergänzen.
7
3. Der geringfügige Teilerfolg der Rechtsmittel rechtfertigt es nicht, die Angeklagten teilweise von den durch ihre Rechtsmittel veranlassten Kosten und Auslagen freizustellen (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Franke Bender

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

5 StR 504/07

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 3. Dezember 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. Dezember 2007

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 16. Juli 2007 nach § 349 Abs. 4 StPO im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in zwölf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit 13 tateinheitlichen Fällen der Urkundenfälschung, und wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in 37 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Seine auf die Verurteilung wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt und den Gesamtstrafausspruch beschränkte Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat lediglich zum Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe Erfolg.
2
1. Soweit sich die Revision gegen den Schuldspruch wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB) wendet, ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Zwar sind grundsätzlich bei der Feststellung der monatlichen Beiträge für jeden Fälligkeitszeitpunkt gesondert die genaue Anzahl der Arbeitnehmer, ihre Beschäftigungszeiten und Löhne sowie die Höhe des Beitragssatzes der örtlich zuständigen Sozialversicherungsträger festzustellen (vgl. BGHR StGB § 266a Sozialabgaben 4 und 5; BGH wistra 2006, 425, 426; 17, 18; NJW 2002, 2480, 2483; jeweils m.w.N.), weil sich die Höhe der geschuldeten Beiträge auf der Grundlage des Arbeitsentgelts nach den Beitragssätzen der jeweiligen Krankenkasse bestimmt. Das Landgericht war jedoch mangels entsprechender Aufzeichnungen des Angeklagten berechtigt, auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisse die Höhe der Löhne zu schätzen und daraus die Höhe der jeweils vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge zu berechnen (vgl. BGHSt 38, 186, 193; BGHR StGB § 266a Sozialabgaben 5; BGH wistra 2007, 220).
3
2. Keinen Bestand hat dagegen der Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe.
4
Treffen wie hier Einzelfreiheitsstrafen und Einzelgeldstrafen zusammen , so ist in der Regel eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden (BGH NStZ-RR 2002, 264 m.w.N.). Dem Tatrichter ist jedoch gemäß § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB ein Ermessen dahingehend eingeräumt, dass er aus den Einzelfreiheitsstrafen eine Gesamtfreiheitsstrafe und daneben aus den Einzelgeldstrafen eine gesonderte Gesamtgeldstrafe bilden kann. Dieses Ermessen hat er nach Strafzumessungsgesichtspunkten auszuüben. Die Urteilsgründe lassen indes nicht erkennen, ob sich die Strafkammer des ihr eingeräumten Ermessens bewusst gewesen ist. Allerdings bedarf es einer ausdrücklichen Darlegung, dass sich der Tatrichter der Möglichkeit der Ermessensausübung gemäß § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB bewusst war, nur dann, wenn die Anwendung dieser Ausnahmevorschrift nahe liegt (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 53 Rdn. 6 m.w.N.). Dies ist bei Serienstraftaten (vgl. BGH, Beschluss vom 17. April 1996 – 5 StR 93/96) und bei anderen im Wesentlichen gleich gelagerten Taten (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 264) regelmäßig nicht der Fall (vgl. BGHR StGB § 53 Abs. 2 Nichteinbeziehung 3). Etwas anderes gilt dann, wenn sich aufgrund besonderer Umstände des Falles eine einheitliche Gesamtfreiheitsstrafe als das schwerere Übel erweist, weil erkennbar erst die Einbeziehung der Geldstrafen zur Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe führte, deren Höhe keine Strafaussetzung mehr zuließ (vgl. BGHR StGB § 53 Abs. 2 Einbeziehung, nachteilige 6; BGH NStZ-RR 2002, 264; jeweils m.w.N.). So verhält es sich hier. Lediglich für zwölf der 49 Taten hat das Landgericht Einzelfreiheitsstrafen verhängt. Nur in zwei Fällen, darunter die Einsatzstrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe, hat das Landgericht Freiheitsstrafen von mehr als vier Monaten festgesetzt. Vor diesem Hintergrund liegt es angesichts der gegen den nicht vorbestraften und geständigen Angeklagten verhängten , zwei Jahre Freiheitsstrafe nur geringfügig übersteigenden Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten auf der Hand, dass erst die Einbeziehung der Geldstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe geführt hat, deren Höhe keine Strafaussetzung mehr zuließ. Bei dieser Sachlage wäre die durch § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB gegebene Möglichkeit, auf eine Gesamtgeldstrafe gesondert zu erkennen, ausdrücklich zu erörtern gewesen.
5
Widersprüchlich ist zudem im Hinblick auf die geringe Höhe der festgesetzten Einzelstrafen der von der Strafkammer im Rahmen der Zumessung der Gesamtstrafe herangezogene Gesichtspunkt der „Schwere der Taten“. Zwar liegt in Fällen sachlich und zeitlich ineinander verschränkter Vermögensdelikte , von denen die gewichtigeren die Verhängung von sechs Monaten Freiheitsstrafe und mehr gebieten, in den Einzelfällen mit geringeren Schäden die Verhängung kurzfristiger Freiheitsstrafen nach § 47 StGB nahe (vgl. BGHR StGB § 53 Abs. 2 Nichteinbeziehung 3). Hiervon hat die Strafkammer aber weitgehend abgesehen. Im Übrigen kann der Senat die Plausibilität der Verhängung kurzzeitiger Freiheitsstrafen in Einzelfällen mit höheren Schäden gerade noch dem Urteilszusammenhang entnehmen.
6
Die Feststellungen bleiben aufrechterhalten, weil lediglich Wertungsfehler vorliegen. Ergänzende Feststellungen, die den getroffenen nicht widersprechen , sind zulässig.
Basdorf Gerhardt Brause Schaal Jäger

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR486/14
vom
17. Dezember 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum Betrug
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 17. Dezember 2014 gemäß § 349
Abs. 2 und Abs. 4, § 354 Abs. 1b StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten K. wird das Urteil des Landgerichts Münster vom 2. April 2014 im Ausspruch über die gegen diesen Angeklagten verhängte Gesamtstrafe mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe(n) nach den §§ 460, 462 StPO zu treffen ist.
2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
3. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels bleibt dem für das Nachverfahren gemäß §§ 460, 462 StPO zuständigen Gericht vorbehalten.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen Beihilfe zum Betrug in vier Fällen unter Einbeziehung der durch das Urteil des Amtsgerichts Essen vom 15. August 2012 verhängten Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich die Revi- sion des Angeklagten mit der Sachrüge. Das Rechtsmittel hat hinsichtlich des Gesamtstrafausspruchs Erfolg.
2
1. Die Entscheidung des Landgerichts über die Bildung der (nachträglichen ) Gesamtstrafe hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
3
a) Die Strafkammer hat in die von ihr gebildete Gesamtfreiheitsstrafe die hier verhängten vier Einzelfreiheitsstrafen von zwei Mal einem Jahr sowie elf und acht Monaten und – gemäß § 55 Abs. 1 StGB – die im Urteil des Amtsgerichts Essen vom 15. August 2012 wegen neun Fällen der Steuerhinterziehung verhängten Einzelfreiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu einem Jahr und vier Monaten einbezogen. Von der Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe unter Einbeziehung der im Strafbefehl des Amtsgerichts Recklinghausen am 11. Januar 2012 wegen Betruges verhängten Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 10 € hat es gemäß § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB abgesehen, weil anhand der dort „getroffenen Feststellungen Gehalt und Ausmaß der Schuld des Angeklagten … nicht zu bestimmen“ seien und die „Feststellungen des rechtskräftigen Strafbefehls schon die Verurteilung wegen Betruges nicht“ tragen (UA S. 76).
4
b) Mit dieser Begründung durfte das Landgericht von der Einbeziehung der in dem Strafbefehl verhängten Geldstrafe nicht absehen.
5
Die nachträgliche Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 Abs. 1 StGB knüpft – soweithier von Bedeutung – allein an der Rechtskraft der früheren Verurteilung an. Die (sachliche) Richtigkeit dieser Entscheidung hat das neu entscheidende Gericht grundsätzlich nicht zu prüfen (vgl. SSW-StGB/Eschelbach, 2. Aufl., § 55 Rn. 14 f.; Rissing-van Saan in LK-StGB, 12. Aufl., § 55 Rn. 4 jeweils mwN; zur früheren Verurteilung trotz eines entgegenstehenden Verfah- renshindernisses auch: BGH, Urteil vom 11. November 1955 – 1 StR 409/55, BGHSt 8, 269, 271; Urteil vom 10. August 1982 – 5 StR 412/82, wistra 1982, 227, 228; anders bei einer auch der Gesamtstrafenbildung als solcher entgegenstehenden Verfahrensvoraussetzung: BGH, Beschluss vom 12. August 1997 – 4 StR 345/97, NStZ-RR 1998, 6).
6
Dieser Grundsatz kann – entgegen der Ansicht der Strafkammer – auch nicht im Rahmen der Entscheidung gemäß § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB umgangen werden, zumal das dort eingeräumte Ermessen (allein) nach Strafzumessungsgesichtspunkten auszuüben ist (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Juni 2002 – 1 StR 142/02, NStZ-RR 2002, 264; SSW-StGB/Eschelbach, aaO, § 53 Rn. 14). Hinzu kommt, dass die Annahme des Landgerichts, die im Strafbefehl vom 11. Januar 2012 getroffenen Feststellungen seien für die Bestimmung von „Gehalt und Ausmaß der Schuld des Angeklagten“ nicht ausreichend, Zweifeln begegnet.
7
c) Der Senat kann nicht ausschließen, dass der Angeklagte durch die Einbeziehung der Strafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Essen vom 15. August 2012 beschwert ist. Denn die dort verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren war zur Bewährung ausgesetzt worden und es ist nicht von vorneherein – etwa aus Rechtsgründen – ausgeschlossen, dass im Fall der Einbeziehung der Geldstrafe aus dem Strafbefehl vom 11. Januar 2012 auch im vorliegenden Verfahren eine zur Bewährung ausgesetzte Gesamtfreiheitsstrafe verhängt wird.
8
2. Die Entscheidung über die Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe kann gemäß § 354 Abs. 1b StPO im Beschlussverfahren nach §§ 460, 462 StPO erfolgen, da das Urteil im Übrigen keinen den Angeklagten beschweren- den Rechtsfehler aufweist (§ 349 Abs. 2 StPO). Einer Aufhebung der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bedarf es nicht; ergänzende Feststellungen können jedoch getroffen werden.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 142/02
vom
11. Juni 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Untreue
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Juni 2002 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 8. Januar 2002 im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe aufgehoben. Die weitergehende Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird als unbegründet verworfen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in 20 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, die die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat lediglich hinsichtlich des Ausspruchs über die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe Erfolg; im übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Treffen wie hier Einzelfreiheitsstrafen und Einzelgeldstrafen zusammen, so ist in der Regel eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden (siehe BGH NJW 1989,
2900; wistra 1994, 61; mit anderer Differenzierung: Lackner/Kühl StGB 24. Aufl. § 53 Rdn. 4; vgl. weiter Rissing-van Saan in LK 11. Aufl. § 53 Rdn. 16). Dem Tatrichter ist jedoch in § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB ein Ermessen dahingehend eingeräumt, daß er aus den Einzelfreiheitsstrafen eine Gesamtfreiheitsstrafe und daneben aus den Einzelgeldstrafen eine gesonderte Gesamtgeldstrafe bilden kann. Dieses Ermessen hat er nach Strafzumessungsgesichtspunkten auszuüben. Die Urteilsgründe lassen nicht erkennen, ob sich die Strafkammer des ihr eingeräumten Ermessens bewußt gewesen ist. Grundsätzlich mag es zwar nicht naheliegen, bei im wesentlichen gleichgelagerten Fällen von der Regelung des § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB für die Bestimmung der Gesamtsanktion Gebrauch zu machen. Unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles, namentlich im Blick auf den Werdegang des Angeklagten, das zu seinen Taten führende Geschehen und die für ihn persönlich ausgelösten mittelbaren Tatfolgen wäre die durch § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB gegebene Möglichkeit jedoch zu erörtern gewesen. Die ausgesprochene Gesamtfreiheitsstrafe kann sich möglicherweise als das schwerere Übel erweisen. Die in Ansatz gebrachten Einzelstrafen - in zehn Fällen Geldstrafe zu 60 oder 90 Tagessätzen , in neun Fällen Freiheitsstrafe von sechs oder neun Monaten, die Einsatzstrafe beträgt ein Jahr und drei Monate Freiheitsstrafe - lassen es nicht als ausgeschlossen erscheinen, daß erst die Einbeziehung der Geldstrafen zur Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe geführt hat, deren Höhe keine Strafaussetzung zur Bewährung mehr zuließ (vgl. BGH wistra 1994, 61).
Da lediglich ein Wertungsfehler bei der Bildung der Gesamtstrafe in Rede steht, können die Einzelstrafen und auch die getroffenen Feststellungen bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen, die den getroffenen nicht widersprechen , sind zulässig. Schäfer Wahl Schluckebier Kolz Hebenstreit

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 142/02
vom
11. Juni 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Untreue
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Juni 2002 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 8. Januar 2002 im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe aufgehoben. Die weitergehende Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird als unbegründet verworfen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in 20 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, die die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat lediglich hinsichtlich des Ausspruchs über die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe Erfolg; im übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Treffen wie hier Einzelfreiheitsstrafen und Einzelgeldstrafen zusammen, so ist in der Regel eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden (siehe BGH NJW 1989,
2900; wistra 1994, 61; mit anderer Differenzierung: Lackner/Kühl StGB 24. Aufl. § 53 Rdn. 4; vgl. weiter Rissing-van Saan in LK 11. Aufl. § 53 Rdn. 16). Dem Tatrichter ist jedoch in § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB ein Ermessen dahingehend eingeräumt, daß er aus den Einzelfreiheitsstrafen eine Gesamtfreiheitsstrafe und daneben aus den Einzelgeldstrafen eine gesonderte Gesamtgeldstrafe bilden kann. Dieses Ermessen hat er nach Strafzumessungsgesichtspunkten auszuüben. Die Urteilsgründe lassen nicht erkennen, ob sich die Strafkammer des ihr eingeräumten Ermessens bewußt gewesen ist. Grundsätzlich mag es zwar nicht naheliegen, bei im wesentlichen gleichgelagerten Fällen von der Regelung des § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB für die Bestimmung der Gesamtsanktion Gebrauch zu machen. Unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles, namentlich im Blick auf den Werdegang des Angeklagten, das zu seinen Taten führende Geschehen und die für ihn persönlich ausgelösten mittelbaren Tatfolgen wäre die durch § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB gegebene Möglichkeit jedoch zu erörtern gewesen. Die ausgesprochene Gesamtfreiheitsstrafe kann sich möglicherweise als das schwerere Übel erweisen. Die in Ansatz gebrachten Einzelstrafen - in zehn Fällen Geldstrafe zu 60 oder 90 Tagessätzen , in neun Fällen Freiheitsstrafe von sechs oder neun Monaten, die Einsatzstrafe beträgt ein Jahr und drei Monate Freiheitsstrafe - lassen es nicht als ausgeschlossen erscheinen, daß erst die Einbeziehung der Geldstrafen zur Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe geführt hat, deren Höhe keine Strafaussetzung zur Bewährung mehr zuließ (vgl. BGH wistra 1994, 61).
Da lediglich ein Wertungsfehler bei der Bildung der Gesamtstrafe in Rede steht, können die Einzelstrafen und auch die getroffenen Feststellungen bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen, die den getroffenen nicht widersprechen , sind zulässig. Schäfer Wahl Schluckebier Kolz Hebenstreit

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 484/10
vom
7. Oktober 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Oktober 2010 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 11. März 2010 wird als unbegründet verworfen , da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Ergänzend zu der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 7. September 2010 bemerkt der Senat: 1. Angesichts der durch die zehn - innerhalb eines Zeitraums von fast anderthalb Jahren begangenen - Taten hinterzogenen Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt nahezu 240.000 Euro ist es nicht rechtsfehlerhaft, dass das Landgericht nicht erörtert hat, ob statt der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten eine noch niedrigere Strafe hätte schuldangemessen sein können, deren Vollstreckung möglicherweise zur Bewährung hätte ausgesetzt werden können. Zudem hat das Landgericht die im Wesentlichen für den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte (seine sonstige Unbestraftheit und das lange Zurückliegen der Taten) im Rahmen der Strafzumessung bedacht (vgl. BGH, Urteil vom 23. Oktober 2002 - 5 StR 392/02).
Die Gesamtfreiheitsstrafe ist aus der Einsatzstrafe von einem Jahr und fünf Monaten Freiheitsstrafe sowie neun Geldstrafen gebildet worden. Es stellt ebenfalls keinen durchgreifenden Rechtsfehler dar, dass das Landgericht hierbei nicht dargelegt hat, warum es von der durch die Ausnahmeregelung des § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB eröffneten Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat. Zwar bedarf die Nichtanwendung der genannten Vorschrift grundsätzlich dann einer ausdrücklichen Begründung, wenn nach den besonderen Umständen des Falles die Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe als das gegenüber dem Bestehenlassen der Geldstrafen schwerere Übel erscheint. Anders verhält es sich aber, wenn sich - wie hier - sämtliche Taten gegen dasselbe Rechtsgut richteten und deshalb die Einbeziehung der Geldstrafen in eine Gesamtfreiheitsstrafe nahelag (vgl. BGHR StGB § 53 Abs. 2 Einbeziehung, nachteilige 6). 2. Für die Beurteilung der Verfahrensrüge, die Anklageschrift sei dem Angeklagten entgegen Art. 6 Abs. 3 Buchst. a MRK nicht in die serbokroatische Sprache übersetzt worden, wäre es hilfreich gewesen, wenn die Staatsanwaltschaft in ihrer im Übrigen sorgfältig verfassten Gegenerklärung (§ 347 Abs. 1 Satz 2 StPO) dargelegt hätte, ob und ggf. in welchem Umfang der Angeklagte, der nach den Feststellungen bereits im Jahr 1990 nach Deutschland gekommen und in der Folge u.a. Geschäftsführer einer GmbH gewesen ist, seine in der Hauptverhandlung erfolgte Einlassung zu seiner Person und zur Sache in deutscher Sprache abgegeben hat. Ein diesbezüglicher Vermerk der am angegriffenen Urteil beteiligten Richter wäre ebenfalls zweckmäßig gewesen (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Juli 2003 - 1 StR 207/03; ferner BGH, Beschluss vom 22. November 2001 - 1 StR 471/01, NStZ 2002, 275, 276).
Nack Wahl Hebenstreit Jäger Sander

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 627/08
vom
17. März 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
______________________
Bei der Hinterziehung von Umsatzsteuern bemisst sich der Umfang der verkürzten
Steuern oder erlangten Steuervorteile auch dann nach deren Nominalbetrag, wenn
die Tathandlung in der pflichtwidrigen Nichtabgabe oder der Abgabe einer unrichtigen
Umsatzsteuervoranmeldung im Sinne von § 18 Abs. 1 UStG liegt. Der Umstand,
dass in solchen Fällen im Hinblick auf die Verpflichtung zur Abgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung
(§ 18 Abs. 3 UStG) zunächst nur eine Steuerhinterziehung „auf
Zeit“ gegeben ist, führt nicht dazu, dass der tatbestandsmäßige Erfolg lediglich in der
Höhe der Hinterziehungszinsen zu erblicken wäre.
Zur Strafzumessung bei Tatserien.
BGH, Urt. vom 17. März 2009 - 1 StR 627/08 - LG Nürnberg-Fürth
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
17. März 2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Hebenstreit,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 14. Juli 2008 im gesamten Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den umfassend geständigen Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 59 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren , deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat, und zu einer Gesamtgeldstrafe von 360 Tagessätzen verurteilt. Die Einzelstrafen hat das Landgericht im Hinblick auf eine „rezidivierende depressive Störung“ des Angeklagten jeweils dem nach den §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 370 Abs. 1 AO entnommen; von der Bildung einer einheitlichen Gesamtfreiheitsstrafe hat es gemäß § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB abgesehen. Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer zu Ungunsten des Angeklag- ten eingelegten und auf den Strafausspruch beschränkten Revision. Sie beanstandet im Wesentlichen, dass das Landgericht hinsichtlich der Taten der Lohnsteuerhinterziehung sowie der Steuerhinterziehung durch Unterlassen der Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen statt kurzer Freiheitsstrafen (§ 47 Abs. 1 StGB) lediglich Geldstrafen verhängt und bei der Gesamtstrafenbildung keine einheitliche Gesamtfreiheitsstrafe festgesetzt hat. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2
1. Nach den Urteilsfeststellungen betrieb der Angeklagte seit dem Jahr 1999 als Einzelfirma einen Pizzalieferservice mit Filialen in Nürnberg, Fürth und Erlangen. Im Rahmen der betrieblichen Tätigkeit entnahm er in den Jahren 2002 bis 2006 einen erheblichen Teil der Betriebseinnahmen, ohne diese als Umsätze und Einnahmen in der Buchhaltung des Unternehmens zu erfassen; Lohnzahlungen an Aushilfskräfte erfasste er ebenfalls nicht. Auch seinen steuerlichen Erklärungspflichten kam er nicht ordnungsgemäß nach, so dass in zehn Fällen Umsatzsteuer, in jeweils drei Fällen Gewerbesteuer und Einkommensteuer und in 43 Fällen Lohnsteuer verkürzt wurde. Im Einzelnen hat das Landgericht hierzu festgestellt:
3
a) Für die Jahre 2002 und 2003 gab der Angeklagte zunächst keine Umsatzsteuerjahreserklärungen ab. Nachdem das Finanzamt insoweit Schätzungsbescheide erlassen hatte, reichte er verspätet Umsatzsteuerjahreserklärungen ein, mit denen er geringere als die tatsächlich erzielten Umsätze erklärte. Hinsichtlich des Veranlagungszeitraums 2004 gab er zwar fristgemäß eine Umsatzsteuerjahreserklärung ab, nahm aber die in diesem Zeitraum erzielten Umsätze nicht vollständig auf. Für die Quartale I/2005 bis III/2006 gab der Angeklagte keine Umsatzsteuervoranmeldungen ab. Die Gesamtsumme der hin- sichtlich der Veranlagungszeiträume 2002 bis 2004 verkürzten Umsatzsteuern hat die Strafkammer mit 80.500,-- Euro beziffert. Im Hinblick auf die nicht eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen für die Jahre 2005 und 2006 hat sie lediglich den „Zinsverlust als Hinterziehungsschaden“ angesehen, den sie nach Maßgabe des § 238 Abs. 1 Satz 1 AO berechnet hat.
4
b) Für die Jahre 2002 und 2003 gab der Angeklagte auch keine Gewerbesteuer - und Einkommensteuererklärungen ab; in die für das Jahr 2004 eingereichten Gewerbesteuer- und Einkommensteuererklärungen nahm er nur solche Einkünfte auf, die in die Buchhaltung der Firma Eingang gefunden hatten. Die insoweit ergangenen Steuerbescheide - hinsichtlich der Jahre 2002 und 2003 Schätzungsbescheide - enthielten deshalb jeweils zu niedrige Steuerfestsetzungen ; als Gesamtverkürzungsumfang einschließlich Solidaritätszuschlag hat das Landgericht einen Betrag von mehr als 300.000,-- Euro errechnet.
5
c) Aufgrund von Schwarzlohnzahlungen, die der Angeklagte in seine Lohnsteueranmeldungen nicht aufnahm, verkürzte er in den Jahren 2002 bis 2006 in insgesamt 43 Fällen Lohnsteuern und Solidaritätszuschlag in Höhe von mehr als 200.000,-- Euro.
6
2. Den Ausführungen eines Sachverständigen für Psychiatrie und Psychologie folgend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgrund einer „rezidivierenden depressiven Störung“ im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert gewesen ist. Der Sachverständige habe dargelegt, es handele sich um eine krankhafte seelische Störung, die „beim Angeklagten so weitgehende Veränderungen in dessen Denken und insbesondere Aktivitätsniveau (Antriebsdefizit) bewirkte, dass die Annahme einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit gerechtfertigt sei“ (UA S. 21).

II.


7
Die Beschränkung der Revision auf den Strafausspruch ist wirksam.
8
1. Eine isolierte Überprüfung der Strafzumessung ist möglich, ohne dass der Schuldspruch hiervon berührt wird (vgl. BGH NJW 1996, 2663, 2664 m.w.N.); denn nach den vom Landgericht zur „depressiven Störung“ des Angeklagten getroffenen Feststellungen ist sicher auszuschließen, dass sich aufgrund einer neuen Hauptverhandlung ein Au sschluss der Schuldfähigkeit des Angeklagten (§ 20 StGB) bei Begehung der Taten erweisen könnte. Die den Schuldspruch tragenden Feststellungen bilden auch im Übrigen eine ausreichende Grundlage für die Prüfung des Strafausspruchs (BGHSt 33, 59).
9
2. Eine weitergehende, schlüssige Beschränkung der Revision auf die Nichtverhängung kurzer Einzelfreiheitsstrafen gemäß § 47 Abs. 1 StGB sowie auf den Gesamtstrafausspruch liegt nicht vor. Zwar wendet sich die Staatsanwaltschaft nicht ausdrücklich gegen die Annahme einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB; sie beanstandet aber die Zumessung der Einzelstrafen, bei der die Strafkammer jeweils den typisierten Strafmilderungsgrund der verminderten Schuldfähigkeit zur Strafrahmenverschiebung herangezogen hat. Das Revisionsvorbringen ist deshalb mit Rücksicht auf das erstrebte Anfechtungsziel dahin auszulegen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. April 2000 - 1 StR 55/00 - und vom 23. Oktober 1997 - 4 StR 226/97; Hanack in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 344 Rdn. 10), dass der gesamte Strafausspruch angegriffen ist.
10
Eine Beschränkung der Revision auf die ausdrücklich genannten Angriffsziele wäre jedenfalls unwirksam, weil die Frage, ob der Angeklagte bei der Tatbegehung vermindert schuldfähig war, bei der Prüfung, ob die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen im Sinne von § 47 Abs. 1 StGB geboten war, nicht außer Betracht bleiben kann. Beide Fragen stehen in einem untrennbaren Zusammenhang , der ohne die Gefahr von Widersprüchen eine isolierte Nachprüfung nicht zulässt.

III.


11
Die auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
12
1. Bereits die Erwägungen, aufgrund deren das Landgericht für den gesamten Tatzeitraum eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten im Sinne des § 21 StGB angenommen hat, sind nicht tragfähig.
13
a) Als Begründung für diese Annahme gibt das Landgericht in den Urteilsgründen allein die „Feststellungen“ des psychiatrischen Sachverständigen wieder, nach denen aus den von diesem vorgenommenen Untersuchungen zu folgern sei, „dass die depressive Problematik des Angeklagten ihren Ausgangspunkt im Jahre 2002 genommen habe. Bereits beim durchgeführten ambulanten Untersuchungsgespräch habe sich der Eindruck einer depressiven Verstimmung beim Angeklagten mit deutlicher Antriebsbeeinträchtigung ergeben; dieses Antriebsdefizit sei dauerhaft vorhanden. Insgesamt sei davon auszugehen, dass beim Angeklagten B. eine rezidivierende depressive Störung vorliege , die mit unterschiedlich schwer ausgeprägten depressiven Episoden einhergehe. Während zum aktuellen Untersuchungszeit- punkt (Mai 2008) von einer lediglich mittelgradigen Problematik auszugehen sei, müsse davon ausgegangen werden, dass zu früheren Zeitabschnitten schwerwiegendere Auffälligkeiten zu Tage getreten seien. Die einzelnen depressiven Episoden seien mit Stimmungsveränderungen, Verlust von Freude und üblichen Interessen , Antriebsbeeinträchtigung, vermehrten Befürchtungen und Ängsten einhergegangen; vor diesem Hintergrund sei auch zu bewerten , dass der Angeklagte aufgrund wahnhafter Befürchtungen im Jahr 2002 über längere Zeit seine gewohnte soziale Umgebung verlassen hatte.“ Insgesamt habe die von dem Sachverständigen „klassifizierte krankhafte seelische Störung, d.h. die immer wieder in unterschiedlichem Ausmaß zutage tretende depressive Problematik , beim Angeklagten so weitgehende Veränderungen in dessen Denken und insbesondere Aktivitätsniveau (Antriebsdefizit) bewirkt, dass die Annahme einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit gerechtfertigt sei. Anhaltspunkte dafür, dass von einer aufgehobenen Steuerungsfähigkeit ausgegangen werden könne , ließen sich hingegen nicht finden“ (UA S. 21 f.).
14
b) Dies hält rechtlicher Nachprüfung bereits deshalb nicht stand, weil die Strafkammer von einem unzutreffenden Prüfungsansatz ausgegangen ist.
15
aa) Bei der Frage, ob eine Verminderung der Steuerungsfähigkeit „erheblich“ im Sinne des § 21 StGB ist, handelt es sich um eine Rechtsfrage, die das Tatgericht ohne Bindung an Äußerungen von Sachverständigen zu beantworten hat. Dabei fließen normative Erwägungen ein. Die rechtliche Erheblichkeit der Verminderung des Hemmungsvermögens hängt auch von den Ansprüchen ab, die die Rechtsordnung an das Verhalten des Einzelnen stellt. Dies zu beurteilen, ist allein Sache des Gerichts. Lediglich zur Beurteilung der Vorfrage nach den medizinisch-psychiatrischen Anknüpfungstatsachen bedarf es sachverständiger Hilfe, wenn es hierüber nicht aufgrund eigener Sachkunde befinden kann (BGHSt 43, 66, 77; BGH StV 1999, 309, 310).

16
bb) Ob eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit - und zwar „bei Begehung der Tat“ - vorliegt, hat das Tatgericht im Wege einer Gesamtwürdigung zu beurteilen (st. Rspr.; vgl. nur BGHSt 43, 66, 78). Dabei ist zu klären, ob sich die Fähigkeit des Angeklagten, motivatorischen und situativen Tatanreizen in der konkreten Tatsituation zu widerstehen und sich normgemäß zu verhalten, im Vergleich mit dem „Durchschnittsbürger“ in einem solchen Maß verringert hat, dass die Rechtsordnung diesen Umstand bei der Durchsetzung ihrer Verhaltenserwartungen nicht übergehen darf (vgl. Fischer, StGB 56. Aufl. § 21 Rdn. 7a).
17
cc) Eine derartige Gesamtwürdigung hat die Strafkammer, die in den Urteilsgründen allein die „Feststellungen“ des Sachverständigen wiedergibt, nicht vorgenommen. Mehrere belangvolle Umstände, die für die Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Taten von maßgeblicher Bedeutung sind, finden in den Urteilsgründen keine Erwähnung. So setzt sich die Strafkammer nicht mit der bei Annahme einer „depressiven Störung“ bedeutsamen Tatsache auseinander, dass der Angeklagte im Hinblick auf seine steuerlichen Erklärungspflichten nicht etwa gänzlich untätig geblieben ist, sondern zum Teil Steuererklärungen mit unrichtigem Inhalt eingereicht hat. Der Erörterung hätte auch bedurft, dass der Angeklagte in der Lage war, ein Unternehmen mit drei Filialen zu leiten, das in den Jahren 2005 und 2006 Bruttoumsätze von mehr als 100.000,-- Euro pro Monat tätigte und bei dem eine Mehrzahl von Arbeitnehmern mit einer monatlichen Lohnsumme von mehr als 20.000,-- Euro beschäftigt waren. Die Leitung eines Gewerbebetriebs dieses Umfangs erfordert nicht unerhebliche Organisationsmaßnahmen im Bereich des Kassenwesens, der Materialbeschaffung sowie der Auswahl und Überwachung des Personals. War der Angeklagte aber zur Wahrnehmung dieser Aufgaben in http://beck-online.beck.de/?typ=reference&y=300&z=NStZ&b=2004&s=437 [Link] http://beck-online.beck.de/?typ=reference&y=300&z=NStZ&b=2004&s=437&i=438 - 11 - der Lage, hätte die Annahme, dass die „depressive Störung“ des Angeklagten so erheblich war, dass er seinen steuerrechtlichen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen konnte, besonderer Begründung bedurft.
18
c) Die Ausführungen des Landgerichts zur Schuldfähigkeit des Angeklagten halten auch deswegen rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil sie nicht auf die jeweiligen Tatzeitpunkte bezogen sind. Eine Verminderung der Steuerungsfähigkeit gemäß § 21 StGB kommt nur in Betracht, wenn die Schuldfähigkeit „bei Begehung der Tat erheblich vermindert“ war. Maßgeblicher Zeitpunkt ist dabei derjenige der Tathandlung im Sinne von § 8 Satz 1 StGB. Werden - wie hier - innerhalb eines längeren Zeitraums mehrere Taten begangen, ist deshalb die Prüfung nicht generell, sondern in Bezug auf jede einzelne Tat vorzunehmen (vgl. BGH NStZ 2004, 437, 438; NStZ-RR 2007, 105, 106). Daran fehlt es hier. Insbesondere hat das Landgericht nicht in den Blick genommen, dass der Angeklagte den Tatbestand der Steuerhinterziehung zum Teil durch aktives Tun (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO), in den übrigen Fällen durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) verwirklicht hat.
19
d) Die Erwägungen des Landgerichts zur Schuldfähigkeit sind zudem widersprüchlich ; denn die Strafkammer misst trotz Annahme erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit des Angeklagten dessen „planmäßiger“ Steuerhinterziehung strafschärfende Bedeutung bei.
20
e) Auf diesen Rechtsfehlern beruht der gesamte Strafausspruch. Der Senat muss deshalb besorgen, dass das Landgericht eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten für einzelne oder alle Taten verneint hätte, wenn es die gebotene Gesamtwürdigung der für die Schuldfä- higkeit des Angeklagten maßgeblichen Umstände rechtsfehlerfrei vorgenommen hätte.
21
2. Soweit der Angeklagte seiner Verpflichtung nicht nachgekommen ist, fristgemäß Umsatzsteuervoranmeldungen abzugeben (Fälle 4 bis 10 der Urteilsgründe ), hält die Strafzumessung auch deswegen rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil das Landgericht als „Hinterziehungsschaden“ allein den sich aus der verspäteten Steuerfestsetzung ergebenden „Zinsverlust“ des Fiskus angesehen hat.
22
a) Tatbestandlicher Erfolg einer Steuerhinterziehung ist gemäß § 370 Abs. 1 AO die Steuerverkürzung bzw. die Erlangung nicht gerechtfertigter Steuervorteile. Der Umfang der verkürzten Steuern oder erlangten Steuervorteile bemisst sich dabei nach deren Nominalbetrag; denn die Steuerhinterziehung bezieht sich auf die Steuern und Steuervorteile, nicht auf die Hinterziehungszinsen. Dies gilt bei der Hinterziehung von Umsatzsteuern auch dann, wenn die Tathandlung in der pflichtwidrigen Nichtabgabe oder der Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldung besteht. Der Umstand, dass der Unternehmer nicht nur Umsatzsteuervoranmeldungen, sondern für jedes Kalenderjahr auch eine Umsatzsteuerjahreserklärung abzugeben hat, führt zu keinem anderen Ergebnis.
23
aa) Nach § 18 Abs. 1 UStG ist der Unternehmer verpflichtet, bis zum 10. Tag nach Ablauf jedes Voranmeldungszeitraumes eine Umsatzsteuervoranmeldung abzugeben. Voranmeldungszeitraum ist dabei das Kalendervierteljahr (§ 18 Abs. 2 Satz 1 UStG), unter den Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 Satz 2 UStG der Kalendermonat. In der Umsatzsteuervoranmeldung hat der Unternehmer die geschuldete Steuer selbst zu berechnen (§ 18 Abs. 1 Satz 1 UStG), eine sich daraus ergebende Vorauszahlung ist nach § 18 Abs. 1 Satz 3 UStG am 10. Tag nach Ablauf des Voranmeldungszeitraums fällig.
24
Nach Ablauf des Kalenderjahres hat der Unternehmer gemäß § 18 Abs. 3 Satz 1 UStG eine Umsatzsteuerjahreserklärung abzugeben, in der er die zu entrichtende Steuer oder einen sich zu seinen Gunsten ergebenden Überschuss selbst zu berechnen hat. Aufgrund der Jahreserklärung wird die Steuer für das Kalenderjahr als Besteuerungszeitraum (§ 16 Abs. 1 Satz 2 UStG) erstmals festgesetzt (vgl. Bülow in Vogel/Schwarz UStG Stand 144. Lfg. 2/2009 § 18 UStG Rdn. 132). Die Umsatzsteuerjahreserklärung ist grundsätzlich bis zum 31. Mai des auf das jeweilige Veranlagungsjahr folgenden Jahres abzugeben (§ 149 Abs. 2 Satz 1 AO). Soweit sich auf der Grundlage der Jahreserklärung abweichend zu den Voranmeldungen ein Unterschiedsbetrag zu Gunsten des Finanzamts ergibt, ist dieser nach § 18 Abs. 4 Satz 1 UStG einen Monat nach Eingang der Steueranmeldung fällig. Die Fälligkeit rückständiger Umsatzsteuervorauszahlungen nach § 18 Abs. 1 Satz 3 UStG wird dadurch nicht berührt (§ 18 Abs. 4 Satz 3 UStG).
25
Die Umsatzsteuervoranmeldung und die Umsatzsteuerjahreserklärung sind Steueranmeldungen im Sinne von § 150 Abs. 1 Satz 3 AO. Sie stehen einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§ 168 Satz 1 AO). Lediglich dann, wenn sich aus der Voranmeldung oder der Jahreserklärung eine Steuervergütung ergibt, tritt die Wirkung einer Steuerfestsetzung nach § 168 Satz 2 AO erst ein, wenn die Finanzbehörde zustimmt, was nach § 168 Satz 3 AO formlos möglich ist.
26
Die steuerlichen Verfahren betreffend die Umsatzsteuervoranmeldungen einerseits und die Umsatzsteuerjahreserklärung andererseits sind steuerrecht- lich selbstständig und können sich zeitlich überschneiden (vgl. Zeuner in Bunjes /Geist UStG 8. Aufl. § 18 Rdn. 23; Kohlmann, Steuerstrafrecht Stand 39. Lfg. Oktober 2008 § 370 AO Rdn. 1364). Dabei löst die Festsetzung der Jahresumsatzsteuer die Vorauszahlungsfestsetzungen für die zukünftige sachlichrechtliche Beurteilung des Steueranspruchs ab, ohne aber die Steuerfestsetzung für die Voranmeldungszeiträume aufzuheben oder zu ändern und ohne Aussagen über ihre materielle Richtigkeit zu treffen (vgl. Bülow in Vogel /Schwarz UStG Stand 144. Lfg. 2/2009 § 18 UStG Rdn. 131). Auch wird die Fälligkeit rückständiger Umsatzsteuervorauszahlungen durch die Fälligkeit eines sich eventuell aus der Jahreserklärung ergebenden Unterschiedsbetrags zu Gunsten des Finanzamts nicht berührt (§ 18 Abs. 4 Satz 3 UStG). Auf der anderen Seite ist ein sich gegebenenfalls aus einer Umsatzsteuervoranmeldung ergebender Überschuss nach Zustimmung des Finanzamtes (§ 168 Satz 2 AO) als Erstattungsbetrag ohne besonderen Antrag auszuzahlen; er ist nicht auf die Jahreserklärung vorzutragen (vgl. Zeuner in Bunjes/Geist UStG 8. Aufl. § 18 Rdn. 24).
27
Aufgrund der verfahrensrechtlichen Selbstständigkeit beider Arten von Steueranmeldungen entbindet die Abgabe wahrheitsgemäßer Umsatzsteuervoranmeldungen den Unternehmer nicht von der Pflicht zur Abgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung. Umgekehrt lässt eine zutreffende Umsatzsteuerjahreserklärung die steuerrechtliche Pflicht zur Einreichung noch ausstehender Umsatzsteuervoranmeldungen nicht entfallen (vgl. Zeuner in Bunjes/Geist UStG 8. Aufl. § 18 Rdn. 23). Dies gilt selbst dann, wenn sich die Summe der Vorauszahlungen mit der Steuer für den Besteuerungszeitraum deckt (vgl. Mößlang in Sölch/Ringleb UStG Stand 60. Lfg. September 2008 § 18 UStG Rdn. 60).
28
bb) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, an der der Senat festhält, stehen Steuerhinterziehungen wegen der Verletzung der Pflicht zur rechtzeitigen Abgabe wahrheitsgemäßer Umsatzsteuervoranmeldungen und solche, bezogen auf die Pflicht zur rechtzeitigen Einreichung einer zutreffenden Umsatzsteuerjahreserklärung, auch dann im Verhältnis der Tatmehrheit zueinander , wenn sie dasselbe Kalenderjahr betreffen (vgl. BGHSt 38, 165, 171; BGH wistra 2005, 66; 2005, 145, 146; 2005, 228, 229). Aufgrund der steuerrechtlichen Selbstständigkeit beider Besteuerungsverfahren (vgl. oben Abschnitt aa) kommt einer falschen Umsatzsteuerjahreserklärung (§ 18 Abs. 3 UStG) im Verhältnis zu vorangegangenen unzutreffenden monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen in demselben Kalenderjahr (§ 18 Abs. 1 UStG) in steuerstrafrechtlicher Hinsicht ein selbständiger Unrechtsgehalt zu. Jede Steueranmeldung hat einen eigenständigen Erklärungswert, der auch durch die Zusammenfassung in der Jahreserklärung nicht deckungsgleich wird (BGH NStZ 1996, 136, 137).
29
Somit verwirklicht der Täter mit der Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung weiteres Handlungsunrecht und schafft zudem neues Erfolgsunrecht, indem er eine eigenständige Gefährdung für das Umsatzsteueraufkommen herbeiführt. Deshalb ist die Steuerhinterziehung aufgrund der Verletzung der Pflicht zur (rechtzeitigen) Abgabe einer wahrheitsgemäßen Umsatzsteuerjahreserklärung auch nicht mitbestrafte Nachtat, wenn der Täter bereits wegen Verletzung seiner Pflicht zur (rechtzeitigen) Abgabe zutreffender Umsatzsteuervoranmeldungen strafbar ist (vgl. BGHSt 38, 165, 171; BGH NStZ 1996, 136, 137). Dies gilt selbst dann, wenn die unrichtigen Angaben in der Umsatzsteuerjahresanmeldung und vorangegangenen Umsatzsteuervoranmeldungen inhaltlich übereinstimmen (a.A. offenbar OLG Frankfurt wistra 2006, 198).

30
Ausgehend von den Besonderheiten des umsatzsteuerlichen Besteuerungsverfahrens sind für jedes Kalenderjahr (§ 16 Abs. 1 Satz 2 UStG) bei vierteljährlichem Voranmeldungszeitraum (§ 18 Abs. 2 Satz 1 UStG) bis zu fünf und bei monatlich abzugebenden Voranmeldungen (§ 18 Abs. 2 Satz 2 UStG) bis zu dreizehn materiell voneinander unabhängige Taten der Steuerhinterziehung möglich. Sie sind bei unrichtigen Angaben vollendet, sobald die jeweilige Anmeldung die Wirkung einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung hat (BGHR AO § 370 Abs. 1 Vollendung 2), in den Fällen des § 168 Satz 1 AO also bereits mit Einreichung der Steueranmeldung, sonst mit Zustimmung der Finanzbehörde (§ 168 Satz 2 AO).
31
Von der Tatvollendung zu unterscheiden ist der - insbesondere für den Beginn der Strafverfolgungsverjährung maßgebliche - Zeitpunkt der Tatbeendigung als endgültigem Abschluss des Tatgeschehens. Wegen der engen Verzahnung der umsatzsteuerlichen Erklärungspflichten, die sich jeweils auf dasselbe Kalenderjahr beziehen, ist das Tatgeschehen bei der Umsatzsteuerhinterziehung auch im Hinblick auf die unrichtigen oder pflichtwidrig nicht abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen regelmäßig erst dann endgültig abgeschlossen , wenn diejenige Steuerhinterziehung beendet ist, die durch Nichteinreichung einer Umsatzsteuerjahreserklärung oder durch Abgabe einer unrichtigen Jahreserklärung begangen worden ist; lediglich diese Steuerhinterziehung ist im Zeitpunkt ihrer Vollendung zugleich beendet (vgl. BGHSt 38, 165, 171; BGH NJW 1989, 2140, 2141; BGH wistra 1991, 215, 216). Die vorsätzliche Verletzung mehrerer umsatzsteuerlicher Erklärungspflichten für ein und dasselbe Kalenderjahr gehört nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum selben geschichtlichen Ereignis und ist damit Teil derselben Tat im prozessualen Sinn im Sinne des § 264 StPO (BGHSt 49, 359).

32
Dem Umstand, dass die umsatzsteuerlichen Pflichten zur Abgabe für das jeweilige Kalenderjahr eng verzahnt sind und im Ergebnis der Durchsetzung desselben Steueranspruchs dienen, ist bei gleichzeitiger Aburteilung bei der Gesamtstrafbildung Rechnung zu tragen (BGH wistra 2005, 145, 147). Im Hinblick auf die Teilidentität im Unrechtsgehalt zwischen unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen und der dasselbe Jahr betreffenden Jahreserklärung wird aber das Tatgericht im Regelfall - schon aus Gründen der Vereinfachung - in Verfahren dieser Art gemäß § 154a Abs. 2 StPO die Verfolgung entweder auf die falsche Umsatzsteuerjahreserklärung oder die unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen beschränken können (vgl. BGHSt 49, 359, 365).
33
cc) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs führt die Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldung ebenso wie das pflichtwidrige Unterlassen der Abgabe einer Umsatzsteuervoranmeldung zunächst lediglich zu einer Steuerhinterziehung „auf Zeit“; erst die Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung oder die pflichtwidrige Nichtabgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung bewirkt die endgültige Steuerverkürzung, d.h. die Verkürzung „auf Dauer“ (vgl. BGHSt 43, 270, 276; BGH wistra 2002, 185).
34
Diese aus dem System der Umsatzbesteuerung folgende Unterscheidung beschreibt nur die Art der Rechtsgutsverletzung; sie trägt dem Umstand Rechnung, dass die Umsatzsteuervoranmeldungen auf die Bestimmung von Umsatzsteuervorauszahlungen gerichtet sind während die Jahresumsatzsteuer in einem eigenständigen Verfahren (§ 18 Abs. 3 UStG) festgesetzt wird. Eine Aussage über den tatbestandlichen Verkürzungsumfang ist damit aber nicht getroffen.
35
Aus der Differenzierung in eine Steuerhinterziehung „auf Zeit“ und eine solche „auf Dauer“ folgt insbesondere nicht, dass bei einer nicht rechtzeitigen Steuerfestsetzung die tatbestandliche Steuerverkürzung allein im Zinsverlust des Fiskus bestehen würde. Zwar entspricht der durch eine Steuerverkürzung „auf Zeit“ verursachte Verspätungsschaden der Höhe nach dem Zinsverlust, der sich nach der Rechtsprechung nach Maßgabe der Vorschriften über die Hinterziehungszinsen (§§ 235, 238 AO) mit 0,5 Prozent des nicht rechtzeitig festgesetzten Steuerbetrages pro Monat errechnet (BGHSt 43, 270, 276; BGH wistra 1998, 225, 226; wistra 1998, 146; ebenso BayObLG wistra 1991, 313; 318; Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 6. Aufl. § 370 AO Rdn. 78; a.A. Rolletschke in Rolletschke/Kemper, Steuerverfehlungen, Stand 88. Ergänzungslieferung Dezember 2008 § 370 AO Rdn. 99, der den jeweils geltenden Kapitalmarktzins zu Grunde legen will).
36
Die auf die Art der Rechtsgutsverletzung abstellende Differenzierung determiniert jedoch nicht die Höhe der tatbestandlichen Steuerverkürzung und beschränkt diese bei Umsatzsteuervorauszahlungen auch nicht auf den Zinsschaden. Soweit der Bundesgerichtshof in früheren Entscheidungen möglicherweise abweichende Aussagen getroffen hat (vgl. BGHSt 43, 270, 276; BGH wistra 1997, 262, 263; wistra 1998, 225, 226; wistra 1998, 146; freilich jeweils unter Bezugnahme auf BGHSt 38, 165 und BGH wistra 1996, 105, aus denen sich lediglich eine Differenzierung in eine Steuerverkürzung auf Zeit und eine solche auf Dauer ergeben könnte), hält der Senat an dieser Rechtsprechung nicht fest. Der tatbestandsmäßige Erfolg der Steuerhinterziehung ist vielmehr ausgehend vom Schutzzweck des verwirklichten Straftatbestandes zu bestimmen , wobei die gesetzgeberischen Wertungen des materiellen Steuerrechts, das die Blankettnorm des § 370 AO ausfüllt, zu berücksichtigen sind. Danach gilt Folgendes:
37
(1) Die Steuerhinterziehung ist zwar Erfolgsdelikt, jedoch - wie die Vorschrift des § 370 Abs. 4 Satz 1 AO zeigt - nicht notwendig Verletzungsdelikt (vgl. Senat wistra 2009, 114, 117). Die im Festsetzungsverfahren begangene Steuerhinterziehung ist vielmehr konkretes Gefährdungsdelikt (vgl. Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 6. Aufl. § 370 AO Rdn. 15), wobei die geschuldete Steuer bereits dann verkürzt ist, wenn die Steuer nicht rechtzeitig festgesetzt wird.
38
(2) Voranmeldungen nach § 18 Abs. 1 UStG dienen der zeitnahen Erfassung und Erhebung der Umsatzsteuer (vgl. Bülow in Vogel/Schwarz UStG 144. Lfg. 2/2009 § 18 UStG Rdn. 63; Peter/Burhoff/Stöcker Umsatzsteuer Stand 80. Lfg. 11/2008 § 18 UStG Rdn. 22). Bereits auf deren Grundlage und nicht erst nach Einreichung der Umsatzsteuerjahreserklärung soll dem Staat der wesentliche Teil des Umsatzsteueraufkommens zufließen. Deshalb hat der Unternehmer schon für die Voranmeldungszeiträume die geschuldeten Steuern binnen zehn Tagen nach Ablauf des jeweiligen Voranmeldungszeitraums nicht nur selbst zu berechnen, sondern auch an das Finanzamt abzuführen (§ 18 Abs. 1 Satz 1 und 3 UStG).
39
(3) Bei einer Verletzung der Pflichten zur Einreichung von Umsatzsteuervoranmeldungen besteht die gemäß § 370 AO strafbewehrte Gefährdung des sich aus § 18 Abs. 1 und 2 UStG ergebenden Steueranspruchs unabhängig davon, ob der Steuerschuldner beabsichtigt, zu einem späteren Zeitpunkt - namentlich in der Umsatzsteuerjahreserklärung - falsche Angaben zu berichtigen bzw. fehlende Angaben nachzuholen, oder ob er eine Steuerverkürzung auf Dauer anstrebt. In jedem Fall bezweckt er zunächst eine unrichtige Festsetzung. Deren spätere Korrektur ist zwar möglich; diese ist aber von weiteren in der Zukunft liegenden und noch ungewissen Ereignissen abhängig. Unterschiedlich ist insoweit lediglich - in Abhängigkeit von den Planungen des Tä-ters - die Intensität der Gefährdung. Dieser Umstand ist zwar für die Strafzumessung von Bedeutung, lässt aber den Umfang des tatbestandsmäßigen Erfolgs unberührt. In beiden Fällen ist das Erfolgsunrecht identisch (vgl. Franzen /Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 6. Aufl. § 370 AO Rdn. 77).
40
(4) Im Hinblick auf den Charakter der Steuerhinterziehung als Gefährdungsdelikt unterscheiden sich daher bei der Umsatzsteuerhinterziehung die Verkürzung „auf Dauer“ und diejenige „auf Zeit“ nicht im Erfolgs-, sondern - im Hinblick auf das Vorstellungsbild des Täters - nur im Handlungsunrecht (vgl. Franzen/Gast/Joecks aaO). Will der Täter sich - was freilich nur in seltenen Fällen gegeben sein wird und deshalb sorgfältig zu prüfen ist - durch unrichtige Umsatzsteuervoranmeldungen lediglich auf Zeit Liquidität verschaffen und hat er vor, im Rahmen der Jahreserklärung zutreffende Angaben zu machen und den sich ergebenden Unterschiedsbetrag im Sinne von § 18 Abs. 4 Satz 1 UStG zu entrichten, ist sein Ziel nur eine Schadenswiedergutmachung. Es gilt dann Folgendes:
41
(a) Berichtigt der Täter - seinem Tatplan entsprechend - in der Umsatzsteuerjahreserklärung seine unrichtigen Angaben und zahlt er die zunächst hinterzogenen Steuern nach, stellt sich die Frage, wie die Steuerhinterziehung „auf Zeit“ zu ahnden ist, regelmäßig nicht, da in solchen Fällen zumeist die Voraussetzungen einer strafbefreienden Selbstanzeige gemäß § 371 AO vorliegen (vgl. Kohlmann, Steuerstrafrecht Stand 39. Lfg. Oktober 2008 § 371 AO Rdn. 64.2). Tritt ausnahmsweise keine Straffreiheit ein, ist - freilich erst - im Rahmen der Strafzumessung zugunsten des Täters zu berücksichtigen, dass sein Vorsatz nur auf eine Verkürzung „auf Zeit“ gerichtet war und er den Steuerschaden wiedergutgemacht hat.
42
(b) Berichtigt der Täter seine in den Voranmeldungen gemachten unrichtigen Angaben entgegen seinem ursprünglichen Vorhaben in der Umsatzsteuerjahreserklärung nicht, geht die als Verkürzung „auf Zeit“ geplante Hinterziehung in eine solche „auf Dauer“ über. Das bereits in den unrichtigen Voranmeldungen liegende Erfolgsunrecht der Gefährdung des Steueranspruchs wird dadurch nicht berührt. Es findet lediglich keine Schadenswiedergutmachung statt. Mit der Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung begeht der Täter dann eine weitere Tat mit neuem Handlungsunrecht und weiterem Erfolgsunrecht , das in einer neuen und eigenständigen Gefährdung des Steueraufkommens besteht.
43
(c) Scheitert die vom Täter zunächst beabsichtigte Schadenswiedergutmachung daran, dass es ihm nach einer wahrheitsgemäßen Umsatzsteuerjahreserklärung aus finanziellen Gründen nicht mehr möglich ist, den Unterschiedsbetrag im Sinne von § 18 Abs. 4 Satz 1 UStG nachzuentrichten, kommt es ebenfalls zu einer dauerhaften Verkürzung der Steuer. Im Rahmen der Strafzumessung kann dem Täter dann zwar zugute gehalten werden, dass er bei der Tatbegehung eine spätere Schadenswiedergutmachung vorhatte. Waren allerdings bereits bestehende finanzielle Schwierigkeiten Motiv für die Abgabe falscher Umsatzsteuervoranmeldungen, relativiert dies die strafmildernde Bedeutung der Wiedergutmachungsabsicht. Denn in solchen Fällen ist die spätere Unmöglichkeit der Entrichtung der vom Unternehmer wie von einem Treuhänder für den Staat verwalteten Umsatzsteuerbeträge regelmäßig vorhersehbar. Die „Absicht“ der Wiedergutmachung erweist sich dann als bloße - oft sogar unrealistische - „Hoffnung“. Eine andere Situation besteht, wenn - was eher selten vorkommen dürfte - die Unmöglichkeit der Schadenswiedergutmachung für den Unternehmer aus einem plötzlichen und unvorhersehbaren Ereignis resultiert. Waren aber von Anfang an ausreichend Zahlungsmittel für die Entrichtung der Steuern vorhanden, ist sorgfältig zu prüfen, ob der Steuerpflichtige bei Abgabe unrichtiger Steuervoranmeldungen tatsächlich nur eine Steuerverkürzung auf Zeit geplant hatte, da in einem solchen Fall die Schaffung von Liquidität als Tatmotiv regelmäßig ausscheidet.
44
b) Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Strafzumessung in den Fällen 4 bis 10 der Urteilsgründe auch deswegen einen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten enthält, weil das Landgericht zu Unrecht lediglich die Hinterziehungszinsen als verkürzt angesehen und damit einen zu niedrigen Verkürzungsumfang angenommen hat. Hierauf beruht das Urteil. Denn das Landgericht hat bei der Strafzumessung auch nicht in den Blick genommen, ob es das Handlungsziel des Angeklagten war, die zunächst bewirkte Hinterziehung „auf Zeit“ später in eine solche „auf Dauer“ übergehen zu lassen (vgl. BGHSt 43, 270, 276). Dies liegt nach dem Tatbild aber nahe; für die Annahme, der Angeklagte könnte lediglich beabsichtigt haben, sich durch die Abgabe unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen „auf Zeit“ einen Liquiditätsvorteil zu verschaffen , bestehen aufgrund der bisherigen Feststellungen keine Anhaltspunkte.
45
3. Soweit das Landgericht in sieben Fällen der Umsatzsteuerhinterziehung (Nichtabgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen 2005 und 2006, Fälle 4 bis 10 der Urteilsgründe) sowie in den 43 Fällen der Lohnsteuerhinterziehung als Einzelstrafen jeweils lediglich Geldstrafen verhängt hat, weist das Urteil in der Strafzumessung ebenfalls einen durchgreifenden Rechtsfehler zu Gunsten des Angeklagten auf.

46
a) Zwar unterliegt die Strafzumessung nur in eingeschränktem Umfang der Überprüfung durch das Revisionsgericht. Denn es ist Sache des Tatrichters, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Person des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in die Strafzumessung des Tatgerichts ist aber dann zulässig und geboten, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, von unzutreffenden Tatsachen ausgehen oder gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (BGHSt 29, 319, 320; 34, 345, 349; st. Rspr.).
47
b) Ein derartiger Rechtsfehler liegt hier vor; denn das Tatgericht hat bei der Verhängung von Einzelgeldstrafen das Vorliegen einer Tatserie nicht erkennbar berücksichtigt.
48
In Fällen sachlich und zeitlich ineinander verschränkter Vermögensdelikte , von denen die gewichtigeren die Verhängung von Einzelfreiheitsstrafen von sechs Monaten und mehr gebieten, liegt die Verhängung kurzfristiger Freiheitsstrafen nach § 47 StGB in den Einzelfällen mit geringeren Schäden nahe. Denn in solchen Fällen ist nicht allein der jeweils durch die Einzeltat verursachte Schaden maßgeblich für die Bemessung der Einzelstrafe; vielmehr muss auch bei der Zumessung der Einzelstrafen die Gesamtserie und der dadurch verursachte Gesamtschaden in den Blick genommen werden (BGH NStZ 2001, 311; NStZ 2004, 554). Dies gilt auch bei Steuerstraftaten (vgl. BGH HFR 1995, 227).
49
Danach ist es zwar auch bei einer Tatserie nicht ausgeschlossen, neben Freiheitsstrafen auch Einzelgeldstrafen zu verhängen. Allerdings müssen dann die Urteilsgründe für das Revisionsgericht nachprüfbar erkennen lassen (vgl. Engelhardt in KK 6. Aufl. § 267 Rdn. 32; Theune in LK 12. Aufl. § 47 Rdn. 33), dass das Tatgericht bei der Zumessung der Einzelstrafen die Tatserie als solche und den durch sie verursachten Schaden gesehen und gewertet hat und aus welchen Gründen es gleichwohl in einem Teil der Fälle Freiheitsstrafen für geboten, im übrigen aber Geldstrafen für ausreichend erachtet hat. Der Umstand , dass nach § 47 Abs. 1 StGB die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen die Ausnahme ist, rechtfertigt für sich allein bei einer Tatserie nicht, von einer näheren Begründung des Nebeneinanders von Geld- und Freiheitsstrafen abzusehen.
50
Diesen Maßstäben genügt das Urteil nicht. Ob im Hinblick auf die Tatserie gemäß § 47 Abs. 1 StGB die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen anstelle der festgesetzten Geldstrafen geboten war, wird im Urteil nicht erörtert. Die pauschale Wendung, dass die Verhängung von Freiheitsstrafen unter sechs Monaten in den Fällen, in denen solche Strafen verhängt wurden, erforderlich gewesen sei, kann die gebotene Würdigung der Tatserie bei der Zumessung der Einzelstrafen nicht ersetzen. Das Urteil beruht auch auf dem Darlegungsmangel.
51
4. Die gebotene Aufhebung der Einzelstrafen entzieht dem Ausspruch über die Gesamtstrafen die Grundlage. Dieser könnte auch deshalb keinen Bestand haben, weil die Erwägungen, mit denen das Landgericht gemäß § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB von der Verhängung einer einheitlichen Gesamtfreiheitsstrafe abgesehen hat, rechtlicher Nachprüfung nicht standhält. Angesichts der im wesentlichen gleich gelagerten Fälle, bei der die Bildung einer gesonderten Gesamtgeldstrafe fern liegt (vgl. BGH NStZ 2001, 311), erwecken sie den Eindruck , dass das Tatgericht nur deshalb von einer an sich schuldangemessenen Gesamtfreiheitsstrafe von über zwei Jahren abgesehen hat, damit die Vollstreckung nach § 56 Abs. 2 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden konnte; das aber wäre rechtlich zu beanstanden (vgl. BGHSt 29, 319, 321).
52
5. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass bei der Verurteilung wegen Hinterziehung von Umsatzsteuern Vorsteuern, die der Täter zur Verheimlichung seiner Taten nicht geltend gemacht hat, im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen sind (BGH wistra 2005, 144, 145). Nack Wahl Hebenstreit Jäger Sander

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
5 StR 490/00
URTEIL
vom 19. Dezember 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Untreue
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. Dezember
2000, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Basdorf,
Richterin Dr. Tepperwien,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Brause
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 6. März 2000 im Strafausspruch aufgehoben, 1. soweit der Angeklagte in 25 Fällen zu Geldstrafen verurteilt worden ist; 2. in den Fällen 5 und 71 der Urteilsgründe; 3. im Ausspruch über die Gesamtstrafen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e

I.


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in 71 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren sowie zu einer Gesamtgeldstrafe von 360 Tagessätzen zu je 100 DM verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe hat es zur Bewährung ausgesetzt. Die wirksam auf einen Teil des Rechtsfolgenausspruchs beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, führt zur Aufhebung der angefochtenen Einzelstrafen und der Gesamtstrafen.

1. Der Angeklagte ist seit 1980 als Steuerberater in München selbständig tätig. Im Dezember 1990 übernahm er daneben in beratender Funktion eine Tätigkeit für die Treuhandanstalt in Berlin. Im Hinblick auf die hohen Vergütungen für Liquidationen im Auftrag der Treuhandanstalt bewarb er sich Mitte 1992 mit Erfolg um entsprechende Aufträge und wurde seitdem als Liquidator mit der Abwicklung zahlreicher Unternehmen betraut, bei denen überwiegend die Treuhandanstalt alleinige Gesellschafterin war.
Im Rahmen dieser Tätigkeit, die jeweils auf der Grundlage von Liquidatorenverträgen und zuvor getroffener Honorarvereinbarungen durchgeführt wurde, entnahm der Angeklagte bei 15 Unternehmen in der Zeit von Dezember 1992 bis Juli 1999 pflichtwidrig insgesamt 13,1 Millionen DM. Die entnommenen Beträge, die jährlich zwischen 75.000 DM (1992) und 3,3 Millionen DM (1995) lagen, verbrauchte er für eigene Zwecke, zum Teil dienten sie ihm zur Verdeckung vorangegangener pflichtwidriger Entnahmen. In den Büchern der von ihm verwalteten Firmen und in den Rechenschaftsberichten für die Treuhandanstalt stellte er diese Beträge als liquide Mittel dar, die angeblich auf Verwaltungskonten zinsbringend angelegt waren.
2. Das Landgericht hat bei der Strafzumessung im wesentlichen nach der Schadenshöhe differenziert; es hat in 25 Fällen bei Schäden bis 75.000 DM Geldstrafen von 90 Tagessätzen, in 44 Fällen bei Schäden bis 500.000 DM – unter Bejahung besonders schwerer Fälle – Freiheitsstrafen von sechs Monaten sowie im Fall 5 (Schaden von 1,2 Millionen DM) eine Freiheitsstrafe von neun Monaten und im Fall 71 (Schaden von 1,9 Millionen DM) eine solche von einem Jahr als Einsatzstrafe festgesetzt. Aus diesen Einzelstrafen hat das Landgericht sodann gemäß § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB die vorgenannten Gesamtstrafen gebildet.
3. Die Beschwerdeführerin greift die Einzelstrafaussprüche nur hinsichtlich der 25 Geldstrafen, der beiden höchsten Einzelfreiheitsstrafen und
der Gesamtstrafenbildung an. Die 44 Einzelstrafen von sechs Monaten sind davon ausdrücklich ausgenommen; sie sind damit rechtskräftig.

II.


Der Rechtsfolgenausspruch hält in mehrfacher Hinsicht rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Ob die verhängten Sanktionen, soweit sie angefochten sind, noch innerhalb des dem Tatgericht eingeräumten Spielraums liegen oder ob sie sich allein im Blick auf die Höhe des angerichteten Schadens bereits – nach unten – von ihrer Bestimmung lösen, gerechter Schuldausgleich zu sein (vgl. BGHSt 29, 319, 320), kann dahinstehen. Sie können schon deshalb nicht bestehen bleiben, weil ihre Begründung Anlaß zu durchgreifenden Bedenken gibt.
1. Es ist dem Tatrichter versagt, Gesichtspunkte der Strafzumessung im Sinne der Findung einer schuldangemessenen Strafe mit solchen der Strafaussetzung zur Bewährung zu vermengen (vgl. BGHSt 29, 319, 321; BGHR StGB § 46 Abs. 1 – Begründung 19). Die Wendung, eine „zwingend zu vollstreckende Gesamtfreiheitsstrafe“ erscheine „der Kammer bei Beachtung aller Strafzwecke nicht tunlich“ (UA S. 9), begründet die Besorgnis, daß das Landgericht sich bei der angesichts der Höhe der Einzelschäden und des Gesamtschadens äußerst milden Sanktionierung gerade von solchen verbotenen Erwägungen ausschlaggebend leiten ließ.
2. Zudem ist im Zusammenhang mit der Festsetzung der Einzelstrafen die Erwägung des Landgerichts nicht nachvollziehbar, die Taten seien nicht Ausdruck einer besonderen, von verwerflichem Gewinnstreben geprägten kriminellen Energie; sie seien „nicht zuletzt auch aus einer Konfliktscheu der Treuhand/BVS gegenüber“ entstanden, weil der Angeklagte meinte, höhere Honorare beanspruchen zu können. Wenn der Angeklagte den Weg einer gerichtlichen Klärung seiner diffusen vermeintlichen Ansprüche ebenso wie eine Kündigung seiner Verträge mit der Treuhand vermied, weil ihm „hierfür die Honorare zu attraktiv erschienen”, und stattdessen heimlich Entnahmen in Millionenhöhe tätigte, so kann dieses Verhalten nur als verwerfliches Gewinnstreben bezeichnet werden. Außerdem vermag es den Angeklagten nur geringfügig zu entlasten, wenn er Teile der unrechtmäßigen Entnahmen dazu verwendet hat, Veruntreuungen zu Lasten anderer Firmen zu verschleiern.
3. Schließlich drängt sich in Fällen sachlich und zeitlich ineinander verschränkter Vermögensdelikte, von denen die gewichtigeren die Verhängung von Einzelfreiheitsstrafen von sechs Monaten und mehr gebieten, die Verhängung kurzfristiger Freiheitsstrafen nach § 47 StGB in den Einzelfällen mit geringeren Schäden auf. In Fällen dieser Art muß die Bewertung der Gesamtserie ersichtlich im Vordergrund stehen. Damit erweist sich die fehlende Erörterung von § 47 StGB hier als rechtsfehlerhaft.
4. Die Aufhebung der Einzelstrafen zieht die der Gesamtstrafen nach sich. Diese könnten abgesehen davon auch deshalb keinen Bestand haben, weil die Anwendung des § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB in wesentlich gleich gelagerten Fällen bei Bestimmung der Gesamtsanktion fernliegt (vgl. BGH, Beschluß vom 17. April 1996 – 5 StR 93/96 –) und für sich die Besorgnis begründet , daß sich der Tatrichter auch insoweit rechtsfehlerhaft von dem Gedanken hat leiten lassen, dem Angeklagten in jedem Fall eine Bewährungschance einräumen zu wollen (vgl. BGHSt 29, 319, 320).
5. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es bei den gegebenen Wertungsfehlern nicht. Der neue Tatrichter hat die Neubestimmung der aufgehobenen Einzelstrafen und des Gesamtstrafausspruchs aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen zu treffen, die er lediglich – nicht notwendig – durch weitere nicht widersprechende Feststellungen ergänzen darf.
Harms Basdorf Tepperwien Gerhardt Brause