Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 422/18
vom
24. Oktober 2018
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:241018B1STR422.18.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 24. Oktober 2018 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 6. April 2018 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts Passau zurückverwiesen.

Gründe:


1
In einem ersten Rechtsgang wurde der Angeklagte wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit rechtlich zusammentreffender gefährlicher Körperverletzung , versuchter Körperverletzung, Sachbeschädigung und Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren drei Monaten verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat durch Beschluss vom 24. Oktober 2017 das Urteil mit den Feststellungen aufgehoben und im Umfang der Aufhebung die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2
Das Landgericht hat den Angeklagten nun wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung rechtlich zusammentreffend mit Sachbeschädigung, in Tatmehrheit mit vorsätzlicher Körperverletzung rechtlich zusammentreffend mit versuchter Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, die mit der Sachrüge Erfolg hat (§ 349 Abs. 4 StPO).

I.


3
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
Der Angeklagte, ein Triebwagenführer bei der B. Bahn, begehrte nach dem Ende der Beziehung zu der späteren Geschädigten, einer Zugbegleiterin der B. Bahn, einen finanziellen Ausgleich in Höhe von 4.500 € für die von ihm finanzierte Mietwohnung der Geschädigten. Diese lehnte jegliche Zahlung ab.
5
Schließlich informierte der Angeklagte einen bei der D. Bahn beschäftigten Fahrdienstleiter über Fahrgeldunterschlagungen seiner ehemaligen Lebensgefährtin, weil dieser Ehefrau und Kinder verlassen wollte, um eine Beziehung mit der Geschädigten einzugehen. Der Angeklagte wurde deshalb von seinem Arbeitgeber wegen der Weitergabe von Betriebsinterna abgemahnt; für den Fall der erneuten Weitergabe von Betriebsinterna wurde ihm die Kündigung angedroht. Der Angeklagte war empört, weil er eine Abmahnung erhalten hatte, seiner Kenntnis nach seiner ehemaligen Lebensgefährtin aber trotz der Unterschlagungen keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen drohten.
6
Der Angeklagte teilte ihr telefonisch mit, dass er wegen ihr und dem Fahrdienstleiter eine Abmahnung erhalten habe und forderte erneut das ausstehende Geld. Als ihm seine ehemalige Lebensgefährtin entgegnete, sie sei jetzt mit dem Fahrdienstleiter der D. Bahn zusammen, behauptete der Angeklagte, alle Leute in Be. wüssten von ihren Unterschlagungen. Daraufhin spiegelte sie ihm vor, sie habe dieses Telefonat aufgezeichnet.
7
Der Angeklagte befürchtete, er werde wegen des aufgezeichneten Telefonats über die erneute Weitergabe von Betriebsinterna die Kündigung erhalten. Er fuhr wutentbrannt zu ihrer Wohnung und trat die Wohnungstür ein. Nachdem die Geschädigte in den Garten geflüchtet war, warf sie der Angeklagte zu Boden und würgte sie mit beiden Händen am Hals. Die Geschädigte verlor das Bewusstsein. Den Zuruf der Zeugin Bu. , loszulassen, beachtete der Angeklagte nicht. Nun schob und zog die Zeugin den Angeklagten von der Geschädigten herunter. Der Angeklagte forderte diese nun auf, wegzugehen, um seinen Angriff gegen die Geschädigte fortsetzen zu können. Als die Zeugin der Aufforderung nicht nachkam, stieß er sie in Richtung Hecke, packte die Geschädigte an den Haaren und schwang sie durch die Luft. Sie schlug auf dem Boden auf. Der Angeklagte setzte sich wieder auf ihren Oberkörper und würgte sie erneut. Die Zeugin stieß ihn von der Geschädigten herunter und rief um Hilfe. In diesem Augenblick erschien eine weitere Nachbarin auf dem Balkon im zweiten Stock des Anwesens und sah, dass der Angeklagte seitlich neben der am Boden liegenden Geschädigten stand. Sie rief: „Was soll das!“. Daraufhin schaute der Angeklagte zu ihr hoch. Nun rief sie: „Verschwinde oder ich hole die Polizei.“. Der Angeklagte hörte der Nachbarin auf dem Balkon kurz zu, ging einige Schritte in Richtung der sich mit Unterstützung der Zeugin Bu. entfernenden Geschädigten, drehte sich um und verließ ohne Hast den Garten.
8
Die Geschädigte erlitt u.a. eine Einblutung im Bereich des linken Taschenbandes am Kehlkopf. Am Hals waren bei der rechtsmedizinischen Unter- suchung knapp neben dem Kehlkopf vergleichsweise „diskrete Male“ in Gestalt einer kleinen violetten Hautverfärbung von 0,5 cm im Durchmesser festzustellen. Die Lid- und Bindehäute waren frei von Punktblutungen. Ein Krankenhausaufenthalt war nicht erforderlich. Körperliche Beeinträchtigungen sind nicht verblieben.
9
In der Hauptverhandlung berief sich der Angeklagte hinsichtlich des Tatgeschehens im Garten bis zum Zeitpunkt der Rufe der Nachbarin vom Balkon auf eine Erinnerungslücke.
10
Die Strafkammer wertete das Geschehen als einen mit Tötungsvorsatz geführten Angriff auf die Geschädigte und schloss einen Rücktritt vom Tötungsversuch aus, da der Angeklagte die weitere Ausführung der Tat nicht freiwillig aufgegeben habe. Eine affektive Aufladung beim Angeklagten schloss sie – entgegen den Ausführungen des Sachverständigen – ebenfalls aus.
11
Die Strafkammer nahm das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe an, weil der Angeklagte der Geschädigten ihr Lebensrecht abgesprochen habe, sie habe vernichten wollen und sich zur Selbstjustiz aufgeschwungen habe. Er habe wegen des angeblich von ihr aufgezeichneten Telefonats den Verlust seiner beruflichen Existenz befürchtet, sie für seine arbeitsrechtliche und finanzielle Misere verantwortlich gemacht; es sei ihm unverständlich und ungerecht erschienen , dass ihre Unterschlagungen für sie keine Konsequenzen haben sollten , ihm aber wegen der Weitergabe von Informationen an den Fahrdienstleiter, den er als Kollegen und nicht als Betriebsfremden angesehen hatte, eine Abmahnung ausgesprochen worden war.
12
Die Voraussetzungen für einen Täter-Opfer-Ausgleich (§ 46a StGB) hat die Strafkammer verneint. Zwar habe der Angeklagte mit der Geschädigten einen Vergleich abgeschlossen, dieser sei aber bisher unerfüllt geblieben. Sei- ne Entschuldigungen bei der Geschädigten „in beiden Hauptverhandlungen“ habe sie nicht angenommen. Damit habe es neben der ehrlichen und eindeutigen Anerkennung der Opferrolle der Geschädigten auch an einem kommunikativen Prozess gefehlt.

II.


13
Das Urteil hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand, da die Feststellung eines Tötungsvorsatzes des Angeklagten nicht auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht, die Prüfung eines freiwilligen Rücktritts vom unbeendeten Versuch mit Rechtsfehlern behaftet ist, die Urteilsfeststellungen einen freiwilligen Rücktritt nicht ausschließen und die Wertung der Strafkammer, der Angeklagte habe aus niedrigen Beweggründen gehandelt, von den von der Strafkammer in die Gesamtwürdigung eingestellten Bewertungsfaktoren nicht getragen wird.
14
1. Die Feststellungen des Landgerichts zum Tötungsvorsatz beruhen auf einer lückenhaften Beweiswürdigung.
15
Eine rechtlich fehlerfreie Beweiswürdigung erfordert die sorgfältige Abwägung aller für und gegen einen Tötungsvorsatz sprechenden Umstände im Rahmen einer Gesamtschau. Dieser kommt im konkreten Fall eine umso größere Bedeutung zu, weil der Angeklagte einen Tötungsvorsatz nicht eingeräumt hat, sondern sich dahingehend eingelassen hat, er habe die Geschädigte aufgesucht , um von ihr die Löschung des Telefonats zu verlangen, könne sich aber an das eigentliche Tatgeschehen im Garten bis zu dem Zeitpunkt der Rufe vom Balkon nicht erinnern.
16
Die Strafkammer aber hat das Vorliegen eines Tötungsvorsatzes lediglich behauptet, ohne eine erschöpfende Gesamtwürdigung sämtlicher objektiver und subjektiver, für und gegen den Angeklagten sprechender Umstände durchzuführen , einschließlich solcher, die sich auf den ersten Blick als ambivalent darstellen, also rechtlich zulässige Schlüsse sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten des Angeklagten ermöglichen. Insbesondere schöpft die Strafkammer den festgestellten Sachverhalt nicht aus. Sie erörtert vorsatzkritische Faktoren nicht (vgl. hierzu zum [bedingten] Tötungsvorsatz, BGH, Urteil vom 27. Juli 2017 – 3 StR 172/17 Rn. 14). Hierzu gehören neben den Äußerungen des Angeklagten gegenüber seinem Arbeitskollegen vor der Tat, seinem psychischen Zustand zum Tatzeitpunkt, auch soweit er sich auf die Kognitionsfähigkeit im Hinblick auf eine eventuelle Lebensgefahr ausgewirkt haben kann, der Tatmotivation , auch die tatsächlich eingetretenen Verletzungen, die keinen Krankenhausaufenthalt erforderlich machten. Trotz des nach den Feststellungen lange andauernden Würgevorgangs mit Bewusstlosigkeit der Geschädigten waren außer einer von der Zeugin E. unmittelbar nach dem Würgevorgang wahrgenommenen Rötung am Hals der Geschädigten und einem durch den rechtsmedizinischen Sachverständigen festgestellten vergleichsweise „diskreten Mal“ am Hals knapp neben dem Kehlkopf in Gestalt einer kleinen violetten Hautverfärbung von 0,5 cm keine sonstigen Verletzungen in diesem Bereich ersichtlich; insoweit führte der rechtsmedizinische Sachverständige aus, je diskreter die Male sich darstellten, desto weniger sei auf ein Kampfgeschehen zu schließen.
17
2. Die Urteilsfeststellungen schließen auch einen (freiwilligen) Rücktritt des Angeklagten vom unbeendeten Versuch eines Tötungsdelikts nicht rechtsfehlerfrei aus.
18
Hält der Täter die Vollendung der Tat im unmittelbaren Handlungsfortgang noch für möglich, wenn auch mit anderen Mitteln, so ist der Verzicht auf ein Weiterhandeln als freiwilliger Rücktritt vom unbeendeten Versuch zu bewerten , vorausgesetzt, der Täter wurde weder durch eine äußere Zwangslage daran gehindert noch durch seelischen Druck unfähig, die Tat zu vollbringen. Maßgebliche Beurteilungsgrundlage ist insoweit nicht die objektive Sachlage, sondern die Vorstellung des Täters hiervon und zwar nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung (vgl. hierzu z.B. BGH, Beschlüsse vom 24. Oktober 2017 – 1 StR 393/17, StV 2018, 715 und vom 23. Januar 2018 – 3 StR 451/17, StV 2018, 717). Daher sind Feststellungen zum entsprechenden Vorstellungsbild des Angeklagten bei Abschluss seiner letzten Ausführungshandlung, also im Moment seines Nichtweiterhandelns, zu treffen.
19
Die Strafkammer knüpft bereits an den falschen Zeitpunkt zur Prüfung des Rücktrittshorizonts an. Die letzte vom Angeklagten abgeschlossene Ausführungshandlung war der Würgevorgang, nach dessen Abbruch er neben der Geschädigten stehenblieb und zu der ihn ansprechenden Zeugin E. hochsah und nicht – wovon die Strafkammer ausgegangen ist – der Zeitpunkt, indem er danach einige Schritte in Richtung der sich mit der Zeugin Bu. entfernenden Geschädigten ging. Es lag nicht auf der Hand, dass sich der Angeklagte in dieser Situation gehindert sah, den Tod des Opfers noch herbeizuführen. Er hatte eine Ausbildung im Boxen und war Träger des Schwarzen Gürtels in einer asiatischen Kampfsportart. Die Nachbarin Bu. hatte ihn bis dahin nicht an weiteren Angriffen auf die Geschädigte hindern können. Die Bewohne- rinnen des zweiten und dritten Stockwerks hatten aufgrund der Entfernung keine Möglichkeit, aktiv in das Geschehen einzugreifen. Die Polizei war noch nicht am Tatort erschienen. Der Angeklagte hatte zudem nach den Feststellungen der Strafkammer zumindest einmal seine Vorgehensweise gewechselt und hat sich letztendlich nicht in schneller Flucht, sondern langsam gehend vom Tatort entfernt. Der Ausschluss einer möglichen Tataufgabe aus selbstgesetzten Motiven ist damit nicht belegt.
20
3. Beweggründe sind niedrig im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB, wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und daher besonders , d.h. in deutlich weitreichenderem Maße als bei einem Totschlag, verachtenswert sind. Die Beurteilung erfordert eine Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren, für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren. Gefühlsregungen wie Zorn, Wut, Enttäuschung oder Verärgerung können niedrige Beweggründe sein, wenn sie ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhen, also nicht menschlich verständlich, sondern Ausdruck einer niedrigen Gesinnung des Täters sind. Entbehrt hingegen das Motiv ungeachtet der Verwerflichkeit , die jeder vorsätzlichen und rechtswidrigen Tötung innewohnt, nicht jeg- lichen nachvollziehbaren Grundes, so ist es nicht als „niedrig“ zu qualifizieren (BGH, Urteil vom 21. Februar 2018 – 1 StR 351/17, NStZ-RR 2018, 177 Rn. 10 mwN). Auch die Tötung des Intimpartners, der sich vom Täter abwenden will oder abgewendet hat, muss nicht zwangsläufig als durch niedrige Beweggründe motiviert bewertet werden (siehe nur BGH, Urteil vom 25. Juli 2006 – 5 StR 97/06, NStZ-RR 2006, 340, 342). Gerade der Umstand, dass eine Trennung vom Tatopfer ausgegangen ist, darf als gegen die Niedrigkeit des Beweggrundes sprechender Umstand beurteilt werden (BGH, Urteil vom 21. Februar 2018 – 1 StR 351/17, NStZ-RR 2018, 177 Rn. 10 mwN).
21
Der Feststellung, der Täter habe dem Opfer das Lebensrecht abgesprochen , es vernichten wollen und sich damit zur Selbstjustiz aufgeschwungen, kommt für sich allein kein über § 212 StGB hinausgehendes Gewicht zu. Hierdurch wird lediglich die Eigenmächtigkeit der vorsätzlichen Tötung umschrie- ben, nicht aber, wie es für das Mordmerkmal „aus niedrigen Beweggründen“ erforderlich wäre, ein besonderer Tötungsbeweggrund (BGH, Beschlüsse vom 30. August 2018 – 5 StR 411/18, juris Rn. 4 mwN und vom 3. April 2008 – 5 StR 525/07, StV 2009, 524 Rn. 27). Der rechtswidrigen Tat nach § 212 StGB wohnt an sich schon ein unerträgliches Missverhältnis inne; daher wäre es, auch im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG und die absolute Rechtsfolge des § 211 StGB verfehlt, jede vorsätzliche Tötung, für welche sich kein nachvollziehbarer oder naheliegender Grund finden lässt, als Mord aus niedrigen Beweggründen anzusehen (BGH, Urteil vom 9. November 2005 – 1 StR 234/05, NStZ 2006, 166 Rn. 20).
22
Daran gemessen trägt die Gesamtschau der vom Landgericht getroffenen Feststellungen zu der handlungsleitenden Wut des Angeklagten die Annahme niedriger Beweggründe nicht.
23
4. Diese Rechtsfehler bei der Prüfung des Tötungsvorsatzes sowie eines möglichen Rücktritts vom Versuch sowie des Mordmerkmals führen zur Aufhebung des Schuldspruchs wegen des versuchten Tötungsdelikts. Der Senat hat wegen des eng zusammenhängenden Tatgeschehens auch die weiteren Schuldsprüche mit sämtlichen Feststellungen aufgehoben, um es dem neuen Tatrichter zu ermöglichen, insgesamt widerspruchsfreie Feststellungen zu treffen.

III.


24
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
25
1. In Fällen, in denen der Täter einzelne Menschen nacheinander angreift , um jeden von ihnen in seiner Individualität zu beeinträchtigen, besteht sowohl bei natürlicher als auch bei rechtsethisch wertender Betrachtungsweise selbst bei einheitlichem Tatentschluss und engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang regelmäßig kein Anlass, diese Vorgänge als eine Tat zusammenzufassen (vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 22. August 2018 – 3 StR 59/18, juris Rn. 6 mwN).
26
Etwas anderes gilt dann, wenn eine Aufspaltung in Einzeltaten wegen eines außergewöhnlich engen zeitlichen und situativen Zusammenhangs willkürlich und gekünstelt erschiene, es sei denn, es fehlt an dem verbindenden subjektiven Element, weil sich der Täter zu dem Angriff auf das weitere Opfer erst entschlossen hat, nachdem dieses für ihn überraschend hinzugekommen ist, als er bereits mit Tötungsvorsatz auf das erste Opfer einwirkte (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2004 – 4 StR 268/04, NStZ 2005, 262, 263); der Angriff auf das zweite Opfer beruht dann auf einem selbständigen, aufgrund veränderter Tatsituation gefassten Entschluss, der die Wertung als einheitliches, zusammengehöriges Tun in der Regel nicht zulässt (vgl. BGH, Beschluss vom 22. August 2018 – 3 StR 59/18, juris Rn. 6 mwN; Urteil vom 28. Oktober 2004 – 4 StR 268/04, NStZ 2005, 262, 263).
27
Bei dieser Abgrenzung wird im konkreten Fall zu berücksichtigen sein, dass die Zeugin Bu. für den Angeklagten zwar zunächst überraschend eingriff, sich der Angeklagte von ihrem Erscheinen aber nicht von seinem Einwirken auf die Geschädigte abhalten ließ und seinen Angriff auf sie fortsetzte.
28
2. Bei der Prüfung eines Täter-Opfer-Ausgleichs gemäß § 46a StGB muss das Urteil erkennen lassen, welche der Fallgruppen des § 46a StGB angenommen wird. Die vorrangig den Ausgleich immaterieller Tatfolgen betreffende Alternative des § 46a Nr. 1 StGB macht die Milderungsmöglichkeit davon abhängig, dass der Täter in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Tatopfer zu erreichen, die Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder dieses Ziel ernsthaft erstrebt hat. Das erfordert – in beiden Varianten – grundsätzlich einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer, im Rahmen dessen das Bemühen des Täters Ausdruck der Übernahme von Verantwortung ist und das Opfer die auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen gerichteten Leistungen des Täters als friedensstiftenden Ausgleich akzeptiert (BGH, Urteil vom 24. August 2017 – 3 StR 233/17, StRR 2018, Nr. 4, 16 Rn. 13 mwN).
29
Deshalb hat das Tatgericht regelmäßig auch Feststellungen dazu zu treffen , wie sich das Opfer zu den Bemühungen des Täters gestellt hat (BGH, Urteil vom 24. August 2017 – 3 StR 233/17, StRR 2018, Nr. 4, 16 Rn. 15 mwN). Angesichts des von der Geschädigten mit dem Angeklagten abgeschlossenen umfassenden Vergleichs und den nur geringfügigen körperlichen Verletzungen durch das Tatgeschehen liegt allerdings fern, dass sie die hohen Schmerzensgeldzahlungen und sonstigen finanziellen Leistungen des Angeklagten nicht als „friedensstiftenden Ausgleich“ akzeptiert haben könnte.Mit ihrem späteren, die Entschuldigung des Angeklagten ablehnenden Verhalten in der Hauptverhandlung könnte sie sich daher mit ihrem früherem Verhalten in Widerspruch gesetzt haben; einen bereits eingetretenen friedensstiftenden Ausgleich könnte dies nicht mehr beseitigen.
30
Der kommunikative Prozess setzt auch keine persönliche Begegnung des Täters mit seinem Opfer voraus. Eine Verständigung über vermittelnde Dritte , etwa den Verteidiger, genügt (BGH, Beschluss vom 8. Juli 2014 – 1 StR 266/14, NStZ-RR 2014, 304; Urteil vom 7. Dezember 2005 – 1 StR 287/05, NStZ 2006, 275 Rn. 9) und wird bei schwerwiegenden Gewalt- insbesondere Sexualdelikten, vielfach als opferschonendes Vorgehen ratsam sein (BGH, Urteil vom 24. August 2017 – 3 StR 233/17, StRR 2018, Nr. 4, 16 Rn. 15 mwN).
31
Die Annahme des Landgerichts, es habe kein kommunikativer Prozess zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten stattgefunden, steht deshalb in Widerspruch zu dem im Urteil mitgeteilten umfassenden Vergleich vom 14. März 2017. Darin hat sich der Angeklagte zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 10.000 € zuzüglich Zinsen und zum Ersatz sämtlicher zukünftiger materieller und immaterieller Schäden aus der verfahrensgegenständlichen Straftat sowie zur Übernahme sämtlicher Kosten des Adhäsionsverfahrens und des Vergleichs verpflichtet und auf sämtliche Ansprüche seinerseits gegen die Geschädigte und die Einrede der Verjährung hinsichtlich Zinsen und Kosten verzichtet.
32
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Verzicht des Angeklagten auf eigene Ansprüche in Höhe von 4.500 € gegen die Geschädigte eine Teilleistung im Rahmen des abgeschlossenen Täter-Opfer-Ausgleichs darstellt. Dem Angeklagten kann auch nicht entgegengehalten werden, dass er keine (weiteren) Zahlungen erbracht hat, denn er befindet sich derzeit in Haft und hat infolge des Verlusts seiner Arbeitsstelle keine finanziellen Mittel zur Verfügung, weshalb in den Vergleich ein Vollstreckungsverzicht bis drei Monate nach Entlassung des Angeklagten aus der Haft aufgenommen worden ist.
33
Soweit die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verlangt, dass sich das Verhalten des Täters als Ausdruck der Übernahme von Verantwortung darstellt (vgl. etwa BGH, Urteile vom 25. Mai 2001 – 2 StR 78/01, NJW 2001, 2557 und vom 23. Dezember 2015 – 2 StR 307/15, juris Rn. 20), steht dem nicht entgegen , dass der Angeklagte eine Erinnerungslücke für das eigentliche Tatgeschehen im Garten geltend gemacht und damit den Tatvorwurf nicht vollumfänglich eingeräumt hat. Dies schließt hier eine Verantwortungsübernahme für die Tat nicht aus. Der Angeklagte hat das objektive Tatgeschehen eingeräumt und die „Opfer-Position“ der Geschädigten nicht bestritten.
34
3. Im Hinblick auf den Umstand, dass inzwischen mehrere, auch inhaltlich hinsichtlich des Tatablaufs differierende Aussagen der Geschädigten vorliegen , die Geschädigte die Zeugin Bu. für die Verleihung eines Preises der Sendung Aktenzeichen XY für ihr mutiges Einschreiten vorgeschlagen hat, sie in Gegenwart der Zeugin Bu. Mitarbeitern des Fernsehteams das Tatgeschehen geschildert hat, das ihren Angaben nach jedoch mit einem anderen Tatablauf gesendet worden ist, wird sich die neue Strafkammer im Einzelnen auch mit den Aussageinhalten und der Aussagekonstanz der Zeuginnen zu befassen haben.

IV.


35
Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, die Sache an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).
Raum Bellay Fischer
Bär Hohoff

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 StR 172/17 vom 27. Juli 2017 in der Strafsache gegen wegen versuchten Mordes u.a. ECLI:DE:BGH:2017:270717U3STR172.17.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 29.

Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Juli 2014 - 1 StR 266/14

bei uns veröffentlicht am 08.07.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 S t R 2 6 6 / 1 4 vom 8. Juli 2014 in der Strafsache gegen wegen versuchten Totschlags u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Juli 2014 beschlossen: Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des
3 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Okt. 2018 - 1 StR 422/18.

Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Mai 2019 - 1 StR 150/19

bei uns veröffentlicht am 07.05.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 150/19 vom 7. Mai 2019 in der Strafsache gegen wegen Mordes ECLI:DE:BGH:2019:070519B1STR150.19.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts – z

Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Mai 2019 - 1 StR 178/19

bei uns veröffentlicht am 21.05.2019

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Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Nov. 2019 - 1 StR 370/19

bei uns veröffentlicht am 12.11.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 370/19 vom 12. November 2019 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Mordes ECLI:DE:BGH:2019:121119B1STR370.19.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer und des Generalbu

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

14
Nach alledem ist es bei der Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes - nicht anders als sonst bei der Würdigung der Beweise - aus revisionsrechtlicher Sicht erforderlich, aber auch ausreichend, sämtliche objektiven und subjektiven , für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände des Einzelfalles in eine individuelle Gesamtschau einzubeziehen und zu bewerten. Dies gilt auch für solche Beweisanzeichen, die sich auf den ersten Blick als ambivalent darstellen, die also dem Tatrichter, je nachdem, wie er sie im Einzelfall bewertet , rechtlich zulässige Schlüsse sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten des Angeklagten ermöglichen. Eine rechtlich vertretbare tatrichterliche Entscheidung darüber, in welchem der möglichen, zueinander in einem Gegensatz stehenden Beweiszusammenhänge ein solcher Umstand im konkreten Fall indizielle Bedeutung entfaltet, ist vom Revisionsgericht hinzunehmen. Das Tatgericht kann in einem solchen Falle nicht gehalten sein, denselben Umstand nochmals in dem anderen Beweiszusammenhang zu erwägen und damit Gefahr zu laufen, sich zu seinem anderweitig gewonnenen Ergebnis zu Gunsten oder zu Lasten des Angeklagten in Widerspruch zu setzen (vgl. hierzu insgesamt BGH, Urteil vom 20. September 2012 - 3 StR 158/12, NStZ-RR 2013, 89, 90; Beschluss vom 9. Februar 2017 - 3 StR 415/16, NStZ 2017, 342, 344; jew. m. zahlr. w. N.).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 393/17
vom
24. Oktober 2017
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:241017B1STR393.17.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 24. Oktober 2017 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 27. März 2017 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit rechtlich zusammentreffender gefährlicher Körperverletzung, versuchter Körperverletzung, Sachbeschädigung und Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, die mit der Sachrüge Erfolg hat (§ 349 Abs. 4 StPO).

I.


2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen :
3
Der Angeklagte begehrte nach dem Ende der kurzen Beziehung zu der späteren Geschädigten einen finanziellen Ausgleich für Investitionen in die ehemals gemeinsame Wohnung. Nachdem seine ehemalige Lebensgefährtin dies erneut abgelehnt hatte und sich weigerte, die Haustür zu öffnen und mit ihm zu sprechen, trat er die Tür ein und kündigte an, sie nun umzubringen. Die Geschädigte flüchtete in den Garten. Der Angeklagte warf sie zu Boden und würgte sie mit beiden Händen. Sie wurde bewusstlos. Eine herbeigeeilte Nachbarin schubste den Angeklagten von der Geschädigten herunter. Der Angeklagte stieß die Nachbarin zur Seite, packte die Geschädigte an den Haaren und schwang sie durch die Luft. Sie schlug auf dem Boden auf. Der Angeklagte setzte sich wieder auf ihren Oberkörper und würgte sie erneut mit beiden Händen am Hals. Die Nachbarin stieß ihn erneut von der Geschädigten herunter und rief um Hilfe. Der Angeklagte ging jedoch wieder auf die Nachbarin und die Geschädigte zu. In diesem Augenblick riefen vom zweiten und dritten Stock des Hauses zwei Zeuginnen, sie hätten bereits die Polizei verständigt bzw. sie würden die Polizei holen und fragten, ob ein Krankenwagen erforderlich sei. Der Angeklagte sah nun keine Möglichkeit zur Tatrealisierung mehr, drehte sich um, ging zu seinem Auto, fuhr zu einem Arbeitskollegen, erzählte ihm, dass er seine ehemalige Lebensgefährtin hatte umbringen wollen und fuhr dann zur Polizei.
4
Die Geschädigte erlitt insbesondere eine Einblutung in den Kehlkopf, Schwellungen, Schürfwunden, Hautrötungen, andere kleinere Hautdefekte und Einblutungen. Ein Krankenhausaufenthalt war nicht erforderlich.
5
2. Das Landgericht wertete dieses Geschehen tateinheitlich als versuchten Totschlag, gefährliche Körperverletzung, Sachbeschädigung, versuchte Körperverletzung und Nötigung, letztere zum Nachteil der Nachbarin. Einen Rücktritt vom Tötungsversuch schloss das Landgericht aus, da der Angeklagte die weitere Ausführung der Tat nicht freiwillig aufgegeben habe.

II.


6
Das Urteil hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand, da sich den Urteilsfeststellungen das entsprechende Vorstellungsbild des Angeklagten, das zur revisionsrechtlichen Prüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch unerlässlich ist, nicht hinreichend entnehmen lässt (vgl. hierzu z.B. BGH, Urteile vom 19. März 2013 – 1 StR 647/12, NStZ-RR 2013, 273 und vom 13. August 2015 – 4 StR 99/15, StraFo 2015, 470, jeweils mwN).
7
Die Abgrenzung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch bestimmt sich nach dem Vorstellungsbild des Täters nach dem Abschluss der letzten von ihm vorgenommenen Ausführungshandlung, dem sogenannten Rücktrittshorizont. Ein unbeendeter Versuch eines Tötungsdelikts, bei dem allein der Abbruch der begonnenen Tathandlung zum strafbefreienden Rücktritt vom Versuch führt, liegt vor, wenn der Täter zu diesem Zeitpunkt noch nicht alles getan hat, was nach seiner Vorstellung zur Herbeiführung des Todes erforderlich ist. Ein beendeter Tötungsversuch, bei dem der Täter für einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch den Tod des Opfers durch eigene Rettungsbemühungen verhindern oder sich darum zumindest freiwillig und ernsthaft bemühen muss, ist hingegen anzunehmen, wenn er den Eintritt des Todes bereits für möglich hält oder sich keine Vorstellungen über die Folgen seines Tuns macht.
8
Fehlgeschlagen ist ein Versuch, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Auch dabei kommt es auf die Sicht des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung an (Rücktrittshorizont). Hält er die Vollendung der Tat im unmittelbaren Handlungsvorgang noch für möglich, wenn auch mit anderen Mitteln, so ist der Verzicht auf ein Weiterhandeln als freiwilliger Rücktritt vom unbeendeten Versuch zu bewerten (vgl. hierzu z.B. BGH, Beschluss vom 22. April 2015 – 2 StR 383/14, StV 2015, 687). Scheidet ein Fehlschlag aus, kommt es auf die Abgrenzung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch an (vgl. BGH, Beschluss vom 22. April 2015 – 2 StR 383/14, StV 2015, 687).
9
Allen Fällen aber ist gemeinsam, dass das Vorstellungsbild des Täters im entscheidungserheblichen Zeitpunkt von maßgebender Bedeutung ist. Lässt sich den Urteilsfeststellungen das entsprechende Vorstellungsbild des Angeklagten , das zur revisionsrechtlichen Prüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch unerlässlich ist, nicht hinreichend entnehmen, hält das Urteil sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 19. März 2013 – 1 StR 647/12, NStZ-RR 2013, 273 und vom 13. August 2015 – 4 StR 99/15, StraFo 2015, 470, jeweils mwN). So liegt der Fall hier.
10
Den Urteilsausführungen ist bereits nicht zu entnehmen, ob der Angeklagte davon ausging, bereits die beigefügten Verletzungen und das Würgen seien dazu geeignet gewesen, den Tod des Opfers herbeizuführen, oder ob er der Ansicht war, dazu seien weitere Maßnahmen erforderlich gewesen.
11
Die Urteilsfeststellungen schließen auch einen freiwilligen Rücktritt vom Tötungsversuch nicht aus. Die Strafkammer ist zwar davon ausgegangen, dass dem Angeklagten durch die Rufe der Nachbarinnen im zweiten und dritten Stockwerk bewusst geworden sei, dass er bei weiterer Fortsetzung seines Angriffs Gefahr laufen würde, von der Polizei angetroffen zu werden. Allein der Umstand der Entdeckung und die sich anschließende Flucht können die Annahme unfreiwilliger Tataufgabe jedoch nicht tragen.
12
Freiwilligkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor, wenn der Täter "Herr seiner Entschlüsse" geblieben ist und die Ausführung seines Verbrechensplans noch für möglich gehalten hat, er also weder durch eine äußere Zwangslage daran gehindert noch durch seelischen Druck unfähig geworden ist, die Tat zu vollbringen. Maßgebliche Beurteilungsgrundlage ist insoweit nicht die objektive Sachlage, sondern die Vorstellung des Täters hiervon. Der Annahme von Freiwilligkeit steht es dabei nicht von vornherein entgegen, dass der Anstoß zum Umdenken von außen kommt oder das Abstandnehmen von der Tat erst nach dem Einwirken eines Dritten erfolgt. Entscheidend für die Annahme von Freiwilligkeit ist, dass der Täter die Tatvollendung aus selbstgesetzten Motiven nicht mehr erreichen will (BGH, Beschluss vom 22. April 2015 – 2 StR 383/14, StV 2015, 687, 688 Rn. 9 mwN).
13
Ob der Angeklagte die Tötung des Opfers noch für möglich gehalten oder ob er sich nach den Rufen der Nachbarn außerstande gesehen hat, sein Ziel noch zu erreichen, hätte das Landgericht näher erörtern müssen. Es lag nicht auf der Hand, dass sich der Angeklagte in dieser Situation ohne Weiteres gehindert sah, den Tod des Opfers noch herbeizuführen. Die der Geschädigten zur Hilfe kommende Nachbarin hatte ihn bis dahin nicht an weiteren Angriffen auf die Geschädigte hindern können, die Bewohnerinnen des zweiten und dritten Stockwerks hatten die Verständigung der Polizei gerade erst mitgeteilt, der Angeklagte hatte zumindest einmal das Tatmittel gewechselt und es verblieb noch eine gewisse Zeit bis zum Eintreffen der Polizei.
14
Zu der Vorstellung des Angeklagten nach den Rufen aus dem zweiten und dritten Stockwerk enthält das Urteil keine konkreten Feststellungen. Der Senat kann auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entnehmen , dass der Angeklagte in seinem Rücktrittshorizont eine Vollendung der Tat mit gleichen oder anderen Mitteln nicht mehr für möglich hielt. Der Senat hält es daher nicht für fernliegend, dass der Angeklagte seinen Tötungsvorsatz noch hätte weiterverfolgen können, wenn er dies noch gewollt hätte.
15
Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Schuldspruchs wegen versuchten Totschlags; erfasst werden auch die an sich rechtsfehlerfreien tateinheitlichen Verurteilungen. Dies entzieht ohne Weiteres dem Strafausspruch die Grundlage.
16
Es kommt daher nicht mehr darauf an, dass die Strafkammer fälschlich (und ohne Begründung) der Auffassung war, der über § 21 StGB und § 23 StGB doppelt gemilderte Strafrahmen des § 212 StGB sei günstiger als der des § 213 StGB; denn bei einem sonst minder schweren Fall im Sinne von § 213 2. Alt. StGB hätte sich ein minder schwerer Fall aus den allgemeinen Milderungsgründen , gegebenenfalls zusammen mit einem vertypten Strafmilderungsgrund , ergeben können. Dann wäre über den zweiten Strafmilderungsgrund eine weitere Verschiebung des Strafrahmens möglich gewesen. Dies wäre für den Angeklagten günstiger gewesen. Nur, wenn die tatrichterliche Beurteilung zu dem Ergebnis geführt hätte, dass beide vertypten Strafmilderungsgründe zur Begründung eines sonst minder schweren Falls im Sinne von § 213 StGB erforderlich seien, wäre der doppelt gemilderte Strafrahmen des § 212 StGB günstiger gewesen.
17
Der Senat hat sämtliche Feststellungen aufgehoben. Dies ermöglicht dem neuen Tatrichter, widerspruchsfreie Feststellungen zu treffen, auch im Hinblick auf die Dauer der Bewusstlosigkeit der Geschädigten unter Berücksichtigung ihrer eigenen Angaben und der der Zeuginnen.

III.


18
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass angesichts des Verzichts des Angeklagten auf eigene Ansprüche gegen die Geschädigte aus der Finanzierung und Einrichtung der ehemals gemeinsamen Wohnung und seiner Verpflichtung, Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 Euro nebst Zinsen zu zahlen, auch eine Prüfung der Voraussetzungen eines TäterOpfer -Ausgleichs nach § 46a StGB veranlasst ist.
Raum Bellay Fischer Bär Hohoff

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 451/17
vom
23. Januar 2018
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:230118B3STR451.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 23. Januar 2018 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 3. Mai 2017 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten rügt die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet das Verfahren. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts beschlossen der Angeklagte , drei Mitangeklagte und drei unbekannte Männer, gemeinsam den Brüdern L. und F. T. wegen vorangegangener Streitigkeiten "eine Lektion zu erteilen". Zu diesem Zweck bewaffneten sich die Angeklagten und mindestens einer der Unbekannten mit Messern, die sie im Rahmen der erwarteten körperlichen Auseinandersetzung zur Verletzung ihrer Gegner einsetzen wollten. Dem gemeinsamen Tatplan folgend zogen sie vor einem Lokal ihre Messer und gingen damit auf F. T. los; dieser zog einen Teleskopschlagstock und schlug damit zur Verteidigung auf die Angreifer ein. Als L. T. dazutrat und sich seinem Bruder zuwandte, um ihm zur Hilfe zu kommen, stach der Angeklagte mit seinem Messer von hinten auf dessen Oberkörper ein, wobei er - abweichend von dem gemeinsamen Tatplan der Angreifer - nun auch tödliche Verletzungen des Geschädigten billigend in Kauf nahm. Als er zum zweiten Mal auf L. T. einstach, schlug ihm F. T. mit dem Schlagstock das Messer aus der Hand. Daraufhin floh der Angeklagte vom Tatort. Anschließend versetzte einer der unbekannten Angreifer L. T. einen Messerstich in den Oberkörper; auch diesem schlug F. T. das Messer aus der Hand. L. T. flüchtete in eine Spielhalle; er erlitt eine lebensgefährliche Stichwunde im Bereich der linken Flanke, durch die der Dickdarm eröffnet und eine Zwischenrippenschlagader verletzt wurde, sowie eine weitere - nicht lebensbedrohliche - Stichwunde im Rücken, konnte jedoch durch eine Notoperation gerettet werden.
3
Mindestens eine der beiden Stichwunden fügte ihm der Angeklagte zu; das Landgericht vermochte indes nicht festzustellen, ob dieser den lebensgefährlichen Stich setzte. Es ist der Ansicht, dass der Angeklagte sich diese Verletzung zurechnen lassen müsse, da sie "seinem Tatplan" entsprach. Einen Rücktritt vom Versuch des Totschlags hat das Landgericht mit der Erwägung abgelehnt, dass ein Fehlschlag vorliege.
4
2. Die Zurechnung des - im Zweifel von dem unbekannten Angreifer gesetzten - lebensgefährlichen Stiches und die Annahme eines fehlgeschlagenen Versuchs begegnen auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Im Einzelnen:
5
a) Mittäterschaft im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB setzt einen gemeinsamen Tatentschluss voraus, auf dessen Grundlage jeder Mittäter einen objektiven Tatbeitrag leisten muss. Bei der Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, ist Mittäter, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Mittäterschaft erfordert dabei zwar nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst; ausreichen kann auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich diese Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen. Ob danach Mittäterschaft anzunehmen ist, hat der Tatrichter aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände zu prüfen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 15. Januar 1991 - 5 StR 492/90, BGHSt 37, 289, 291 mwN; vom 17. Oktober 2002 - 3 StR 153/02, NStZ 2003, 253, 254; Beschlüsse vom 2. Juli 2008 - 1 StR 174/08, NStZ 2009, 25, 26; vom 4. April 2017 - 3 StR 451/16, juris Rn. 7).
6
b) Nach diesen Maßstäben sind die Voraussetzungen eines mittäterschaftlichen Totschlagsversuchs nicht erfüllt, weil es an hinreichenden Feststellungen zu einem gemeinsamen Tatentschluss fehlt.
7
Die mit Tötungsvorsatz geführten Stiche des Angeklagten gegen den Oberkörper des Opfers gingen über den zuvor gefassten gemeinsamen Tatplan , der keine lebensgefährlichen Stiche vorsah, hinaus; insoweit handelte der Angeklagte im Exzess. Unmittelbar nach seinen Stichen, von denen zumindest einer traf, flüchtete der Angeklagte; eine vor oder während des Geschehens ausdrücklich oder konkludent getroffene Übereinkunft mit dem unbekannten Angreifer dahin, dass in der Folge ein weiterer lebensgefährlicher Stich gegen das Opfer geführt werden solle, hat das Landgericht nicht festgestellt.
8
c) Auch die Voraussetzungen einer sukzessiven Mittäterschaft sind nach den getroffenen Feststellungen nicht erfüllt. Sie setzt voraus, dass ein weiterer Beteiligter in Kenntnis und Billigung des von einem anderen begonnenen Handelns in das tatbestandsmäßige Geschehen als Mittäter eingreift und sich mit dem anderen vor Beendigung der Tat zu gemeinschaftlicher weiterer Ausführung verbindet (BGH, Urteile vom 25. April 2017 - 5 StR 433/16, NStZ-RR 2017, 221 f.; vom 16. Juni 2016 - 3 StR 124/16, juris Rn. 23 f.; vom 28. April 2016 - 4 StR 563/15, NStZ 2016, 607, 609; vom 7. August 1984 - 1 StR 385/84, StV 1984, 507; Beschluss vom 31. Januar 1997 - 2 StR 620/96, NStZ 1997, 336). Daran fehlt es hier: Der unbekannte Angreifer setzte den lebensgefährlichen Stich erst nach der Flucht des Angeklagten; eine Übereinkunft mit dem Angeklagten hinsichtlich des weiteren Stiches gegen den Oberkörper ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Die Erwägung des Landgerichts, dass auch diese Handlung dem Tatplan des Angeklagten entsprach, trägt die Annahme von Mittäterschaft ebenfalls nicht; insoweit fehlt es bereits an Feststellungen zu einem nach seiner Flucht fortbestehenden Tatplan, zumal denkbar ist, dass der Angeklagte im Moment seiner Flucht von seinem Tötungsvorsatz Abstand nahm. Eine bloß einseitige Kenntnisnahme und Billigung des bisherigen Geschehens durch den hinzutretenden unbekannten Angreifer genügt nicht, um dem Angeklagten die weitere Verletzungshandlung zuzurechnen; ein gegenseitiges Einverständnis über die Ausweitung des ursprünglichen Tatplans ist nicht belegt.
9
d) Die Begründung, mit der das Landgericht einen fehlgeschlagenen Versuch angenommen hat, hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
10
Fehlgeschlagen ist der Versuch, wenn der Taterfolg aus der Sicht des Täters mit den bereits eingesetzten oder zur Hand liegenden Mitteln nicht mehr erreicht werden kann, ohne dass eine ganz neue Handlungs- und Kausalkette in Gang gesetzt werden muss. Daher sind zur Annahme eines Fehlschlags regelmäßig Feststellungen zum entsprechenden Vorstellungsbild des Angeklagten im Moment seines Nichtweiterhandelns (Rücktrittshorizont) erforderlich; fehlen in den Urteilsfeststellungen entsprechende Ausführungen, die zur revisionsrechtlichen Prüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch im Allgemeinen unerlässlich sind, so hält das Urteil sachlichrechtlicher Nachprüfung in der Regel nicht stand (vgl. BGH, Urteil vom 19. März 2013 - 1 StR 647/12 , NStZ-RR 2013, 275; Beschlüsse vom 29. September 2011 - 3 StR 298/11, NStZ 2012, 263, 264; vom 11. Februar 2003 - 4 StR 8/03, juris Rn. 8; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 24 Rn. 7 mwN). Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die festgestellte objektive Sachlage sichere Rückschlüsse auf die innere Einstellung des Angeklagten gestattet (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Juni 1988 - 4 StR 266/88, BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Freiwilligkeit 7).
11
So liegt es hier nicht. Das Urteil enthält keine Ausführungen zum maßgeblichen Vorstellungsbild des Angeklagten im Moment seines Nichtweiterhandelns. Ausführungen dazu waren nicht ausnahmsweise entbehrlich: In dem entscheidenden Zeitpunkt, als sich der Angeklagte zur Flucht wandte, standen dem Geschädigten immer noch mindestens fünf weitere mit Messern bewaffnete Angreifer gegenüber. In dieser Situation waren weitere Möglichkeiten zur Tötung des L. T. nicht von vornherein ausgeschlossen; vielmehr war es möglich, dass der mit dem Schlagstock bewaffnete F. T. überwältigt oder sonst gehindert werden würde, seinem verletzten Bruder beizustehen. Sollte der Angeklagte in dieser Situation von einem unbeendeten Versuch ausgegangen sein - was denkbar ist, da der Geschädigte schließlich noch in der Lage war wegzurennen - und die Vollendung der Tat im unmittelbaren Handlungsfortgang mit anderen, ihm zur Verfügung stehenden Mitteln noch für möglich gehalten haben, käme im Zeitpunkt seiner Flucht ein freiwilliger Rücktritt vom unbeendeten Versuch nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 StGB in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 13. November 2012 - 3 StR 411/12, juris Rn. 4).
12
3. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.
Becker RiBGH Gericke befindet sich Spaniol im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Tiemann Hoch

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

10
Beweggründe sind niedrig im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB, wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und daher besonders , d.h. in deutlich weitreichenderem Maße als bei einem Totschlag, verachtenswert sind. Die Beurteilung erfordert eine Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren, für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren (st. Rspr.; etwa BGH, Urteile vom 1. März 2012 – 3 StR 425/11, NStZ 2012, 691, 692 Rn. 14 und vom 12. Juni 2013 – 5 StR 129/13, NStZ 2013, 524, 525 Rn. 7 mwN). Daran gemessen trägt die Gesamtschau der vom Landgericht getroffenen Feststellungen zu der handlungsleitenden Wut des Angeklagten über das vorangegangene Verhalten der Geschädigten (UA S. 14 f.) einerseits und dem Abstellen auf die unmittelbar tatauslösende „spontane affektive Erregung“ (UA S. 63) andererseits die Ablehnung niedriger Beweggründe. Es entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass die Tötung des Intimpartners, der sich vom Täter abwenden will, nicht zwangsläufig als durch niedrige Beweggründe motiviert bewertet werden muss (siehe nur BGH, Urteil vom 25. Juli
5 StR 97/06

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 25. Juli 2006
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. Juli
2006, an der teilgenommen haben:
Richter Basdorf als Vorsitzender,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
alsbeisitzendeRichter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof Sch.
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt K. ,
Rechtsanwalt R.
alsVerteidiger,
Rechtsanwalt M.
alsVertreterderNebenklägerin,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen des Angeklagten, der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 7. September 2005 werden verworfen.
Der Angeklagte und die Nebenklägerin tragen jeweils die Kosten des eigenen Rechtsmittels. Die Staatskasse trägt die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags (in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen) in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe ohne Erlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt; von dem Anklagevorwurf eines weiteren tatmehrheitlichen Mordversuchs hat es ihn freigesprochen. Das Urteil wird mit Revisionen des Angeklagten, der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin angefochten, die jeweils mit der Sachrüge geführt werden. Sämtliche Revisionen bleiben erfolglos.

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
Der zur Tatzeit 48-jährige Angeklagte stammt aus einfachsten, sozial wenig stabilen Verhältnissen und hat weder Lesen noch Schreiben gelernt. Aufgrund seiner simplen Charakterprägung und seiner geringen Intelligenz (IQ 75) war der Angeklagte auf feste äußerliche Strukturen (Arbeit, Familie) fixiert. In der Ehe mit seiner zweiten Frau S. , einem der beiden späteren Tatopfer, wurden sieben Kinder geboren. Das Familienleben gestaltete sich äußerst problematisch. Beide Ehepartner waren nicht in der Lage, den Kindern Liebe und Geborgenheit zu vermitteln. Der Angeklagte war häufig jähzornig und schlug sowohl seine Frau als auch seine Kinder grundlos. Schon mehrfach hatte S. – bis auf einmal nur kurzzeitig – die Familie verlassen. Zuletzt verschwand sie im Oktober 2003 spurlos und ließ den zu dieser Zeit arbeitslosen Angeklagten und die Kinder alleine.
4
Der Angeklagte bemühte sich zwar, sein Leben und das der Kinder so weit wie möglich in Ordnung zu halten, war aber bald von dieser Aufgabe überfordert. Im November 2003 versuchte er, sich das Leben zu nehmen. Er wurde mit Hilfe einer seiner Töchter und zweier Nachbarn, darunter das zweite spätere Tatopfer H. , gerettet. Nach dem Selbsttötungsversuch des Angeklagten gelang es, Kontakt zu S. herzustellen , die Ende 2003 wieder in die gemeinsame Ehewohnung einzog und erreichte , dass der Angeklagte sich ihr und den Kindern zunächst nicht mehr nähern durfte. Nahezu zeitgleich zog der Zeuge B. , ein langjähriger Freund der Familie, zur Ehefrau des Angeklagten in die gemeinsame Ehewohnung. Der Angeklagte war sehr enttäuscht, gekränkt und verbittert; er fühlte sich – nach über 20 Jahren Ehe – „wie ein Stück Schrott, das aussortiert wird“. Er verharrte aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur in einem Teu- felskreis von tiefer Gekränktheit und dem Gefühl, jeglichen Wert verloren zu haben. Problemlösungen konnte er in seiner geistigen Unbeweglichkeit und charakterlichen Beschränktheit nicht finden. Er empfand große Wut und Hass auf seine Ehefrau und ihren neuen Partner. Trotz Verbesserung der äußeren Verhältnisse und des Kontakts zu den Kindern in den Folgemonaten entwickelte er – gefangen in stetigen Rachegedanken – schließlich den Plan, seine Ehefrau, B. und eventuell sich selbst zu erschießen. Anfang 2005 beschaffte sich der Angeklagte eine Pistole samt dazugehöriger Munition , ohne im Besitz der hierfür erforderlichen Erlaubnis zu sein.
5
Am Tattag, dem 20. Januar 2005, hatten die getrennt lebenden Eheleute einen Termin beim Jugendamt, zu dem der Angeklagte seine Pistole mitnahm. Obgleich die Besprechung für ihn objektiv eher günstig verlief, war der Angeklagte sehr angespannt; er wurde laut, beschimpfte seine Frau und warf ihr vor, dass sie alles tun würde, damit er nicht die Kinder bekomme. Nach dem Gespräch lehnte der Angeklagte das Angebot eines Beamten, ihn mit dem Auto mitzunehmen, mit dem unzutreffenden Einwand ab, er sei mit dem Fahrrad unterwegs. S. machte sich mit B. und H. – den sie als Nachbarn wie B. zum Schutz vor dem Angeklagten zu dem Termin mitgenommen hatte – zu Fuß auf den Heimweg. Der Angeklagte folgte ihnen. Die drei Personen wechselten verängstigt die Straßenseite. Der Angeklagte verfolgte sie weiter und beschimpfte sie unflätig. Hiervon ließen sich die drei allerdings nicht provozieren, sondern gingen stumm weiter. Dies wirkte auf den unverändert gewaltbereiten, rachsüchtigen und tief gekränkten Angeklagten wie eine Verhöhnung, weil er sich durch diese Vorgehensweise von der gesamten Gruppe ausgeschlossen fühlte. Er zog seine Waffe und lud sie laut vernehmlich durch, wobei er eine Patrone verlor; dies bemerkte B. , der jedoch, ohne zu reagieren, weiterlief. Auch als der Angeklagte zwei Warnschüsse abgab, reagierte die Gruppe nicht.
6
In dieser Situation entschloss sich der Angeklagte, der sich nicht ernst genommen fühlte, seine Waffe gezielt gegen die drei Menschen vor ihm einzusetzen. Hierfür waren Gefühle wie Wut, Hass, Rache, Enttäuschung und die tiefe Kränkung über die Trennung entscheidend, wobei keines der Gefühle besonders bestimmend war. Der Angeklagte erschoss zunächst H. , den er, als dieser sich gerade umdrehte, aus höchstens fünf Metern Entfernung mit einem Schuss tödlich in die Stirnmitte traf. Anschließend erschoss der Angeklagte seine Ehefrau, auf die er insgesamt vier Schüsse abgab, zuletzt einen tödlichen Kopfschuss aus einem Meter Entfernung auf das am Boden liegende Opfer. Währenddessen war B. weitergelaufen und hatte ein Auto angehalten. Obwohl die Munition des Angeklagten noch nicht aufgebraucht war und er auch in dieser Situation noch auf B. hätte schießen können, nahm er nunmehr von seinem Entschluss Abstand , alle drei Personen der Gruppe zu töten.
7
Zwei Stunden später stellte sich der Angeklagte, der einen gehetzten , wenig später zeitweise tief erschütterten Eindruck machte, der Polizei.
8
Das Landgericht hat die Tötung von H. und S. als tateinheitliches Delikt des Totschlags gewertet und die Annahme niedriger Beweggründe maßgeblich unter Hinweis auf die besondere Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten abgelehnt. Hinsichtlich des Zeugen B. hat das Landgericht einen freiwilligen Rücktritt vom Versuch des Totschlags angenommen.

II.


9
Die Revisionen bleiben erfolglos.
10
1. Die Revision des Angeklagten deckt keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil auf. Die Überzeugung des Schwurgerichts vom Tötungsvorsatz des Angeklagten bei dem Schuss auf H. unterliegt angesichts der zur Schussentfernung, zur Zielrichtung und zum weiteren Tatablauf rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ersichtlich keinen rechtlichen Bedenken.
11
2. Die Revision der Staatsanwaltschaft, mit der die Ablehnung von Mord aus niedrigen Beweggründen, die Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses und der Teilfreispruch wegen Annahme eines strafbefreienden Rücktritts vom Versuch der Tötung B. beanstandet werden, ist unbegründet.
12
a) Wie die Bundesanwaltschaft zutreffend ausgeführt hat, ist die Annahme eines strafbefreienden Rücktritts betreffend B. ersichtlich rechtsfehlerfrei. Nach den nicht zu beanstandenden Urteilsfeststellungen nahm der Angeklagte insoweit aus freien Stücken, ohne an einer weiteren Tötungshandlung gehindert zu sein, von der Tatbegehung Abstand.
13
Die Annahme von Tateinheit ist auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen hinnehmbar (vgl. auch BGH NStZ 2006, 167, 169).
14
b) Die Revision der Staatsanwaltschaft wird von der Bundesanwaltschaft insoweit vertreten, als damit beanstandet wird, das Landgericht habe das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe zu Unrecht abgelehnt. Allein dieser Einwand bedarf näherer Erörterung, er greift indes ebenfalls nicht durch. Neben der Ablehnung anderer Mordmerkmale, deren Voraussetzungen nicht feststellbar waren (Heimtücke, Ermöglichung einer anderen Straftat), erweist sich auch die Verneinung niedriger Beweggründe letztlich nicht als rechtsfehlerhaft.
15
aa) Beweggründe sind im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB niedrig , wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verachtenswert sind. Die Beurteilung der Frage, ob Beweggründe zur Tat „niedrig“ sind und – in deutlich weiter reichendem Maße als bei einem Totschlag – als verachtenswert erscheinen, hat aufgrund einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren, insbesondere der Umstände der Tat, der Lebensverhältnisse des Täters und seiner Persönlichkeit zu erfolgen (vgl. BGHSt 47, 128, 130 m.w.N.). Bei einer Tötung aus Wut, Ärger, Hass oder Rache kommt es darauf an, ob diese Antriebsregungen ihrerseits auf einer niedrigen Gesinnung beruhen (st. Rspr.; vgl. nur BGH aaO; BGH NJW 2006, 1008, 1011 m.w.N.).
16
Bei den hier zu treffenden Wertungen steht dem Tatrichter ein Beurteilungsspielraum zu, den das Revisionsgericht nicht durch eigene Erwägungen ausfüllen kann. Hat der Tatrichter die genannten Maßstäbe erkannt und den Sachverhalt vollständig gewürdigt, ist dies auch dann nicht zu beanstanden, wenn ein anderes Ergebnis möglich oder gar näher liegend gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 10. Mai 2005 – 1 StR 30/05, insoweit in BGHR StGB § 211 Abs. 1 Strafmilderung 7 nicht abgedruckt; BGH NStZ 2006, 284, 285; Altvater NStZ 2006, 86, 89).
17
In subjektiver Hinsicht muss hinzukommen, dass der Täter die Umstände, die die Niedrigkeit seiner Beweggründe ausmachen, in ihrer Bedeutung für die Tatausführung ins Bewusstsein aufgenommen hat und, soweit gefühlsmäßige oder triebhafte Regungen in Betracht kommen, diese gedanklich beherrschen und willensmäßig steuern kann. Dies ist nicht der Fall, wenn der Täter außerstande ist, sich von seinen gefühlsmäßigen und triebhaften Regungen freizumachen (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 26 m.w.N.). Der genannte tatgerichtliche Beurteilungsspielraum gilt auch für die Bewertungen im Zusammenhang mit den subjektiven Anforderungen an das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe, die mit den objektiven Kriterien in engstem Zusammenhang stehen.
18
bb) Danach ist die Ablehnung niedriger Beweggründe aus revisionsgerichtlicher Sicht nicht zu beanstanden:
19
Das Schwurgericht hat sämtliche Umstände der Tat, der Persön -lichkeit des Angeklagten und seiner Lebensverhältnisse umfänglich dar- gestellt und gewürdigt. Ausführlich hat das Schwurgericht insbesondere die ins Auge springenden Besonderheiten in der Persönlichkeit des Angeklagten herausgestellt, der aufgrund seiner sehr niedrigen Intelligenz und seiner einfachen Persönlichkeitsstruktur, die ihm differenziertere, namentlich selbstkritische Erwägungen verschloss, die Trennung seiner Frau als besonders tiefe Kränkung empfunden hat, von der er sich persönlichkeitsbedingt nicht mehr freimachen konnte.
20
(1) Bei dem Tatopfer S. hat das Schwurgericht erkennbar bedacht, dass nicht jede Tötung, die geschieht, weil sich der Ehepartner vom Täter abwenden will oder abgewandt hat, zwangsläufig auf niedrigen Beweggründen beruht. Vielmehr können in einem solchen Fall – wie hier – tatauslösend und tatbestimmend auch Gefühle der Verzweiflung und der inneren Ausweglosigkeit sein, die eine Bewertung als „niedrig“ im Sinne der Mordqualifikation namentlich dann fraglich erscheinen lassen können , wenn die Trennung von dem Tatopfer ausgegangen ist und der Täter durch die Tat sich dessen beraubt, was er eigentlich nicht verlieren will (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 32; BGH NStZ 2004, 34 m.w.N.).
21
Die Erwägungen des Schwurgerichts sind in diesem Zusammenhang – entgegen der Auffassung der Bundesanwaltschaft – auch nicht lückenhaft. Dass das Schwurgericht, wie die Bundesanwaltschaft meint, bei seiner Gesamtwürdigung nicht bedacht haben könnte, dass der Jähzorn und die Gewalttätigkeit des Angeklagten seine Ehefrau zur Trennung veranlasst haben, ist schon angesichts der mehrfachen Erwähnung dieser Umstände in den Urteilsgründen ausgeschlossen. Diesen Zusammenhang zu erkennen und selbstkritisch zu würdigen, war der Angeklagte aufgrund seiner Charakterprägung außer Stande. Dies könnte ihm namentlich deshalb auch nicht als schuldhafte Gedankenlosigkeit und Gleichgültigkeit angelastet werden, weil die Begleitumstände der Trennung wie die vorangegangener Trennungen nach den getroffenen Feststellungen schon objektiv zwar ein primäres, nicht indes ein alleiniges Verschulden des Angeklagten an der familiären Zerrüttung belegen.
22
(2) Bei dem Tatopfer H. hat das Schwurgericht nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entscheidend darauf abgestellt, dass die Motivation des Angeklagten zur Tötung aller drei von ihm Verfolgten auf diffusen Gefühlen der Wut, des Hasses, der Rache, der Enttäuschung und der tiefen Kränkung infolge der Trennung seiner Ehefrau und darauf beruhte, dass der Angeklagte alle drei als eine ihn ausschließende Gemeinschaft wahrgenommen hat, von der er sich zudem verhöhnt wähnte (vgl. UA S. 14). Nach den vom Schwurgericht als glaubhaft angesehenen spontanen Angaben des Angeklagten zu seinem Tatmotiv (UA S. 17) liegt es angesichts der beschriebenen Persönlichkeitsstruktur des jähzornigen Angeklagten zudem fern, dass er die ihn in diesem Moment bestimmenden gefühlsmäßigen Regungen gedanklich beherrschen und willensmäßig steuern konnte. Der latente Tötungsplan des Angeklagten, der durch den Erwerb und das Mitführen der Tatwaffe und die gezielte Verfolgung der verhassten Opfer belegt wird, ändert angesichts seiner gravierenden, auch von fremd- und selbstzerstörerischen Elementen geprägten Persönlichkeitsdefekte die Beurteilung nicht maßgeblich.
23
Soweit die Bundesanwaltschaft demgegenüber die besondere Sinnlosigkeit der situativen Verärgerung des Angeklagten über die drei von ihm verfolgten Personen und das Fehlen eines vernünftigen Grundes für die Tötung von H. als Beleg für ein als niedrig zu bewertendes Tötungsmotiv herausstellt, trägt sie mit solchen letztlich normativen Erwägungen den in der Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten angelegten Besonderheiten der Tatentstehung und Tatbegehung nicht ausreichend Rechnung, die das Schwurgericht ohne Erörterungsmängel oder Wertungsfehler vertretbar in den Mittelpunkt seiner Bewertung gestellt hat. Die unter maßgeblicher Berücksichtigung der beschränkten Sicht des Angeklagten vorgenommene Bewertung auch dieser Tat als von ihm empfundene Verzweiflungstat und nicht als Aktion aus schlechterdings nicht nachzuvollziehendem, nur noch verachtenswertem Hass liegt innerhalb der Grenzen des Beurteilungsspielraums des Tatgerichts, den das Revisionsgericht hinzunehmen hat, wenn- gleich eine andere Beurteilung des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe bei der Tötung des H. , des früheren Lebensretters des Angeklagten, ebenfalls vertretbar gewesen wäre und namentlich angesichts einer gewissen Vorplanung der Tat sogar näher gelegen hätte.
24
c) Schließlich ist die Verhängung der Höchststrafe aus dem Strafrahmen des § 212 Abs. 1 StGB bei gleichzeitiger Verwerfung einer Anwendung des § 212 Abs. 2 StGB aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
25
3. Die Revision der Nebenklägerin ist nur insoweit zulässig, als die Nebenklägerin die Nichtannahme eines Mordmerkmals bei der Tötung ihrer Mutter S. rügt (vgl. § 400 Abs. 1 StPO). In diesem Umfang bleibt die Revision aus den genannten Gründen in der Sache ohne Erfolg.
Basdorf Häger Gerhardt Brause Schaal
10
Beweggründe sind niedrig im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB, wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und daher besonders , d.h. in deutlich weitreichenderem Maße als bei einem Totschlag, verachtenswert sind. Die Beurteilung erfordert eine Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren, für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren (st. Rspr.; etwa BGH, Urteile vom 1. März 2012 – 3 StR 425/11, NStZ 2012, 691, 692 Rn. 14 und vom 12. Juni 2013 – 5 StR 129/13, NStZ 2013, 524, 525 Rn. 7 mwN). Daran gemessen trägt die Gesamtschau der vom Landgericht getroffenen Feststellungen zu der handlungsleitenden Wut des Angeklagten über das vorangegangene Verhalten der Geschädigten (UA S. 14 f.) einerseits und dem Abstellen auf die unmittelbar tatauslösende „spontane affektive Erregung“ (UA S. 63) andererseits die Ablehnung niedriger Beweggründe. Es entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass die Tötung des Intimpartners, der sich vom Täter abwenden will, nicht zwangsläufig als durch niedrige Beweggründe motiviert bewertet werden muss (siehe nur BGH, Urteil vom 25. Juli

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

4
a) Den Fall B.V. hat das Landgericht rechtlich dahingehend gewürdigt, dass der Angeklagte sein Opfer B. aus im Sinne des § 211 StGB niedrigen Beweggründen getötet habe. Diese Bewertung wird jedoch nicht be- legt. Festgestellt ist, dass der Angeklagte eine günstige Gelegenheit sah, „um sich erneut als Herr über Leben und Tod aufzuspielen“. Hierdurch allein wird aber – worauf der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend hingewiesen hat – lediglich die Eigenmächtigkeit der vorsätzlichen Tötung umschrieben , nicht aber, wie es für das in Rede stehende Mordmerkmal erforderlich wäre, ein besonderer Tötungsbeweggrund (vgl. BGH, Beschluss vom 3. April 2008 – 5 StR 525/07, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe
27
solche Eine Gesamtwürdigung stellt die Schwurgerichtskammer jedoch nicht an. Ihre Bewertung beruht auf der pauschalen Gleichsetzung der „Anmaßung, Gott gleich über Leben und Tod“ entscheiden zu wollen, mit einem Handeln aus niedrigen Beweggründen. Dieser Umstand begründet aber für sich genommen kein über § 212 StGB hinausgehendes Unwerturteil (vgl. hierzu Fischer, StGB 55. Aufl. § 211 Rdn. 17).

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 234/05
vom
9. November 2005
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
8. November 2005 in der Sitzung am 9. November 2005, an der teilgenommen
haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger
- in der Verhandlung vom 8. November 2005 -,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 12. Januar 2005 aufgehoben - hinsichtlich der für die Tötung des Kindes K. verhängten Einzelstrafe, - im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Schwurgericht tätige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

Nach den Feststellungen des Landgerichts tötete der Angeklagte seine damals 26-jährige ehemalige Lebensgefährtin und das zwei Jahre und vier Monate alte gemeinsame Kind K. .
Das Landgericht hat den Angeklagten deshalb wegen Totschlags in zwei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hat ihre zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision - wirksam - auf die Verurteilung wegen der Tötung des Kindes beschränkt. So ist die Revisionsbegründung in Übereinstimmung mit der Auffassung des Generalbundesanwalts zu verstehen. Mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft, dass der Angeklagte nur wegen Totschlags
det die Staatsanwaltschaft, dass der Angeklagte nur wegen Totschlags schuldig gesprochen wurde, und beantragt insoweit die Aufhebung des Urteils mit den zugehörigen Feststellungen. Die Revision hat nur hinsichtlich des Strafausspruchs Erfolg. Die Erwägungen, mit denen die Strafkammer das Vorliegen eines besonders schweren Falls des Totschlags bei der Tat zum Nachteil des KindesK. ablehnte, tragen nicht; sie enthalten einen durchgreifenden Wertungsfehler.

I.


1. Vorgeschichte der Tat:
Der Angeklagte und O. G. lernten sich Ende des Jahres 2000 in einem Wohnheim in H. kennen. Zwischen beiden entwickelte sich eine engere Beziehung, sie lebten zusammen. Das Verhältnis war von vorneherein von Meinungsverschiedenheiten, gegenseitigen Vorwürfen und Streitigkeiten geprägt.
Am 30. November 2001 kam - vom Angeklagten unerwünscht - der gemeinsame SohnK. zur Welt. Das Verhältnis des Angeklagten zu dem Kind blieb oberflächlich, ja ablehnend. In seiner geistigen Entwicklung blieb K. stark zurück. Er konnte bis zuletzt nicht sprechen.
Etwa zum Jahreswechsel 2003/2004 trennten sich O. G. und der Angeklagte. Gleichwohl nahmen sie im Februar 2004 ihre sexuelle Beziehung wieder auf. Im März 2004 lernten beide neue Partner kennen. Der
Kontakt zwischen O. G. und dem Angeklagten riss deshalb nicht ab; beide wussten von der neuen Partnerschaft des beziehungsweise der anderen nichts. Der Angeklagte besuchte O. G. mehrfach und übernachtete bei ihr, insbesondere noch mindestens zwei Mal, nachdem er bei einem dieser Besuche in der Nacht vom 29. auf den 30. März 2004 auf den in demselben Haus wohnenden neuen Freund von O. G. getroffen war, diesen angegriffen, erheblich verletzt und damit zur sofortigen Beendigung des Verhältnisses zu O. G. veranlasst hatte.
2. Die Tat:
Der Angeklagte besuchte O. G. entweder in der Nacht vom 9. auf den 10. April oder vom 10. auf den 11. April 2004 nach 22.30 Uhr erneut in ihrer Wohnung. Sie hatten auf dem Doppelbett im Schlafzimmer Geschlechtsverkehr. K. lag währenddessen auf der anderen Hälfte des Doppelbetts und schlief. Zwischen 00.00 Uhr und 01.00 Uhr gerieten der Angeklagte und O. G. in einen „irgendwie gearteten Beziehungsstreit“. Darüber hinaus vermochte die Strafkammer den Gegenstand dieses Streites nicht festzustellen.
Der Angeklagte beschloss - aus Wut oder weil ihm die lästige Streiterei nun endgültig auf die Nerven ging - spontan, O. G. zu töten. Er führte dies sogleich aus und erstickte O. G. , indem er eine weiche Bedeckung, vermutlich ein auf dem Bett liegendes Kissen, zwei bis fünf Minuten auf das Gesicht von O. oder - umgekehrt - den Kopf mit dem Gesicht in eine solche drückte, bis sie tot war.
K. war entweder schon durch den vorangegangnen Streit, spätestens aber als der Angeklagte O. G. tötete, wach geworden und fing an zu heulen. „Dadurch gestört und genervt und durch die unmittelbar vorangegangene Tötung von O. G. noch innerlich aufgewühlt, beschloss der Angeklagte, auch K. zu töten“. Der Angeklagte erstickte K. , der aufgrund seines geringen Alters und seiner verzögerten geistigen Entwicklung nicht fähig war, sich des Angriffs des Angeklagten zu versehen.
3. Verhalten nach der Tat:
Der Angeklagte verließ zunächst die Wohnung. Er ging vor dem Haus auf und ab und rauchte mehrere Zigaretten. Er stieg in sein Fahrzeug und fuhr ein Stück in Richtung H. . Während dieser Fahrt fasste er dann den Entschluss, die Leichen - in Spannbetttücher gepackt und mit Bakenfüßen beschwert - bei N. im Ne. zu versenken, um so im Zusammenhang mit entsprechenden Aufräumarbeiten in der Wohnung vorzutäuschen, dass O. G. und K. verreist seien. „Dieses Vorhaben führte er darauf kaltblütig aus.“ Die Täuschung hatte Erfolg bis die Leichen am 20. April (O. G. ) beziehungsweise am 21. Juni 2004 (K. ) wieder auftauchten.

II.


1. Zu den Mordmerkmalen stellte die Strafkammer folgende Erwägungen an:
„Es war zwar in Anbetracht des Nachtatverhaltens des Angeklagten nicht fern liegend, dass der Angeklagte, nachdem er O. G. getötet hatte, anschließend K. in der Absicht getötet hat, die Tötung vonO. G. dadurch zu verdecken.“ Dass der Angeklagte in entsprechender Absicht handelte, sah die Strafkammer jedoch nicht mit dem erforderlichen Maß an Sicherheit als erwiesen an. Der knapp zwei Jahre vier Monate alte K. , der aufgrund seiner verzögerten Entwicklung nicht sprechen konnte, wäre kein tauglicher Zeuge gewesen, sollte er die Tötung von O. G. durch den Angeklagten mitbekommen haben. Zudem sei nicht auszuschließen, dass K. erst während des Tatgeschehens aufwachte und das eigentliche Geschehen gar nicht wahrnehmen konnte. Entscheidend für die Strafkammer sei aber gewesen, dass es völlig unrealistisch sei anzunehmen, der Angeklagte habe direkt im Anschluss an die Tötung vonO. G. Plan den gefasst , die Tat zu vertuschen, die Leichen verschwinden zu lassen und den Anschein zu erwecken, O. G. und K. seien verreist, und deshalb K. getötet. Zu derartigen Überlegungen sei der Angeklagte - wie die Strafkammer dann noch näher begründet - in diesem Moment überhaupt nicht in der Lage gewesen.
Hinsichtlich des Mordmerkmals der Heimtücke hatte die Strafkammer wegen des Alters und der verzögerten geistigen Entwicklung erhebliche, letztlich nicht auszuräumende Zweifel, dass K. zu Argwohn fähig war.
Auch sonstige niedrige Beweggründe vermochte die Strafkammer bei der Tötung K. s nicht festzustellen, ersichtlich im Hinblick auf die innere Verfassung des Angeklagten bei dieser ebenfalls spontan verwirklichten zweiten Tat, so dass der Angeklagte - entsprechend der Bewertung beim Mordmerkmal
der Verdeckungsabsicht - die Umstände, die die Niedrigkeit der Beweggründe ausmachen, in ihrer Bedeutung für die Tatausführung nicht ins Bewusstsein aufgenommen und erkannt hat.
2. Einen besonders schweren Fall des Totschlags gemäß § 212 Abs. 2 StGB hat die Strafkammer schließlich ebenfalls verneint. Es könne auch bei K. nicht festgestellt werden, dass der Angeklagte besonders brutal und planmäßig vorgegangen sei. Auch sei das Verschulden des Angeklagten nicht derart außergewöhnlich groß, dass es ebenso schwer wiegt wie das eines Mörders. Insbesondere sei eine Nähe zu Mordmerkmalen nicht gegeben.

III.


1. Die Feststellung der Strafkammer, der Angeklagte habe - auch - seinen Sohn K. , wie in den Urteilsgründen im Einzelnen dargestellt, vorsätzlich erstickt, beruht auf einer sorgfältigen, widerspruchsfreien und insgesamt rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung.
2. Auch die Feststellungen zu den - hier in Betracht kommenden - Mordmerkmalen sind revisionsrechtlich letztlich nicht zu beanstanden. Die Beweise zu würdigen und den tatrelevanten Sachverhalt festzustellen, ist auch insoweit Sache des Tatrichters. Der Überprüfung durch das Revisionsgericht ist das nur in Grenzen zugänglich. Die Darlegungen, mit denen die Strafkammer das Vorliegen von Mordmerkmalen verneinte, sind noch tragfähig, auch hinsichtlich des Mordmerkmals der sonstigen niedrigen Beweggründe.
Zwar liegt es bei der Tötung eines Kindes wie K. , des eigenen knapp zweieinhalbjährigen, hilflosen und geistig behinderten Sohnes, bei den hier sonst festgestellten Tatumständen auf den ersten Blick nicht fern, dass der Täter aus sonstigen niederen Beweggründen handelte. Denn es ist im Grunde nichts ersichtlich, das der Tat den Anschein besonderer Verwerflichkeit (sittlich auf tiefster Stufe stehend) nehmen könnte. Allerdings setzt eine Verurteilung wegen Mordes, begangen aus niedrigen Beweggründen, voraus, dass ein als niedrig anzusehender Beweggrund zweifelsfrei positiv festgestellt ist. Kann das Gericht insoweit zu keiner eindeutigen Festlegung gelangen, weil es keinen von mehreren nach dem Beweisergebnis in Betracht kommenden Beweggründen ausschließen kann, so ist eine Verurteilung nur dann möglich, wenn jeder dieser Beweggründe als niedrig anzusehen ist (vgl. BGH GA 1980, 21). Wenn der Angeklagte ohne jeglichen Grund gehandelt hätte, stellt dies für sich im Grundsatz noch keinen niedrigen Beweggrund dar (ebenda). “Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der rechtswidrigen Tat nach § 212 StGB schon an sich ein unerträgliches Missverhältnis innewohnt; daher wäre es, auch im Hinblick auf § 103 Abs. 2 GG und die absolute Rechtsfolge des § 211 StGB verfehlt, jede vorsätzliche Tötung, für welche sich kein ‚nachvollziehbarer’ oder nahe liegender Grund finden lässt, als Mord aus niedrigen Beweggründen anzusehen“ (Tröndle/Fischer StGB 52. Aufl. § 211 Rdn. 9). Auch in der Entscheidung BGHSt 47, 128 wird darauf abgestellt, dass die subjektive Bereitschaft zum absolut grundlosen Töten definitiv festgestellt wird. Auch dass der Angeklagte spontan handelte und sich in einer emotional aufgewühlten Lage befand, schließt sonstige niedrige Beweggründe zwar nicht aus. Dies bedarf dann aber besonderer Prüfung (vgl. Tröndle/Fischer StGB 52. Aufl. § 211 Rdn. 12 m.w.N.). Die Tötung eines Menschen in der Erregung, in einer aufgewühlten Situation, genervt, wovon die Strafkammer ausgeht, steht für sich genommen
nicht von vorneherein auf der sittlich niedrigsten Stufe. Gefühlsregungen wie Wut, Ärger, Hass und Rache kommen in der Regel nur dann als niedrige Beweggründe in Betracht, wenn sie ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhen (vgl. BGH NStZ 2004, 34 m.w.N.). Zu all dem verhält sich das Urteil zwar kaum. Feststellungen hierzu zu treffen, sah sich die Strafkammer trotz Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten offensichtlich nicht in der Lage. Ein durchgreifender Mangel ist darin in diesem Fall jedoch nicht zu sehen. Denn es bedarf zudem - und das ist hier entscheidend - zweifelsfreier Feststellung, dass sich der Angeklagte bei Begehung der Tat der besonderen Verwerflichkeit seines Tuns bewusst war (vgl. BGH NStZ 2005, 331). Davon kann aber - selbst wenn von besonderer Verwerflichkeit in objektiver Hinsicht auszugehen wäre - im vorliegenden Fall nach den Feststellungen der Strafkammer zur subjektiven Seite der Mordmerkmale der Verdeckungsabsicht und der sonstigen niedrigen Beweggründe beim Angeklagten gerade nicht ausgegangen werden.
3. Allerdings ist der Strafkammer vor dem Hintergrund der Feststellungen zu den Mordmerkmalen bei der Strafzumessung, ausgehend vom Tatbestand des Totschlags, ein Wertungsfehler unterlaufen. Die Strafkammer hat die Ablehnung der Einstufung der Tötung K. s als besonders schweren Fall des Totschlags gemäß § 212 Abs. 2 StGB insbesondere darauf gestützt, dass eine Nähe zu Mordmerkmalen nicht gegeben sei. Tatsächlich lagen aber - so die Strafkammer - Mordmerkmale gerade nicht fern. Insbesondere das Mordmerkmal der sonstigen niedrigen Beweggründe war letztlich objektiv gegeben. Seine Annahme scheiterte im Ergebnis nur daran, dass die Strafkammer die subjektive Tatseite verneint hat. Hinzu kommt, dass der Angeklagte zwei Menschen getötet hat, ein Umstand, den das Landgericht in diesem Zusammenhang als Strafschärfungsgrund mit hätte bedenken müssen.
Die Strafzumessung bedarf daher hinsichtlich der Tat zum Nachteil des Kindes K. – insbesondere im Hinblick auf § 212 Abs. 2 StGB – sowie zur Gesamtstrafe neuer Verhandlung und Entscheidung. Die bisher getroffenen Feststellungen sind von diesem Wertungsversehen nicht betroffen und können bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen, die den bislang getroffenen nicht widersprechen, sind möglich.
Nack Kolz Hebenstreit Elf Graf
6
Diese Rechtsauffassung geht fehl. Im Ansatz richtig nimmt der Strafsenat zwar an, dass höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Personen einer additiven Betrachtungsweise, wie sie der natürlichen Handlungseinheit zugrunde liegt, nur ausnahmsweise zugänglich sind. Greift daher der Täter einzelne Menschen nacheinander an, um jeden von ihnen in seiner Individualität zu beeinträchtigen , so besteht sowohl bei natürlicher als auch bei rechtsethisch wertender Betrachtungsweise selbst bei einheitlichem Tatentschluss und engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang regelmäßig kein Anlass, diese Vorgänge als eine Tat zusammenzufassen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 1994 - 4 StR 683/93, BGHR StGB vor § 1/natürliche Handlungseinheit Entschluss, einheitlicher 9; Beschluss vom 11. Oktober 2005 - 1 StR 195/05, NStZ 2006, 284, 285 f.). Etwas anderes gilt aber dann, wenn eine Aufspaltung in Einzeltaten wegen eines außergewöhnlich engen zeitlichen und situativen Zusammenhangs oder bei einem gegen eine aus der Sicht des Täters nicht individualisierte Personenmehrheit gerichteten Angriff willkürlich und gekünstelt erschiene (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2004 - 4 StR 268/04, NStZ 2005, 262, 263).

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

13
Ob das Tatgericht die Voraussetzungen des § 46a StGB annimmt, hat es in wertender Betrachtung zu entscheiden (vgl. nur BGH, Urteil vom 6. Februar 2008 - 2 StR 561/07, NStZ 2008, 452). Die - vorrangig den Ausgleich immaterieller Tatfolgen betreffende - Alternative des § 46a Nr. 1 StGB macht die Milderungsmöglichkeit davon abhängig, dass der Täter in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Tatopfer zu erreichen, die Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder dieses Ziel jedenfalls ernsthaft erstrebt hat. Das erfordert - in beiden Varianten - grundsätzlich einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer, im Rahmen dessen das Bemühen des Täters Ausdruck der Übernahme von Verantwortung ist und das Opfer die Leistungen des Täters als friedensstiftenden Ausgleich akzeptiert. Die Wiedergutmachung muss auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen gerichtet sein (BGH, Urteil vom 9. Mai 2017 - 1 StR 576/16, NStZ-RR 2017, 198, 199; Beschluss vom 28. Januar 2016 - 3 StR 354/15, NStZ 2016, 401, 402, jew. mwN). Bloß einseitige Bemühungen des Täters ohne den Versuch einer Einbindung des Opfers sind dagegen nicht ausreichend (vgl. BGH, Urteile vom 19. Dezember 2002 - 1 StR 405/02, BGHSt 48, 134, 142 f. mwN; vom 28. Mai 2015 - 3 StR 89/15, juris Rn. 11).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 2 6 6 / 1 4
vom
8. Juli 2014
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Juli 2014 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 9. Januar 2014 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat: Das Landgericht hat im Ergebnis die Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB ohne Rechtsfehler verneint.
Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hatte der Angeklagte über seinen später verstorbenen Bruder vor Oktober 2013 dem Vater des Geschädigten C. eine Ausgleichszahlung von 10.000 Euro angeboten. Nach dem Tod des Bruders kam es zu keinen weiteren unmittelbaren oder mittelbaren Kontakten zwischen dem Angeklagten und dem Geschädigten mehr. Erst in der Hauptverhandlung erneuerte der Angeklagte das frühere Angebot. Der Geschädigte nahm dieses jedoch nicht an, behielt sich aber eine spätere Annahme vor.
Bei dieser Sachlage fehlt es an dem nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für § 46a Nr. 1 StGB verlangten kommunikativen Pro- zess zwischen Täter und Opfer, der auf einen umfassenden friedensstiftenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen angelegt ist und „Aus- druck der Übernahme von Verantwortung sein muss“ (BGH, Urteile vom 19. Dezember 2002 – 1 StR 405/02, BGHSt 48, 134, 139 und 141; vom 7. Dezember 2005 – 1 StR 287/05, NStZ 2006, 275, 276; vom 23. Mai 2013 – 4 StR 109/13 mwN,NStZ-RR 2013, 240 [LS]). Voraussetzung eines solchen kommunikativen Prozesses ist, dass sich das geschädigte Opfer auf freiwilliger Basis zu einem Ausgleich mit dem Täter bereit findet und sich darauf einlässt (BGH, Urteil vom 7. Dezember 2005 – 1 StR 287/05, NStZ 2006, 275, 276). Die vom Täter angebotenen Leistungen müssen vom Tatopfer als friedensstiftender Ausgleich akzeptiert werden (vgl. nur BGH, Urteile vom 7. Dezember 2005 – 1 StR 287/05, NStZ 2006, 275, 276; vom 23. Mai 2013 – 4 StR 109/13, NStZ- RR 2013, 240 [LS]).
An einem derartigen kommunikativen Prozess fehlt es hier. Zwar steht einem vom Opfer als friedensstiftend akzeptierten Ausgleich weder entgegen, dass der Angeklagte seine Ausgleichszahlung ursprünglich lediglich über Vermittler auf beiden Seiten unterbreitet hatte (vgl. BGH, Urteil vom 7. Dezember 2005 – 1 StR 287/05, NStZ 2006, 275, 276) noch, dass das Angebot erst in der Hauptverhandlung (erneut) erfolgte (dazu BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2008 – 1 StR 359/08, NStZ-RR 2009, 17, 18). Nach den getroffenen Feststellungen hat sich der Geschädigte C. aber gerade nicht auf einen kommunikativen Prozess mit dem Angeklagten eingelassen und die angebotene Ausgleichszahlung auch nicht als friedensstiftende Leistung akzeptiert. Bereits auf das erste vermittelte Angebot hat der Geschädigte nicht reagiert. Unabhängig von dem Tod des zuvor als Überbringer des Ausgleichsangebots auftretenden Bruders des Angeklagten ist keinerlei Eingehen des Geschädigten C. auf den Vorschlag – auch nicht über seinen Vater als Empfänger desAngebots – festgestellt. In der Hauptverhandlung hat C. die Zahlung ebenfalls nicht als friedensstiftend akzeptiert. Der Vorbehalt dies zukünftig möglicherweise noch tun zu wollen, ändert daran nichts.
Rothfuß Graf Jäger Radtke Mosbacher

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 287/05
vom
7. Dezember 2005
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
7. Dezember 2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Kolz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 30. März 2005 im Strafausspruch in den Fällen II.1. und II.3. sowie im Gesamtstrafenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Freiburg zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung, wegen sexueller Nötigung sowie wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Des Weiteren hat das Landgericht dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist für die Wiedererteilung einer neuen Fahrerlaubnis ausgesprochen. Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten, auf die Einzelstrafaussprüche in den Fällen II.1. und II.3. und den Gesamtstrafenausspruch beschränkten Revision greift die Staatsanwaltschaft mit der Sachbeschwerde die Bemessung der Freiheitsstrafen an. Sie wendet sich dabei gegen die jeweils mit einem Täter-Opfer-Ausgleich nach § 46a Nr. 1 StGB begründete Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1 StGB. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

Das Landgericht hat unter anderem folgende Feststellungen getroffen: 1. (Fall II.1.): Am 9. März 2003 saß der Angeklagte als Beifahrer in dem von C. gesteuerten Pkw - auf der Rückbank saß die zur Tatzeit 15 Jahre alte G. , als dieser den Wagen auf dem Hinterhof eines Autohauses in V. parkte. Nachdem C. das Fahrzeug in der Absicht verlassen hatte, sich in einem nahe gelegenen Fastfood-Restaurant etwas zum Essen zu kaufen, stieg der Angeklagte vom Beifahrersitz auf die Rückbank zu der Geschädigten G. . Er verriegelte den Pkw von innen, legte sodann seinen Arm um G. und griff ihr entgegen deren körperlichen Widerstand über der Kleidung an die Brust und ebenfalls über der Kleidung zwischen die Beine in Richtung Geschlechtsteil. Er versuchte sodann, der Geschädigten G. die Hose zu öffnen, um weitere sexuelle Handlungen an ihrem Geschlechtsteil vorzunehmen. Jedoch gelang es dieser, dem Angeklagten einen Ellenbogen ins Gesicht zu schlagen, worauf er kurz von ihr abließ. Die Geschädigte G. nutzte diese Gelegenheit, um das Fahrzeug zu öffnen und zu entfliehen. 2. (Fall II. 3.): Am selben Abend des 8. Juni 2004 fuhr der Angeklagte in einem Pkw Opel in S. umher und bemerkte die zur Tatzeit 17 Jahre neun Monate alte Geschädigte F. , die zusammen mit ihrem Bekannten St. zu Fuß unterwegs war. Er sprach die beiden, ihm bis dahin unbekannten Personen, an. Er fragte sie dann, ob sie "ein paar Stadtrunden" mit ihm drehen würden, worauf diese in den Pkw einstiegen. Nachdem man an einer Tankstelle Bier eingekauft hatte, parkte der Angeklagte das Fahrzeug auf dem Parkplatz eines Lebensmittelmarktes. Als der Bekannte der Geschädigten F. das Fahrzeug verlassen hatte, um in der Nähe Kaugummi
zu kaufen, fuhr der Angeklagte mit dem Fahrzeug und der Geschädigten weg unter dem Vorwand, mit ihr "reden zu wollen". Er hielt in der Folge auf einem anderen Parkplatz an, fasste der Geschädigten an den Schenkel und kurbelte sodann den Beifahrersitz des Fahrzeugs, auf dem die Geschädigte Platz genommen hatte, nach hinten. Mit einer Hand hielt er beide Hände der Geschädigten über deren Kopf fest und schob dann gegen ihren Widerstand den Stoffrock nach oben, dann zog er den Slip der Geschädigten aus und führte den ungeschützten Geschlechtsverkehr bis kurz vor dem Samenerguss durch. Bei diesem Geschehen weinte die Geschädigte und bat den Angeklagten aufzuhören. Dies hielt ihn jedoch nicht ab. Kurz vor dem Samenerguss zog er sein Glied aus der Scheide und ejakulierte auf den Unterleib und den Rock. In der Folge brachte er die Geschädigte zu dem Parkplatz zurück, auf welchem der Bekannte St. wartete. 3. Zur Anwendung des § 46a StGB in beiden vorgenannten Fällen hat die Strafkammer folgendes ausgeführt: Vor der Hauptverhandlung hat die Kammer auf Anregung des Verteidigers des Angeklagten mit diesem und der Staatsanwaltschaft ein Gespräch geführt , "wie alle Beteiligten die Sachlage vorläufig einordneten". Die Kammer teilte hierbei allen Beteiligten mit, "dass, für den Fall, dass ein umfassendes Geständnis des Angeklagten in Bezug auf alle drei Anklagepunkte erfolge und sich in der Hauptverhandlung ergäbe, dass die Voraussetzungen eines Täter-OpferAusgleiches vorliegen," … "durchaus noch die Verhängung einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren in Betracht komme". Nachdem die Staatsanwaltschaft bei diesem Gespräch zunächst keine Entscheidung über ihr Einverständnis mit einem solchen Procedere getroffen hatte, teilte sie in der Hauptverhandlung noch vor Vernehmung des Angeklagten zur Person und zur Sache mit, dass sie mit einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren oder darunter
nicht einverstanden sei. Des Weiteren hat der Verteidiger in der Hauptverhandlung mitgeteilt, dass der Angeklagte an ihn zu Gunsten der Geschädigten G. 2.500 € sowie zu Gunsten der Geschädigten F. 4.000 € überwiesen habe, verbunden mit dem Auftrag zur Weiterleitung der Geldbeträge an die Geschädigten. Allerdings seien diese Überweisungen aus seinem, des Verteidigers Verschulden, bislang versäumt worden; sie würden jedoch nun unverzüglich vorgenommen werden. Der Angeklagte legte in der Hauptverhandlung mittels einer vom Verteidiger verlesenen Erklärung ein Geständnis zu den ihm vorgeworfenen Taten ab und teilte mit, dass er die Taten bereue. Von einer schriftlichen Entschuldigung vor der Hauptverhandlung habe er auf Anraten seines Anwaltes abgesehen, weil dieser befürchtet habe, dass die Geschädigten bei Erhalt eines Entschuldigungsbriefes erneut leiden müssten. Äußerungen der beiden Geschädigten hierzu und deren Auffassung über eine Wiedergutmachung - entweder direkt oder über Bezugspersonen eingeholt - finden sich in den Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht.

II.

Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet. Die Bejahung der Voraussetzungen des Täter-Opfer-Ausgleichs des hier in erster Linie in Betracht kommenden § 46a Nr. 1 StGB durch das Landgericht begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. 1. § 46a Nr. 1 StGB verlangt, dass der Täter im Bemühen, einen Ausgleich mit dem Opfer zu erreichen, die Tat "ganz oder zum überwiegenden Teil" wieder gutgemacht hat, wobei es aber auch ausreichend sein kann, dass der Täter dieses Ziel ernsthaft erstrebt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt dies grundsätzlich ein Bemühen des Täters um einen
kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden , friedensstiftenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen angelegt sein muss. Das einseitige Wiedergutmachungsbestreben ohne den Versuch der Einbeziehung des Opfers genügt dazu nicht (BGH NStZ 1995, 492; NJW 2001, 2557; NStZ 2002, 29; BGH, Urt. vom 27. August 2002 - 1 StR 204/02). Wenngleich ein "Wiedergutmachungserfolg" nicht zwingende Voraussetzung ist, so muss sich doch das Opfer auf freiwilliger Grundlage zu einem Ausgleich bereit finden und sich auf ihn einlassen. Dabei reicht aber allein die Erfüllung von Schadensersatzansprüchen nicht aus; insbesondere kann dadurch nicht das Erfordernis eines kommunikativen Prozesses zwischen Täter und Opfer ersetzt werden. Aus der Sicht des Opfers ist es für die verlangte Kommunikation unabdingbar , dass es in den Dialog mit dem Täter über die zur Wiedergutmachung erforderlichen Leistungen einbezogen wird. Ein erfolgreicher Täter-OpferAusgleich im Sinne des § 46a Nr. 1 StGB setzt grundsätzlich voraus, dass das Opfer die Leistungen des Täters als friedensstiftenden Ausgleich akzeptiert (BGH, Urt. vom 31. Mai 2002 - 2 StR 73/02 -, NStZ 2002, 646; Urt. vom 19. Dezember 2002 - 1 StR 405/02). Dies ergibt sich schon daraus, dass überhaupt nur angemessene und nachhaltige Leistungen die erlittenen Schädigungen ausgleichen und zu einer Genugtuung für das Opfer führen können. Lässt sich das Tatopfer - etwa weil das Delikt oder Art und Umfang der Schädigungen ihm einen Ausgleich unmöglich machen - auf einen kommunikativen Prozess nicht ein, so ist das Verfahren für die Durchführung eines Täter-Opfer-Ausgleichs nicht geeignet (vgl. BTDrucks. 14/1928 S. 8; BGH aaO). In gleicher Weise fehlt es an einem kommunikativen Prozess und damit an den Voraussetzungen eines Täter-Opfer-Ausgleichs, wenn das Opfer überhaupt nicht - sei es persönlich oder durch einen Vertreter bzw. Vermittler - beteiligt ist. Dass dem Opfer eine solche Beteiligung möglich gemacht wird, liegt nach der Intention der gesetzli-
chen Regelung im Wesentlichen im Verantwortungsbereich des Täters, das heißt, seine Bemühungen müssen naturgemäß zumindest den Versuch der Einbeziehung des Opfers in den kommunikativen Prozess enthalten. Regelmäßig sind daher tatrichterliche Feststellungen dazu erforderlich, wie sich das Opfer zu den Bemühungen des Täters gestellt hat, wie sicher die Erfüllung einer etwaigen Schmerzensgeldzahlungsverpflichtung ist und welche Folgen diese Verpflichtung für den Täter haben wird (BGH NStZ 2002, 29; BGH, Beschluss vom 22. Januar 2002 - 1 StR 500/01). Darüber hinaus kann der Tatrichter nur dann die Angemessenheit einer etwaigen Schmerzensgeldverpflichtung beurteilen, wenn er ausreichende Feststellungen dazu trifft, welche Schäden das Opfer durch die Tat erlitten hat und gegebenenfalls welche Folgen fortbestehen. Auf dieser Grundlage und unter Berücksichtigung der weiteren Umstände hat der Tatrichter in "wertender Betrachtung" und schließlich nach Ermessensgesichtspunkten zu entscheiden, ob er die Voraussetzungen des Täter-Opfer-Ausgleichs annimmt und danach von der so eröffneten Milderungsmöglichkeit Gebrauch macht. 2. Das Landgericht hat diese Maßstäbe nicht ausreichend beachtet. Die Urteilsgründe belegen die Voraussetzungen eines erfolgreichen Täter-OpferAusgleichs nicht.
a) Schon ein ernsthaftes, auf einen Ausgleich mit der Geschädigten gerichtetes Bemühen des Angeklagten nach § 46a Nr. 1 StGB ist den Urteilsgründen nicht sicher zu entnehmen. Die Strafkammer hat bei der Unterredung mit Staatsanwaltschaft und Verteidigung vor der Hauptverhandlung bereits auf einen Täter-Opfer-Ausgleich hingewirkt. Dennoch hat der Angeklagte keine Bemühungen entfaltet, um entweder direkt oder über vermittelnde Dritte, gegebenenfalls auch seinen Verteidiger, mit dem Opfer in Kontakt zu treten und einen
Ausgleich zu versuchen. Hierbei kann ihn seine Erklärung nicht entlasten, er habe auf Anraten seines Verteidigers von einer schriftlichen Entschuldigung abgesehen; denn die behauptete Befürchtung,die Opfer müssten bei Erhalt des Briefes "erneut leiden", müsste in allen Fällen von Sexualdelikten gelten und würde damit einen Täter-Opfer-Ausgleich bei solchen Taten grundsätzlich ausschließen. Spätestens im zeitlichen Zusammenhang mit dem Beginn der Hauptverhandlung, zu welcher die Geschädigten zunächst geladen waren und diese sich damit ohnehin gedanklich mit dem jeweiligen Geschehen auseinandersetzen mussten, wäre eine Kontaktaufnahme in der beschriebenen Form erforderlich und möglich gewesen. Allein die Erklärung des Angeklagten in der Hauptverhandlung, dass er die Taten bereue und sich bei den Geschädigten entschuldigen wolle, reicht nicht hin, zumal diese nicht bei dieser Erklärung anwesend waren.
b) Auch genügen die vom Verteidiger zugesagten Zahlungen von Schmerzensgeld in Höhe von 2.500 € zugunsten der Geschädigten G. bzw. von 4.000 € zugunsten der Geschädigten F. den Anforderungen des § 46a Nr. 1 StGB nicht. Die Urteilsgründe teilen lediglich mit, der Angeklagte habe diese Beträge als Schmerzensgeld zur Verfügung gestellt und der Verteidiger habe zugesagt, sie den Geschädigten zu übermitteln. Wie der Angeklagte das Geld aufgebracht hat und ob diese Zahlungen tatsächlich seinen finanziellen Möglichkeiten entsprechen, hat die Strafkammer ebenso wenig dargelegt wie die für die Angemessenheit der Zahlungen eventuell verbliebenen Tatfolgen sowie die für die Beurteilung der Genugtuungsfunktion als wesentlich anzusehende Akzeptanz durch die Tatopfer.
c) Schließlich ergibt sich aus den Urteilsgründen kein Anhalt dafür, dass die Geschädigten den Täter-Opfer-Ausgleich "ernsthaft mitgetragen" und diesen als friedensstiftende Konfliktregelung "innerlich akzeptiert" haben. Vielmehr
können die Zahlungen an die Geschädigten ohne jede vorherige Einbeziehung in einen kommunikativen Prozess allein zur Vermeidung einer längeren Freiheitsstrafe für den Angeklagten erbracht erscheinen, was für einen Täter-OpferAusgleich nicht genügen würde. 3. Der Senat hat mit Blick auf UA S. 7 von der Möglichkeit gemäß § 354 Abs. 2 Satz 1 I. Halbs. StPO Gebrauch gemacht und die Sache an das Landgericht Freiburg verwiesen (vgl. hierzu auch KK-StPO Kuckein § 354 Rdn. 37). Nack Wahl Kolz Elf Graf
13
Ob das Tatgericht die Voraussetzungen des § 46a StGB annimmt, hat es in wertender Betrachtung zu entscheiden (vgl. nur BGH, Urteil vom 6. Februar 2008 - 2 StR 561/07, NStZ 2008, 452). Die - vorrangig den Ausgleich immaterieller Tatfolgen betreffende - Alternative des § 46a Nr. 1 StGB macht die Milderungsmöglichkeit davon abhängig, dass der Täter in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Tatopfer zu erreichen, die Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder dieses Ziel jedenfalls ernsthaft erstrebt hat. Das erfordert - in beiden Varianten - grundsätzlich einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer, im Rahmen dessen das Bemühen des Täters Ausdruck der Übernahme von Verantwortung ist und das Opfer die Leistungen des Täters als friedensstiftenden Ausgleich akzeptiert. Die Wiedergutmachung muss auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen gerichtet sein (BGH, Urteil vom 9. Mai 2017 - 1 StR 576/16, NStZ-RR 2017, 198, 199; Beschluss vom 28. Januar 2016 - 3 StR 354/15, NStZ 2016, 401, 402, jew. mwN). Bloß einseitige Bemühungen des Täters ohne den Versuch einer Einbindung des Opfers sind dagegen nicht ausreichend (vgl. BGH, Urteile vom 19. Dezember 2002 - 1 StR 405/02, BGHSt 48, 134, 142 f. mwN; vom 28. Mai 2015 - 3 StR 89/15, juris Rn. 11).
20
Soweit die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verlangt, dass das Verhalten des Täters sich als Ausdruck der Übernahme von Verantwortung darstellt (Senatsurteil vom 25. Mai 2001 - 2 StR 78/01, NJW 2001, 2557), steht dem nicht entgegen, dass der Angeklagte M. eine Tötungsabsicht bestritten und damit den Tatvorwurf nicht vollumfänglich eingeräumt hat (vgl. UA S. 20 f.). Dies schließt die von dem Landgericht angenommene Verantwortungsübernahme für die Tat (UA S. 63) nicht aus. Der Angeklagte hat dadurch seine Verantwortung für die Tat und deren Folgen nicht in Abrede gestellt. Er hat das objektive Tatgeschehen vielmehr weitgehend eingeräumt (UA S. 19 ff.) und die "Opfer-Position" des Geschädigten nicht bestritten (vgl. Senatsurteil vom 10. Februar 2010 - 2 StR 391/09, NStZ-RR 2010, 175, 176 [Behauptung einer Notwehrlage]). Soweit ein Angeklagter lediglich einzelne Umstände der Tatbegehung beschönigt, steht dies einer Anwendung des § 46a Nr. 1 StGB nicht entgegen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 20. September 2002 - 2 StR 336/02, NStZ 2003, 199, 200 und vom 25. Juni 2008 - 2 StR 217/08, NStZ-RR 2008, 304).

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.