vorgehend
Amtsgericht Gießen, 230 XVII 381/17 G, 16.07.2018
Landgericht Gießen, 7 T 295/18, 05.10.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 501/18
vom
20. November 2019
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Besteht für den Betroffenen eine vorläufige Betreuung, so kann ein sog. Ergänzungs
- oder Verhinderungsbetreuer ebenfalls nur vorläufig und damit durch
einstweilige Anordnung bestellt werden.
BGH, Beschluss vom 20. November 2019 - XII ZB 501/18 - LG Gießen
AG Gießen
ECLI:DE:BGH:2019:201119BXIIZB501.18.0

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. November 2019 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Schilling, Dr. Nedden-Boeger, Dr. Botur und Guhling
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerden der Betroffenen und der weiteren Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Gießen vom 5. Oktober 2018 werden verworfen. Das Rechtsbeschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet. Wert: 5.000 €

Gründe:

I.

1
Erstmals mit Beschluss vom 4. April 2017 errichtete das Amtsgericht für die Betroffene eine bis zum 3. Oktober 2017 befristete vorläufige Betreuung. Zur Betreuerin für den umfassenden Aufgabenkreis wurde die Beteiligte zu 2, eine Rechtsanwältin, bestellt. Mit Beschluss vom 19. Oktober 2017 ordnete das Amtsgericht an, dass "die bestehende vorläufige Betreuung durch weitere einstweilige Anordnung mit rückwirkender Kraft über den 03.10.2017 hinaus bis zum 03.04.2018 verlängert" werde. Mit weiterer einstweiliger Anordnung vom 3. April 2018 sprach das Amtsgericht eine erneute Verlängerung der vorläufigen Betreuung bis zum 3. Oktober 2018 aus und bestellte die Beteiligte zu 2 schließlich mit Beschluss vom 27. August 2018 zur gesetzlichen Betreuerin.
2
Am 11. Juni 2018 hat sich die Beteiligte zu 2 an das Amtsgericht mit der Bitte um Prüfung gewandt, ob die Übermittlung einer Belehrung nach der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) zur Kenntnisnahme an die Betroffene ausreiche, eine Unterzeichnung durch die Betroffene erforderlich sei und für den Vorgang ein Verfahrenspfleger bestellt werden müsse. Daraufhin hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 16. Juli 2018 entschieden, dass die Betreuerin als gesetzliche Vertreterin der Betroffenen selbst in die Speicherung der Daten einwilligen könne.
3
Auf die dagegen von der im Zuge der Prüfung einer dauerhaften Betreuung bestellten Verfahrenspflegerin (Beteiligte zu 1) eingelegte Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluss vom 5. Oktober 2018 die Beschwerde zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Einer Einwilligung der Betroffenen in die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten durch die Betreuerin bedürfe es gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. c DSGVO nicht.
4
Mit ihren hiergegen eingelegten Rechtsbeschwerden wollen die Betroffene und die Beteiligte zu 1 unter Aufhebung der beiden vorinstanzlichen Beschlüsse den Ausspruch erreichen, dass die Einwilligung der Betroffenen in die Speicherung ihrer Daten bei der Betreuung nach der Datenschutzgrundverordnung nicht durch die Betreuerin selbst erteilt werden kann.

II.

5
Die Rechtsbeschwerden haben keinen Erfolg.
6
1. Sie sind bereits gemäß § 70 Abs. 4 FamFG unstatthaft, weil der Ausgangsbeschluss des Amtsgerichts im Verfahren über die Anordnung einer einstweiligen Anordnung ergangen ist. An der mithin bestehenden Begrenzung des Instanzenzuges ändert auch die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Beschwerdegericht nichts (vgl. Senatsbeschluss vom 11. September 2013 - XII ZA 54/13 - FamRZ 2013, 1878 Rn. 9).
7
a) Gegenstand des Verfahrens ist nicht - wovon die Beteiligte zu 1 bei ihrer Beschwerde erklärtermaßen und ausweislich der Antragstellung nun offensichtlich auch die Rechtsbeschwerden ausgehen - die isolierte Ermächtigung der Betreuerin zur Erteilung der Einwilligung in eine Datenspeicherung durch sie selbst. Vielmehr haben sich die beiden Vorinstanzen auf das Schreiben der Betreuerin vom 11. Juni 2018 hin jedenfalls im Ansatz zutreffend die Frage vorgelegt , ob die Bestellung eines Ergänzungsbetreuers gemäß § 1899 Abs. 4 BGB zum Zwecke der Erteilung einer Einwilligung nach Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO erforderlich ist, und diese Frage mit unterschiedlichen Begründungen verneint.
8
b) Diese Frage war hier aber im Verfahren der einstweiligen Anordnung zu beantworten. Denn zum Zeitpunkt der amtsgerichtlichen Entscheidung war für die Betroffene allein eine vorläufige Betreuung durch einstweilige Anordnung gemäß § 300 FamFG errichtet.
9
Dies gilt trotz des Umstands, dass das Amtsgericht bei seinem Beschluss vom 3. April 2018, mit dem es die vorläufige Betreuung über eine Gesamtdauer von einem Jahr hinaus verlängern wollte, die zeitliche Grenze des § 302 Satz 2 FamFG verkannt hat. Der ausdrückliche gerichtliche Entscheidungswille war nämlich beim Beschluss vom 3. April 2018 auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichtet (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Juli 2015 - XII ZB 586/14 - FamRZ 2015, 1877 Rn. 6 und BGH Beschluss vom 21. November 2013 - V ZB 96/13 - FGPrax 2014, 87 Rn. 6; vgl. auch Senatsbe- schluss vom 1. Juni 2016 - XII ZB 23/16 - FamRZ 2016, 1354 Rn. 9), so dass die Beteiligte zu 2 weiterhin lediglich zur vorläufigen Betreuerin bestellt war.
10
c) Damit ging es bei der verfahrensgegenständlichen Prüfung und Entscheidung des Amtsgerichts allein darum, ob der vorläufigen Betreuerin ein vorläufiger Ergänzungsbetreuer zur Seite gestellt werden musste.
11
Nach § 1899 Abs. 4 BGB kann das Gericht mehrere Betreuer auch in der Weise bestellen, dass der eine die Angelegenheiten des Betreuten nur zu besorgen hat, soweit der andere verhindert ist. Dieser sog. Ergänzungs- oder Verhinderungsbetreuer wird mithin allein im bestehenden Aufgabenkreis der Hauptbetreuung tätig und tritt im Fall der tatsächlichen oder rechtlichen Verhinderung des Betreuers an dessen Stelle. Mit seiner Bestellung ist hingegen keine Erweiterung des Aufgabenkreises der Betreuung verbunden (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Januar 2017 - XII ZB 305/16 - FamRZ 2017, 549 Rn. 19). Die Ergänzungsbetreuung ist daher mit der Betreuung verknüpft und von deren Bestehen abhängig, so dass sie nicht über die Betreuung hinaus andauern kann. Aus der zeitlichen Befristung einer vorläufigen Betreuung nach § 302 Satz 1 FamFG (vgl. dazu Senatsbeschlüsse vom 13. Januar 2016 - XII ZB 101/13 - FamRZ 2016, 706 Rn. 7 und vom 14. Dezember 2011 - XII ZB 489/10 - FamRZ 2012, 295 Rn. 11) folgt deshalb, dass auch die Ergänzungsbetreuung mit dem Ablauf der für die vorläufige Betreuung bestimmten Frist enden muss. Dies bedingt , dass im Rahmen einer vorläufigen Betreuung nur eine vorläufige Ergänzungsbetreuung angeordnet werden kann.
12
d) Dass sich das Amtsgericht bei seiner eine solche (vorläufige) Ergänzungsbetreuung ablehnenden Entscheidung nicht erkennbar damit auseinandergesetzt hat, in welcher Verfahrensart sie ergeht, und in der Rechtsmittelbelehrung statt der Zwei-Wochen-Frist des § 63 Abs. 2 Nr. 1 FamFG die Monats- frist des § 63 Abs. 1 FamFG genannt hat, führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Denn die Statthaftigkeit eines Rechtsmittels richtet sich allein nach der Rechtsnatur der vom Gericht erlassenen Entscheidung (Senatsbeschlüsse vom 1. Juni 2016 - XII ZB 23/16 - FamRZ 2016, 1354 Rn. 8 und vom 8. Juli 2015 - XII ZB 586/14 - FamRZ 2015, 1877 Rn. 5). Dieser lässt sich hier schon nicht entnehmen, dass das Amtsgericht trotz der aufgrund der Betreuerbestellung im Wege der einstweiligen Anordnung vorgegebenen Verfahrensart im Hauptsacheverfahren entscheiden wollte.
13
e) Nichts Gegenteiliges folgt schließlich daraus, dass zum Zeitpunkt der landgerichtlichen Entscheidung bereits eine Betreuung im Hauptsacheverfahren errichtet war. Dem Landgericht im Beschwerdeverfahren angefallen war nicht die Ablehnung einer Ergänzungsbetreuung im Hauptsacheverfahren, sondern eine solche im Verfahren der einstweiligen Anordnung.
14
2. Unabhängig von der Frage ihrer Zulässigkeit sind die Rechtsbeschwerden auch in der Sache unbegründet, ohne dass es auf Probleme der Datenschutzgrundverordnung ankäme. Denn die Erstbeschwerde war unzulässig , weil es der Beteiligten zu 1 als alleiniger Rechtsmittelführerin an der erforderlichen Beschwerdeberechtigung gefehlt hat.
15
Dem Verfahrenspfleger wird zwar durch § 303 Abs. 3 FamFG das Recht einer Beschwerde im eigenen Namen eingeräumt. Dies setzt jedoch voraus, dass er für das Verfahren bestellt worden ist, in dem die anzufechtende Entscheidung ergeht. Daran fehlt es hier. Denn das Amtsgericht hat die Beteiligte zu 1 allein in dem auf die Errichtung einer dauerhaften Betreuung gerichteten Verfahren bestellt. Mit Verfügung vom 24. April 2018 hat es ihr die Gerichtsakten mit der Bitte zugeleitet, "als Berufsverfahrenspflegerin der Betreuten für diese zur Anordnung der Betreuung auf Dauer Stellung zu nehmen." Eine erneute Aktenzuleitung ist aufgrund Verfügung vom 4. Juni 2018 mit der Bitte erfolgt, zur Verwertung eines Pflegegutachtens im Betreuungsverfahren Stellung zu nehmen. Für das hiervon unabhängige vorliegende Verfahren, das die Frage zum Gegenstand hatte, ob der vorläufigen Betreuerin ein (vorläufiger) Ergänzungsbetreuer für eine datenschutzrechtliche Einwilligungserklärung zur Seite gestellt werden musste, hatte das Amtsgericht hingegen keine Verfahrenspflegschaft angeordnet. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass das Amtsgericht den Beschluss vom 16. Juli 2018 der Verfahrenspflegerin zur Kenntnis übersandt hat. Denn mit der Übersendung der die Instanz insoweit abschließenden Entscheidung ist gerade keine Möglichkeit verbunden, auf deren Inhalt Einfluss zu nehmen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 16. Januar 2019 - XII ZB 489/18 - FamRZ 2019, 618 Rn. 11 und vom 18. Oktober 2017 - XII ZB 213/16 - FamRZ 2018, 197 Rn. 11).
16
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen. Dose Schilling Nedden-Boeger Botur Guhling
Vorinstanzen:
AG Gießen, Entscheidung vom 16.07.2018 - 230 XVII 381/17 G -
LG Gießen, Entscheidung vom 05.10.2018 - 7 T 295/18 -

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(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat. (2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzlic

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(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 63 Beschwerdefrist


(1) Die Beschwerde ist, soweit gesetzlich keine andere Frist bestimmt ist, binnen einer Frist von einem Monat einzulegen. (2) Die Beschwerde ist binnen einer Frist von zwei Wochen einzulegen, wenn sie sich gegen folgende Entscheidungen richtet: 1

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(1) Das Recht der Beschwerde steht der zuständigen Behörde gegen Entscheidungen über1.die Bestellung eines Betreuers oder die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts,2.Umfang, Inhalt oder Bestand einer in Nummer 1 genannten Maßnahmezu. (2) Das Re

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(1) Das Gericht kann durch einstweilige Anordnung einen vorläufigen Betreuer bestellen oder einen vorläufigen Einwilligungsvorbehalt anordnen, wenn1.dringende Gründe für die Annahme bestehen, dass die Voraussetzungen für die Bestellung eines Betreuer

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 302 Dauer der einstweiligen Anordnung


Eine einstweilige Anordnung tritt, sofern das Gericht keinen früheren Zeitpunkt bestimmt, nach sechs Monaten außer Kraft. Sie kann jeweils nach Anhörung eines Sachverständigen durch weitere einstweilige Anordnungen bis zu einer Gesamtdauer von einem

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(1) Das Gericht kann durch einstweilige Anordnung einen vorläufigen Betreuer bestellen oder einen vorläufigen Einwilligungsvorbehalt anordnen, wenn

1.
dringende Gründe für die Annahme bestehen, dass die Voraussetzungen für die Bestellung eines Betreuers oder die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts gegeben sind und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht,
2.
ein ärztliches Zeugnis über den Zustand des Betroffenen vorliegt,
3.
im Fall des § 276 ein Verfahrenspfleger bestellt und angehört worden ist und
4.
der Betroffene persönlich angehört worden ist.
Eine Anhörung des Betroffenen im Wege der Rechtshilfe ist abweichend von § 278 Abs. 3 zulässig.

(2) Das Gericht kann durch einstweilige Anordnung einen Betreuer entlassen, wenn dringende Gründe für die Annahme bestehen, dass die Voraussetzungen für die Entlassung vorliegen und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht.

Eine einstweilige Anordnung tritt, sofern das Gericht keinen früheren Zeitpunkt bestimmt, nach sechs Monaten außer Kraft. Sie kann jeweils nach Anhörung eines Sachverständigen durch weitere einstweilige Anordnungen bis zu einer Gesamtdauer von einem Jahr verlängert werden.

(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in

1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts,
2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie
3.
Freiheitsentziehungssachen.
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 gilt dies nur, wenn sich die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss richtet, der die Unterbringungsmaßnahme oder die Freiheitsentziehung anordnet. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 ist die Rechtsbeschwerde abweichend von Satz 2 auch dann ohne Zulassung statthaft, wenn sie sich gegen den eine freiheitsentziehende Maßnahme ablehnenden oder zurückweisenden Beschluss in den in § 417 Absatz 2 Satz 2 Nummer 5 genannten Verfahren richtet.

(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.

(1) Das Gericht kann durch einstweilige Anordnung einen vorläufigen Betreuer bestellen oder einen vorläufigen Einwilligungsvorbehalt anordnen, wenn

1.
dringende Gründe für die Annahme bestehen, dass die Voraussetzungen für die Bestellung eines Betreuers oder die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts gegeben sind und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht,
2.
ein ärztliches Zeugnis über den Zustand des Betroffenen vorliegt,
3.
im Fall des § 276 ein Verfahrenspfleger bestellt und angehört worden ist und
4.
der Betroffene persönlich angehört worden ist.
Eine Anhörung des Betroffenen im Wege der Rechtshilfe ist abweichend von § 278 Abs. 3 zulässig.

(2) Das Gericht kann durch einstweilige Anordnung einen Betreuer entlassen, wenn dringende Gründe für die Annahme bestehen, dass die Voraussetzungen für die Entlassung vorliegen und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht.

Eine einstweilige Anordnung tritt, sofern das Gericht keinen früheren Zeitpunkt bestimmt, nach sechs Monaten außer Kraft. Sie kann jeweils nach Anhörung eines Sachverständigen durch weitere einstweilige Anordnungen bis zu einer Gesamtdauer von einem Jahr verlängert werden.

6
b) Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der in der Akte befindlichen Urschrift des angefochtenen Beschlusses zweifelsfrei, dass das Amtsgericht nur im Wege einer einstweiligen Anordnung über die vorläufige Unterbringung der Betroffenen entschieden hat. Der vom Richter unterzeichnete und an die Geschäftsstelle übergebene Formularbeschluss ist als "Vorl. Unterbringung d. einstw. Anordnung incl. Beschlussfassung nach § 1846 BGB" überschrieben. Im Beschlusstext ist ausgeführt, dass "die vorläufige Unterbringung d. Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung" genehmigt werde. Zusätzlich ist auf dem vorgedruckten Formblatt der Textbaustein markiert, wonach "die Notwendigkeit der vorläufigen Unterbringung durch die Anhörung d. Betroffenen und den unmittelbaren Eindruck des Gerichts … bestätigt" werde. Schließlich wird in der Rechtsmittelbelehrung des Beschlusses auf die für die Anfechtung einer Entscheidung im Verfahren der einstweiligen Anordnung maßgebliche Beschwerdefrist von zwei Wochen (§ 63 Abs. 2 Nr. 1 FamFG) hingewiesen.
6
2. Derartige Zweifel an dem Vorliegen einer Entscheidung im Wege der einstweiligen Anordnung bestehen aber nicht, wenn die Entscheidung als solche bezeichnet ist und/oder ihren Ausspruch mit dem Hinweis auf ein Vorgehen im Wege der einstweiligen Anordnung einleitet. Hieraus folgt eindeutig, dass der Richter nicht im regulären Verfahren, sondern im Wege der einstweiligen Anordnung vorgehen will. Dafür ist es dann ohne Bedeutung, ob sich der Richter mit den Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung näher befasst oder ob er eine Entscheidung getroffen hat, die in dem gewählten Verfahren nicht oder nicht mit dem getroffenen Ausspruch hätte ergehen dürfen.
9
b) Im vorliegenden Fall hat der Richter zwar für seine Entscheidung das Formblatt für die Genehmigung einer Zwangsmedikation im Wege der einstweiligen Anordnung verwendet. Aus der in der Akte befindlichen Urschrift des angefochtenen Beschlusses ergibt sich jedoch zweifelsfrei, dass der Richter nicht im Wege einer einstweiligen Anordnung entschieden hat. Auf dem von ihm unterzeichneten und an die Geschäftsstelle übergebenen Formularbeschluss ist der Satzteil "im Wege der einstweiligen Anordnung" handschriftlich durchgestri- chen worden. Außerdem hat der Richter im Beschlusstext dieformularmäßige Begründung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gestrichen und durch eine handschriftliche Begründung ersetzt, die inhaltlich darauf schließen lässt, dass er eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren treffen wollte. Auch die Dauer der genehmigten ärztlichen Zwangsmaßnahme von sechs Wochen spricht eindeutig für eine Entscheidung in der Hauptsache (vgl. § 329 Abs. 1 Satz 2 FamFG) und gegen eine einstweilige Anordnung (vgl. insoweit § 333 Abs. 2 Satz 1 FamFG). Die rechtliche Einordnung des Beschlusses als eine Entscheidung in der Hauptsache wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass in der Rechtsmittelbelehrung des Beschlusses auf die für die Anfechtung einer Entscheidung im Verfahren der einstweiligen Anordnung maßgebliche Beschwerdefrist von zwei Wochen (§ 63 Abs. 2 Nr. 1 FamFG) hingewiesen wird. Die Rechtsbehelfsbelehrung ist vorgedruckter Bestandteil des verwendeten Formblattes und es wurde ersichtlich versäumt, sie an den sonstigen Beschlussinhalt anzupassen.
19
Nach der Intention des Gesetzes sollte der Richtervorbehalt unter anderem für die Auswahl, Bestellung und Entlassung des Betreuers aufgehoben werden können (BT-Drucks. 15/4874 S. 27). Als dessen Unterfall kann die Bestellung eines Ergänzungsbetreuers verstanden werden, soweit dadurch ein Ausschnitt aus dem Aufgabenbereich des Hauptbetreuers auf einen zweiten Betreuer verlagert wird, ohne den von der Betreuung erfassten Aufgabenkreis insgesamt zu erweitern oder zu beschränken. Die Bestellung eines Ergänzungsbetreuers für sich genommen nach den §§ 1899 Abs. 4, 1908 i Abs. 1, 1795 Abs. 1, 1796, 181 BGB lässt dann die angeordnete Betreuung und den zuvor angeordneten Aufgabenkreis in seinem Gesamtumfang unberührt. Eine Änderung ergibt sich allein hinsichtlich der Zuständigkeiten und Verantwortungsbereiche der Betreuer in einzelnen Angelegenheiten. Soweit die Ergänzungsbetreuung reicht, tritt der Ergänzungsbetreuer an die Stelle des Hauptbetreuers ; in allem Übrigen bleibt dieser für den Aufgabenkreis zuständig (vgl. auch Senatsbeschluss vom 19. Dezember 2012 - XII ZB 241/12 - juris Rn. 3 mwN). Bei derartiger Zuständigkeitsverlagerung bleibt die Grundentscheidung über die Anordnung der Betreuung einschließlich der Festsetzung des Aufgabenkreises in ihrer Gesamtheit unberührt.

Eine einstweilige Anordnung tritt, sofern das Gericht keinen früheren Zeitpunkt bestimmt, nach sechs Monaten außer Kraft. Sie kann jeweils nach Anhörung eines Sachverständigen durch weitere einstweilige Anordnungen bis zu einer Gesamtdauer von einem Jahr verlängert werden.

7
a) Zutreffend ist das Beschwerdegericht allerdings davon ausgegangen, dass der Vergütungsanspruch in dem durch § 5 VBVG pauschal festgelegten Umfang für den gesamten Zeitraum der Betreuung besteht. Eine im Wege der einstweiligen Anordnung erfolgte vorläufige Betreuerbestellung wie die vorliegende tritt gemäß § 302 Satz 1 FamFG mit dem im Beschluss bezeichneten Zeitpunkt, spätestens aber nach sechs Monaten außer Kraft, wenn sie nicht nach § 302 Satz 2 FamFG verlängert wurde. Vor diesem Außerkrafttreten endet die vorläufige Betreuung nur durch eine ausdrückliche gerichtliche Entscheidung gemäß § 1908 d BGB. Die letztgenannte Regelung dient der Klarheit der Rechtsverhältnisse. Denn es ist vielfach zweifelhaft und erst durch gerichtliche Ermittlungen zu klären, ob die Voraussetzungen für eine Betreuung nicht mehr vorliegen (Senatsbeschluss vom 28. Juli 2015 - XII ZB 508/14 - FamRZ 2015, 1709 Rn. 9 mwN). Auch wenn die Betreuung zu Unrecht angeordnet ist, berührt dies den Vergütungsanspruch nicht (Senatsbeschluss vom 20. August 2014 - XII ZB 479/12 - FamRZ 2014, 1778 Rn. 11; MünchKommBGB/Wagenitz 6. Aufl. § 1836 Rn. 3 mwN). Dem Rechtspfleger ist im Vergütungsfestsetzungsverfahren grundsätzlich lediglich die Prüfung übertragen, ob und wann die gemäß § 1908 d Abs. 1 BGB iVm § 23 c Abs. 2 GVG, § 19 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 RPflG dem Richter vorbehaltene Aufhebung der Betreuung erfolgt ist, nicht aber, ob die Aufhebung früher hätte erfolgen können (vgl. Senatsbeschluss vom 11. April 2012 - XII ZB 459/10 - FamRZ 2012, 1051 Rn. 25).

(1) Die Beschwerde ist, soweit gesetzlich keine andere Frist bestimmt ist, binnen einer Frist von einem Monat einzulegen.

(2) Die Beschwerde ist binnen einer Frist von zwei Wochen einzulegen, wenn sie sich gegen folgende Entscheidungen richtet:

1.
Endentscheidungen im Verfahren der einstweiligen Anordnung oder
2.
Entscheidungen über Anträge auf Genehmigung eines Rechtsgeschäfts.

(3) Die Frist beginnt jeweils mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses an die Beteiligten. Kann die schriftliche Bekanntgabe an einen Beteiligten nicht bewirkt werden, beginnt die Frist spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses.

(1) Das Recht der Beschwerde steht der zuständigen Behörde gegen Entscheidungen über

1.
die Bestellung eines Betreuers oder die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts,
2.
Umfang, Inhalt oder Bestand einer in Nummer 1 genannten Maßnahme
zu.

(2) Das Recht der Beschwerde gegen eine von Amts wegen ergangene Entscheidung steht im Interesse des Betroffenen

1.
dessen Ehegatten oder Lebenspartner, wenn die Ehegatten oder Lebenspartner nicht dauernd getrennt leben, sowie den Eltern, Großeltern, Pflegeeltern, Abkömmlingen und Geschwistern des Betroffenen sowie
2.
einer Person seines Vertrauens
zu, wenn sie im ersten Rechtszug beteiligt worden sind.

(3) Das Recht der Beschwerde steht dem Verfahrenspfleger zu.

(4) Der Betreuer oder der Vorsorgebevollmächtigte kann gegen eine Entscheidung, die seinen Aufgabenkreis betrifft, auch im Namen des Betroffenen Beschwerde einlegen. Führen mehrere Betreuer oder Vorsorgebevollmächtigte ihr Amt gemeinschaftlich, kann jeder von ihnen für den Betroffenen selbständig Beschwerde einlegen.

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.

(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.

(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.