Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Juli 2016 - XII ZB 488/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:130716BXIIZB488.15.0
bei uns veröffentlicht am13.07.2016
vorgehend
Amtsgericht Regensburg, XVII 1329/92, 25.03.2015
Landgericht Regensburg, 5 T 269/15, 10.09.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 488/15
vom
13. Juli 2016
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die im Zeitpunkt einer noch vorhandenen Geschäftsfähigkeit geäußerte Absicht
eines Betroffenen, eine erteilte (Vorsorge-)Vollmacht zu widerrufen, kann für
sich genommen die Erweiterung des Aufgabenkreises eines Betreuers auf den
Widerruf von Vollmachten nicht rechtfertigen.
BGH, Beschluss vom 13. Juli 2016 - XII ZB 488/15 - LG Regensburg
AG Regensburg
ECLI:DE:BGH:2016:130716BXIIZB488.15.0

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Juli 2016 durch die Richter Dr. Klinkhammer, Schilling, Dr. Günter, Dr. Nedden-Boeger und die Richterin Dr. Krüger
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Regensburg vom 10. September 2015 aufgehoben. Auf die Beschwerde der Betroffenen wird der Beschluss des Amtsgerichts Regensburg vom 25. März 2015 aufgehoben, soweit darin die Betreuung auf den Aufgabenkreis "Widerruf erteilter Vollmachten , insbesondere der notariellen Vollmacht vom 15. Mai 2009" erweitert worden ist. Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei. Die außergerichtlichen Kosten der Betroffenen werden der Staatskasse auferlegt. Beschwerdewert: 5.000 €

Gründe:

I.

1
Die Betroffene wendet sich gegen die Erweiterung der für sie bestehenden Betreuung um den Aufgabenkreis "Widerruf erteilter Vollmachten, insbesondere der notariellen Vollmacht vom 15. Mai 2009".
2
Für die Betroffene ist seit Juni 1992 ein Betreuer mit den Aufgabenkreisen Sorge für die Gesundheit, Vermögenssorge und Wohnungsangelegenheiten bestellt. Am 15. Mai 2009 errichtete die Betroffene eine notariell beurkundete Generalvollmacht, mit der sie Frau C. R. (nachfolgend: Bevollmächtigte ) zur Vertretung in allen Vermögensangelegenheiten und persönlichen Angelegenheiten bevollmächtigte. Die Vollmacht sollte über den Tod hinaus und auch dann gültig sein, wenn die Betroffene ihre Geschäftsfähigkeit verlieren sollte. Die Bevollmächtigte hat von der Vollmacht bislang keinen Gebrauch gemacht. In einer gerichtlichen Anhörung am 20. August 2009 gab die Betroffene an, die notarielle Urkunde sei zu weitgehend, sie wünsche, dass die gesetzliche Betreuerin weiter für sie tätig bleibe.
3
Nachdem die Betroffene bei ihrer Anhörung am 10. Oktober 2013 angegeben hatte, mit der Verlängerung der Betreuung einverstanden zu sein, hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 19. November 2013 die Betreuung unter Beibehaltung der bestehenden Aufgabenkreise mit Überprüfungsfrist zum 19. November 2020 verlängert.
4
Mit Schreiben vom 2. Juli 2014 hat die Bevollmächtigte angeregt, die Betreuung im Hinblick auf die bestehende Generalvollmacht aufzuheben. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und Anhörung der Betroffenen hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 25. März 2015 die Betreuung um den Aufgabenkreis "Widerruf erteilter Vollmachten, insbesondere der notariellen Vollmacht vom 15. Mai 2009" erweitert und die Überprüfungsfrist auf den 25. März 2022 festgelegt.
5
Hiergegen hat die Betroffene Beschwerde eingelegt, die sie in der Beschwerdebegründung auf die Erweiterung der Betreuung beschränkt hat. Das Landgericht hat nach Anhörung der Betroffenen die Beschwerde "verworfen". Hiergegen richtet sich die von der Bevollmächtigten im Namen der Betroffenen eingelegte Rechtsbeschwerde.

II.

6
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
7
1. Die nach § 70 Abs. 3 Satz 1 FamFG statthafte Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist die Betroffene wirksam durch die Bevollmächtigte gemäß § 303 Abs. 4 FamFG, der auch im Verfahren der Rechtsbeschwerde anzuwenden ist (Senatsbeschluss BGHZ 206, 321 = FamRZ 2015, 1702 Rn. 7), vertreten. Nach dieser Vorschrift kann der Vorsorgebevollmächtigte gegen eine Entscheidung, die seinen Aufgabenkreis betrifft, auch im Namen des Betroffenen Beschwerde einlegen.
8
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
9
a) Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
10
Das Amtsgericht habe die bestehende Betreuung zu Recht um den Aufgabenkreis des Vollmachtswiderrufs erweitert. Die Betroffene habe bei der Anhörung vom 20. August 2009 erklärt, dass sie die notarielle Urkunde vom 19. Mai 2009 nach genauer Sichtung als zu weitgehend beurteile. Somit sei es bereits 2009 der Wunsch der damals noch geschäftsfähigen Betroffenen gewesen , dass die gesetzliche Betreuung mit Einschluss der gerichtlichen Kontrolle bestehen bleibe. In gleicher Weise habe sich die Betroffene am 16. März 2015 auch gegenüber der Betreuungsbehörde geäußert. Aus deren Stellungnahme vom 19. März 2015 gehe hervor, dass die Betroffene geäußert habe, "außer der Frau vom Amt solle niemand über ihre Finanzen verfügen". Zudem habe die Betroffene bei der Anhörung vom 24. März 2015 auf richterliche Nachfrage ausdrücklich angegeben, dass ein Widerruf der notariellen Vollmacht nicht erfolgt sei, weil sie der Ansicht gewesen sei, die Angelegenheit habe sich durch das Anhörungsprotokoll und die Erklärung gegenüber dem Richter vom 20. August 2009 bereits erledigt.
11
Zwar ergebe sich aus dem Gutachten des Sachverständigen vom 10. Dezember 2015, dass die Betroffene nunmehr geschäftsunfähig sei. Zum Zeitpunkt der Anhörung vom 20. August 2009 sei sie dagegen noch geschäftsfähig gewesen und sei es ihr Wille und Wunsch gewesen, dass die Generalvollmacht widerrufen werde. Demgegenüber komme der Erklärung der Betroffenen in der Anhörung vor dem Beschwerdegericht vom 29. Juli 2015, wonach sie die Vollmacht nicht widerrufen wolle, kein entscheidendes Gewicht zu, da die Betroffene zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr geschäftsfähig gewesen sei.
12
b) Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung nichtstand. Soweit die Instanzgerichte die Betreuerin zum Widerruf erteilter Vollmachten ermächtigt haben, fehlt es hierfür gegenwärtig an einer Grundlage.
13
aa) Beabsichtigt das Gericht, die Befugnisse eines Betreuers auf den Widerruf erteilter Vorsorgevollmachten zu erstrecken, setzt dies tragfähige Feststellungen voraus, dass das Festhalten an der erteilten Vorsorgevollmacht eine künftige Verletzung des Wohls der Betroffenen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit und in erheblicher Schwere befürchten lässt. Selbst wenn behebbare Mängel bei der Vollmachtsausübung festzustellen sein sollten, erfordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zunächst den Versuch, durch einen zu bestellenden Kontrollbetreuer positiv auf den Bevollmächtigten einzuwirken, insbesondere durch Verlangen nach Auskunft und Rechnungslegung sowie durch die Ausübung bestehender Weisungsrechte. Nur wenn diese Maßnahmen fehlschlagen oder aufgrund feststehender Tatsachen mit hinreichender Sicherheit als ungeeignet erscheinen, ist die Ermächtigung zum Widerruf der Vollmacht - als ultima ratio - verhältnismäßig (vgl. Senatsbeschlüsse BGHZ 206, 321 = FamRZ 2015, 1702 Rn. 34 ff. und vom 14. Oktober 2015 - XII ZB 177/15 - FamRZ 2016, 117 Rn. 16).
14
bb) Gemessen hieran kann die angegriffene Entscheidung keinen Bestand haben.
15
(1) Bereits der rechtliche Ausgangspunkt des Beschwerdegerichts, wonach der im Zeitpunkt einer noch vorhandenen Geschäftsfähigkeit geäußerte Wille eines Betroffenen, eine erteilte (Vorsorge-)Vollmacht zu widerrufen, die Erweiterung des Aufgabenkreises eines Betreuers auf den Widerruf von Vollmachten rechtfertigen könne, ist nicht frei von Rechtsirrtum.
16
Mit der Vollmachterteilung in gesunden Tagen kann der Vollmachtgeber regeln, wer seine rechtlichen Angelegenheiten besorgen soll, wenn er krankheitsbedingt hierzu nicht mehr selbst in der Lage ist. Diese Möglichkeit der vorsorgenden Bevollmächtigung ist Ausfluss des von Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG garantierten Selbstbestimmungsrechts des Betroffenen (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 206, 321 = FamRZ 2015, 1702 Rn. 11). Die Bestimmung des § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB bringt zum Ausdruck, dass dieses Selbstbe- stimmungsrecht aus den Gründen des dem Staat obliegenden Erwachsenenschutzes und damit zum Wohle des Betroffenen im Einzelfall erst dann endet, wenn die rechtliche Fürsorge durch einen Betreuer derjenigen durch den Bevollmächtigten überlegen ist. Eine gegebenenfalls krankheitsbedingte schlichte Meinungsänderung des nicht mehr geschäftsfähigen Betroffenen kann die in gesunden Tagen geschaffene Rechtswirkung der Vollmachterteilung hingegen nicht beseitigen (Senatsbeschluss vom 17. Februar 2016 - XII ZB 499/15 - juris Rn. 18).
17
(2) Außerdem weist die Rechtsbeschwerde zu Recht darauf hin, dass die getroffenen Feststellungen die Annahme, der Widerruf der Vollmacht entspreche dem Willen der Betroffenen, nicht tragen.
18
Das Beschwerdegericht stützt diese Annahme im Wesentlichen auf die Äußerung der Betroffenen in der Anhörung vom 20. August 2009, wonach sie bei genauer Sichtung die erteilte Vollmacht als zu weitgehend beurteile. Diese Äußerung lässt indes nicht darauf schließen, dass die Betroffene zu dem damaligen Zeitpunkt den Willen hatte, die Generalvollmacht insgesamt zu widerrufen. Wenn die Betroffene seinerzeit tatsächlich der Meinung gewesen wäre, die notariell beurkundete Generalvollmacht sei zu umfassend, hätte sie die Vollmacht auch einschränken können, zumal sie zu dieser Zeit noch geschäftsfähig war und sie sich ausweislich des Anhörungsprotokolls vom 20. August 2009 der Notwendigkeit eines gesonderten Vollmachtswiderrufs bewusst war. Tatsächlich hat die Betroffene in der Folgezeit die Generalvollmacht aber weder widerrufen noch eingeschränkt. Die Äußerung der Betroffenen ist daher nicht geeignet , mehr als sechs Jahre später eine Betreuung mit der Befugnis zum Widerruf der Generalvollmacht zu rechtfertigen.
19
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den vom Beschwerdegericht ergänzend herangezogenen Äußerungen der Betroffenen, die diese am 16. März 2015 gegenüber der Betreuungsbehörde und am 24. März 2015 bei einer gerichtlichen Anhörung gemacht hat. Soweit das Beschwerdegericht aus diesen Äußerungen schließen will, dass die Betroffene trotz der erteilten Generalvollmacht an der rechtlichen Betreuung festhalten möchte, tragen diese Ausführungen die getroffene Entscheidung bereits deshalb nicht, weil sie widersprüchlich sind. Nach dem eingeholten Sachverständigengutachten vom 10. Februar 2015 war die Betroffene bereits zum Untersuchungszeitpunkt am 25. Januar 2015 geschäftsunfähig. Dennoch stellt das Beschwerdegericht auch auf die von der Betroffenen im März 2015 gemachten Äußerungen ab, während es die Erklärung der Betroffenen in der Anhörung vom 29. Juli 2015, wonach sie die Vollmacht nicht widerrufen wolle, im Hinblick auf die Geschäftsunfähigkeit der Betroffenen für unbeachtlich hält.
20
(3) Ob und inwieweit der einer Ausübung der Vollmacht durch die Bevollmächtigte möglicherweise entgegenstehende natürliche Wille der Betroffenen dazu führt, dass ihre Angelegenheiten von der Bevollmächtigten nicht ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden könnten, lässt sich der Beschwerdeentscheidung ebenfalls nicht entnehmen. Die Bevollmächtigte hat bislang von der Vollmacht keinen Gebrauch gemacht. Die Instanzgerichte haben auch keine Feststellungen dazu getroffen, dass die Bevollmächtigte die ihr erteilte Generalvollmacht zukünftig in einer Weise ausüben könnte, die eine erhebliche Verletzung des Wohls der Betroffenen befürchten lässt.
21
3. Der Senat kann abschließend in der Sache entscheiden (§ 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG), weil keine weiteren Feststellungen zu treffen sind.
Klinkhammer Schilling Günter Nedden-Boeger Krüger
Vorinstanzen:
AG Regensburg, Entscheidung vom 25.03.2015 - XVII 1329/92 -
LG Regensburg, Entscheidung vom 10.09.2015 - 5 T 269/15 -

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Juli 2016 - XII ZB 488/15

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Juli 2016 - XII ZB 488/15

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Juli 2016 - XII ZB 488/15 zitiert 5 §§.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 1


(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen G

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 70 Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde


(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat. (2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzlic

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 74 Entscheidung über die Rechtsbeschwerde


(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 303 Ergänzende Vorschriften über die Beschwerde


(1) Das Recht der Beschwerde steht der zuständigen Behörde gegen Entscheidungen über1.die Bestellung eines Betreuers oder die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts,2.Umfang, Inhalt oder Bestand einer in Nummer 1 genannten Maßnahmezu. (2) Das Re

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Juli 2016 - XII ZB 488/15 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Juli 2016 - XII ZB 488/15 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Feb. 2016 - XII ZB 499/15

bei uns veröffentlicht am 17.02.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 499/15 vom 17. Februar 2016 in der Betreuungssache ECLI:DE:BGH:2016:170216BXIIZB499.15.0 Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Februar 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin Webe

Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Okt. 2015 - XII ZB 177/15

bei uns veröffentlicht am 14.10.2015

Tenor Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 27. März 2015 aufgehoben.
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Juli 2016 - XII ZB 488/15.

Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Jan. 2017 - XII ZB 329/16

bei uns veröffentlicht am 11.01.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 329/16 vom 11. Januar 2017 in der Betreuungssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja FamFG § 293 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 a) Das Absehen von einer erneuten persönlichen Anhörung nach § 293 Abs. 2

Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Okt. 2016 - XII ZB 152/16

bei uns veröffentlicht am 05.10.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 152/16 vom 5. Oktober 2016 in der Betreuungssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 411 a Beabsichtigt das Gericht, in einem Betreuungsverfahren ein in einem anderen Verfahren eingeho

Referenzen

(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in

1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts,
2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie
3.
Freiheitsentziehungssachen.
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 gilt dies nur, wenn sich die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss richtet, der die Unterbringungsmaßnahme oder die Freiheitsentziehung anordnet. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 ist die Rechtsbeschwerde abweichend von Satz 2 auch dann ohne Zulassung statthaft, wenn sie sich gegen den eine freiheitsentziehende Maßnahme ablehnenden oder zurückweisenden Beschluss in den in § 417 Absatz 2 Satz 2 Nummer 5 genannten Verfahren richtet.

(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.

(1) Das Recht der Beschwerde steht der zuständigen Behörde gegen Entscheidungen über

1.
die Bestellung eines Betreuers oder die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts,
2.
Umfang, Inhalt oder Bestand einer in Nummer 1 genannten Maßnahme
zu.

(2) Das Recht der Beschwerde gegen eine von Amts wegen ergangene Entscheidung steht im Interesse des Betroffenen

1.
dessen Ehegatten oder Lebenspartner, wenn die Ehegatten oder Lebenspartner nicht dauernd getrennt leben, sowie den Eltern, Großeltern, Pflegeeltern, Abkömmlingen und Geschwistern des Betroffenen sowie
2.
einer Person seines Vertrauens
zu, wenn sie im ersten Rechtszug beteiligt worden sind.

(3) Das Recht der Beschwerde steht dem Verfahrenspfleger zu.

(4) Der Betreuer oder der Vorsorgebevollmächtigte kann gegen eine Entscheidung, die seinen Aufgabenkreis betrifft, auch im Namen des Betroffenen Beschwerde einlegen. Führen mehrere Betreuer oder Vorsorgebevollmächtigte ihr Amt gemeinschaftlich, kann jeder von ihnen für den Betroffenen selbständig Beschwerde einlegen.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 27. März 2015 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

Gründe

I.

1

Gegenstand des Verfahrens ist die Anordnung einer Kontrollbetreuung.

2

Für die 81-jährige - an Demenz und an einem leichten bis mittelschweren hirnorganischen Psychosyndrom leidende - Betroffene besteht seit dem Jahr 2007 eine bis heute fortgeltende General- und Vorsorgevollmacht zugunsten ihrer Tochter (Beteiligte zu 1). Die Beteiligte zu 1 ist Eigentümerin von mehreren Immobilien, die sie von ihrem 2012 verstorbenen Vater - dem Ehemann der Betroffenen - teils geschenkt erhalten und teils als Alleinerbin nach dessen Tod geerbt hatte. Alle Immobilien waren mit einem Nießbrauch zugunsten der Betroffenen belastet. Am 5. Februar 2014 schloss die Beteiligte zu 1 im eigenen Namen und im Namen der Betroffenen eine Abfindungsvereinbarung, wonach die Betroffene gegen Zahlung einer dinglich gesicherten Leibrente in Höhe von monatlich 1.200 € auf den zu ihren Gunsten eingeräumten Nießbrauch an den Immobilien verzichtete.

3

Bereits im September 2013 hatte der Sohn der Betroffenen (Beteiligter zu 2) beim zuständigen Notariat die Einrichtung einer Betreuung für die Betroffene angeregt. Das Notariat hat die Anordnung einer Betreuung nach Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens und nach Anhörung der Betroffenen abgelehnt. Auf die dagegen gerichtete Beschwerde des Beteiligten zu 2 hat das Landgericht die Entscheidung des Notariats abgeändert und eine Rechtsanwältin (Beteiligte zu 4) zur berufsmäßigen Kontrollbetreuerin mit dem Aufgabenkreis "alle Vermögensangelegenheiten, insbesondere Erbschaftsangelegenheiten" bestellt und die Kontrollbetreuerin "erforderlichenfalls" zum "Widerruf erteilter Vollmachten für diesen Aufgabenkreis" ermächtigt.

4

Mit ihrer im eigenen Namen eingelegten Rechtsbeschwerde möchte die Beteiligte zu 1 eine Aufhebung der Betreuung erreichen.

II.

5

1. Die gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG ohne Zulassung statthafte Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist die Beteiligte zu 1 beschwerdeberechtigt, d.h. dazu befugt, sich im eigenen Namen mit einem Rechtsmittel gegen die Anordnung der Betreuung für die Betroffene zu wenden. Dies ergibt sich zwar nicht aus einer möglichen Beeinträchtigung ihrer Stellung als Vorsorgebevollmächtigte, wohl aber daraus, dass sie als am Verfahren beteiligte Tochter der Betroffenen gemäß § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG zum Kreis beschwerdeberechtigter Angehöriger gehört (vgl. Senatsbeschluss vom 5. November 2014 - XII ZB 117/14 - FamRZ 2015, 249 Rn. 14 f.).

6

2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.

7

a) Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung das Folgende ausgeführt:

8

Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Betreuung seien nach dem schriftlichen Sachverständigengutachten gegeben. Die Betroffene sei aufgrund ihrer schwerwiegenden geistigen Einschränkungen nicht mehr in der Lage, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln. Wegen der mangelnden Einsichtsfähigkeit sowie eingeschränkter Urteils- und Kritikfähigkeit sei ihre Geschäftsfähigkeit deutlich eingeschränkt.

9

Zur Geltendmachung der Rechte der Betroffenen gegenüber der Beteiligten zu 1 sei die Einrichtung einer Kontrollbetreuung erforderlich. Es lägen konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beteiligte zu 1 von ihrer Vollmacht nicht mehr im Interesse der Betroffenen Gebrauch mache. Zwar müsse die von ihrem Ehemann enterbte Betroffene einen etwaigen ergänzenden Pflichtteilsanspruch von der Beteiligten zu 1 nicht zwingend einfordern. Es könne unter Berücksichtigung des Erblasserwillens auch hingenommen werden, dass der Wert des der Betroffenen durch das Vermächtnis ihres Ehemannes eingeräumten Nießbrauchs hinter dem Wert des Pflichtteils zurückbleibe. Um dies beurteilen zu können, müssten aber zunächst der Wert des Nießbrauchs sowie der Wert eines etwaigen Pflichtteilsanspruches nachvollziehbar sein. Die bloße Behauptung der Beteiligten zu 1, der eingeräumte Nießbrauch am Nachlass übersteige sogar den Wert des Pflichtteilsanspruches, reiche hierfür nicht.

10

Vor allem sei schon nach den eigenen Ausführungen der Beteiligten zu 1 zweifelhaft, ob die Abfindungsvereinbarung vom 5. Februar 2014 den wirtschaftlichen Interessen der Betroffenen gerecht werde. Die Betroffene erhalte als Ersatz für Nutzungen an vier Eigentumswohnungen und einem Einfamilienhaus nur eine Rente von 1.200 €. Nach den Behauptungen des Beteiligten zu 2 seien Mieteinnahmen von insgesamt 4.000 € monatlich erzielbar. Aufgrund der Stellungnahmen der Beteiligten und der vorgelegten Unterlagen (Steuerbescheid, Lichtbilder und Zustandsbeschreibungen) könne nicht nachvollzogen werden, ob die vereinbarte Rente von 1.200 € angemessen sei. Soweit es den Nießbrauch an den zum Nachlass gehörenden Immobilien betreffe, falle zudem auf, dass in dem von der Beteiligten zu 1 vorgelegten Rechenwerk nicht mit möglichen Einnahmen aus Mietverhältnissen, sondern lediglich mit Zinseinnahmen von 2 % des Nachlasswertes kalkuliert worden sei. Ferner habe weder in der mündlichen Anhörung noch in den folgenden Schriftsätzen eine Klärung der von dem Beteiligten zu 2 erhobenen Vorwürfe erfolgen können, wonach die Beteiligte zu 1 im Zeitraum von April 2012 bis März 2014 der Nießbrauchsberechtigten zustehende Beträge in Höhe von 85.000 € vereinnahmt habe, ohne dass diese der Betroffenen zugeflossen seien. Bei der Beteiligten zu 1 sei im Bereich der Vermögensangelegenheiten ein erheblicher Interessenkonflikt vorhanden. Einerseits sei sie Alleinerbin nach ihrem Vater, andererseits solle sie Ansprüche der Betroffenen - insbesondere Pflichtteilsansprüche - gegen sich selbst prüfen. Dies könne der Geltendmachung berechtigter Ansprüche im Wege stehen und bedürfe aus Sicht eines vernünftigen Vollmachtgebers einer Kontrolle.

11

b) Diese Ausführungen halten den Verfahrensrügen der Rechtsbeschwerde in einem wesentlichen Punkt nicht stand.

12

aa) Nach § 1896 Abs. 1 a BGB darf gegen den freien Willen eines Volljährigen ein Betreuer nicht bestellt werden. Daher muss auch vor der Bestellung eines Kontrollbetreuers festgestellt werden, dass der Betroffene nicht in der Lage ist, seinen Willen frei zu bestimmen. Dabei ist der Begriff der freien Willensbestimmung im Sinne des § 1896 Abs. 1 a BGB und des § 104 Nr. 2 BGB im Kern deckungsgleich. Die beiden entscheidenden Kriterien sind die Einsichtsfähigkeit des Betroffenen und dessen Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln. Fehlt es an einem dieser beiden Elemente, liegt kein freier, sondern nur ein natürlicher Wille vor. Einsichtsfähigkeit setzt die Fähigkeit des Betroffenen voraus, im Grundsatz die für und wider eine Betreuerbestellung sprechenden Gesichtspunkte zu erkennen und gegeneinander abzuwägen. Dabei dürfen jedoch keine überspannten Anforderungen an die Auffassungsgabe des Betroffenen gestellt werden. Auch der an einer Erkrankung im Sinne des § 1896 Abs. 1 BGB leidende Betroffene kann in der Lage sein, einen freien Willen zu bilden und ihn zu äußern. Der Betroffene muss Grund, Bedeutung und Tragweite einer Betreuung intellektuell erfassen können, was denknotwendig voraussetzt, dass er seine Defizite im Wesentlichen zutreffend einschätzen und auf der Grundlage dieser Einschätzung die für oder gegen eine Betreuung sprechenden Gesichtspunkte gegeneinander abwägen kann. Ist der Betroffene zur Bildung eines klaren Urteils zur Problematik der Betreuerbestellung in der Lage, muss ihm weiter möglich sein, nach diesem Urteil zu handeln und sich dabei von den Einflüssen interessierter Dritter abzugrenzen. Die Feststellungen zum krankheitsbedingten Ausschluss der freien Willensbestimmung müssen nach ständiger Rechtsprechung des Senats durch ein Sachverständigengutachten belegt sein (Senatsbeschlüsse vom 30. Juli 2014 - XII ZB 107/14 - FamRZ 2014, 1626 Rn. 14 und vom 22. Januar 2014 - XII ZB 632/12 - FamRZ 2014, 647 Rn. 9 mwN).

13

bb) Diesen Anforderungen wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht. Der Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 18. Dezember 2013 ausgeführt, dass die Betroffene "wegen der mangelnden Einsichtsfähigkeit sowie eingeschränkter Urteils- und Kritikfähigkeit" in ihrer "Geschäftsfähigkeit deutlich eingeschränkt" sei. Konzediert der Sachverständige indessen selbst, dass die Betroffene wegen ihrer eben nur "eingeschränkten Geschäftsfähigkeit" möglicherweise für einen gegenständlich abgrenzbaren Kreis von Angelegenheiten noch zu einer freien Willensbestimmung in der Lage ist, konnte das Landgericht auf dessen Gutachten nicht ohne weiteres die Feststellung stützen, dass der Betroffenen die freie Entscheidung gegen die Bestellung eines Kontrollbetreuers nach eigenständiger Abwägung der für und gegen die Kontrolle ihrer Bevollmächtigten durch einen Betreuer sprechenden Gesichtspunkte nicht mehr möglich ist. Auch die weitergehenden Ausführungen des Sachverständigen dazu, dass die Betroffene aufgrund ihrer geistigen Einschränkungen nicht mehr in der Lage sei, einen Bevollmächtigten zu kontrollieren, führen insoweit nicht weiter, weil sich hieraus zwar Anhaltspunkte für die Betreuungsbedürftigkeit der Betroffenen, nicht aber für den Ausschluss der freien Willensbildung in Bezug auf die Betreuerbestellung entnehmen lassen.

14

3. Die angefochtene Entscheidung kann daher keinen Bestand haben.

15

a) Soweit das Landgericht die Kontrollbetreuerin dazu ermächtigt hat, erforderlichenfalls die zugunsten der Beteiligten zu 1 erteilte Vollmacht für den Bereich der Vermögenssorge zu widerrufen, fehlt es hierfür gegenwärtig an einer Grundlage.

16

aa) Beabsichtigt das Gericht, die Befugnisse eines Betreuers auf den Widerruf erteilter Vorsorgevollmachten zu erstrecken, setzt dies tragfähige Feststellungen voraus, dass das Festhalten an der erteilten Vorsorgevollmacht eine künftige Verletzung des Wohls der Betroffenen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit und in erheblicher Schwere befürchten lässt. Selbst wenn behebbare Mängel bei der Vollmachtsausübung festzustellen sein sollten, erfordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zunächst den Versuch, durch einen zu bestellenden Kontrollbetreuer positiv auf den Bevollmächtigten einzuwirken, insbesondere durch Verlangen nach Auskunft und Rechnungslegung sowie durch die Ausübung bestehender Weisungsrechte. Nur wenn diese Maßnahmen fehlschlagen oder aufgrund feststehender Tatsachen mit hinreichender Sicherheit als ungeeignet erscheinen, ist die Ermächtigung zum Widerruf der Vollmacht - als ultima ratio - verhältnismäßig (vgl. Senatsbeschlüsse vom 23. September 2015 - XII ZB 624/14 - juris Rn. 17 und vom 28. Juli 2015 - XII ZB 674/14 - FamRZ 2015, 1702 Rn. 34 ff.).

17

bb) Gemessen daran mögen die vom Landgericht getroffenen Feststellungen zwar die in tatrichterlicher Verantwortung vorgenommene Beurteilung rechtfertigen, es bestünden hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht, dass dem Betreuungsbedarf der Betroffenen in Vermögens- und Erbschaftsangelegenheiten durch die Vollmacht nicht Genüge getan wird. Tatsächliche Mängel bei der Vollmachtsausübung sind - wovon das Landgericht selbst ausgeht - aber noch nicht festzustellen, ohne dass sich die Kontrollbetreuerin einen umfassenden Überblick über die vermögensrechtlichen Ansprüche der Betroffenen gegenüber der Beteiligten zu 1 verschafft hat. Bei dieser Sachlage ist die bereits mit der Bestellung der Kontrollbetreuerin verbundene Ermächtigung zum Widerruf der erteilten Vollmacht nicht verhältnismäßig.

18

b) Im Übrigen ist die Sache zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das Landgericht zurückzuverweisen. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

Dose                    Schilling                          Günter

             Botur                          Guhling

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

18
Mit der Vollmachterteilung in gesunden Tagen kann der Bevollmächtigende regeln, wer seine rechtlichen Angelegenheiten besorgen soll, wenn er krankheitsbedingt hierzu nicht mehr selbst in der Lage ist. Diese Möglichkeit der vorsorgenden Bevollmächtigung ist Ausfluss des von Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG garantierten Selbstbestimmungsrechts des Betroffenen (vgl. Senatsbeschluss vom 28. Juli 2015 - XII ZB 674/14 - FamRZ 2015, 1702 Rn. 11). Mit ihr kann eine - wenn auch fürsorgende - staatliche Einflussnahme mittels Betreuung vermieden werden. Die Bestimmung des § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB bringt zum Ausdruck, dass dieses Selbstbestimmungsrecht aus den Gründen des dem Staat obliegenden Erwachsenenschutzes und damit zum Wohle des Betroffenen im Einzelfall erst dann endet, wenn die rechtliche Fürsorge durch einen Betreuer derjenigen durch den Bevollmächtigten überlegen ist. Eine - gegebenenfalls krankheitsbedingte- schlichte Meinungsänderung des nicht mehr geschäftsfähigen Betroffenen kann die in gesunden Tagen geschaffene rechtliche Bindungswirkung der Vollmachterteilung hingegen nicht beseitigen.

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.

(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.

(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.