Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Feb. 2018 - XII ZB 452/17
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Februar 2018 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richter Schilling, Dr. Günter und Dr. Botur und die Richterin Dr. Krüger
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Beteiligte zu 1 strebt als Berufsbetreuerin eine Vergütung auf der Grundlage eines Stundensatzes von 44 € an.
- 2
- Die vormalige DDR ließ einen kleinen Teil ihrer Jurastudenten an Universitäten oder Hochschulen in der damaligen UdSSR und anderen RGW-Staaten ausbilden. So erwarb die Beteiligte zu 1 im Jahre 1984 an der Kiewer Staatlichen Schewtschenko-Universität einen Diplomabschluss in der Fachrichtung Völkerrecht. Gegenstand der Ausbildung war auch die Vermittlung russischer Sprachkenntnisse, die mit einem zeitlichen Umfang von insgesamt 1.772 Stunden eines der drei Staatsexamensfächer bildeten. Ihr Abschluss wurde vom Justizprüfungsamt des Freistaats Thüringen als der ersten juristischen Staatsprüfung i.S.v. § 112 Abs. 2 DRiG gleichwertig anerkannt. 1998/1999 hat sie die Prüfungen als Übersetzerin bzw. Dolmetscherin für die russische Sprache bestanden.
- 3
- Die Beteiligte zu 1 hat für die Zeit von Mai 2014 bis Mai 2015 auf der Grundlage eines Stundensatzes von 44 € eine Vergütung von insgesamt 2.970 € geltend gemacht. Nachdem der Senat in einem Parallelverfahren (XII ZB 346/15) entschieden hat, dass allein aus der Anerkennung eines Abschlusses nach § 112 Abs. 2 DRiG noch nicht auf den Erwerb besonderer Kenntnisse geschlossen werden kann, die für die Führung der Betreuung im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG nutzbar sind, stützt die Beteiligte zu 1 den von ihr beanspruchten Stundensatz auch auf die von ihr erworbenen russischen Sprachkenntnisse.
- 4
- Das Amtsgericht hat ihr auf der Grundlage eines Stundensatzes von 27 € eine Vergütung in Höhe von 1.822,50 € zugesprochen. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1, mit der sie weiterhin eine Vergütung auf der Grundlage eines Stundensatzes von 44 € anstrebt.
II.
- 5
- Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie nach § 70 Abs. 1 FamFG statthaft, weil das Landgericht sie in der angefochtenen Entscheidung zugelassen hat. Der Senat ist an die Zulassung gebunden. Die Rechtsbeschwerde ist indessen in der Sache nicht begründet.
- 6
- 1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, es ließe sich nicht feststellen, dass das von der Beteiligten zu 1 abgeschlossene Studium inhaltlich in seinem Kernbereich betreuungsrelevante Inhalte ver- mittelt habe, die über Grundwissen deutlich hinausgingen und sie in die Lage versetzten, ihre Aufgaben zum Wohl des Betreuten besser und effektiver zu erfüllen. Auch Sprachkenntnisse stellten keine besonderen Kenntnisse dar, die im Sinne von § 4 VBVG für die Führung der Betreuung nutzbar seien.
- 7
- 2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand.
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- Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG erhöht sich der Stundensatz (nur dann) von 27 € auf 44 €, wenn der Betreuer über besondere Kenntnisse verfügt, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind, und diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule oder durch eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind (Senatsbeschluss vom 7. Dezember 2016 - XII ZB 346/15 - FamRZ 2017, 479 Rn. 9).
- 9
- a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind besondere für die Betreuung nutzbare Kenntnisse über das jedermann zu Gebote stehende Wissen hinausgehende Kenntnisse, die den Betreuer in die Lage versetzen, seine Aufgaben zum Wohl des Betreuten besser und effektiver zu erfüllen. Solche Kenntnisse sind im Hinblick darauf, dass es sich bei der Betreuung um eine rechtliche Betreuung handelt (§ 1901 Abs. 1 BGB), regelmäßig Rechtskenntnisse. Erforderlich ist, dass die Ausbildung in ihrem Kernbereich auf die Vermittlung von betreuungsrelevantem Wissen ausgerichtet ist, das über ein Grundwissen deutlich hinausgeht (Senatsbeschluss vom 7. Dezember 2016 - XII ZB 346/15 - FamRZ 2017, 479 Rn. 10 f. mwN). Die Frage, unter welchen Umständen ein Berufsbetreuer im Einzelfall die Voraussetzungen erfüllt, die gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG die Bewilligung einer erhöhten Vergütung rechtfertigen, obliegt einer wertenden Betrachtung des Tatrichters. Dessen Würdigung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob er die maßgebenden Tatsachen vollständig und fehlerfrei festgestellt und gewürdigt, Rechtsbegriffe verkannt oder Erfahrungssätze verletzt und die allgemein anerkannten Maßstäbe berücksichtigt und richtig angewandt hat (Senatsbeschluss vom 7. Dezember 2016 - XII ZB 346/15 - FamRZ 2017, 479 Rn. 12 mwN).
- 10
- b) Diesen Anforderungen wird die angefochtene Entscheidung gerecht.
- 11
- aa) Dass aus den juristischen Inhalten des mit der Fachrichtung Völkerrecht abgeschlossenen Hochschulstudiums keine besonderen für die Betreuung nutzbaren Kenntnisse abgeleitet werden können, wird von der Beteiligten zu 1 nicht mehr in Frage gestellt (vgl. Senatsbeschluss vom 10. April 2013 - XII ZB 349/12 - FamRZ 2013, 1029 Rn. 15 ff.).
- 12
- bb) Sprachkenntnisse sind zwar über das jedermann zu Gebote stehende Wissen hinausgehende Kenntnisse, vermitteln aber keine Kenntnisse, die den Betreuer im Sinne des § 4 VBVG in die Lage versetzen, seine Aufgaben zum Wohl des Betreuten besser und effektiver zu erfüllen.
- 13
- Die Betreuung umfasst nach § 1901 Abs. 1 BGB alle Tätigkeiten, die erforderlich sind, um die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen. Die mit diesem Aufgabenkreis unabdingbar verknüpfte persönliche Kontaktaufnahme zu dem Betreuten (vgl. § 1901 Abs. 3 Satz 3 BGB) ist eine Nebenpflicht (vgl. Senatsbeschluss vom 26. März 2014 - XII ZB 346/13 - FamRZ 2014, 1013 Rn. 8 mwN). Die zur Erfüllung dieser Nebenpflicht erforderlichen Sprachkenntnisse vermitteln auch dann, wenn sie - wie hier - für die Auswahl des Betreuers ausschlaggebend waren, keine besonderen, für die Führung der Betreuung nutzbaren Kenntnisse im Sinne des § 4 VBVG. Damit steht im Einklang, dass die Kosten eines gegebenenfalls für die Kommunikation mit dem Betreuten benötigten Dolmetschers mit der Pauschalvergütung nach §§ 4, 5 VBVG abgegol- ten sind (Senatsbeschluss vom 26. März 2014 - XII ZB 346/13 - FamRZ 2014, 1013 Rn. 7 ff.).
- 14
- cc) Es kommt daher nicht darauf an, dass die russischen Sprachkenntnisse der Beteiligten zu 1, auch soweit sie die Prüfungen als staatlich geprüfte Übersetzerin bzw. Dolmetscherin für die russische Sprache abgelegt hat, nicht durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule oder durch eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben wurden.
- 15
- Die von einem Teil der Jurastudenten im Ausland erworbenen Abschlüsse wurden in der DDR selbst nicht als Sprachstudium anerkannt, sondern als juristischer Abschluss. Entsprechend wurden diese Abschlüsse durch mit anderen Staaten abgeschlossene Äquivalenzabkommen den in der vormaligen DDR erworbenen juristischen Diplomabschlüssen gleichgestellt (vgl. BT-Drucks. 12/6243 S. 8; Senatsbeschluss vom 7. Dezember 2016 - XII ZB 346/15 - FamRZ 2017, 479 Rn. 18 ff.).
- 16
- Der sprachliche Teil des mit der Fachrichtung Völkerrecht abgeschlossenen Hochschulstudiums der Beteiligten zu 1 ist schließlich auch nach seinem zeitlichen Umfang von 1.772 Stunden nicht mit einem Übersetzer-/DolmetscherStudium vergleichbar.
Vorinstanzen:
AG Kassel, Entscheidung vom 03.06.2015 - 780 XVII D 207/14 -
LG Kassel, Entscheidung vom 22.08.2017 - 3 T 617/15 -
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(1) Die dem Betreuer nach § 1 Absatz 2 zu bewilligende Vergütung bestimmt sich nach monatlichen Fallpauschalen, die in den Vergütungstabellen A bis C der Anlage festgelegt sind.
(2) Die Vergütung des Betreuers richtet sich nach Vergütungstabelle A, sofern der Betreuer über keine besonderen Kenntnisse verfügt, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind.
(3) Verfügt der Betreuer über besondere Kenntnisse, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind, so richtet sich die Vergütung
- 1.
nach Vergütungstabelle B, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Lehre oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind; - 2.
nach Vergütungstabelle C, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule oder durch eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind.
(4) § 3 Absatz 2 gilt entsprechend. § 1 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 findet keine Anwendung.
(1) Die Vorschriften über die Anerkennung von Prüfungen nach dem Bundesvertriebenengesetz und landesrechtliche Vorschriften über die Anerkennung der universitären Schwerpunktbereichsprüfung werden durch dieses Gesetz nicht berührt.
(2) Juristische Prüfungen, die Deutsche aus dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet vor dem 3. Oktober 1990 im Ausland abgelegt haben, sind als erste Staatsprüfung nach § 5 Abs. 1 anzuerkennen, wenn sie in der Deutschen Demokratischen Republik durch völkerrechtliche Vereinbarung mit der Sowjetunion oder mit Staaten in Mittel- oder Osteuropa, die mit der Sowjetunion verbündet waren, oder durch Rechtsvorschrift dem Abschluß als Diplom-Jurist gleichgestellt wurden und der ersten Staatsprüfung gleichwertig sind.
(3) Das Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz ist nicht anzuwenden.
(1) Die dem Betreuer nach § 1 Absatz 2 zu bewilligende Vergütung bestimmt sich nach monatlichen Fallpauschalen, die in den Vergütungstabellen A bis C der Anlage festgelegt sind.
(2) Die Vergütung des Betreuers richtet sich nach Vergütungstabelle A, sofern der Betreuer über keine besonderen Kenntnisse verfügt, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind.
(3) Verfügt der Betreuer über besondere Kenntnisse, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind, so richtet sich die Vergütung
- 1.
nach Vergütungstabelle B, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Lehre oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind; - 2.
nach Vergütungstabelle C, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule oder durch eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind.
(4) § 3 Absatz 2 gilt entsprechend. § 1 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 findet keine Anwendung.
(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in
- 1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts, - 2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie - 3.
Freiheitsentziehungssachen.
(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.
(1) Die dem Betreuer nach § 1 Absatz 2 zu bewilligende Vergütung bestimmt sich nach monatlichen Fallpauschalen, die in den Vergütungstabellen A bis C der Anlage festgelegt sind.
(2) Die Vergütung des Betreuers richtet sich nach Vergütungstabelle A, sofern der Betreuer über keine besonderen Kenntnisse verfügt, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind.
(3) Verfügt der Betreuer über besondere Kenntnisse, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind, so richtet sich die Vergütung
- 1.
nach Vergütungstabelle B, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Lehre oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind; - 2.
nach Vergütungstabelle C, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule oder durch eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind.
(4) § 3 Absatz 2 gilt entsprechend. § 1 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 findet keine Anwendung.
(1) Die Höhe der Fallpauschalen nach § 4 Absatz 1 richtet sich nach
- 1.
der Dauer der Betreuung, - 2.
dem gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betreuten und - 3.
dem Vermögensstatus des Betreuten.
(2) Hinsichtlich der Dauer der Betreuung wird bei der Berechnung der Fallpauschalen zwischen den Zeiträumen in den ersten drei Monaten der Betreuung, im vierten bis sechsten Monat, im siebten bis zwölften Monat, im 13. bis 24. Monat und ab dem 25. Monat unterschieden. Für die Berechnung der Monate gelten § 187 Absatz 1 und § 188 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend. Ändern sich Umstände, die sich auf die Vergütung auswirken, vor Ablauf eines vollen Monats, so ist die Fallpauschale zeitanteilig nach Tagen zu berechnen; § 187 Absatz 1, § 188 Absatz 1 und § 191 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gelten entsprechend.
(3) Hinsichtlich des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Betreuten ist zwischen stationären Einrichtungen und diesen nach Satz 3 gleichgestellten ambulant betreuten Wohnformen einerseits und anderen Wohnformen andererseits zu unterscheiden. Im Sinne dieses Gesetzes sind
- 1.
stationäre Einrichtungen: Einrichtungen, die dem Zweck dienen, Volljährige aufzunehmen, ihnen Wohnraum zu überlassen sowie tatsächliche Betreuung oder Pflege zur Verfügung zu stellen oder vorzuhalten, und die in ihrem Bestand von Wechsel und Zahl der Bewohner unabhängig sind und entgeltlich betrieben werden; - 2.
ambulant betreute Wohnformen: entgeltliche Angebote, die dem Zweck dienen, Volljährigen das Leben in einem gemeinsamen Haushalt oder einer Wohnung bei gleichzeitiger Inanspruchnahme extern angebotener entgeltlicher Leistungen tatsächlicher Betreuung oder Pflege zu ermöglichen.
(4) Hinsichtlich der Bestimmung des Vermögensstatus des Betreuten ist entscheidend, ob am Ende des Abrechnungsmonats Mittellosigkeit nach § 1836d des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorliegt.
(5) Die Fallpauschalen gelten auch Ansprüche auf Ersatz anlässlich der Betreuung entstandener Aufwendungen ab. Die gesonderte Geltendmachung von Aufwendungen im Sinne des § 1835 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bleibt unberührt.