Bundesgerichtshof Beschluss, 14. März 2018 - XII ZB 146/17

bei uns veröffentlicht am14.03.2018
vorgehend
Amtsgericht Darmstadt, 503 XVII 493/14, 20.03.2015
Landgericht Darmstadt, 5 T 237/15, 15.03.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 146/17
vom
14. März 2018
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Bei der Entscheidung über eine erhöhte Vergütung nach § 4 Abs. 1 Satz 2
VBVG muss das Gericht eine konkrete Betrachtung des tatsächlichen Inhalts
der Ausbildung vornehmen (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 15. Juli
2015 - XII ZB 123/14 - FamRZ 2015, 1794).
BGH, Beschluss vom 14. März 2018 - XII ZB 146/17 - LG Darmstadt
AG Darmstadt
ECLI:DE:BGH:2018:140318BXIIZB146.17.0

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. März 2018 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Dr. Günter, Dr. Nedden-Boeger, Dr. Botur und Guhling
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 3 wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 15. März 2017 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an eine andere Kammer des Landgerichts zurückverwiesen. Wert: 131 €

Gründe:

1
Die Rechtsbeschwerde, mit der die Staatskasse die Zuerkennung eines erhöhten Vergütungsstundensatzes von 33,50 € zugunsten der Betreuerin be- anstandet, hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Kammer des Beschwerdegerichts.
2
1. Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung in juris veröffentlicht ist, vertritt die Auffassung, dass die Betreuerin durch ihre im Jahr 1992 abgeschlossene Ausbildung zur Krankengymnastin (heutige Berufsbezeichnung: Physiotherapeutin) für die Betreuung nutzbare Kenntnisse im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG erworben habe. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
3
a) Im rechtlichen Ausgangspunkt geht das Beschwerdegericht zwar zutreffend davon aus, dass es sich bei der Ausbildung zur Krankengymnastin um eine abgeschlossene Ausbildung handelt, die einer abgeschlossenen Lehre vergleichbar ist, § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG. Weiter zutreffend geht das Beschwerdegericht von der Notwendigkeit der Feststellung aus, dass ein erheblicher Teil der Ausbildung auf die Vermittlung von Wissen gerichtet ist, welches für die Betreuung nutzbar ist und über ein Grundwissen deutlich hinausgeht. Bei der Entscheidung über eine erhöhte Vergütung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG muss der Tatrichter deshalb eine konkrete Betrachtung des tatsächlichen Inhalts der Ausbildung vornehmen, insbesondere den Umfang der für die Betreuung nutzbaren Ausbildungsinhalte bzw. deren Anteil an der Gesamtausbildungszeit feststellen und in die Würdigung einbeziehen, inwieweit diese Kenntnisse selbständiger und maßgeblicher Teil der Abschlussprüfung sind (Senatsbeschluss vom 15. Juli 2015 - XII ZB 123/14 - FamRZ 2015, 1794 Rn. 5).
4
b) Die Rechtsbeschwerde beanstandet aber zu Recht, dass das Beschwerdegericht den Inhalt der Ausbildung fehlerhaft ermittelt hat, indem es seinen Feststellungen die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Physiotherapeuten vom 6. Dezember 1994 (BGBl. I S. 3786; PhysTh-APrV) zugrunde gelegt hat. Maßgeblich für die im Jahr 1992 abgeschlossene Ausbildung der Betreuerin waren demgegenüber die aufgrund von § 12 des Gesetzes über die Ausübung der Berufe des Masseurs, des Masseurs und medizinischen Bademeisters und des Krankengymnasten vom 21. Dezember 1958 (BGBl. I 1958, 985; MBKG) erlassene Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Krankengymnasten vom 7. Dezember 1960 (BGBl. I 1960, 885; KrGymAPO) mit Änderung vom 25. Juni 1971 (BGBl. I 1971, 847). Diese weicht nicht nur im zeitlichen Umfang, sondern auch hinsichtlich der Inhalte der Ausbildung und der Prüfung von der im Jahr 1994 erlassenen Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Physiotherapeuten ab (vgl. auch Senatsbeschluss vom 15. Juli 2015 - XII ZB 123/14 - FamRZ 2015, 1794 Rn. 3).
5
Nicht tragfähig ist die Annahme des Beschwerdegerichts, es komme im Interesse eines einfach handhabbaren und typisierten Vergütungsaufbaus nach § 4 VBVG nicht darauf an, in welchem Jahr ein Betreuer seine Ausbildung abgeschlossen habe, ob die Ausbildung in der Zwischenzeit unbenannt worden sei oder ob Ausbildungsinhalte hinzugekommen oder gestrichen worden seien. Maßgeblich für die erhöhte Vergütung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG sind die betreuungsrelevanten Kenntnisse, die durch eine abgeschlossene Lehre oder eine vergleichbare Ausbildung - tatsächlich - erworben worden sind. Welche Kenntnisse ein Betreuer tatsächlich erworben hat, kann nur anhand der seiner Ausbildung zugrunde liegenden Ausbildungs- und Prüfungsordnung beurteilt werden und nicht anhand eines typisierenden Vergleichs mit anderen Personen , die aufgrund anderer Ausbildungs- und Prüfungsinhalte die gleiche Berufsbezeichnung führen dürfen.
6
2. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts kann daher keinen Bestand haben. Die Sache ist an eine andere Kammer des Beschwerdegerichts zurückzuverweisen (§ 74 Abs. 6 Satz 3 FamFG), damit diese die erforderlichen Feststellungen treffen kann.
7
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin: Kenntnis- se, die in vergütungsrelevanter Weise „für die Betreuung nutzbar“ sind, werden im Hinblick darauf, dass es sich bei der Betreuung um eine rechtliche Betreuung handelt (§ 1901 BGB), regelmäßig Rechtskenntnisse sein (vgl. Senatsbeschlüsse vom 28. Februar 2018 - XII ZB 452/17 - zur Veröffentlichung bestimmt und vom 21. Mai 2014 - XII ZB 98/14 - FamRZ 2014, 1361 Rn. 11 mwN). Auch vor diesem Hintergrund wird sich das Beschwerdegericht mit dem Vorbringen der Staatskasse auseinanderzusetzen haben, wonach die Ausbildung zur Krankengymnastin bzw. Physiotherapeutin im Kernbereich auf die Erlernung von praktischen Behandlungstechniken gerichtet gewesen sei, welche die Betreuerin im Rahmen der Betreuung nicht nutzen könne, weil sie den Betroffenen nicht behandle, während ihr theoretisches Wissen allenfalls im Bereich der Gesundheitssorge und dort auch nur mittelbar im Rahmen des Hinwirkens auf eine Therapie und deren Überwachung zur Anwendung gelangen könne.
8
3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen. Dose Günter Nedden-Boeger Botur Guhling
Vorinstanzen:
AG Darmstadt, Entscheidung vom 20.03.2015 - 503 XVII 493/14 (V) -
LG Darmstadt, Entscheidung vom 15.03.2017 - 5 T 237/15 -

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Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 74 Entscheidung über die Rechtsbeschwerde


(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig

Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz - VBVG | § 4 Vergütung des Betreuers


(1) Die dem Betreuer nach § 1 Absatz 2 zu bewilligende Vergütung bestimmt sich nach monatlichen Fallpauschalen, die in den Vergütungstabellen A bis C der Anlage festgelegt sind. (2) Die Vergütung des Betreuers richtet sich nach Vergütungstabelle

Gesetz über die Vergütung von Vormündern und Betreuern


Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz - VBVG

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(1) Die dem Betreuer nach § 1 Absatz 2 zu bewilligende Vergütung bestimmt sich nach monatlichen Fallpauschalen, die in den Vergütungstabellen A bis C der Anlage festgelegt sind.

(2) Die Vergütung des Betreuers richtet sich nach Vergütungstabelle A, sofern der Betreuer über keine besonderen Kenntnisse verfügt, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind.

(3) Verfügt der Betreuer über besondere Kenntnisse, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind, so richtet sich die Vergütung

1.
nach Vergütungstabelle B, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Lehre oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind;
2.
nach Vergütungstabelle C, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule oder durch eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind.

(4) § 3 Absatz 2 gilt entsprechend. § 1 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 findet keine Anwendung.

5
Rechtlich zu beanstanden ist jedoch die Annahme, es sei ausreichend, dass die vermittelten, für die Betreuung nutzbaren Kenntnisse für den erlernten Beruf prägend seien. Erforderlich ist vielmehr die Feststellung, dass ein erheblicher Teil der Ausbildung auf die Vermittlung solchen Wissens gerichtet ist und dass das dadurch erworbene Wissen über ein Grundwissen deutlich hinausgeht (Senatsbeschlüsse vom 25. März 2015 - XII ZB 558/14 - juris Rn. 4 und vom 16. Januar 2014 - XII ZB 525/13 - FamRZ 2014, 471 Rn. 4 mwN). Allein daraus, dass bestimmte Kenntnisse für die Berufsausübung von erheblicher Bedeutung sind, kann jedoch nicht darauf geschlossen werden, dass diese auch einen erheblichen Teil der Ausbildung darstellen. Solches Wissen kann nämlich auch durch Lebenserfahrung, Fortbildungen oder Berufspraxis erworben werden, was nicht zu einer erhöhten Vergütung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG führt (Senatsbeschluss vom 4. April 2012 - XII ZB 447/11 - NJW-RR 2012, 774 Rn. 22). Bei der Entscheidung über eine erhöhte Vergütung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG muss das Gericht eine konkrete Betrachtung des tatsächlichen Inhalts der Ausbildung vornehmen, insbesondere den Umfang der für die Betreuung nutzbaren Ausbildungsinhalte bzw. deren Anteil an derGesamtausbildungszeit feststellen und in die Würdigung einbeziehen, inwieweit diese Kenntnisse selbständiger und maßgeblicher Teil der Abschlussprüfung sind (vgl. Senatsbeschlüsse vom 4. Dezember 2013 - XII ZB 252/13 - FamRZ 2014, 471 Rn. 5 und vom 23. Oktober 2013 - XII ZB 429/13 - FamRZ 2014, 116 Rn. 19). Der Umfang bzw. Anteil der Vermittlung für die Betreuung nutzbarer Kenntnisse muss dabei nicht so genau festgestellt werden, dass ein exakter Prozentanteil angegeben werden kann. Es genügt, wenn aufgrund des erkennbaren zeitlichen Aufwands oder anderer Anhaltspunkte feststeht, dass ein erheblicher Teil der Ausbildungszeit auf die Vermittlung solchen Wissens fällt.

(1) Die dem Betreuer nach § 1 Absatz 2 zu bewilligende Vergütung bestimmt sich nach monatlichen Fallpauschalen, die in den Vergütungstabellen A bis C der Anlage festgelegt sind.

(2) Die Vergütung des Betreuers richtet sich nach Vergütungstabelle A, sofern der Betreuer über keine besonderen Kenntnisse verfügt, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind.

(3) Verfügt der Betreuer über besondere Kenntnisse, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind, so richtet sich die Vergütung

1.
nach Vergütungstabelle B, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Lehre oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind;
2.
nach Vergütungstabelle C, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule oder durch eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind.

(4) § 3 Absatz 2 gilt entsprechend. § 1 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 findet keine Anwendung.

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.

(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.

(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 452/17
vom
28. Februar 2018
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Sprachkenntnisse sind keine besonderen Kenntnisse im Sinne des § 4
VBVG, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind (Fortführung der Senatsbeschlüsse
vom 7. Dezember 2016 - XII ZB 346/15 - FamRZ 2017, 479
und vom 10. April 2013 - XII ZB 349/12 - FamRZ 2013, 1029).
BGH, Beschluss vom 28. Februar 2018 - XII ZB 452/17 - LG Kassel
AG Kassel
ECLI:DE:BGH:2018:280218BXIIZB452.17.0

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Februar 2018 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richter Schilling, Dr. Günter und Dr. Botur und die Richterin Dr. Krüger
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 22. August 2017 wird auf Kosten der weiteren Beteiligten zu 1 zurückgewiesen. Beschwerdewert: 1.147 €

Gründe:

I.

1
Die Beteiligte zu 1 strebt als Berufsbetreuerin eine Vergütung auf der Grundlage eines Stundensatzes von 44 € an.
2
Die vormalige DDR ließ einen kleinen Teil ihrer Jurastudenten an Universitäten oder Hochschulen in der damaligen UdSSR und anderen RGW-Staaten ausbilden. So erwarb die Beteiligte zu 1 im Jahre 1984 an der Kiewer Staatlichen Schewtschenko-Universität einen Diplomabschluss in der Fachrichtung Völkerrecht. Gegenstand der Ausbildung war auch die Vermittlung russischer Sprachkenntnisse, die mit einem zeitlichen Umfang von insgesamt 1.772 Stunden eines der drei Staatsexamensfächer bildeten. Ihr Abschluss wurde vom Justizprüfungsamt des Freistaats Thüringen als der ersten juristischen Staatsprüfung i.S.v. § 112 Abs. 2 DRiG gleichwertig anerkannt. 1998/1999 hat sie die Prüfungen als Übersetzerin bzw. Dolmetscherin für die russische Sprache bestanden.
3
Die Beteiligte zu 1 hat für die Zeit von Mai 2014 bis Mai 2015 auf der Grundlage eines Stundensatzes von 44 € eine Vergütung von insgesamt 2.970 € geltend gemacht. Nachdem der Senat in einem Parallelverfahren (XII ZB 346/15) entschieden hat, dass allein aus der Anerkennung eines Abschlusses nach § 112 Abs. 2 DRiG noch nicht auf den Erwerb besonderer Kenntnisse geschlossen werden kann, die für die Führung der Betreuung im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG nutzbar sind, stützt die Beteiligte zu 1 den von ihr beanspruchten Stundensatz auch auf die von ihr erworbenen russischen Sprachkenntnisse.
4
Das Amtsgericht hat ihr auf der Grundlage eines Stundensatzes von 27 € eine Vergütung in Höhe von 1.822,50 € zugesprochen. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1, mit der sie weiterhin eine Vergütung auf der Grundlage eines Stundensatzes von 44 € anstrebt.

II.

5
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie nach § 70 Abs. 1 FamFG statthaft, weil das Landgericht sie in der angefochtenen Entscheidung zugelassen hat. Der Senat ist an die Zulassung gebunden. Die Rechtsbeschwerde ist indessen in der Sache nicht begründet.
6
1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, es ließe sich nicht feststellen, dass das von der Beteiligten zu 1 abgeschlossene Studium inhaltlich in seinem Kernbereich betreuungsrelevante Inhalte ver- mittelt habe, die über Grundwissen deutlich hinausgingen und sie in die Lage versetzten, ihre Aufgaben zum Wohl des Betreuten besser und effektiver zu erfüllen. Auch Sprachkenntnisse stellten keine besonderen Kenntnisse dar, die im Sinne von § 4 VBVG für die Führung der Betreuung nutzbar seien.
7
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand.
8
Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG erhöht sich der Stundensatz (nur dann) von 27 € auf 44 €, wenn der Betreuer über besondere Kenntnisse verfügt, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind, und diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule oder durch eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind (Senatsbeschluss vom 7. Dezember 2016 - XII ZB 346/15 - FamRZ 2017, 479 Rn. 9).
9
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind besondere für die Betreuung nutzbare Kenntnisse über das jedermann zu Gebote stehende Wissen hinausgehende Kenntnisse, die den Betreuer in die Lage versetzen, seine Aufgaben zum Wohl des Betreuten besser und effektiver zu erfüllen. Solche Kenntnisse sind im Hinblick darauf, dass es sich bei der Betreuung um eine rechtliche Betreuung handelt (§ 1901 Abs. 1 BGB), regelmäßig Rechtskenntnisse. Erforderlich ist, dass die Ausbildung in ihrem Kernbereich auf die Vermittlung von betreuungsrelevantem Wissen ausgerichtet ist, das über ein Grundwissen deutlich hinausgeht (Senatsbeschluss vom 7. Dezember 2016 - XII ZB 346/15 - FamRZ 2017, 479 Rn. 10 f. mwN). Die Frage, unter welchen Umständen ein Berufsbetreuer im Einzelfall die Voraussetzungen erfüllt, die gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG die Bewilligung einer erhöhten Vergütung rechtfertigen, obliegt einer wertenden Betrachtung des Tatrichters. Dessen Würdigung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob er die maßgebenden Tatsachen vollständig und fehlerfrei festgestellt und gewürdigt, Rechtsbegriffe verkannt oder Erfahrungssätze verletzt und die allgemein anerkannten Maßstäbe berücksichtigt und richtig angewandt hat (Senatsbeschluss vom 7. Dezember 2016 - XII ZB 346/15 - FamRZ 2017, 479 Rn. 12 mwN).
10
b) Diesen Anforderungen wird die angefochtene Entscheidung gerecht.
11
aa) Dass aus den juristischen Inhalten des mit der Fachrichtung Völkerrecht abgeschlossenen Hochschulstudiums keine besonderen für die Betreuung nutzbaren Kenntnisse abgeleitet werden können, wird von der Beteiligten zu 1 nicht mehr in Frage gestellt (vgl. Senatsbeschluss vom 10. April 2013 - XII ZB 349/12 - FamRZ 2013, 1029 Rn. 15 ff.).
12
bb) Sprachkenntnisse sind zwar über das jedermann zu Gebote stehende Wissen hinausgehende Kenntnisse, vermitteln aber keine Kenntnisse, die den Betreuer im Sinne des § 4 VBVG in die Lage versetzen, seine Aufgaben zum Wohl des Betreuten besser und effektiver zu erfüllen.
13
Die Betreuung umfasst nach § 1901 Abs. 1 BGB alle Tätigkeiten, die erforderlich sind, um die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen. Die mit diesem Aufgabenkreis unabdingbar verknüpfte persönliche Kontaktaufnahme zu dem Betreuten (vgl. § 1901 Abs. 3 Satz 3 BGB) ist eine Nebenpflicht (vgl. Senatsbeschluss vom 26. März 2014 - XII ZB 346/13 - FamRZ 2014, 1013 Rn. 8 mwN). Die zur Erfüllung dieser Nebenpflicht erforderlichen Sprachkenntnisse vermitteln auch dann, wenn sie - wie hier - für die Auswahl des Betreuers ausschlaggebend waren, keine besonderen, für die Führung der Betreuung nutzbaren Kenntnisse im Sinne des § 4 VBVG. Damit steht im Einklang, dass die Kosten eines gegebenenfalls für die Kommunikation mit dem Betreuten benötigten Dolmetschers mit der Pauschalvergütung nach §§ 4, 5 VBVG abgegol- ten sind (Senatsbeschluss vom 26. März 2014 - XII ZB 346/13 - FamRZ 2014, 1013 Rn. 7 ff.).
14
cc) Es kommt daher nicht darauf an, dass die russischen Sprachkenntnisse der Beteiligten zu 1, auch soweit sie die Prüfungen als staatlich geprüfte Übersetzerin bzw. Dolmetscherin für die russische Sprache abgelegt hat, nicht durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule oder durch eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben wurden.
15
Die von einem Teil der Jurastudenten im Ausland erworbenen Abschlüsse wurden in der DDR selbst nicht als Sprachstudium anerkannt, sondern als juristischer Abschluss. Entsprechend wurden diese Abschlüsse durch mit anderen Staaten abgeschlossene Äquivalenzabkommen den in der vormaligen DDR erworbenen juristischen Diplomabschlüssen gleichgestellt (vgl. BT-Drucks. 12/6243 S. 8; Senatsbeschluss vom 7. Dezember 2016 - XII ZB 346/15 - FamRZ 2017, 479 Rn. 18 ff.).
16
Der sprachliche Teil des mit der Fachrichtung Völkerrecht abgeschlossenen Hochschulstudiums der Beteiligten zu 1 ist schließlich auch nach seinem zeitlichen Umfang von 1.772 Stunden nicht mit einem Übersetzer-/DolmetscherStudium vergleichbar.
Dose Schilling Günter Botur Krüger
Vorinstanzen:
AG Kassel, Entscheidung vom 03.06.2015 - 780 XVII D 207/14 -
LG Kassel, Entscheidung vom 22.08.2017 - 3 T 617/15 -
11
Solche Kenntnisse sind im Hinblick darauf, dass es sich bei der Betreuung um eine rechtliche Betreuung handelt (§ 1901 Abs. 1 BGB), regelmäßig Rechtskenntnisse (Senatsbeschluss vom 22. August 2012 - XII ZB 319/11 - NJW-RR 2012, 1475 Rn. 17).

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.

(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.

(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.