Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Dez. 2011 - XII ZB 233/11

bei uns veröffentlicht am14.12.2011
vorgehend
Amtsgericht Velbert, 3 F 382/07, 28.07.2010
Oberlandesgericht Düsseldorf, 6 UF 163/10, 25.02.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 233/11
vom
14. Dezember 2011
in der Familiensache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Dezember 2011 durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Weber-Monecke,
Dr. Klinkhammer, Dr. Günter und Dr. Nedden-Boeger

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 6. Familiensenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 25. Februar 2011 aufgehoben. Die Sache wird zur Verhandlung und erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Beschwerdewert: 23.760 € (12 x 1.980 €)

Gründe:

I.

1
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung von Trennungsunterhalt in Anspruch. Ihre Klage ist durch Versäumnisurteil abgewiesen und der hiergegen gerichtete Einspruch durch Urteil vom 28. Juli 2010 verworfen worden. Das betreffende Urteil ist den erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 17. September 2010 zugestellt worden. Bereits mit Schriftsatz vom 5. September 2010 - unterzeichnet von Rechtsanwältin A. - hatten diese mitgeteilt , dass sie die Klägerin nicht mehr vertreten. Am 18. Oktober 2010, einem Montag, hat Rechtsanwältin A., die inzwischen aus der Kanzlei der erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten ausgeschieden war, gegen das Urteil Berufung eingelegt und diese am 17. November 2010 begründet. Nachdem der Beklagte den Mangel der Vollmacht von Rechtsanwältin A. gerügt hatte, ist der Klägerin durch Verfügung vom 30. Dezember 2010 aufgegeben worden, die Prozessvollmacht ihrer Anwältin bis zum 31. Januar 2011 nachzuweisen. Die Auflage ist innerhalb der Frist nicht erfüllt worden.
2
Durch den angefochtenen Beschluss hat das Oberlandesgericht die Berufung verworfen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Rechtsbeschwerde.

II.

3
Auf das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsurteil vom 25. November 2009 - XII ZR 8/08 - FamRZ 2010, 192 Rn. 5).
4
1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im Übrigen nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Das Berufungsgericht hat durch seine Entscheidung das Verfahrensgrundrecht der Klägerin auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt, das es den Gerichten verbietet, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (Senatsbeschluss vom 23. März 2011 - XII ZB 51/11 - FamRZ 2011, 881 Rn. 7 mwN).
5
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht. Die Berufung hätte nicht mit der Begründung verworfen werden dürfen, die Bevollmächtigung von Rechtsanwältin A. durch die Klägerin sei nicht bis zum 31. Januar 2011 nachgewiesen worden.
6
a) Das Oberlandesgericht ist zwar zu Recht davon ausgegangen, dass sich die Parteien vor dem Oberlandesgericht durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen müssen (§ 78 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Insofern ist die wirksame Prozessvollmacht grundsätzlich Prozesshandlungsvoraussetzung. Liegt sie bei der Einlegung eines Rechtsmittels nicht vor, so ist dieses zu verwerfen (BGHZ 111, 219, 221 = NJW 1990, 910 mwN).
7
b) Der Mangel der Vollmacht kann von dem Gegner in jeder Lage des Verfahrens gerügt werden (§ 88 Abs. 1 ZPO). Auf diese Rüge ist die Bevollmächtigung - abgesehen von hier nicht gegebenen Ausnahmefällen (vgl. hierzu Stein/Jonas/Bork ZPO 22. Aufl. § 80 Rn. 23 f.) - durch eine schriftliche Vollmacht nachzuweisen und diese zu den Gerichtsakten einzureichen; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen (§ 80 ZPO).
8
c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts handelt es sich hierbei indessen nicht um eine Ausschlussfrist (BGHZ 166, 278, 280 = NJW 2007, 772 Rn. 8; Stein/Jonas/Bork aaO § 89 Rn. 6; Zöller/Vollkommer ZPO 29. Aufl. § 80 Rn. 12; Hüßtege in Thomas/Putzo ZPO 32. Aufl. § 80 Rn. 8). Wird die Vollmacht innerhalb der Frist nicht eingereicht, so kann sie noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung oder bis zu dem in § 128 Abs. 2 Satz 2 ZPO bestimmten Zeitpunkt beigebracht oder die bisherige Prozessführung durch die Partei oder ihren neuen Vertreter genehmigt werden (Zöller/ Vollkommer aaO § 80 Rn. 12; Hüßtege in Thomas/Putzo aaO § 80 Rn. 8).
9
d) Die Klägerin brauchte deshalb nicht damit zu rechnen, dass ihre Berufung vor der auf den 15. April 2011 anberaumten mündlichen Verhandlung verworfen werden würde. Vielmehr konnte sie, wie nach dem Vorbringen der Rechtsbeschwerde beabsichtigt, die Vollmacht noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nachweisen. Dass das Berufungsgericht die Berufung gleichwohl bereits zuvor verworfen hat, stellt sich danach als rechtsfehlerhaft dar.
10
e) Die Vorgehensweise des Oberlandesgerichts verletzt die Klägerin überdies in ihrem Grundrecht auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG. Zwar sieht § 522 Abs. 1 ZPO im Gegensatz zu § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO für den Fall der Verwerfung eines Rechtsmittels eine Anhörung der Partei nicht ausdrücklich vor. Die Pflicht hierzu folgt indessen unmittelbar aus Art. 103 Abs. 1 GG (st. Rspr.: Senatsbeschlüsse vom 24. Februar 2010 - XII ZB 168/08 - FamRZ 2010, 882 Rn. 7; vom 15. August 2007 - XII ZB 101/07 - NJW-RR 2007, 1718 und vom 18. Juli 2007 - XII ZB 162/06 - FamRZ 2007, 1725). Art. 103 Abs. 1 GG gibt dem Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens ein Recht darauf, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt (hier: zu der angenommenen fehlenden Vollmacht von Rechtsanwältin A.) äußern zu können. Hätte das Oberlandesgericht der Klägerin einen entsprechenden Hinweis erteilt, so hätte diese die Anfang Oktober 2010 erteilte Vollmacht - wie mit der Rechtsbeschwerdebegründung durch Einreichen des Originals geschehen - nachweisen können. Dass die Bevollmächtigung "unter dem Vorbehalt erfolgt" ist, "dass die Kosten des Verfahrens von Rechtsanwältin A. übernommen werden", bleibt auf die Wirksamkeit ohne Einfluss. Der Zusatz betrifft, wie die Rechtsbeschwerde zutreffend ausführt, allein das Innenverhältnis zwischen der Klägerin und Rechtsanwältin A. Der angefochtene Beschluss beruht deshalb auch auf dem unterbliebenen Hinweis.
Hahne Weber-Monecke Klinkhammer Günter Nedden-Boeger

Vorinstanzen:
AG Velbert, Entscheidung vom 28.07.2010 - 3 F 382/07 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 25.02.2011 - II-6 UF 163/10 -

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(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 78 Anwaltsprozess


(1) Vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten müssen sich die Parteien durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Ist in einem Land auf Grund des § 8 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz ein oberstes Landesgericht errichtet, so m

Zivilprozessordnung - ZPO | § 128 Grundsatz der Mündlichkeit; schriftliches Verfahren


(1) Die Parteien verhandeln über den Rechtsstreit vor dem erkennenden Gericht mündlich. (2) Mit Zustimmung der Parteien, die nur bei einer wesentlichen Änderung der Prozesslage widerruflich ist, kann das Gericht eine Entscheidung ohne mündliche V

FGG-Reformgesetz - FGG-RG | Art 111 Übergangsvorschrift


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 88 Mangel der Vollmacht


(1) Der Mangel der Vollmacht kann von dem Gegner in jeder Lage des Rechtsstreits gerügt werden. (2) Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 80 Prozessvollmacht


Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen.

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(1) Auf Verfahren, die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beantragt wurde, sind weiter die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden. Auf Abänderungs-, Verlängerungs- und Aufhebungsverfahren finden die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften Anwendung, wenn die Abänderungs-, Verlängerungs- und Aufhebungsverfahren bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beantragt wurde.

(2) Jedes gerichtliche Verfahren, das mit einer Endentscheidung abgeschlossen wird, ist ein selbständiges Verfahren im Sinne des Absatzes 1 Satz 1.

(3) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren in Familiensachen, die am 1. September 2009 ausgesetzt sind oder nach dem 1. September 2009 ausgesetzt werden oder deren Ruhen am 1. September 2009 angeordnet ist oder nach dem 1. September 2009 angeordnet wird, die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden.

(4) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, die am 1. September 2009 vom Verbund abgetrennt sind oder nach dem 1. September 2009 abgetrennt werden, die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden. Alle vom Verbund abgetrennten Folgesachen werden im Fall des Satzes 1 als selbständige Familiensachen fortgeführt.

(5) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, in denen am 31. August 2010 im ersten Rechtszug noch keine Endentscheidung erlassen wurde, sowie auf die mit solchen Verfahren im Verbund stehenden Scheidungs- und Folgesachen ab dem 1. September 2010 die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden.

5
Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. OLG Köln FamRZ 2009, 1852 f.; OLG Stuttgart Beschluss vom 22. Oktober 2009 - 18 UF 233/09 - veröffentlicht bei juris; OLG Schleswig Beschluss vom 21. Oktober 2009 - 2 W 152/09 - veröffentlicht bei juris und OLG Dresden Beschluss vom 20. Oktober 2009 - 3 W 1077/09 - veröffentlicht bei juris).

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

7
1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Sie ist gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im Übrigen gemäß § 574 Abs. 2 ZPO zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Das Beschwerdegericht hat durch seine Entscheidung das Verfahrensgrundrecht des Antragstellers auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt, welches es den Gerichten verbietet, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (Senatsbeschluss vom 2. April 2008 - XII ZB 189/07 - FamRZ 2008, 1338 Rn. 8 mwN; s. auch Senatsbeschluss vom 6. Oktober 2010 - XII ZB 22/10 - FamRZ 2011, 30 Rn. 5).

(1) Vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten müssen sich die Parteien durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Ist in einem Land auf Grund des § 8 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz ein oberstes Landesgericht errichtet, so müssen sich die Parteien vor diesem ebenfalls durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Parteien durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen.

(2) Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich als Beteiligte für die Nichtzulassungsbeschwerde durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

(3) Diese Vorschriften sind auf das Verfahren vor einem beauftragten oder ersuchten Richter sowie auf Prozesshandlungen, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommen werden können, nicht anzuwenden.

(4) Ein Rechtsanwalt, der nach Maßgabe der Absätze 1 und 2 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

(1) Der Mangel der Vollmacht kann von dem Gegner in jeder Lage des Rechtsstreits gerügt werden.

(2) Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt.

Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen.

(1) Die Parteien verhandeln über den Rechtsstreit vor dem erkennenden Gericht mündlich.

(2) Mit Zustimmung der Parteien, die nur bei einer wesentlichen Änderung der Prozesslage widerruflich ist, kann das Gericht eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung treffen. Es bestimmt alsbald den Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, und den Termin zur Verkündung der Entscheidung. Eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ist unzulässig, wenn seit der Zustimmung der Parteien mehr als drei Monate verstrichen sind.

(3) Ist nur noch über die Kosten oder Nebenforderungen zu entscheiden, kann die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergehen.

(4) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

7
Zwar sieht § 522 Abs. 1 ZPO im Gegensatz zu § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO für den Fall einer Verwerfung eines unzulässigen Rechtsmittels eine Anhörung der Partei nicht ausdrücklich vor. Die Pflicht zur Anhörung des Rechtsmittelführers folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs indessen unmittelbar aus Art. 103 Abs. 1 GG (Senatsbeschlüsse vom 15. August 2007 - XII ZB 101/07 - NJW-RR 2007, 1718; vom 13. Juli 2005 - XII ZB 80/05 - NJWRR 2006, 142 und vom 18. Juli 2007 - XII ZB 162/06 - FamRZ 2007, 1725). Art. 103 Abs. 1 GG gibt dem Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens ein Recht darauf, dass er Gelegenheit erhält, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt (hier: zu der vom Oberlandesgericht angenommenen Fristversäumung) zu äußern.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 162/06
vom
18. Juli 2007
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Vor der Verwerfung einer Berufung wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist
ist dem Berufungskläger rechtliches Gehör zu gewähren (im
Anschluss an Senatsbeschluss vom 13. Juli 2005 - XII ZB 80/05 - NJW-RR
2006, 142 und BGH Beschluss vom 29. Juni 1993 - X ZB 21/92 - NJW 1994,
392).

b) Das gilt auch dann, wenn ein früherer Prozessbevollmächtigter des Rechtsmittelführers
sein Mandat während der noch laufenden Begründungsfrist niedergelegt
hat. Den notwendigen Hinweis hat das Berufungsgericht dann nach
§ 87 Abs. 1 ZPO an den bisherigen Prozessbevollmächtigten des Beklagten
zu richten.
BGH, Beschluss vom 18. Juli 2007 - XII ZB 162/06 - OLG Karlsruhe
AG Freiburg
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Juli 2007 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter Sprick und Prof. Dr. Wagenitz, die
Richterin Dr. Vézina und den Richter Dose

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss des 18. Familiensenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 28. Juli 2006 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Beschwerdewert: 6.784 €.

Gründe:


I.

1
Die Parteien streiten um Trennungsunterhalt.
2
Mit Urteil vom 11. April 2006 hat das Amtsgericht den Beklagten - unter Abweisung der weitergehenden Klage - zur Zahlung von Trennungsunterhalt verurteilt. Das Urteil wurde dem damaligen Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 13. April 2006 zugestellt. Dagegen hat der Beklagte rechtzeitig Berufung eingelegt. Auf seinen Antrag wurde die Frist zur Berufungsbegründung bis zum 13. Juli 2006 verlängert. Nachdem der Prozessbevollmächtigte des Beklagten sein Mandat mit Schriftsatz vom 26. Juni 2006 niedergelegt hatte und auch innerhalb der verlängerten Frist keine Berufungsbegründung eingegangen war, verwarf das Oberlandesgericht die Berufung mit Beschluss vom 28. Juli 2006 als unzulässig. Der Beschluss wurde dem früheren Prozessbevollmächtigten des Beklagten zugestellt.
3
Gegen diesen Beschluss richtet sich die rechtzeitig eingegangene Rechtsbeschwerde des Beklagten, mit der er vorträgt, die Berufung sei bereits durch seinen neuen Prozessbevollmächtigten am 6. Juli 2006 begründet und der Schriftsatz noch am gleichen Tag als Sammelpost in den Nachtbriefkasten des Berufungsgerichts eingeworfen worden.

II.

4
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist auch zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Denn insbesondere die Verfahrensgrundrechte auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstandsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) gebieten es, den Zugang zu den Gerichten und den in den Verfahrensordnungen vorgesehenen Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (BGHZ 151, 221, 227 m.w.N.).
5
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
6
a) Indem das Oberlandesgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat, ohne dem Beklagten Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, hat es gegen dessen Grundrecht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verstoßen.
Zwar sieht § 522 Abs. 1 ZPO (im Gegensatz zu § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO) für den Fall der Verwerfung einer unzulässigen Berufung eine Anhörung der Partei nicht ausdrücklich vor. Die Pflicht zur Anhörung des Rechtsmittelführers folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs indessen unmittelbar aus Art. 103 Abs. 1 GG (Senatsbeschluss vom 13. Juli 2005 - XII ZB 80/05 - NJW-RR 2006, 142; BGH Beschluss vom 29. Juni 1993 - X ZB 21/92 - NJW 1994, 392). Art. 103 Abs. 1 GG gibt dem Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens somit ein Recht darauf, dass er Gelegenheit erhält, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt zu äußern. Gegen diese Pflicht hat das Berufungsgericht verstoßen, indem es die Berufung verworfen hat, ohne den Beklagten zuvor dazu anzuhören.
7
Die Hinweispflicht ist auch nicht dadurch entfallen, dass der frühere Prozessbevollmächtigte des Beklagten sein Mandat während der noch laufenden Begründungsfrist niedergelegt hat. Weil das Berufungsverfahren nach § 78 Abs. 1 Satz 2 ZPO als Anwaltsprozess zu führen war, blieb die Vollmacht des früheren Prozessbevollmächtigten im Außenverhältnis bestehen, bis die Bestellung eines anderen Rechtsanwalts wirksam angezeigt wurde (§ 87 Abs. 1 ZPO; vgl. insoweit Senatsurteil vom 25. April 2007 - XII ZR 58/06 - FamRZ 2007, 1087, 1088). Den notwendigen Hinweis zur Anhörung des Rechtsmittelführers hätte das Berufungsgericht deswegen an den bisherigen Prozessbevollmächtigten des Beklagten richten müssen.
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b) Der angefochtene Beschluss beruht auch auf dieser Verletzung des rechtlichen Gehörs. Hätte das Berufungsgericht den Beklagten vor der Verwerfung der Berufung angehört, hätte dieser darlegen können, die Berufungsbegründung rechtzeitig bei Gericht eingereicht zu haben, wie er dies im Rechtsbeschwerdeverfahren und in seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vorgebracht hat. Das Berufungsgericht hätte dann Gelegenheit gehabt, diesem Vorbringen nachzugehen und dessen Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Dabei hätte es auch klären können, ob - wie der Beklagte vorträgt - auch der andere mit der Sammelpost eingereichte fristgebundene Schriftsatz nicht zu den entsprechenden Akten gelangt ist. Ferner hätte das Berufungsgericht im Wege des Freibeweises berücksichtigen können, dass beide per Sammelpost verschickten Schriftsätze im Postausgangsbuch der Prozessbevollmächtigten des Beklagten vermerkt sind.
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3. Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben; die Sache war zur anderweitigen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
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Nach Zurückverweisung hat das Berufungsgericht Gelegenheit, die infolge der Verletzung des rechtlichen Gehörs unterbliebenen Erwägungen nachzuholen und ggf. den neuen Prozessbevollmächtigten des Beklagten und dessen Sozius als Zeugen zu vernehmen. Dabei wird das Berufungsgericht zu beachten haben, dass hinsichtlich des rechtzeitigen Eingangs der Berufungsbegründung eine bloße Glaubhaftmachung nicht ausreicht; vielmehr geht es um den vollen Beweis des rechtzeitigen Eingangs, der allerdings im Wege des Freibeweises erfolgen kann und nicht auf Mittel des Strengbeweises beschränkt ist (BGH Beschluss vom 29. Juni 1993 - X ZR 21/92 - NJW 1994, 392).
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Vorinstanzen:
AG Freiburg, Entscheidung vom 11.04.2006 - 46 F 71/05 -
OLG Karlsruhe in Freiburg, Entscheidung vom 28.07.2006 - 18 UF 103/06 -

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.