Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Dez. 2011 - XII ZB 233/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung von Trennungsunterhalt in Anspruch. Ihre Klage ist durch Versäumnisurteil abgewiesen und der hiergegen gerichtete Einspruch durch Urteil vom 28. Juli 2010 verworfen worden. Das betreffende Urteil ist den erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 17. September 2010 zugestellt worden. Bereits mit Schriftsatz vom 5. September 2010 - unterzeichnet von Rechtsanwältin A. - hatten diese mitgeteilt , dass sie die Klägerin nicht mehr vertreten. Am 18. Oktober 2010, einem Montag, hat Rechtsanwältin A., die inzwischen aus der Kanzlei der erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten ausgeschieden war, gegen das Urteil Berufung eingelegt und diese am 17. November 2010 begründet. Nachdem der Beklagte den Mangel der Vollmacht von Rechtsanwältin A. gerügt hatte, ist der Klägerin durch Verfügung vom 30. Dezember 2010 aufgegeben worden, die Prozessvollmacht ihrer Anwältin bis zum 31. Januar 2011 nachzuweisen. Die Auflage ist innerhalb der Frist nicht erfüllt worden.
- 2
- Durch den angefochtenen Beschluss hat das Oberlandesgericht die Berufung verworfen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Rechtsbeschwerde.
II.
- 3
- Auf das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsurteil vom 25. November 2009 - XII ZR 8/08 - FamRZ 2010, 192 Rn. 5).
- 4
- 1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im Übrigen nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Das Berufungsgericht hat durch seine Entscheidung das Verfahrensgrundrecht der Klägerin auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt, das es den Gerichten verbietet, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (Senatsbeschluss vom 23. März 2011 - XII ZB 51/11 - FamRZ 2011, 881 Rn. 7 mwN).
- 5
- 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht. Die Berufung hätte nicht mit der Begründung verworfen werden dürfen, die Bevollmächtigung von Rechtsanwältin A. durch die Klägerin sei nicht bis zum 31. Januar 2011 nachgewiesen worden.
- 6
- a) Das Oberlandesgericht ist zwar zu Recht davon ausgegangen, dass sich die Parteien vor dem Oberlandesgericht durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen müssen (§ 78 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Insofern ist die wirksame Prozessvollmacht grundsätzlich Prozesshandlungsvoraussetzung. Liegt sie bei der Einlegung eines Rechtsmittels nicht vor, so ist dieses zu verwerfen (BGHZ 111, 219, 221 = NJW 1990, 910 mwN).
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- b) Der Mangel der Vollmacht kann von dem Gegner in jeder Lage des Verfahrens gerügt werden (§ 88 Abs. 1 ZPO). Auf diese Rüge ist die Bevollmächtigung - abgesehen von hier nicht gegebenen Ausnahmefällen (vgl. hierzu Stein/Jonas/Bork ZPO 22. Aufl. § 80 Rn. 23 f.) - durch eine schriftliche Vollmacht nachzuweisen und diese zu den Gerichtsakten einzureichen; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen (§ 80 ZPO).
- 8
- c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts handelt es sich hierbei indessen nicht um eine Ausschlussfrist (BGHZ 166, 278, 280 = NJW 2007, 772 Rn. 8; Stein/Jonas/Bork aaO § 89 Rn. 6; Zöller/Vollkommer ZPO 29. Aufl. § 80 Rn. 12; Hüßtege in Thomas/Putzo ZPO 32. Aufl. § 80 Rn. 8). Wird die Vollmacht innerhalb der Frist nicht eingereicht, so kann sie noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung oder bis zu dem in § 128 Abs. 2 Satz 2 ZPO bestimmten Zeitpunkt beigebracht oder die bisherige Prozessführung durch die Partei oder ihren neuen Vertreter genehmigt werden (Zöller/ Vollkommer aaO § 80 Rn. 12; Hüßtege in Thomas/Putzo aaO § 80 Rn. 8).
- 9
- d) Die Klägerin brauchte deshalb nicht damit zu rechnen, dass ihre Berufung vor der auf den 15. April 2011 anberaumten mündlichen Verhandlung verworfen werden würde. Vielmehr konnte sie, wie nach dem Vorbringen der Rechtsbeschwerde beabsichtigt, die Vollmacht noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nachweisen. Dass das Berufungsgericht die Berufung gleichwohl bereits zuvor verworfen hat, stellt sich danach als rechtsfehlerhaft dar.
- 10
- e) Die Vorgehensweise des Oberlandesgerichts verletzt die Klägerin überdies in ihrem Grundrecht auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG. Zwar sieht § 522 Abs. 1 ZPO im Gegensatz zu § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO für den Fall der Verwerfung eines Rechtsmittels eine Anhörung der Partei nicht ausdrücklich vor. Die Pflicht hierzu folgt indessen unmittelbar aus Art. 103 Abs. 1 GG (st. Rspr.: Senatsbeschlüsse vom 24. Februar 2010 - XII ZB 168/08 - FamRZ 2010, 882 Rn. 7; vom 15. August 2007 - XII ZB 101/07 - NJW-RR 2007, 1718 und vom 18. Juli 2007 - XII ZB 162/06 - FamRZ 2007, 1725). Art. 103 Abs. 1 GG gibt dem Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens ein Recht darauf, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt (hier: zu der angenommenen fehlenden Vollmacht von Rechtsanwältin A.) äußern zu können. Hätte das Oberlandesgericht der Klägerin einen entsprechenden Hinweis erteilt, so hätte diese die Anfang Oktober 2010 erteilte Vollmacht - wie mit der Rechtsbeschwerdebegründung durch Einreichen des Originals geschehen - nachweisen können. Dass die Bevollmächtigung "unter dem Vorbehalt erfolgt" ist, "dass die Kosten des Verfahrens von Rechtsanwältin A. übernommen werden", bleibt auf die Wirksamkeit ohne Einfluss. Der Zusatz betrifft, wie die Rechtsbeschwerde zutreffend ausführt, allein das Innenverhältnis zwischen der Klägerin und Rechtsanwältin A. Der angefochtene Beschluss beruht deshalb auch auf dem unterbliebenen Hinweis.
Vorinstanzen:
AG Velbert, Entscheidung vom 28.07.2010 - 3 F 382/07 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 25.02.2011 - II-6 UF 163/10 -
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(1) Auf Verfahren, die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beantragt wurde, sind weiter die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden. Auf Abänderungs-, Verlängerungs- und Aufhebungsverfahren finden die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften Anwendung, wenn die Abänderungs-, Verlängerungs- und Aufhebungsverfahren bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beantragt wurde.
(2) Jedes gerichtliche Verfahren, das mit einer Endentscheidung abgeschlossen wird, ist ein selbständiges Verfahren im Sinne des Absatzes 1 Satz 1.
(3) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren in Familiensachen, die am 1. September 2009 ausgesetzt sind oder nach dem 1. September 2009 ausgesetzt werden oder deren Ruhen am 1. September 2009 angeordnet ist oder nach dem 1. September 2009 angeordnet wird, die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden.
(4) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, die am 1. September 2009 vom Verbund abgetrennt sind oder nach dem 1. September 2009 abgetrennt werden, die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden. Alle vom Verbund abgetrennten Folgesachen werden im Fall des Satzes 1 als selbständige Familiensachen fortgeführt.
(5) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, in denen am 31. August 2010 im ersten Rechtszug noch keine Endentscheidung erlassen wurde, sowie auf die mit solchen Verfahren im Verbund stehenden Scheidungs- und Folgesachen ab dem 1. September 2010 die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten müssen sich die Parteien durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Ist in einem Land auf Grund des § 8 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz ein oberstes Landesgericht errichtet, so müssen sich die Parteien vor diesem ebenfalls durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Parteien durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen.
(2) Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich als Beteiligte für die Nichtzulassungsbeschwerde durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
(3) Diese Vorschriften sind auf das Verfahren vor einem beauftragten oder ersuchten Richter sowie auf Prozesshandlungen, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommen werden können, nicht anzuwenden.
(4) Ein Rechtsanwalt, der nach Maßgabe der Absätze 1 und 2 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.
Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen.
(1) Die Parteien verhandeln über den Rechtsstreit vor dem erkennenden Gericht mündlich.
(2) Mit Zustimmung der Parteien, die nur bei einer wesentlichen Änderung der Prozesslage widerruflich ist, kann das Gericht eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung treffen. Es bestimmt alsbald den Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, und den Termin zur Verkündung der Entscheidung. Eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ist unzulässig, wenn seit der Zustimmung der Parteien mehr als drei Monate verstrichen sind.
(3) Ist nur noch über die Kosten oder Nebenforderungen zu entscheiden, kann die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergehen.
(4) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.