vorgehend
Amtsgericht Erlangen, 2 C 1651/09, 08.02.2010
Landgericht Nürnberg-Fürth, 19 S 2606/10, 04.08.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 51/11
vom
23. März 2011
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO §§ 114, 233 B, 522 Abs. 1 Satz 4
Hat der Berufungsführer vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist Prozesskostenhilfe
beantragt und beabsichtigt das Gericht, Prozesskostenhilfe zu versagen
, so hat es vor Verwerfung der Berufung als unzulässig über das Prozesskostenhilfegesuch
zu entscheiden (im Anschluss an BGH Beschluss vom
3. Dezember 2003 - VIII ZB 80/03 - FamRZ 2004, 699).
BGH, Beschluss vom 23. März 2011 - XII ZB 51/11 - LG Nürnberg-Fürth
AG Erlangen
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. März 2011 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richterin Weber-Monecke und die Richter
Dose, Schilling und Dr. Günter

beschlossen:
Dem Beklagten wird gegen die Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 19. Zivilkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 4. August 2010 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der vorgenannte Beschluss aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Streitwert: 4.780 €

Gründe:

I.

1
Der Beklagte wendet sich gegen die Verwerfung seiner Berufung als unzulässig.
2
Das Amtsgericht hat den Beklagten u.a. zur Unterlassung verurteilt. Das Urteil ist dem Beklagten am 18. Februar 2010 zugestellt worden. Am 18. März 2010 hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten hiergegen Berufung eingelegt. Nachdem das Landgericht die Frist zur Berufungsbegründung antragsgemäß bis zum 18. Mai 2010 verlängert hatte, hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten am 5. Mai 2010 das Mandat niedergelegt. Am 18. Mai 2010 hat der Beklagte beantragt, ihm "für die Vorlage der Berufungsbegründung" Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin W. beizuordnen. Ferner heißt es in dem Schreiben des Beklagten, dem der Entwurf einer Berufungsbegründung beilag, dass nach Beiordnung der Rechtsanwältin Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt werde. Mit Verfügung vom 27. Mai 2010 hat das Landgericht u.a. darauf hingewiesen, dass die Berufungsbegründungsfrist seit dem 19. April 2010 abgelaufen sei und eine fristgemäß eingereichte Berufungsbegründung nicht vorliege, weshalb die Berufung als unzulässig zu verwerfen sein werde. Mit weiterer Verfügung vom 19. Juni 2010 wurde darauf hingewiesen, dass die Frist zur Berufungsbegründung am 18. Mai 2010 abgelaufen und somit versäumt sei. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe solle abschlägig verbeschieden werden, weil hierzu keine Unterlagen vorgelegt worden seien.
3
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 4. August 2010 hat die Kammer schließlich die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen. Eine den Anforderungen des § 78 ZPO genügende Berufungsbegründung sei nicht bei Gericht eingegangen. Anderes ergebe sich nicht aus dem vom Beklagten gestellten Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe vom 18. Mai 2010. Der Beklagte habe längst Umstände erfahren, welche ein Vertrauen auf Bewilligung einer beantragten Prozesskostenhilfe nicht rechtfertigten.
4
Mit Beschluss vom 16. September 2010 hat die Kammer den Antrag des Beklagten vom 18. Mai 2010 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.
Zwar habe sich die Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Beklagten - entgegen dem unzutreffenden Hinweis vom 19. Juni 2010 - zum Zeitpunkt der Antragstellung in der Akte befunden. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung biete jedoch keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil der Beklagte innerhalb der bis zum 18. Mai 2010 laufenden Berufungsbegründungsfrist keine den Anforderungen des § 78 ZPO genügende, das heißt eine von einem Rechtsanwalt unterzeichnete Berufungsbegründung eingereicht habe.
5
Gegen den Beschluss vom 4. August 2010 wendet sich der Beklagte mit seiner Rechtsbeschwerde, für deren Einlegung und Begründung er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt hat, nachdem der Senat ihm Prozesskostenhilfe für die einzulegende Rechtsbeschwerde bewilligt hat.

II.

6
Dem Beklagten war gemäß § 233 ZPO antragsgemäß Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen.
7
1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Sie ist gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im Übrigen gemäß § 574 Abs. 2 ZPO zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Das Beschwerdegericht hat durch seine Entscheidung das Verfahrensgrundrecht des Antragstellers auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt, welches es den Gerichten verbietet, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (Senatsbeschluss vom 2. April 2008 - XII ZB 189/07 - FamRZ 2008, 1338 Rn. 8 mwN; s. auch Senatsbeschluss vom 6. Oktober 2010 - XII ZB 22/10 - FamRZ 2011, 30 Rn. 5).
8
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das Beschwerdegericht hätte die Berufung nicht mit der Begründung als unzulässig verwerfen dürfen, dass bis zum Fristablauf am 18. Mai 2010 keine den Anforderungen des § 78 ZPO genügende Berufungsbegründung bei Gericht eingegangen sei. Denn der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 18. Mai 2010 Prozesskostenhilfe für die Erstellung einer Berufungsbegründung sowie Beiordnung eines Anwaltes beantragt und einen entsprechenden Wiedereinsetzungsantrag angekündigt.
9
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Rechtsmittelführer, der vor Ablauf der Rechtsmittelfrist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt hat, so lange als ohne sein Verschulden an der rechtzeitigen Vornahme einer Frist wahrenden Handlung - wie hier die Berufungsbegründung - verhindert anzusehen, als er nach den gegebenen Umständen vernünftigerweise nicht mit der Ablehnung seines Antrags rechnen musste, weil er sich für bedürftig im Sinne der §§ 114 ff. ZPO halten durfte und aus seiner Sicht alles Erforderliche getan hatte, damit aufgrund der von ihm eingereichten Unterlagen ohne Verzögerung über sein Prozesskostenhilfegesuch entschieden werden konnte. Deshalb kann eine unbemittelte Partei, für die ein Anwalt zwar formularmäßig Berufung eingelegt hat, ohne sie zu begründen, die aber keinen Prozessbevollmächtigten hat, der gewillt ist, für sie weiter tätig zu werden, selbst am letzten Tag der Rechtsmittelbegründungsfrist noch ein Prozesskostenhilfegesuch einreichen. Die Berufung darf dann nicht mit dem Argument verworfen werden, dass innerhalb der Begründungsfrist noch keine Berufungsbegründung eingereicht worden sei (BGH Beschlüsse vom 27. September 2004 - II ZB 17/03 - FamRZ 2005, 105 mwN und vom 3. Dezember 2003 - VIII ZB 80/03 - FamRZ 2004, 699).
10
Hat die Partei vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist Prozesskostenhilfe beantragt und beabsichtigt das Gericht, Prozesskostenhilfe zu versagen, so hat es zudem vor Verwerfung der Berufung als unzulässig über das Prozesskostenhilfegesuch zu entscheiden. Durch die gleichzeitige Verwerfung der Berufung als unzulässig und die Versagung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren wird die Durchführung des Berufungsverfahrens für die Partei in unzumutbarer Weise erschwert und dadurch der Anspruch der Partei auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes verletzt. Denn die Partei muss im Falle der Versagung von Prozesskostenhilfe die Gelegenheit haben, einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu stellen, wenn sie beabsichtigt , das Berufungsverfahren auf eigene Kosten durch Begründung der Berufung fortzuführen (BGH Beschluss vom 3. Dezember 2003 - VIII ZB 80/03 - FamRZ 2004, 699).
11
b) Diesen Anforderungen wird der angegriffene Beschluss nicht gerecht.
12
Ohne über den Antrag auf Prozesskostenhilfe vom 18. Mai 2010 zu entscheiden , hat die Kammer die Berufung des Beklagten mit der Begründung als unzulässig verworfen, eine den Anforderungen des § 78 ZPO genügende Berufungsbegründung sei innerhalb der Frist nicht bei Gericht eingegangen. Dabei hat sie indes verkannt, dass der Beklagte innerhalb dieser Frist einen Antrag auf Prozesskostenhilfe und auf Beiordnung einer Prozessbevollmächtigten gestellt und einen Wiedereinsetzungsantrag angekündigt hat. Deshalb durfte das Berufungsgericht die Berufung nicht mit dieser Begründung verwerfen. Im Übrigen hätte es nach dem oben Gesagten vor Verwerfung der Berufung zunächst über den Prozesskostenhilfeantrag entscheiden und dem Beklagten damit die Möglichkeit einräumen müssen, das Berufungsverfahren auf eigene Kosten durch Begründung der Berufung durch einen Rechtsanwalt fortzuführen und einen Wiedereinsetzungsantrag zu stellen.
13
Soweit das Berufungsgericht ausgeführt hat, der Beklagte habe längst Umstände erfahren, welche ein Vertrauen auf Bewilligung einer beantragten Prozesskostenhilfe nicht rechtfertigten, und damit wohl zum Ausdruck bringen wollte, dass ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand keine Erfolgsaussicht hätte, kann ihm nicht gefolgt werden.
14
Das Berufungsgericht hat ersichtlich die Hinweise vom 27. Mai und vom 19. Juni 2010 in Bezug genommen, die allerdings in den wesentlichen Punkten unzutreffend sind. So gründet der Hinweis vom 27. Mai 2010 maßgeblich darauf , dass die Berufungsbegründungsfrist bereits seit dem 19. April 2010 abgelaufen sei. Tatsächlich ist die Berufungsbegründungsfrist erst am 18. Mai 2010 abgelaufen, weshalb der an diesem Tag bei Gericht eingegangene Prozesskostenhilfeantrag des Beklagten noch rechtzeitig erfolgt war. In der Verfügung vom 19. Juni 2010 wird auf die fehlenden Prozesskostenhilfe-Unterlagen hingewiesen. Tatsächlich hatte der Beklagte die Prozesskostenhilfeunterlagen mit Antragstellung zur Akte gereicht (vgl. Beschluss des Beschwerdegerichts vom 16. September 2010). Soweit es in dem Hinweis heißt, der Beklagte habe nicht nachvollziehbar vorgetragen, warum die Frist versäumt worden sei, wurde die vorgenannte Rechtsprechung verkannt.
15
3. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass mit der Zustellung dieses Beschlusses die Wiedereinsetzungsfrist hinsichtlich der abgelaufenen Berufungsbegründungsfrist zu laufen beginnt (§ 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Dem Beklagten bleibt es unbenommen, erneut Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren zu beantragen.
Hahne Weber-Monecke Dose
Schilling Günter
Vorinstanzen:
AG Erlangen, Entscheidung vom 08.02.2010 - 2 C 1651/09 -
LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung vom 04.08.2010 - 19 S 2606/10 -

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(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

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(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 233 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand


War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wieder

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(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschw

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(1) Vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten müssen sich die Parteien durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Ist in einem Land auf Grund des § 8 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz ein oberstes Landesgericht errichtet, so m

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(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten müssen sich die Parteien durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Ist in einem Land auf Grund des § 8 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz ein oberstes Landesgericht errichtet, so müssen sich die Parteien vor diesem ebenfalls durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Parteien durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen.

(2) Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich als Beteiligte für die Nichtzulassungsbeschwerde durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

(3) Diese Vorschriften sind auf das Verfahren vor einem beauftragten oder ersuchten Richter sowie auf Prozesshandlungen, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommen werden können, nicht anzuwenden.

(4) Ein Rechtsanwalt, der nach Maßgabe der Absätze 1 und 2 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

8
2. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 2 ZPO zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Das Beschwerdegericht hat durch seine Entscheidung das Verfahrensgrundrecht des Antragstellers auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt, welches es den Gerichten verbietet, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (BVerfGE 41, 323, 326 ff.; 41, 332, 334 ff.; 69, 381, 385; BVerfG NJW 1999, 3701, 3702; NJW 2001, 2161, 2162; BGHZ 151, 221, 227).

(1) Vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten müssen sich die Parteien durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Ist in einem Land auf Grund des § 8 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz ein oberstes Landesgericht errichtet, so müssen sich die Parteien vor diesem ebenfalls durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Parteien durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen.

(2) Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich als Beteiligte für die Nichtzulassungsbeschwerde durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

(3) Diese Vorschriften sind auf das Verfahren vor einem beauftragten oder ersuchten Richter sowie auf Prozesshandlungen, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommen werden können, nicht anzuwenden.

(4) Ein Rechtsanwalt, der nach Maßgabe der Absätze 1 und 2 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 17/03
vom
27. September 2004
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO §§ 233 Ha, 520 Abs. 2 Satz 3
Einer mittellosen Partei darf nicht deshalb die Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung versagt
werden, weil sie das Prozeßkostenhilfegesuch erst kurz vor Ablauf der (verlängerten
) Begründungsfrist eingereicht hat. Das gilt auch dann, wenn das Gesuch
erst nach einem Mandatswechsel durch den neuen Prozeßbevollmächtigten
gestellt wird und dieser seine weitere Tätigkeit von der Gewährung der Prozeßkostenhilfe
abhängig gemacht hat (im Anschl. an BGHZ 38, 376).
BGH, Beschluß vom 27. September 2004 - II ZB 17/03 - OLG Karlsruhe
LG Konstanz
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 27. September 2004
durch die Richter Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly, Kraemer, Münke und
Dr. Strohn

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluß des Oberlandesgerichts Karlsruhe - 19. Zivilsenat in Freiburg - vom 23. Juni 2003 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als wegen der Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung gegen das Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Konstanz mit Sitz in Villingen-Schwenningen vom 14. Februar 2002 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt und die Berufung als unzulässig verworfen worden ist.
Dem Kläger wird gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Die Sache wird zur weiteren Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 75.624,96 €

Gründe:


I. Der Kläger macht als Konkursverwalter einer GmbH (Gemeinschuldnerin ) gegen den Beklagten zu 1 als deren ehemaligen Gesellschafter und die Beklagte zu 2 als Mitverpflichtete aus einem Darlehen Zahlungsansprüche wegen ungerechtfertigter Bereicherung und Verstoßes gegen das Kapitalerhaltungsgebot geltend; der Beklagte zu 1 verlangt im Wege der Widerklage vom Kläger Schadensersatz.
Nachdem dem Kläger Prozeßkostenhilfe bewilligt worden war, hat das Landgericht Klage und Widerklage abgewiesen. Gegen das ihnen am 19. Februar 2002 zugestellte Landgerichtsurteil haben die erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Klägers - die mit ihm in überörtlicher Sozietät verbundenen Rechtsanwälte E. und Partner - fristgerecht am 18. März 2002 Berufung eingelegt und zugleich angezeigt, daß sie den Kläger auch in der Berufungsinstanz vertreten. Auf ihren Antrag vom 16. April 2002 wurde die Berufungsbegründungsfrist bis zum 19. Mai 2002 verlängert; die Beklagten widersprachen daraufhin vorsorglich einer weiteren Fristverlängerung. Am 10. Mai 2002 zeigte Rechtsanwalt Dr. Er. als Mitglied der Sozietät B. und Partner die Vertretung des Klägers im Berufungsrechtszug an und teilte zugleich die Beendigung des Mandats der früheren Bevollmächtigten mit; außerdem beantragte er - formal ordnungsgemäß - Prozeßkostenhilfe für den Kläger, wobei er darauf hinwies, zur Übernahme des Mandats nur unter der Voraussetzung ihrer Bewilligung bereit zu sein. Ein gleichzeitig gestelltes Gesuch um weitere Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist wurde im Hinblick auf die fehlende Zustimmung der Beklagten am 15. Mai 2002 zurückgewiesen. Nachdem dem Kläger durch Beschluß des Berufungsgerichts vom 21. Juni 2002 Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Er. bewilligt worden
war, hat dieser durch Schriftsatz vom 10. Juli 2002 fristgerecht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und zugleich die Berufung begründet. Der Beklagte zu 1 hat mit am 30. September 2002 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Anschlußberufung gegen das Landgerichtsurteil eingelegt. Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen und den Wiedereinsetzungsantrag in den Beschlußgründen zurückgewiesen; zugleich hat es die Kosten des Berufungsverfahrens dem Kläger und in der Annahme, der Beklagte zu 1 habe die Frist zur Anschließung versäumt, diesem nach Maßgabe des anteiligen Mißerfolgs ihrer wechselseitigen Rechtsmittel auferlegt.
Gegen diesen Beschluß wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde , mit der er sein Berufungsbegehren weiterverfolgt.
II. Die fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO) und auch im übrigen zulässig. Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts geboten (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
Die Rechtsbeschwerde ist begründet, weil der Kläger ohne sein Verschulden gehindert war, seine Berufung innerhalb der bis zum 19. Mai 2002 verlängerten Berufungsbegründungsfrist zu begründen (§ 233 ZPO).
1. Das Berufungsgericht hat seine gegenteilige Auffassung im wesentlichen darauf gestützt, daß der Kläger - zumal selbst Rechtsanwalt - gehalten gewesen sei, das ihm bekannte Hindernis der Mittellosigkeit durch rechtzeitige Stellung eines Prozeßkostenhilfeantrags schon während des Laufs der gesetzlichen Berufungsbegründungsfrist auszuräumen, so daß es noch innerhalb der
verlängerten Frist hätte beschieden und damit ein Wiedereinsetzungsverfahren hätte vermieden werden können. Das Untätigbleiben bis zum Anwaltswechsel wie auch die Beendigung des Mandats seiner ursprünglichen Bevollmächtigten legten ein Verschulden an der Fristversäumung unbeschadet der Mittellosigkeit nahe.
2. Diese Auffassung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Durch die Überspannung der zeitlichen Anforderungen bewirkt sie für die im Sinne des § 114 ZPO arme Partei eine unzumutbare Verkürzung der jedem Rechtsmittelkläger eingeräumten Möglichkeit zur eingehenden Überlegung und sorgfältigen Begründung des Rechtsmittels. Damit hat das Oberlandesgericht dem Kläger die Durchführung des Berufungsverfahrens in einer von höchstrichterlicher Rechtsprechung abweichenden Weise unzulässig erschwert und so dessen Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip, vgl. BVerfGE 77, 275, 284; BVerfG NJW 2003, 281) verletzt.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann eine unbemittelte Partei, für die ein Anwalt zwar formularmäßig Berufung eingelegt hat, ohne sie zu begründen, die aber keinen Prozeßbevollmächtigten hat, der gewillt ist, für sie weiter tätig zu werden, selbst am letzten Tag der Rechtsmittelbegründungsfrist noch ein Prozeßkostenhilfegesuch einreichen mit der Folge, daß die Berufung nicht deshalb verworfen werden darf, weil innerhalb der Begründungsfrist noch keine Berufungsbegründung eingereicht wurde (st.Rspr. seit BGHZ 38, 376, 377 f.; BGH, Beschl. v. 3. Dezember 2003 - VIII ZB 80/03, BGH-Report 2004, 623 f.). Maßgebliche Erwägung für diese Rechtsprechung ist, daß die Begründungsfrist auch dem mittellosen Rechtsmittelkläger die Möglichkeit sorgfältiger Begründung geben soll. Da die mittellose
Partei häufig nur aufgrund eines eingehend vorbereiteten und begründeten Gesuchs mit einer Bewilligung der Prozeßkostenhilfe rechnen kann, würde für sie im Ergebnis diese Frist unzumutbar abgekürzt, wenn sie gezwungen wäre, das mit einer Begründung versehene Prozeßkostenhilfegesuch so zeitig vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist zu stellen, daß der beigeordnete Rechtsanwalt in der Lage ist, vor Fristablauf tätig zu werden und das Rechtsmittel zu begründen. Eine Abkürzung der Überlegungsfrist für die unbemittelte Partei läßt sich um so weniger rechtfertigen, als die Gerichte wegen ihrer starken Belastung in der Regel gar nicht in der Lage sind, selbst über ein frühzeitig gestelltes Prozeßkostenhilfegesuch rechtzeitig vor Ablauf der Frist zu entscheiden. Vor allem aber würde es zu erheblicher Rechtsunklarheit und -unsicherheit führen, wenn die Gerichte für die Einreichung des Prozeßkostenhilfegesuchs je nach der Lage des Einzelfalls unterschiedliche Fristen berechnen würden; das Gebot der Rechtssicherheit erfordert es daher, - ebenso wie bei der Rechtsmitteleinlegung (vgl. dazu: BGHZ 16, 1, 3 f.) - auf eine solche besondere Frist für die Beantragung der Prozeßkostenhilfe ganz zu verzichten und der unbemittelten Partei zu gestatten, ihr Gesuch bis zum Ablauf der Rechtsmittelbegründungsfrist einzureichen (BGHZ 38, 376, 378).
Von diesen höchstrichterlichen Rechtsprechungsgrundsätzen ist das Berufungsgericht in unzulässiger Weise schon dadurch abgewichen, daß es den Kläger trotz der Verlängerung der Begründungsfrist für verpflichtet gehalten hat, den Prozeßkostenhilfeantrag bereits innerhalb der gesetzlichen Frist des § 520 Abs. 2 ZPO zu stellen, um so frühzeitig das Hindernis der Mittellosigkeit zu beheben und ein Wiedereinsetzungsverfahren zu vermeiden. Mit dieser Vorverlagerung der Pflicht zur Einleitung des Prozeßkostenhilfeverfahrens werden die vorstehenden Rechtsprechungsgrundsätze durchbrochen und wird die betref-
fende mittellose Partei schlechter gestellt als ein nicht auf Prozeßkostenhilfe angewiesener Rechtsmittelkläger.

b) Die vorliegende Besonderheit des Mandatswechsels innerhalb des Laufes der verlängerten Frist beseitigt die Ursächlichkeit (vgl. dazu auch BGH, Beschl. v. 24. Juni 1999 - V ZB 19/99, NJW 1999, 3271) der Mittellosigkeit für die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nicht und rechtfertigt deshalb keine Abweichung von dem genannten höchstrichterlichen Rechtsprechungsgrundsatz.
Das Berufungsgericht geht - insoweit zutreffend - selbst davon aus, daß die (unverschuldete) Mittellosigkeit der vom Kläger verwalteten Vermögensmasse (§ 116 ZPO) dafür ursächlich geworden ist, daß die Berufungsbegründung durch ihren jetzigen zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten Rechtsanwalt Dr. Er. erst nach Ablauf der verlängerten Berufungsbegründungsfrist erfolgen konnte, weil dieser - in zulässiger Weise - die Mandatsübernahme von der Gewährung der von ihm beantragten Prozeßkostenhilfe abhängig gemacht hatte. Soweit das Berufungsgericht dem Kläger hingegen ein Untätigbleiben bis zum Anwaltswechsel sowie die Beendigung des seinen früheren Bevollmächtigten erteilten Mandats als verschuldete Umstände anlasten will, die die unverschuldete Ursächlichkeit der Mittellosigkeit für die Fristversäumung ausschließen , ist dies - wie ausgeführt - von Rechtsirrtum beeinflußt.
Darauf, daß das Berufungsgericht sich mit dem angefochtenen Beschluß zu seiner dem Prozeßkostenhilfegesuch stattgebenden Entscheidung in Wider-
spruch gesetzt hat, weil es die Frage der Wiedereinsetzungsvoraussetzungen im Rahmen der Bewilligung bejaht haben muß, kommt es nicht mehr an.
Goette Kurzwelly Kraemer
Münke Strohn

(1) Vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten müssen sich die Parteien durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Ist in einem Land auf Grund des § 8 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz ein oberstes Landesgericht errichtet, so müssen sich die Parteien vor diesem ebenfalls durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Parteien durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen.

(2) Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich als Beteiligte für die Nichtzulassungsbeschwerde durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

(3) Diese Vorschriften sind auf das Verfahren vor einem beauftragten oder ersuchten Richter sowie auf Prozesshandlungen, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommen werden können, nicht anzuwenden.

(4) Ein Rechtsanwalt, der nach Maßgabe der Absätze 1 und 2 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.