Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Juli 2007 - XII ZB 162/06

bei uns veröffentlicht am18.07.2007
vorgehend
Amtsgericht Freiburg im Breisgau, 46 F 71/05, 11.04.2006
Oberlandesgericht Karlsruhe, 18 UF 103/06, 28.07.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 162/06
vom
18. Juli 2007
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Vor der Verwerfung einer Berufung wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist
ist dem Berufungskläger rechtliches Gehör zu gewähren (im
Anschluss an Senatsbeschluss vom 13. Juli 2005 - XII ZB 80/05 - NJW-RR
2006, 142 und BGH Beschluss vom 29. Juni 1993 - X ZB 21/92 - NJW 1994,
392).

b) Das gilt auch dann, wenn ein früherer Prozessbevollmächtigter des Rechtsmittelführers
sein Mandat während der noch laufenden Begründungsfrist niedergelegt
hat. Den notwendigen Hinweis hat das Berufungsgericht dann nach
§ 87 Abs. 1 ZPO an den bisherigen Prozessbevollmächtigten des Beklagten
zu richten.
BGH, Beschluss vom 18. Juli 2007 - XII ZB 162/06 - OLG Karlsruhe
AG Freiburg
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Juli 2007 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter Sprick und Prof. Dr. Wagenitz, die
Richterin Dr. Vézina und den Richter Dose

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss des 18. Familiensenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 28. Juli 2006 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Beschwerdewert: 6.784 €.

Gründe:


I.

1
Die Parteien streiten um Trennungsunterhalt.
2
Mit Urteil vom 11. April 2006 hat das Amtsgericht den Beklagten - unter Abweisung der weitergehenden Klage - zur Zahlung von Trennungsunterhalt verurteilt. Das Urteil wurde dem damaligen Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 13. April 2006 zugestellt. Dagegen hat der Beklagte rechtzeitig Berufung eingelegt. Auf seinen Antrag wurde die Frist zur Berufungsbegründung bis zum 13. Juli 2006 verlängert. Nachdem der Prozessbevollmächtigte des Beklagten sein Mandat mit Schriftsatz vom 26. Juni 2006 niedergelegt hatte und auch innerhalb der verlängerten Frist keine Berufungsbegründung eingegangen war, verwarf das Oberlandesgericht die Berufung mit Beschluss vom 28. Juli 2006 als unzulässig. Der Beschluss wurde dem früheren Prozessbevollmächtigten des Beklagten zugestellt.
3
Gegen diesen Beschluss richtet sich die rechtzeitig eingegangene Rechtsbeschwerde des Beklagten, mit der er vorträgt, die Berufung sei bereits durch seinen neuen Prozessbevollmächtigten am 6. Juli 2006 begründet und der Schriftsatz noch am gleichen Tag als Sammelpost in den Nachtbriefkasten des Berufungsgerichts eingeworfen worden.

II.

4
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist auch zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Denn insbesondere die Verfahrensgrundrechte auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstandsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) gebieten es, den Zugang zu den Gerichten und den in den Verfahrensordnungen vorgesehenen Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (BGHZ 151, 221, 227 m.w.N.).
5
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
6
a) Indem das Oberlandesgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat, ohne dem Beklagten Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, hat es gegen dessen Grundrecht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verstoßen.
Zwar sieht § 522 Abs. 1 ZPO (im Gegensatz zu § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO) für den Fall der Verwerfung einer unzulässigen Berufung eine Anhörung der Partei nicht ausdrücklich vor. Die Pflicht zur Anhörung des Rechtsmittelführers folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs indessen unmittelbar aus Art. 103 Abs. 1 GG (Senatsbeschluss vom 13. Juli 2005 - XII ZB 80/05 - NJW-RR 2006, 142; BGH Beschluss vom 29. Juni 1993 - X ZB 21/92 - NJW 1994, 392). Art. 103 Abs. 1 GG gibt dem Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens somit ein Recht darauf, dass er Gelegenheit erhält, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt zu äußern. Gegen diese Pflicht hat das Berufungsgericht verstoßen, indem es die Berufung verworfen hat, ohne den Beklagten zuvor dazu anzuhören.
7
Die Hinweispflicht ist auch nicht dadurch entfallen, dass der frühere Prozessbevollmächtigte des Beklagten sein Mandat während der noch laufenden Begründungsfrist niedergelegt hat. Weil das Berufungsverfahren nach § 78 Abs. 1 Satz 2 ZPO als Anwaltsprozess zu führen war, blieb die Vollmacht des früheren Prozessbevollmächtigten im Außenverhältnis bestehen, bis die Bestellung eines anderen Rechtsanwalts wirksam angezeigt wurde (§ 87 Abs. 1 ZPO; vgl. insoweit Senatsurteil vom 25. April 2007 - XII ZR 58/06 - FamRZ 2007, 1087, 1088). Den notwendigen Hinweis zur Anhörung des Rechtsmittelführers hätte das Berufungsgericht deswegen an den bisherigen Prozessbevollmächtigten des Beklagten richten müssen.
8
b) Der angefochtene Beschluss beruht auch auf dieser Verletzung des rechtlichen Gehörs. Hätte das Berufungsgericht den Beklagten vor der Verwerfung der Berufung angehört, hätte dieser darlegen können, die Berufungsbegründung rechtzeitig bei Gericht eingereicht zu haben, wie er dies im Rechtsbeschwerdeverfahren und in seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vorgebracht hat. Das Berufungsgericht hätte dann Gelegenheit gehabt, diesem Vorbringen nachzugehen und dessen Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Dabei hätte es auch klären können, ob - wie der Beklagte vorträgt - auch der andere mit der Sammelpost eingereichte fristgebundene Schriftsatz nicht zu den entsprechenden Akten gelangt ist. Ferner hätte das Berufungsgericht im Wege des Freibeweises berücksichtigen können, dass beide per Sammelpost verschickten Schriftsätze im Postausgangsbuch der Prozessbevollmächtigten des Beklagten vermerkt sind.
9
3. Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben; die Sache war zur anderweitigen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
10
Nach Zurückverweisung hat das Berufungsgericht Gelegenheit, die infolge der Verletzung des rechtlichen Gehörs unterbliebenen Erwägungen nachzuholen und ggf. den neuen Prozessbevollmächtigten des Beklagten und dessen Sozius als Zeugen zu vernehmen. Dabei wird das Berufungsgericht zu beachten haben, dass hinsichtlich des rechtzeitigen Eingangs der Berufungsbegründung eine bloße Glaubhaftmachung nicht ausreicht; vielmehr geht es um den vollen Beweis des rechtzeitigen Eingangs, der allerdings im Wege des Freibeweises erfolgen kann und nicht auf Mittel des Strengbeweises beschränkt ist (BGH Beschluss vom 29. Juni 1993 - X ZR 21/92 - NJW 1994, 392).
Hahne Sprick Wagenitz Vézina Dose

Vorinstanzen:
AG Freiburg, Entscheidung vom 11.04.2006 - 46 F 71/05 -
OLG Karlsruhe in Freiburg, Entscheidung vom 28.07.2006 - 18 UF 103/06 -

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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

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(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

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(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

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(1) Vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten müssen sich die Parteien durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Ist in einem Land auf Grund des § 8 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz ein oberstes Landesgericht errichtet, so m

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(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Dem Gegner gegenüber erlangt die Kündigung des Vollmachtvertrags erst durch die Anzeige des Erlöschens der Vollmacht, in Anwaltsprozessen erst durch die Anzeige der Bestellung eines anderen Anwalts rechtliche Wirksamkeit.

(2) Der Bevollmächtigte wird durch die von seiner Seite erfolgte Kündigung nicht gehindert, für den Vollmachtgeber so lange zu handeln, bis dieser für Wahrnehmung seiner Rechte in anderer Weise gesorgt hat.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 80/05
vom
13. Juli 2005
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO §§ 91 a, 522 Abs. 1, 520 Abs. 2, 233 B; GG Art. 103 Abs. 1

a) Vor der Verwerfung einer Berufung wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist
ist dem Berufungskläger rechtliches Gehör zu gewähren (im
Anschluß an BGH, Beschluß vom 29. Juni 1993 - X ZB 21/92 - NJW 1994,
392).

b) Zur Erledigung der auf eine Verletzung dieser Pflicht gestützten Rechtsbeschwerde
gegen den Verwerfungsbeschluß, wenn das Berufungsgericht
während des laufenden Rechtsbeschwerdeverfahrens Wiedereinsetzung in
die versäumte Frist gewährt (Fortführung von BGH, Urteil vom 12. Mai 1998
- XI ZR 219/97 - NJW 1998, 2453 f.).
BGH, Beschluß vom 13. Juli 2005 - XII ZB 80/05 - OLG Zweibrücken
LG Frankenthal
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Juli 2005 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter Sprick, Fuchs, Dr. Ahlt und die
Richterin Dr. Vézina

beschlossen:
Es wird festgestellt, daß die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluß des 4. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 1. März 2005 erledigt ist. Von der Erhebung von Gerichtskosten für die Rechtsbeschwerdeinstanz wird abgesehen (§ 21 Abs. 1 Satz 1 GKG). Die weiteren Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens tragen die Kläger. Beschwerdewert: 82.767 €

Gründe:

I.

Durch Urteil des Landgerichts wurden die Beklagten unter Abweisung der Klage im übrigen sowie der Widerklage zur Zahlung von 82.767,20 € nebst Zinsen verurteilt. Gegen dieses ihnen am 29. Dezember 2004 zugestellte Urteil legten sie am 27. Januar 2005 Berufung ein. Mit Beschluß vom 1. März 2005, den Beklagten zugestellt am 4. März 2005, verwarf das Oberlandesgericht die Berufung ohne vorherigen Hinweis mangels rechtzeitiger Berufungsbegründung als unzulässig.
Gegen diesen Verwerfungsbeschluß richtet sich die am 1. April 2005 eingelegte Rechtsbeschwerde der Beklagten, für die die Begründungsfrist bis zum 6. Juni 2005 verlängert wurde. Zuvor hatten die Beklagten beim Oberlandesgericht am 17. März 2005 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt und am 18. März 2005 eine Berufungsbegründungsschrift eingereicht. Mit Beschluß vom 25. April 2005 gewährte das Oberlandesgericht die beantragte Wiedereinsetzung mit der Begründung, die Versäumung der Begründungsfrist beruhe auf einem den Beklagten nicht zuzurechnenden Verschulden einer Kanzleiangestellten ihrer Prozeßbevollmächtigten. Innerhalb laufender Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde erklärten die Beklagten daraufhin das Rechtsmittel für erledigt und beantragten unter Verwahrung gegen die Kostenlast, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und festzustellen, daß die Rechtsbeschwerde erledigt ist. Sie wiesen darauf hin, das Oberlandesgericht habe ihre Berufung ohne vorherigen Hinweis als unzulässig verworfen, und die Rechtsbeschwerde sei eingelegt worden, um den Eintritt der Rechtskraft des Verwerfungsbeschlusses zu vermeiden. Die Kläger haben sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen. Eine weitere Begründung der Rechtsbeschwerde ist innerhalb der verlängerten Frist nicht eingegangen.

II.

1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie war auch zulässig, weil die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde darlegt, daß das Berufungsgericht das Recht der Beklagten aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt habe (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO; vgl. BGHZ 154, 288, 296 f.). Zwar war die Zweimonatsfrist zur Begründung der rechtzeitig eingelegten Berufung gegen das am 29. Dezember 2004 zugestellte Urteil des Landgerichts am 28. Februar 2005 abgelaufen (§ 188 Abs. 3 BGB). Dennoch hätte das Oberlandesgericht die Berufung am 1. März 2005 nicht als unzulässig verwerfen dürfen , ohne den Beklagten hierzu durch einen entsprechenden Hinweis rechtliches Gehör zu gewähren (vgl. BGH, Beschluß vom 29. Juni 1993 - X ZB 21/92 - NJW 1994, 392; Musielak/Ball ZPO 4. Aufl. § 522 Rdn. 4 m.w.N. in Fn. 5 aaO). Die Beklagten haben zwar nach Einlegung der Rechtsbeschwerde diese für erledigt erklärt und innerhalb der verlängerten Begründungsfrist keine gesonderte , als solche bezeichnete Rechtsbeschwerdebegründung eingereicht. Der mit der Erledigungserklärung verbundene Hinweis, das Oberlandesgericht habe die Berufung ohne vorangegangenen Hinweis als unzulässig verworfen, ist jedoch als hinreichende Begründung durch Rüge eines Verfahrensfehlers zu verstehen. Einer weiteren Begründung bedurfte es hier nicht. 2. Die Rechtsbeschwerde war auch begründet. Zwar ist im Verfahren der Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung mangels rechtzeitiger Begründung verwerfenden Beschluß die Frage der Wiedereinsetzung nicht zu prüfen, so daß die Beklagten im vorliegenden Verfahren nicht geltend machen können, die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist habe auf einem der Partei
nicht zuzurechnenden Verschulden beruht (vgl. Senatsbeschluß vom 7. Oktober 1981 - IVb ZB 825/81 - FamRZ 1982, 163). Mit Rücksicht auf den gerügten Verfahrensfehler war die Rechtsbeschwerde aber gleichwohl begründet und hätte zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht geführt. Durch die nach Einlegung der Rechtsbeschwerde vom Oberlandesgericht gewährte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist, auf die die angefochtene Entscheidung gestützt war, ist diese Entscheidung indes gegenstandslos geworden (Senatsbeschluß vom 9. Februar 2005 - XII ZB 225/04 - FamRZ 2005, 791, 792 m.w.N.; BGH, Beschluß vom 22. November 1957 - IV ZB 236/57 - LM § 519 b ZPO Nr. 9; RGZ 127, 287 f.), ohne daß es ihrer förmlichen Aufhebung bedarf. Dadurch entfiel das erforderliche Rechtsschutzinteresse der Beklagten an der Anfechtung dieser Entscheidung, da eine Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ihre Rechtsstellung nun nicht mehr hätte verbessern können. Dies gilt auch hinsichtlich der in dem angefochtenen Beschluß getroffenen Kostenentscheidung, da auch sie gegenstandslos geworden ist (vgl. BGH, Beschluß vom 29. April 2004 - V ZB 33/03 - FamRZ 2004, 1189). Daraus haben die Beklagten die gebotene Konsequenz gezogen, ihre Rechtsbeschwerde für erledigt zu erklären und damit auf den Kostenpunkt zu beschränken (vgl. auch BGH, Beschluß vom 29. April 2004 aaO). Ungeachtet der umstrittenen Frage, ob auch ein Rechtsmittel Gegenstand einer Erledigungserklärung sein kann, gehört der hier vorliegende Fall jedenfalls zu jenen, in denen es zur Vermeidung einer nicht gerechtfertigten Belastung des Rechtsmittelführers mit den Kosten des Rechtsmittelverfahrens geboten ist, eine auf das Rechtsmittel beschränkte Erledigungserklärung zuzulassen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 1998 - XI ZR 219/97 - veröffentlicht bei JURIS).
Da sich die Kläger der Erledigungserklärung nicht angeschlossen haben, war die Erledigung des Rechtsmittels mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO festzustellen. Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren war gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG abzusehen, weil es der Rechtsbeschwerde nicht bedurft hätte, wenn das Berufungsgericht den Beklagten vor der Verwerfung ihrer Berufung rechtliches Gehör gewährt hätte. Dann hätten die Beklagten nämlich auf entsprechenden Hinweis sogleich Wiedereinsetzung beantragt , so wie sie es nach Zustellung des angefochtenen Beschlusses mit Erfolg getan haben, und über diesen Antrag hätte das Berufungsgericht vorab entscheiden müssen.
Hahne Sprick Fuchs Ahlt Vézina

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten müssen sich die Parteien durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Ist in einem Land auf Grund des § 8 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz ein oberstes Landesgericht errichtet, so müssen sich die Parteien vor diesem ebenfalls durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Parteien durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen.

(2) Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich als Beteiligte für die Nichtzulassungsbeschwerde durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

(3) Diese Vorschriften sind auf das Verfahren vor einem beauftragten oder ersuchten Richter sowie auf Prozesshandlungen, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommen werden können, nicht anzuwenden.

(4) Ein Rechtsanwalt, der nach Maßgabe der Absätze 1 und 2 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

(1) Dem Gegner gegenüber erlangt die Kündigung des Vollmachtvertrags erst durch die Anzeige des Erlöschens der Vollmacht, in Anwaltsprozessen erst durch die Anzeige der Bestellung eines anderen Anwalts rechtliche Wirksamkeit.

(2) Der Bevollmächtigte wird durch die von seiner Seite erfolgte Kündigung nicht gehindert, für den Vollmachtgeber so lange zu handeln, bis dieser für Wahrnehmung seiner Rechte in anderer Weise gesorgt hat.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 58/06 Verkündet am:
25. April 2007
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Im Anwaltsprozess erlangt die Kündigung einer Vollmacht nach § 87 Abs. 1
ZPO dem Gegner und dem Gericht gegenüber erst durch die Anzeige der Bestellung
eines neuen Anwalts rechtliche Wirksamkeit. Das setzt voraus, dass
der neu benannte Rechtsanwalt für das betreffende Verfahren postulationsfähig
ist (§ 78 ZPO). Ist dies (noch) nicht der Fall, bleibt der früher bevollmächtigte
Rechtsanwalt weiterhin zustellungsbevollmächtigt.
BGH, Urteil vom 25. April 2007 - XII ZR 58/06 - OLG Düsseldorf
AG Mühlheim an der Ruhr
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. April 2007 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter
Sprick, Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz und Dose

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 8. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 22. Februar 2006 wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien streiten um nachehelichen Unterhalt.
2
Die Ehe der Parteien wurde durch Verbundurteil des Amtsgerichts vom 23. Dezember 2004 (insoweit rechtskräftig) geschieden. Zugleich wurde der Antragsteller verurteilt, an die Antragsgegnerin ab Rechtskraft der Scheidung nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 1.067 € zu zahlen. Gegen diese Verurteilung legten die - am Oberlandesgericht zugelassenen - Rechtsanwälte A. & M. für den Antragsteller rechtzeitig Berufung ein und begründeten diese.
3
Nachdem das Berufungsgericht Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt hatte, meldete sich Rechtsanwalt G. für den Antragsteller und teilte mit, diesen künftig zu vertreten. Die früheren Verfahrensbevollmächtigten A. & M. legten ihr Mandat nieder. Im Verhandlungstermin erschien Rechtsanwalt G. und erklärte, "er sei nicht beim Oberlandesgericht zugelassen und könne deshalb heute nicht verhandeln". Auf Antrag des Antragsgegnervertreters wurde die Be- rufung des Antragstellers durch Versäumnisurteil zurückgewiesen. Dieses Urteil wurde den früheren Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers, den Rechtsanwälten A. & M., am 1. Juni 2005 zugestellt. Am 6. Juni 2005 veranlasste die Geschäftsstelle eine weitere Zustellung des Versäumnisurteils an Rechtsanwalt G., der das Versäumnisurteil am 11. Juni 2005 erhielt. Nachdem Rechtsanwalt G. am 24. Juni 2005 als Rechtsanwalt am Oberlandesgericht zugelassen worden war, legte er am (Montag) 27. Juni 2005 Einspruch gegen das Versäumnisurteil ein.
4
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Oberlandesgericht den Einspruch als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die - vom Berufungsgericht zugelassene - Revision des Antragstellers.

Entscheidungsgründe:

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Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet.

I.

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Das Berufungsgericht hat den Einspruch des Antragstellers gegen das - seine Berufung zurückweisende - Versäumnisurteil als unzulässig verworfen. Die zweiwöchige Einspruchsfrist habe nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bereits mit Zustellung des Versäumnisurteils an die früheren Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers begonnen. Im Anwaltsprozess erlange die Kündigung der Vollmacht nach § 87 Abs. 1 ZPO dem Gegner und dem Gericht gegenüber (vgl. Thomas/Putzo/Hüßtege ZPO 27. Aufl. § 87 Rdn. 6) erst durch die Anzeige der Bestellung eines anderen Anwalts rechtliche Wirksamkeit. Durch die Bestellung des Rechtsanwalts G. sei diese Folge aber noch nicht eingetreten, weil dieser seinerzeit nicht als Rechtsanwalt am Oberlandesgericht zugelassen gewesen sei. Damit folge der Senat der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach die Postulationsfähigkeit eines Rechtsanwalts bei einem Gericht Prozesshandlungsvoraussetzung sei und zum Zeitpunkt der Vornahme der Prozesshandlung gegeben sein müsse. Die Bestellung des Rechtsanwalts G. sei deswegen mangels Postulationsfähigkeit noch nicht wirksam gewesen, so dass die Vollmacht der früheren Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers fortgedauert habe. Das Versäumnisurteil sei somit am 1. Juni 2005 wirksam an diese zugestellt worden. Dass im Rubrum des Versäumnisurteils Rechtsanwalt G. aufgeführt gewesen sei und dass das Versäumnisurteil später auch ihm zugestellt worden sei, ändere an der Wirksamkeit der Zustellung an die früheren Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers nichts. Der durch Rechtsanwalt G. am 27. Juni 2005 eingelegte Einspruch sei deswegen verspätet und somit unzulässig.
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Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil die Frage, ob für die Wirksamkeit der Bestellung eines neuen Verfahrensbevollmächtigten dessen Postulationsfähigkeit gegeben sein müsse, "in Rechtsprechung und Literatur durchaus auch verneint oder offen gelassen worden" sei.

II.

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Die angefochtene Entscheidung hält den Angriffen der Revision stand. Das Berufungsgericht hat den Einspruch zu Recht als unzulässig verworfen, weil dieser nicht innerhalb der zweiwöchigen Einspruchsfrist des § 339 Abs. 1 ZPO eingegangen ist.
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1. Die Einspruchsfrist gegen ein Versäumnisurteil des Berufungsgerichts beginnt nach § 539 Abs. 3 i.V.m. § 339 Abs. 1 2. Halbs. ZPO mit Zustellung des Versäumnisurteils. Eine solche wirksame Zustellung ist hier am 1. Juni 2005 an die früher bevollmächtigten Rechtsanwälte des Antragstellers A. & M. erfolgt.
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Nach § 172 Abs. 1 ZPO hat die Zustellung in einem anhängigen Verfahren , auch soweit es um die Zustellung eines Versäumnisurteils geht, an den für den Rechtszug bestellten Verfahrensbevollmächtigten zu erfolgen. Die Rechtsanwälte A. & M. hatten den Antragsteller im Berufungsverfahren vertreten sowie die Berufung eingelegt und diese begründet. An der Prozessvollmacht für diese Rechtsanwälte hat sich für den Gegner und das Gericht zunächst weder durch die Bestellung des Rechtsanwalts G. als neuer Verfahrensbevollmächtigter des Antragstellers mit Schriftsatz vom 23. Mai 2005 noch durch die Niederlegung des Mandats durch die Rechtsanwälte A. & M. vom 25. Mai 2005 etwas geändert.
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Nach § 87 Abs. 1 1. Halbs. ZPO gilt eine Vollmacht grundsätzlich bis zur Anzeige ihres Erlöschens als fortbestehend. Im Anwaltsprozess - wie hier nach § 78 Abs. 1 Satz 2 ZPO vor dem Oberlandesgericht - erlangt die Kündigung einer Vollmacht nach § 87 Abs. 1 2. Halbs. ZPO erst dann rechtliche Wirksamkeit , wenn die Bestellung eines neuen Verfahrensbevollmächtigten angezeigt wird. Dies setzt allerdings voraus, dass der neue Rechtsanwalt auch in der Lage ist, die Partei rechtswirksam zu vertreten. Der neu bestellte Verfahrensbevollmächtigte muss mithin für das betreffende Verfahren postulationsfähig sein (BAG AP Nr. 36 zu § 11 ArbGG 1953; BGH, Beschluss vom 22. Mai 1984 - III ZB 31/83 - MDR 1985, 30). Diese Postulationsfähigkeit des neu bevoll- mächtigten Rechtsanwalts ist Prozesshandlungsvoraussetzung und muss deswegen schon im Zeitpunkt der Zustellung des Versäumnisurteils gegeben sein (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 2005 - XI ZR 398/04 - NJW 2005, 3773). Eine erst später erlangte Postulationsfähigkeit wirkt somit nicht auf den Zeitpunkt einer früheren Prozesshandlung zurück.
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2. Danach hatten die Bestellung des Rechtsanwalts G. und die Niederlegung des Mandats durch die Rechtsanwälte A. & M. zunächst keine Auswirkung auf die Wirksamkeit der letzteren erteilten Prozessvollmacht. Rechtsanwalt G. ist erst zum 24. Juni 2005 als Rechtsanwalt am Oberlandesgericht zugelassen worden und auch erst ab diesem Zeitpunkt postulationsfähig gewesen. Vor diesem Zeitpunkt, also auch noch bei Zustellung des Versäumnisurteils am 1. Juni 2005, waren weiterhin die früher bevollmächtigten Rechtsanwälte A. & M. zustellungsbevollmächtigt. Somit war die Zustellung an diese Rechtsanwälte am 1. Juni 2005 nach § 172 Abs. 1 ZPO wirksam. Die zweiwöchige Einspruchsfrist nach § 339 Abs. 1 ZPO lief deswegen am 15. Juni 2005 ab. In diesem Zeitpunkt war der Einspruch des Antragstellers aber weder eingelegt noch begründet. Den erst später eingegangenen Einspruch hat das Berufungsgericht deswegen zu Recht nach § 539 Abs. 3 i.V.m. § 341 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig verworfen.
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3. Entgegen der Rechtsauffassung des Antragstellers war ihm auch nicht von Amts wegen (§ 236 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbs. ZPO) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist zu bewilligen. Denn der anwaltlich vertretene Antragsteller hat die Einspruchsfrist nicht ohne Verschulden versäumt (§ 85 Abs. 2 ZPO). Im Hinblick auf die zitierte Rechtsprechung musste er von einer wirksamen Zustellung an die Rechtsanwälte A. & M. am 1. Juni 2005 ausgehen, obwohl Rechtsanwalt G. als sein Verfahrensbevollmächtigter im Versäumnisurteil aufgeführt war und diesem das Versäumnisur- teil am 11. Juni 2005 ebenfalls zugestellt worden ist. Entsprechend haben die Rechtsanwälte A. & M. den Antragsteller ausweislich ihrer Stellungnahme vom 7. Oktober 2005 nach Erhalt des Versäumnisurteils schriftlich auf dessen Zustellung und den Fristablauf am 15. Juni 2005 hingewiesen.
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Vorinstanzen:
AG Mülheim an der Ruhr, Entscheidung vom 23.12.2004 - 28 F 91/04 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 22.02.2006 - II-8 UF 30/05 -