Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Juli 2018 - VII ZR 21/16
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. Juli 2018 durch die Richter Dr. Kartzke, Halfmeier und Prof. Dr. Jurgeleit und die Richterinnen Graßnack und Borris
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Beklagte zu 2 macht mit ihrer Widerklage Vergütungsansprüche geltend.
- 2
- Unter dem 18. September 1998 schlossen die Klägerin und die Beklagte zu 4, eine BGB-Gesellschaft bestehend aus den Beklagten zu 2 und 3, einen Instandhaltungsvertrag zur Wartung und Instandhaltung verschiedener Gebäude der Klägerin. Die Beklagte zu 2 macht mit der Widerklage, soweit noch von Interesse, Vergütungsansprüche von insgesamt 767.020,41 € hauptsächlich zur Zahlung an sich, hilfsweise an die Beklagte zu 4 geltend. Sie hat die Widerklage in der Weise begründet, dass sie "[g]emäß § 6 des Vertrages … Vergütungsan- sprüche für die Wartung und Instandhaltung von Gebäuden in …" geltend ge- macht und auf eine "detaillierte Aufschlüsselung der Ansprüche" (Anlage B 19, bestehend aus einer tabellarischen Auflistung der Ansprüche nach Positionsund Rechnungsnummer, Rechnungsdatum, Rechnungsbetrag und Standort der Leistung unter Beifügung der Rechnungen) Bezug genommen hat. Später hat sie "zur näheren Substantiierung der Vergütungsansprüche" auf das um weitere Unterlagen ergänzte Anlagenkonvolut B 23 Bezug genommen und hinsichtlich ausgewählter fünf Positionen konkrete Ausführungen vorgenommen.
- 3
- Das Landgericht hat der Widerklage in Höhe von 294.714,85 € nebst Zinsen zur Zahlung an die Beklagte zu 2 stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Ein Betrag in Höhe von 294.319,96 € sei unstreitig. Der Vortrag der Beklagten zu 2 sei in Bezug auf die übrigen Vergütungsansprüche mit Ausnahme der zuzusprechenden Positionen Nr. 22, 24, 44 und 69 (= 4.899,39 €) und der als unbegründet abzuweisenden Position Nr. 153 (9.071,21 €) unsubstantiiert , weil sie lediglich pauschal auf als Anlage beigefügte Rechnungen verwie- sen habe. Von dem daraus resultierenden Betrag in Höhe von 299.219,35 € seien aufgrund einer begründeten klägerseitigen Aufrechnung 4.504,50 € abzuziehen.
- 4
- Das Berufungsgericht hat die Entscheidung des Landgerichts in Höhe von 294.713,83 € unter Korrektur eines Rechenfehlers mit der Maßgabe bestätigt , dass die Zahlung entsprechend dem Hilfsantrag der Beklagten zu 2 an die Beklagte zu 4 zu erfolgen hat. Es hat die Berufungen der Klägerin und der Beklagten zu 2 im Übrigen zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen.
- 5
- Dagegen wenden sich die Klägerin und die Beklagte zu 2 mit ihren Beschwerden. Die Beklagte zu 2 verfolgt ihren Widerklageantrag in Höhe von weiteren 472.306,58 € sowie in Höhe der zu Gunsten der Beklagten zu 4 ausgeurteilten 294.713,83 € zur Zahlung an sich weiter.
II.
- 6
- 1. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten zu 2 führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Insoweit beruht das angefochtene Urteil auf einer Verletzung des Anspruchs der Beklagten zu 2 auf rechtliches Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG.
- 7
- a) Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
- 8
- Die Berufung der Beklagten zu 2, mit der sie weitergehende Zahlung an sich, hilfsweise an die Beklagte zu 4, begehre, habe keinen Erfolg.
- 9
- Soweit die in der Berufungsbegründung konkret begründete Widerklage über die Positionen 22, 24, 44, 69 und 153 hinausgehe, sei sie in der Berufungsinstanz neu und gemäß § 533 ZPO nicht zuzulassen. Erstinstanzlich habe die Beklagte zu 2 die Widerklageforderung in der Klageerwiderung vom 30. März 2005 ausschließlich auf § 6 des Instandhaltungsvertrags vom 18. September 1998 gestützt. Danach habe die Klägerin als Gegenleistung für die Wartungsarbeiten eine Jahrespauschale geschuldet. Der allgemeine Verweis in der Klageerwiderung auf eine aus der Anlage B 19 folgende "detaillierte Aufschlüsselung" lege allerdings nahe, dass tatsächlich gar nicht diese Pauschale , sondern weitergehende Ansprüche geltend gemacht werden sollten. Deren Grundlagen seien allerdings nicht ansatzweise ausgeführt. Deshalb könne dieser Vortrag nur dahin verstanden werden, dass Ansprüche aus der Pauschalvereinbarung in dem Instandhaltungsvertrag Gegenstand der Widerklage sein sollen. Anschließend habe die Beklagte zu 2 erstinstanzlich nur mit dem weiteren Schriftsatz vom 20. Mai 2005 weitere Ausführungen zu den Forderungen der Widerklage gemacht und das Anlagenkonvolut B 19 durch das neue Anlagenkonvolut B 23 ersetzt. Sie bezeichne auch dort die Forderungen als "Vergütungsansprüche aus dem Instandhaltungsvertrag". Erst mit der Berufungsbegründung vom 29. April 2014 habe die Beklagte zu 2 den Vortrag zu den Grundlagen der übrigen Abrechnungen nachgeholt. Auf diese Weise führe die Klägerin mit der Berufung eine Reihe von neuen Streitgegenständen in das Verfahren ein, die weder ohnehin zu berücksichtigen seien noch deren Zulassung sachdienlich sei (§ 533 ZPO).
- 10
- b) Damit hat das Berufungsgericht in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch der Beklagten zu 2 auf rechtliches Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG, verletzt. Das Berufungsgericht hätte die Widerklage nicht gemäß § 533 ZPO unberücksichtigt lassen dürfen. Die Anforderungen, die das Berufungsgericht an den Parteivortrag stellt, sind im Hinblick auf die Frage, ob der Widerklageanspruch hinreichend individualisiert ist, offensichtlich überspannt.
- 11
- Die Widerklage war nicht neu in der Berufungsinstanz, sondern bereits in erster Instanz in zulässiger Weise erhoben. Anders als das Berufungsgericht meint, war der Grund des erhobenen Anspruchs (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) bereits in erster Instanz hinreichend genau angegeben. Dafür genügt es, dass der Anspruch individualisierbar, also als solcher identifizierbar ist; es ist nicht erforderlich , dass der maßgebende Lebenssachverhalt in der Klageschrift vollständig beschrieben oder der Klageanspruch schlüssig und substantiiert dargelegt worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 2016 - III ZR 200/15 Rn. 19 m.w.N., NJW 2016, 2747). Es trifft zwar zu, dass die Gerichte nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht verpflichtet sind, umfangreiche ungeordnete Anlagenkonvolute von sich aus durchzuarbeiten, um so die Ansprüche zu konkretisieren (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 2016 - III ZR 200/15 Rn. 19 m.w.N., NJW 2016, 2747). Ein solcher Fall liegt jedoch nicht vor.
- 12
- Zum einen meint das Berufungsgericht zu Unrecht, dass der Vortrag widersprüchlich sei, soweit die Beklagte zu 2 sich einerseits auf § 6 des Instandhaltungsvertrags (und damit auf eine Pauschale) berufe, andererseits offenbar keinen Pauschalbetrag geltend mache. § 6 des Vertrags bestimmt zwar, dass für "die vereinbarten und durchgeführten Leistungen […] die Jahrespauschale [gilt]". Die Nichtzulassungsbeschwerde weist aber zu Recht darauf hin, dass dort ebenfalls ausgeführt sei, dass "zusätzliche, außervertragliche Aufwendun- gen […] vom Auftraggeber monatlich abgerechnet [werden]". Es trifft deshalb bereits nicht zu, dass die Beklagte zu 2 lediglich die Jahrespauschale geltend gemacht, diese aber unzureichend begründet hätte.
- 13
- Zum anderen handelt es sich bei der Bezugnahme auf die Anlage B 19 und B 23 nicht um einen Verweis auf ungeordnete Anlagenkonvolute. Vielmehr ist der Anlage B 19 eine Tabelle vorangestellt, in der die Positionen nach Rechnungsnummer , Datum, Rechnungsbetrag und Standort (Ort der Leistung) aufgelistet sind. Die einzelnen Rechnungen in der Anlage sind im Übrigen mit der jeweiligen Positionsnummer versehen; in der Anlage B 23 sind neben den Rechnungen auch weitere auf die jeweiligen Leistungen bezogene Schriftstücke beigefügt. Nach dem Vortrag der Beklagten zu 2 handelt es sich bei sämtlichen Rechnungen um Leistungen im Sinne von § 6 des Instandhaltungsvertrags. Damit sind die geltend gemachten Ansprüche hinreichend individualisiert. Der Prozessgegner vermag anhand der vorgelegten Rechnungen erkennen, um welche Forderungen es der Beklagten zu 2 geht; auch die Reichweite von Rechtshängigkeit und Rechtskraft lassen sich anhand der Auflistung bestimmen.
- 14
- 2. Die Beschwerde der Klägerin und die weitere Beschwerde der Beklagten zu 2 bleiben ohne Erfolg. Insoweit wird von einer Begründung abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist (§ 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbsatz ZPO).
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 22.01.2014 - 9 O 12/05 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 15.12.2015 - I-23 U 27/14 -
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(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn
- 1.
der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und - 2.
diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat.
Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn
- 1.
der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und - 2.
diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat.
(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).
(2) Die Klageschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts; - 2.
die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.
(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen; - 2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht; - 3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.
(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.