Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Apr. 2018 - VI ZB 44/16
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. April 2018 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Wellner, die Richterinnen Dr. Oehler und Dr. Roloff und den Richter Dr. Klein
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Der Kläger, der sich als Rechtsanwalt in den Vorinstanzen selbst vertreten hat, verlangt mit seiner Klage die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von mindestens 10.000 € wegen einer ver- meintlichen Persönlichkeitsrechtsverletzung durch einen von dem Beklagten zu 2 verfassten Artikel in der von den Beklagten herausgegebenen Zeitung.
- 2
- Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 23. Mai 2016, dem Kläger zugestellt am 2. Juni 2016, abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat der Kläger rechtzeitig Berufung eingelegt. Nachdem das Oberlandesgericht mit Schreiben vom 5. August 2016 den Kläger darauf hingewiesen hat, dass innerhalb der am 2. August 2016 abgelaufenen Frist eine Berufungsbegründung nicht eingegangen sei, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 17. August 2016, eingegangen am selben Tag, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt und die Berufung begründet. Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags hat er - mit anwaltlicher Versicherung und unter Vorlage einer entsprechenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Zeit vom 30. Juli bis 19. August 2016 - vorgetragen, er sei wegen eines plötzlich in dieser Zeit aufgetretenen Burnout-Zustandes nicht mehr in der Lage gewesen, die Berufungsbegründung rechtzeitig zu fertigen oder eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist zu beantragen. Die Symptome des Burnouts habe er nicht deuten können, weil er eine solche Erkrankung noch nie zuvor in seinem Leben gehabt habe. Wegen des plötzlichen und unerwarteten Auftretens des für ihn unbekannten Burnout-Zustandes habe er als Einzelanwalt ohne Personal für diesen konkreten Ausfall keine präzisen Vorkehrungen treffen können, zumal frühere Bemühungen für Urlaubsvertretungen ergeben hätten, dass keiner der übrigen vier Anwaltskollegen auf der Nordseeinsel, auf der er wohne, zu einer Vertretung bereit gewesen sei.
- 3
- Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Oberlandesgericht den Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist abgelehnt, den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Der Kläger habe nicht glaubhaft gemacht, dass er ohne sein Verschulden verhindert gewesen sei, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Es fehle insbesondere an einer Darlegung, welche Vorkehrungen der Kläger zur Wahrung von Fristen für den Fall seines unvorhergesehenen Ausfalls getroffen habe. Sowohl die unerwartet aufgetretene Burnout-Erkrankung als auch die Tätigkeit des Klägers als Einzelanwalt ohne Personal auf einer Insel mit nur weiteren wenigen, nicht vertretungsbereiten Rechtsanwälten seien unerheblich und entbänden den Klä- ger nicht von der Pflicht, rechtzeitig für den Fall seines unerwarteten Ausfalls für eine Vertretung zu sorgen.
II.
- 4
- Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Entgegen der Auffassung des Klägers ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts insbesondere auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten. Die Begründung der Rechtsbeschwerde zeigt nicht auf, dass die Ablehnung des Wiedereinsetzungsantrags im angefochtenen Beschluss den Kläger in seinem Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz verletzt.
- 5
- 1. Das Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes gebietet es, einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten zu versagen, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschweren (st. Rspr., vgl. BVerfG BVerfGK 11, 461, 463; zuletzt Senat, Beschluss vom 19. September 2017 - VI ZB 40/16, VersR 2018, 119 Rn. 6 und vom 12. Dezember 2017 - VI ZB 24/17, NJW-RR 2018, 311 Rn. 4, jeweils mwN).
- 6
- 2. Davon ausgehend ist die Ablehnung des Wiedereinsetzungsantrags nicht zu beanstanden.
- 7
- a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss ein Rechtsanwalt allgemeine Vorkehrungen dafür treffen, dass das zur Wahrung von Fristen Erforderliche auch dann unternommen wird, wenn er unvorhergesehen ausfällt. Er muss seinem Personal die notwendigen allgemeinen Anweisungen für einen solchen Fall geben. Ist er als Einzelanwalt ohne eigenes Personal tätig, muss er ihm zumutbare Vorkehrungen für einen Verhinderungsfall treffen, z.B. durch Absprache mit einem vertretungsbereiten Kollegen (Senatsbeschluss vom 6. März 1990 - VI ZB 4/90, VersR 1990, 1026; BGH, Beschlüsse vom 26. September 2013 - V ZB 94/13, NJW 2014, 228 Rn. 7 und vom 18. Mai 1994 - XII ZB 62/94, FamRZ 1994, 1520). Ein Rechtsanwalt muss allerdings, wenn er - wie hier - unvorhergesehen erkrankt, nur das, aber auch alles zur Fristwahrung unternehmen, was ihm dann möglich und zumutbar ist (Senatsbeschluss vom 6. März 1990 - VI ZB 4/90, VersR 1990, 1026; BGH, Beschlüsse vom 26. September 2013 - V ZB 94/13, NJW 2014, 228 Rn. 10; vom 11. März 1987 - VIII ZB 2/87, VersR 1987, 785, 786; vom 8. Februar 2000 - XI ZB 20/99, juris Rn. 12; vom 18. September 2003 - V ZB 23/03, FamRZ 2004, 182 und vom 18. September 2008 - V ZB 32/08, NJW 2008, 3571 Rn. 9).
- 8
- b) Der Kläger hat nicht glaubhaft gemacht, dass er die danach erforderliche zumutbare Vorsorge für einen Verhinderungsfall getroffen hat. Aus dem von ihm vorgelegten Attest des behandelnden Arztes ergibt sich vielmehr, dass nach den eigenen Angaben des Klägers die als Burnout-Zustand gedeuteten Symptome in den "letzten Tagen" vor dem 5. August 2016 "immer wieder zeitweise" - also nicht ständig - aufgetreten seien, wobei er "beispielsweise Termine und Rechtsfristen übersehen" habe. Daraus ergibt sich aber schon nicht, dass der Kläger in den Zeiten, in denen die Symptome nicht auftraten, außerstande gewesen wäre, einen Fristverlängerungsantrag zu stellen. Ferner bestand für ihn in diesen Zeiten dringende Veranlassung, Vorkehrungen für den Verhinderungsfall zu treffen, zumal er als Einzelanwalt und ohne eigenes Per- sonal tätig war. Hätte der Kläger rechtzeitig im Zustand der Gesundheit die für einen überraschenden Krankheitsfall gebotenen Absprachen getroffen, wäre es ihm nach dem Attest noch möglich gewesen, seinen Vertreter zu instruieren. Dem Vorbringen des Klägers ist nicht zu entnehmen, dass er entsprechende Vorsorge getroffen hat. Dabei vermag ihn auch nicht der Umstand zu entlasten, dass er auf der Insel angeblich keinen vertretungsbereiten Kollegen gefunden hätte. Dass der Kläger seine Anwaltstätigkeit auf einer Insel ausübt, auf der nur wenige Rechtsanwälte tätig sind, entbindet ihn nicht - wie im angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt - von der Pflicht, für den Fall eines Ausfalls für eine Vertretungsregelung zu sorgen, was auch durch einen vertretungsbereiten Kollegen auf dem Festland erfolgen kann. Galke Wellner Oehler Roloff Klein
LG Aurich, Entscheidung vom 23.05.2016 - 2 O 838/15 -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 05.09.2016 - 13 U 49/16 -
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War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.
(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.
(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.
(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten.
(2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Prozesshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.
(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.
(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.
(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.