Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Juni 2007 - VI ZB 3/07

bei uns veröffentlicht am19.06.2007
vorgehend
Amtsgericht Mitte, 107 C 3005/05, 07.03.2006
Landgericht Berlin, 24 S 106/06, 11.11.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 3/07
vom
19. Juni 2007
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die Anknüpfung der Rechtsmittelzuständigkeit des Oberlandesgerichts daran, dass
eine Partei bei Klageerhebung keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat, ist
formal zu verstehen. Sie greift auch dann ein, wenn sich im Einzelfall keine besonderen
Fragen des internationalen Privatrechts stellen.
BGH, Beschluss vom 19. Juni 2007 - VI ZB 3/07 - LG Berlin
AGMitte
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Juni 2007 durch die Vizepräsidentin
Dr. Müller, den Richter Wellner, die Richterin Diederichsen und die
Richter Stöhr und Zoll

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 24. Zivilkammer des Landgerichts Berlin vom 11. November 2006 wird auf Kosten des Klägers verworfen. Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 1.958,90 €.

Gründe:

I.

1
Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadensersatz von 1.958,90 € nach einem Verkehrsunfall in B. in Anspruch. Das Amtsgericht hat die Klage an die Beklagte zu 2, eine in Frankreich ansässige Versicherungsgesellschaft mit einer Niederlassung in Deutschland, unter der Anschrift ihrer inländischen Niederlassung zugestellt. Es hat die Klage mit Urteil vom 7. März 2006 abgewiesen. Gegen das am 13. März 2006 zugestellte Urteil hat der Klägervertreter am 12. April 2006 Berufung beim Landgericht eingelegt. Nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist hat er die Berufung am 13. Juni 2006 begründet. Mit Schriftsatz vom 10. Mai 2006 haben die Beklagten beantragt, die Berufung als unzulässig zu verwerfen, weil diese beim Oberlandesgericht hätte eingelegt werden müssen. Bei der Beklagten zu 2 handele es sich um eine Aktiengesellschaft nach französischem Recht mit Sitz in Frankreich. Der allgemeine Gerichtsstand der Beklagten zu 2 sei danach in Frankreich. Der Sitz der Niederlassung im Inland begründe lediglich den besonderen Gerichtsstand nach § 21 ZPO. Der Kläger hat am 29. Mai 2006 beantragt, hilfsweise für den Fall, dass sich das Landgericht der Ansicht der Beklagten anschließen würde, Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist zu gewähren und die Sache an das Kammergericht zu verweisen. Am selben Tag hat er Berufung gegen das Urteil vom 7. März 2006 beim Kammergericht eingelegt und Wiedereinsetzung in die Versäumung der Berufungsund Berufungsbegründungsfrist beantragt. Mit Beschluss vom 6. Juli 2006 hat das Kammergericht den Rechtsstreit bis zur Entscheidung über die beim Landgericht eingelegte Berufung ausgesetzt. Das Landgericht hat die Berufung durch Beschluss vom 11. November 2006 als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde.

II.

2
1. Die Rechtsbeschwerde ist zwar gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und im Übrigen auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 575 ZPO). Sie ist aber nicht zulässig, da die Fragen zur Anwendbarkeit des § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG, die der Streitfall aufwirft, bereits hinreichend durch höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt sind.
3
2. Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler seine Zuständigkeit für die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts verneint und die Berufung des Klägers verworfen.
4
a) Das Landgericht hat in dem angefochtenen Beschluss festgestellt, dass es sich bei der Beklagten zu 2 um eine Aktiengesellschaft nach französischem Recht mit Sitz in Frankreich handelt, die in Deutschland lediglich über eine Niederlassung verfügt. Der allgemeine Gerichtsstand der Beklagten zu 2 liegt mithin im Ausland (§ 17 ZPO), so dass die Voraussetzungen des § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG dem Wortlaut nach gegeben sind. Dies gilt auch, soweit sich die Berufung gegen den Beklagten zu 1 richtet (vgl. Senat, BGHZ 155, 46, 49 f.). Auch die Rechtsbeschwerde zieht dies nicht in Zweifel.
5
b) Der Senat sieht keine Veranlassung, im Streitfall vom Beschluss des IV. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 19. Februar 2003 - IV ZB 31/02 - VersR 2004, 355 f. abzuweichen. Dass Fragen des internationalen Privatrechts keine Rolle spielen und sich auch solche nach der Belegenheit des Risikos oder einer eventuellen Rechtswahl von vornherein nicht stellen können, weil der Kläger den Direktanspruch gemäß § 3 Abs. 1 PflVG gegen den Haftpflichtversicherer des Unfallgegners geltend macht, ist für die Frage der Rechtsmittelzuständigkeit nicht maßgebend. Das macht die Beschwerdeerwiderung mit Recht geltend.
6
Die Anknüpfung der Rechtsmittelzuständigkeit des Oberlandesgerichts daran, dass eine Partei bei Klageerhebung keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat, ist formal zu verstehen. Sie greift auch dann ein, wenn sich im Einzelfall keine besonderen Fragen des internationalen Privatrechts stellen (Zöller/Gummer, ZPO, 26. Aufl., § 119 GVG Rn. 15; MünchKomm/Wolf, ZPO 2. Aufl. Aktualisierungsband, GVG § 119 Rn. 4; Musielak/Wittschier ZPO 5. Aufl. § 119 GVG Rn. 19). Nur ein formales Verständnis der Norm genügt dem aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden Gebot der Rechtsmittelklarheit, wonach Rechtsbehelfe "in der geschriebenen Rechtsordnung" geregelt und in ihren Voraussetzungen für die Bürger klar erkennbar sein müssen (siehe dazu BVerfG, NJW 2003, 1924, 1928). Das lässt sich nur erreichen, wenn die Voraussetzungen der Zuständigkeitsregelung in § 119 Abs.1 Nr. 1 Buchst. b GVG eng und formal verstanden werden, weil sie den Zugang zu dem an sich gegebenen Rechtsmittel der Berufung zum Landgericht in einer mit Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigen Weise erschweren. Das Kriterium des allgemeinen Gerichtsstands gewährleistet eine hinreichende Bestimmtheit und damit Rechtssicherheit für die Abgrenzung der Berufungszuständigkeit zwischen Landgericht und Oberlandesgericht (BT-Drucks. 14/6036 S. 118 f.). Deshalb kommt die von der Rechtsbeschwerde geforderte teleologische Reduktion der Vorschrift des § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG nicht in Betracht. Im Übrigen wäre bei Anwendung des ausländischen Rechts durch das Amtsgericht die Berufungszuständigkeit des Oberlandesgerichts nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c GVG begründet (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 18. Januar 2007 - V ZB 129/06 – VersR 2007, 664, 665 f.), so dass die Zuständigkeitsregelung in § 119 Abs.1 Nr. 1 Buchst. b GVG, wollte man der Rechtsbeschwerde folgen, weitgehend leer liefe.
7
c) Der Beschluss des Landgerichts steht auch nicht in Widerspruch zu den Beschlüssen des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 28. Januar 2004 - VIII ZB 66/03 - WM 2004, 2227 f. und vom 16. November 2004 - VIII ZB 45/04 - NZM 2005, 147. Anders als in den diesen Beschlüssen zugrunde liegenden Fallgestaltungen hatte der Kläger aufgrund der bei der vorgerichtlichen Korrespondenz zur Verwendung gekommenen Briefbögen, auf denen sich der Hinweis auf den Hauptsitz der Gesellschaft in Paris befindet, Kenntnis vom Sitz der Beklagten zu 2 in Frankreich. Eine Veranlassung den allgemeinen Gerichtsstand der Beklagten zu 2 in erster Instanz zur Sprache zu bringen, bestand für die Beklagten danach nicht, da jedenfalls der besondere Gerichtsstand des § 32 ZPO bei dem vom Kläger angerufenen Amtsgericht begründet war. Zu Recht hat das Berufungsgericht aus dem Umstand, dass ein inländischer allgemeiner Gerichtsstand nicht erörtert worden ist, nicht schon hergeleitet, die Parteien hätten übereinstimmend einen allgemeinen Gerichtsstand der Beklagten zu 2 im Inland angenommen. Vielmehr hatte der Kläger aufgrund der ihm zugänglichen Informationen Veranlassung zu sorgfältiger Prüfung , ob es sich bei der Direktion für Deutschland um eine Tochtergesellschaft der ausländischen Gesellschaft oder lediglich um eine, wenn auch eingetragene , Zweigniederlassung handelt.
8
d) Nach diesen Grundsätzen wäre das Kammergericht für die Entscheidung über die Berufung gegen das Urteil des zu seinem Gerichtsbezirk gehörenden Amtsgerichts zuständig gewesen. Entgegen dem Antrag des Klägers kam eine Verweisung des Rechtsstreits über die Berufung in entsprechender Anwendung des § 281 Abs. 1 Satz 1 ZPO durch das Landgericht nicht in Betracht. Zum einen gilt diese Bestimmung nicht für die funktionelle Zuständigkeit (vgl. Senat, BGHZ 155, 46, 50; BGH, Beschluss vom 10. Juli 1996 - XII ZB 90/95 - NJW-RR 1997, 55). Der Antrag bleibt aber auch deshalb ohne Erfolg, weil die Berufungsfrist am 29. Mai 2006 bereits abgelaufen war.
9
Dem Kläger kann nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gewährt werden, weil die Fristversäumnis nicht unverschuldet war (§ 233 ZPO). Der Kläger muss sich das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen (§ 85 Abs. 2 ZPO, welches darin liegt, dass er die Berufung bei einem unzuständigen Gericht eingelegt hat. Es besteht auch keine generelle Fürsorgepflicht des für die Rechtsmitteleinlegung unzuständigen und vorher mit der Sache noch nicht befassten Landgerichts , durch Hinweise oder geeignete Maßnahmen rechtzeitig eine Fristversäumnis des Rechtsmittelführers zu verhindern (vgl. Senat, Beschluss vom 15. Juni 2004 - VI ZB 75/03 - VersR 2005, 247, 248).
10
Demzufolge hat das Landgericht die Berufung zu Recht als unzulässig verworfen.
11
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll

Vorinstanzen:
AG Berlin-Mitte, Entscheidung vom 07.03.2006 - 107 C 3005/05 -
LG Berlin, Entscheidung vom 11.11.2006 - 24 S 106/06 -

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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

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(1) Die Oberlandesgerichte sind in Zivilsachen zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel: 1. der Beschwerde gegen Entscheidungen der Amtsgerichte a) in den von den Familiengerichten entschiedenen Sachen;b) in den Angelegenh

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(1) Die Oberlandesgerichte sind in Zivilsachen zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel:

1.
der Beschwerde gegen Entscheidungen der Amtsgerichte
a)
in den von den Familiengerichten entschiedenen Sachen;
b)
in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit mit Ausnahme der Freiheitsentziehungssachen und der von den Betreuungsgerichten entschiedenen Sachen;
2.
der Berufung und der Beschwerde gegen Entscheidungen der Landgerichte.

(2) § 23b Absatz 1, 2 und 3 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) In Zivilsachen sind Oberlandesgerichte ferner zuständig für die Verhandlung und Entscheidung von Musterfeststellungsverfahren nach Buch 6 der Zivilprozessordnung im ersten Rechtszug. Ein Land, in dem mehrere Oberlandesgerichte errichtet sind, kann durch Rechtsverordnung der Landesregierung einem Oberlandesgericht die Entscheidung und Verhandlung für die Bezirke mehrerer Oberlandesgerichte oder dem Obersten Landesgericht zuweisen, sofern die Zuweisung für eine sachdienliche Förderung oder schnellere Erledigung der Verfahren zweckmäßig ist. Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.

(1) Hat jemand zum Betrieb einer Fabrik, einer Handlung oder eines anderen Gewerbes eine Niederlassung, von der aus unmittelbar Geschäfte geschlossen werden, so können gegen ihn alle Klagen, die auf den Geschäftsbetrieb der Niederlassung Bezug haben, bei dem Gericht des Ortes erhoben werden, wo die Niederlassung sich befindet.

(2) Der Gerichtsstand der Niederlassung ist auch für Klagen gegen Personen begründet, die ein mit Wohn- und Wirtschaftsgebäuden versehenes Gut als Eigentümer, Nutznießer oder Pächter bewirtschaften, soweit diese Klagen die auf die Bewirtschaftung des Gutes sich beziehenden Rechtsverhältnisse betreffen.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Entscheidung, gegen die die Rechtsbeschwerde gerichtet wird und
2.
die Erklärung, dass gegen diese Entscheidung Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der angefochtenen Entscheidung vorgelegt werden.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend.

(3) Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit die Entscheidung des Beschwerdegerichts oder des Berufungsgerichts angefochten und deren Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge),
2.
in den Fällen des § 574 Abs. 1 Nr. 1 eine Darlegung zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2,
3.
die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar
a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
b)
soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Beschwerde- und die Begründungsschrift anzuwenden. Die Beschwerde- und die Begründungsschrift sind der Gegenpartei zuzustellen.

(5) Die §§ 541 und 570 Abs. 1, 3 gelten entsprechend.

(1) Der allgemeine Gerichtsstand der Gemeinden, der Korporationen sowie derjenigen Gesellschaften, Genossenschaften oder anderen Vereine und derjenigen Stiftungen, Anstalten und Vermögensmassen, die als solche verklagt werden können, wird durch ihren Sitz bestimmt. Als Sitz gilt, wenn sich nichts anderes ergibt, der Ort, wo die Verwaltung geführt wird.

(2) Gewerkschaften haben den allgemeinen Gerichtsstand bei dem Gericht, in dessen Bezirk das Bergwerk liegt, Behörden, wenn sie als solche verklagt werden können, bei dem Gericht ihres Amtssitzes.

(3) Neben dem durch die Vorschriften dieses Paragraphen bestimmten Gerichtsstand ist ein durch Statut oder in anderer Weise besonders geregelter Gerichtsstand zulässig.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB 31/02
vom
19. Februar 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
Die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts für Berufungen und Beschwerden
gegen Entscheidungen der Amtsgerichte nach § 119 Abs. 1
Nr. 1 b GVG hängt nicht davon ab, ob es im Einzelfall auf internationales
Recht ankommt.
BGH, Beschluß vom 19. Februar 2003 - IV ZB 31/02 - LG Hamburg
AG Hamburg
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch die Richter
Seiffert, Dr. Schlichting, die Richterinnen Ambrosius, Dr. Kessal-Wulf
und den Richter Felsch
am 19. Februar 2003

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 32, vom 4. September 2002 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Streitwert: 5.022,73

Gründe:


I. Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer Hausratversicherung "! #%$& auf Zahlung von 5.022,73 März 2002 zugestellt. Das Amtsgericht wies sie mit Urteil vom 3. Mai 2002 ab, weil ein Versicherungsfall nicht dargetan sei. Gegen dieses dem Klägervertreter am 15. Mai 2002 zugestellte Urteil wurde am Freitag, dem 14. Juni 2002, Berufung beim Landgericht eingelegt, also innerhalb der am Montag, dem 17. Juni 2002, endenden Frist des § 517 ZPO; die Berufung wurde am 5. Juli 2002 rechtzeitig begründet. Das Landgericht wies die Parteien mit Verfügung vom 12. Juli 2002 darauf hin, daß sich der Hauptsitz der Beklagten ausweislich des der Klage beigefügten Ver-

sicherungsscheins in L. befinde und sie in der Bundesrepublik Deutsch- land lediglich über eine Niederlassung verfüge, für die ein Hauptbevollmächtigter bestellt sei; zuständig für die Berufung sei daher das Oberlandesgericht gemäß §§ 72, 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG. Die Kammer beabsichtige , die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Demgegenüber vertrat der Prozeßbevollmächtigte des Klägers die Auffassung, das Landgericht sei zuständig. Es hat die Berufung durch Beschluß vom 4. September 2002 als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde.
II. Das Rechtsmittel ist zulässig, aber nicht begründet.
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und nach § 574 Abs. 2 ZPO auch zulässig im Hinblick auf die Klärung der Voraussetzungen des § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG, der durch Art. 1 des ZPO-Reformgesetzes vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) neu gefaßt worden ist. Die Rechtsbeschwerde ist im übrigen form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 575 ZPO). Auf die Wertgrenze des § 26 Nr. 8 EGZPO kommt es nicht an (BGH, Beschluß vom 4. September 2002 - VIII ZB 23/02 - NJW 2002, 3783 unter II 1 b).
2. Mit Recht hat das Landgericht im angefochtenen Beschluß festgestellt , daß es sich bei der Beklagten um eine Aktiengesellschaft nach englischem Recht mit Sitz in L. handle, die in H. lediglich über eine Zweigniederlassung verfüge. Deren Eintragung im Handelsregister besagt für sich genommen nichts über ihre rechtliche Selbständigkeit (§ 13 HGB; vgl. BGH, Beschluß vom 13. Januar 1998 - X ARZ 1298/97 - NJW 1998, 1322). Der allgemeine Gerichtsstand der Beklagten liegt mithin im

Ausland (§ 17 ZPO), so daß die Voraussetzungen des § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG dem Wortlaut nach gegeben sind. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Rechtsbeschwerde auch nicht mehr.
3. Er macht vielmehr geltend, im Hinblick auf die für Niederlassungen von Versicherungsgesellschaften geltenden Sonderregelungen sowie auf Art. 8 ff. EGVVG müsse § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG einschränkend ausgelegt werden. Dem ist nicht zu folgen.

a) Mit § 119 Abs. 1 Nr. 1 b und c GVG hat der Gesetzgeber für Sachen mit Auslandsberührung eine neue Zuständigkeit der Oberlandesgerichte zur Entscheidung über Berufungen und Beschwerden gegen Entscheidungen der Amtsgerichte eingeführt, im übrigen aber an der Zuständigkeit der Landgerichte gemäß § 72 GVG festgehalten. Diese Sonderzuweisung sollte dem Umstand Rechnung tragen, daß durch die Internationalisierung des Rechts und den zunehmenden grenzüberschreitenden Rechtsverkehr ein großes Bedürfnis nach Rechtssicherheit durch eine obergerichtliche Rechtssprechung bestehe. Dabei wurde mit § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG an den allgemeinen Gerichtsstand einer Partei im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit angeknüpft, weil sich bei einem allgemeinen Gerichtsstand im Ausland regelmäßig Fragen des Internationalen Privatrechts stellten; das Kriterium des Gerichtsstands gewährleiste eine hinreichende Bestimmtheit und damit Rechtssicherheit für die Abgrenzung der Berufungszuständigkeit zwischen Landgericht und Oberlandesgericht (BT-Drucks. 14/6036 S. 118 f.).

b) Danach ist die Anknüpfung der Rechtsmittelzuständigkeit des Oberlandesgerichts daran, daß eine Partei bei Klageerhebung keinen

allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat, formal zu verstehen: Sie greift auch dann ein, wenn sich im Einzelfall keine besonderen Fragen des In- ternationalen Privatrechts stellen (Zöller/Gummer, ZPO 23. Aufl. § 119 GVG Rdn. 15; MünchKomm/Wolf, ZPO 2. Aufl. Aktualisierungsband, GVG § 119 Rdn. 4). Schon deshalb kommt die vom Kläger geforderte teleologische Reduktion der Vorschrift des § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG für den hier vorliegenden Sachverhalt nicht in Betracht.

c) Der Bundesgerichtshof hat zwar in einem Beschluß vom 6. April 1979 angenommen, daß eine ausländische Versicherungsgesellschaft, die im Inland eine selbständige Niederlassung unterhält, im Hinblick auf deren weitgehende Angleichung an eine juristisch selbständige Rechtspersönlichkeit durch das Versicherungsaufsichtsrecht ihren allgemeinen Gerichtsstand im Inland am Ort der Niederlassung habe; dies gelte jedenfalls für die Zuständigkeit im Mahnverfahren gemäß § 689 Abs. 2 ZPO (I ARZ 403/78 - VersR 1979, 561 unter II). Diese Entscheidung kann ungeachtet zwischenzeitlicher Änderungen des Versicherungsaufsichtsrechts jedenfalls deshalb nicht auf die Auslegung des § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG übertragen werden, weil es für die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts nach dem Zweck dieser Regelung nicht auf das Maß an Selbständigkeit einer Niederlassung ankommt, sondern darauf, ob Internationales Privatrecht für die Entscheidung eine Rolle spielen könnte. Hierfür hat der Gesetzgeber auf den allgemeinen Gerichtsstand abgehoben , der sich bei juristischen Personen nach ihrem Sitz bestimmt (§ 17 ZPO). Liegt dieser Sitz im Ausland, ist generell das Auftreten von Fragen des Internationalen Privatrechts möglich, mit denen der Gesetzgeber die Oberlandesgerichte betraut hat, auch wenn die Partei im Inland eine Niederlassung mit verhältnismäßig weitgehender Selbständigkeit unter-

hält. Der Zweck der Neuregelung steht mithin einer einschränkenden Auslegung für inländische Niederlassungen ausländischer Versicherungsgesellschaften entgegen.

d) Nichts anderes ergibt sich im Blick auf das europäische Internationale Versicherungsvertragsrecht: Nach Art. 8 EGVVG ist auf ein Versicherungsverhältnis , bei dem das versicherte Risiko in dem Land belegen ist, in dem der Versicherungsnehmer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, zwar das Recht dieses Landes anzuwenden, hier also deutsches Recht. Deshalb ist das Entstehen von Fragen des Internationalen Privatrechts aber nicht ausgeschlossen. In welchem Land ein Risiko belegen ist, wird in Art. 7 Abs. 2 EGVVG differenziert geregelt. Art. 9 bis 11 EGVVG eröffnen in einer Reihe von Fällen die Möglichkeit einer Rechtswahl oder der Zuordnung zum Recht des Staates, zu dem der Versicherungsvertrag die engsten Verbindungen aufweist. Ob einer dieser besonderen Tatbestände vorliegt oder aber der Fall des Art. 8 EGVVG, ist bereits eine Frage des Internationalen Privatrechts, deren Entscheidung der Gesetzgeber dem Oberlandesgericht als Berufungsinstanz zugewiesen hat. Auch insoweit kommt also eine teleologische Reduktion des § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG nicht in Betracht.
4. Mithin war die Berufung unzulässig, weil sie nicht nach § 519 Abs. 1 ZPO bei dem hier gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG zuständigen Berufungsgericht eingereicht wurde.
Eine Wiedereinsetzung von Amts wegen kommt nicht in Betracht. Das mit der Sache zuvor nicht befaßte Landgericht war nicht verpflichtet, die Berufung etwa noch am Tage ihres Eingangs an das zuständige

Oberlandesgericht weiterzuleiten, um die am Montag, dem 17. Juni 2002, ablaufende Berufungsfrist zu wahren (vgl. BVerfG NJW 1995, 3173 unter C II 2). Eine spätere Weiterleitung (oder eine Verweisung analog § 17 a Abs. 2 GVG, für die sich MünchKomm/Wolf, aaO GVG § 119 Nr. 7 ausspricht ,) hätte dem Kläger nicht mehr geholfen, weil durch den rechtzeitigen Eingang der Berufungsschrift bei einem unzuständigen Gericht auch bei Weiterverweisung an das zuständige Gericht die inzwischen abgelaufene Berufungsfrist nicht gewahrt wird (BGH, Urteil vom 9. Dezember 1999 - III ZR 73/99 - NJW 2000, 1574 unter 3 a). Die insoweit für das Kartellverfahren geltenden Sonderregeln (BGHZ 71, 367 ff.) können nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden, weil die Bestimmung der Zuständigkeit für das Berufungsverfahren nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG nicht mit vergleichbaren Unsicherheiten wie das Kartellverfahren belastet ist (vgl. BGH, Urteil vom 9. Dezember 1999

aaO unter 3 b). Einen Antrag auf Verweisung verbunden mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen den Ablauf der Berufungsfrist hat der Kläger nicht gestellt. Das Landgericht hat die Berufung daher mit Recht als unzulässig verworfen.
Seiffert Dr. Schlichting Ambrosius
Dr. Kessal-Wulf Felsch

Ist der Versicherer gegenüber dem Versicherungsnehmer nicht zur Leistung verpflichtet, weil das Fahrzeug den Bau- und Betriebsvorschriften der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung nicht entsprach oder von einem unberechtigten Fahrer oder von einem Fahrer ohne die vorgeschriebene Fahrerlaubnis geführt wurde, kann der Versicherer den Dritten abweichend von § 117 Abs. 3 Satz 2 des Versicherungsvertragsgesetzes nicht auf die Möglichkeit verweisen, Ersatz seines Schadens von einem anderen Schadensversicherer oder von einem Sozialversicherungsträger zu erlangen. Soweit der Dritte jedoch von einem nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 von der Versicherungspflicht befreiten Fahrzeughalter Ersatz seines Schadens erlangen kann, entfällt die Leistungspflicht des Versicherers.

(1) Die Oberlandesgerichte sind in Zivilsachen zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel:

1.
der Beschwerde gegen Entscheidungen der Amtsgerichte
a)
in den von den Familiengerichten entschiedenen Sachen;
b)
in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit mit Ausnahme der Freiheitsentziehungssachen und der von den Betreuungsgerichten entschiedenen Sachen;
2.
der Berufung und der Beschwerde gegen Entscheidungen der Landgerichte.

(2) § 23b Absatz 1, 2 und 3 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) In Zivilsachen sind Oberlandesgerichte ferner zuständig für die Verhandlung und Entscheidung von Musterfeststellungsverfahren nach Buch 6 der Zivilprozessordnung im ersten Rechtszug. Ein Land, in dem mehrere Oberlandesgerichte errichtet sind, kann durch Rechtsverordnung der Landesregierung einem Oberlandesgericht die Entscheidung und Verhandlung für die Bezirke mehrerer Oberlandesgerichte oder dem Obersten Landesgericht zuweisen, sofern die Zuweisung für eine sachdienliche Förderung oder schnellere Erledigung der Verfahren zweckmäßig ist. Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 129/06
vom
18. Januar 2007
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Eine die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts begründende Anwendung ausländischen
Rechts kann auch in seiner Anwendung bei einer Vorfrage liegen.

b) Eine ausdrückliche Feststellung ausländischen Rechts im Sinne von § 119 Abs. 1
Nr. 1 Buchstabe c GVG liegt grundsätzlich nur vor, wenn das Urteil des Amtsgerichts
förmlich feststellt, dass ausländisches Recht angewendet worden ist, oder
wenn es die angewendeten Vorschriften oder Rechtssätze des zugrunde gelegten
ausländischen Rechts ausdrücklich bezeichnet.
BGH, Beschl. v. 18. Januar 2007 - V ZB 129/06 - OLG Celle
AG Celle
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 18. Januar 2007 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke,
Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 19. Juli 2006 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an die 9. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Gründe:


I.


1
Am 26. Oktober 2004 verkaufte der Beklagte dem Kläger mit privatschriftlichem Vertrag für 75.000 € eine in dem türkischen Ort A. gelegene Eigentumswohnung. In dem Vertrag war eine Anzahlung von 5.000 € vorgesehen , die der Kläger zahlte und jetzt unter Hinweis auf die Formnichtigkeit des Vertrags zurückverlangt.
2
Das Amtsgericht hat der Klage mit dem Beklagten am 18. April 2006 zugestellten Urteil stattgegeben. Dagegen hat der Beklagte am 12. Mai 2006 bei dem Landgericht Berufung eingelegt und diese am 19. Juni 2006, einem Montag , begründet. Nach einem Hinweis des Landgerichts auf die Berufungszuständigkeit des Oberlandesgerichts nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe c GVG hat der Beklagte am 29. Juni 2006 auch Berufung bei dem Oberlandesgericht eingelegt und diese mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verbunden. Das Oberlandesgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.

II.


3
1. Die Rechtsbeschwerde ist nach §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig.
4
a) Die Fortbildung des Rechts erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO). In Literatur und Rechtsprechung ist umstritten, welche Anforderungen an die Anwendung ausländischen Rechts und die ausdrückliche Feststellung dieses Umstands zu stellen sind, die nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe c GVG die Berufungszuständigkeit des Oberlandesgerichts begründen. Höchstrichterliche Leitsätze, an denen sich die Praxis ausrichten könnte, fehlen. Das rechtfertigt die Zulassung (Senat, BGHZ 151, 221, 225).
5
b) Der Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde steht nicht entgegen, dass der Beklagte die Berufung sowohl bei dem Landgericht als auch bei dem Oberlandesgericht eingelegt hat. Die mehrfache Einlegung eines Rechtsmittels än- dert nämlich nichts daran, dass dieses der Partei nur einmal zusteht und über dieses Rechtsmittel auch nur einmal entschieden werden kann (BGHZ 45, 380, 383 f.). Das gilt auch dann, wenn, wie hier, das Rechtsmittel bei unterschiedlichen Gerichten eingelegt worden ist. Deshalb ist die Berufung des Beklagten durch das Oberlandesgericht auch insoweit verworfen worden, als sie bei dem Landgericht eingelegt worden ist.
6
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
7
a) Das Oberlandesgericht durfte die an sich statthafte Berufung des Beklagten nach § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO nur verwerfen, wenn sie nicht form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden war. Da der Beklagte seine Berufung sowohl bei dem Landgericht als auch bei dem Oberlandesgericht eingelegt hat, kam eine Verwerfung nur in Betracht, wenn weder die bei dem Landgericht noch die bei dem Oberlandesgericht eingereichte Berufungsschrift rechtzeitig und dem Beklagte auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren war. Daran fehlt es.
8
b) Für die Entscheidung über die Berufung ist das Landgericht, nicht das Oberlandesgericht zuständig.
9
aa) Zur Entscheidung über die Berufung gegen ein Urteil des Amtsgericht ist nach § 72 GVG grundsätzlich das Landgericht berufen. Etwas anderes gilt, soweit hier von Interesse, nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe c GVG nur, wenn das Amtsgericht ausländisches Recht angewendet und dies ausdrücklich festgestellt hat.
10
bb) Das Amtsgericht hat als Grundlage des geltend gemachten Anspruchs § 812 Abs. 1 BGB angenommen. Es hat diese Norm unmittelbar angewendet und nicht - unter Anwendung türkischen internationalen Privatrechts - im Wege einer Rückverweisung (Art. 4 Abs. 1 Satz 2 EGBGB) auf das deutsche Recht. Das lag auch nahe, weil es den Vorvertrag, dessen Zweck verfehlt worden sein soll, ebenfalls nach deutschem Recht beurteilt hat (Art. 38 Abs. 1 EGBGB). Deshalb braucht hier nicht entschieden zu werden, ob die Anwendung ausländischen internationalen Privatrechts als Anwendung ausländischen Rechts im Sinne von § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe c GVG zu bewerten wäre (ablehnend: Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 27. Aufl., § 119 GVG Rdn. 15; Schwartze in: Meyer-Seitz/Hannich, ZPO-Reform 2002, S. 6 Rdn. 12; befürwortend : Brand/Karpenstein, NJW 2005, 1319, 1320; Kroiß, Das neue Zivilprozessrecht , 2001, S. 58 Rdn. 9). Die Anwendung ausländischen Rechts kann hier nur darin liegen, dass das Amtsgericht bei der Prüfung der Vorfrage, ob der Kaufvertrag der Parteien wirksam ist, gemeint hat, der Vertrag sei sowohl nach deutschem als auch nach türkischem Recht unwirksam.
11
cc) Ob die Anwendung ausländischen Rechts bei der Prüfung einer Vorfrage zur Bejahung von § 119 Abs. 1 Nr. 1 GVG ausreicht, ist umstritten. Teilweise wird die Ansicht vertreten, eine die Berufungszuständigkeit des Oberlandesgerichts begründende Anwendung ausländischen Rechts liege nur vor, wenn das Amtsgericht ausländisches Recht bei der Prüfung der Hauptfrage angewendet habe (OLG Hamm OLGR 2002, 426 f.; Kissel/Mayer, GVG, 4. Aufl., § 119 Rdn. 27e; Thomas/Putzo/Hüßtege, aaO, § 119 GVG Rdn. 16). Andere halten, wie das Oberlandesgericht im vorliegenden Fall, die Anwendung ausländischen Rechts auch bei der Prüfung einer Vorfrage für ausreichend (Zöller/Gummer, ZPO, 26. Aufl., § 119 GVG Rdn. 16; wohl auch MünchKommZPO /Wolf, 2. Aufl., Erg.-Bd. § 119 Rdn. 9).
12
dd) Der Senat entscheidet die Frage im zweiten Sinne. Der Wortlaut der Vorschrift ist offen und erlaubt beide Auslegungen. Für die zweite Auslegung spricht der Zweck der Vorschrift. Die Verlagerung der Berufungszuständigkeit in Fällen mit Auslandsbezug auf die Oberlandesgerichte soll nach den Vorstellungen des Gesetzgebers dem Umstand Rechnung tragen, dass durch die Internationalisierung des Rechts und durch den zunehmenden grenzüberschreitenden Rechtsverkehr ein großes Bedürfnis nach Rechtssicherheit durch eine obergerichtliche Rechtsprechung besteht (vgl. Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zu dem ZPO-Reformgesetz in BT-Drucks. 14/6036 S. 119). Auch soll sie eine Spezialisierung erleichtern (Schwartze in: Meyer-Seitz/Hannich, aaO, S. 4 Rdn. 5). Bei dieser Zielrichtung der Vorschrift kann es nicht darauf ankommen , an welcher Stelle der Prüfung ausländisches Recht angewendet wird. Maßgeblich muss vielmehr sein, dass sich das Amtsgericht mit dem ausländischen Recht befasst und seine Beurteilung des ausländischen Rechts die Entscheidung trägt (MünchKomm-ZPO/Wolf, aaO).
13
Hier hat sich das Amtsgericht mit der Frage befasst, ob der Vertrag der Parteien ein nach türkischem Recht wirksamer Kaufvertrag war. Ob seine Beurteilung des türkischen Rechts seine Entscheidung trägt, ist zweifelhaft. Das Amtsgericht qualifiziert den Vertrag der Parteien nämlich als Vorvertrag, den es ausdrücklich dem deutschen Recht unterstellt, was nach Art. 28 Abs. 3 EGBGB nur möglich ist, wenn er trotz seines Gegenstands, einer in der Türkei belegenen Eigentumswohnung, engere Bindungen zu Deutschland hat. Dass dies bei einer Qualifikation als Kaufvertrag, auf dessen Abschluss der Vorvertrag nach Meinung des Amtsgerichts zielte, anders sein könnte, ist nicht ersichtlich. Dann aber käme es auf die Beurteilung des türkischen Rechts nicht an. Dies kann aber letztlich offen bleiben.
14
ee) Wenn man in den Ausführungen des Amtsgerichts zum türkischen Recht eine Anwendung ausländischen Rechts im Sinne von § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe c GVG sähe, führte das allein nicht zur Zuständigkeit des Oberlandesgerichts. Diese setzt nach der genannten Vorschrift vielmehr zusätzlich voraus , dass das Amtsgericht die Anwendung ausländischen Rechts ausdrücklich festgestellt hat.
15
(1) Was dazu erforderlich ist, ist umstritten. Teilweise wird eine ausdrückliche Feststellung verlangt, dass ausländisches Recht angewendet worden ist (Schwartze in: Meyer-Seitz/Hannich, aaO, S. 7 Rdn. 14). Nach einer Gegenansicht genügt es, wenn die Entscheidungsgründe einen ausländischen Rechtssatz als entscheidungserheblich erkennen lassen (Kissel/Mayer, aaO, § 119 Rdn. 27e; MünchKomm-ZPO/Wolf, aaO, § 119 GVG Rdn. 10; Zöller/Gummer, aaO, § 119 GVG Rdn. 16). Nach einer vermittelnden Ansicht muss jedenfalls der angewendete ausländische Rechtssatz ausdrücklich erwähnt werden (Thomas /Putzo, Hüßtege, aaO, § 119 GVG Rdn. 17).
16
(2) Dieser dritten Meinung folgt der Senat. § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe c GVG verlangt eine „ausdrückliche“ Feststellung. Das lässt seinem Wortsinn nach erwarten, dass in dem Urteilstenor oder in den Entscheidungsgründen förmlich festgestellt wird, dass ausländisches Recht angewendet worden ist. Mit dem Wortlaut wäre es auch noch vereinbar, wenn das Urteil eine solche förmliche Feststellung nicht enthält, den geltend gemachten Anspruch oder eine seiner Voraussetzungen nach ausdrücklich genannten Vorschriften oder ungeschriebenen Rechtssätzen eines bestimmten ausländischen Rechts behandelt. Die Grenze des Wortlauts ist aber erreicht, wenn das Urteil weder eine förmliche Feststellung der Anwendung ausländischen Rechts enthält noch die Rechtsvorschriften oder Rechtsgrundsätze bezeichnet, die es angewendet ha- ben will. Für ein enges Verständnis der Norm spricht auch der Vergleich mit § 547 Nr. 6 ZPO. Danach liegt ein absoluter Revisionsgrund vor, wenn ein Urteil entgegen den Bestimmungen der Zivilprozessordnung nicht mit Gründen versehen ist. Das ist auch dann der Fall, wenn die unterlegene Partei den Gründen nicht eindeutig entnehmen kann, ob das Berufungsgericht revisibles Bundesrecht oder nicht revisibles ausländisches Recht zugrunde gelegt hat (BGH, Urt. v. 23. Oktober 1980, III ZR 70/79, IPRspr. 1980 Nr. 3 S. 7; Urt. v. 3. Mai 1988, X ZR 99/86, NJW 1988, 3097; MünchKomm-ZPO/Wenzel, aaO, § 547 Rdn. 17; Wieczorek/Schütze/Prütting, ZPO, 3. Aufl., § 547 Rdn. 48). Das ist in der Regel ohne die Bezeichnung der einschlägigen Normen des ausländischen Rechts nicht möglich (BGH, Urt. v. 3. Mai 1988, aaO). Dass der strikter gefasste § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe c GVG geringere Anforderungen stellen soll, vermag nicht einzuleuchten.
17
Ein solches Verständnis widerspräche auch dem Zweck dieses zusätzlichen Erfordernisses. Der Gesetzgeber hat hiermit nämlich sicherstellen wollen, dass die Vorschrift dem aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden Gebot der Rechtsmittelklarheit, wonach Rechtsbehelfe „in der geschriebenen Rechtsordnung“ geregelt und in ihren Voraussetzungen für die Bürger klar erkennbar sein müssen (siehe dazu Plenarentscheidung des BVerfG, NJW 2003, 1924, 1928), genügt (Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zu dem ZPOReformgesetz in BT-Drucks. 14/6036 S. 119). Das lässt sich nur erreichen, wenn dieses Erfordernis eng und formal verstanden wird. Andernfalls führte die Zuständigkeitsregelung in § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe c GVG zu einer auch verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbaren Rechtsunsicherheit (so Brand/Karpenstein, NJW 2005, 1319, 1320), weil sie den Zugang zu dem an sich gegebenen Rechtsmittel der Berufung in einer mit Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwerte. Das Erfordernis, entweder die Anwen- dung ausländischen Rechts festzustellen oder die angewendeten ausländischen Rechtsnormen und Rechtssätze ausdrücklich zu benennen, kann dazu führen, dass das Oberlandesgericht nicht zuständig ist, obwohl man den Entscheidungsgründen des amtsgerichtlichen Urteils entnehmen kann, dass es ausländisches Recht angewendet hat. Das muss aber im Interesse einer für den Rechtsanwender einfach und sicher nachvollziehbaren Handhabung der Vorschrift in Kauf genommen werden.
18
(3) Gemessen an diesen Vorgaben scheitert eine Zuständigkeit des Oberlandesgerichts hier jedenfalls an der fehlenden ausdrücklichen Feststellung der Anwendung ausländischen Rechts. Das Urteil des Amtsgerichts stellt nicht fest, dass ausländisches Recht angewendet wurde. Es nennt auch keine Vorschrift und keinen ungeschriebenen Rechtssatz des türkischen Rechts. Damit fehlte es an einer ausdrücklichen Feststellung. Das Landgericht blieb daher zuständig.
19
c) Die bei dem Landgericht eingelegte Berufung ist form- und fristgerecht.
20
d) Die bei dem Oberlandesgericht eingereichte Berufung des Beklagten ist damit gegenstandslos (BGHZ 45, 380, 383 f.). Die Frage, ob dem Beklagten im Hinblick auf ihre verspätete Einreichung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren wäre, stellt sich nicht.

III.


21
Die Sache ist nach §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Das ist hier indessen nicht das Oberlandesgericht, das seine Zuständigkeit irrig angenommen hat, sondern das Landgericht.
Krüger Klein Lemke
Schmidt-Räntsch Roth
Vorinstanzen:
AG Celle, Entscheidung vom 12.04.2006 - 14 C 1081/05 -
OLG Celle, Entscheidung vom 19.07.2006 - 16 U 142/06 -

Für Klagen aus unerlaubten Handlungen ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist.

(1) Ist auf Grund der Vorschriften über die örtliche oder sachliche Zuständigkeit der Gerichte die Unzuständigkeit des Gerichts auszusprechen, so hat das angegangene Gericht, sofern das zuständige Gericht bestimmt werden kann, auf Antrag des Klägers durch Beschluss sich für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das zuständige Gericht zu verweisen. Sind mehrere Gerichte zuständig, so erfolgt die Verweisung an das vom Kläger gewählte Gericht.

(2) Anträge und Erklärungen zur Zuständigkeit des Gerichts können vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgegeben werden. Der Beschluss ist unanfechtbar. Der Rechtsstreit wird bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht mit Eingang der Akten anhängig. Der Beschluss ist für dieses Gericht bindend.

(3) Die im Verfahren vor dem angegangenen Gericht erwachsenen Kosten werden als Teil der Kosten behandelt, die bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht erwachsen. Dem Kläger sind die entstandenen Mehrkosten auch dann aufzuerlegen, wenn er in der Hauptsache obsiegt.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 75/03
vom
15. Juni 2004
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Es besteht keine generelle Fürsorgepflicht des für die Rechtsmitteleinlegung unzuständigen
und vorher mit der Sache noch nicht befaßten Gerichts, durch Hinweise
oder geeignete Maßnahmen eine Fristversäumung des Rechtsmittelführers
zu verhindern.

b) Ein etwaiges Verschulden der Partei oder ihres Prozeßbevollmächtigten wirkt sich
nur dann nicht mehr aus, wenn die fristgerechte Weiterleitung an das zuständige
Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden
kann.
BGH, Beschluß vom 15. Juni 2004 - VI ZB 75/03 - OLG Rostock
AG Bad Doberan
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Juni 2004 durch die Vorsitzende
Richterin Dr. Müller, den Richter Wellner, die Richterin Diederichsen
und die Richter Stöhr und Zoll

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluß des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 30. Oktober 2003 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 2.969,38 €.

Gründe:

I.

Die Klägerin, eine in den Niederlanden ansässige Versicherungsgesellschaft , nahm den Beklagten aus übergegangenem Recht auf Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall in Anspruch. Das vom Kläger angerufene Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen das am 17. Februar 2003 zugestellte Urteil legte die Klägerin mit einem am 21. Februar 2003 eingegangenen Schriftsatz beim Landgericht Berufung ein. Am 25. Februar 2003 verfügte der Vorsitzende der Berufungskammer die Wiedervorlage auf den Eingang der Berufungsbegründungsschrift , spätestens auf den 18. April 2003. Die von der Berufungskammer angeforderten Akten gingen am 7. März 2003 beim Landgericht
ein. Nachdem die Klägerin die Berufung mit einem am 17. April 2003 beim Landgericht eingegangenen Schriftsatz begründet hatte, wurden die Akten nach Eingang des Originals der Berufungsbegründungsschrift dem Vorsitzenden am 22. April 2003 vorgelegt. Mit Beschluß vom 16. September 2003 hat die Berufungskammer die Sache auf den Einzelrichter übertragen, der eine mündliche Verhandlung auf den 9. Oktober 2003 anberaumt hat. Am Terminstag beantragte die Klägerin, nachdem ihr Prozeßbevollmächtigter am 8. Oktober 2003 auf die fehlende funktionelle Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes hingewiesen worden war, die Abgabe des Verfahrens an das Oberlandesgericht und beantragte zugleich, ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die versäumte Berufungsfrist zu gewähren. Im Anschluß an die mündliche Verhandlung hat das Landgericht das Verfahren an das Oberlandesgericht abgegeben, wo die Akten am 18. Oktober 2003 eingegangen sind. Das Oberlandesgericht hat mit dem angefochtenen Beschluß die Berufung als unzulässig verworfen und den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist zurückgewiesen. Die an das Landgericht adressierte Berufungsschrift habe die Frist zur Einlegung der Berufung nicht gewahrt, weil sie beim funktionell unzuständigen Gericht eingegangen sei. In der von dem Amtsgericht verhandelten bürgerlich-rechtlichen Streitigkeit sei wegen der Beteiligung einer Person, die im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit ihren allgemeinen Gerichtsstand nicht im Geltungsbereich des GVG hatte, das Oberlandesgericht zuständig gewesen (§ 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG). Die Berufung hätte deshalb beim Oberlandesgericht eingelegt werden müssen (§ 519 Abs. 1 ZPO).
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht zu gewähren, weil der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin die Versäumung verschuldet habe. Ihm hätte die Gesetzesänderung, die zur fraglichen Zeit bereits seit über einem Jahr in Kraft gewesen sei, bekannt sein müssen. Die Klägerin könne sich nicht darauf berufen, daß das Landgericht ihre Berufung innerhalb der Berufungsfrist an das zuständige Oberlandesgericht hätte weiterleiten müssen. Denn allein aus der Berufungsschrift und dem ihr beigefügten angefochtenen Urteil habe die funktionelle Unzuständigkeit des angerufenen Landgerichts nicht zweifelsfrei entnommen werden können. Die Berufungsschrift habe den Geschäftssitz der Klägerin nämlich mit G. in Deutschland und nicht wie im Urteil mit A. in den Niederlanden bezeichnet. Ohne nähere Kenntnis des Akteninhaltes und der Berufungsbegründungsschrift habe eine Entscheidung darüber, wo der Geschäftssitz der Klägerin zur Zeit der Rechtshängigkeit gelegen sei, nicht getroffen werden können.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 574 Abs. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO statthaft und zur Fortbildung des Rechts zulässig, aber nicht begründet. 1. Die Rechtsbeschwerde wendet sich nicht gegen die Annahme des Berufungsgerichts , daß die Frist zur Einlegung der Berufung versäumt worden sei. Sie meint jedoch, das Berufungsgericht habe den Umfang der Fürsorgepflicht des vom Rechtsmittelführer angerufenen unzuständigen Gerichts und damit die Tragweite des aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Anspruchs auf ein faires Verfahren verkannt und deswegen rechtsfehlerhaft keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Damit hat sie keinen
Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist zu Recht nicht gewährt, weil die Fristversäumung nicht unverschuldet ist (§ 233 ZPO). Die Beklagte muß sich das Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten zurechnen lassen (§ 85 Abs. 2 ZPO), welches darin liegt, daß er die Berufung bei einem unzuständigen Gericht eingelegt hat.
a) In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß ein unzuständiges Gericht jedenfalls dann, wenn es vorher selbst mit der Sache befaßt war, aufgrund der nachwirkenden Fürsorgepflicht gehalten ist, fristgebundene Schriftsätze für das Rechtsmittelverfahren im Zuge des ordentlichen Geschäftsgangs an das Rechtsmittelgericht weiterzuleiten. Geht der Schriftsatz so rechtzeitig ein, daß eine fristgerechte Weiterleitung im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann, wirkt sich ein Verschulden der Partei oder ihres Prozeßbevollmächtigten nicht mehr aus (vgl. BVerfG, BVerfGE 93, 99, 112 ff. und NJW 2001, 1343; BGH, Urteile vom 12. Oktober 1995 - VII ZR 8/95 - NJW-RR 1996, 443 und vom 1. Dezember 1997 - II ZR 85/97 - VersR 1998, 608, 609; Beschlüsse vom 3. September 1998 - IX ZB 46/98 - VersR 1999, 1170, 1171; vom 27. Juli 2000 - III ZB 28/00 - NJW-RR 2000, 1730, 1731 und vom 26. Oktober 2000 - V ZB 32/00 - juris).
b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht hingegen keine generelle Fürsorgepflicht des für die Rechtsmitteleinlegung unzuständigen Gerichts, durch Hinweise oder geeignete Maßnahmen rechtzeitig eine Fristversäumung des Rechtsmittelführers zu verhindern. So kann keine "vorbeugende Fürsorgepflicht" des lediglich für die Durchführung des Rechtsmittelverfahrens in Notarverwaltungssachen zuständigen Bundesgerichtshofs statuiert werden, außerhalb normaler Geschäftsabläufe bei ihm eingehende Beschwerdeschriften an die für die Rechtsmitteleinlegung zuständigen Oberlan-
desgerichte weiterzuleiten (vgl. BGH, Beschluß vom 29. November 1999 - NotZ 10/99 - NJW 2000, 737 f.).
c) Auch nach Auffassung des Senats besteht keine generelle Fürsorgepflicht des für die Rechtsmitteleinlegung unzuständigen und vorher mit der Sache noch nicht befaßten Gerichts, durch Hinweise oder geeignete Maßnahmen rechtzeitig eine Fristversäumung des Rechtsmittelführers zu verhindern. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darf sich die Abgrenzung dessen, was im Rahmen einer fairen Verfahrensgestaltung an richterlicher Fürsorge von Verfassungs wegen geboten ist, nicht nur an dem Interesse der Rechtsuchenden an einer möglichst weitgehenden Verfahrenserleichterung orientieren , sondern muß auch berücksichtigen, daß die Justiz im Interesse ihrer Funktionsfähigkeit vor zusätzlicher Belastung geschützt werden muß. Danach muß der Partei und ihrem Prozeßbevollmächtigten die Verantwortung für die Ermittlung des richtigen Adressaten fristgebundener Verfahrenserklärungen nicht allgemein abgenommen und auf unzuständige Gerichte verlagert werden (vgl. BVerfGE 93, 99, 114; BVerfG NJW 2001, 1343). Deshalb nimmt das Bundesverfassungsgericht selbst dann, wenn der fristgebundene Schriftsatz bei dem "mit der Sache befaßt gewesenen Gericht" eingegangen ist, nur dann an, daß sich ein etwaiges Verschulden der Partei oder ihres Prozeßbevollmächtigten nicht mehr auswirke, wenn die fristgerechte Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann. In diesem Fall tritt nämlich eine ins Gewicht fallende Belastung des Gerichts nicht ein. Nach diesen Grundsätzen ist die Abwägung des Berufungsgerichts, aufgrund derer es den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen hat, unter den Umständen des vorliegenden Falls nicht zu beanstanden. Das für die Einlegung der Berufung unzuständige Landgericht war vorher
mit dem Fall noch nicht befaßt. In der Berufungsschrift waren sowohl für die Klägerin als auch für den Beklagten Anschriften in Deutschland angegeben. Daher erschien grundsätzlich das Landgericht für die Berufung zuständig, so daß sich aus der Berufungsschrift keine Besonderheit für den Vorsitzenden ergab. Auch wenn sich aus dem Rubrum der der Berufungsschrift beigefügten Ablichtung des angefochtenen amtsgerichtlichen Urteils ergab, daß die Klägerin möglicherweise ihren Sitz in A. hatte, war die Unzuständigkeit des erstmals mit der Sache befaßten Landgerichts nicht "ohne weiteres" oder "leicht und einwandfrei" (so BVerfG NJW 2002, 3692, 3693) erkennbar. Im Gegensatz zu dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin, der vor Einlegung der Berufung die Zuständigkeit des Berufungsgerichts prüfen mußte, war der Vorsitzende nicht gehalten, bereits zu diesem Zeitpunkt die funktionelle Zuständigkeit des Gerichts zu prüfen. Da die funktionelle Unzuständigkeit des Landgerichts nicht ohne weiteres zu erkennen war, entsprach es durchaus dem normalen Geschäftsablauf , daß die rechtliche Prüfung erst nach Eingang der Berufungsbegründung durch den die Angelegenheit bearbeitenden Richter vorgenommen wurde. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde verletzte dieses dem normalen Geschäftsablauf entsprechende Verfahren nicht die Fürsorgepflicht des Gerichts.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Müller Wellner Diederichsen
Stöhr Zoll

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)