Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Mai 2019 - V ZR 295/16
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Mai 2019 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland und die Richter Dr. Kazele und Dr. Hamdorf
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Klägerin ist Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Ihre Wohnung liegt über der von dem Beklagten gemieteten Einheit, die in der Teilungserklärung als Wohnung/Wohnraum ausgewiesen ist.
- 2
- Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Unterlassung von Geruchs- und Lärmemissionen sowie auf Unterlassung der Nutzung der Wohnung als Pensionsbetrieb in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen , weil die Klägerin nicht prozessführungsbefugt sei. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das Oberlandesgericht durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Unterlassungsansprüche weiter.
- 3
- Über das Vermögen des Beklagten ist mit Beschluss vom 7. Mai 2018 das Insolvenzverfahren eröffnet und eine Insolvenzverwalterin bestellt worden; der von dem Senat bestimmte Termin zur mündlichen Verhandlung ist daraufhin aufgehoben worden. Die Klägerin meint, das Verfahren sei infolge der Insolvenz des Beklagten nicht unterbrochen. Sie beantragt, einen neuen Termin zur mündlichen Verhandlung zu bestimmen.
II.
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- 1. Nach dieser Vorschrift wird im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird. Ein mittelbarer Bezug zur Insolvenzmasse genügt (vgl. BGH, Teilurteil vom 1. Oktober 2009 - I ZR 94/07, NJW 2010, 2213 Rn. 17 mwN).
- 6
- 2. Hier ist die Insolvenzmasse mittelbar betroffen, soweit die Klägerin von dem Beklagten die Unterlassung der Nutzung der von ihm gemieteten Wohnung als Pensionsbetrieb verlangt.
- 7
- a) Die Klägerin weist zwar zutreffend darauf hin, dass Verfahren, in denen Unterlassungsansprüche den Streitgegenstand bilden, durch die Insolvenz des Schuldners nicht zwingend unterbrochen werden. So wird es insbesondere liegen, wenn der Unterlassungsanspruch höchstpersönlicher Natur (vgl. BAG, NJW 2015, 2682 Rn. 12; NJW 2010, 955 Rn. 10) oder nicht vermögensrechtlicher Art ist (vgl. MüKoZPO/Stackmann, 5. Aufl., § 240 Rn. 21; Musielak/Voit/ Stadler, ZPO, 16. Aufl., § 240 Rn. 5; HK-ZPO/Wöstmann, 8. Aufl., Rn. 8; Zöller /Greger, ZPO, 32. Aufl., § 240 Rn. 8a). Unterlassungsansprüche wegen einer Schutzrechtsverletzung zählen demgegenüber zu den die Insolvenzmasse betreffenden Ansprüchen (BGH, Urteil vom 21. Oktober 1965 - Ia ZR 144/63, NJW 1966, 51; Urteil vom 10. Juli 2003 - IX ZR 119/02, BGHZ 155, 371, 380; Teilurteil vom 1. Oktober 2009 - I ZR 94/07, NJW 2010, 2213 Rn. 17 jeweils mwN). Maßgeblich hierfür ist die Erwägung, dass die Frage, ob der Verletzer die vom Verletzten beanstandete Handlung vornehmen darf, für den Gewerbebetrieb des Verletzers ein Vermögensinteresse darstellt (BGH, Urteil vom 21. Oktober 1965 - Ia ZR 144/63, aaO). Eine ähnliche Lage ist bei einer auf die Störung des Eigentums gestützten Unterlassungsklage gegeben, wenn diese zu Nachteilen für die Insolvenzmasse führen würde (vgl. Uhlenbrock/Mock, InsO, 15. Aufl., § 85 Rn. 34 f.). So liegt der Fall hier.
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- b) Miet- und Pachtverhältnisse des Schuldners über unbewegliche Gegenstände oder Räume bestehen gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort. Das Mietverhältnis wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens folglich nicht beendet. § 108 Abs. 1 InsO verdrängt insoweit § 103 Abs. 1 InsO. Die Regelung des § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO ist unabhängig davon anwendbar, ob der Schuldner als Vermieter/Verpächter oder als Mieter/Pächter an dem Rechtsverhältnis beteiligt ist (BGH, Urteil vom 29. Januar 2015 - IX ZR 279/13, BGHZ 204, 83 Rn. 28 mwN). Dem Insolvenzverwalter ist es daher möglich, die Mietsache nach der Insolvenzeröffnung weiter zu nutzen, indem er etwa weiterhin als Zwischenvermieter Untervermietungen vornimmt und die Mietzahlungen des Untermieters einzieht (vgl. HK/InsO/ Lohmann, 9. Aufl. 2018, § 55 Rn. 22). Der auf § 1004 Abs. 1 BGB gestützte Klageantrag, die Nutzung der von dem Schuldner gemieteten Wohnung als Pensionsbetrieb zu unterlassen, betrifft somit die Insolvenzmasse; bei einem Erfolg der Klage wäre der Insolvenzverwalterin die gewerbsmäßige Untervermietung und die Einziehung entsprechender Mieten zur Masse nicht mehr möglich.
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- 3. Die Unterbrechung des Verfahrens ist auch hinsichtlich der mit der Klage geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung von Geruchs- und Lärmemissionen eingetreten. Ob dies schon daraus folgt, dass sich die Unterlassungsansprüche auch auf das Verhalten der Untermieter beziehen, es dem Beklagten seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Verfügungsbefugnis aber nicht möglich ist, ihnen gegenüber von seinen Rechten als (Unter-)Vermieter Gebrauch zu machen, kann dahinstehen. Jedenfalls kommt der Grundsatz zum Tragen, dass das Verfahren insgesamt unterbrochen wird, wenn mehrere Ansprüche geltend gemacht werden, von denen nur ein Teil die Insolvenzmasse betrifft (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 1965 - Ia ZR 144/63, NJW 1966, 51; Teilurteil vom 1. Oktober 2009 - I ZR 94/07, NJW 2010, 2213 Rn. 20; Beschluss vom 10. Dezember 2014 - XII ZR 136/12, NZM 2015, 254 Rn. 15). Für eine Ausnahme von diesem Grundsatz, wie sie für den Anspruch auf Drittauskunft angenommen wird (BGH, Teilurteil vom 1. Oktober 2009 - I ZR 94/07, NJW 2010, 2213 Rn. 20), ist hier kein Raum. Eine Drittauskunft dient dazu, Rechte gegenüber Dritten vorzubereiten; sind diese am Insolvenzverfahren nicht beteiligt, liegt es auf der Hand, dass der Schutzzweck des § 240 ZPO eine Verfahrensunterbrechung nicht rechtfertigt. Die hier geltend gemachten Ansprüche betreffen dagegen sämtlich die Nutzung der von dem Insolvenzschuldner gemieteten Wohnung, deren Erträge die Insolvenzverwalterin zur Masse ziehen kann.
Kazele Hamdorf
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 03.06.2016 - 40 O 11108/14 -
OLG München, Entscheidung vom 18.11.2016 - 8 U 3112/16 -
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Im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei wird das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird. Entsprechendes gilt, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht.
(1) Miet- und Pachtverhältnisse des Schuldners über unbewegliche Gegenstände oder Räume sowie Dienstverhältnisse des Schuldners bestehen mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort. Dies gilt auch für Miet- und Pachtverhältnisse, die der Schuldner als Vermieter oder Verpächter eingegangen war und die sonstige Gegenstände betreffen, die einem Dritten, der ihre Anschaffung oder Herstellung finanziert hat, zur Sicherheit übertragen wurden.
(2) Ein vom Schuldner als Darlehensgeber eingegangenes Darlehensverhältnis besteht mit Wirkung für die Masse fort, soweit dem Darlehensnehmer der geschuldete Gegenstand zur Verfügung gestellt wurde.
(3) Ansprüche für die Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann der andere Teil nur als Insolvenzgläubiger geltend machen.
(1) Ist ein gegenseitiger Vertrag zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner und vom anderen Teil nicht oder nicht vollständig erfüllt, so kann der Insolvenzverwalter anstelle des Schuldners den Vertrag erfüllen und die Erfüllung vom anderen Teil verlangen.
(2) Lehnt der Verwalter die Erfüllung ab, so kann der andere Teil eine Forderung wegen der Nichterfüllung nur als Insolvenzgläubiger geltend machen. Fordert der andere Teil den Verwalter zur Ausübung seines Wahlrechts auf, so hat der Verwalter unverzüglich zu erklären, ob er die Erfüllung verlangen will. Unterläßt er dies, so kann er auf der Erfüllung nicht bestehen.
(1) Miet- und Pachtverhältnisse des Schuldners über unbewegliche Gegenstände oder Räume sowie Dienstverhältnisse des Schuldners bestehen mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort. Dies gilt auch für Miet- und Pachtverhältnisse, die der Schuldner als Vermieter oder Verpächter eingegangen war und die sonstige Gegenstände betreffen, die einem Dritten, der ihre Anschaffung oder Herstellung finanziert hat, zur Sicherheit übertragen wurden.
(2) Ein vom Schuldner als Darlehensgeber eingegangenes Darlehensverhältnis besteht mit Wirkung für die Masse fort, soweit dem Darlehensnehmer der geschuldete Gegenstand zur Verfügung gestellt wurde.
(3) Ansprüche für die Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann der andere Teil nur als Insolvenzgläubiger geltend machen.
(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.
Im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei wird das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird. Entsprechendes gilt, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht.