vorgehend
Amtsgericht Görlitz, XIV B 7/13, 11.02.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 69/13
vom
30. Oktober 2013
in der Abschiebungshaftsache
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. Oktober 2013 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richter Dr. Lemke und
Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Görlitz vom 6. Mai 2013 aufgehoben und festgestellt, dass der Vollzug der mit Beschluss des Amtsgerichts Görlitz vom 11. Februar 2013 angeordneten Freiheitsentziehung ab dem 11. Februar 2013 und der Verlängerungsbeschluss des Amtsgerichts Görlitz vom 8. März 2013 sie in ihren Rechten verletzt haben. Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Betroffenen werden in allen Instanzen der Bundesrepublik Deutschland auferlegt. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:

I.

1
Die Betroffene, eine russische Staatsangehörige, reiste am 9. Februar 2013 zusammen mit ihrem Ehemann aus Polen nach Deutschland ein. Die dafür notwendigen Papiere besaß sie nicht. Sie verfügte lediglich über eine am Vortag ausgestellte polnische Asylbewerberbescheinigung. Sie wurde in Görlitz vorläufig festgenommen. Bei einer EURODAC-Recherche stellte sich heraus, dass sie in Polen einen Asylantrag gestellt hatte. Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht nach Anordnung der vorläufigen Freiheitsentziehung mit Beschluss vom 11. Februar 2013 Sicherungshaft zum Zweck der Zurückschiebung bis zum 10. März 2013 angeordnet. Mit Beschluss vom 8. März 2013 hat es die Haft bis zum 14. März 2013 verlängert.
2
Die gegen die Haftanordnung und den Verlängerungsbeschluss gerichteten Beschwerden der Betroffenen, mit denen sie nach ihrer Zurückschiebung nach Polen am 14. März 2013 die Feststellung der Rechtswidrigkeit beantragt hat, hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt sie ihren Feststellungsantrag weiter.

II.

3
Nach Ansicht des Beschwerdegerichts lagen die Voraussetzungen für die Anordnung von Sicherungshaft und deren Verlängerung vor.

III.

4
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
5
1. Zwar ist die Betroffene nicht bereits durch die Haftanordnung vom 11. Februar 2013 in ihren Rechten verletzt worden. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde lag ein zulässiger Haftantrag nach § 417 FamFG vor; insbesondere enthält er hinreichende, prüffähige Angaben zum Vorliegen der Zustimmung der Staatsanwaltschaft. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die konsularische Vertretung des Heimatlandes der Betroffenen entgegen Art. 36 Abs. 1 Buchst. b WÜK von deren Inhaftierung nicht unverzüglich informiert worden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 30. Oktober 2013 - V ZB 70/13, zur Veröff. best.).
6
2. Der Fortbestand der angeordneten Freiheitsentziehungsmaßnahme ist aber noch am selben Tag rechtswidrig geworden, da das Amtsgericht den sich im unmittelbaren Anschluss an die Haftanordnung ergebenden Hinweisen für eine mögliche Haftunfähigkeit der Betroffenen nicht nachgegangen ist.
7
Nach § 426 Abs. 1 Satz 1 FamFG ist der Beschluss, durch den eine Freiheitsentziehung angeordnet wird, von Amts wegen aufzuheben, wenn der Grund für die Freiheitsentziehung weggefallen ist. Ergeben sich nach Anordnung der Haft für das Gericht hinreichende Anhaltspunkte, dass die Voraussetzungen der Freiheitsentziehung möglicherweise nicht mehr vorliegen, hat es im Hinblick auf § 426 FamFG gemäß § 26 FamFG den Sachverhalt aufzuklären (vgl. Keidel/Budde, FamFG, 17. Aufl., § 426 Rn. 8). Unterlässt es das Gericht, in die gebotene Sachaufklärung einzutreten, verletzt die weitere Freiheitsentziehung den Betroffenen in seinem Freiheitsgrundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. Die Aufklärungspflicht erstreckt sich auch auf die Frage der Haftfähigkeit des Betroffenen, wenn hinreichend konkrete Anhaltspunkte für eine mögliche Haftunfähigkeit vorliegen. Denn die Inhaftierung oder Aufrechterhaltung der Haft eines erkennbar haftunfähigen Betroffenen ist rechtswidrig (Senat, Beschluss vom 12. Mai 2011 - V ZB 299/10, juris Rn. 8).
8
Vor diesem Hintergrund hätte das Amtsgericht prüfen müssen, ob die Haftanordnung gemäß § 426 Abs. 1 Satz 1 FamFG wieder aufzuheben ist. Denn in direktem zeitlichem Anschluss an deren Erlass ergaben sich hier hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Betroffene möglicherweise nicht haftfähig ist und damit die Voraussetzungen für eine Freiheitsentziehung nicht vorlagen. Ihr Ehemann, der unmittelbar nach Erlass der Haftanordnung in einem Parallelverfahren von demselben Haftrichter angehört wurde, gab als Grund für die gemeinsame Einreise an, dass seine Frau sterbenskrank sei und ihr in Frankreich lebender Sohn sie abgeholt habe, um sie in Europa operieren zu lassen. Dieser Hinweis hätte das Amtsgericht veranlassen müssen, der Frage der Haftfähigkeit der Betroffenen nachzugehen.
9
3. Aufgrund dieser Verletzung der Amtsermittlungspflicht ist der Beschluss vom 8. März 2013 über die Verlängerung der Abschiebungshaft ebenfalls rechtswidrig. Hier hätte der Richter zudem weiteren Anlass für eine Aufklärung der Haftfähigkeit der Betroffenen gehabt, da er unmittelbar vor der Anordnung der Haftverlängerung von dem Ehemann der Betroffenen - im Rahmen des Parallelverfahrens - erneut auf eine bestehende Krebserkrankung seiner Ehefrau hingewiesen worden war.

IV.

10
Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1, § 83 Abs. 2, § 430 FamFG, § 128c Abs. 3 Satz 2 KostO, Art. 5 EMRK. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 128 Abs. 3 Satz 2, § 30 Abs. 2 KostO. Stresemann Lemke Schmidt-Räntsch Brückner Weinland
Vorinstanzen:
AG Görlitz, Entscheidungen vom 11.02.2013 und 08.03.2013- XIV B 7/13 -
LG Görlitz, Entscheidung vom 06.05.2013 - 2 T 26/13 -

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Okt. 2013 - V ZB 69/13

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Okt. 2013 - V ZB 69/13

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Okt. 2013 - V ZB 69/13 zitiert 9 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 81 Grundsatz der Kostenpflicht


(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 417 Antrag


(1) Die Freiheitsentziehung darf das Gericht nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen. (2) Der Antrag ist zu begründen. Die Begründung hat folgende Tatsachen zu enthalten:1.die Identität des Betroffenen,2.den gewöhnlichen Aufent

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 26 Ermittlung von Amts wegen


Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 83 Kostenpflicht bei Vergleich, Erledigung und Rücknahme


(1) Wird das Verfahren durch Vergleich erledigt und haben die Beteiligten keine Bestimmung über die Kosten getroffen, fallen die Gerichtskosten jedem Teil zu gleichen Teilen zur Last. Die außergerichtlichen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst. (

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 430 Auslagenersatz


Wird ein Antrag der Verwaltungsbehörde auf Freiheitsentziehung abgelehnt oder zurückgenommen und hat das Verfahren ergeben, dass ein begründeter Anlass zur Stellung des Antrags nicht vorlag, hat das Gericht die Auslagen des Betroffenen, soweit sie zu

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 426 Aufhebung


(1) Der Beschluss, durch den eine Freiheitsentziehung angeordnet wird, ist vor Ablauf der nach § 425 Abs. 1 festgesetzten Frist von Amts wegen aufzuheben, wenn der Grund für die Freiheitsentziehung weggefallen ist. Vor der Aufhebung hat das Gericht d

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Okt. 2013 - V ZB 69/13 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Okt. 2013 - V ZB 69/13 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Mai 2011 - V ZB 299/10

bei uns veröffentlicht am 12.05.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 299/10 vom 12. Mai 2011 in der Abschiebungshaftsache Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Mai 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Prof. Dr. Schmidt-

Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Okt. 2013 - V ZB 70/13

bei uns veröffentlicht am 30.10.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 70/13 vom 30. Oktober 2013 in der Abschiebungshaftsache Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. Oktober 2013 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richter Dr. Lemke und Prof. Dr..
5 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Okt. 2013 - V ZB 69/13.

Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Apr. 2016 - V ZB 112/15

bei uns veröffentlicht am 14.04.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 112/15 vom 14. April 2016 in der Abschiebungshaftsache ECLI:DE:BGH:2016:140416BVZB112.15.0 Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. April 2016 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richter

Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 14. Jan. 2014 - 4 U 112/13

bei uns veröffentlicht am 14.01.2014

Gründe I. Die klagende Rechtsanwältin mit den Tätigkeitsschwerpunkten „Ausländer- und Asylrecht“ macht aus abgetretenem Recht einer ausländischen Staatsangehörigen (im folgenden: Betroffene oder Mandantin) gegen den

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Sept. 2017 - V ZB 180/16

bei uns veröffentlicht am 20.09.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 180/16 vom 20. September 2017 in der Abschiebungshaftsache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja FamFG § 426 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Im Haftaufhebungsverfahren darf sich das Gericht nicht au

Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Juni 2017 - V ZB 39/17

bei uns veröffentlicht am 01.06.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 39/17 vom 1. Juni 2017 in der Abschiebungshaftsache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja FamFG § 426 a) Der Haftaufhebungsantrag gemäß § 426 Abs. 1 FamFG kann nicht nur auf neue Umstän

Referenzen

(1) Die Freiheitsentziehung darf das Gericht nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen.

(2) Der Antrag ist zu begründen. Die Begründung hat folgende Tatsachen zu enthalten:

1.
die Identität des Betroffenen,
2.
den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betroffenen,
3.
die Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung,
4.
die erforderliche Dauer der Freiheitsentziehung sowie
5.
in Verfahren der Abschiebungs-, Zurückschiebungs- und Zurückweisungshaft die Verlassenspflicht des Betroffenen sowie die Voraussetzungen und die Durchführbarkeit der Abschiebung, Zurückschiebung und Zurückweisung.
Die Behörde soll in Verfahren der Abschiebungshaft mit der Antragstellung die Akte des Betroffenen vorlegen.

(3) Tatsachen nach Absatz 2 Satz 2 können bis zum Ende der letzten Tatsacheninstanz ergänzt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 70/13
vom
30. Oktober 2013
in der Abschiebungshaftsache
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. Oktober 2013 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richter Dr. Lemke und
Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Görlitz vom 6. Mai 2013 wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:

I.

1
Der Betroffene, ein russischer Staatsangehöriger, reiste zusammen mit seiner Ehefrau am 9. Februar 2013 aus Polen nach Deutschland ein. Die dafür notwendigen Papiere besaß er nicht. Er verfügte lediglich über eine am Vortag ausgestellte polnische Asylbewerberbescheinigung. Er wurde in Görlitz vorläufig festgenommen. Bei einer EURODAC-Recherche stellte sich heraus, dass er in Polen einen Asylantrag gestellt hatte. Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht nach Anordnung der vorläufigen Freiheitsentziehung mit Beschluss vom 11. Februar 2013 Sicherungshaft zum Zweck der Zurückschiebung bis zum 10. März 2013 angeordnet. Mit Beschluss vom 8. März 2013 hat es die Haft bis zum 14. März 2013 verlängert.
2
Die gegen die Haftanordnung und den Verlängerungsbeschluss gerichteten Beschwerden des Betroffenen, mit denen er nach seiner Zurückschiebung nach Polen am 14. März 2013 die Feststellung der Rechtswidrigkeit beantragt hat, hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt er seinen Feststellungsantrag weiter.

II.

3
Nach Ansicht des Beschwerdegerichts lagen die Voraussetzungen für die Anordnung von Sicherungshaft und deren Verlängerung vor.

III.

4
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
5
1. Es lag ein zulässiger Haftantrag nach § 417 FamFG vor. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde enthält er hinreichende Angaben zum Vorliegen der Zustimmung der Staatsanwaltschaft.
6
Zu den in dem Haftantrag darzulegenden Abschiebungsvoraussetzungen gehört das nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG erforderliche Einvernehmen der Staatsanwaltschaft, wenn sich - wie hier - aus dem Haftantrag oder den ihm beigefügten Unterlagen ergibt, dass gegen den Betroffenen ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren anhängig ist (Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 226/10, FGPrax 2011, 144 Rn. 9). Erforderlich ist das Einvernehmen auch bei einer Zurückschiebung (Senat, Beschluss vom 24. Februar 2011 - V ZB 202/10, FGPrax 2011, 146, 147 Rn. 17-21). Darzulegen ist das Einvernehmen auch dann, wenn die Staatsanwaltschaft ihr Einvernehmen generell erteilt hat, und dies dem Gericht bekannt ist (Senat, Beschlüsse vom 7. Juni 2011 - V ZB 44/11, juris Rn. 10 und vom 13. Oktober 2011 - V ZB 126/11, juris Rn. 6). Die Angabe zu dem Einvernehmen der Staatsanwaltschaft soll den Betroffenen darüber informieren, woraus die antragstellende Behörde die Zustimmung der Staatsanwaltschaft entnimmt, und ihm die Prüfung ermöglichen, ob das Einvernehmen tatsächlich generell erteilt worden ist und auch seinen Fall erfasst (Senat, Beschluss vom 31. Mai 2012 - V ZB 167/11, NJW 2012, 2448 Rn. 8). Das ist bei einem generell erteilten Einvernehmen etwa dadurch zu erreichen, dass das Datum und das Aktenzeichen angegeben werden, unter welchem die Staatsanwaltschaft das Einverständnis erteilt haben soll.
7
Diesem Erfordernis hat die beteiligte Behörde entsprochen. Sie hat im Haftantrag mitgeteilt, dass die Generalstaatsanwaltschaft ihr Einvernehmen zur Durchführung der aufenthaltsbeendenden Maßnahmen generell für Fälle erteilt habe, in denen ein Ermittlungsverfahren bei einem einfach gelagerten Sachver- halt eingeleitet worden ist. Zwar hat sie mit der Angabe „BPOLD P. , SB 14 - 10 00 05 vom 28.11.2011 (Sachsen)“ nicht das Aktenzeichen der Staatsanwaltschaft mitgeteilt, sondern ihr behördeninternes Aktenzeichen und Datum, unter dem die Zustimmung geführt wird. Zu Recht nimmt das Beschwerdegericht aber an, dass die Angaben der beteiligten Behörde prüffähig sind und es dem Betroffenen ohne weiteres ermöglichen, das entsprechende Schreiben der Staatsanwaltschaft aufzufinden.
8
2. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde leidet das Verfahren nicht daran, dass es an einer unverzüglichen Unterrichtung der konsularischen Vertretung des Heimatstaates des Betroffenen über dessen Inhaftierung fehlte.
9
a) Nach Art. 36 Abs. 1 Buchst. b des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen, dem Polen beigetreten ist (BGBl. II 1981, S. 1079), sind die konsularischen Vertretungen des Heimatstaates eines Betroffenen auf Verlangen unverzüglich von dessen Inhaftierung zu unterrichten (Satz 1); auf dieses Recht ist er unverzüglich hinzuweisen (Satz 3). Das Gericht hat deshalb neben der Belehrung des Betroffenen sicherzustellen, dass eine von diesem verlangte Unterrichtung der konsularischen Vertretung unverzüglich erfolgt. Da es sich bei den Rechten aus dem Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen um Verfahrensgarantien handelt, muss deren Beachtung für die Rechtsmittelinstanzen nachvollziehbar sein und daher aktenkundig gemacht werden. Die Belehrung des Betroffenen, seine Reaktion hierauf und die unverzügliche Unterrichtung der konsularischen Vertretung (sofern verlangt) sind zu dokumentieren. Unterbleibt dies, kann nicht festgestellt werden, dass die Verfahrensgarantien des Wiener Übereinkommens gewahrt worden sind; dies wirkt zugunsten des Betroffenen (Senat, Beschluss vom 18. November 2010 - V ZB 165/10, FGPrax 2011, 99).
10
b) Wie sich aus dem in den Anhörungsprotokollen enthaltenen Vermerk „Dem Betroffenen wird mitgeteilt, dass aufgrund internationaler Abkommen die konsularische Vertretung des Heimatlandes in Deutschland automatisch von der Inhaftierung benachrichtigt wird“ ergibt, verkennt das Amtsgericht zwar, dass nach Art. 36 Abs. 1 Buchst. b WÜK die konsularische Vertretung nur auf Verlangen des Betroffenen zu unterrichten ist. Dies ist aber schon deshalb unschädlich , weil der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde beanstandet, dass die Vertretung seines Heimatlandes nicht unverzüglich von seiner Inhaftierung informiert worden sei, die Benachrichtigung als solche also seinem Willen entsprach.
11
Soweit die Beschwerde eine Verletzung von Art. 36 Abs. 1 Buchst. b WÜK darin sieht, dass es an einer unverzüglichen Benachrichtigung fehle, greift die Rüge nicht durch. Der in den Protokollen enthaltene Vermerk über die Benachrichtigung der konsularischen Vertretung ist mit einem Häkchen und dem handschriftlichen Kürzel „erl.“ versehen. Zwar trägt der Erledigungsvermerk kein Datum. Das allein trägt aber nicht die Annahme, dass die richterliche Verfügung nicht unverzüglich ausgeführt wurde. Besondere Umstände, die den Schluss auf eine verzögerte Erledigung rechtfertigten, trägt die Beschwerde nicht vor und sind auch sonst nicht ersichtlich.

IV.

12
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 128c Abs. 2 KostO i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO. Stresemann Lemke Schmidt-Räntsch Brückner Weinland
Vorinstanzen:
AG Görlitz, Entscheidungen vom 11.02.2013 und 08.03.2013 - XIV B 8/13 -
LG Görlitz, Entscheidung vom 06.05.2013 - 2 T 27/13 -

(1) Der Beschluss, durch den eine Freiheitsentziehung angeordnet wird, ist vor Ablauf der nach § 425 Abs. 1 festgesetzten Frist von Amts wegen aufzuheben, wenn der Grund für die Freiheitsentziehung weggefallen ist. Vor der Aufhebung hat das Gericht die zuständige Verwaltungsbehörde anzuhören.

(2) Die Beteiligten können die Aufhebung der Freiheitsentziehung beantragen. Das Gericht entscheidet über den Antrag durch Beschluss.

Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

8
1. Der Haftanordnung stand zwar nicht eine Haftunfähigkeit des Betroffenen entgegen. Rechtswidrig wird die Inhaftierung oder die Aufrechterhaltung der Haft erst dann, wenn die Haftunfähigkeit erkennbar ist (OLG München, OLGR 2009, 601, 602). Anhaltspunkte dafür, dass eine eventuelle Haftunfähigkeit des Betroffenen erkennbar gewesen wäre, liegen nicht vor. Bedenken gegen die Haftfähigkeit des Betroffenen hat sein Bevollmächtigter erstmals zwei Wochen nach dessen Abschiebung geäußert.

(1) Der Beschluss, durch den eine Freiheitsentziehung angeordnet wird, ist vor Ablauf der nach § 425 Abs. 1 festgesetzten Frist von Amts wegen aufzuheben, wenn der Grund für die Freiheitsentziehung weggefallen ist. Vor der Aufhebung hat das Gericht die zuständige Verwaltungsbehörde anzuhören.

(2) Die Beteiligten können die Aufhebung der Freiheitsentziehung beantragen. Das Gericht entscheidet über den Antrag durch Beschluss.

(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn

1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat;
2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste;
3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat;
4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat;
5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.

(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.

(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.

(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.

(1) Wird das Verfahren durch Vergleich erledigt und haben die Beteiligten keine Bestimmung über die Kosten getroffen, fallen die Gerichtskosten jedem Teil zu gleichen Teilen zur Last. Die außergerichtlichen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst.

(2) Ist das Verfahren auf sonstige Weise erledigt oder wird der Antrag zurückgenommen, gilt § 81 entsprechend.

Wird ein Antrag der Verwaltungsbehörde auf Freiheitsentziehung abgelehnt oder zurückgenommen und hat das Verfahren ergeben, dass ein begründeter Anlass zur Stellung des Antrags nicht vorlag, hat das Gericht die Auslagen des Betroffenen, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, der Körperschaft aufzuerlegen, der die Verwaltungsbehörde angehört.