Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Dez. 2018 - StB 52/18

bei uns veröffentlicht am18.12.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
StB 52/18
vom
18. Dezember 2018
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
––––––––––––––––––––––––––
Der Strafklageverbrauch aufgrund einer früheren Verurteilung wegen mitgliedschaftlicher
Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung erstreckt sich nur
dann auf mitgliedschaftliche Beteiligungsakte, durch die weitere Straftatbestände
verwirklicht wurden, wenn diese in dem früheren Verfahren tatsächlich Ge-
genstand der Anklage und Urteilsfindung waren.
Ohne Bedeutung ist dabei, ob sie in dem früheren Verfahren rechtlich als mitgliedschaftlicher
Beteiligungsakt gewertet wurden oder ob die noch abzuurteilende
Tat mit Blick auf die Strafdrohung schwerer wiegt, als die bereits abgeurteilten
Delikte (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 11. Juni 1980 - 3 StR 9/80,
BGHSt 29, 288, 292 ff.).
BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2018 - StB 52/18 - OLG Düsseldorf
in dem Strafverfahren
gegen
wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:181218BSTB52.18.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Dezember 2018 gemäß § 210 Abs. 2, § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 2, Abs. 5 StPO beschlossen:
I. Auf die sofortige Beschwerde des Generalbundesanwalts wird 1. der Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 10. Oktober 2018 aufgehoben, soweit das Oberlandesgericht die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt hat; 2. das Hauptverfahren eröffnet und die Anklage des Generalbundesanwalts vom 6. Juli 2018 zur Hauptverhandlung vor dem Oberlandesgerichts Düsseldorf zugelassen. II. Auf die Beschwerde des Generalbundesanwalts wird der Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 10. Oktober 2018 aufgehoben, soweit das Oberlandesgericht den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 23. März 2018 gegen den Angeklagten (2 BGs 189/18) aufgehoben hat.

Gründe:


1
Der Generalbundesanwalt hat den Angeklagten mit der zum Oberlandesgericht Düsseldorf erhobenen Anklage vorgeworfen, in drei rechtlich selbständigen Fällen jeweils durch dieselbe Handlung sich als Mitglied an einer ter- roristischen Vereinigung im Ausland beteiligt zu haben, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Mord (§ 211 StGB), Totschlag (§ 212 StGB) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 VStGB) zu begehen, aus niedrigen Beweggründen grausam einen Menschen getötet zu haben sowie im Zusammenhang mit einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützenden Person getötet und grausam und unmenschlich behandelt zu haben, indem er ihr erhebliche körperliche und seelische Schäden zugefügt, insbesondere sie gefoltert und dadurch den Tod des Opfers verursacht habe.
2
In einem vorangegangenen Verfahren war der Angeklagte aufgrund der Anklage des Generalbundesanwalts vom 2. September 2015 (2 StE 12/15-9) durch Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 4. März 2016 (III-6 StS 5/15) wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt worden, die er derzeit verbüßt.
3
Das Oberlandesgericht hat in dieser Sache mit Beschluss vom 10. Oktober 2018 die Eröffnung des Hauptverfahrens aus Rechtsgründen abgelehnt, die Anklage nicht zur Hauptverhandlung zugelassen und zugleich den gegen den Angeklagten bestehenden Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs aufgehoben. Es hat die Auffassung vertreten, der Durchführung der Hauptverhandlung stehe mit Blick auf das vorangegangene Verfahren das Verbot der Doppelbestrafung aus Art. 103 Abs. 3 GG entgegen. Dagegen wendet sich der Generalbundesanwalt mit seiner sofortigen Beschwerde betreffend die Nichteröffnung des Verfahrens. Im Übrigen beantragt er festzustellen, dass der Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 23. März 2018 (2 BGs 189/18) aus den Gründen seines Erlasses fortbestehe. Die sofortige Beschwerde und die in dem Antrag betreffend den Fortbestand des Haftbefehls zu sehende einfache Beschwerde haben Erfolg.

I.


4
1. Mit der Anklageschrift vom 6. Juli 2018 ist dem Angeklagten Folgendes zur Last gelegt worden:
5
a) Im Zeitraum von Mitte Oktober 2013 bis Anfang November 2014 hielt er sich in Syrien auf und schloss sich dort der terroristischen Vereinigung "Islamischer Staat im Irak und Großsyrien" (im Folgenden: ISIG) an, die sich im Juni 2014 in "Islamischer Staat" (im Folgenden: IS) umbenannte. In der Folgezeit beteiligte er sich als Mitglied der Vereinigung, indem er sich deren Befehlsgewalt unterstellte, sich in die Organisation eingliederte und ihre Ziele und Zwecke förderte.
6
In seiner Eigenschaft als Mitglied des IS gehörte er im Zeitraum zwischen Ende Juli und Anfang November 2014 zu einer Gruppe von sieben bis acht Personen, die in einem IS-Gefängnis in Manbij regelmäßig aus der radikalislamistischen Überzeugung heraus, zur Folterung und Tötung von Gegnern des IS berechtigt zu sein, Gefangene folterte. Ziel der Folterungen, bei denen der Tod der Opfer in Kauf genommen wurde, war es, die wehrlosen Gefangenen zu Geständnissen von Handlungen zu veranlassen, die ihnen der IS vorwarf ; anschließend sollten sie wegen dieser Handlungen bestraft werden, um den Machtanspruch des IS in Syrien sichtbar durchzusetzen.
7
Die Folter wurde nach der Methode "Balango" durchgeführt, bei der den Gefangenen die Hände auf dem Rücken gefesselt und sie dann im Verhörzimmer des Gefängnisses an den Armen mittels an der Decke befestigter Haken oder Stangen aufgehängt wurden. Anschließend schlugen die Peiniger die Gefangenen mit Holzknüppeln auf alle Bereiche des Körpers, wodurch die Opfer schlimmste Verletzungen erlitten und vor Schmerz sowie aus Verzweiflung schrien. Währenddessen mussten weitere Gefangene in kleinen Einzelzellen in dem Verhörzimmer auf ihre Folterung warten und wurden Zeugen der Misshandlungen der anderen. Die Folterungen dauerten im Einzelfall bis zu sieben Stunden. Wenn ein Gefangener überlebte und ein Geständnis ablegte, wurde er in die Zelle zurückgebracht; die so traktierten Gefangenen waren im Alter zwischen 13 und 80 Jahren.
8
Im Tatzeitraum folterte der Angeklagte nach der beschriebenen Methode gemeinsam mit zwei anderen, namentlich nicht bekannten IS-Mitgliedern zu unterschiedlichen, nicht näher bestimmbaren Zeitpunkten mindestens drei nicht näher identifizierbare Gefangene, bei denen es sich entweder um Angehörige der "Freien Syrischen Armee" (im Folgenden: FSA) oder um Zivilisten handelte. Die drei Gefangenen verstarben infolge der Folter, was der Angeklagte zumindest billigend in Kauf nahm. Die Leichen wurden in Säcke verpackt und aus dem Gefängnis an einen unbekannten Ort gebracht.
9
b) Der Generalbundesanwalt hat diesen Sachverhalt in der Anklageschrift als drei tatmehrheitliche Fälle der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland gewürdigt, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB), Totschlag (§ 212 StGB) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 VStGB) zu begehen (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129 Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB), jeweils in Tateinheit mit Mord in Form einer aus niedrigen Beweggründen und grausam durchgeführten Tötung eines Menschen (§ 211 StGB) und mit der Tötung und grausamen und unmenschlichen Behandlung einer im Zusammenhang mit einem nichtinternationalen bewaffneten Kon- flikt nach dem humanitären Völkerrecht zu schützenden Person, der erhebliche körperliche und seelische Schäden zugefügt wurden, insbesondere indem sie gefoltert und dadurch der Tod des Opfers verursacht wurde (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3, Abs. 4 Satz 1, Abs. 6 Nr. 2 VStGB).
10
2. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat mit dem angefochtenen Beschluss die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt, weil hinsichtlich der nunmehr erhobenen Vorwürfe die Strafklage verbraucht sei. Die Anklage erfülle zudem nicht die Anforderungen an eine ausreichende Konkretisierung, weil sich das zugrundeliegende historische Ereignis nicht dergestalt umgrenzen lasse, dass es sich von anderen strafbaren Handlungen des Angeklagten hinreichend unterscheide.
11
a) Es könne - was zur Begründung eines Verfahrenshindernisses ausreichend sei - nicht ausgeschlossen werden, dass die dem Angeklagten nunmehr zur Last gelegten Taten bereits auf der Grundlage der Anklageschrift des Generalbundesanwalts vom 2. September 2015 (2 StE 12/15-9) Gegenstand des Urteils des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 4. März 2016 (III-6 StS 5/15) gewesen seien, weil es sich - nicht ausschließbar - um dieselbe prozessuale Tat handele, die bereits Gegenstand des vorangegangenen Strafverfahrens gewesen sei. Dabei sei auf den historischen Vorgang abzustellen, der Gegenstand des früheren Verfahrens gewesen sei, wobei es im Bereich der mitgliedschaftlichen Organisationsdelikte genüge, wenn der Verfolgungswille der Staatsanwaltschaft in dem früheren Verfahren einen Tatkomplex zumindest unter dem Gesichtspunkt der mitgliedschaftlichen Beteiligung mitumfasst habe. So verhalte es sich hier, weil die vom nunmehrigen Anklagevorwurf umfassten Handlungen zeitlich, örtlich und motivatorisch untrennbar mit dem Gegenstand der Anklage des Generalbundesanwalts vom 2. September 2015 und dem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 4. März 2016 verbunden seien.
12
b) Die Taten seien nicht hinreichend konkretisiert, weil dem Angeklagten zur Last gelegt werde, in dem Tatzeitraum regelmäßig gefoltert zu haben, so dass es nahe liege, dass der Angeklagte auch an weiteren Folterungen mit Todesfolge beteiligt gewesen sei. Die Beschreibung der Opfer sei ebenfalls nicht geeignet, diese zu individualisieren. Zudem bleibe offen, ob diese während oder nach den Misshandlungen gestorben seien; auch die Identität der Mittäter sei nicht bekannt. Angesichts der schwierigen Beweislage hätten die Vorwürfe näher konkretisiert werden müssen, um eine unangemessene Beschränkung der Verteidigung zu verhindern.

II.


13
Die gemäß § 210 Abs. 2, § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 2 StPO statthafte sofortige Beschwerde des Generalbundesanwalts führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, soweit das Oberlandesgericht die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt hat, sowie zur Eröffnung des Hauptverfahrens und zur Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf. Die Voraussetzungen für die Eröffnung des Hauptverfahrens liegen vor. Im Einzelnen:
14
1. Gemäß § 203 StPO beschließt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens , wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig ist. Ein hinreichender Tatverdacht ist zu bejahen, wenn bei vorläufiger Tatbewertung auf Grundlage des Ermittlungsergebnisses die Verurteilung in einer Hauptverhandlung mit vollgültigen Beweismitteln wahrscheinlich ist (BGH, Beschluss vom 22. April 2003 - StB 3/03, BGHR StPO § 210 Abs. 2 Prüfungsmaßstab 2 mwN). Die Prüfung des hinreichenden Tatverdachts nötigt darüber hinaus zur positiven Feststellung des Vorliegens der Prozessvoraussetzungen sowie des Fehlens von Prozesshindernissen (KK-Schneider, StPO, 7. Aufl., § 203 Rn. 9).
15
Der Bundesgerichtshof beschließt als Beschwerdegericht in der Sache selbst über die Eröffnung. Dabei hat er das in dem Nichteröffnungsbeschluss liegende (negative) Wahrscheinlichkeitsurteil eines Oberlandesgerichts und dessen rechtliche Bewertung in vollem Umfang nachzuprüfen und die Voraussetzungen der Eröffnung selbständig zu würdigen (BGH, Beschluss vom 26. März 2009 - StB 20/08, BGHSt 53, 238, 243).
16
2. Nach diesen Maßstäben gilt Folgendes:
17
a) Der hinreichende Tatverdacht hinsichtlich der dem Angeklagten zur Last gelegten Taten ergibt sich - was auch das Oberlandesgericht nicht bezweifelt hat - aus den im wesentlichen Ergebnis der Anklageschrift vom 6. Juli 2018 aufgeführten Beweismitteln, insbesondere aus den Bekundungen des im Wege der Rechtshilfe vernommenen Zeugen E. , der den Angeklagten im Sinne des Anklagevorwurfs belastet hat. Die Einschätzung des Oberlandesgerichts , es handele sich um eine "schwierige" Beweislage, weil der Zeuge das weitgehend einzige den Angeklagten belastende Beweismittel darstelle, führt zu keiner anderen Bewertung: Der hinreichende Tatverdacht setzt lediglich eine gewisse Wahrscheinlichkeit der Verurteilung voraus. Auch in Fällen, in denen zunächst - nicht unüberwindbar erscheinende - Zweifel verbleiben, kommt die Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens regelmäßig nicht in Betracht, weil zur Klärung eben dieser Zweifel die überlegenen Erkenntnismittel der Hauptverhandlung heranzuziehen sind; die nicht aufgrund öffentlicher Verhandlung ergehende und nicht auf einer unmittelbaren Beweisgewinnung beruhende Eröffnungsentscheidung soll erkennbar aussichtslose Fälle herausfiltern, ansonsten aber der Hauptverhandlung nicht vorgreifen (BGH, Beschluss vom 19. Januar 2010 - StB 27/09, BGHSt 54, 275, 288 f. mwN).
18
b) Auf der Grundlage des dem Angeklagten zur Last gelegten Sachverhalts ist im Einklang mit der rechtlichen Würdigung in der Anklageschrift in rechtlicher Hinsicht auch der hinreichende Tatverdacht gegeben, der Angeklagte habe sich in drei tatmehrheitlichen Fällen an einer terroristischen Vereinigung im Ausland als Mitglied beteiligt und tateinheitlich dazu jeweils einen Menschen ermordet und ein Kriegsverbrechen nach § 8 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 3, Abs. 4 Satz 1, Abs. 6 Nr. 2 VStGB begangen. Nach der neueren Rechtsprechung des Senats zur konkurrenzrechtlichen Beurteilung von mitgliedschaftlichen Beteiligungshandlungen im Sinne von §§ 129, 129a StGB, die zugleich den Tatbestand einer anderen Strafvorschrift erfüllen, handelt es sich materiellrechtlich um Taten , die - soweit sich nach allgemeinen Grundsätzen nichts anderes ergibt - sowohl untereinander als auch zu der Gesamtheit der sonstigen mitgliedschaftlichen Beteiligungsakte in Tatmehrheit im Sinne von § 53 Abs. 1 StGB stehen (BGH, Beschluss vom 9. Juli 2015 - 3 StR 537/14, BGHSt 60, 308, 311 f.).
19
c) Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts steht der Durchführung des weiteren Verfahrens auch nicht das Prozesshindernis des Strafklageverbrauchs entgegen.
20
aa) Nach Abschluss eines Verfahrens wird der Umfang der materiellen Rechtskraft und damit die Reichweite des Strafklageverbrauchs dadurch bestimmt , welche Tat im prozessrechtlichen Sinn gemäß § 264 Abs. 1 StPO Gegenstand des Prozesses und der Aburteilung war; das in Art. 103 Abs. 3 GG verankerte Verbot der Doppelbestrafung geht vom gleichen prozessualen Tatbegriff aus (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 2013 - 3 StR 531/12, BGHSt 59, 120, 124 mwN; MüKoStPO/Norouzi, § 264 Rn. 3). Nach ständiger Rechtsprechung bezeichnet die Tat im prozessrechtlichen Sinne den geschichtlichen sowie den damit zeitlich und sachverhaltlich begrenzten Vorgang, auf den Anklage und Eröffnungsbeschluss hinweisen und innerhalb dessen der Angeklagte als Täter oder Teilnehmer einen Straftatbestand verwirklicht haben soll (BGH, Urteil vom 12. Dezember 2013 - 3 StR 531/12, BGHSt 59, 120, 124). Den Rahmen bildet also zunächst das tatsächliche Geschehen, wie es die Anklage beschreibt. Umfasst werden aber auch alle damit zusammenhängenden und darauf bezüglichen Vorkommnisse und tatsächlichen Umstände, die nach der Auffassung des Lebens eine natürliche Einheit bilden (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 18. Oktober 1995 - 3 StR 324/94, BGHSt 41, 292, 297 f. mwN) und die in ihren Einzelgeschehnissen, aus denen sie sich zusammensetzen, so eng verknüpft sind, dass eine getrennte Aburteilung zu einer Aufspaltung eines zusammengehörenden Geschehens führen würde (BGH, Urteil vom 30. März 2001 - 3 StR 342/00, NStZ 2001, 436, 437 mwN).
21
Ist danach zwar in erster Linie auf tatsächliche Umstände abzustellen, stehen der materiellrechtliche und der prozessuale Tatbegriff gleichwohl nicht völlig beziehungslos nebeneinander. Vielmehr stellt ein durch den Rechtsbegriff der Tateinheit nach § 52 StGB zusammengefasster Sachverhalt in der Regel auch verfahrensrechtlich eine einheitliche prozessuale Tat dar. Umgekehrt liegen im Falle sachlichrechtlicher Tatmehrheit nach § 53 StGB grundsätzlich auch mehrere Taten im prozessualen Sinne vor (vgl. im Einzelnen BGH, Beschluss vom 5. März 2009 - 3 StR 566/08, BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität

47).


22
Dies gilt indes wiederum nicht uneingeschränkt; vielmehr sind die Besonderheiten der abgeurteilten Delikte ebenso in den Blick zu nehmen, wie der Umstand, dass bei einem weiten Verständnis des prozessualen Tatbegriffs die Kognitionspflicht des zuerst entscheidenden Tatgerichts ausgedehnt und damit dessen Leistungsfähigkeit möglicherweise überschritten wird (BGH, Urteil vom 12. Dezember 2013 - 3 StR 531/12, BGHSt 59, 120, 124 f.). So waren schon nach der früheren Rechtsprechung zum Konkurrenzverhältnis von mitgliedschaftlichen Beteiligungsakten und damit tateinheitlich verwirklichter weiterer Straftatbestände von einer Verurteilung wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung (§§ 129, 129a StGB) trotz materiellrechtlicher Tateinheit diejenigen vom Täter begangenen konkreten Straftaten nicht erfasst, die in dem früheren Verfahren tatsächlich nicht - auch nicht als mitgliedschaftlicher Beteiligungsakt - Gegenstand der Anklage und Urteilsfindung waren, sofern sie mit Blick auf ihre Strafdrohung schwerer wogen als die abgeurteilten Delikte (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 1980 - 3 StR 9/80, BGHSt 29, 288, 292 ff.; Beschluss vom 4. September 2009 - StB 44/09, NStZ 2010, 287, 288). Da nach neuerer Rechtsprechung in diesen Fällen - wie dargelegt - materiellrechtlich von Tatmehrheit auszugehen ist, spielt die Schwere des Delikts nun keine Rolle mehr. Als sachlichrechtlich selbständige Taten erstreckt sich ein etwaiger Strafklageverbrauch nur noch auf sie, wenn sie in dem früheren Verfahren tatsächlich Gegenstand der Anklage und Urteilsfindung waren, ohne dass es entscheidend darauf ankommt, ob sie auch rechtlich als mitgliedschaftlicher Beteiligungsakt gewertet wurden (vgl. in diesem Sinne auch schon BGH, Urteil vom 11. Juni 1980 - 3 StR 9/80, BGHSt 29, 288, 295 f.).
23
Weiter ist bei der Bestimmung der Reichweite des Strafklageverbrauchs auch der Gedanke des Vertrauensschutzes von Bedeutung; dieser besagt indes nur, dass ein Angeklagter etwa in den Fällen der Beschuldigung wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung erst dann darauf vertrauen kann, mit seiner rechtskräftigen Aburteilung sei auch eine nicht berücksichtigte, in Tateinheit mit einem Betätigungsakt als Mitglied begangene andere Straftat erledigt, wenn diese in ihrer konkreten Ausgestaltung festgestellt worden ist oder wenigstens Gegenstand von gerichtlichen Feststellungsversuchen war (BGH, Urteil vom 30. März 2001 - 3 StR 342/00, NStZ 2001, 436, 438; vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 2013 - 3 StR 531/12, BGHSt 59, 120, 125 mwN).
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bb) Nach diesen Grundsätzen waren die dem Angeklagten nunmehr zur Last gelegten Taten nicht Gegenstand des früheren Verfahrens; die Strafklage ist insoweit nicht verbraucht.
25
Die Anklage in dem früheren Verfahren legte dem Angeklagten zwar auch im hier maßgeblichen Tatzeitraum die mitgliedschaftliche Beteiligung am IS als terroristischer Vereinigung zur Last; auch befand er sich nach den damaligen Erkenntnissen in dem Ort Manbij und war der "Gefängniswärtertruppe" zugeteilt. In tatsächlicher Hinsicht versah er seinen Dienst bei dieser Einheit im Tatzeitraum aber dadurch, dass er für die eigene Einheit, die in einem Gebäude getrennt von dem Gefängnis untergebracht war, Essen kochte und verteilte sowie mit Gefangenen das Haus sauber hielt. Darüber hinaus beteiligte er sich an dem sog. Sturmtrupp, dessen Aufgabe es war, Spione und Deserteure aus den Reihen des IS aufzuspüren, festzunehmen und dem Gefängnis zuzuführen. Dabei war ihm zwar bewusst, dass die Gefangenen zum Teil bis hin zum Tod gefoltert wurden und er hatte nach dem Anklagesatz "bei vereinzelten Gelegen- heiten (…) Einblicke in die Abläufe in den Gefängnissen und in eigens einge- richtete Folterkammern und Foltermethoden". Im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen der früheren Anklageschrift ist - in Ergänzung des Anklagesatzes - festgehalten, dass der Angeklagte habe beobachten können, wie etwa 20 Gefangene mit hinter den Rücken gefesselten Händen an den Armen an den an der Decke montierten Eisenstangen zum Zwecke der Folter aufgehängt worden waren. Zugleich ist aber festgehalten, dass Angehörige des Sturmtrupps in der Regel keinen Zutritt zum Gefängnis hatten; das Oberlandesgericht hat in seinem Urteil vom 4. März 2016 festgestellt, dass der Angeklagte das Gefängnis nie betreten habe.
26
Dieser Sachverhalt ist mit den Taten, die dem Angeklagten in der nunmehr vorliegenden Anklageschrift zur Last gelegt werden, in tatsächlicher Hinsicht nicht identisch. In dieser wird dem Angeklagten - wie sich aus der Aussage des Zeugen E. ergibt - vorgeworfen, sich nicht an dem Sturmtrupp oder bei den Gefängniswächtern, sondern an der Einheit beteiligt zu haben , die im Gefängnis für die Folterung der Gefangenen zuständig war und die deshalb im Inneren des Gefängnisses ein und aus ging. Nach dem jetzigen Erkenntnisstand war der Angeklagte auch nicht lediglich - gegebenenfalls aus einiger Entfernung - Beobachter der Vorbereitung der Folterungen durch Aufhängen der Gefangenen an der Decke, sondern er nahm unmittelbar an den durch vielfache Stockschläge durchgeführten Folterungen teil. Diese konkreten Handlungen waren in tatsächlicher Hinsicht weder von der Anklageschrift oder dem Eröffnungsbeschluss noch von dem Urteil des Oberlandesgerichts umfasst. Sie hingen mit dem abgeurteilten Geschehen auch nicht so eng zusammen , dass eine getrennte Aburteilung zu einer künstlichen Aufspaltung eines zusammengehörenden Geschehens führen würde. Schließlich ist mit Blick auf die diese Taten - wie dargelegt - nicht erfassenden Sachverhaltsschilderungen und Feststellungen in dem früheren Verfahren auch nicht ersichtlich, dass der Angeklagte darauf vertrauen konnte, er werde wegen der Folterungen und der damit zusammenhängenden Morde und Kriegsverbrechen nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden.
27
d) Der Anklagesatz aus der Anklageschrift vom 6. Juli 2018 erfüllt auch die Umgrenzungsfunktion, indem er den Prozessgegenstand des gerichtlichen Verfahrens festlegt.
28
Die Taten sind hinreichend konkretisiert. Das Oberlandesgericht hat selbst ausgeführt, dass die Taten so weit einzugrenzen seien, wie dies zur Beurteilung des Strafklageverbrauchs erforderlich sei; dann ist aber nicht ersichtlich , warum der Anklagesatz nicht in der Lage sein sollte, den Verfahrensgegenstand zu umgrenzen. Insbesondere steht mit Blick auf den nur wenige Monate umfassenden Tatzeitraum, den genau bezeichneten Tatort und die - ersichtliche - Annahme einer Mindestzahl von Taten der Umgrenzung der Anklage nicht entgegen, dass der Angeklagte - wie das Oberlandesgericht meint - möglicherweise noch an weiteren ähnlichen Taten beteiligt war. Vielmehr wären solche - nach rechtskräftigem Abschluss dieses Verfahrens - gegebenenfalls einem Strafklageverbrauch unterworfen; dies rechtfertigt es aber nicht, die hinreichende Individualisierung der verfahrensgegenständlichen Taten in Zweifel zu ziehen. Aus den gleichen Gründen schränkt die nur ansatzweise mögliche Benennung der Opfer und die fehlende Identifizierung der Mittäter die Möglichkeit nicht ein, die Taten von anderen, außerhalb des Tatzeitraums oder an anderem Tatort begangenen Handlungen abzugrenzen; dies genügt.

III.


29
Der Generalbundesanwalt hat mit seiner Rechtsmittelschrift zwar nicht ausdrücklich auch - einfache - Beschwerde gegen die Aufhebung des Haftbefehls eingelegt. Er hat aber beantragt festzustellen, dass dieser aus den Gründen seines Erlasses fortbestehe. Dem ist bei verständiger Würdigung das Begehren zu entnehmen, die den Haftbefehl aufhebende Entscheidung des Ober- landesgerichts anzufechten; die hiervon abweichende Antragstellung steht dem nicht entgegen (§ 300 StPO).
30
Die damit gegen die Aufhebung des Haftbefehls eingelegte Beschwerde ist nach § 304 Abs. 5 StPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch begründet. Aus den unter II. genannten Gründen liegt das Prozesshindernis des Strafklageverbrauchs nicht vor und es besteht auch der - insoweit erforderliche - dringende Tatverdacht. Angesichts der in Betracht kommenden lebenslangen Freiheitsstrafe (§ 211 StGB, § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB) bestehen - ungeachtet des Umstands, dass der Haftbefehl derzeit wegen der noch zu verbüßenden Strafhaft nicht vollzogen wird - die Haftgründe der Fluchtgefahr und der Schwerkriminalität (§ 112 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 StPO).
Schäfer Gericke Spaniol
Berg Hoch

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bei uns veröffentlicht am 04.09.2009

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS ___________ StB 44/09 vom 4. September 2009 in dem Strafverfahren gegen 1. 2. wegen zu 1.: Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung u. a. zu 2.: Unterstützung einer kriminellen Vereinigung u. a. hier: Besch

Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Jan. 2010 - StB 27/09

bei uns veröffentlicht am 19.01.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS ________________ StB 27/09 vom 19. Januar 2010 Nachschlagewerk: Ja BGHSt: Ja (jeweils zu A. I, B. II. und B. IV.) Veröffentlichung: Ja _______________________ StPO § 210 Abs. 2 AWG § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 34 Abs

Bundesgerichtshof Beschluss, 05. März 2009 - 3 StR 566/08

bei uns veröffentlicht am 05.03.2009

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 566/08 vom 5. März 2009 in der Strafsache gegen wegen bewaffneten Sichverschaffens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesan

Bundesgerichtshof Beschluss, 26. März 2009 - StB 20/08

bei uns veröffentlicht am 26.03.2009

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS ___________ StB 20/08 vom 26. März 2009 Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja Veröffentlichung: ja ______________________________ StPO § 304 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 KWKG § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c AWG § 35 GG Art. 25 1.

Bundesgerichtshof Urteil, 12. Dez. 2013 - 3 StR 531/12

bei uns veröffentlicht am 12.12.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 StR 531/12 vom 12. Dezember 2013 Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja Veröffentlichung: ja ___________________________________ SDÜ Art. 54 Zum Begriff "derselben Tat" im Sinne des Art. 54 SDÜ. B

Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Juli 2015 - 3 StR 537/14

bei uns veröffentlicht am 09.07.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 537/14 vom 9. Juli 2015 in der Strafsache gegen wegen Körperverletzung u.a. ECLI:DE:BGH:2015:090715B3STR537.14.1 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalb
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Dez. 2018 - StB 52/18.

Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Aug. 2019 - StB 17/18

bei uns veröffentlicht am 22.08.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS StB 17/18 vom 22. August 2019 in dem Strafverfahren gegen wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat u.a. ECLI:DE:BGH:2019:220819BSTB17.18.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Au

Referenzen

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person tötet,
2.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person als Geisel nimmt,
3.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person grausam oder unmenschlich behandelt, indem er ihr erhebliche körperliche oder seelische Schäden oder Leiden zufügt, insbesondere sie foltert oder verstümmelt,
4.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person sexuell nötigt oder vergewaltigt, sie zur Prostitution nötigt, der Fortpflanzungsfähigkeit beraubt oder in der Absicht, die ethnische Zusammensetzung einer Bevölkerung zu beeinflussen, eine unter Anwendung von Zwang geschwängerte Frau gefangen hält,
5.
Kinder unter 15 Jahren für Streitkräfte zwangsverpflichtet oder in Streitkräfte oder bewaffnete Gruppen eingliedert oder sie zur aktiven Teilnahme an Feindseligkeiten verwendet,
6.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person, die sich rechtmäßig in einem Gebiet aufhält, vertreibt oder zwangsweise überführt, indem er sie unter Verstoß gegen eine allgemeine Regel des Völkerrechts durch Ausweisung oder andere Zwangsmaßnahmen in einen anderen Staat oder in ein anderes Gebiet verbringt,
7.
gegen eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person eine erhebliche Strafe, insbesondere die Todesstrafe oder eine Freiheitsstrafe verhängt oder vollstreckt, ohne dass diese Person in einem unparteiischen ordentlichen Gerichtsverfahren, das die völkerrechtlich erforderlichen Rechtsgarantien bietet, abgeurteilt worden ist,
8.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt, indem er
a)
an einer solchen Person Versuche vornimmt, in die sie nicht zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat oder die weder medizinisch notwendig sind noch in ihrem Interesse durchgeführt werden,
b)
einer solchen Person Gewebe oder Organe für Übertragungszwecke entnimmt, sofern es sich nicht um die Entnahme von Blut oder Haut zu therapeutischen Zwecken im Einklang mit den allgemein anerkannten medizinischen Grundsätzen handelt und die Person zuvor nicht freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
c)
bei einer solchen Person medizinisch nicht anerkannte Behandlungsmethoden anwendet, ohne dass dies medizinisch notwendig ist und die Person zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
9.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in schwerwiegender Weise entwürdigend oder erniedrigend behandelt,
wird in den Fällen der Nummer 1 mit lebenslanger Freiheitsstrafe, in den Fällen der Nummer 2 mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen der Nummern 3 bis 5 mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen der Nummern 6 bis 8 mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren und in den Fällen der Nummer 9 mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt einen Angehörigen der gegnerischen Streitkräfte oder einen Kämpfer der gegnerischen Partei verwundet, nachdem dieser sich bedingungslos ergeben hat oder sonst außer Gefecht ist, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.

(3) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 rechtswidrig gefangen hält oder ihre Heimschaffung ungerechtfertigt verzögert,
2.
als Angehöriger einer Besatzungsmacht einen Teil der eigenen Zivilbevölkerung in das besetzte Gebiet überführt,
3.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zum Dienst in den Streitkräften einer feindlichen Macht nötigt oder
4.
einen Angehörigen der gegnerischen Partei mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel nötigt, an Kriegshandlungen gegen sein eigenes Land teilzunehmen,
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.

(4) Verursacht der Täter durch eine Tat nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 den Tod des Opfers, so ist in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 bis 5 Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. Führt eine Handlung nach Absatz 1 Nr. 8 zum Tod oder zu einer schweren Gesundheitsschädigung, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und 4 und des Absatzes 2 Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 und des Absatzes 3 Nr. 1 Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(6) Nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Personen sind

1.
im internationalen bewaffneten Konflikt: geschützte Personen im Sinne der Genfer Abkommen und des Zusatzprotokolls I (Anlage zu diesem Gesetz), namentlich Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige, Kriegsgefangene und Zivilpersonen;
2.
im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige sowie Personen, die nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnehmen und sich in der Gewalt der gegnerischen Partei befinden;
3.
im internationalen und im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Angehörige der Streitkräfte und Kämpfer der gegnerischen Partei, welche die Waffen gestreckt haben oder in sonstiger Weise wehrlos sind.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt plündert oder, ohne dass dies durch die Erfordernisse des bewaffneten Konflikts geboten ist, sonst in erheblichem Umfang völkerrechtswidrig Sachen der gegnerischen Partei, die der Gewalt der eigenen Partei unterliegen, zerstört, sich aneignet oder beschlagnahmt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt völkerrechtswidrig anordnet, dass Rechte und Forderungen aller oder eines wesentlichen Teils der Angehörigen der gegnerischen Partei aufgehoben oder ausgesetzt werden oder vor Gericht nicht einklagbar sind, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt

1.
einen Angriff gegen Personen, Einrichtungen, Material, Einheiten oder Fahrzeuge richtet, die an einer humanitären Hilfsmission oder an einer friedenserhaltenden Mission in Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen beteiligt sind, solange sie Anspruch auf den Schutz haben, der Zivilpersonen oder zivilen Objekten nach dem humanitären Völkerrecht gewährt wird, oder
2.
einen Angriff gegen Personen, Gebäude, Material, Sanitätseinheiten oder Sanitätstransportmittel richtet, die in Übereinstimmung mit dem humanitären Völkerrecht mit den Schutzzeichen der Genfer Abkommen gekennzeichnet sind,
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft. In minder schweren Fällen, insbesondere wenn der Angriff nicht mit militärischen Mitteln erfolgt, ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.

(2) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt die Schutzzeichen der Genfer Abkommen, die Parlamentärflagge oder die Flagge, die militärischen Abzeichen oder die Uniform des Feindes oder der Vereinten Nationen missbraucht und dadurch den Tod oder die schwere Verletzung eines Menschen (§ 226 des Strafgesetzbuches) verursacht, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt

1.
mit militärischen Mitteln einen Angriff gegen die Zivilbevölkerung als solche oder gegen einzelne Zivilpersonen richtet, die an den Feindseligkeiten nicht unmittelbar teilnehmen,
2.
mit militärischen Mitteln einen Angriff gegen zivile Objekte richtet, solange sie durch das humanitäre Völkerrecht als solche geschützt sind, namentlich Gebäude, die dem Gottesdienst, der Erziehung, der Kunst, der Wissenschaft oder der Wohltätigkeit gewidmet sind, geschichtliche Denkmäler, Krankenhäuser und Sammelplätze für Kranke und Verwundete, unverteidigte Städte, Dörfer, Wohnstätten oder Gebäude oder entmilitarisierte Zonen sowie Anlagen und Einrichtungen, die gefährliche Kräfte enthalten,
3.
mit militärischen Mitteln einen Angriff durchführt und dabei als sicher erwartet, dass der Angriff die Tötung oder Verletzung von Zivilpersonen oder die Beschädigung ziviler Objekte in einem Ausmaß verursachen wird, das außer Verhältnis zu dem insgesamt erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil steht,
4.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person als Schutzschild einsetzt, um den Gegner von Kriegshandlungen gegen bestimmte Ziele abzuhalten,
5.
das Aushungern von Zivilpersonen als Methode der Kriegsführung einsetzt, indem er ihnen die für sie lebensnotwendigen Gegenstände vorenthält oder Hilfslieferungen unter Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht behindert,
6.
als Befehlshaber anordnet oder androht, dass kein Pardon gegeben wird, oder
7.
einen Angehörigen der gegnerischen Streitkräfte oder einen Kämpfer der gegnerischen Partei meuchlerisch tötet oder verwundet,
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft. In minder schweren Fällen der Nummer 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.

(2) Verursacht der Täter durch eine Tat nach Absatz 1 Nr. 1 bis 6 den Tod oder die schwere Verletzung einer Zivilperson (§ 226 des Strafgesetzbuches) oder einer nach dem humanitären Völkerrecht zu schützenden Person, wird er mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. Führt der Täter den Tod vorsätzlich herbei, ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(3) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt mit militärischen Mitteln einen Angriff durchführt und dabei als sicher erwartet, dass der Angriff weit reichende, langfristige und schwere Schäden an der natürlichen Umwelt verursachen wird, die außer Verhältnis zu dem insgesamt erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil stehen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt

1.
Gift oder vergiftete Waffen verwendet,
2.
biologische oder chemische Waffen verwendet oder
3.
Geschosse verwendet, die sich leicht im Körper des Menschen ausdehnen oder flachdrücken, insbesondere Geschosse mit einem harten Mantel, der den Kern nicht ganz umschließt oder mit Einschnitten versehen ist,
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.

(2) Verursacht der Täter durch eine Tat nach Absatz 1 den Tod oder die schwere Verletzung einer Zivilperson (§ 226 des Strafgesetzbuches) oder einer nach dem humanitären Völkerrecht zu schützenden Person, wird er mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. Führt der Täter den Tod vorsätzlich herbei, ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person tötet,
2.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person als Geisel nimmt,
3.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person grausam oder unmenschlich behandelt, indem er ihr erhebliche körperliche oder seelische Schäden oder Leiden zufügt, insbesondere sie foltert oder verstümmelt,
4.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person sexuell nötigt oder vergewaltigt, sie zur Prostitution nötigt, der Fortpflanzungsfähigkeit beraubt oder in der Absicht, die ethnische Zusammensetzung einer Bevölkerung zu beeinflussen, eine unter Anwendung von Zwang geschwängerte Frau gefangen hält,
5.
Kinder unter 15 Jahren für Streitkräfte zwangsverpflichtet oder in Streitkräfte oder bewaffnete Gruppen eingliedert oder sie zur aktiven Teilnahme an Feindseligkeiten verwendet,
6.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person, die sich rechtmäßig in einem Gebiet aufhält, vertreibt oder zwangsweise überführt, indem er sie unter Verstoß gegen eine allgemeine Regel des Völkerrechts durch Ausweisung oder andere Zwangsmaßnahmen in einen anderen Staat oder in ein anderes Gebiet verbringt,
7.
gegen eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person eine erhebliche Strafe, insbesondere die Todesstrafe oder eine Freiheitsstrafe verhängt oder vollstreckt, ohne dass diese Person in einem unparteiischen ordentlichen Gerichtsverfahren, das die völkerrechtlich erforderlichen Rechtsgarantien bietet, abgeurteilt worden ist,
8.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt, indem er
a)
an einer solchen Person Versuche vornimmt, in die sie nicht zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat oder die weder medizinisch notwendig sind noch in ihrem Interesse durchgeführt werden,
b)
einer solchen Person Gewebe oder Organe für Übertragungszwecke entnimmt, sofern es sich nicht um die Entnahme von Blut oder Haut zu therapeutischen Zwecken im Einklang mit den allgemein anerkannten medizinischen Grundsätzen handelt und die Person zuvor nicht freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
c)
bei einer solchen Person medizinisch nicht anerkannte Behandlungsmethoden anwendet, ohne dass dies medizinisch notwendig ist und die Person zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
9.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in schwerwiegender Weise entwürdigend oder erniedrigend behandelt,
wird in den Fällen der Nummer 1 mit lebenslanger Freiheitsstrafe, in den Fällen der Nummer 2 mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen der Nummern 3 bis 5 mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen der Nummern 6 bis 8 mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren und in den Fällen der Nummer 9 mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt einen Angehörigen der gegnerischen Streitkräfte oder einen Kämpfer der gegnerischen Partei verwundet, nachdem dieser sich bedingungslos ergeben hat oder sonst außer Gefecht ist, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.

(3) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 rechtswidrig gefangen hält oder ihre Heimschaffung ungerechtfertigt verzögert,
2.
als Angehöriger einer Besatzungsmacht einen Teil der eigenen Zivilbevölkerung in das besetzte Gebiet überführt,
3.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zum Dienst in den Streitkräften einer feindlichen Macht nötigt oder
4.
einen Angehörigen der gegnerischen Partei mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel nötigt, an Kriegshandlungen gegen sein eigenes Land teilzunehmen,
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.

(4) Verursacht der Täter durch eine Tat nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 den Tod des Opfers, so ist in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 bis 5 Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. Führt eine Handlung nach Absatz 1 Nr. 8 zum Tod oder zu einer schweren Gesundheitsschädigung, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und 4 und des Absatzes 2 Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 und des Absatzes 3 Nr. 1 Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(6) Nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Personen sind

1.
im internationalen bewaffneten Konflikt: geschützte Personen im Sinne der Genfer Abkommen und des Zusatzprotokolls I (Anlage zu diesem Gesetz), namentlich Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige, Kriegsgefangene und Zivilpersonen;
2.
im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige sowie Personen, die nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnehmen und sich in der Gewalt der gegnerischen Partei befinden;
3.
im internationalen und im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Angehörige der Streitkräfte und Kämpfer der gegnerischen Partei, welche die Waffen gestreckt haben oder in sonstiger Weise wehrlos sind.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt plündert oder, ohne dass dies durch die Erfordernisse des bewaffneten Konflikts geboten ist, sonst in erheblichem Umfang völkerrechtswidrig Sachen der gegnerischen Partei, die der Gewalt der eigenen Partei unterliegen, zerstört, sich aneignet oder beschlagnahmt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt völkerrechtswidrig anordnet, dass Rechte und Forderungen aller oder eines wesentlichen Teils der Angehörigen der gegnerischen Partei aufgehoben oder ausgesetzt werden oder vor Gericht nicht einklagbar sind, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt

1.
einen Angriff gegen Personen, Einrichtungen, Material, Einheiten oder Fahrzeuge richtet, die an einer humanitären Hilfsmission oder an einer friedenserhaltenden Mission in Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen beteiligt sind, solange sie Anspruch auf den Schutz haben, der Zivilpersonen oder zivilen Objekten nach dem humanitären Völkerrecht gewährt wird, oder
2.
einen Angriff gegen Personen, Gebäude, Material, Sanitätseinheiten oder Sanitätstransportmittel richtet, die in Übereinstimmung mit dem humanitären Völkerrecht mit den Schutzzeichen der Genfer Abkommen gekennzeichnet sind,
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft. In minder schweren Fällen, insbesondere wenn der Angriff nicht mit militärischen Mitteln erfolgt, ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.

(2) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt die Schutzzeichen der Genfer Abkommen, die Parlamentärflagge oder die Flagge, die militärischen Abzeichen oder die Uniform des Feindes oder der Vereinten Nationen missbraucht und dadurch den Tod oder die schwere Verletzung eines Menschen (§ 226 des Strafgesetzbuches) verursacht, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt

1.
mit militärischen Mitteln einen Angriff gegen die Zivilbevölkerung als solche oder gegen einzelne Zivilpersonen richtet, die an den Feindseligkeiten nicht unmittelbar teilnehmen,
2.
mit militärischen Mitteln einen Angriff gegen zivile Objekte richtet, solange sie durch das humanitäre Völkerrecht als solche geschützt sind, namentlich Gebäude, die dem Gottesdienst, der Erziehung, der Kunst, der Wissenschaft oder der Wohltätigkeit gewidmet sind, geschichtliche Denkmäler, Krankenhäuser und Sammelplätze für Kranke und Verwundete, unverteidigte Städte, Dörfer, Wohnstätten oder Gebäude oder entmilitarisierte Zonen sowie Anlagen und Einrichtungen, die gefährliche Kräfte enthalten,
3.
mit militärischen Mitteln einen Angriff durchführt und dabei als sicher erwartet, dass der Angriff die Tötung oder Verletzung von Zivilpersonen oder die Beschädigung ziviler Objekte in einem Ausmaß verursachen wird, das außer Verhältnis zu dem insgesamt erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil steht,
4.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person als Schutzschild einsetzt, um den Gegner von Kriegshandlungen gegen bestimmte Ziele abzuhalten,
5.
das Aushungern von Zivilpersonen als Methode der Kriegsführung einsetzt, indem er ihnen die für sie lebensnotwendigen Gegenstände vorenthält oder Hilfslieferungen unter Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht behindert,
6.
als Befehlshaber anordnet oder androht, dass kein Pardon gegeben wird, oder
7.
einen Angehörigen der gegnerischen Streitkräfte oder einen Kämpfer der gegnerischen Partei meuchlerisch tötet oder verwundet,
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft. In minder schweren Fällen der Nummer 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.

(2) Verursacht der Täter durch eine Tat nach Absatz 1 Nr. 1 bis 6 den Tod oder die schwere Verletzung einer Zivilperson (§ 226 des Strafgesetzbuches) oder einer nach dem humanitären Völkerrecht zu schützenden Person, wird er mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. Führt der Täter den Tod vorsätzlich herbei, ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(3) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt mit militärischen Mitteln einen Angriff durchführt und dabei als sicher erwartet, dass der Angriff weit reichende, langfristige und schwere Schäden an der natürlichen Umwelt verursachen wird, die außer Verhältnis zu dem insgesamt erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil stehen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt

1.
Gift oder vergiftete Waffen verwendet,
2.
biologische oder chemische Waffen verwendet oder
3.
Geschosse verwendet, die sich leicht im Körper des Menschen ausdehnen oder flachdrücken, insbesondere Geschosse mit einem harten Mantel, der den Kern nicht ganz umschließt oder mit Einschnitten versehen ist,
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.

(2) Verursacht der Täter durch eine Tat nach Absatz 1 den Tod oder die schwere Verletzung einer Zivilperson (§ 226 des Strafgesetzbuches) oder einer nach dem humanitären Völkerrecht zu schützenden Person, wird er mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. Führt der Täter den Tod vorsätzlich herbei, ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet oder sich an einer Vereinigung als Mitglied beteiligt, deren Zweck oder Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren bedroht sind. Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine solche Vereinigung unterstützt oder für sie um Mitglieder oder Unterstützer wirbt.

(2) Eine Vereinigung ist ein auf längere Dauer angelegter, von einer Festlegung von Rollen der Mitglieder, der Kontinuität der Mitgliedschaft und der Ausprägung der Struktur unabhängiger organisierter Zusammenschluss von mehr als zwei Personen zur Verfolgung eines übergeordneten gemeinsamen Interesses.

(3) Absatz 1 ist nicht anzuwenden,

1.
wenn die Vereinigung eine politische Partei ist, die das Bundesverfassungsgericht nicht für verfassungswidrig erklärt hat,
2.
wenn die Begehung von Straftaten nur ein Zweck oder eine Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung ist oder
3.
soweit die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung Straftaten nach den §§ 84 bis 87 betreffen.

(4) Der Versuch, eine in Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 bezeichnete Vereinigung zu gründen, ist strafbar.

(5) In besonders schweren Fällen des Absatzes 1 Satz 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern der Vereinigung gehört. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu erkennen, wenn der Zweck oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet ist, in § 100b Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, b, d bis f und h bis o, Nummer 2 bis 8 und 10 der Strafprozessordnung genannte Straftaten mit Ausnahme der in § 100b Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe h der Strafprozessordnung genannten Straftaten nach den §§ 239a und 239b des Strafgesetzbuches zu begehen.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, von einer Bestrafung nach den Absätzen 1 und 4 absehen.

(7) Das Gericht kann die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Täter

1.
sich freiwillig und ernsthaft bemüht, das Fortbestehen der Vereinigung oder die Begehung einer ihren Zielen entsprechenden Straftat zu verhindern, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß Straftaten, deren Planung er kennt, noch verhindert werden können;
erreicht der Täter sein Ziel, das Fortbestehen der Vereinigung zu verhindern, oder wird es ohne sein Bemühen erreicht, so wird er nicht bestraft.

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person tötet,
2.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person als Geisel nimmt,
3.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person grausam oder unmenschlich behandelt, indem er ihr erhebliche körperliche oder seelische Schäden oder Leiden zufügt, insbesondere sie foltert oder verstümmelt,
4.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person sexuell nötigt oder vergewaltigt, sie zur Prostitution nötigt, der Fortpflanzungsfähigkeit beraubt oder in der Absicht, die ethnische Zusammensetzung einer Bevölkerung zu beeinflussen, eine unter Anwendung von Zwang geschwängerte Frau gefangen hält,
5.
Kinder unter 15 Jahren für Streitkräfte zwangsverpflichtet oder in Streitkräfte oder bewaffnete Gruppen eingliedert oder sie zur aktiven Teilnahme an Feindseligkeiten verwendet,
6.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person, die sich rechtmäßig in einem Gebiet aufhält, vertreibt oder zwangsweise überführt, indem er sie unter Verstoß gegen eine allgemeine Regel des Völkerrechts durch Ausweisung oder andere Zwangsmaßnahmen in einen anderen Staat oder in ein anderes Gebiet verbringt,
7.
gegen eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person eine erhebliche Strafe, insbesondere die Todesstrafe oder eine Freiheitsstrafe verhängt oder vollstreckt, ohne dass diese Person in einem unparteiischen ordentlichen Gerichtsverfahren, das die völkerrechtlich erforderlichen Rechtsgarantien bietet, abgeurteilt worden ist,
8.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt, indem er
a)
an einer solchen Person Versuche vornimmt, in die sie nicht zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat oder die weder medizinisch notwendig sind noch in ihrem Interesse durchgeführt werden,
b)
einer solchen Person Gewebe oder Organe für Übertragungszwecke entnimmt, sofern es sich nicht um die Entnahme von Blut oder Haut zu therapeutischen Zwecken im Einklang mit den allgemein anerkannten medizinischen Grundsätzen handelt und die Person zuvor nicht freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
c)
bei einer solchen Person medizinisch nicht anerkannte Behandlungsmethoden anwendet, ohne dass dies medizinisch notwendig ist und die Person zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
9.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in schwerwiegender Weise entwürdigend oder erniedrigend behandelt,
wird in den Fällen der Nummer 1 mit lebenslanger Freiheitsstrafe, in den Fällen der Nummer 2 mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen der Nummern 3 bis 5 mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen der Nummern 6 bis 8 mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren und in den Fällen der Nummer 9 mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt einen Angehörigen der gegnerischen Streitkräfte oder einen Kämpfer der gegnerischen Partei verwundet, nachdem dieser sich bedingungslos ergeben hat oder sonst außer Gefecht ist, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.

(3) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 rechtswidrig gefangen hält oder ihre Heimschaffung ungerechtfertigt verzögert,
2.
als Angehöriger einer Besatzungsmacht einen Teil der eigenen Zivilbevölkerung in das besetzte Gebiet überführt,
3.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zum Dienst in den Streitkräften einer feindlichen Macht nötigt oder
4.
einen Angehörigen der gegnerischen Partei mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel nötigt, an Kriegshandlungen gegen sein eigenes Land teilzunehmen,
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.

(4) Verursacht der Täter durch eine Tat nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 den Tod des Opfers, so ist in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 bis 5 Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. Führt eine Handlung nach Absatz 1 Nr. 8 zum Tod oder zu einer schweren Gesundheitsschädigung, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und 4 und des Absatzes 2 Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 und des Absatzes 3 Nr. 1 Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(6) Nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Personen sind

1.
im internationalen bewaffneten Konflikt: geschützte Personen im Sinne der Genfer Abkommen und des Zusatzprotokolls I (Anlage zu diesem Gesetz), namentlich Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige, Kriegsgefangene und Zivilpersonen;
2.
im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige sowie Personen, die nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnehmen und sich in der Gewalt der gegnerischen Partei befinden;
3.
im internationalen und im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Angehörige der Streitkräfte und Kämpfer der gegnerischen Partei, welche die Waffen gestreckt haben oder in sonstiger Weise wehrlos sind.

Das Gericht beschließt die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint.

(1) Der Beschluß, durch den das Hauptverfahren eröffnet worden ist, kann von dem Angeklagten nicht angefochten werden.

(2) Gegen den Beschluß, durch den die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt oder abweichend von dem Antrag der Staatsanwaltschaft die Verweisung an ein Gericht niederer Ordnung ausgesprochen worden ist, steht der Staatsanwaltschaft sofortige Beschwerde zu.

(3) Gibt das Beschwerdegericht der Beschwerde statt, so kann es zugleich bestimmen, daß die Hauptverhandlung vor einer anderen Kammer des Gerichts, das den Beschluß nach Absatz 2 erlassen hat, oder vor einem zu demselben Land gehörenden benachbarten Gericht gleicher Ordnung stattzufinden hat. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, kann der Bundesgerichtshof bestimmen, daß die Hauptverhandlung vor einem anderen Senat dieses Gerichts stattzufinden hat.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
___________
StB 20/08
vom
26. März 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
______________________________
KWKG § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c
AWG § 35
1. Hat der Bundesgerichtshof über die sofortige Beschwerde des Generalbundesanwalts
gegen einen die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnenden
Beschluss des erstinstanzlich zuständigen Senats eines Oberlandesgerichts
zu entscheiden, so hat er das Bestehen eines hinreichenden
Tatverdachts in vollem Umfang eigenständig zu prüfen (Aufgabe von
BGHSt 35, 39).
2. Zu den Voraussetzungen, unter denen eine Straftat nach § 19 Abs. 1
KWKG die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland
im Sinne des § 19 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c KWKG erheblich gefährdet.
3. Es verstößt nicht gegen Art. 25 GG, dass § 35 AWG den Geltungsbereich
materiellen deutschen Strafrechts auf Taten erstreckt, die von
deutschen Staatsbürgern im Ausland begangen werden.
BGH, Beschl. vom 26. März 2009 - StB 20/08 - OLG Frankfurt am Main
in dem Strafverfahren
gegen
wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. März 2009 gemäß
§§ 199, 203, 210 Abs. 2, § 304 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2, § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2
StPO beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde des Generalbundesanwalts wird
a) der Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 6. August 2008 aufgehoben, soweit das Oberlandesgericht die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt hat;
b) das Verfahren vorläufig eingestellt, soweit dem Angeklagten zur Last gelegt wird, gewerbsmäßig handelnd ein Handels- oder Vermittlungsgeschäft in Bezug auf in Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste (Anlage AL) erfasste Güter (V. - Ferngläser), welche unmittelbar oder mittelbar für Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Iran oder zur Verwendung im Iran bestimmt sind, abgeschlossen, und dadurch gegen § 34 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. b, Abs. 6 Nr. 2 AWG, § 69 o Abs. 2, § 70 a Abs. 2 Nr. 3 AWV verstoßen zu haben. Im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;
c) im Übrigen das Hauptverfahren eröffnet und die Anklage des Generalbundesanwalts vom 17. Mai 2008 zur Hauptverhandlung vor der zuständigen Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main zugelassen. 2. Die Kosten der zurückgenommenen Beschwerde des Generalbundesanwalts gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 6. August 2008, soweit mit diesem der gegen den Angeklagten bestehende Haftbefehl aufgehoben worden ist, und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Gründe:

1
Der Generalbundesanwalt hat dem Angeklagten mit der zum Oberlandesgericht Frankfurt am Main erhobenen Anklage vorgeworfen, in einem Fall gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und in zwei Fällen gegen das Außenwirtschaftsgesetz verstoßen zu haben. Das Oberlandesgericht hat mit Beschluss vom 6. August 2008 die Eröffnung des Hauptverfahrens aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen abgelehnt, eine Kosten- und Auslagenentscheidung getroffen sowie ausgesprochen, dass der Angeklagte für die erlittene Untersuchungshaft zu entschädigen sei. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Generalbundesanwalt mit seiner sofortigen Beschwerde. Das Oberlandesgericht hat daneben den gegen den Angeklagten bestehenden Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 7. März 2008 (1 BGs 44/2008) aufgehoben. Seine gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde hat der Generalbundesanwalt zurückgenommen. Im Übrigen beanstandet er weiterhin den angefochtenen Beschluss und beantragt,
2
a) diesen aufzuheben;
3
b) das Verfahren in Bezug auf die Tat 3 der Anklageschrift (V. - Ferngläser) gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO vorläufig einzustellen;
4
c) im Übrigen seine Anklage unter Eröffnung des Hauptverfahrens vor dem 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main zur Hauptverhandlung zuzulassen.
5
Das Rechtsmittel hat mit der Maßgabe Erfolg, dass das Landgericht Frankfurt am Main zur Durchführung des Hauptverfahrens zuständig ist.

I.

6
1. Mit der Anklageschrift sind dem in Frankfurt am Main wohnhaften Angeklagten folgende Straftaten zur Last gelegt worden:
7
a) Er betrieb ein Einzelhandelsunternehmen und vermittelte als Handelsvertreter Veräußerungsgeschäfte über Industriemaschinen, Zubehör und Rohmaterialien vorwiegend mit iranischen Kunden. Im Rahmen dieser Tätigkeit unterhielt er Kontakte zu dem in Teheran (Iran) ansässigen Unternehmen K. Co. Ltd. (im Folgenden: K. ), das sich mit der Beschaffung von nuklearrelevanten und militärischen Gütern für den Iran befasst und sich zur Umgehung der insoweit geltenden Handelsbeschränkungen mehrerer Tarnfirmen mit Sitz etwa in Dubai und den Vereinigten Arabischen Emiraten bedient. Ansprechpartner des Angeklagten waren die Direktorin von K. , Dr. N. , sowie der Mitarbeiter Ka. .
8
aa) Im April 2007 erhielt der Angeklagte von Ka. für eine der Tarnfirmen von K. eine Anfrage zur Lieferung zweier Hochgeschwindigkeitskameras , die zur Entwicklung von Atomsprengköpfen benötigt werden. Er ging zutreffend davon aus, dass die Kameras für das iranische Atomwaffenprogramm bestimmt waren, und fragte bei dem russischen Hersteller, der in Moskau ansässigen B. Company, nach der Ware an. Als Kaufinteressenten benannte er eine Universität im Nahen Osten. Kurze Zeit später traf er mit dem Hersteller eine unwiderrufliche Kaufvereinbarung, in der für ihn eine Provision von 30.630 € vereinbart wurde, und sandte an die Tarnfirma von K. ein entsprechendes verbindliches Angebot. Daraufhin wurde einem seiner iranischen Geldkonten eine Spesenvorauszahlung in Höhe von 3.297,50 € gutgeschrieben. Im Juni 2007 reiste der Angeklagte nach Moskau, um dort die Details des Vertragsschlusses persönlich zu klären. Während eines Aufenthalts im Iran ab dem 21. August 2007 gelang es ihm, die noch offenen Einzelheiten , insbesondere die Übermittlung einer geeigneten Endverbleibserklärung an den Verkäufer, zu regeln. Die Auslieferung der Kameras an den Endkunden im Iran erfolgte bis spätestens 1. November 2007.
9
bb) Im Mai 2006 erhielt der Angeklagte von K. eine Anfrage über die Lieferung verschiedener Produkte des US-amerikanischen Herstellers L. . Als Endkunde sollte eine Tarnfirma in den Vereinigten Arabischen Emiraten vorgeschoben werden. Zur Verschleierung des Endbestimmungslandes schaltete der Angeklagte die in Mannheim ansässige St. GmbH ein. Diese holte ein Angebot des Herstellers ein und bot die Ware dem Angeklagten an. Im März 2007 bat der Angeklagte die St. GmbH um ein erweitertes Angebot. Dieses umfasste Zählrohre für strahlungsfeste Detektoren, die zum Schutz gegen atomare Detonationswirkungen besonders konstruiert oder geändert sind. Nach den Herstellerangaben sind die Geräte speziell für den Einsatz im Nuklearbereich ausgelegt und können zu militärischen Zwecken verwendet werden. Empfänger sollte nunmehr eine Tarnfirma in Dubai sein. Die St. GmbH bot dem Angeklagten die gewünschten Artikel an; dieser leitete das Angebot an Ka. weiter und schloss mit der St. GmbH eine unwiderrufliche Kaufvereinbarung ab. Auf Veranlassung von K. wurde der Kaufpreis in Höhe von 87.245,40 € im April 2007 in drei Raten an die St. GmbH überwiesen. Ende Mai 2007 stellte die St. GmbH beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (im Folgenden: BAFA) einen Ausfuhrgenehmigungsantrag. Dieses forderte ein Endverbleibszertifikat und ein detailliertes Kundenprofil an. Der Angeklagte vereinbarte daraufhin mit Ka. , entsprechende Dokumente aus Dubai zu beschaffen bzw. selbst zu erstellen, um auf diese Weise über den wahren Empfänger zu täuschen. Im Juli 2007 erhielt die St. GmbH eine Endverbleibserklärung aus Dubai und leitete diese an das BAFA weiter. In der Folgezeit überlegten der Angeklagte und Ka. weiter, welcher Verwendungszweck dem BAFA plausibel vermittelt werden könnte. Der Angeklagte schlug vor, einen Einsatz in der Landwirtschaft oder der Medizin vorzuspiegeln. Ka. übermittelte sodann zwei Formulierungsvorschläge , auf deren Grundlage der Mitarbeiter F. der St. GmbH dem BAFA mitteilte, die Ware könne zwar in Nuklearanlagen eingesetzt werden, geplant sei aber eine Verwendung in der Zementindustrie. Der Angeklagte reiste am 20. August 2007 in den Iran, um die Angelegenheit mit seinem Auftraggeber zu besprechen. Das BAFA warf weitere Fragen zum Endverbleib der Ware auf, die F. dem Angeklagten per E-Mail zuleitete. Dieser erörterte die Problematik mit den Verantwortlichen bei K. und versuchte vergeblich , F. telefonisch zu erreichen. Einer weiteren Mitarbeiterin der St. GmbH erklärte er, er benötige dringend eine Aussage zur Situation des Detektoren-Geschäfts, da sein Auftraggeber ihm ein Ultimatum gesetzt habe. In der Folgezeit versuchte der Angeklagte mehrfach, seine Ansprechpartner bei der St. GmbH zu erreichen. Trotz seiner Bemühungen gelang es ihm nicht, das Problem zu lösen. Nach seiner Rückkehr aus dem Iran teilte der Angeklagte F. mit, sein Auftraggeber trete von dem Geschäft zurück. In der Folgezeit bemühte er sich erfolglos um die Rückerstattung des bereits geleisteten Kaufpreises sowie um die Ausfuhr der Ware in den Iran über die Slowakei.
10
cc) Im Mai 2007 fragte eine Tarnfirma von K. bei dem Angeklagten nach 20 nachtsichttauglichen Ferngläsern des Schweizer Herstellers V. an. Der Angeklagte bemühte sich in der Folgezeit darum, die Lieferung der Ware nach Iran zu veranlassen. Das Geschäft scheiterte schließlich, weil die Schweizer Genehmigungsbehörde SECO die ihr übermittelte Endverbleibserklärung als nicht ausreichend bewertete.
11
b) In der Anklageschrift des Generalbundesanwalts sind diese Sachverhalte rechtlich wie folgt gewürdigt:
12
aa) Im Fall I. 1. a) aa) (B. -Kameras) habe der Angeklagte gewerbsmäßig handelnd die Entwicklung von Atomwaffen gefördert, § 19 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1, § 17 Abs. 2 KWKG. Einen hinreichenden Tatverdacht dahin, dass die Handlung des Angeklagten die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich gefährdet und dieser deshalb den Qualifikationstatbestand des § 19 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c KWKG verwirklicht habe, hat der Generalbundesanwalt nicht angenommen.
13
bb) Durch die Tat I. 1. a) bb) (L. -Detektoren) habe der Angeklagte gewerbsmäßig handelnd entgegen § 69 o Abs. 9 AWV ohne die erforderliche Genehmigung Maklerdienstleistungen im Zusammenhang mit dem Verkauf und der Ausfuhr von Gütern im Sinne von Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 423/2007 des Rates vom 19. April 2007 über restriktive Maßnahmen gegen Iran (im Folgenden: Iranembargo-VO) nach Iran oder ihrer Herstellung und Verwendung im Iran erbracht; dadurch habe er einer Rechtsverordnung zuwidergehandelt , die der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme diene, § 34 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. b, Abs. 6 Nr. 2 AWG, § 69 o Abs. 9, § 70 a Abs. 2 Nr. 9 AWV. Einen hinreichenden Tatverdacht, das Handeln des Angeklagten sei geeignet gewesen, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich zu gefährden, so dass er die Voraussetzungen des Qualifikationstatbestandes nach § 34 Abs. 6 Nr. 4 Buchst. c AWG erfüllt habe, hat der Generalbundesanwalt nicht bejaht.
14
cc) Im Fall I. 1. a) cc) (V. -Ferngläser) habe der Angeklagte gewerbsmäßig handelnd entgegen § 69 o Abs. 2 AWV ein Handels- oder Vermittlungsgeschäft in Bezug auf in Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste (Anlage AL) erfasste Güter abgeschlossen, welche unmittelbar oder mittelbar für Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Iran oder zur Verwendung im Iran bestimmt sind; mithin habe er einer Rechtsverordnung zuwidergehandelt, die der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der gemeinsamen Außen- oder Sicherheitspolitik beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme diene, § 34 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. b, Abs. 6 Nr. 2 AWG, § 69 o Abs. 2, § 70 a Abs. 2 Nr. 3 AWV. Ein Verstoß gegen den Qualifikationstatbestand nach § 34 Abs. 6 Nr. 4 Buchst. c AWG wird dem Angeklagten auch insoweit nicht zur Last gelegt.
15
2. Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnenden Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
16
Das Ermittlungsergebnis belege im Fall I. 1. a) aa) (B. -Kameras) nicht, dass der Iran im Zeitraum von April bis November 2007 Maßnahmen ergriffen habe, um die technologischen Voraussetzungen für die Herstellung von Atomwaffen zu schaffen. Aus einem vom Director of National Intelligence herausgegebenen National Intelligence Estimate vom November 2007 ergebe sich, dass es nach Einschätzung der US-amerikanischen Geheimdienste eher unwahrscheinlich sei, dass der Iran im genannten Tatzeitraum Atomwaffen entwickelt habe. Auf die dem entgegen stehenden "überaus vagen" Ausführungen in ei- nem Behördenzeugnis des Bundesnachrichtendienstes (im Folgenden: BND) vom Mai 2008 könne eine Verurteilung des Angeklagten keinesfalls gestützt werden. Die für eine Verurteilung des Angeklagten notwendige Überzeugung vom Bestehen eines iranischen Atomwaffenprogramms lasse sich auch nicht aus der diesbezüglichen Besorgnis der internationalen Staatengemeinschaft gewinnen. Selbst wenn der Iran im Tatzeitraum Atomwaffen entwickelt habe, sei nicht ausreichend belegt, dass der Angeklagte dies gefördert habe; denn der konkrete Verwendungszweck der Kameras sei unklar. Nach dem Ermittlungsergebnis werde sich auch nicht nachweisen lassen, dass der Angeklagte vorsätzlich gehandelt habe. Eine versuchte Tat komme nicht in Betracht, weil es keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme gebe, der Angeklagte habe sich vorgestellt, mit der Vermittlung der Hochgeschwindigkeitskameras die Entwicklung von Atomwaffen durch den Iran zu fördern.
17
Im Fall I. 1. a) bb) (L. -Detektoren) sei der Verstoß gegen den Genehmigungsvorbehalt des Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Iranembargo-VO bis zum 21. August 2007 nicht strafbar gewesen. Nach diesem Zeitpunkt habe der Angeklagte keine Tätigkeiten mehr entfaltet, die auf den Abschluss eines Kaufvertrages über die Zählrohre gerichtet gewesen seien. Es lasse sich auch nicht feststellen , dass der Angeklagte bei der Organisation des Transfers der Zählrohre vermittelnd tätig geworden sei oder den Transfer der Zählrohre beinhaltende Transaktionen ausgehandelt oder organisiert habe. Der Senat müsse deshalb der Frage nicht weiter nachgehen, ob die in § 69 o Abs. 9 AWV enthaltene Erstreckung deutscher Strafvorschriften auf Auslandstaten wegen eines Verstoßes gegen Art. 25 GG verfassungswidrig sei. Die Tätigkeiten des Angeklagten seien auch nicht wegen eines Verstoßes gegen die Verordnung (EG) Nr. 1334/2000 des Rates vom 22. Juni 2000 (im Folgenden: Dual-Use-Verordnung) strafbar. Es lasse sich nicht beurteilen, ob die Zählrohre unter den Anhang I dieser Verordnung fielen. Unabhängig hiervon habe der Angeklagte mit den Verantwortlichen der St. GmbH nicht verabredet, die Zählrohre ohne Genehmigung auszuführen; die Beteiligten hätten sich vielmehr intensiv um die Erteilung einer solchen Genehmigung bemüht. Schließlich seien die besonderen Voraussetzungen des § 34 Abs. 2 Nr. 3 AWG nicht feststellbar; deren Vorliegen lasse sich in der Regel nur aufgrund einer vom Generalbundesanwalt nicht eingeholten Stellungnahme des Auswärtigen Amtes beurteilen.
18
Im Fall I. 1. a) cc) (V. -Ferngläser) reiche die vorliegende Auskunft des BAFA nicht aus, um beurteilen zu können, ob die Ferngläser von Teil I Abschnitt A Position 0005 der Ausfuhrliste erfasst seien; auf diese Auskunft könne eine Verurteilung deshalb keinesfalls gestützt werden. Die Strafbarkeit des Angeklagten nach § 34 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. b AWG, § 69 o Abs. 2, § 70 a Abs. 2 Nr. 3 AWV scheide aus, da diese erst ab dem 22. August 2007 in Betracht komme und der Angeklagte nach diesem Zeitpunkt kein Handels- oder Vermittlungsgeschäft abgeschlossen habe. Die Voraussetzungen des § 34 Abs. 2 Nr. 3 AWG könnten auch bei dieser Tat nicht festgestellt werden.
19
3. Nach Einlegung des Rechtsmittels durch den Generalbundesanwalt mit Schriftsatz vom 13. August 2008 hat der BND unter dem 29. August 2008 ein weiteres Behördenzeugnis erstattet. Der Senat hat mit Beschluss vom 1. Oktober 2008 angeordnet, dass eine Stellungnahme des Auswärtigen Amtes dazu eingeholt werden soll, ob die dem Angeklagten vorgeworfenen Taten konkrete nachteilige Auswirkungen auf die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland hatten, haben konnten, derzeit haben, oder ob solche Auswirkungen in der Zukunft zu erwarten sind. Eine entsprechende, die konkreten Umstände des vorliegenden Falles berücksichtigende Äußerung war zuvor nicht eingeholt worden. Die ersuchte Stellungnahme des Auswärtigen Amtes ist unter dem 11. Februar 2009 erstellt worden und am 17. Februar 2009 beim Bundesgerichtshof eingegangen.

II.

20
Die gemäß § 210 Abs. 2, § 304 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde des Generalbundesanwalts führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses im noch angegriffenen Umfang, zur vorläufigen Einstellung des Verfahrens bezüglich der Tat I. 1. a) cc) (V. -Ferngläser) und hinsichtlich der weiteren angeklagten Taten zur Eröffnung des Hauptverfahrens und Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung vor der zuständigen Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main.
21
1. Der Senat hat das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt, soweit dem Angeklagten hinsichtlich der Tat I. 1. a) cc) (V. -Ferngläser) vorgeworfen worden ist, sich wegen eines gewerbsmäßig begangenen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz (§ 34 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. b, Abs. 6 Nr. 2 AWG, § 69 o Abs. 2, § 70 a Abs. 2 Nr. 3 AWV) strafbar gemacht zu haben. Die insoweit zu erwartende Rechtsfolge - möglicherweise nur ein Bußgeld wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 33 Abs. 1 AWG i. V. m. § 70 Abs. 1 Nr. 6, § 40 Abs. 1 AWV - fällt neben der Strafe, die der Angeklagte im Falle der Verurteilung wegen der anderen angeklagten Taten - diese sind jeweils mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bedroht - zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht.
22
2. Bezüglich der verbleibenden angeklagten Taten liegen die Voraussetzungen für die Eröffnung des Hauptverfahrens vor. Das Oberlandesgericht hat - jeweils teilweise - zum einen überspannte Anforderungen an den für die Zulassung der Anklage erforderlichen Tatverdacht gestellt und die zu dessen Klärung erforderliche weitere Aufklärung (§ 202 StPO) unterlassen sowie zum anderen das Ergebnis der Ermittlungen unzutreffend gewürdigt. Im Einzelnen:
23
a) Gemäß § 203 StPO beschließt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens , wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig ist. Ein hinreichender Tatverdacht ist - wie das Oberlandesgericht zu Beginn seiner Ausführungen zutreffend dargelegt hat - zu bejahen, wenn bei vorläufiger Tatbewertung auf Grundlage des Ermittlungsergebnisses die Verurteilung in einer Hauptverhandlung mit vollgültigen Beweismitteln wahrscheinlich ist (vgl. BGHR StPO § 210 Abs. 2 Prüfungsmaßstab 2 m. w. N.). Das Oberlandesgericht hat bei der weiteren Begründung seiner Entscheidung sodann jedoch mehrfach darauf abgestellt, aus den vorliegenden Beweismitteln lasse sich die für eine Verurteilung des Angeklagten ausreichende Überzeugung nicht gewinnen. Dies deutet darauf hin, dass es in der Sache einen unzutreffenden Prüfungsmaßstab angelegt hat. Der hinreichende Tatverdacht setzt eine gewisse Wahrscheinlichkeit der Verurteilung voraus; damit wird ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit vorausgesetzt , als dies beim dringenden Tatverdacht im Sinne des § 112 Abs. 1 Satz 1 oder § 126 a StPO der Fall ist (vgl. BGHR aaO). Erst recht ist zur Eröffnung des Hauptverfahrens nicht die für eine Verurteilung notwendige volle richterliche Überzeugung erforderlich.
24
b) Die Überprüfung eines Beschlusses des erstinstanzlich tätig werdenden Oberlandesgerichts, mit dem dieses die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnt, durch den Bundesgerichtshof ist indes nicht nur darauf beschränkt, ob das Oberlandesgericht seiner Bewertung des hinreichenden Tatverdachts den zutreffenden Prüfungsmaßstab zugrunde gelegt hat und sich seine Beurteilung auf dieser Grundlage als rechtlich vertretbar erweist. Eine derart eingeschränkte Kontrolle entspräche zwar der bisherigen Rechtsprechung des Senats (BGHSt 35, 39). An dieser hält der Senat jedoch nicht länger fest. Der Bundesgerichtshof hat als Beschwerdegericht das Wahrscheinlichkeitsurteil des Oberlandesgerichts und dessen rechtliche Bewertung vielmehr in vollem Umfang nachzuprü- fen und die Voraussetzungen der Eröffnung selbstständig zu würdigen. Dies ergibt sich aus Folgendem:
25
Nach der Einfügung des § 122 Abs. 2 Satz 2 GVG ist mittlerweile nicht mehr gewährleistet, dass die Besetzung des Strafsenats des Oberlandesgerichts bei der Entscheidung über die Zulassung der Anklage mit derjenigen in der Hauptverhandlung identisch ist. Gerade auf die Identität der Besetzung bei der Eröffnungsentscheidung und in der Hauptverhandlung, wie sie nach damaliger Gerichtsverfassung vorgesehen war, ist in der Entscheidung BGHSt 35, 39, 40 ff. jedoch maßgebend abgehoben worden (so bereits BGHR aaO).
26
Soweit zur Begründung der früheren Auffassung weiter darauf abgestellt worden ist, dass die Beweiswürdigung in einem Urteil des Oberlandesgerichts lediglich mit der Revision - und damit nur in begrenztem Umfang - überprüft werden könne, rechtfertigt dies eine vergleichbar eingeschränkte Nachprüfung einer Nichteröffnungsentscheidung ebenfalls nicht. Zum einen besteht kein Anlass , Beschlüsse eines Oberlandesgerichts, mit denen die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt wird, anders zu behandeln als entsprechende Entscheidungen eines Landgerichts; dessen Urteil kann ebenfalls allein mit dem Rechtsmittel der Revision angefochten werden. Zum anderen sind die unterschiedlichen Funktionen von Beschwerde- und Revisionsverfahren zu beachten. Die Beschwerde stellt sowohl die Tatsachengrundlage der angefochtenen Entscheidung als auch die Rechtsanwendung zur Nachprüfung des Beschwerdegerichts (vgl. Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. Vor § 304 Rdn. 3). Demgegenüber ist die Revision auf die rechtliche Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung beschränkt (vgl. Kuckein in KK 6. Aufl. Vor § 333 Rdn. 1). Mit diesem unterschiedlichen Charakter von Beschwerde und Revision verbunden sind jeweils verschiedene Erkenntnismöglichkeiten von Beschwerde- und Revisionsgericht. Die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens beruht auf einer vorläufigen Bewertung des aktenkundigen Ermittlungsergebnisses; diese kann vom Beschwerdegericht in gleicher Weise wie vom Erstgericht vorgenommen werden. Das tatgerichtliche Urteil ergeht auf der Grundlage der aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung geschöpften Überzeugung des Tatrichters. Die Würdigung der Beweise ist allein seine Aufgabe; die in der Hauptverhandlung durchgeführte Beweisaufnahme ist im Revisionsverfahren grundsätzlich nicht zu rekonstruieren (vgl. Schoreit in KK 6. Aufl. § 261 Rdn. 51 ff.). Die tatsächlichen Erkenntnismöglichkeiten des Revisionsgerichts bleiben demnach hinter denjenigen des Tatgerichts deutlich zurück.
27
c) Die nach diesen Vorgaben vorzunehmende Bewertung ergibt, dass der Angeklagte hinreichend verdächtig ist, sich im Fall I. 1. a) aa) (B. - Kameras) nach § 19 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1, § 17 Abs. 2 KWKG strafbar gemacht zu haben; denn das Ermittlungsergebnis liefert ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte gewerbsmäßig handelnd die Entwicklung von Atomwaffen im Iran gefördert hat. Der Senat hat insoweit bereits in seiner in dieser Sache ergangenen Haftfortdauerentscheidung vom 26. Juni 2008 (AK 10/08) einen dringenden Tatverdacht bejaht. Es besteht bei erneuter vorläufiger Beurteilung des Ermittlungsergebnisses kein Anlass, nunmehr einen hinreichenden Tatverdacht zu verneinen.
28
aa) Das Entwickeln von Kriegswaffen setzt im Allgemeinen eine Tätigkeit voraus, die nach dem Vorliegen konkreter militärischer, technischer und wirtschaftlicher Forderungen darauf abzielt, eine Kriegswaffe zu schaffen, die es bisher entweder überhaupt oder zumindest nicht mit ihren spezifischen Eigenschaften gegeben hat (vgl. Pathe/Wagner in Bieneck, Handbuch des Außenwirtschaftsrechts , 2. Aufl. § 44 Rdn. 117; Heinrich in MünchKomm-StGB § 19 KWKG Rdn. 7). Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. BGH, Beschl. vom 26. Juni 2008 - AK 10/08) ist es indes nicht erforderlich, dass die Tätigkeit auf die Schaffung einer bislang mit ihren spezifischen Eigenschaften noch nicht existenten Kriegswaffe abzielt (so aber LG Stuttgart NStZ 1997, 290 zu § 20 Abs. 1 Nr. 1 KWKG). Eine derart enge Auslegung des Tatbestandsmerkmals widerspricht auch bei "konventionellen" Kriegswaffen - insbesondere vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Verankerung der Kriegswaffenkontrolle in Art. 26 Abs. 2 GG - dem Regelungsziel des Kriegswaffenkontrollgesetzes (vgl. hierzu Holthausen NJW 1991, 203) und wird dem Umstand nicht gerecht, dass im Bereich der Kriegswaffenproduktion mittlerweile nicht das "Erfinden" völlig neuer Waffen, sondern das Erlangen der technologischen Voraussetzungen für eine Eigenproduktion bereits bekannter Kriegswaffen im Vordergrund steht (vgl. OLG Düsseldorf NStZ 2000, 378, 379; Holthausen NStZ 1997, 290; ders. wistra 1998, 209; Pietsch NStZ 2001, 234). Dies gilt in besonderem Maße für die Entwicklung von Atomwaffen; gerade in diesem Bereich würde der Tatbestand seine intendierte Bedeutung verlieren, wollte man die Beteiligung an einem "Nachentwickeln" derartiger Waffen durch Staaten oder Organisationen, die noch nicht im Besitz atomarer Sprengköpfe sind, aus dem Bereich der Strafbarkeit herausnehmen (vgl. Heinrich aaO § 19 KWKG Rdn. 7). Unter den Begriff des "Entwickelns" von Atomwaffen im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 KWKG fallen deshalb sämtliche Maßnahmen zur Schaffung der technologischen Voraussetzungen für eine eigene atomare Kampfstoffproduktion einschließlich der Planung und Errichtung von Produktionsanlagen (vgl. OLG Düsseldorf aaO).
29
Nach diesen Maßstäben machen es die vorliegenden Beweismittel bei vorläufiger Bewertung wahrscheinlich, dass zur Tatzeit im Iran Atomwaffen entwickelt wurden. Hierfür sprechen insbesondere bereits die Erkenntnisse, die der BND in der Stellungnahme vom Mai 2008 aufgezeigt hat. Bei dieser Äußerung handelt es sich um ein Behördenzeugnis und nicht um ein Behördengutachten , denn Aufgabe des BND ist es in diesem Zusammenhang, den Beweisstoff durch die Bekundung von ihm festgestellter Tatsachen darzulegen, und nicht auf der Basis bereits vorhandenen Tatsachenmaterials oder angestellter Untersuchungen als Sachverständiger Bewertungen abzugeben (vgl. MeyerGoßner aaO § 256 Rdn. 5 f.). Der BND hat nachvollziehbar dargelegt, nach seiner Einschätzung seien im Iran Entwicklungsarbeiten an Kernwaffen auch nach 2003 zu erkennen. Dies wird u. a. mit Erkenntnissen über Beschaffungsaktivitäten des Iran unter Beteiligung einschlägig bekannter Institutionen bezüglich solcher Güter begründet, die der Entwicklung von Kernwaffen dienen können. Der Wertung des Oberlandesgerichts, diese Aussagen seien "überaus vage" , ist vor diesem Hintergrund nicht zu folgen. Dies gilt erst recht, nachdem der BND seine Erkenntnis in einem weiteren - allerdings erst nach der angefochtenen Entscheidung erstellten - Zeugnis vom 28. August 2008 spezifiziert und durch die Darlegung weiterer Indizien ergänzt hat. So hat er etwa auf die Entwicklung eines neuen Trägerraketensystems und die Gemeinsamkeiten der Beschaffungsbemühungen des Iran und denjenigen von Ländern mit bereits bekannten Atomwaffenprogrammen - wie z. B. Pakistan und Nordkorea - hingewiesen.
30
Die Bedeutung dieser jedenfalls bei einer Gesamtschau gewichtigen Indizien wird durch die sonstigen Beweismittel nicht derart relativiert, dass der hinreichende Tatverdacht entfällt. Insbesondere der vom Oberlandesgericht zur Begründung seiner Auffassung herangezogene US-amerikanische National Intelligence Estimate vom November 2007 macht aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Beschwerdebegründung vom 13. August 2008 zutreffend ausgeführten Gründen (S. 3 ff.) die Verurteilung des Angeklagten nicht unwahrscheinlich. Dasselbe gilt für die aktenkundigen Äußerungen der Internationalen Atomenergiebehörde.
31
Der Senat weist allerdings erneut ausdrücklich darauf hin, dass für den hier zu beurteilenden hinreichenden Tatverdacht die Wahrscheinlichkeit der Verurteilung maßgebend ist. Ob sich eine die Verurteilung des Angeklagten tragende Überzeugung dahin gewinnen lässt, dass der Iran im Tatzeitraum Atomwaffen entwickelt hat, kann demgegenüber erst aufgrund einer Bewertung der in der Hauptverhandlung durchzuführenden Beweisaufnahme entschieden werden. In deren Rahmen wird es unumgänglich sein, über die Einführung der Behördenzeugnisse des BND hinaus auch den in diesem Zusammenhang vom Generalbundesanwalt angebotenen Zeugenbeweis zu erheben. Daneben wird es in besonderem Maße erforderlich sein, die sonstigen erreichbaren Beweismittel zur Aufklärung dieser Frage zu nutzen; denn es darf nicht verkannt werden , dass es sich bei den Behördenzeugnissen des BND nur um sekundäre Beweismittel handelt, welche die unmittelbaren Quellen der dort wiedergegebenen Erkenntnisse und Bewertungen nicht bzw. nicht vollständig offen legen und daher einer vorsichtigen Beweiswürdigung unter Heranziehung der weiteren zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten bedürfen.
32
bb) Bei dem Tatbestand des Förderns i. S. d. § 19 Abs. 1 Nr. 2 KWKG handelt es sich um eine zur Täterschaft erhobene selbstständige Form der Beihilfe. Er umfasst diejenigen Hilfeleistungen, die unter § 27 Abs. 1 StGB subsumiert werden können, und damit jede Handlung, welche die Rechtsgutsverletzung des Haupttäters ermöglicht oder verstärkt oder ihre Durchführung erleichtert (vgl. Steindorf in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, KWKG § 19 Rdn. 5 m. w. N.; Pathe/Wagner aaO § 44 Rdn. 121 ff.; Holthausen NJW 1991, 203, 204).
33
Das Ergebnis der Ermittlungen macht es wahrscheinlich, dass der Angeklagte durch das Vermitteln des Verkaufs und der Lieferung der Hochgeschwindigkeitskameras in den Iran die dortige Entwicklung von Atomwaffen in diesem Sinne gefördert hat. Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts besteht insbesondere eine ausreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Kameras eine militärische Verwendung finden sollten. Hierfür sprechen vor allem deren spezifische, gerade für die Entwicklung von Kernwaffen erforderliche Eigenschaften , die konkreten, in hohem Maße aufwändigen und konspirativen Umstände der Abwicklung des Geschäfts sowie die sonstigen ermittelten Beschaffungsaktivitäten des "Einkäufers" K. .
34
cc) Das Ermittlungsergebnis belegt schließlich in einem für die Eröffnung des Hauptverfahrens ausreichendem Maße den Vorsatz des Angeklagten. Diesem waren nach seiner eigenen Einlassung die Verwendungsmöglichkeiten der Kameras im militärischen Bereich bekannt. Er handelte bewusst unter Verstoß gegen das Iran-Embargo und trug wesentlich dazu bei, dass die Kameras in einem aufwändigen Verfahren auf konspirative Weise in den Iran gelangten. Außerdem hielt er sich regelmäßig im Iran auf. Diese und die weiteren, vom Generalbundesanwalt in seiner Anklageschrift (S. 37 ff.) aufgeführten Gesichtspunkte machen es wahrscheinlich, dass er die Entwicklung von Atomwaffen im Iran und den Umstand, diese durch die Vermittlung der Lieferung der Kameras zu fördern, jeweils zumindest für möglich hielt und billigend in Kauf nahm.
35
dd) Ein hinreichender Tatverdacht dahin, dass der Angeklagte den in der Anklageschrift nicht aufgeführten Qualifikationstatbestand des § 19 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c KWKG verwirklicht hat, besteht auch unter Berücksichtigung des Ergebnisses der vom Senat im Zwischenverfahren veranlassten Beweiserhebung nicht.
36
§ 19 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c KWKG setzt voraus, dass durch die Handlung des Täters die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich gefährdet werden. Der Tatbestand ist - im Gegensatz etwa zu § 34 Abs. 2 Nr. 3, § 34 Abs. 6 Nr. 4 Buchst. c AWG, bei denen es sich um abstraktkonkrete Gefährdungsdelikte handelt (s. u. II. 2. d) cc)) - vom Gesetzgeber, nachdem ursprünglich sogar ein Verletzungsdelikt vorgesehen war (BTDrucks. 11/4609 S. 4, 9), als konkretes Gefährdungsdelikt ausgestaltet worden (vgl. BTDrucks. 11/7221 S. 11). Daher genügt eine lediglich potentielle Rechtsgutsgefährdung nicht. Notwendig ist vielmehr, dass für das betroffene Schutzgut eine konkret riskante Situation entsteht, bei der das Umschlagen in eine Verletzung unmittelbar bevorsteht und deren Ausbleiben nur vom Zufall abhängt (vgl. Pathe/Wagner aaO § 44 Rdn. 128; Steindorf aaO KWKG § 19 Rdn. 13; Heinrich aaO § 19 KWKG Rdn. 19). Diese Feststellung bereitet bereits bei der Gefährdung von Individualrechtsgütern im Einzelfall regelmäßig Schwierigkeiten. Bei dem hier in Rede stehenden, ein Rechtsgut der Allgemeinheit schützenden und sprachlich weit gefassten Tatbestandsmerkmal ist sie in der Regel erst recht schwer und kaum mit ausreichender Sicherheit zu treffen (für § 19 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ebenso Steindorf aaO KWKG § 19 Rdn. 11). Dies gilt insbesondere dann, wenn nicht aus einer tatsächlich eingetretenen Störung auf eine konkrete Gefährdung geschlossen werden kann (vgl. Heinrich aaO § 19 KWKG Rdn. 19).
37
Im Übrigen hat der Senat für das Tatbestandsmerkmal "Eignung zur Gefährdung der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland" (vgl. etwa § 34 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 6 Nr. 4 Buchst. c AWG), das sich von dem hier relevanten allerdings durch den erforderlichen Grad der Intensität des Angriffs auf das geschützte Rechtsgut unterscheidet, bereits darauf hingewiesen, dass dieses sprachlich sehr weit gefasst und seine Verwendung deshalb mit Blick auf das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG in hohem Maße problematisch ist. Sowohl der verfassungsrechtliche Kontext als auch Überlegungen auf der Ebene des einfachen Gesetzes machen deshalb eine einschränkende Auslegung notwendig (vgl. BGH, Beschl. vom 13. Januar 2009 - AK 20/08, zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen). Diese Grundsätze gelten im Rahmen des § 19 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c KWKG entsprechend. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Norm muss die Gefährdung auch hier "erheblich" sein. Die Annahme des Tatbestandsmerkmals führt zu einer deutlichen Verschärfung der angedrohten Sanktion. Während der Grundtatbestand des § 19 Abs. 1 KWKG Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren vorsieht, reicht der Strafrahmen des § 19 Abs. 2 KWKG von zwei bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe. Das Rechtsgut der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland steht schließlich in einer Reihe mit den besonders gewichtigen Schutzgütern der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und dem friedlichen Zusammenleben der Völker (§ 19 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a und b KWKG).
38
Hieraus folgt, dass eine erhebliche Gefährdung der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland nur dann vorliegt, wenn anhand konkreter tatsächlicher Umstände festzustellen ist, dass die Bundesrepublik Deutschland durch die Tat in eine Lage gebracht werden kann, die es ihr unmöglich macht oder ernsthaft erschwert, ihre Interessen an gedeihlichen Beziehungen zu anderen Staaten zu wahren. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn aufgrund der Tat Akte starker diplomatischer Missbilligung, eine feindselige Kampagne der führenden Medien eines wichtigen Landes der Völkergemeinschaft oder eine Verurteilung der Bundesrepublik Deutschland in inter- bzw. supranationalen Gremien nahe liegend zu erwarten sind. Demgegenüber reicht nicht jede mögliche negative Reaktion eines fremden Staates, wie z. B. eine bloße Demarche, für sich allein bereits aus (vgl. BGH, Beschl. vom 13. Januar 2009 - AK 20/08, zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen m. w. N.).
39
In diesem Sinne kann eine Gefährdung der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zum Beispiel dann in Betracht kommen, wenn Atomwaffen oder zu deren Entwicklung bzw. Herstellung geeignete Güter unter Verletzung von völkerrechtlichen Verträgen oder Embargo-Vereinbarungen vom Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland aus in andere Staaten, insbesondere einen militärischen Gegner eines Bündnispartners der Bundesrepublik Deutschland gelangen. Gleiches kann etwa gelten, wenn Waffen ausgeführt werden, hinsichtlich derer sich die Bundesrepublik Deutschland im Wege der internationalen Zusammenarbeit der Durchführung einer gemeinsamen Exportkontrolle unterworfen hat, da ein illegaler Export der Bundesrepublik Deutschland in diesen Fällen als Vollzugsdefizit angelastet werden könnte (vgl. Heinrich aaO § 19 KWKG Rdn. 23).
40
Nach diesen Maßstäben machen es auch die vom Auswärtigen Amt in seiner Stellungnahme vom 11. Februar 2009 mitgeteilten tatsächlichen Umstände nicht wahrscheinlich, dass in der Hauptverhandlung die dargelegten Tatbestandsvoraussetzungen nachgewiesen werden könnten. Das Auswärtige Amt hat keine durch die vorliegende Tat ausgelöste Reaktion eines fremden Staates oder eines inter- bzw. supranationalen Gremiums mitgeteilt. Die von ihm dargelegten Tatsachen reichen auch im Übrigen nicht aus, um von einer durch die Handlung des Angeklagten verursachten Situation auszugehen, bei der das Umschlagen in eine Verletzung in dem beschriebenen Sinn unmittelbar bevorsteht und deren Ausbleiben nur vom Zufall abhängt. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der aufgezeigten besonderen Aktivitäten der Bundesrepublik Deutschland zur Befriedung der im Nahen und Mittleren Osten bestehenden Konflikte und der besonderen Rolle, die das Empfängerland Iran in der Staatengemeinschaft einnimmt. Soweit das Auswärtige Amt zwei nicht den vorliegenden Fall betreffende kritische Zeitungsartikel - einen amerikanischen aus dem Jahre 2008 und einen israelischen aus dem Jahre 2007 - anführt, kommt diesen vereinzelten Pressemeldungen hier keine wesentliche Bedeutung zu (vgl. Bieneck in Wolffgang/Simonsen, AWG § 34 Rdn. 63). Von besonderem Belang ist demgegenüber, dass die Kameras aus Russland in den Iran gelangten , ohne dass die deutschen Exportkontrollbehörden mit diesem Vorgang in irgendeiner Weise befasst waren. Der Angeklagte beging wesentliche Tatbeiträge wie das Aushandeln der Einzelheiten des Vertrages oder das Beschaffen einer geeigneten Endverbleibsbescheinigung in Russland bzw. im Iran und damit im Ausland. Allein der Umstand, dass er sich als deutscher Staatsbürger an dem Verbringen der Kameras in den Iran beteiligte und einen Teil seiner Aktivitäten von deutschem Staatsgebiet aus entfaltete, reicht vor dem Hintergrund der Gesetzessystematik bei sachgerechter Bewertung der sonstigen Umstände deshalb nicht aus, um einen hinreichenden Tatverdacht bezüglich des Qualifikationstatbestandes anzunehmen.
41
d) Im Fall I. 1. a) bb) (L. -Detektoren) besteht ein hinreichender Tatverdacht für eine Straftat nach § 34 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. b, Abs. 6 Nr. 2 AWG, § 69 o Abs. 9 Satz 1, § 70 a Abs. 2 Nr. 9 AWV.
42
aa) Nach § 69 o Abs. 9 AWV bedürfen Maklerdienstleistungen im Zusammenhang mit dem Verkauf und der Ausfuhr von Gütern im Sinne von Anhang II der Iranembargo-VO nach Iran oder ihrer Herstellung und Verwendung im Iran, die innerhalb oder außerhalb des Wirtschaftsgebiets von Gebietsansässigen erbracht werden, der Genehmigung. Dieser Genehmigungsvorbehalt entspricht demjenigen in Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Iranembargo-VO. Gemäß § 70 a Abs. 2 Nr. 9 AWV wird nach § 34 Abs. 4 Nr. 1 AWG u. a. bestraft, wer ohne Genehmigung nach § 69 o Abs. 9 Satz 1 Maklerdienstleistungen erbringt. Die § 69 o Abs. 9, § 70 a Abs. 2 Nr. 9 AWV wurden am 21. August 2007 im Bundesanzeiger veröffentlicht. Hieraus folgt, dass ein hinreichender Verdacht für eine Strafbarkeit nach diesen strafbegründenden Vorschriften nur dann bejaht werden kann, wenn der Angeklagte durch nach diesem Zeitpunkt begangene Handlungen wahrscheinlich gegen den Genehmigungsvorbehalt verstoßen hat. Hierzu gilt:
43
Das Ermittlungsergebnis macht es wahrscheinlich, dass die Zählrohre für nukleare Zwecke konstruiert waren und somit den in Anhang II Nr. IIA0.006 der Iranembargo-VO aufgeführten nuklearen Nachweissystemen unterfielen.
44
Es bestehen ebenfalls ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte nach dem 21. August 2007 ohne die erforderliche Genehmigung Maklerdienstleistungen im Sinne der genannten Vorschriften erbrachte. Nach Art. 1 Buchst. f der Iranembargo-VO sind als Maklerdienstleistungen Tätigkeiten von Personen, Einrichtungen und Partnerschaften anzusehen, die als Vermittler beim Kauf, beim Verkauf oder bei der Organisation des Transfers von Gütern und Technologien tätig sind oder die Transaktionen aushandeln oder organisieren, die den Transfer von Gütern und Technologien beinhalten.
45
Die wesentlichen vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien waren zwar bereits vor dem 21. August 2007 getroffen. Es besteht jedoch eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Angeklagte, der am 20. August 2007 in den Iran gereist war, noch in der Zeit danach als Vermittler bei der Organisation des Transfers der Güter tätig war, indem er mit der St. GmbH einerseits und den iranischen Auftraggebern andererseits dessen Modalitäten besprach und insbesondere über eine ausreichende Endverbleibserklärung verhandelte. Dem Oberlandesgericht ist dahin zuzustimmen, dass der Inhalt der als Beweismittel vorgelegten E-Mails sowie der Telefonate, die der Angeklagte aus dem Iran führte, isoliert betrachtet eher geringe Rückschlüsse auf eine Maklertätigkeit des Angeklagten während seines Aufenthalts im Iran zulässt. Die vom Angeklagten von dort aus entfalteten Bemühungen sind jedoch bei verständiger Würdigung des Gesamtgeschehens als Fortsetzung der bereits zuvor begonnenen, langwierigen und intensiven Tätigkeiten zu sehen, die der Vorlage einer den Anforderungen des BAFA genügenden Endverbleibserklärung dienten. Die Problematik, dem BAFA eine plausible Endverwendung der Detektoren vorzutäuschen, war für die beabsichtigte Ausfuhr der Güter von zentraler Bedeutung und damit wesentlicher Bestandteil der vom Angeklagten als Vermittler für die Ausfuhr der Ware in den Iran noch zu leistenden Tätigkeiten. Vor diesem Hintergrund belegen die in der Anklageschrift aufgeführten Beweismittel bei einer Gesamtschau noch ausreichend die Wahrscheinlichkeit, dass der Angeklagte auch nach dem 21. August 2007 Maklerdienstleistungen erbrachte. Ob sich insoweit eine die Verurteilung tragende Überzeugung gewinnen lässt, bleibt der Bewertung des Ergebnisses der in der Hauptverhandlung durchzuführenden Beweisaufnahme vorbehalten.
46
bb) Der wahrscheinlichen Strafbarkeit des Angeklagten steht nicht entgegen , dass er seine Tätigkeiten nach dem 21. August 2007 nicht in der Bundesrepublik Deutschland sondern im Iran erbrachte. Zum einen erstreckt § 69 o Abs. 9 AWV den durch § 70 a Abs. 2 Nr. 9 AWV strafbewehrten Genehmigungsvorbehalt ausdrücklich auf Maklerdienstleistungen, die außerhalb des Wirtschaftsgebiets, mithin des Geltungsbereichs des Außenwirtschaftsgesetzes4 Abs. 1 Nr. 1 AWG), von Gebietsansässigen erbracht werden. Als natürliche Person mit Wohnsitz in Frankfurt am Main ist der Angeklagte Gebietsansässiger (§ 4 Abs. 1 Nr. 5 AWG). Zum anderen bestimmt § 35 AWG, dass § 34 AWG, unabhängig vom Recht des Tatorts, auch im Ausland gilt, wenn der Täter - wie der Angeklagte - Deutscher ist.
47
Diese Erstreckung des Geltungsbereichs des materiellen deutschen Strafrechts auf Auslandstaten verstößt nicht gegen Art. 25 GG (aA Pottmeyer NStZ 1992, 57). Nach dieser Grundgesetznorm sind die allgemeinen Regeln des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts und gegenüber Vorschriften der einfachen Gesetze vorrangig. Als allgemeine Regeln in diesem Sinne sind u. a. das Prinzip der territorialen Souveränität und das völkerrechtliche Interventionsverbot zu qualifizieren. Aus diesen ergibt sich, dass es jedem Staat grundsätz- lich untersagt ist, sich in Angelegenheiten einzumischen, die der inneren Jurisdiktion eines anderen Staates unterliegen. Von dieser Regel ist indes dann eine Ausnahme zu machen, wenn für die Erstreckung der Strafbarkeit auf Auslandssachverhalte ein legitimierender Anknüpfungspunkt vorliegt (vgl. BGHSt 27, 30, 32 ff.; 34, 334, 336). Eine derartige Legitimation für die Strafbarkeitserstreckung auf Taten im Ausland ist dann gegeben, wenn sie von einem der Prinzipien des internationalen Strafrechts gedeckt ist. Nach der Staatenpraxis ist es grundsätzlich zulässig, den sachlichen Anwendungsbereich einer Rechtsnorm über den durch das eigene Hoheitsgebiet markierten räumlichen Geltungsbereich hinaus auf Auslandssachverhalte zu erstrecken, sofern zwischen dem normierenden Staat und dem von ihm normierten Auslandssachverhalt eine "echte Verknüpfung" gegeben ist. Diese Voraussetzung wird allgemein angenommen, wenn der den Auslandssachverhalt regelnde Normtatbestand zugleich einen mit diesem substantiell hinreichend verknüpften Inlandssachverhalt betrifft (vgl. Holthausen NJW 1992, 214). Eine derartige ausreichende Verknüpfung der Auslandserstreckung mit einem Inlandssachverhalt ist im Außenwirtschaftsrecht aufgrund der in Rede stehenden Schutzgüter der äußeren Sicherheit und der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland gegeben (vgl. Bieneck aaO § 35 Rdn. 10). Darüber hinaus greift bei § 35 AWG auch das Personalitätsprinzip ein, wonach jeder Staat über seine Staatsangehörigen die Personalhoheit ausübt. Diese verleiht ihm die Kompetenz, sie zu einem bestimmten Verhalten zu verpflichten, und zwar grundsätzlich auch dann, wenn sie sich in fremdem Hoheitsgebiet aufhalten (vgl. Holthausen NJW 1992, 214, 215). Die bei der Regelung von Auslandssachverhalten entstehende Kollision von Territorialitätsprinzip und Personalitätsprinzip ist - jedenfalls im hier relevanten Bereich des Außenwirtschaftsstrafrechts - in dem Sinne zu lösen, dass die Staatsangehörigkeit des Normadressaten als ausreichende Verknüpfung zu dem normierten Auslandstatbestand anzusehen ist (vgl. Diemer in Erbs/Kohlhaas, Straf- rechtliche Nebengesetze, AWG § 35 Rdn. 2; allg. BGH NJW 1969, 1542; NJW 1951, 769 f.; jeweils zu § 3 StGB aF; Eser in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. Vorbem §§ 3-7 Rdn. 6; vgl. auch § 5 Nr. 3 Buchst. a, Nr. 5 Buchst. b, Nr. 8, 9, 12, 13 StGB).
48
cc) Mit der Anklageschrift des Generalbundesanwalts ist davon auszugehen , dass ein hinreichender Tatverdacht für eine Erfüllung des Qualifkationstatbestands nach § 34 Abs. 6 Nr. 4 Buchst. c AWG nicht besteht; denn es ist nach dem Ermittlungsergebnis nicht wahrscheinlich, dass die Handlungen des Angeklagten geeignet waren, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich zu gefährden. Bei diesem abstrakt-konkreten Gefährdungsdelikt ist - anders als etwa bei § 19 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c KWKG (s. o. II. 2. c) dd)) - der tatsächliche Eintritt einer Gefährdung nicht erforderlich. Vielmehr genügt es, wenn die Tathandlung nach den objektiven Umständen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Gefährdung bewirken kann (vgl. Diemer aaO § 34 Rdn. 14, 35; Bieneck aaO § 34 Rdn. 62 ff.; Friedrich in Hocke /Berwald/Maurer/Friedrich, Außenwirtschaftsrecht, AWG § 34 Rdn. 57; vgl. im Übrigen zu diesem Tatbestandsmerkmal ausführlich BGH, Beschl. vom 13. Januar 2009 - AK 20/08, zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen).
49
Dies ist aufgrund einer Gesamtschau der konkreten Einzelfallumstände zu entscheiden. Ein wichtiges Indiz hierbei ist, ob staatlichen deutschen Stellen ein Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass es zu dem Verstoß gegen die außenwirtschaftsrechtlichen Bestimmungen kommen konnte; denn in diesen Fällen liegt es deutlich näher, dass die Bundesrepublik Deutschland negativen Reaktionen anderer Staaten oder internationaler Organisationen ausgesetzt ist, als bei Fallgestaltungen, in denen den staatlichen Organen kein Fehlverhalten anzulasten ist. Erst recht gilt dies, wenn diese durch ihr Eingreifen eine verbotene oder ohne die erforderliche Genehmigung geplante Lieferung eines Wirt- schaftsgutes sogar verhindert haben. Daneben werden regelmäßig die sonstigen Umstände wie etwa Art und Menge der Ware, deren Verwendungsmöglichkeit und -zweck, das konkrete Empfängerland etc. ebenso in die Gesamtbetrachtung einzustellen sein wie Umfang und Gewicht der konkreten außenpolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland, die durch die Tat gefährdet werden können.
50
Danach ist hier von wesentlicher Bedeutung, dass es dem Angeklagten nicht gelungen ist, das BAFA und damit die deutsche Exportkontrollbehörde durch die Vorlage einer den Tatsachen nicht entsprechenden Endverbleibsbescheinigung zur Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung zu veranlassen, und die Durchführung des Geschäfts maßgebend aus diesem Grunde gescheitert ist. Deshalb liegt es - auch bei Berücksichtigung der sonstigen tatsächlichen Umstände , wie sie das Auswärtige Amt in seiner Stellungnahme vom 11. Februar 2009 dargelegt hat - bei einer Gesamtbewertung aller relevanten Gesichtspunkte nicht nahe, dass die erfolglose Vermittlungstätigkeit des Angeklagten im Sinne eines hinreichenden Tatverdachts ihrer Art nach typischerweise mit hinreichender Wahrscheinlichkeit geeignet war, Akte starker diplomatischer Missbilligung oder Medienkampagnen gegen die Bundesrepublik Deutschland in wichtigen Partnerländern oder gar negative Reaktionen in einem inter- oder supranationalen Gremium herbeizuführen.
51
3. Zuständig zur Durchführung des Hauptverfahrens ist die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main (§ 74 Abs. 1, § 74 c Abs. 1 Nr. 3 GVG). Die allein nach § 120 Abs. 2 Nr. 4 GVG in Betracht kommende Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main, zu dem der Generalbundesanwalt die Anklage erhoben hat, ist nicht gegeben; denn die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nicht vor.
52
a) Soweit das Verfahren mit der Vermittlung der Lieferung der B. - Kameras in den Iran ein Delikt nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz betrifft, sieht § 120 Abs. 2 Nr. 4 GVG die erstinstanzliche Zuständigkeit des Oberlandesgerichts als Bundesgerichtsbarkeit ausübendes Tatgericht nur bei Straftaten nach § 19 Abs. 2 Nr. 2 und § 20 Abs. 1 KWKG vor. Aus den dargelegten Gründen (s. o. II. 2. c) dd)) ist der Angeklagte jedoch eines Verstoßes gegen den im vorliegenden Fall allein in Betracht kommenden § 19 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c KWKG nicht hinreichend verdächtig.
53
b) Die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts ergibt sich auch nicht aus der angeklagten Straftat nach § 34 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. b, Abs. 6 Nr. 2 AWG, § 69 o Abs. 9, § 70 a Abs. 2 Nr. 9 AWV (L. -Detektoren). Bei Straftaten nach dem Außenwirtschaftsgesetz hängt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts - soweit im vorigen Fall von Relevanz - u. a. davon ab, dass die Tat nach den Umständen geeignet ist, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich zu gefährden (§ 120 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. a GVG). Diese Voraussetzung ist nicht gegeben. Der Senat verweist insoweit auf seine Ausführungen zu dem materiellrechtlichen Qualifikationstatbestand des § 34 Abs. 6 Nr. 4 Buchst. c AWG, hinsichtlich dessen jedoch Anklage nicht erhoben worden ist und nach der Bewertung durch den Senat auch unter Berücksichtigung des Ergebnisses der im Zwischenverfahren durchgeführten Beweiserhebung kein hinreichender Tatverdacht besteht. Soweit dort bestimmt ist, eine in § 34 Abs. 4 AWG bezeichnete "Handlung" müsse geeignet sein, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich zu gefährden, während § 120 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. a GVG darauf abstellt, ob diese Eignung der "Tat nach den Umständen" zukommt, kommt dieser unterschiedlichen sprachlichen Formulierung in der Sache hier keine maßgebende Bedeutung zu.
54
Aus den entsprechenden Gründen wäre die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts auch nicht durch die vom Senat vorläufig eingestellte Tat (V. Ferngläser) begründet gewesen.
55
4. Der zuständigen Strafkammer obliegt die nach § 76 Abs. 2 GVG zu treffende Entscheidung über ihre Besetzung in der Hauptverhandlung (vgl. OLG Koblenz wistra 1995, 282; Meyer-Goßner aaO § 76 GVG Rdn. 4 m. w. N.).
56
5. Mit der teilweisen Eröffnung des Hauptverfahrens entfallen die vom Oberlandesgericht in dem angefochtenen Beschluss getroffene Kosten- und Auslagenentscheidung sowie der Ausspruch über die Entschädigung des Angeklagten für die erlittene Untersuchungshaft. Becker RiBGH Dr. Miebach befindet Pfister sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Sost-Scheible Schäfer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
________________
StB 27/09
vom
19. Januar 2010
Nachschlagewerk: Ja
BGHSt: Ja (jeweils zu A. I, B. II. und B. IV.)
Veröffentlichung: Ja
_______________________
AWG § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 34 Abs. 2 Nr. 3
AWV § 5 c Abs. 2
AEUV Art. 267 (Art. 234 EGV)
VO (EG) 1334/2000 Art. 5 Abs. 1 bzw. VO (EG) 428/2009 Art. 8 Abs. 1
1. § 5 c AWV ist von der Öffnungsklausel in Art. 5 Abs. 1 der Verordnung
(EG) 1334/2000 (Dual-Use-VO) (jetzt Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG)
428/2009 (Dual-Use-VO nF)) gedeckt und deshalb zulässiges, durch
§ 34 Abs. 2 Nr. 3 AWG strafbewehrtes nationales Exportkontrollrecht.
2. Ein etwaiger Verstoß gegen den Grundsatz des Vorrangs von Gemeinschaftsrecht
dadurch, dass Teil I Abschnitt C der nationalen Ausfuhrliste
(Anlage AL zur AWV) den Anhang I zu Art. 3 der Verordnung (EG)
1334/2000 (Dual-Use-VO) bzw. der Verordnung (EG) 428/2009 (DualUse
-VO nF) wiederholt, steht jedenfalls der Anwendbarkeit der Strafnorm
des § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AWG nicht entgegen.
3. Im Verfahren über die sofortige Beschwerde gegen die Nichteröffnung
des Hauptverfahrens besteht keine Pflicht zur Vorlage an den Gerichtshof
der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV (früher: Art. 234
EGV).
BGH, Beschluss vom 19. Januar 2010 - StB 27/09 - Oberlandesgericht München -
in dem Strafverfahren
gegen
wegen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Januar 2010 gemäß
§§ 199, 203, 210 Abs. 2, § 304 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 StPO beschlossen:
1. Auf die sofortige Beschwerde des Generalbundesanwalts wird
a) der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 19. März 2009 aufgehoben, soweit das Oberlandesgericht die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt hat;
b) das Hauptverfahren eröffnet und die Anklage des Generalbundesanwalts vom 7. August 2008 zur Hauptverhandlung vor der zuständigen Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts München II mit der Maßgabe zugelassen, dass der gegen den Angeklagten erhobene Vorwurf der geheimdienstlichen Agententätigkeit entfällt. 2. Auf die Beschwerde des Generalbundesanwalts wird
a) der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 19. März 2009 aufgehoben, soweit das Oberlandesgericht aa) die Arrestbeschlüsse des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof vom 19. Oktober 2006 (1 BGs 142/2006) und vom 13. Dezember 2006 (1 BGs 151/2006) in das Vermögen des Angeschuldigten und der H. Limited, aufgehoben hat; hinsichtlich des letztgenannten Beschlusses jedoch nur, soweit sich die Aufhebung durch das Oberlandesgericht München auf einen Teilbetrag von 277.041,07 € erstreckt ; bb) die mit Beschlüssen des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof vom 29. November 2006 (1 BGs 192/2006), vom 7. Dezember 2006 (1 BGs 198/2006) und vom 21. Mai 2007 (1 BGs 226/2007) angeordneten Beschlagnahmen aufgehoben hat;
b) gemäß § 111 b Abs. 1, 3 und 4 StPO, § 111 c Abs. 1, § 111 e Abs. 1 Satz 1 StPO i. V. m. § 101 a Nr. 1 i. V. m. § 74 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB die Beschlagnahme von - fünf DVDs mit der Aufschrift "AS BA SH-SCA 17/02/05, 27/09/05, 01/11/052", "1107/06 HS", "02/04/06", "19/11/05, 02/04/06", "SH 11/07/06" (Asservaten-Nr. 10 ZFA Stuttgart zum Schließfach Nr. 699), beim Zollfahndungsamt Stuttgart verwahrt; - einem Aluminiumwinkel mit schwarzer Kunststoffeinlage, Bohrungen und der Aufschrift "568-490-066+GF+" (Asservaten -Nr. 10.2 ZFA Stuttgart zum Schließfach Nr. 574), beim Zollfahndungsamt Stuttgart verwahrt; - einem Notebook der Marke "Toshiba Satellite" mit Maus und Netzteil (Asservaten-Nr. 1.2.4.4.1 BKA), beim Bundeskriminalamt verwahrt; - einem Mobiltelefon der Marke "Nokia 6260" mit Ladegerät (Asservaten-Nr. 1.2.3.3.1.2 und 1.2.4.4.1.3 BKA), beim Bundeskriminalamt verwahrt; und - 15 Blatt technischer Zeichnungen der B. GmbH (Asservaten -Nr. 2 ZFA Stuttgart zum Schließfach Nr. 574, Vermerk des Zollfahndungsamts Stuttgart vom 13. November 2007, Fallakte 020-2000 Bd. 1, S. 10.1), beim Zollfahndungsamt Stuttgart verwahrt; angeordnet. 3. Die weitergehenden Rechtsmittel werden verworfen. 4. Die Kosten der zurückgenommenen Beschwerde des Generalbundesanwalts gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 19. März 2009, soweit mit diesem der gegen den Angeklagten bestehende Haftbefehl und der zugehörige Verschonungsbeschluss aufgehoben worden sind, und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Gründe:

1
Der Generalbundesanwalt hat dem Angeklagten mit der zum Oberlandesgericht München erhobenen Anklage vorgeworfen, für den Geheimdienst einer fremden Macht eine geheimdienstliche Agententätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland ausgeübt und tateinheitlich dazu 29 Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz begangen zu haben. Das Oberlandesgericht hat mit Beschluss vom 19. März 2009 die Eröffnung des Hauptverfahrens aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen abgelehnt. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Generalbundesanwalt mit seiner sofortigen Beschwerde.
2
Das Oberlandesgericht hat daneben die folgenden, jeweils vom Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs getroffenen Entscheidungen aufgehoben: den gegen den Angeklagten bestehenden Haftbefehl vom 25. Oktober 2006 (1 BGs 151/2006) sowie den zugehörigen Verschonungsbeschluss vom 22. Februar 2007 (1 BGs 49/2007), zwei Arrestbeschlüsse vom 19. Oktober 2006 (1 BGs 142/2006) und vom 13. Dezember 2006 (1 BGs 151/2006) in das Vermögen des Angeschuldigten und der H. Limited, sowie die mit drei Beschlüssen vom 29. November 2006 (1 BGs 192/2006), vom 7. Dezember 2006 (1 BGs 198/2006) und vom 21. Mai 2007 (1 BGs 226/2007) angeordneten Beschlagnahmen. Einen weitergehenden , in der Anklageschrift enthaltenen Beschlagnahmeantrag hat es zurückgewiesen.
3
Dagegen hat der Generalbundesanwalt zunächst insgesamt Beschwerde eingelegt, die er hinsichtlich der Haftentscheidungen indes wieder zurückgenommen hat. Im Übrigen beanstandet er weiterhin den angefochtenen Beschluss und beantragt,
4
a) diesen aufzuheben;
5
b) seine Anklage unter Eröffnung des Hauptverfahrens vor dem 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts München zur Hauptverhandlung zuzulassen.
6
Die Rechtsmittel haben weitgehend Erfolg.

A.

7
I. Mit der Anklageschrift sind dem in K. wohnhaften Angeklagten folgende Straftaten zur Last gelegt worden:
8
1. Bereits Ende der 1980er Jahre nahm er über das in Düsseldorf ansässige Kontaktbüro der iranischen Defense Industry Organisation (DIO) zu dieser geschäftliche Beziehungen auf. Die DIO stellt die wichtigste staatliche Organisation des Iran auf dem Gebiet der konventionellen Rüstung dar, die im Tatzeitraum und auch in den Jahren davor ständig vor der Notwendigkeit stand, die ihr angeschlossenen fertigenden Betriebe mit Rohstoffen, Geräten, Ersatzteilen und Informationen für die Produktion von Rüstungsgütern zu versorgen, die im Iran nicht verfügbar waren und deshalb aus dem Ausland beschafft werden mussten. Um die Exportkontrollen in den Ländern, aus denen die Waren stammen , zu umgehen, bedienen sich die DIO und ihre Untergliederungen einer auf Heimlichkeit und Verschleierung abzielenden Beschaffungsmethodik. So werden u. a. eigens angefertigte Prospekte erstellt und verteilt sowie unrichtige Endverbleibserklärungen gefertigt, um die Lieferanten und die für sie zuständigen Exportkontrollbehörden von einer zivilen Endverwendung der Waren bei den angegebenen Empfängern zu überzeugen. Für die zur DIO gehörenden Betriebe wird zudem ein komplexes Codenummernsystem verwendet, das Außenstehenden den Einblick in die Beschaffungszusammenhänge verwehrt. Zur Verschleierung des wahren Endempfängers werden von der DIO und ihren Untergliederungen schließlich nach Belieben Tarnfirmen eingesetzt, um Maßnahmen der Exportkontrolle gegen bekannte Beschaffungseinrichtungen zu unterlaufen. Scheitern unmittelbare Einfuhrbemühungen der DIO gleichwohl - etwa an einer funktionierenden betrieblichen oder staatlichen Exportkontrolle - beauftragt sie in Deutschland ansässige Kaufleute iranischer Herkunft - wie den Angeklagten - mit der Beschaffung, um nach außen nicht in Erscheinung zu treten.
9
Zunächst wickelte der Angeklagte die Aufträge der DIO über die von ihm geleitete E. GmbH mit Sitz in D. ab; die Zusammenarbeit erwies sich als so lukrativ, dass er sich entschied, seine Geschäftstätigkeit ausschließlich auf Beschaffungsaufträge iranischer Stellen zu verlegen. Nachdem Ende 1992 eine ungenehmigte Ausfuhr der E. GmbH an ein zur DIO gehörendes Unternehmen von den deutschen Exportkontrollbehörden beanstandet worden war, beschloss der Angeklagte, künftige Geschäfte mit dem Iran vor dem Zoll und dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) geheim zu halten. Zu diesem Zweck übernahm er im Jahr 1993 als Nachfolgerin für die E. GmbH die nach dem Recht der Britischen Jungferninseln eingetragene Ba. (Ba. Inc.), für die er in der Schweiz zunächst eine Postfachadresse und ab 1997 bei einem Büroserviceunternehmen in Z. auch eine "Domiziladresse" einrichtete. Dort eingehende Anrufe und Telefaxe wurden zu seinem Wohnhaus nach K. weitergeleitet, Postsendungen an ein Postfach in K. geschickt, das nicht auf den Namen des Angeklagten angemeldet war, auf das er aber Zugriff hatte. Mit dem von ihm im Jahr 1998 übernommenen, nach liberianischem Recht gegründeten Handelsunternehmen H. Limited (H. Ltd.), das im Laufe der Zeit an die Stelle der Ba. Inc. trat, verfuhr er in gleicher Weise. Im Geschäftsverkehr mit seinen Lieferanten erweckte er so den Eindruck, Käufer der Waren sei ein in der Schweiz ansässiges Unternehmen, obwohl er dort tatsächlich keinen Geschäftssitz unterhielt, vielmehr sämtliche Geschäfte allein von seinem Wohnhaus in K. aus betrieb. Die Gesellschaften waren nicht im Handelsregister des Kantons Z. eingetragen, bei den Schweizer Steuerbehörden unbekannt und traten auch gegenüber den Schweizer Exportkontrollbehörden nicht in Erscheinung.
10
Als Inhaber einer angeblichen schweizer Handelsfirma und damit als vermeintlich unkritischer Endempfänger konnte der Angeklagte auch Beschaffungsaufträge umsetzen, an denen seine Auftraggeber oder seine zunächst eingeschalteten Konkurrenten zuvor gescheitert waren. Gegenüber seinen Lieferanten trat er nicht unter seinem wahren Namen auf und verschwieg seine iranische Herkunft; vielmehr nannte er sich "S. " und gerierte sich als schweizerischer oder britischer Staatsangehöriger. Obwohl er wusste, dass sämtliche ausgeführten Gegenstände und Stoffe im Iran zur Produktion von konventionellen Rüstungsgütern eingesetzt werden sollten, gab er gegenüber den Lieferanten andere - unkritische - Bestimmungsorte und Verwendungszwecke an. In der Mehrzahl der Fälle meldeten die Verkäufer bei den für sie jeweils zuständigen Ausfuhrzollstellen daraufhin die Ausfuhr der Güter in die Schweiz, in einigen Fällen auch in die Türkei an. Um indes eine Lieferung an die angebliche schweizer Adresse seiner Gesellschaften zu verhindern, ließ der Angeklagte die Waren entweder direkt der Spedition M. GmbH in Ka. anliefern oder beauftragte diese - bzw. im Fall 1 der Anklage die Spedition G. GmbH aus D. - mit der Abholung "ab Werk". In seinem Auftrag verbrachten die Speditionen die Waren sodann auf dem Landweg in den Iran. Dabei meldeten sie bei der zuständigen Ausgangszollstelle - im Fall der M. GmbH (Fälle 2-29 der Anklage) dem Zollamt Ha. - die Ausfuhr der Güter in den Iran an, ohne dass es zu Beanstandungen kam. Denn die Kontrollen insbesondere des Zollamts Ha. beschränkten sich auf eine Sichtprüfung von Unterlagen; eine Beschau der auszuführenden Güter wurde regelmäßig nicht durchgeführt, vor allem wenn - wie in über 80 % der Fälle - bei der Abfertigung eine schon von einem anderen Zollamt vorabgefertigte Ausfuhranmeldung vorgelegt wurde. Soweit in diesen Fällen Anmeldungen mit angeblicher Endbestimmung Schweiz vorgelegt wurden, obwohl die Güter in den Iran ausgeführt werden sollten, fiel den Zollbeamten dieser Umstand entweder nicht auf oder gab ihnen keinen Anlass zum Einschreiten. In einigen Fällen unterstützte der Disponent der Spedition M. GmbH, der anderweitig verfolgte W. , den Angeklagten bei der Ausfuhr der Waren oder deckte gegenüber den Lieferanten die Ausfuhr in den Iran nachträglich durch die Erstellung inhaltlich unrichtiger Ausfuhrnachweise ab, wonach die Waren von der Spedition in die Schweiz und nicht in den Iran geliefert worden seien.
11
Dem Angeklagten war in den Fällen 1-18 und 20-29 der Anklage bekannt , dass die Güter für eine militärische Endverwendung im Iran bestimmt waren und er deshalb vor der Ausfuhr das BAFA zu unterrichten und dessen Entscheidung abzuwarten hatte. Gleichwohl führte er unter bewusster Verletzung dieser Pflicht in den Jahren 2002 bis 2006 Waren aus der Bundesrepublik Deutschland in den Iran aus, die zwar weder in der nationalen Ausfuhrliste (Anhang I zu § 5 AWV) noch in der sog. Dual-Use-Liste (Anhang I zur VO (EG) Nr. 1334/2000 ABl. 159 S. 1, 9 ff.) aufgeführt waren, in den der DIO zugehörigen Produktionsbetrieben aber gleichwohl zur Produktion von konventionellen Rüstungsgütern verwendet wurden. Dabei handelte es sich um Rohstoffe (Fälle 1 und 21 der Anklage), spezielle Werkzeuge zur Metallbearbeitung (Fälle 3 und 17b der Anklage), Geräte zur zerstörungsfreien Materialprüfung (Fall 27 der Anklage), Zubehör für chemische Anlagen (Fall 6 der Anklage), mechanische und elektronische Maschinenteile (Fälle 7, 13c, 18, 20, 22, 24, 26, 28 und 29 der Anklage) sowie um Ersatzteile für bereits in den 1980er und 1990er Jahren in den Betrieben angeschaffte Maschinen, die dort benötigt wurden, um die Produktion aufrecht zu erhalten (Fälle 2, 4-5, 8-13b, 14-17a, 23 und 25 der Anklage ). Im Fall 29 blieb es beim Versuch der Ausfuhr, weil die Lastzüge mit den bereits beim Zollamt Ha. abgefertigten Bandvorschubgeräten von Zollbeamten kurz vor dem Überqueren der Grenze angehalten wurden.
12
Im Fall 19 der Anklage führte der Angeklagte sechs Schlangenwärmetauscher in den Iran aus, die als Kühler und Kondensatoren bei der Herstellung von Spreng- und Kunststoffen verwendet werden und die in Position 2 B 350 Buchst. d) Nr. 3 in Anhang I zur VO (EG) Nr. 1334/2000 aufgeführt sind. Ihre Ausfuhr in Länder außerhalb der Europäischen Union ist deshalb nach Art. 3 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1334/2000 genehmigungspflichtig, worauf der Angeklagte von seinem Lieferanten mehrfach hingewiesen worden war. Gleichwohl beantragte er eine entsprechende Genehmigung nicht.
13
In allen Fällen hätte das BAFA für die Ausfuhren keine Genehmigung erteilt , wenn es entsprechend informiert bzw. eine solche beantragt worden wäre.
14
2. In der Anklageschrift des Generalbundesanwalts sind diese Sachverhalte rechtlich wie folgt gewürdigt:
15
a) In den Fällen 1-18 und 20-29 der Anklage habe der Angeklagte jeweils gewerbsmäßig handelnd Güter, die nicht in der Ausfuhrliste genannt sind und deren Käufer- oder Bestimmungsland ein Land der Länderliste K war, in Kenntnis von deren militärischer Endverwendung ohne Unterrichtung der zuständigen Behörden und ohne Genehmigung ausgeführt, wobei jede Ausfuhr geeignet gewesen sei, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich zu gefährden (§ 34 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 6 Nr. 2, § 33 Abs. 1 AWG, § 70 Abs. 1 Nr. 3, § 5 c Abs. 2 Satz 2 AWV). Im Fall 29 sei es lediglich beim Versuch einer solchen Tat geblieben (§§ 22, 23 Abs. 1 StGB).
16
Im Fall 19 der Anklage habe der Angeklagte gewerbsmäßig handelnd ohne Genehmigung in Teil I Abschnitt C Kategorie 2 Nr. 2 B 350 Buchst. d) Nr. 3 der Ausfuhrliste (Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung) genannte Waren mit doppeltem Verwendungszweck, die in Anhang I der EG-Verordnung Nr. 1334/2000 des Rates über eine Gemeinschaftsregelung für die Kontrolle der Ausfuhr von Gütern und Technologie mit doppeltem Verwendungszweck vom 22. Juni 2000 aufgeführt sind, ohne Genehmigung ausgeführt (§ 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 6 Nr. 2 AWG i. V. m. Teil I Abschnitt C Kategorie 2 Nr. 2 B 350 der Ausfuhrliste, Art. 3 Abs. 1 und Anhang I zur Verordnung (EG) Nr. 1334/2000).
17
b) Mit diesen Beschaffungsaktivitäten habe der Angeklagte für den Geheimdienst einer fremden Macht eine geheimdienstliche Tätigkeit ausgeübt, die gegen die Bundesrepublik Deutschland und auf die Mitteilung oder Lieferung von Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gerichtet gewesen sei und sich so einer geheimdienstlichen Agententätigkeit gemäß § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB hinreichend verdächtig gemacht.
18
c) Die im Sinne des § 53 Abs. 1 StGB tatmehrheitlich begangenen Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz stünden zu dem Vergehen der geheimdienstlichen Agententätigkeit jeweils in Tateinheit (§ 52 Abs. 1 StGB).
19
II. In seinem die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnenden Beschluss vom 19. März 2009 hat das Oberlandesgericht im Wesentlichen ausgeführt:
20
1. Eine Verurteilung des Angeklagten wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit gemäß § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB sei aus tatsächlichen Gründen nicht hinreichend wahrscheinlich.
21
Es sei nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens nicht erkennbar , dass der iranische Geheimdienst VEVAK konkret in die Beschaffungsbemühungen des Angeklagten für die DIO eingebunden gewesen sei. Ausgehend von der Annahme der Anklageschrift, die DIO ihrerseits sei ein Geheimdienst der Islamischen Republik Iran, ergebe sich gleichwohl eine geheimdienstliche Agententätigkeit nicht, weil die Lieferung der - ganz überwiegend - nicht gelisteten Dual-Use-Güter nicht dem Erkenntnisgewinn der staatlichen iranischen Stellen gedient, sondern lediglich ein Nutzungsinteresse der belieferten Produktionsfirmen befriedigt habe. Eine Gesamtbetrachtung des Verhaltens des Angeklagten belege weiter nicht seine - auch nur funktionelle - Eingliederung in einen fremden Geheimdienst. Insbesondere sein konspiratives Verhalten lasse sich aus anderen nahe liegenden Gründen erklären, namentlich der beabsichtigten Umgehung der Exportkontrolle. Die Tätigkeit des Angeklagten sei zudem nicht gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtet gewesen, weil es angesichts der ausgeführten Güter an der erforderlichen Intensität der Gefährdung deutscher Belange gefehlt habe. Zum Vorsatz des Angeklagten verhalte sich der Anklagesatz nicht.
22
2. Im Hinblick auf die angeklagten Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz scheide ein hinreichender Tatverdacht aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen aus.
23
a) In den Fällen 1-18 und 20-29 sei nach dem Ergebnis des vorbereitenden Verfahrens nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die exportierten Güter im Iran für eine militärische Endverwendung bestimmt gewesen seien. Da sich mehrere Hinweise ergeben hätten, dass die iranischen Empfängerfirmen auch über eine zivile Produktpalette verfügten, habe es in jedem Fall eines besonderen Nachweises bedurft, dass die ausgeführten Waren gerade nicht im zivilen Bereich eingesetzt werden sollten.
24
Auch die positive Kenntnis des Angeklagten von der militärischen Endverwendung der Güter sei ihm nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachzuweisen , insbesondere lasse sein konspiratives Vorgehen - entgegen der Anklageschrift - nicht den alleinigen Schluss auf diese Kenntnis zu. Es ergäben sich nach dem Ermittlungsergebnis vielmehr auch andere Motive für die Verschleierung seiner Geschäftstätigkeit, namentlich sein Bemühen, etwaigen Schwierigkeiten beim Export vorzubeugen, mögliche politische Vorbehalte der Lieferanten gegenüber dem Iran, sein Interesse, nicht von seinen Kunden als Zwischenhändler umgangen zu werden oder sein Wunsch, auf diese Weise "Steuern zu sparen".
25
Lägen damit bereits die Voraussetzungen des § 5 c Abs. 2 AWV nicht vor, sei auch das für die strafrechtliche Ahndung erforderliche Tatbestandsmerkmal der Eignung der Tat, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich zu gefährden (§ 34 Abs. 2 Nr. 3 AWG), in der Anklageschrift nicht ausreichend dargelegt. Eine solche Gefährdungseignung sei vor dem Hintergrund, dass die in diesen Fällen ausgeführten Güter aus jedem anderen Land der Europäischen Union genehmigungsfrei hätten ausgeführt werden dürfen, auch im Licht der eingeholten Stellungnahmen und "Behördengutachten" des Auswärtigen Amtes und des BAFA nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachweisbar.
26
b) Die Verurteilung des Angeklagten wegen der Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz sei in allen angeklagten Fällen zudem aus rechtlichen Gründen nicht hinreichend wahrscheinlich. Denn die Vorschriften des § 5 c Abs. 2 AWV, § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 3 AWG seien mit vorrangigem europäischen Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar und damit unanwendbar.
27
aa) Die Europäische Gemeinschaft habe auf dem Gebiet der gemäß Art. 133 EGV (jetzt: Art. 207 AEUV) in ihrer Zuständigkeit liegenden gemeinsamen Handelspolitik für die Ausfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck mit der VO (EG) Nr. 1334/2000 (Dual-Use-Verordnung, jetzt: VO (EG) Nr. 428/2009 vom 5. Mai 2009 ABl. 134 S. 1) ein gemeinsames Kontrollsystem und ein harmonisiertes Konzept geschaffen. Nach Art. 5 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 1334/2000 dürfe ein Mitgliedsstaat zwar auch die Ausfuhr von nicht in Anhang I der Verordnung aufgelisteten Dual-Use-Gütern aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder aus Menschenrechtserwägungen untersagen oder einer Genehmigungspflicht unterstellen; wenn der nationale Gesetzgeber allerdings von dieser Öffnungsklausel Gebrauch machen wolle, müsse er die Grundsätze der gemeinsamen Handelspolitik und der Ausfuhrfreiheit mit seinen nationalen Sonderinteressen abwägen und die dieser Abwägung zugrunde liegenden Gesichtspunkte darlegen. Diesem europarechtlichen Begründungszwang sei die Bundesregierung bei der Schaffung bzw. Beibehaltung von § 5 c Abs. 2 AWV nicht nachgekommen; es könne auch nicht der Verwaltung oder den Gerichten überlassen werden, eine solche Begründung zu finden. Aus diesem Grund sei die nationale Sonderregelung des § 5 c Ab s. 2 AWV gemeinschaftsrechtswidrig und entfalte keine Rechtswirkungen.
28
Die Vorschrift genüge zudem nicht dem Grundsatz der gemeinschaftsrechtlichen Verhältnismäßigkeit, weil sie wegen der Möglichkeit von Ersatzlieferungen aus anderen europäischen Staaten - gemeinschaftsrechtlich betrachtet - nicht geeignet sei, ihr Ziel einer restriktiven Exportkontrolle zu erreichen.
29
Schließlich verstoße § 5 c Abs. 2 AWV i. V. m. §§ 3, 7 AWG auch gegen die gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze der Bestimmtheit, der Vorhersehbarkeit und der Rechtssicherheit, weil die gesetzliche Regelung keine hinreichend genauen Kriterien nenne, unter welchen Voraussetzungen eine Genehmigung erteilt oder versagt werde. Insbesondere die in § 7 Abs. 1 AWG genannten Zwecke, um derentwillen die Ausfuhrfreiheit beschränkt werden könne, seien zu unbestimmt. Es könne nicht den Gerichten überlassen werden, die Voraussetzungen einer Genehmigung zu konkretisieren; diese müssten sich objektiv und präzise aus dem Gesetz ergeben, um eine gerichtliche Kontrolle der Verwaltung erst zu ermöglichen.
30
bb) Auch § 34 Abs. 2 Nr. 3 AWG erweise sich als gemeinschaftsrechtswidrig , weil der Gesetzgeber die Erforderlichkeit, die Vorschrift als abstraktes Gefährdungsdelikt auszugestalten, nicht dargelegt habe. Im Hinblick auf die fortschreitende Harmonisierung der Exportkontrolle hätte dies einer besonderen Begründung bedurft. Die unterlassene Begründung könne nicht durch die natio- nalen Gerichte nachgeholt werden. Die Sanktion des § 34 Abs. 2 Nr. 3 AWG erweise sich damit als unverhältnismäßig und verstoße gegen die Grundsätze der gemeinsamen Handelspolitik.
31
cc) Die auf die nationale Ausfuhrliste Bezug nehmende Strafvorschrift des § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AWG widerspreche dem Anwendungsvorrang des Europarechts, soweit in der Ausfuhrliste in Teil I Abschnitt C die Gemeinsame Liste der Europäischen Union für Güter mit doppeltem Verwendungszweck wiederholt werde. Diese Liste sei integraler Bestandteil der VO (EG) Nr. 1334/2000. Durch ihre Wiederholung im nationalen Recht werde die unmittelbare Geltung der Gemeinschaftsregelung aufs Spiel gesetzt; denn die europarechtliche Grundlage werde nicht sichtbar, der Normadressat könne den gemeinschaftsrechtlichen Charakter der Liste nicht eindeutig erkennen.

B.

32
Die gemäß § 210 Abs. 2, § 304 Abs. 4 Satz 2 2. Halbs. Nr. 2 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde des Generalbundesanwalts führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses sowie - mit der Maßgabe, dass der Tatvorwurf der geheimdienstlichen Agententätigkeit entfällt - zur Eröffnung des Hauptverfahrens und Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung vor der zuständigen Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts München II. Hierzu gilt:
33
Gemäß § 203 StPO beschließt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens , wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig ist. Ein hinreichender Tatverdacht ist zu bejahen, wenn bei vorläufiger Tatbewertung auf Grundlage des Ermittlungsergebnisses die Verurteilung in einer Hauptverhandlung mit vollgülti- gen Beweismitteln wahrscheinlich ist (BGHR StPO § 210 Abs. 2 Prüfungsmaßstab 2 m. w. N.).
34
Der Bundesgerichtshof beschließt als Beschwerdegericht in der Sache selbst über die Eröffnung (Schneider in KK 6. Aufl. § 210 Rdn. 11). Dabei hat er das in dem Nichteröffnungsbeschluss liegende (negative) Wahrscheinlichkeitsurteil eines Oberlandesgerichts und dessen rechtliche Bewertung in vollem Umfang nachzuprüfen und die Voraussetzungen der Eröffnung selbstständig zu würdigen (BGHSt 53, 238, 243).
35
I. Soweit das Oberlandesgericht die Eröffnung des Hauptverfahrens hinsichtlich des Anklagevorwurfs der geheimdienstlichen Agententätigkeit abgelehnt hat, verfolgt der Generalbundesanwalt seine sofortige Beschwerde nicht weiter; dies enthebt den Senat einer diesbezüglichen Entscheidung jedoch nicht. Denn nach der Anklageschrift stellten die Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz gleichzeitig Ausführungshandlungen der geheimdienstlichen Agententätigkeit dar, so dass jeweils Tateinheit im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB vorläge. In diesen Fällen kommt eine Rechtsmittelbeschränkung in Bezug auf nur eine der vermeintlich tateinheitlichen Gesetzesverletzungen nicht in Betracht (vgl. BGH, Urt. vom 3. Dezember 2009 - 3 StR 277/09 - Rdn. 15 m. w. N.).
36
Nach den oben genannten Maßstäben hat das Oberlandesgericht insoweit allerdings zu Recht das Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts verneint.
37
Der Senat hält an seiner Rechtsprechung zur Auslegung des Tatbestandsmerkmals des "Ausübens einer geheimdienstlichen Tätigkeit" fest, nach der außerhalb des Kernbereichs der klassischen Agententätigkeit in wertender, am Normzweck ausgerichteter Betrachtung entschieden werden muss, ob das Geschehen unter den Tatbestand des § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB zu subsumieren ist (BGH NStZ 2007, 93, 94 m. w. N.; NStZ-RR 2006, 303, 304). Dabei ist in Fällen der Lieferung von Gegenständen - entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts - auch in den Blick zu nehmen, ob diese maßgeblich der Gewinnung von Informationen dienen sollte oder ob ein konspiratives Vorgehen und eine Verbindung des Täters zu einem fremden Geheimdienst bereits darin begründet ist, dass die Lieferung aus anderen Gründen als der Informationsvermittlung verboten war und deshalb getarnt werden musste (BGH aaO).
38
So verhält es sich hier. Bei den gelieferten Gegenständen handelte es sich ausnahmslos um sog. Dual-Use-Güter, deren Export aus Staaten der Europäischen Union - mit Ausnahme der Schlangenwärmetauscher im Fall 19 der Anklage - jedenfalls außerhalb der Bundesrepublik Deutschland nicht kontrolliert wird. Auch bei der Ausfuhr aus Deutschland kann eine Genehmigungspflicht nur entstehen, wenn die Waren für eine militärische Endverwendung bestimmt sind oder bestimmt sein können und das Empfängerland in der Länderliste K aufgeführt ist (§ 5 c AWV). Eine Lieferung in den Iran aus einem anderen Staat der Europäischen Union oder aus Deutschland zu zivilen Zwecken unterlag damit keinerlei Beschränkungen. Daran - sowie an den insbesondere in den Fällen 1, 3, 6, 8c, 21, 22 und 29 der Anklage gelieferten hohen Stückzahlen bzw. großen Mengen - wird erkennbar, dass die Lieferung der Waren nicht auf eine heimliche Vermittlung des darin verkörperten Informationswerts gerichtet war, sondern allein die Beschaffung der Gegenstände zur Aufrechterhaltung der Produktionsabläufe bei den Empfängerfirmen im Vordergrund stand.
39
Soweit der Generalbundesanwalt in der Anklageschrift zur Begründung einer nachrichtendienstlich relevanten Informationsvermittlung bei einem Teil der Beschaffungsvorgänge darauf abstellt, dass vorab Warenmuster geliefert, Ersatzteile anhand zur Verfügung gestellter Zeichnungen oder Altteile nachge- baut oder dass im Zuge der Warenlieferung auch Betriebsanleitungen, Datenblätter oder Wartungsunterlagen zur Verfügung gestellt wurden, führen diese Umstände nicht zu einer abweichenden Würdigung. Nach den Ermittlungsergebnissen war ein Großteil der bei den Empfängern vorhandenen Maschinen bereits so alt, dass Originalteile dafür nicht mehr hergestellt wurden; eine Abklärung der Kompatibilität war deshalb für die Nutzbarkeit der zu liefernden Güter von entscheidender Bedeutung und belegt darüber hinausgehende Ausforschungsbemühungen nicht hinreichend. Die Zurverfügungstellung von Betriebsanleitungen etc. durch den Hersteller entspricht bei technischen Geräten im Übrigen der Üblichkeit und vermag für sich betrachtet angesichts der weiteren Umstände - es handelte sich auch insoweit überwiegend um Ersatzteile für bereits vorhandene, ältere Maschinen - ein im Vordergrund stehendes Informationsinteresse nicht zu belegen.
40
Nach alledem ist die Beurteilung des Oberlandesgerichts, der Angeklagte habe sich der Ausübung einer geheimdienstlichen Agententätigkeit im Sinne des § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht hinreichend verdächtig gemacht, nicht zu beanstanden.
41
II. Im Umfang des verbleibenden Anklagevorwurfs liegen die Voraussetzungen für die Eröffnung des Hauptverfahrens hingegen vor.
42
1. Im Fall 19 liegt - was das Oberlandesgericht nicht in Abrede gestellt hat - in tatsächlicher Hinsicht der hinreichende Tatverdacht vor, dass der Angeklagte sich wegen der Ausfuhr der sowohl von der Dual-Use-Liste der Europäischen Union als auch der nationalen Ausfuhrliste erfassten Schlangenwärmetauscher , auf die § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AWG für diese Position verweist, nach dieser Vorschrift strafbar gemacht hat.
43
2. Soweit das Oberlandesgericht die Zulassung der Anklage aus tatsächlichen Gründen abgelehnt hat, hat es an den dafür erforderlichen Tatverdacht überspannte Anforderungen gestellt und das Ergebnis der Ermittlungen unzutreffend gewürdigt bzw. nur unvollständig ausgewertet.
44
Die nach den oben genannten Grundsätzen dem Senat obliegende Würdigung der Voraussetzungen der Eröffnung des Hauptverfahrens ergibt, dass der Angeklagte in den Fällen 1-18 und 20-29 der Anklage hinreichend verdächtig ist, jeweils gewerbsmäßig handelnd Güter, die nicht in der Ausfuhrliste (Anlage AL zu § 5 AWV) genannt sind und deren Käufer- oder Bestimmungsland ein Land der Länderliste K war, in Kenntnis von deren militärischer Endverwendung ohne Unterrichtung der zuständigen Behörden und ohne Genehmigung ausgeführt zu haben, wobei jede Ausfuhr geeignet war, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich zu gefährden (§ 34 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 6 Nr. 2, § 33 Abs. 1 AWG, § 70 Abs. 1 Nr. 3, § 5 c Abs. 2 Satz 2 AWV). Im Fall 29 blieb es lediglich beim Versuch einer solchen Tat (§§ 22, 23 Abs. 1 StGB).
45
a) Es ist hinreichend wahrscheinlich, dass die von dem Angeklagten ausgeführten Güter im Iran für eine militärische Endverwendung bestimmt waren. Dies ergibt sich aus der Beschaffenheit der gelieferten Waren, insbesondere aber dem Kreis der Empfänger und deren bekannter Produktpalette sowie einer Gesamtwürdigung der weiteren Tatumstände. Im Einzelnen:
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aa) Gemäß § 5 c Abs. 1 Satz 2 AWV gilt als militärische Endverwendung der Einbau in Rüstungsgüter, die in Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste genannt sind (Nr. 1), die Verwendung von Herstellungs-, Test- oder Analyseausrüstung und deren Bestandteilen für die Entwicklung, die Herstellung oder die Wartung solcher militärischen Güter (Nr. 2) sowie die Verwendung von unfertigen Er- zeugnissen in einer Anlage zur Herstellung von Rüstungsmaterial (Nr. 3). Im Hinblick auf die Beschaffenheit der durch den Angeklagten ausgeführten Gegenstände sind vorliegend nur die beiden letzten Varianten der Vorschrift in den Blick zu nehmen:
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Waren und deren Bestandteile, die im Sinne von § 5 c Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AWV als Herstellungs-, Test- oder Analyseausrüstung verwendet werden, müssen einen funktionalen Beitrag für die Entwicklung, Herstellung oder Wartung von militärischen Gütern leisten. Eine Verwendung zu Analysezwecken kommt hier für das im Fall 27 der Anklage gelieferte EndoskopieKomplettsystem in Betracht, bei dem es sich nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens um ein Inspektionsgerät für die zerstörungsfreie Materialprüfung handelt, das im gesamten industriellen Spektrum eingesetzt werden kann, aber auch von Streitkräften für Wartungs- und Prüfaufgaben genutzt wird. Eine Verwendung der Waren zum Zweck der Herstellung von militärischen Gütern steht hingegen bei den gelieferten Ersatzteilen für Werkzeug-, Dreh- und Fräsmaschinen sowie einen Vakuumofen zur Härtung von Werkstücken in Rede, die die Bestellerfirmen im Iran bereits in den 1980er und 1990er Jahren angeschafft hatten (Fälle 2, 4-5, 8-10, 12-13b, 14-17a, 23 und 25 der Anklage), sowie bei der Lieferung anderer Werkzeuge und Maschinenteile (Fälle 3, 6-7, 11, 13c, 17b-18, 20, 22, 24, 26, 28 und 29 der Anklage).
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Unter den Begriff der Verwendung unfertiger Erzeugnisse in einer Anlage zur Herstellung von Rüstungsgütern im Sinne des § 5 c Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AWV werden alle Waren gefasst, die in das Endprodukt eines militärischen Gutes eingehen. Der Begriff der "Anlage" ist weit zu verstehen und erfasst Stätten, in denen unter Zuhilfenahme von Maschinen und sonstigen Einrichtungs- und Ausrüstungsgegenständen Rüstungsgüter produziert werden. Die Lieferung solcher unfertigen Erzeugnisse kommt hinsichtlich der 20 Tonnen Salpetersalz, das bei der Warmbadhärtung von Stahl eingesetzt wird (Fall 1 der Anklage), und der 12 Tonnen der Chemikalie Bonder 98, mit der ein Korrosionsschutz sowie ein Schmierfilm für stark beanspruchte Maschinen- aber auch Waffenteile hergestellt werden kann (Fall 21 der Anklage), in Betracht.
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Nach einer im Ermittlungsverfahren eingeholten Stellungnahme des BAFA waren alle von dem Angeklagten gelieferten Gegenstände in technischer Hinsicht objektiv geeignet, bei der Entwicklung und Herstellung von Rüstungsgütern im Sinne von Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste verwendet zu werden. Insoweit hat das Oberlandesgericht ausgeführt, die objektive Eignung der Waren , zu einer militärischen Endverwendung eingesetzt zu werden, genüge bei den durchweg auch zivil zu nutzenden Gütern nicht als hinreichender Nachweis für ihre Bestimmung zur militärischen Endverwendung. Jedoch steht die Beschaffenheit der Güter einer militärischen Endverwendung auch nicht entgegen. Eine dahingehende Schlussfolgerung ist möglich.
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bb) Die entscheidenden Verdachtsmomente dafür, dass die von dem Angeklagten gelieferten Waren im Iran zur Produktion von Rüstungsgütern bestimmt waren, ergeben sich aus den in die staatliche iranische Rüstungsorganisation DIO eingegliederten Empfängern selbst, insbesondere im Hinblick auf die von ihnen hergestellten Produkte.
51
Der DIO als einer dem iranischen Verteidigungsministerium angeschlossenen und von diesem kontrollierten Gesellschaft unterstehen nach ihrem eigenen , auch vom Oberlandesgericht in Bezug genommenen Internetauftritt sechs Unternehmenszweige, von denen im vorliegenden Verfahren die "Armament Industries Group" (AIG), die "Ammunition and Metallurgy Industries Group" (AMIG) und die "Chemical Industries & Development of Material Group" (CIDMG) ihrerseits als Muttergesellschaften von Empfängerfirmen eine Rolle spielen.
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(1) Die AIG stellt nach der von ihr unterhaltenen Internetseite ausschließlich Schusswaffen in drei Kategorien her: große, mittlere und kleine Kaliber. Zu den großen Kalibern zählen insbesondere Kanonen, Haubitzen und Raketenwerfer , zu den mittleren Mörser, Panzerabwehrkanonen und kleinere Raketenwerfer und zu den kleinen diverse Maschinengewehre, Sturmgewehre und Maschinenpistolen. Allein bei den kleinkalibrigen Waffen finden sich mit drei Jagdgewehren , einem Luftgewehr und Signalpistolen sowie einer 9mm-Pistole Produkte , die auch zu zivilen Zwecken einsetzbar sind.
53
In allen den Unternehmenszweig der AIG betreffenden und damit in 16 der 29 dem Angeklagten zur Last gelegten Fälle (Fälle 2-5, 8-10, 12-14, 16-17, 23 und 25-27 der Anklage), war Empfängerin der Waren (namentlich Ersatzteile für Maschinen und Werkzeuge zur Metallbearbeitung) die J.S. Industries. Diese der AIG unterstehende Produktionsstätte ist nach dem Ermittlungsergebnis auch unter mehreren anderen Bezeichnungen bekannt, insbesondere unter dem aus der Sprache Farsi stammenden Namen "Sanaye Jangafzarsazi", was übersetzt "Kriegswerkzeugindustrie" bedeutet, sowie als "J.S. Co." und als "Weapons Factory". Es handelt sich um ein Rüstungswerk, in dem leichte Raketenwerfer und Mörser, Panzerfäuste sowie militärische und zivile Schusswaffen hergestellt werden. Angesichts dieser Umstände ist gegen die in einem Sachstandsvermerk des Zollfahndungsamts Stuttgart verwendete Bezeichnung der J.S. Industries als Waffenfabrik - entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts - nichts zu erinnern.
54
Für eine Verwendung der Waren bei der J.S. Industries zu Zwecken der Produktion von Rüstungsgütern sprechen weitere, vom Oberlandesgericht nicht erwähnte und nicht in seine Beurteilung einbezogene wesentliche Indizien. Aus einer im Ermittlungsverfahren durchgeführten Zeugenvernehmung eines Mitarbeiters der I. GmbH, einer deutschen Firma, die an die J.S. Industries im Jahr 1991 einen Vakuumofen geliefert hatte, der der Härtung von Werkstücken aus Metall diente und für den der Angeklagte in den Fällen 4, 5, 8a, 8b, 9 und 10 Ersatzteile beschaffte, geht hervor, dass die J.S. Industries anlässlich seines Besuchs im Jahr 2005 in den Außenbereichen Teherans ein Firmengelände unterhielt, das durch Mauern, Stacheldraht und mit Gewehren bewaffnete uniformierte Wachen gesichert war, die nicht der iranischen Polizei angehörten. Ausländische Besucher mussten ihren Reisepass abgeben und einen Fragebogen ausfüllen. Derartige aufwändige Sicherungsmaßnahmen seien bei anderen Kunden der I. GmbH im Iran nicht üblich.
55
Ein anderer Mitarbeiter der I. GmbH, der mit der J.S. Industries im Rahmen von geltend gemachten Gewährleistungsansprüchen im Juli 2002 Verhandlungen führte, verwies angesichts der Kritik der J.S. Industries an der angeblich schleppenden Auftragsbearbeitung, insbesondere der ausbleibenden Lieferung von Ersatzteilen, auf die "gesetzliche Lage". Im September 2002 bemühte sich die I. GmbH, eine Ersatzteillieferung über ihre indische Vertretung zu ermöglichen, die sie bat, für die Ersatzteilliste ihr eigenes Briefpapier zu verwenden, weil Lieferungen in den Iran an diesen speziellen Kunden einem "Embargo" unterlägen. In dem Besuchsbericht eines weiteren I. - Mitarbeiters aus dem November 2002 ist vermerkt, dass "bei vielen Firmen in der Waffenindustrie das Interesse an Vakuumöfen" bestehe. All dies deutet darauf hin, dass die I. GmbH bzw. deren Mitarbeiter davon ausgingen, dass bei der J.S. Industries Rüstungsgüter hergestellt wurden. Besonders deutlich wird dies an den Verweisen auf die "gesetzliche Lage" bzw. auf ein "Embargo", denn auch zur Zeit dieser Äußerungen unterlagen Ausfuhren der in Rede ste- henden Güter aus Deutschland nur in Fällen der dem Ausführer bekannten militärischen Endverwendung der Exportkontrolle.
56
Diese Umstände bleiben im Beschluss des Oberlandesgerichts ebenso unerwähnt wie die im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen in der Anklageschrift auf mehr als neun Seiten aufgeführten weiteren Erkenntnisse zur J.S. Industries, die belegen, dass auch andere deutsche Hersteller bei Lieferungen an die J.S. Industries eine militärische Endverwendung zumindest nicht ausschließen konnten, sich erfolglos beim BAFA um Ausfuhrgenehmigungen bemühten , von Verantwortlichen der J.S. Industries unzutreffende, angeblich zivile Verwendungen belegende Endverbleibserklärungen erhielten und sich bereits Ende der 1990er Jahre weigerten, den Angeklagten mit Waren zu beliefern, weil diese für den Iran bestimmt seien und eine Ausfuhrgenehmigung vom BAFA verweigert worden sei.
57
Die vom Oberlandesgericht herangezogenen, den hinreichenden Tatverdacht nach seiner Ansicht ausschließenden Indizien erweisen sich demgegenüber als nicht tragfähig, vermögen jedenfalls die für die Eröffnung des Hauptverfahrens erforderliche hinreichende Verurteilungswahrscheinlichkeit nicht zu entkräften:
58
Soweit das Oberlandesgericht - teilweise unter Bezugnahme auf Frühwarnschreiben des BAFA und Erkenntnismitteilungen des Bundesnachrichtendienstes (BND) und des Bundeskriminalamtes (BKA) - auf eine zivile Produktpalette der AIG verweist, setzt es sich mit der zumindest waffenähnlichen Beschaffenheit der - laut der Internetseite einzigen - zivilen Produkte (Sportwaffen, Signalpistolen) nicht auseinander. Die in den genannten Unterlagen enthaltenen Hinweise sind zudem in aller Regel pauschaler Natur und enthalten keinerlei Angaben dazu, woraus die angebliche zivile Produktpalette der AIG bestehen soll. Allein aus einer Erkenntnismitteilung des BAFA ergeben sich Informationen des BND, dass von der AIG im zivilen Produktionsbereich Bewässerungsanlagen und Zubehörteile für den Fahrzeugbau hergestellt werden; diese beziehen sich indes erkennbar nicht auf das vorliegend belieferte, hoch gesicherte Rüstungswerk der J.S. Industries. Gleiches gilt für die pauschale Aussage des Zeugen Kh. , der bekundet hat, staatliche Firmen im Iran würden heute für Mülleimer, Staubsauger, Mobiltelefone, Autoersatzteile und weitere Gebrauchsgegenstände werben.
59
Das vom Oberlandesgericht herangezogene Interesse am Bezug von zivilen Produkten wie Sportwaffen und Munition, Handschellen mit Schlüsseln und Polizeihelmen steht dem Verdacht, die J.S. Industries betreibe eine Fabrik für Rüstungsgüter, nicht entgegen; im Gegenteil kann gerade der angestrebte Kauf von Sportwaffen auch dahingehend zu verstehen sein, dass das Unternehmen solche Produkte nicht selbst herstellt, sie vielmehr zur Vervollständigung seiner im Internet beworbenen Produktpalette zukaufen muss. Auch die anderen angefragten Gegenstände waren nicht im Produktionsprozess einsetzbar , belegen also gerade nicht, dass in dem Werk zivile Güter hergestellt wurden. Aus dem gleichen Grund stellt auch die Anfrage der J.S. Industries nach 1.000 Zielfernrohren, die auch für Jagdgewehre eingesetzt werden können, kein tragfähiges Indiz gegen eine militärische Endverwendung der von dem Angeklagten gelieferten Güter dar, zumal das Oberlandesgericht das insoweit ermittelte Geschehen verkürzt darstellt. Es gibt zwar das Ermittlungsergebnis insoweit zutreffend wieder, als die Zieloptik für den Einsatz durch Scharfschützen des Militärs vorgesehen ist, lässt jedoch unerwähnt, dass angesichts der hohen Auflösung des Zielfernrohrs (für Entfernungen bis 2.000 yards ≈ 1.829 m) und des Stückpreises von über 4.000 US$ die Ausrüstung der von der J.S. Industries angebotenen Jagdgewehre mit einer wesentlich geringeren Reichweite (700 m) nicht nur wirtschaftlich wenig sinnvoll erscheint.
60
Soweit das Oberlandesgericht schließlich wegen der - im Ergebnis nur pauschalen und teilweise nicht tragfähigen - Hinweise auf eine zivile Produktpalette der belieferten Firmen in jedem Einzelfall bereits für die Frage des hinreichenden Tatverdachts einen besonderen Nachweis dafür verlangt, dass die von dem Angeklagten gelieferten Waren nicht für eine zivile Verwendung bestimmt waren, hat es in der Sache einen unzutreffenden Prüfungsmaßstab angelegt. Der hinreichende Tatverdacht setzt eine gewisse Wahrscheinlichkeit der Verurteilung voraus; der erst am Ende der Hauptverhandlung stehende Nachweis der Tat bzw. die für eine Verurteilung notwendige volle richterliche Überzeugung ist für die Eröffnung des Hauptverfahrens nicht erforderlich (BGHSt 53, 238, 243 m. w. N.). Auch in Fällen, in denen zunächst gewisse - nicht unüberwindbar erscheinende - Zweifel verbleiben, kommt die Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens regelmäßig nicht in Betracht, weil zur Klärung eben dieser Zweifel die überlegenen Erkenntnismittel der Hauptverhandlung heranzuziehen sind; die nicht aufgrund öffentlicher Verhandlung ergehende und nicht auf einer unmittelbaren Beweisgewinnung beruhende Eröffnungsentscheidung soll erkennbar aussichtslose Fälle herausfiltern, ansonsten aber der Hauptverhandlung nicht vorgreifen (vgl. Stuckenberg in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl. § 203 Rdn. 13 m. w. N.).
61
(2) Die Internetseite der AMIG wirbt unter der Überschrift "Ammunition Industries Group" damit, ein führender Hersteller für konventionelle Munition zu sein. Die Produktpalette umfasst dementsprechend Artilleriemunition, Luftabwehrmunition und Minen sowie zugehörige Zünder, bei der kleinkalibrigen Munition aber auch Sport- und Jagdmunition sowie Munition für "Polizeiwaffen", also vorrangig Pistolen und Maschinenpistolen. Daneben werden als zivil nutzbare Produkte noch Signalmunition, Patronen zum Leinen-Schießen und Patronen zum Absprengen von Felsbrocken oder industriellen Schlacken, Sprengstoffe und Zündvorrichtungen zu kommerziellen Zwecken sowie Werkzeuge (Walzwerkzeuge , Bohrer, Fräser, Gewindebohrer) angeboten.
62
Die von dem Angeklagten im Fall 1 der Anklage unter der Tarnbezeichnung Sanam Industrial Group belieferte "Sanaye Mohemat Sazi" ist auch als "Munitionsfabrik Teheran" bekannt. Anhaltspunkte dafür, dass dort zivile Produkte hergestellt würden, haben sich nach den Ermittlungen nicht ergeben.
63
Die weiteren von dem Angeklagten belieferten Firmen, die nach dem Ergebnis der Ermittlungen zum Unternehmenszweig der AMIG gehören (Sherkate Shirody, Sattari Co. Ltd. bzw. Shahid Sattari und Maham Industrial Group bzw. Maham Industrial Complex; Fälle 7, 11, 15, 20, 22, 24, 28 und 29 der Anklage), verwendeten Telefaxnummern, die der Munitionsfabrik Teheran zugeordnet waren , gaben das gleiche Postfach an und unterfielen der gleichen DIO-internen Codenummer 01. Angesichts dieser - erneut vom Oberlandesgericht unerwähnt gelassenen - Umstände liegt der vom Generalbundesanwalt in der Anklageschrift gezogene Schluss nicht fern, diese Gesellschaften - soweit es sich nicht ohnehin um Tarnfirmen handelt - unterstünden der Munitionsfabrik Teheran. Zumindest stehen sie zu ihr aber in einem engen Zusammenhang, der es hinreichend wahrscheinlich macht, dass die an sie gelieferten Güter zur Produktion konventioneller Munition verwendet wurden. Weitere vom Oberlandesgericht nicht berücksichtigte Hinweise auf eine militärisch ausgerichtete Produktion ergeben sich hinsichtlich der Maham Industrial Group zudem aus der Einschätzung des iranischen Repräsentanten der Firma Dr. (Fall 29 der Anklage), die Maham sei eine "wichtige staatliche Fabrik", die "fast die ganze Munition des Iran" baue, sowie aus einer Erkenntnismitteilung des BND, nach der der Maham Industrial Complex als Hersteller von Munition und Granaten bezeichnet wird; eine zivile Produktion sei nicht bekannt.
64
(3) Nach den die CIDMG betreffenden Informationen auf der Internetseite der DIO stellt die CIDMG militärische und zivile chemische Produkte und Materialien her. Als angebotene Produkte finden sich indes nur militärische zum Einsatz in Munition, Minen und Bomben sowie Sprengstoffe, die allenfalls auch einen zivilen Einsatzbereich haben können. Chemikalien, die nicht mit militärischen Waffen oder Sprengstoff in Zusammenhang stehen, werden nach diesen allgemein zugänglichen Erkenntnisquellen nicht beworben.
65
Der CIDMG untersteht die von dem Angeklagten in den Fällen 6 und 18 der Anklageschrift belieferte Parchin Chemical Factory bzw. Parchin Chemical Industrial Group. Diese ist nach dem Ergebnis der Ermittlungen an der Herstellung von Sprengstoffen und Treibladungspulvern (Feststofftreibstoffen für Raketen ) sowie der Entwicklung oder Herstellung chemischer Kampfstoffe beteiligt. Angesichts dessen ist auch insoweit eine militärische Endverwendung der von dem Angeklagten gelieferten Waren hinreichend wahrscheinlich. Diese Einschätzung wird auch dadurch bestätigt, dass die Parchin Chemical Factory im Iran-Embargo der Europäischen Gemeinschaft (Verordnung (EG) Nr. 423/2007 vom 19. April 2007, ABl. L 103 S. 1, in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 219/2008 vom 11. März 2008, ABl. L 68 S. 5, Anhang IV A Nr. 23) als eine der Firmen gelistet ist, deren Vermögensgegenstände europaweit eingefroren werden müssen.
66
cc) Zu den sich aus den Empfängerfirmen und ihrer Produktpalette ergebenden Indizien treten weitere Umstände, die das Oberlandesgericht in seine Würdigung nicht einbezogen hat und die ebenfalls auf eine militärische Endverwendung der gelieferten Waren hindeuten:
67
Der Angeklagte ging nach dem Ergebnis der Ermittlungen - wie mehrere der im Rahmen der Telefonüberwachung aufgezeichnete Gespräche zeigen - offenbar selbst davon aus, dass bei den von ihm durchgeführten Exporten eine Genehmigungspflicht in Betracht kam. Das ergibt sich etwa aus einem Gespräch mit einer unbekannt gebliebenen Person aus dem Iran, in dem der Angeklagte äußerte, man dürfe "manchmal nicht alle Karten auf den Tisch legen, besonders bei den Artikeln, die eine Erlaubnis benötigen". In einem weiteren Telefongespräch zeigte sich der Angeklagte gegenüber seinem iranischen Gesprächspartner verstimmt darüber, dass ein deutscher Lieferant offenbar erfolglos versucht hatte, eine Ausfuhrgenehmigung zu erhalten, und erklärte: "Mit Ihrer Vorgehensweise versperren Sie die Wege. Diese Geschäfte gehen mit Gottes Eingebung, man kann nicht wissen, ob sie klappen oder nicht. Ich gehe diesen Weg auf eigenes Risiko. Man darf nicht von Anfang an nach der Erlaubnis fragen. Ich vergleiche diese Geschäfte folgendermaßen: Wenn man fremdgehen will oder etwas Ähnliches vorhat, darf man seine Frau nicht nach Erlaubnis fragen, weil sie nie ihre Einwilligung geben wird. Diese Geschäfte sind genau so, man darf nicht nach Erlaubnis fragen."
68
Hinsichtlich der von dem Angeklagten ganz überwiegend exportierten, nicht gelisteten Dual-Use-Güter kam eine Genehmigungspflicht indes nur nach § 5 c Abs. 2 AWV in Betracht, wenn dem Ausführer die militärische Endverwendung bekannt war. Wenn er also von einer Genehmigungspflicht ausging, deutet dies auf einen Einsatz der Waren in der Rüstungsproduktion hin. Gleiches gilt für die Gespräche, in denen der Angeklagte die von ihm gelieferten Waren als "Verteidigungszeug" oder als Lieferung für die "Kriegswerkzeug-Industrie" bezeichnete und sie so selbst in einen militärischen Kontext stellte.
69
Für eine Verwendung der exportierten Güter im militärischen Kontext sprechen nicht zuletzt auch die erheblichen Gewinne, die der Angeklagte, der nicht selten jedenfalls bei seinem ersten Angebot an die iranischen Abnehmer auf seinen Einkaufspreis schlicht 100 % aufschlug, durch die Geschäfte erziel- te. Es erscheint zweifelhaft, ob die Abnehmer, die sich über das Internet auch vom Iran aus einen Überblick über die im legalen Markt für die entsprechenden Waren erzielbaren Preise verschaffen konnten, sich auf solche Aufschläge eingelassen hätten, wenn es sich um legale Ausfuhren gehandelt hätte. Einziger Grund für eine mögliche Illegalität der Exporte war indes die Kenntnis von der militärischen Endverwendung der Waren.
70
b) Es ist weiter auch hinreichend wahrscheinlich, dass dem Angeklagten die Bestimmung der von ihm ausgeführten Güter für eine militärische Endverwendung im Iran bekannt war.
71
Der Angeklagte stand bereits vor dem Jahr 1996 mit dem damaligen Kontaktbüro der DIO in Düsseldorf in geschäftlicher Verbindung und arbeitete eng mit ihm zusammen. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen hatte das Kontaktbüro bereits damals die Aufgabe, militärische Verwendungszwecke von auszuführenden Waren zu verschleiern und die kontinuierlich verschärften Exportkontrollbestimmungen der Bundesrepublik Deutschland zu umgehen. Der Angeklagte war in zahlreichen Fällen in Beschaffungsvorgänge eingebunden und auch als Kurier für Sendungen des Kontaktbüros an die Sasadja Moavenate Bazargani - die Einkaufsabteilung der DIO - tätig. Die enge Verbindung zwischen dem Angeklagten und der DIO bereits in den 1990er Jahren spricht indiziell dafür, dass ihm eine militärische Verwendung der von ihm gelieferten Waren nicht verborgen blieb, zumal das Kontaktbüro im Jahr 1996 wegen des Verdachts von Verstößen gegen das Außenwirtschaftsgesetz durchsucht worden war und der Angeklagte sich bereits damals in Gesprächen mit Mitarbeitern der DIO konspirativ verhielt.
72
Wesentliches Beweisanzeichen für seine Kenntnis von der militärischen Endverwendung ist der hohe Grad an Konspiration, den der Angeklagte bei der Abwicklung seiner Geschäfte durchweg - von der Bestellung bis zur Bezahlung - betrieb. Er verschleierte gegenüber seinen Lieferanten nicht nur die wahren Empfänger der Güter im Iran, indem er angab, die bestellten Waren sollten entweder in die Schweiz oder in die Türkei geliefert werden; er täuschte auch über seinen eigenen Namen und seine Herkunft, indem er sich als S. und als schweizer oder englischer Staatsbürger gerierte. Die Ermittlungen haben zudem ergeben, dass er auch weitere Aliasnamen verwendete. Gegenüber den Zollbehörden wurden wiederum die Hersteller der Waren aber auch die Empfänger verborgen, indem der Angeklagte auf eine strikt neutrale Verpackung bedacht war und darüber hinaus jeglichen Hinweis, der eine Identifikation der wirklichen Abnehmer hätte ermöglichen können (z. B. graphische Kennzeichnung , die die Ware staatlichen Stellen zuordnet), aus den Papieren entfernen und zudem in einer Vielzahl der Fälle nicht existente Tarnfirmen als Empfänger einsetzen ließ. Diese Vertuschung behielt der Angeklagte auch gegenüber den Banken bei der Bezahlung seiner Lieferungen durch die Sasadja Moavenate Bazargani bei. Denn die vielfach verwendeten Akkreditive wurden auf sein Geheiß im Namen der Tarnfirmen eröffnet oder auf diese umgeschrieben; auch aus diesen Papieren wurden auf seine Veranlassung alle Hinweise entfernt, die auf die wahren Empfänger hindeuteten.
73
Das konspirative Verhalten des Angeklagten lässt den Schluss zu, dass ihm die Illegalität seiner Ausfuhren bekannt war. Illegal waren die Exporte indes nur, wenn er um die militärische Endverwendung der Waren im Iran wusste.
74
Die vom Oberlandesgericht gegen diesen Schluss angeführten Umstände erweisen sich als nicht tragfähig, vermögen jedenfalls den hinreichenden Tatverdacht nicht zu entkräften:
75
Ein mögliches Motiv des Angeklagten für sein konspiratives Verhalten soll nach der Ansicht des Oberlandesgerichts sein Bestreben gewesen sein, "etwaigen Schwierigkeiten beim Export vorzubeugen". Völlig unklar bleibt insoweit , worin solche Schwierigkeiten bestehen sollten, wenn sie sich nicht aus der Illegalität der Ausfuhren ergeben, die aber wiederum nur dann in Betracht kommt, wenn der Angeklagte um die militärische Endverwendung der Waren wusste.
76
Von einzelnen Lieferanten geäußerte Vorbehalte gegenüber Lieferungen in den Iran - es handelte sich insoweit überwiegend um Niederlassungen USamerikanischer Firmen, zu deren Geschäftspolitik es schon wegen des Totalembargos der USA gegenüber dem Iran gehört, keine Lieferungen in den Iran zuzulassen - vermögen nicht zu erklären, warum der seit vielen Jahren auf dem Gebiet des Iranhandels erfahrene Angeklagte in allen Fällen das Empfängerland verschleierte; erst recht ergibt sich daraus keine Erklärung dafür, dass er Tarnfirmen im Iran als Empfänger angab - auch insoweit hätten "politische Vorbehalte" der Lieferanten bestanden - und Hinweise auf den in Deutschland ansässigen Lieferanten entfernen ließ. In einigen der vom Oberlandesgericht zitierten Fälle ging es zudem nicht um "politische Vorbehalte", die Firmen lehnten die Lieferung vielmehr "aufgrund der Bestimmungen" ab (I. GmbH) bzw. nachdem das BAFA die Ablehnung einer Ausfuhrgenehmigung bei entsprechendem Antrag in Aussicht gestellt hatte (Dr. GmbH).
77
Soweit das Oberlandesgericht die Befürchtung des Angeklagten, von seinen Kunden als Zwischenhändler übergangen zu werden, als weiteres mögliches Motiv der Konspiration angibt, stellt es das in der Anklageschrift dargestellte Geschehen erneut verkürzt dar. Richtig ist allein, dass der Angeklagte gegenüber dem Zeugen Wi. diese Befürchtung als Grund für die Neutralisierung der Lieferungen angab; dass es sich um Waren eines Lieferanten han- delte, bei dem eine direkte Bestellung durch die DIO zuvor an dessen Weigerung , in den Iran zu liefern, gescheitert war, bleibt dagegen unerwähnt. Da der Angeklagte von seinen Auftraggebern vor diesem Hintergrund gezielt mit der Beschaffung der Waren beauftragt worden war, ist seine Erklärung gegenüber Wi. nicht plausibel, denn eine direkte Beschaffung der Waren durch seinen Kunden unter Umgehung des Angeklagten war ja gerade gescheitert.
78
Irrig ist schließlich die Auffassung des Oberlandesgerichts, es müsse die Einlassung des Angeklagten als unwiderlegbar hinnehmen, er habe angenommen , dass er durch sein konspiratives Vorgehen Steuern sparen könne. Der Tatrichter ist nicht gehalten, entlastende Einlassungen des Angeklagten, für deren Richtigkeit es keine zureichenden Anhaltspunkte gibt, seinen Feststellungen ohne Weiteres zugrunde zu legen (st. Rspr.; vgl. BGHSt 34, 29, 34; BGH NStZ 2002, 48; NJW 2007, 2274). Dieser Grundsatz gilt nicht nur für die im Urteil vorzunehmende Beweiswürdigung, die auf einer unmittelbaren Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung beruht, sondern in zumindest gleichem Maß auch für die nur auf einer mittelbaren Beweisgewinnung beruhende Eröffnungsentscheidung. Hier war es für Entstehung und Umfang der Steuerpflicht des Angeklagten erkennbar ohne jeden Belang, ob er die Waren in die Schweiz oder den Iran ausführte. Ebensowenig spielte insoweit eine Rolle, ob er sie im Iran an den wahren Empfänger oder eine Tarnfirma lieferte. Maßgeblich war allein der - von ihm allerdings in keinem Fall den Steuerbehörden angegebene - Gewinn, den er aus den getätigten Geschäften erzielte. Die Einlassung des Angeklagten ist deshalb bereits aus sich heraus wenig plausibel.
79
Selbst wenn man den vom Oberlandesgericht herangezogenen Indizien jedenfalls in einer Gesamtwürdigung eine den Angeklagten entlastende Qualität zusprechen wollte, würde dies nicht die Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens rechtfertigen; denn diffizile Beweiswürdigungsfragen, wie sie hier auf- grund der Beweislage in Rede stehen, dürfen nicht im Zuge der nicht öffentlichen und nicht unmittelbaren vorläufigen Tatbewertung des eröffnenden Gerichts womöglich endgültig entschieden werden (Stuckenberg aaO).
80
c) Es besteht auch der hinreichende Tatverdacht, dass die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen der § 5 c Abs. 2, § 70 Abs. 1 Nr. 3AWV, § 33 Abs. 1 AWG vorliegen. Insbesondere rechtfertigt das Ermittlungsergebnis die Annahme , der Angeklagte sei Ausführer der Waren im Sinne des § 4 Abs. 2 Nr. 4 AWG gewesen und habe die Ausfuhr in keinem Fall gegenüber dem BAFA angezeigt.
81
d) Weiter ist es hinreichend wahrscheinlich, dass die Exporte in jedem Einzelfall geeignet waren, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich zu gefährden, was den Verdacht begründet, dass sich der Angeklagte gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 3 strafbar gemacht hat.
82
aa) Nach der Rechtsprechung des Senats ist dieses Tatbestandsmerkmal erfüllt, wenn anhand konkreter tatsächlicher Umstände festzustellen ist, dass die Bundesrepublik Deutschland durch die Tat in eine Lage gebracht werden konnte, die es ihr unmöglich macht oder ernsthaft erschwert, ihre Interessen an gedeihlichen Beziehungen zu anderen St aaten zu wahren. Da es sich um ein abstrakt-konkretes Gefährdungsdelikt handelt, ist es nicht erforderlich, dass eine solche Gefahr tatsächlich eingetreten ist. Die Eignung zur erheblichen Gefährdung der auswärtigen Beziehungen kann zum Beispiel gegeben sein, wenn aufgrund der Tat ein Akt starker diplomatischer Missbilligung, eine feindselige Kampagne der führenden Medien eines wichtigen Landes der Völkergemeinschaft oder eine Verurteilung der Bundesrepublik Deutschland in inter - bzw. supranationalen Gremien naheliegend zu erwarten sind; indes reicht nicht jede mögliche negative Reaktion eines fremden Staates, wie z. B. eine bloße Demarche, für sich allein bereits aus (BGHSt 53, 128, 134 f. m. w. N.; 53, 238, 250). Ob die Handlung des Täters nach diesen Maßstäben eine solche Gefährdungseignung aufweist, ist anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalles zu beurteilen. Dabei kommt vor allem der Frage Bedeutung zu, ob es staatlichen deutschen Stellen zum Vorwurf gemacht werden kann, dass es zu den Verstößen gegen die außenwirtschaftlichen Bestimmungen gekommen ist. Daneben sind aber auch die sonstigen Tatumstände , namentlich Art und Menge der gelieferten Güter, deren Verwendungsmöglichkeit und -zweck, das konkrete Empfängerland sowie Umfang und Gewicht der konkreten außenpolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland, die durch die Tat gefährdet werden können, in die Gesamtbetrachtung einzustellen (BGHSt 53, 128, 135 f.).
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Der Generalbundesanwalt hat zur Frage der Eignung der Taten des Angeklagten zur Gefährdung der auswärtigen Beziehungen mehrere Stellungnahmen des Auswärtigen Amtes eingeholt. Zu Recht kritisiert das Oberlandesgericht daran, dass sich das Auswärtige Amt nicht nur auf die Vermittlung der ihm aufgrund seiner besonderen Sachkunde bekannten Tatsachen beschränkt, sondern vielmehr auch seine Rechtsauffassung mitgeteilt hat, nach der sämtliche Ausfuhren des Angeklagten geeignet gewesen seien, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich zu gefährden. Die Erstattung eines Rechtsgutachtens durch das Auswärtige Amt ist indes nicht veranlasst (BGHSt 53, 128, 136). Gleichwohl hätte das Oberlandesgericht sich nicht im Wesentlichen darauf beschränken dürfen, die Stellungnahmen zu kritisieren. Denn es obliegt den Strafverfolgungsorganen, auf der durch das Auswärtige Amt vermittelten tatsächlichen Grundlage zu prüfen und zu entscheiden, ob die Handlungen des Täters die nach § 34 Abs. 2 Nr. 3 AWG erforderliche Gefährdungseignung aufweisen (BGHSt aaO). Das Oberlandesgericht hätte deshalb die in der Stellungnahme jedenfalls auch enthaltenen Informationen vollständig verwerten und in die gebotene Gesamtbetrachtung der dem Angeklagten vorgeworfenen Taten einstellen müssen.
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bb) Diese ergibt hier - auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens des Generalbundesanwalts - noch die hinreichende Wahrscheinlichkeit , dass die von dem Angeklagten vorgenommenen Ausfuhren geeignet waren , die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik erheblich zu gefährden.
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Dabei ist allerdings zunächst in den Blick zu nehmen, dass sich die dem Angeklagten vorgeworfenen Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz - mit Ausnahme von Fall 19 - auf Waren bezogen, die aus anderen Ländern der Europäischen Union genehmigungsfrei hätten ausgeführt werden können. In diesen Fällen kommt die Verletzung von völkerrechtlichen Verträgen oder Embargo -Vereinbarungen durch die Ausfuhr ebensowenig in Betracht wie ein in der Ausfuhr liegender Verstoß gegen im Wege der internationalen Zusammenarbeit beschlossene multilaterale Exportkontrollvorschriften (vgl. dazu BGHSt 53, 238, 250). Andererseits kann - entgegen der offenbar vom Oberlandesgericht vertretenen Ansicht - aus diesem Umstand nicht der Schluss gezogen werden, der Export solcher Güter vermöge die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland ungeachtet der übrigen Tatumstände in aller Regel gar nicht zu gefährden. Dies zeigen etwa die vom Auswärtigen Amt referierten äußerst kritischen Reaktionen israelischer und US-amerikanischer Medien selbst auf legale deutsche Exporte in den Iran, die keine Rüstungsgüter bzw. militärisch verwendete Waren betrafen. Auch wenn durch solche Berichte allein das Merkmal der Gefährdungseignung noch nicht erfüllt ist, bieten sie doch einen Beleg für die besondere Aufmerksamkeit, mit der international deutsche Exporte in den Iran beobachtet werden.
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Im Ergebnis ist deshalb in Fällen der Ausfuhr unter Verstoß gegen § 5 c Abs. 2 AWV wegen der objektiv nur schwer bestimmbaren Beschaffenheit der in Betracht kommenden Güter und der tatbestandlichen Weite sowie der die angedrohte Sanktion erheblich verschärfenden Wirkung des Merkmals der Eignung zur erheblichen Gefährdung der auswärtigen Beziehungen (vgl. dazu BGHSt 53, 128, 134 m. w. N.) in der gebotenen Gesamtschau eine Gefährdungseignung im Sinne des § 34 Abs. 2 Nr. 3 AWG grundsätzlich nur bei Vorliegen erheblicher weiterer, die auswärtigen Beziehungen betreffender Umstände zu bejahen.
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Dies ist hier der Fall. Zwar kam den vom Angeklagten ausgeführten Gütern , bei denen es sich um "alltägliche" Waren - namentlich um Grundstoffe, Einzelwerkstücke und Ersatzteile - handelte, die für sich betrachtet keinen erkennbaren Bezug zur Rüstungsindustrie aufwiesen, für die Herstellung von deren Endprodukten - mögen sie hierfür auch nicht entbehrlich gewesen sein - nur punktuelle Bedeutung zu. Derartige Exporte sind in aller Regel nicht geeignet, die von § 34 Abs. 2 Nr. 3 AWG umschriebenen Voraussetzungen zu erfüllen. Hier ergibt sich indes aus folgenden Umständen ausnahmsweise eine abweichende Beurteilung:
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Die exportierten Waren sollten sämtlich in der Produktion von konventionellen Rüstungsgütern im Iran, einem Land, dessen Politik insbesondere gegenüber Israel von einer aggressiven Grundhaltung geprägt ist, eingesetzt werden. Aus der Stellungnahme des Auswärtigen Amtes geht hervor, dass die Bundesrepublik Deutschland ein besonderes außenpolitisches Interesse an der Stabilisierung der Region des Nahen und Mittleren Ostens verfolgt und diesbezügliche Aktivitäten entfaltet, die durch die unkontrollierte Ausfuhr von zur militärischen Verwendung bestimmten Gütern konterkariert werden können, weil Zweifel an der Effektivität der deutschen Exportkontrolle aufgeworfen werden.
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Die Argumentation des Oberlandesgerichts, eine Bedrohung Israels durch den Iran werde nicht durch konventionelle Hochrüstung begründet, geht vor diesem Hintergrund fehl, zumal bekannt ist, dass sich der Iran auch damit brüstet, regionale "Befreiungsarmeen" im Nahen Osten mit Waffen zu versorgen. Solche Gruppen wie etwa die Hisbollah oder die Hamas stellen offenkundig eine unmittelbare Bedrohung Israels und damit des gesamten Friedensprozesses in der Region dar.
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Maßgeblich kommt hinzu, dass jede von der Anklage erfasste illegale Ausfuhr Teil einer jahrelangen Tatserie war (vgl. zu diesem Merkmal BGHSt 53, 128, 137), mit der die Exportkontrollvorschriften von dem Angeklagten systematisch umgangen wurden. Dies gilt auch bereits für die erste angeklagte Tat, weil die Ermittlungen hinreichend belegen, dass der Angeklagte Anfang des Jahres 2001 schon seit mehr als zehn Jahren in das nötigenfalls auf die Umgehung von Exportkontrollen ausgerichtete Beschaffungssystem der DIO eingebunden war.
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Entscheidend wirken sich im vorliegenden Fall aber die massiven Kontrolldefizite aus, die die Ermittlungen bei den deutschen Zollbehörden aufgedeckt haben. Die Ausfuhrzollstellen ließen sich in allen Fällen, in denen auf Veranlassung des Angeklagten bei der Ausfuhranmeldung das falsche Empfängerland angegeben wurde, über wesentliche Umstände täuschen. Dies wiegt umso schwerer, weil das als Ausgangszollstelle fungierende Zollamt Ha. trotz gegenüber der Vorabfertigung geänderter Empfänger keine weitere Prüfung im Hinblick auf ausfuhrrechtliche Bestimmungen durchführte, sondern nur noch eine papiermäßige Sichtung der Unterlagen auf Vollständigkeit und Zuordnung zu der gestellten Ware. Entgegen der Auffassung der Verteidigung sind die Versäumnisse beim Zollamt Ha. auch nicht unabhängig vom Verhalten des Angeklagten zu betrachten. Die Anklageschrift führt zwar aus, dass nicht abschließend geklärt werden konnte, ob der Angeklagte die Abfertigungspraxis des Zollamtes Ha. bewusst ausgenutzt habe; es haben sich indes insbesondere aus den durchgeführten Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen Hinweise darauf ergeben, dass ihm das für seine Zwecke vorteilhafte Vorgehen der Zollbeamten bekannt war und er deshalb die vom ihm eingeschaltete Spedition als die Firma pries, die wisse, wie man "eine Frachtsendung abwickeln kann, damit der Hersteller nicht merkt, dass die Ware in den Iran gegangen ist."
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Im Ergebnis waren die Ausfuhren des Angeklagten in allen Fällen somit bei genereller Betrachtung ihrer Art nach typischerweise mit hinreichender Wahrscheinlichkeit geeignet, Akte starker diplomatischer Missbilligung oder Medienkampagnen gegen die Bundesrepublik Deutschland in wichtigen Partnerländern herbeizuführen. Dies gilt auch für den Fall 29 der Anklageschrift, in dem es nur beim Versuch blieb. Denn auch in diesem Fall waren die für den Iran bestimmten Waren beim Zollamt Ha. letztlich beanstandungslos für die Ausfuhr freigegeben worden, obwohl in der Vorabfertigung abweichend als Empfängerland noch die Schweiz angegeben gewesen war. Die maßgeblichen Kontrolldefizite staatlicher deutscher Stellen lagen also auch in diesem Fall vor; zur Vollendung der Ausfuhr kam es lediglich wegen der laufenden strafrechtlichen Ermittlungen nicht.
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e) Schließlich ist hinreichend wahrscheinlich, dass der Angeklagte in allen ihm zur Last gelegten Fällen im Sinne des Qualifikationstatbestandes des § 34 Abs. 6 Nr. 2 AWG gewerbsmäßig gehandelt hat. Anders als bei Herstellern oder Lieferanten, die in erster Linie legalen Veräußerungsgeschäften nachgehen , liegt hier der Schluss nahe, dass die Gewinnerzielungsabsicht des Angeklagten gerade darauf abzielte, sich durch wiederholte illegale Ausfuhren eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle zu erschließen bzw. zu erhalten.
Dafür spricht nicht nur die Vielzahl der ermittelten Fälle, sondern insbesondere der Umstand, dass der Angeklagte mit seinen Unternehmen, die keine eigenen Geschäftsräume unterhielten, im Tatzeitraum - soweit ersichtlich - nicht werbend am Markt aufgetreten ist.
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3. Die sich aus dem Vorliegen des hinreichenden Tatverdachts ergebende Veurteilungswahrscheinlichkeit wird auch nicht aus rechtlichen Gründen erschüttert. Der rechtlichen Würdigung des Oberlandesgerichts, mit der es die maßgeblichen Vorschriften des Außenwirtschaftsgesetzes und der Außenwirtschaftsverordnung für gemeinschaftsrechtswidrig gehalten hat und deshalb zu ihrer Unanwendbarkeit gelangt ist, vermag der Senat nicht zu folgen.
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a) Dies gilt zunächst für die Vorschrift des § 5 c Abs. 2 AWV.
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aa) Die Annahme des Oberlandesgerichts, § 5 c Abs. 2 AWV sei gemeinschaftsrechtswidrig und damit unbeachtlich, weil die Bundesregierung einem europarechtlichen Begründungszwang nicht nachgekommen sei, ist rechtsfehlerhaft.
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Eine generelle Verpflichtung des nationalen Gesetzgebers zur formellen Begründung der von ihm erlassenen Gesetze besteht in der Bundesrepublik Deutschland nicht (BadWürttStGH NJW 1975, 1205, 1214; ThürVerfGH NVwZRR 1999, 55, 60; Kischel, Die Begründung S. 260 ff. mit zahlr. Nachw., insbesondere Fn. 3; vgl. auch Redeker/Karpenstein NJW 2001, 2825 ff.). Eine Begründung von Gesetzen findet sich ganz überwiegend nur in Materialien, die nicht unmittelbar auf den Gesetzgeber - das Parlament - zurückgehen; sie stammen vielmehr beispielsweise von der mit der Ausarbeitung des Gesetzentwurfs befassten Stelle, der Bundesregierung oder einem Bundestagsausschuss (Kischel aaO S. 293). Die sich an diesen Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte orientierende historische Auslegung ist deshalb auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts neben der grammatischen , systematischen und der teleologischen Auslegung nur eine von mehreren Methoden zur Ermittlung des im Gesetz objektivierten Willens des Gesetzgebers. Ihre Anwendung setzt voraus, dass der in den Materialien zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Wille auf den objektiven Gesetzesinhalt schließen lässt; nur soweit er in dem Gesetz selbst hinreichenden Ausdruck gefunden hat, kann er bei der Auslegung berücksichtigt werden (BVerfGE 8, 274, 307; 10, 234, 244; 11, 126, 130 ff.; 54, 277, 297 ff.; 62, 1, 45). Bereits diese grundsätzlichen Erwägungen erhellen, dass das Fehlen einer Begründung für sich allein noch keine Rechtsfolge - insbesondere nicht die der Verfassungswidrigkeit oder der Unbeachtlichkeit der Norm - auszulösen vermag.
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Zwar kann bei Gesetzen, deren Erlass bestimmten materiell-rechtlichen oder Verfahrensvoraussetzungen unterliegt, im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle die Prüfung erforderlich sein, ob die am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten den Sachverhalt ausreichend ermittelt und nachvollziehbar gewürdigt haben oder - insbesondere im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung - ob mit dem Gesetz ein verfassungskonformer Zweck verfolgt wird; eine solche Prüfung ist etwa bei Planungs- oder Neugliederungsgesetzen geboten (z. B. BVerfGE 86, 90, 108 f. m. w. N.), aber auch bei Prognoseentscheidungen des Gesetzgebers (z. B. BVerfGE 50, 290, 332 ff. m. w. N.) oder bei Regelungen im Bereich enger verfassungsrechtlicher Vorgaben (z. B. BVerfGE 54, 173, 197; 85, 36, 56 ff.). Hieraus ist indes nicht der Schluss zu ziehen, die maßgeblichen Umstände müssten zwingend in der Gesetzesbegründung niedergelegt werden; vielmehr handelt es sich um eine prozessuale Darlegungspflicht. Im Streitfall müssen die Gründe dem Gericht offen gelegt werden, ohne dass die Art des Nachweises - eine etwa vorhandene Begründung, andere jedermann zugängliche Materialien , aber auch Aussagen an der Normsetzung Beteiligter oder die Offenlegung verwaltungsinterner Vorarbeiten - eine Rolle spielt (Kischel aaO S. 311; Thür- VerfGH aaO; BVerfGE 85, 36, 57). Es kommt allein darauf an, ob die gesetzgeberische Entscheidung im Ergebnis den an sie zu stellenden verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt (BVerfGE 86, 148, 212; vgl. Kischel aaO).
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Diese Grundsätze gelten nicht nur für Parlamentsgesetze, sondern auch für untergesetzliche Normen wie den hier in Rede stehenden § 5 c Abs. 2 AWV (vgl. Kischel aaO S. 326 f., 333, 334; BVerfGE 85, 36, 57). Ebenso haben sie nicht nur Gültigkeit, soweit es um die Rechtfertigung von Normen im verfassungsrechtlichen Kontext geht, sondern auch, soweit - wie hier - legislative Eingriffe in europarechtlich verbürgte Grundfreiheiten in Rede stehen. Eine Regelung , die die nationalen Gesetzgeber zur Begründung ihrer normsetzenden Entscheidungen verpflichtet, existiert im Gemeinschaftsrecht nicht (Cremer NVwZ 2004, 668, 674). Bei der Frage, ob durch ein nationales Gesetz in vorrangiges Gemeinschaftsrecht eingegriffen worden ist, stellt auch der Gerichtshof der Europäischen Union nicht allein auf in der Begründung niedergelegte Vorstellungen des Gesetzgebers ab; die in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommende Absicht des Gesetzgebers kann zwar einen Anhaltspunkt für den mit dem Gesetz verfolgten Zweck darstellen, muss indes nicht ausschlaggebend sein. Es ist vielmehr auch von den nationalen Gerichten zu prüfen, ob die eine Grundfreiheit einschränkende Regelung bei objektiver Betrachtung einen nach dem Gemeinschaftsrecht legitimen Zweck verfolgt (EuGH NZA 2001, 1377, 1379; 2002, 207, 208). Auch aus den vom Oberlandesgericht zitierten Entscheidungen ergibt sich, dass vom Gerichtshof der Europäischen Union im Hinblick auf geforderte Abwägungen oder Darlegungen nicht etwa auf eine dementsprechende Begründungspflicht des nationalen Gesetzgebers rekurriert wird, sondern auf dessen prozessuale Darlegungs- und Beweislast (EuGH Rs. C-414/97, Slg. 1999, I-5585, 5599, Rdn. 22, 24); denn auch die erst im Verfahren benannten Rechtfertigungsgründe des beklagten Staates werden in die Entscheidung einbezogen (EuGH Rs. C-147/03, Slg. 2005, I-5969, 5992, Rdn. 63, 64, 67, 71; vgl. auch Cremer aaO S. 673 f.).
100
Nach alledem kann allein aus einer - angeblich - fehlenden Begründung zu § 5 c Abs. 2 AWV im Sinne einer Abwägung zwischen den Grundsätzen der gemeinsamen Handelspolitik und der Ausfuhrfreiheit mit den Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland nicht auf die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der Norm geschlossen werden. Vielmehr ist entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts von den nationalen Gerichten zu prüfen, ob die mit der Vorschrift verbundene Beschränkung der Ausfuhrfreiheit bei objektiver Betrachtung gemeinschaftsrechtlich zulässigen Zwecken dient.
101
bb) Aus der danach gebotenen Prüfung ergibt sich hier:
102
(1) Wie auch das Oberlandesgericht zutreffend angenommen hat, stellen die vorliegend in Rede stehenden Ausfuhrkontrollen für Dual-Use-Güter Maßnahmen auf dem Gebiet der Gemeinsamen Handelspolitik dar, für die Art. 133 EGV (jetzt: Art. 207 AEUV) der Europäischen Union eine ausschließliche Zuständigkeit verleiht. Den Mitgliedsstaaten fehlt deshalb grundsätzlich jede eigene Kompetenz zum Erlass nationaler Regelungen (h. M.; vgl. EuGH, Gutachten 1/75, Slg. 1975, 1355, 1363 ff.; EuGH NVwZ 1996, 365, 366 m. w. N.; wistra 1996, 57; Vedder/Lorenzmeier in Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Art. 133 EGV Rdn. 11 m. zahlr. Nachw.; Simonsen in Wolffgang /Simonsen, AWR-Kommentar, Einführung Dual-Use-VO Rdn. 18; Reuter NJW 1995, 2190, 2191). Die sich aus der ausschließlichen Zuständigkeit der Union ergebende Sperrwirkung entfällt indes dort, wo das Gemeinschaftsrecht die Mitgliedsstaaten - etwa durch Öffnungsklauseln - zum Erlass nationaler Regeln ermächtigt (EuGH NJW 1977, 1007, 1008; NVwZ aaO; wistra aaO; EuGH Rs. C-174/84, Slg. 1986, 559, 576, Rdn. 31; Vedder/Lorenzmeier aaO; Schae- fer, Die nationale Kompetenz zur Ausfuhrkontrolle nach Art. 133 EG S. 102). Eine solche Öffnungsklausel findet sich hinsichtlich der Ausfuhr von Dual-UseGütern in Art. 5 Abs. 1 Dual-Use-VO (jetzt Art. 8 Abs. 1 Dual-Use-VO nF) (vgl. Ehrlich in Bieneck, Handbuch des Außenwirtschaftsrechts 2. Aufl. § 8 Rdn. 30; Friedrich in Hocke/Berwald/Maurer/Friedrich, Außenwirtschaftsrecht Art. 5 DualUse -VO Rdn. 1 f.; Schaefer aaO S. 150; Karpenstein in Grabitz/Hilf aaO Art. 5 Dual-Use-VO Rdn. 1; Simonsen aaO Art. 8 Dual-Use-VO Rdn. 1; KG, Beschl. vom 22. Juli 2008 - 4 Ws 131/07 - juris - Rdn. 7). Zu Recht ist das Oberlandesgericht auch davon ausgegangen, dass Öffnungsklauseln als Ausnahmen von gemeinschaftsrechtlichen Grundsätzen generell eng auszulegen sind (EuGH NJW 1977, 1007, 1008; wistra 1996, 57, 59; EuGH Rs. C-414/97, Slg. 1999, I-5585, 5599, Rdn. 21; Pernice/Mayer in Grabitz/Hilf aaO Art. 220 EGV Rdn. 45 m. w. N.; Karpenstein aaO Rdn. 2; Friedrich aaO Rdn. 3).
103
(2) Nach Maßgabe dieser Grundsätze ergeben sich mit Blick auf die Kompetenz der Bundesrepublik Deutschland zum Erlass exportkontrollrechtlicher Vorschriften keine Anhaltspunkte für eine Gemeinschaftsrechtswidrigkeit von § 5 c Abs. 2 AWV; die Vorschrift ist vielmehr von der Öffnungsklausel des Art. 5 Abs. 1 Dual-Use-VO (jetzt Art. 8 Abs. 1 Dual-Use-VO nF) erfasst, der die Mitgliedsstaaten ermächtigt, die Ausfuhr von nicht in der Dual-Use-Liste erfassten Gütern aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder aus Menschenrechtserwägungen zu untersagen oder dafür eine Genehmigungspflicht vorzuschreiben.
104
Der Begriff der öffentlichen Sicherheit umfasst nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die innere und die äußere Sicherheit der Mitgliedsstaaten (EuGH EuZW 1992, 29, 31); wegen der Schwierigkeit, außenpolitische und sicherheitspolitische Gesichtspunkte klar voneinander abzugrenzen, können auch die auswärtigen Beziehungen eines Mitgliedsstaates vom Begriff der öffentlichen Sicherheit erfasst sein. Aufgrund der gebotenen engen Auslegung des Ausnahmetatbestands bedarf es insoweit aber der Gefahr einer erheblichen Störung der auswärtigen Beziehungen (EuGH NVwZ 1996, 365, 367; wistra 1996, 57, 58). Die öffentliche Sicherheit kann insbesondere durch die Ausfuhr eines zu militärischen Zwecken einsetzbaren Erzeugnisses in ein Drittland, das als ein für die Ausfuhr von Dual-UseGütern sehr sensibles Bestimmungsland angesehen wird, beeinträchtigt werden (EuGH NVwZ aaO; wistra aaO). Die Einschätzung, ob eine Gefährdung für die öffentliche Sicherheit vorliegt, ist Sache des Mitgliedsstaates; diesem steht insoweit - wie beim Schutz anderer Rechtsgüter auch - unter Beachtung des Gemeinschaftsrechts und insbesondere des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Beurteilungsspielraum zu, innerhalb dessen er bestimmen kann, auf welchem Niveau er den Schutz der öffentlichen Sicherheit gewährleisten will und welche Maßnahmen er zur Erreichung des angestrebten Schutzniveaus für erforderlich hält (Bermbach, Die gemeinschaftliche Ausfuhrkontrolle für Dual-UseGüter S. 187 f.; Schaefer aaO S. 174 f., m. zahlr. Nachw. zur EuGHRechtsprechung ; vgl. EuGH Rs. C-34/79, Slg. 1979, 3795, 3797, Rdn. 15 zum Begriff der öffentlichen Sittlichkeit; EuGH Rs. C-434/04, Slg. 2006, I-9171, 9185, Rdn. 32 f. zum Schutz der Gesundheit). Dabei ist zu berücksichtigen, dass jeder Mitgliedsstaat besondere Sicherheitsinteressen haben kann, etwa wegen seiner geographischen Lage, seiner Geschichte, wegen seiner inneren Situation oder besonderer äußerer Bedrohungen (Generalanwalt Jacobs, Rs. C-70/94 und Rs. C-83/94, Slg. 1995, I-3189, 3191, Rdn. 43; Rs. 120/94, Slg. 1996, I-1513, 1514, Rdn. 54; Schaefer aaO S. 217; Karpenstein aaO Rdn. 2, 7 m. w. N.; vgl. insoweit auch BVerfG NJW 1995, 1537, 1538).
105
Die Vorschrift des § 5 c AWV findet - wie sich bereits aus der Überschrift ergibt - ihre nationale Ermächtigungsgrundlage in § 7 Abs. 1 AWG. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 AWG können Rechtsgeschäfte und Handlungen im Außenwirt- schaftsverkehr beschränkt werden, um zu verhüten, dass die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich gestört werden. Dieses nationale Regelungsziel unterfällt nach obigen Ausführungen dem gemeinschaftsrechtlichen Begriff der öffentlichen Sicherheit, so dass darauf beruhende nationale Ausfuhrbeschränkungen nicht von der Sperrwirkung der Dual-Use-VO erfasst werden; die Bundesrepublik Deutschland hat insoweit eine eigene, nicht von der Unionszuständigkeit aus Art. 133 EGV (jetzt: Art. 207 AEUV) gehinderte Kompetenz zum Erlass nationaler Vorschriften zur (weiteren) Kontrolle von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck (Schaefer aaO; Karpenstein aaO Rdn. 2; Ehrlich aaO; Simonsen aaO Rdn. 4, 8; Fehn in Hohmann/John, Ausfuhrrecht Art. 5 Dual-Use-VO Rdn. 25).
106
§ 5 c AWV hält sich innerhalb des gemeinschaftsrechtlich vorgegebenen Rahmens, indem die Vorschrift lediglich die Ausfuhr von Gütern, die für eine militärische Endverwendung bestimmt sind, in nach Einschätzung des Verordnungsgebers besonders sensitive Bestimmungsländer der Länderliste K (vgl. BTDrucks. 14/4166 S. 13) von einer vorherigen Unterrichtung des BAFA und gegebenenfalls dessen Genehmigung abhängig macht. Unkontrollierte Ausfuhren in diesem Bereich können auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die auswärtigen Beziehungen eines Mitgliedsstaates erheblich stören und so zu einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit führen (EuGH NVwZ 1996 aaO; wistra aaO). § 5 c AWV stellt folglich eine grundsätzlich gemeinschaftsrechtlich zulässige nationale Exportkontrollvorschrift dar (Schaefer aaO S. 209; Karpenstein aaO; Pietsch in Wolffgang/Simonsen aaO § 5 c AWV Rdn. 7; Schörner in Hohmann/John aaO § 5 c AWV Rdn. 9 f.; Simonsen aaO Rdn. 5; Ehrlich aaO Rdn. 35; Friedrich aaO § 5 c AWV Rdn. 2).
107
(3) Diesem Ergebnis kann auch nicht die Auffassung der Verteidigung entgegengehalten werden, § 5 c Abs. 2 AWVsei von Art. 5 Abs. 1 Dual-Use-VO nicht gedeckt, weil damit nur ein Genehmigungsvorbehalt oder die Untersagung einer Ausfuhr gestattet werde; § 5 c Abs. 2 AWV sehe aber lediglich eine Informations - und Wartepflicht des Ausführers vor, der die beabsichtigte Ausfuhr anzuzeigen und eine Entscheidung des BAFA abzuwarten habe. Es dürfe aber nicht der Verwaltung die Entscheidung überlassen werden, ob von der europarechtlichen Ermächtigung zum Erlass nationaler Sonderregelungen Gebrauch gemacht werde.
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Diese Ansicht verkennt, dass § 5 c Abs. 2 AWV lediglich das Verfahren festlegt, das in der Regel zum Entstehen des nach der Ermächtigungsnorm zulässigen Genehmigungsvorbehalts oder auch der Untersagung der Ausfuhr führt. Dass dabei die Verwaltungsbehörde eingeschaltet wird, steht der Vereinbarkeit mit Art. 5 Abs. 1 Dual-Use-VO nicht entgegen, weil in dieser Vorschrift keine Aussage getroffen wird, welcher Staatsgewalten sich die Mitgliedsstaaten zur Durchführung der beschränkenden Maßnahmen bedienen dürfen. § 5 c Abs. 2 AWV schafft damit - wenn auch über den Zwischenschritt der Entscheidung des BAFA - den nach Art. 5 Abs. 1 Dual-Use-VO zulässigen Genehmigungsvorbehalt. Der Umstand, dass es - wenn auch eher seltene (vgl. dazu Weith/Wegner/Ehrlich, Grundzüge der Exportkontrolle S. 125) - Fälle geben mag, in denen nach der Prüfung durch das BAFA keine Genehmigungspflicht für die konkrete Ausfuhr besteht, berührt die Vereinbarkeit mit der Ermächtigungsgrundlage nicht; dass insoweit auch für nicht genehmigungspflichtige Ausfuhren eine Informations- und Wartepflicht normiert wird, ist vielmehr erst im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung von Bedeutung (dazu unten B. II. 3.
a) cc) (3)). Die Frage, ob in zulässiger Weise der Exekutive eine Kompetenz übertragen wird, den Genehmigungsvorbehalt erst zum Entstehen zu bringen, berührt ebenfalls nicht die Vereinbarkeit von § 5 c Abs. 2 AWV mit Art. 5 Abs. 1 Dual-Use-VO, sondern den auch gemeinschaftsrechtlich zu beachtenden Bestimmtheitsgrundsatz (dazu unten B. II. 3. a) dd)).
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cc) § 5 c Abs. 2 AWV entspricht auch mit Blick auf die damit verbundene Einschränkung der Ausfuhrfreiheit dem gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
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(1) Mitgliedsstaatliche Exportkontrollvorschriften hinsichtlich nicht gelisteter Dual-Use-Güter auf der Grundlage der Ermächtigung aus Art. 5 Abs. 1 DualUse -VO (jetzt: Art. 8 Abs. 1 Dual-Use-VO nF) stellen "nationale Alleingänge" dar und unterliegen als solche dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, sie müssen also geeignet, erforderlich und angemessen sein, um den jeweils angestrebten, gemeinschaftsrechtlich zulässigen Zweck zu erreichen (EuGH EuZW 1992, 29, 31; wistra 1996, 57, 59). Allein in diesem Rahmen kann ein Mangel an Begründung durch den Gesetz- oder Verordnungsgeber von Bedeutung sein, wenn die Geeignetheit der beschränkenden Maßnahme zur Erreichung eines legitimen Zwecks oder ihre Verhältnismäßigkeit deshalb gegebenenfalls nicht überprüft werden kann (vgl. EuGH Rs. C-414/97, Slg. 1999, I-5585, 5599, Rdn. 22; Rs. C-170/04, Slg. 2007, I-4071, 4107, Rdn. 50). Nach den oben dargelegten Grundsätzen sind aber alle zulässigen Auslegungsmethoden heranzuziehen, um bei objektiver Betrachtung zu ermitteln, ob der Gesetz- oder Verordnungsgeber einen legitimen Zweck verfolgt und den Eingriff in Grundfreiheiten verhältnismäßig ausgestaltet hat (vgl. oben B. II. 3. a) aa)).
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Bereits aus dem systematischen Zusammenhang des § 5 c AWV ergibt sich, dass der Verordnungsgeber damit einen legitimen Zweck verfolgt. Aus der amtlichen Überschrift, die die Vorschrift als eine Beschränkung nach § 7 Abs. 1 AWG ausweist, geht hervor, dass mit den Ausfuhrbeschränkungen der Schutz der Sicherheit und der auswärtigen Interessen der Bundesrepublik bezweckt wird. Dieses Ziel erweist sich, wie dargelegt, als gemeinschaftsrechtlich legitim und vermag nationale Ausfuhrkontrollen zu rechtfertigen. Diese Rechtslage bestand bereits vor der Einführung der Dual-Use-VO im Jahr 2000 bzw. vor In- krafttreten der vorhergehenden Fassung durch die VO (EG) Nr. 3381/1994 (ABl. L 367 S. 1). Denn auch nach der nach wie vor geltenden Vorschrift des Art. 11 der VO (EG) Nr. 2603/1969 (ABl. L 324 S. 25; im Folgenden: Ausfuhrverordnung ) konnten nationale Ausfuhrbeschränkungen nicht nach Gutdünken der Mitgliedsstaaten erlassen werden, sondern bedurften einer Rechtfertigung u. a. aus Gründen der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit. Auf dem Boden dieser Rechtslage hatte der Gerichtshof der Europäischen Union bereits im Jahr 1995 Ausfuhrbeschränkungen der Bundesrepublik Deutschland, die nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 AWG den Schutz der auswärtigen Beziehungen bezweckten , als gemeinschaftsrechtskonform beurteilt (EuGH NVwZ 1996, 365; wistra 1996, 57). Anlass zu vertiefenden Ausführungen über die grundsätzliche europarechtliche Zulässigkeit eigener, schärferer Ausfuhrkontrollen bestand für den Verordnungsgeber angesichts dieser höchstrichterlich geklärten Rechtslage - auch im Hinblick auf den Grundsatz der Ausfuhrfreiheit (vgl. Art. 1 Ausfuhrverordnung ) - deshalb nicht.
112
Das Oberlandesgericht kommt zu dem Ergebnis, der Verordnungsgeber habe die Ausfuhrbeschränkungen in § 5 c AWV lediglich mit allgemeinen politischen Einschätzungen begründet und keine nachvollziehbare Abwägung zwischen den Grundsätzen der gemeinsamen Handelspolitik und der Ausfuhrfreiheit einerseits und den nationalen Sonderinteressen der Bundesrepublik Deutschland andererseits vorgenommen. Dabei hat es indes die vorhandenen Begründungen zum Teil unzutreffend und nur unvollständig ausgewertet sowie allgemeinkundigen Umständen keinen ausreichenden Stellenwert beigemessen.
113
Schon bei der Anpassung der AWV an die durch die VO (EG) Nr. 3381/1994 geänderte Rechtslage durch die 36. Änderungs-VO vom 17. Februar 1995 (BAnz 1995 S. 6165, 6168) hat der Verordnungsgeber dargelegt, dass er sich der fortschreitenden Harmonisierung auf dem Gebiet der Exportkontrolle für Dual-Use-Güter bewusst war. Die - vom Oberlandesgericht unbeachtet gebliebene - Begründung zum Erlass der damals neu eingeführten Länderliste K lautete: "Die Entscheidung zugunsten der neuen Länderliste K war Ergebnis einer sehr sorgfältigen Abwägung. Die exportkontrollpolitische Verantwortung Deutschlands einerseits und das integrationspolitische und wirtschaftspolitische Interesse an einer europäischen Harmonisierung andererseits waren in Einklang zu bringen. Einige der in der neuen Länderliste K aufgeführten Länder werden international einheitlich als besonders problematisch angesehen, zum Teil bleiben sie sichtbar hinter Friedensprozessen in ihren Regionen zurück." (BAnz aaO).
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Es liegt fern anzunehmen, dass der Verordnungsgeber, der bei der Einführung der VO (EG) Nr. 3381/1994, die einen geringeren Stand der Harmonisierung innerhalb der Union widerspiegelte, intensive dahingehende Abwägungen vornahm, seine Verpflichtung zur Berücksichtigung der europarechtlichen Grundsätze fünf Jahre später angesichts fortschreitender Harmonisierung aber aus dem Blick verlor, zumal er - wie auch das Oberlandesgericht festgestellt hat - auch im Jahr 1998 noch die Verpflichtung zur Abwägung zwischen Sicherheits - und Integrationsinteressen hervorhob (vgl. BTDrucks. 13/10104 S. 27). Eine solche Abwägung vor dem Hintergrund einer stärkeren Vereinheitlichung der europäischen Regelungen muss indes nicht notwendig zu einer Lockerung nationaler Regelungen oder auch nur zu einem gesteigerten Begründungsaufwand bei ihrer Beibehaltung führen. Richtig ist vielmehr, dass ein wesentlicher Bestandteil des Harmonisierungsprozesses zwischen den Jahren 1995 und 2000 in der Verschärfung der gemeinschaftlichen Exportkontrollvorschriften bestand, indem mit Art. 4 Abs. 2 und 4 Dual-Use-VO europaweit eine § 5 c AWV vergleichbare verwendungsbezogene Kontrolle von nicht gelisteten Dual-Use-Gütern eingeführt wurde, soweit diese Güter in Ländern, gegen die ein Waffenembargo besteht, zur Produktion von konventionellen Rüstungsgütern eingesetzt werden sollen. Aufgrund dieser Regelung konnte die Bundesregierung die Mehrzahl der zuvor dort aufgeführten Länder von der Länderliste K streichen (vgl. BTDrucks. 14/4166 S. 12, 15); es verblieben nur noch sechs. Jedenfalls missverständlich sind vor diesem Hintergrund auch die Ausführungen des Oberlandesgerichts, Art. 5 Abs. 1 Dual-Use-VO (in der Fassung der VO (EG) Nr. 1334/2000) sei auf Wunsch der Bundesrepublik Deutschland in die Verordnung aufgenommen worden, weil sich eine Vereinheitlichung auf dem besonders hohen deutschen Niveau nicht habe durchsetzen lassen. Die dazu zitierten Belege betreffen nur die Vorgängerregelung des Art. 5 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 3381/1994. Soweit durch solche Wendungen in dem angefochtenen Beschluss der Eindruck entsteht, die gemeinschaftsrechtliche Harmonisierung stehe einer - auch nur beizubehaltenden - Liberalisierung des Exportkontrollrechts gleich, ist das Gegenteil der Fall. Wie dargelegt hatte die fortschreitende Harmonisierung bis zum Inkrafttreten der Dual-Use-VO im Jahr 2000 bereits zu einer Verschärfung der gemeinschaftsrechtlichen Exportkontrollbestimmungen geführt; dies hat sich im weiteren Verlauf der Harmonisierung fortgesetzt, etwa indem in der jetzigen Fassung der Dual-Use-VO in Art. 5 Abs. 1 VO (EG) Nr. 428/2009 erstmalig europaweit auch Vermittlungstätigkeiten in Bezug auf DualUse -Güter einer verwendungsbezogenen Genehmigungspflicht unterworfen und den Mitgliedsstaaten weitere Befugnisse zum Erlass nationaler Sonderregelungen eingeräumt werden. Auch insoweit hat die Harmonisierung zu einer Anhebung des Kontrollniveaus (vgl. auch Simonsen aaO Einführung Dual-UseVO Rdn. 22 f.) und damit letztlich zu einer weiteren Annäherung an die deutschen Standards geführt. Hinzu kommt, dass mittlerweile von der Europäischen Union Waffenembargos nicht nur gegenüber dem Iran, sondern auch gegenüber Libanon und Nordkorea ausgesprochen worden sind, die Einschätzung der Bundesregierung hinsichtlich der Sensitivität von Exporten von militärisch verwendbaren Gütern in diese Länder also internationale Anerkennung erfahren hat. Nach Streichung dieser Länder sowie Mosambiks (vgl. BTDrucks. 16/4106 S. 8, 12; 16/6269 S. 10, 15) umfasst die Länderliste K deshalb nur noch zwei Staaten.
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Ausgehend davon ist auch die bei der Anpassung der AWV an die geänderte Dual-Use-VO im Jahr 2000 geäußerte Einschätzung der Bundesregierung , durch die strengeren gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften würden bisher bestehende Wettbewerbsnachteile deutscher Exporteure gemildert, entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts zutreffend (vgl. Hohmann/John in Hohmann/John aaO Update-Anhang 2 zur Dual-Use-VO Rdn. 2; Simonsen aaO Einführung Dual-Use-VO Rdn. 19; aA der mit dem angefochtenen Beschluss zur Frage der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit von § 5 c Abs. 2 AWV, § 34 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AWG weitgehend wortgleiche Beitrag von v. Heintschel -Heinegg/Dauster in FS für Stöckel S. 57, 68 in Fn. 49). Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob für die verbliebenen Länder nur in Deutschland Ausfuhrbeschränkungen bestehen, sondern darauf, dass für die Mehrzahl der Länder, in die Exporte von Dual-Use-Gütern zum Zweck der militärischen Endverwendung zuvor nur in Deutschland Beschränkungen unterworfen waren, nunmehr eine europarechtlich einheitliche Kontrollvorschrift vergleichbaren Inhalts besteht und deshalb insoweit die Chancengleichheit zwischen deutschen und anderen europäischen Exporteuren hergestellt wurde.
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Die Erwägung des Oberlandesgerichts, der Verordnungsgeber sei sich im Jahr 2000 seines durch Art. 5 Abs. 1 Dual-Use-VO eingeschränkten Spielraums zur Schaffung oder Beibehaltung nationaler Exportkontrollvorschriften nicht bewusst gewesen, vermag ebenfalls nicht zu überzeugen. Die Vorgängerregelung des Art. 5 Abs. 1 VO (EG) Nr. 3381/1994 ließ nach ihrem Wortlaut nationale Beschränkungen zwar ohne nähere Begründung zu; zu beachten war aber auch seinerzeit Art. 11 der Ausfuhrverordnung, der nationale Ausfuhrbeschränkungen - wie oben dargelegt - gerade nicht unbegrenzt erlaubte. Im Übrigen bezieht sich die zum Nachweis der Auffassung des Oberlandesgerichts zitierte Passage aus der Verordnungsbegründung erkennbar auf die Beschreibung des Rechtszustandes vor Einführung der Dual-Use-VO, kann also nicht als Begründung für einen angeblich falschen Maßstab des Verordnungsgebers für die Zeit danach herangezogen werden.
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Für die erforderliche Begründungstiefe, die eine Überprüfung von § 5 c Abs. 2 AWV im Hinblick auf den gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ermöglicht, ergibt sich nach alldem Folgendes: Angesichts des sich bereits aus einer systematischen Auslegung ergebenden legitimen Zwecks der Vorschrift, die dem Schutz der auswärtigen Beziehungen als Bestandteil der öffentlichen Sicherheit dient, und eingedenk des nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union dem nationalen Gesetzgeber zur Verfügung stehenden Spielraums bei der Beurteilung der Frage, ob die Einschränkung von gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten zum Schutz der öffentlichen Sicherheit des Mitgliedsstaates geboten ist, sind die vom Verordnungsgeber gewählten Formulierungen in den amtlichen Begründungen zur AWV jedenfalls im Zusammenhang mit den allgemein zugänglichen Grundsätzen der deutschen Außen- und Exportkontrollpolitik und den offenkundigen Erkenntnissen zur politischen Haltung des Iran im Nahen Osten und insbesondere gegenüber Israel ausreichend, um eine potentielle erhebliche Gefährdung der auswärtigen Beziehungen durch die Ausfuhr von Gütern mit einem militärischen Endverwendungszweck in den Iran zu begründen. Hierzu gilt:
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Wie auch das Oberlandesgericht ausgeführt hat, verfolgt die Bundesrepublik gestützt auf das verfassungsrechtlich in Art. 26 GG verankerte Friedens- gebot im Grundsatz eine restriktive Rüstungsexportkontrollpolitik, die auch für Güter mit doppeltem Verwendungszweck gilt, sofern diese für Rüstungszwecke verwendet werden sollen (BTDrucks. 13/5966 S. 2; 13/10104 S. 1 f.). Dieses Friedensgebot verpflichtet nationale Behörden etwa zur Versagung einer Ausfuhrgenehmigung , wenn durch den Export das Rechtsgut des Völkerfriedens im Sinne des Art. 26 Abs. 1 GG potentiell bedroht ist (Schaefer aaO S. 60). Integraler Bestandteil und Grundkonsens der deutschen Außenpolitik ist seit jeher eine besondere Verantwortung für die Sicherheit Israels (vgl. nur BTPlenarprotokoll 14/233 S. 23113, 23114, Regierungserklärung zur Lage im Nahen Osten) und damit verbunden ein besonderes Engagement für die Stabilisierung der gesamten Region des Nahen und Mittleren Ostens. Der Iran als eines der wichtigsten Länder in dieser Region, war nicht erst in den letzten Jahren, sondern bereits vor dem Jahr 2000 von einer feindlichen Grundhaltung gegenüber Israel geprägt und trug zur Verhinderung von Stabilisierungsbemühungen in der Region bei. Er verweigerte ein klares Bekenntnis zum Existenzrecht Israels sowie zur demokratischen Legitimität der palästinensischen Autonomiebehörde , bekundete offen Symphatie mit den Motiven von Selbstmordattentätern der Hamas in Israel und unterstützte gewaltbereite palästinensische Oppositionsgruppen (vgl. BTDrucks. 13/4545 S. 2 f.; 13/3483 S. 2). Bereits aus der Zusammenschau dieser Umstände wird deutlich, dass eine durch die Bundesregierung nicht kontrollierte Ermöglichung auch konventioneller Rüstungsprojekte im Iran potentiell geeignet ist, zur Destabilisierung der Region beizutragen und damit im Widerspruch zu wesentlichen Grundsätzen der Außenpolitik der Bundesrepublik steht. Eine zur Außenpolitik widersprüchliche Exportkontrollpolitik ist aber ersichtlich geeignet, die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung bei ihren internationalen Partnern zu untergraben und dadurch die auswärtigen Beziehungen erheblich zu stören; dadurch wird - auch nach den Ausführungen des Gerichtshofs der Europäischen Union - die öffentliche Sicherheit der Bundesre- publik Deutschland berührt. Dass dies in den Begründungen zur AWV nicht im Einzelnen dargelegt, sondern lediglich auf "sensitive" Staaten verwiesen und ausgeführt wird, diese blieben "zum Teil (…) sichtbar hinter Friedensprozessen in ihren Regionen zurück", ist mit Blick auf die Offenkundigkeit dieser Umstände unschädlich.
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(2) Die Vorschrift des § 5 c Abs. 2 AWV ist auch geeignet, dieses gemeinschaftsrechtskonforme Ziel des Schutzes der öffentlichen Sicherheit zu erreichen, weil potentiell gefährdende Ausfuhren durch die Exportkontrolle verhindert werden können. Soweit das Oberlandesgericht die Geeignetheit "gemeinschaftsrechtlich betrachtet" in Abrede stellt, weil das Ziel einer restriktiven Exportkontrolle wegen der Gefahr einer Ersatzlieferung aus einem anderen Mitgliedsstaat nicht erreicht werden könne, ist dies im Ansatz verfehlt. Zweck des § 5 c Abs. 2 AWV ist nicht eine gemeinschaftsrechtliche restriktive Exportkontrollpolitik , sondern der Schutz der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland. Diese können durch die Lieferung von Waren aus einem anderen europäischen Land erkennbar nicht beeinträchtigt werden.
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(3) Die Regelung erweist sich auch als erforderlich und angemessen, um den damit bezweckten Schutz der öffentlichen Sicherheit zu erreichen. Entgegen der Auffassung der Verteidigung bestehen keine Bedenken dagegen, dass dem Ausführer Informations- und Wartepflichten auch in den seltenen - eher nur theoretisch denkbaren (vgl. dazu unten B. II. 3. a) dd)) - Fällen auferlegt werden , in denen sich die beabsichtigte Ausfuhr nach einer Prüfung durch das BAFA letztlich als nicht genehmigungspflichtig erweist. Da es sich um verwendungsbezogene Kontrollen handelt, die an die Kenntnis des Ausführers von der militärischen Endverwendung in dem Empfängerland anknüpfen, würde die Ablehnung einer Informationspflicht den nach Art. 5 Abs. 1 Dual-Use-VO zulässigen Genehmigungsvorbehalt vereiteln, weil das BAFA keine Kenntnis von dem Ausfuhrvorgang erlangte und deshalb über eine Genehmigungspflichtigkeit nicht entscheiden könnte. Ohne eine Wartepflicht könnte der Exporteur gleichsam , ohne Konsequenzen fürchten zu müssen, die Güter vor einer Entscheidung des BAFA ausführen; auch dadurch würde der Genehmigungsvorbehalt unterlaufen.
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Die Einschaltung des BAFA ermöglicht zudem eine einzelfallbezogene Prüfung der beabsichtigten Ausfuhr und stellt sich daher - im Vergleich zu dem nach Art. 5 Abs. 1 Dual-Use-VO entgegen der Auffassung der Verteidigung grundsätzlich zulässigen Genehmigungsvorbehalt oder gar der Untersagung jeglicher Ausfuhr - als flexiblere Maßnahme dar, die die Berücksichtigung der Ausfuhrfreiheit erlaubt. Als gegenüber den von der Ermächtigungsnorm gestatteten Maßnahmen milderes Mittel erweist sich die Vorschrift damit auch als angemessen im engeren Sinne.
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(4) Schließlich ist es auch nicht grundsätzlich unverhältnismäßig, bereits an die Ausfuhr unter Verstoß gegen die von der Ermächtigungsgrundlage des Art. 5 Abs. 1 Dual-Use-VO gedeckte (dazu oben B. II. 3. a) bb) (3)) und zur Wahrung des zulässigen Genehmigungsvorbehalts erforderliche Informationsund Wartepflicht eine Sanktion zu knüpfen. Es handelt sich hierbei gemäß § 70 Abs. 1 Nr. 3 AWV, § 33 Abs. 1 AWG um eine Ordnungswidrigkeit, die erst bei Hinzutreten weiterer gewichtiger Umstände (vgl. oben B. II. 2. d)) als Straftat verfolgt werden kann; es stehen damit flexible Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Dass jegliche Sanktionierung gemeinschaftsrechtlich schlicht unzulässig sein sollte, ist nicht ersichtlich.
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dd) Nach den gemeinschaftsrechtlichen Grundsätzen der Bestimmtheit, der Vorhersehbarkeit und der Rechtssicherheit muss eine Regelung, die in Bezug auf gemeinschaftsrechtliche Grundfreiheiten eine Beschränkung enthält, klar und deutlich sein, damit der Rechtsunterworfene seine Rechte und Pflichten unzweideutig erkennen kann (Pernice/Mayer aaO nach Art. 6 EUV Rdn. 295 m. zahlr. Nachw. zur ständigen EuGH-Rechtsprechung; EuGH NJW 2003, 2663, 2665). Diesen Anforderungen genügt § 5 c Abs. 2 AWV:
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(1) Bei Kenntnis von der militärischen Endverwendung der auszuführenden Güter in einem Land der Länderliste K hat der Ausführer das BAFA zu unterrichten , das alsdann zunächst über die Genehmigungspflicht zu entscheiden hat. Die Voraussetzungen der Genehmigungspflicht ergeben sich aus § 5 c Abs. 1 AWV. Danach ist die Ausfuhr genehmigungspflichtig, wenn der Ausführer (wiederum) vom BAFA unterrichtet worden ist, dass die Güter ganz oder teilweise für eine militärische Endverwendung bestimmt sind oder bestimmt sein können und das Käufer- oder Bestimmungsland ein Land der Länderliste K ist. Die Unterrichtung des Ausführers durch das BAFA ist für die Genehmigungspflicht daher auch in Fällen des § 5 c Abs. 2 AWV konstitutiv (Weith/Wegner/Ehrlich aaO S. 122); die Voraussetzungen der Genehmigungspflicht sind klar und deutlich festgelegt. Die von der Verteidigung vertretene Auffassung , es bleibe mangels im Gesetz oder der Verordnung festgeschriebener Voraussetzungen der Exekutive überlassen, ob und warum von der europarechtlichen Ermächtigung zum Erlass nationaler Sonderregelungen Gebrauch gemacht werde, geht deshalb fehl.
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Diesem Ergebnis kann auch nicht der systematische Einwand entgegengehalten werden, entgegen dem Wortlaut des § 5 c Abs. 2 AWV könnten keine Fälle auftreten, in denen das BAFA zu dem Ergebnis einer Genehmigungsfreiheit komme. Es erscheint zwar nur in seltenen Fällen - etwa, wenn sich die Erkenntnisse des Ausführers letztlich als unzutreffend erweisen - denkbar, dass das BAFA trotz Unterrichtung durch den Ausführer von seiner Kenntnis der militärischen Endverwendung zu dem Ergebnis kommt, dass die Güter tatsächlich doch nicht ganz oder teilweise für eine militärische Endverwendung bestimmt sind oder bestimmt sein können; das schließt eine solche Entscheidung aber nicht aus. Der in § 5 c AWV normierte Unterrichtungsmechanismus stellt maßgeblich auf die (vermutet besseren) Behördenerkenntnisse ab und knüpft die Rechtsfolge der Genehmigungspflicht deshalb nicht an die subjektive Kenntnis des Ausführers, sondern an die Unterrichtung durch das BAFA (Weith/Wegner/Ehrlich aaO S. 125). Ein Genehmigungsvorbehalt unter den Voraussetzungen des § 5 c Abs. 1 AWV ist - entgegen der Auffassung der Verteidigung - auch von Art. 5 Abs. 1 Dual-Use-VO gedeckt, weil in diesen Fällen eine potentielle Gefährdung der auswärtigen Beziehungen als Bestandteil des Schutzgutes der öffentlichen Sicherheit besteht (dazu oben B. II. 3. a) cc) (1)).
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(2) Die Voraussetzungen für die Erteilung der hier in Betracht kommenden Ausfuhrgenehmigung ergeben sich alsdann aus den §§ 3, 7 AWG. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AWG ist eine Genehmigung zu erteilen, wenn zu erwarten ist, dass die Ausfuhr den Zweck nicht oder nur unwesentlich gefährdet, dem die Vorschrift dient, die die Genehmigungspflicht normiert. Hier bezweckt die Genehmigungspflicht den Schutz der Sicherheit und der auswärtigen Interessen im Sinne des § 7 Abs. 1 AWG, namentlich soll sie verhüten, dass die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich gestört werden (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 AWG). Zu der Eignung zur erheblichen Gefährdung der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des § 34 Abs. 2 Nr. 3 AWG hat der Senat bereits entschieden, dass die Verwendung dieses Merkmals in einem Straftatbestand wegen der Vielzahl von Beziehungen, auf die der Wortlaut verweist, zwar mit Blick auf das Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich in hohem Maße problematisch ist (vgl. auch BVerfG NJW 2004, 2213, 2219), letztlich bei der gebotenen engen, konkretisierenden Auslegung des Tatbestandsmerkmals aber noch keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet (BGHSt 53, 128, 132).
Denn das Bestimmtheitsgebot zwingt den Gesetzgeber nicht dazu, auf auslegungsfähige Begriffe vollständig zu verzichten. Der erforderliche Grad an gesetzlicher Bestimmtheit richtet sich nach den Besonderheiten der Vorschrift und dem Grund ihrer Einführung (vgl. etwa BVerfGE 28, 175, 183; 75, 329, 341). Bei § 34 Abs. 2 Nr. 3 AWG wird eine konkretere Fassung der Norm durch die Komplexität der internationalen Beziehungen und die Vielfalt der Konfliktmöglichkeiten erschwert. Darüber hinaus besteht ein erhebliches öffentliches Interesse daran, die gemeinsamen Interessen, welche die Bundesrepublik Deutschland mit anderen Staaten verbinden, gerade auch auf dem Gebiet der Außenwirtschaft - nötigenfalls durch Strafbestimmungen - zu wahren (BGHSt aaO).
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Nicht anders verhält es sich bei der vom Wortlaut her sehr ähnlichen Bestimmung des § 7 Abs. 1 Nr. 3 AWG auch mit Blick auf das gemeinschaftsrechtliche Bestimmtheitsgebot. Es handelt sich um eine verwaltungsrechtliche Vorschrift , die - anders als § 34 Abs. 2 Nr. 3 AWG - bereits präventiv eingreift, indem sie eine Gefährdung der auswärtigen Beziehungen verhüten soll. Dabei gibt sie der Verwaltung den gerichtlich überprüfbaren Rahmen vor, innerhalb dessen entschieden werden muss, ob für eine genehmigungspflichtige Handlung im Außenwirtschaftsverkehr die Genehmigung erteilt wird. Bei den in § 7 Abs. 1 AWG genannten Zwecken handelt es sich um hochrangige Ziele mit grundlegender Bedeutung für den Schutz anderer Rechtsgüter (BVerfG NJW 1995, 1537, 1538). Die Komplexität der internationalen Beziehungen verhindert auch hier eine konkretere Gesetzesfassung und erlaubt deshalb die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe; die Forderung nach einer konkreteren Gesetzesfassung könnte vielmehr dazu führen, dass dem Gesetzgeber die Mittel versagt werden, derer er zur Gestaltung störungsfreier auswärtiger Beziehungen bedarf (BVerfG NJW 1993, 1909, 1910).
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Die Gegenauffassung des Oberlandesgerichts würde darauf hinauslaufen , dass sämtliche Vorschriften, die unbestimmte Rechtsbegriffe verwenden und deshalb einer konkretisierenden Auslegung durch die sie anwendenden Behörden oder in einem Verfahren durch die Gerichte bedürfen, wegen Verstoßes gegen Gemeinschaftsrecht unbeachtlich wären. Dies ist unvertretbar.
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Das zeigt sich schon daran, dass auch der europäische Verordnungsgeber - etwa mit dem Begriff der öffentlichen Sicherheit in Art. 5 Abs. 1 Dual-UseVO - unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet, die im gerichtlichen Verfahren - nicht zuletzt vor dem Gerichtshof der Europäischen Union - einer Auslegung - etwa mit dem Ergebnis, dass zur äußeren Sicherheit eines Mitgliedsstaates auch seine auswärtigen Beziehungen zu zählen sind - unterzogen werden (vgl. EuGH NVwZ 1996 365; wistra 1996, 57), ohne dass wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot ihre Gemeinschaftsrechtswidrigkeit postuliert würde. Die vom Oberlandesgericht zitierte Rechtsprechung ist nicht einschlägig, betraf sie doch einen Fall, in dem der spanische Gesetzgeber die Erteilung einer Genehmigung in das freie Ermessen einer Behörde gestellt hatte, ohne jegliche gesetzliche Vorgaben für die Ermessensausübung zu machen (EuGH NJW 2003, 2663, 2666).
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ee) Entgegen der Auffassung der Verteidigung ist § 5 c AWV auch nicht wegen eines Verstoßes gegen den Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts unbeachtlich. Es handelt sich um eine nationale Vorschrift, die kompetenzrechtlich zulässig ist, weil die auf dem Gebiet der gemeinsamen Handelspolitik bestehende Sperrwirkung wegen der Öffnungsklausel in Art. 5 Abs. 1 Dual-Use-VO entfällt (vgl. oben B. II. 3. a) bb) (1)). Ein Anwendungsvorrang europäischen Rechts besteht damit gerade nicht. Der Verordnungsgeber hat in § 5 c Abs. 3 AWV zudem klarstellend geregelt, dass § 5 c Abs. 1 und 2 AWV im Regelungsbereich von Art. 4 Dual-Use-VO nicht gelten und so den Anwen- dungsvorrang von Gemeinschaftsrecht herausgestellt. Ein darüber hinausgehendes "Zitiergebot" - wie von der Verteidigung offenbar gefordert -, um deutlich zu machen, dass § 5 c Abs. 2 AWV im Licht von Art. 5 Abs. 1 Dual-Use-VO ausgelegt werden müsse, besteht gemeinschaftsrechtlich nicht.
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b) Auch § 34 Abs. 2 Nr. 3 AWG erweist sich nicht als gemeinschaftsrechtswidrig.
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aa) Seine entgegenstehende Auffassung begründet das Oberlandesgericht erneut mit einer vermeintlich fehlenden Abwägung des Gesetzgebers zur Frage der Verhältnismäßigkeit der strafrechtlichen Sanktion, die nicht durch eine Auslegung durch die Gerichte ersetzt werden könne. Dieser Ansatz ist - wie zu § 5 c Abs. 2 AWV bereits dargelegt (oben B. II. 3. a) aa)-cc) (1)) - rechtlich unzutreffend.
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Bei der gebotenen restriktiven Auslegung von § 34 Abs. 2 Nr. 3 AWG, die im Zusammenhang mit Verstößen gegen § 5 c Abs. 2 AWV das Hinzutreten gewichtiger Umstände erfordert, um das Merkmal der Gefährdungseignung bejahen zu können (dazu oben B. II. 2. d)), ergeben sich auch weder im Hinblick auf die Ausgestaltung des Straftatbestandes als (richtig:) abstrakt-konkretes Gefährdungsdelikt noch mit Blick auf den gewählten Strafrahmen, der von Geldstrafe bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe reicht, Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit der strafrechtlichen Sanktionierung. Die Schaffung von Straftatbeständen fällt - trotz der mittlerweile erweiterten Kompetenzen der Europäischen Union - als zentrale Aufgabe der staatlichen Gewalt, die die demokratische Selbstbestimmung besonders empfindlich berührt, in die Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten (BVerfG NJW 2009, 2267, 2274, 2287). Dies gilt auch im Bereich des Außenwirtschaftsrechts, das auf der Ebene des Verwaltungsrechts weitgehend von der in der ausschließlichen Zuständigkeit der Union liegenden gemeinsamen Handelspolitik überlagert wird; insoweit dürfen die Strafen, wenn sich die nationale Exportkontrollvorschrift aus der Öffnungsklausel des Art. 5 Abs. 1 Dual-Use-VO herleitet, nicht außer Verhältnis zum verfolgten Ziel der öffentlichen Sicherheit stehen (vgl. EuGH wistra 1996, 57, 59). Angesichts der Hochrangigkeit dieses Rechtsguts (vgl. auch BVerfG NJW 1995, 1537, 1538) sind Anhaltspunkte dafür nicht ersichtlich.
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bb) Dem steht nicht entgegen, dass es sich bei der Vorschrift des § 5 c Abs. 2 AWV, an die vorliegend die Strafbarkeit nach § 34 Abs. 2 Nr. 3 AWG anknüpft, um eine Exportkontrollvorschrift handelt, deren Erlass nicht aufgrund internationaler Verpflichtungen geboten war. Auch außerhalb der internationalen Zusammenarbeit im Sinne von § 7 Abs. 2 AWG können Maßnahmen zum Schutz der auswärtigen Beziehungen geboten sein, etwa wenn der Export der Waren allgemein oder in bestimmte Länder gerade der Bundesrepublik Deutschland aufgrund ihrer historischen, geographischen oder politischen Situation besondere Nachteile brächte (BVerfG NJW 1995, 1537, 1538; in diesem Sinne auch Generalanwalt Jacobs, Rs. C-70/94 und Rs. C-83/94, Slg. 1995, I-3189, 3191 Rdn. 43; Rs. 120/94, Slg. 1996, I-1513, 1514, Rdn. 54; Schaefer aaO S. 217; Karpenstein aaO Rdn. 2, 7 m. w. N.). Andernfalls könnten die nach Art. 5 Abs. 1 Dual-Use-VO zulässigen nationalen Exportkontrollen nie mit einer Sanktion versehen werden, was sie weitgehend ineffektiv machen würde.
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cc) Im Ergebnis nicht durchgreifend ist auch der Einwand der Verteidigung , dass wegen der Ähnlichkeit der Tatbestandsmerkmale des § 7 Abs. 1 Nr. 3 AWG, der die Kontrollvorschrift des § 5 c Abs. 2 AWV zur Verhütung einer erheblichen Störung der auswärtigen Beziehungen gestattet, mit denen des § 34 Abs. 2 Nr. 3 AWG, der die Strafbarkeit bei Vorliegen einer Eignung der Tat zur erheblichen Gefährdung der auswärtigen Beziehungen normiert, kein selbständiger Anwendungsbereich für die Ahndung eines Verstoßes gegen § 5 c Abs. 2 AWV als Ordnungswidrigkeit nach § 33 Abs. 1 AWG verbleibe, das Gesetz damit in sich widersprüchlich und deshalb zu unbestimmt sei.
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Diese Auffassung verkennt die unterschiedlichen Normzwecke der beiden Regelungen. Während - wie sich bereits aus dem Wort "verhüten" ergibt - § 7 Abs. 1 Nr. 3 AWG einen präventiven Ansatz verfolgt und - so etwa im Fall des § 5 c AWV - die Aufstellung abstrakter Kriterien erlaubt, bei deren Verwirklichung typischerweise eine erhebliche Störung der auswärtigen Beziehungen droht, und an deren Erfüllung eine Beschränkung des Außenwirtschaftsverkehrs knüpft, ist im Rahmen des § 34 Abs. 2 Nr. 3 AWG anhand der Umstände des konkreten Einzelfalles zu fragen, ob die Handlung tatsächlich die Eignung zur erheblichen Gefährdung der auswärtigen Beziehungen aufwies. Ob also ein Verstoß gegen eine auf der Grundlage von § 7 Abs. 1 AWG - und damit auch nach Art. 5 Abs. 1 Dual-Use-VO - zulässigerweise erlassene Beschränkung nicht nur eine Ordnungswidrigkeit darstellt, sondern nach § 34 Abs. 2 Nr. 3 AWG mit Strafe bedroht wird, ist Tatfrage. Aufgrund der restriktiven Auslegung des § 34 Abs. 2 Nr. 3 AWG insbesondere im Zusammenhang mit Verstößen gegen § 5 c Abs. 2 AWV (dazu oben B. II. 2. d)) verbleibt ein genügend großer selbständiger Anwendungsbereich für eine Ahndung von Verstößen gegen § 5 c Abs. 2 AWV als Ordnungswidrigkeit.
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c) Schließlich ist auch § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AWG nicht wegen einer Missachtung des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts (Art. 249 Abs. 2 EGV, jetzt: Art. 288 Abs. 2 AEUV) unbeachtlich.
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§ 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AWG stellt die ungenehmigte Ausfuhr und Verbringung von mehreren im Einzelnen aufgezählten, in Teil I Abschnitt C der nationalen Ausfuhrliste (Anlage AL zur AWV) genannten Gütern unter Strafe. In Teil I Abschnitt C der Ausfuhrliste wird die Dual-Use-Liste, die als Anhang I Be- standteil der unmittelbar geltenden Dual-Use-VO ist, wiedergegeben. Dadurch kommt es indes nicht zu einer gemeinschaftsrechtlich unzulässigen Wiederholung der unmittelbar geltenden Verordnung; eine solche wird vielmehr nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nur angenommen , wenn dadurch die unmittelbare Geltung der Verordnung vereitelt oder aufs Spiel gesetzt würde, etwa weil die Normadressaten über den Gemeinschaftscharakter einer Rechtsnorm im Unklaren gelassen werden (EuGH Rs. C34 /73, Slg. 1973, 981, 990 Rdn. 10 f.; Rs. C-94/77, Slg. 1978, 99, 101, Rdn. 22/27; Rs. C-272/83, Slg. 1985, 1057, 1066, Rdn. 26). Im Regelungsbereich der Dual-Use-VO, d. h. soweit darin Genehmigungsvorbehalte für die Ausfuhr oder Verbringung von Dual-Use-Gütern oder nunmehr auch in Bezug auf Vermittlungstätigkeiten normiert werden, verweist das deutsche Recht jedoch in keinem Fall auf die in der Ausfuhrliste wiedergegebene Dual-Use-Liste, eine Genehmigungspflicht ergibt sich insoweit nur aus der Dual-Use-VO im Zusammenhang mit deren Anhang I.
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Soweit darüber hinausgehende nationale Exportkontrollvorschriften (z. B. § 7 Abs. 2, § 40 Abs. 2 AWV) auf die in der Ausfuhrliste wiedergegebenen Positionen der Dual-Use-Liste verweisen, wird der Vorrang von Gemeinschaftsrecht nicht berührt bzw. verschleiert, weil die Dual-Use-VO insoweit keine Regelungen trifft. Die doppelte Erfassung der Dual-Use-Güter im europäischen Anhang I wird vom Verordnungsgeber vielmehr gerade wegen der nationalen Genehmigungspflichten für die "Technische Unterstützung" als notwendig angesehen (HADDEX Bd. 1, Teil 1 Rdn. 25; vgl. dazu auch Weith/Wegner/Ehrlich aaO S. 159).
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Der Rechtsanwender wird über den Gemeinschaftscharakter auch nicht im Unklaren gelassen, weil die Ausfuhrliste hinreichend deutlich macht, dass es sich bei den Positionen in Teil I Abschnitt C um eine Güterliste mit europarecht- lichen Ursprung handelt. Das ergibt sich bereits aus der Überschrift zu Abschnitt C, die "Gemeinsame Liste der Europäischen Union für Güter mit doppeltem Verwendungszweck" lautet (so auch Simonsen/Beutel in Wolffgang /Simonsen aaO Art. 3 Dual-Use-VO Rdn. 17). In den Hinweisen zur Anwendung der Ausfuhrliste wird ebenfalls festgestellt, dass Abschnitt C die Gemeinsame Liste enthält.
141
Selbst wenn mit einer in der Literatur vertretenen Ansicht die Wiedergabe der europäischen Dual-Use-Liste in Teil I Abschnitt C der nationalen Ausfuhrliste wegen eines Verstoßes gegen den Anwendungsvorrang als gemeinschaftsrechtswidrig anzusehen wäre (Bieneck in Wolffgang/Simonsen aaO § 34 Abs. 1 AWG Rdn. 10; Wolffgang in Bieneck aaO § 4 Rdn. 57; Krach, Die Europäisierung des nationalen Außenwirtschaftsstrafrechts S. 191 f.; Samson/Gustafsson wistra 1996, 201, 208 ff.; aA Bieneck in Bieneck aaO § 23 Rdn. 43; ders. in Ehlers /Wolffgang, Rechtsfragen der Exportkontrolle S. 77, 86; Morweiser in Wolffgang /Simonsen aaO § 34 Abs. 4 AWG Rdn. 34; Simonsen/Beutel aaO; Friedrich aaO Art. 1 Dual-Use-VO Rdn. 6), würde dies nicht zur Gemeinschaftsrechtswidrigkeit von § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AWG führen. Denn der gemeinschaftsrechtliche Anwendungsvorrang bewirkt nicht etwa die Nichtigkeit der mit dem europäischen Recht kollidierenden Norm. Die nationale Vorschrift behält ihre Gültigkeit und ist auf Sachverhaltskonstellationen, in denen das Gemeinschaftsrecht keine Regelungskompetenz beansprucht, weiter anwendbar (h. M.; vgl. Ruffert in Callies/Ruffert, Das Verfassungsrecht der Europäischen Union 3. Aufl. Art. 249 EGV Rdn. 24; Nettesheim in Grabitz/Hilf aaO Art. 249 EGV Rdn. 42, jeweils m. w. N.). Daraus ergibt sich hier: Eine Kollision zwischen Teil I Abschnitt C der nationalen Ausfuhrliste und der Güterliste in Anhang I der gemeinschaftsrechtlichen Dual-Use-VO könnte allenfalls im (verwaltungsrechtlichen) Bereich der gemeinsamen Handelspolitik auftreten, in dem die Union eine Regelungskompetenz besitzt. Für die strafrechtliche Bewehrung von Verstößen gegen diese verwaltungsrechtlichen Vorschriften sind indes allein die Mitgliedsstaaten zuständig; eine Rechtssetzungskompetenz der Union besteht insoweit nicht (BGHSt 41, 127, 131 f.; Satzger, Die Europäisierung des Strafrechts S. 499 ff.; Bieneck in Bieneck aaO; Morweiser aaO; vgl. auch Erwägungsgrund Nr. 14 der Dual-Use-VO, Verordnung (EG) Nr. 1334/2000 bzw. Erwägungsgrund Nr. 19 der aktuellen Fassung, Verordnung (EG) Nr. 428/2009, die den Mitgliedsstaaten aufgeben, - wirksame, verhältnismäßige und abschreckende - Sanktionen für den Fall eines Verstoßes festzulegen). Für die Strafbewehrung in § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AWG wirkt die Wiedergabe der von der Vorschrift in Bezug genommenen Positionen aus der gemeinschaftsrechtlichen Dual-UseListe in der nationalen Ausfuhrliste konstitutiv (BGHSt aaO S. 132; Bieneck in Bieneck aaO; Morweiser aaO). Die Parallelregelung vermag damit die Wirksamkeit der in der ausschließlichen Zuständigkeit der Bundesrepublik liegenden Strafvorschrift nicht zu beeinträchtigen.
142
Der Senat kann deshalb offen lassen, ob die Handlungen des Angeklagten im Fall 19 der Anklage - bei Annahme der Unbeachtlichkeit des § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AWG - als ungenehmigte Ausfuhr eines in Anhang I zu Art. 3 Abs. 1 Dual-Use-VO gelisteten Gutes nach § 34 Abs. 2 Nr. 3, § 33 Abs. 4 AWG, § 70 Abs. 5 a Nr. 1 AWV strafbar wären.
143
4. Bei den hier anzuwendenden Vorschriften des AWG und der AWV ergeben sich auch keine durchgreifenden Bedenken im Hinblick auf ihre Verfassungsmäßigkeit.
144
a) Soweit die Verteidigung auf die mangelnde Bestimmtheit von § 5 c Abs. 2 AWV bzw. auf die darin enthaltene Normierung von Informations- und Wartepflichten abstellt, wird auf die obigen Ausführungen im Rahmen der Prüfung nach Gemeinschaftsrecht verwiesen (oben B. II. 3. a) bb) (3), cc) (3) und dd)); dass hier mit Blick auf das nationale Verfassungsrecht im Ergebnis andere Grundsätze gelten könnten, ist nicht ersichtlich. Gleiches gilt im Hinblick auf die gerügte Unverhältnismäßigkeit von § 34 Abs. 2 Nr. 3 AWG (vgl. dazu oben B. II. 2. d) und B. II. 3. a) cc)).
145
b) Die Frage, ob die Bundesregierung gemäß Art. 80 Abs. 1 GG aufgrund der Ermächtigungsgrundlagen in § 2 Abs. 1, § 7 Abs. 1 AWG zum Erlass von Ausfuhrbeschränkungen in der AWV ermächtigt war, ist verfassungsrechtlich bereits geklärt; das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsmäßigkeit - insbesondere im Hinblick auf den in Art. 80 Abs. 1 GG verankerten Wesentlichkeitsgrundsatz - bejaht (BVerfG NJW 1995, 1537). Die Ansicht der Verteidigung , der Gesetzgeber habe nach der Einführung der Dual-Use-VO (erneut ) selbst entscheiden müssen, ob er den Verordnungsgeber zum Erlass von Rechtsvorschriften aufgrund der Öffnungsklausel in Art. 5 Abs. 1 Dual-Use-VO ermächtigt, geht bereits deshalb fehl, weil die entsprechenden Regelungen in der AWV schon vorher bestanden. Art. 5 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 3381/1994 sah zudem ausdrücklich vor, dass bestehende nationale Beschränkungsmaßnahmen zulässig blieben; dass diese Rechtslage durch die Neuregelung im Jahr 2000 geändert werden sollte, ist nicht ersichtlich. Da sich mit § 7 Abs. 1 AWG die Ermächtigungsgrundlage zum Erlass von Ausfuhrbeschränkungen in der AWV bereits vor der Neuregelung des Art. 5 Abs. 1 Dual-Use-VO auf Beschränkungen zum Schutz der öffentlichen Sicherheit bezog (vgl. EuGH NVwZ 1996, 365, 366; wistra 1996, 57, 58), hatte der Gesetzgeber die wesentlichen Entscheidungen über das "Ob", die Art und die Gründe von Beschränkungen (dazu BVerfG NJW 1995, 1537) zudem schon vorher im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht getroffen; einer erneuten Entscheidung des Gesetzgebers, die Bundesregierung zum Erlass solcher Vorschriften zu ermächtigen, bedurfte es deshalb nicht.
146
Aus der fehlenden Nennung von Art. 5 Abs. 1 Dual-Use-VO in der AWV ergibt sich auch kein Verstoß gegen Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG. Rechtsgrundlage für die AWV sind § 2 Abs. 1, § 7 Abs. 1 AWG, nicht Art. 5 Abs. 1 Dual-Use-VO. Diese Vorschrift stellt eine Öffnungsklausel dar, die den Mitgliedsstaaten auf dem in der Zuständigkeit der Union liegenden Gebiet der gemeinsamen Handelspolitik den Raum zum Erlass autonomer, nationaler Vorschriften gibt. Diese müssen sich in dem Rahmen der Öffnungsklausel halten, eine darüber hinausgehende "Ermächtigungswirkung" mit der Folge eines "Zitiergebots" kommt Art. 5 Abs. 1 Dual-Use-VO nicht zu (oben B. II. 3. a) bb) und ee); vgl. insoweit auch BVerfG NJW 1977, 2024).
147
c) Die Vorschrift des § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AWG ist hinreichend bestimmt im Sinne des § 103 Abs. 2 GG. Durch die Regelung, dass die Ausfuhr der im Einzelnen aufgeführten Positionen ohne Genehmigung strafbar ist, ergibt sich der wesentliche Inhalt des pönalisierten Verhaltens aus der Vorschrift selbst. Woraus die Genehmigungspflicht im Einzelnen folgt (hier: Art. 3 Abs. 1 Dual-Use-VO i. V. m. Anhang I), ist für die Frage der Gesetzesbestimmtheit der Strafnorm ohne Bedeutung.
148
d) Schließlich ist - ohne dass ersichtlich wird, dass insoweit ein Verstoß gegen Verfassungsrecht in Rede steht - die Rechtsauffassung der Verteidigung unzutreffend, dass die fehlende Genehmigung Tatbestandsmerkmal des § 33 Abs. 1 AWG sei, weshalb Verstöße gegen § 5 c Abs. 2 AWV nicht von dessen Schutzzweck erfasst seien. Richtig ist, dass Schutzgut des § 33 Abs. 1 AWG der staatliche Genehmigungsvorbehalt ist (Diemer in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze 169. ErgLfg. § 33 AWG Rdn. 2 m. w. N.). Diesem Schutzzweck dient indes auch § 5 c Abs. 2 AWV (vgl. oben B. II. 3. a) bb) (3)). Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 33 Abs. 1 AWG kommt es im Übrigen aber nur auf die Zuwiderhandlung gegen eine Rechtsverordnung nach § 2 Abs. 1 AWG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 oder § 7 Abs. 1 AWG sowie darauf an, dass die Rechtsverordnung für einen bestimmten Tatbestand auf die Bußgeldvorschrift des § 33 Abs. 1 AWG verweist. Diese Funktion übernimmt § 70 Abs. 1 Nr. 3 AWV, der die Ausfuhr unter Verstoß gegen § 5 c Abs. 2 AWV als Ordnungswidrigkeit im Sinne des § 33 Abs. 1 AWG bestimmt.
149
5. Der danach auch in rechtlicher Hinsicht bestehenden hinreichenden Verurteilungswahrscheinlichkeit steht nicht entgegen, dass die Taten des Angeklagten nach dem heute geltenden Recht nicht mehr als Verstöße gegen § 5 c Abs. 2 AWV geahndet werden können. Ein Fall des § 2 Abs. 3 StGB, der zur teilweisen Straflosigkeit des Angeklagten führen könnte, liegt nicht vor. Eine im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB relevante Gesetzesänderung scheidet aus, wenn unter Berücksichtigung des gesamten Rechtszustandes der Unrechtskern des Delikts durch die Umgestaltung eines Tatbestandes erhalten geblieben ist (Gribbohm in LK 12. Aufl. § 2 Rdn. 62 f.).
150
So verhält es sich hier: Nachdem gegenüber dem Iran gemäß dem Gemeinsamen Standpunkt 2007/246/GASP des Rates der Europäischen Union vom 23. April 2007 (ABl. L 106 S. 67) ein Waffenembargo ausgesprochen wurde , unterfällt die Ausfuhr nicht gelisteter Güter, bei denen dem Ausführer bekannt ist, dass sie für eine militärische Endverwendung in diesem Land bestimmt sind, den Vorschriften der Art. 4 Abs. 2 und 4 Dual-Use-VO. Ein Verstoß gegen diese Bestimmungen ist nach § 34 Abs. 2 Nr. 3, § 33 Abs. 4 AWG, § 70 Abs. 5 a Nr. 3 AWV strafbar und damit den gleichen Tatbestandsvoraussetzungen und der gleichen Strafdrohung unterworfen. Es verbleibt damit bei der Anwendung des Rechts zur Tatzeit (§ 2 Abs. 2 StGB).
151
III. Zuständig zur Durchführung des Hauptverfahrens ist gemäß § 74 Abs. 1, § 74 c Abs. 1 Nr. 3 GVG die Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht München II. Die allein nach § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 GVG in Betracht kommende Zuständigkeit des Oberlandesgerichts München, zu dem der Generalbundesanwalt die Anklage erhoben hat, ist nicht gegeben; denn die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nicht vor.
152
Nach § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. a GVG ist bei Straftaten nach dem Außenwirtschaftsgesetz die Zuständigkeit der Oberlandesgerichte gegeben , wenn die Tat nach den Umständen geeignet ist, die äußere Sicherheit oder die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden ; diese Voraussetzung kann hier noch bejaht werden (vgl. oben B. II. 1. d)). Zusätzlich muss dem Fall aber noch besondere Bedeutung zukommen (Hannich in KK aaO § 120 GVG Rdn. 4 d). Daran fehlt es hier:
153
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats sind an die Bejahung der besonderen Bedeutung im Sinne des § 120 GVG mit Blick auf die in der Übernahmeerklärung durch den Generalbundesanwalt liegenden Bestimmung des gesetzlichen Richters (Art. 101 GG) und des Eingriffs in die verfassungsrechtliche Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern (vgl. Art. 96 Abs. 5 GG) strenge Anforderungen zu stellen (vgl. zuletzt BGHSt 53, 128, 140 f. m. zahlr. Nachw.). Eine Katalogtat des § 120 Abs. 2 GVG kann selbst dann, wenn sie nach Schwere oder Umfang erhebliches Unrecht verwirklicht und daher staatliche Sicherheitsinteressen in besonderer Weise beeinträchtigt, nicht allein aus diesem Grund das Evokationsrecht des Generalbundesanwalts begründen. Dies gilt auch in den Fällen des § 120 Abs. 2 Nr. 4 GVG, denn die Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität ist in erster Linie Aufgabe der Länder; die Zuständigkeit der Bundesgerichtsbarkeit ausübenden Organe ist daher nur bei einem spezifischen, ausreichend gewichtigen Angriff auf gesamtstaatliche Interessen gegeben (BGHSt aaO S. 142). Ob ein solcher vorliegt, ist aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände und Auswirkungen der Tat unter besonderer Berücksichtigung des Gewichts ihres Angriffs auf den Gesamtstaat zu entscheiden. Allein die Schwere der Tat und das Ausmaß der von ihr hervorgerufenen Beeinträchtigung der geschützten Rechtsgüter vermag für sich die besondere Bedeutung nicht zu begründen; allerdings können die konkrete Tatund Schuldschwere den Grad der Gefährdung bundesstaatlicher Belange durchaus mitbestimmen (vgl. Kissel/Mayer, GVG 5. Aufl. § 120 Rdn. 6). Von Bedeutung kann auch sein, ob aufgrund der Erheblichkeit des Delikts eine Verfolgung mit besonderer Sachkunde geboten und angesichts des Auslandsbezuges ein spezieller Ermittlungsaufwand erforderlich erscheint. Bei der Beurteilung der besonderen Bedeutung ist zudem zu erwägen, inwieweit die konkrete Tat den Gesamtstaat etwa durch eine Schädigung des Ansehens Deutschlands in der Staatengemeinschaft zu beeinträchtigen vermag (vgl. BTDrucks. 16/3038 S.

31).

154
Nach diesen Maßstäben ist die besondere Bedeutung des Falles hier im Ergebnis zu verneinen. Zwar hat der Angeklagte über einen langen Zeitraum immer wieder Güter in den Iran geliefert und es besteht aufgrund der Einbindung der Schweiz und der Türkei auch ein vielschichtiger Auslandsbezug. Mit Blick auf die ausgeführten Waren, bei denen es sich ganz überwiegend um ungelistete und damit nicht per se besonders gefährliche Dual-Use-Güter handelte , die aus anderen Staaten der Europäischen Union im Tatzeitraum genehmigungsfrei in den Iran ausgeführt werden konnten, lässt sich zwar - vor dem Hintergrund der erheblichen Kontrolldefizite bei den beteiligten Zollämtern - noch die Gefährdungseignung bejahen; in einer Gesamtschau der Umstände und Auswirkungen stellen sich die Taten aber nicht als derart gewichtiger Angriff auf die Interessen des Gesamtstaates dar, dass sie die Begründung der Bundesgerichtsbarkeit noch rechtfertigen.
155
IV. Der Senat kann wie geschehen auch zur Frage der Vereinbarkeit mit Gemeinschaftsrecht befinden. Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 234 EGV (jetzt: Art. 267 AEUV) bedarf es im gegenwärtigen Verfahrensstadium nicht.
156
Der Senat ist - auch wenn gegen den vorliegenden Beschluss ein weiteres , innerstaatliches Rechtsmittel nicht gegeben ist - nicht als letztinstanzliches Gericht im Sinne des Art. 234 Abs. 3 EGV (Art. 267 Abs. 3 AEUV) tätig; denn die nach § 210 Abs. 3 StPO zu treffende Entscheidung stellt sich hier als Eröffnungsbeschluss dar. Das eröffnende Gericht judiziert indes nie als letztinstanzliches Gericht, weil sich an seine Entscheidung das Hauptverfahren erst anschließt (Stuckenberg aaO § 202 Rdn. 13).
157
Es kann deshalb offen bleiben, ob im Übrigen die Voraussetzungen einer Vorlagepflicht, die gegebenenfalls erst in einem späteren Revisionsverfahren entstehen könnte, vorlägen. Gegenstand eines Vorlageverfahrens an den Gerichtshof der Europäischen Union kann nur die Auslegung oder die Gültigkeit von Gemeinschaftsrecht sein (Karpenstein aaO Art. 234 EGV Rdn. 19; Wegener in Callies/Ruffert aaO Art. 234 EGV Rdn. 3). Die gemeinschaftsrechtlich anerkannten rechtsstaatlichen Grundsätze, insbesondere das Bestimmtheitsgebot und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sind beim innerstaatlichen Vollzug des Gemeinschaftsrechts zu beachten, so dass Fragen zu deren Tragweite dem Gerichtshof vorgelegt werden können (Karpenstein aaO Rdn. 22 m. w. N.). Ob eine innerstaatliche Maßnahme aber letztlich zur Erreichung eines gemeinschaftsrechtlich legitimen Ziels geeignet, erforderlich und angemessen ist, entscheiden die mitgliedsstaatlichen Gerichte in eigener Kompetenz (vgl. nur EuGH wistra 1996, 57, 59). Ausnahmen von der Vorlagepflicht bestehen auch dort, wo sich zu der zu stellenden Frage bereits eine gesicherte Rechtsprechung des Gerichtshofs, insbesondere aus einer in einem gleichgelagerten Fall ergangenen Vorabentscheidung, gebildet hat (Wegener aaO Rdn. 28), sowie in Fällen, in denen die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel an der Entscheidung der gestellten Frage bleibt (acte-clair-Doktrin, vgl. Karpenstein aaO Rdn. 57 m. zahlr. Nachw.).
158
Nach diesen Grundsätzen könnte hier eine Vorlage zur Frage der Auslegung des Begriffs der öffentlichen Sicherheit im Sinne des Art. 5 Abs. 1 DualUse -VO entbehrlich erscheinen, nachdem der Gerichtshof bereits mehrfach entschieden hat, dass davon auch die auswärtigen Interessen eines Mitgliedsstaates umfasst sein können (EuGH NVwZ 1996, 365, 366; wistra 1996, 57, 58). Zu der Frage, ob die Befugnis, die Ausfuhr mit einem Genehmigungsvorbehalt zu versehen oder zu untersagen, auch die Normierung einer Informations - und Wartepflicht wie in § 5 c Abs. 2 AWV gestattet, wobei sich die Genehmigungspflicht an die konstitutive Unterrichtung durch das BAFA knüpft, könnten Auslegungsfragen im Hinblick auf die Reichweite des Art. 5 Abs. 1 Dual -Use-VO entstehen; angesichts der auch in Art. 4 Abs. 4 Dual-Use-VO verwendeten identischen Regelungstechnik könnte die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts insoweit allerdings in dem Sinne offenkundig sein, dass die entsprechende Befugnis besteht.
159
Zur Frage der Verhältnismäßigkeit und der Bestimmtheit von § 5 c Abs. 2 AWV dürfte hier die Prüfung vorrangig sein, ob die nationale Vorschrift den gemeinschaftsrechtlichen Grundsätzen genügt, wobei deren Tragweite auch mit Blick auf Beschränkungen im Außenwirtschaftsrecht wiederum durch den Gerichtshof hinreichend geklärt sein könnte (EuGH aaO).
160
Zur Anwendbarkeit des § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AWG könnte bereits zweifelhaft sein, ob überhaupt die Auslegung von Gemeinschaftsrecht in Rede steht, will man nicht die Reichweite des Anwendungsvorrangs - allerdings entgegen der referierten herrschenden Meinung - zum Gegenstand einer Anfrage machen.

C.

161
Die Beschwerde des Generalbundesanwalts, mit der er die vom Oberlandesgericht getroffenen Nebenentscheidungen - die Aufhebung der Beschlagnahme - und Arrestbeschlüsse des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof - angreift, hat ebenfalls überwiegend Erfolg.
162
Nach den obigen Ausführungen zum hinreichenden Tatverdacht liegen dringende Gründe für die Annahme vor, dass die beschlagnahmten Gegenstände aus den Gründen des in der Anklageschrift enthaltenen Antrags des Generalbundesanwalts der Einziehung unterliegen und dass gegen den Ange- klagten - allerdings nur im Umfang, in dem der Senat die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung durch Beschluss vom 19. Juni 2009 (StB 19/09) ausgesetzt hat - der Wertersatzverfall angeordnet werden wird. Die Arrestanordnungen waren deshalb im bestehengebliebenen Umfang nicht wegen Zeitablaufs nach § 111 b Abs. 3 StPO aufzuheben, die Voraussetzungen für die beantragte Neuanordnung der Beschlagnahmen liegen vor. Becker Pfister RiBGH von Lienen befindet sich im Urlaub undist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Sost-Scheible Schäfer

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person tötet,
2.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person als Geisel nimmt,
3.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person grausam oder unmenschlich behandelt, indem er ihr erhebliche körperliche oder seelische Schäden oder Leiden zufügt, insbesondere sie foltert oder verstümmelt,
4.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person sexuell nötigt oder vergewaltigt, sie zur Prostitution nötigt, der Fortpflanzungsfähigkeit beraubt oder in der Absicht, die ethnische Zusammensetzung einer Bevölkerung zu beeinflussen, eine unter Anwendung von Zwang geschwängerte Frau gefangen hält,
5.
Kinder unter 15 Jahren für Streitkräfte zwangsverpflichtet oder in Streitkräfte oder bewaffnete Gruppen eingliedert oder sie zur aktiven Teilnahme an Feindseligkeiten verwendet,
6.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person, die sich rechtmäßig in einem Gebiet aufhält, vertreibt oder zwangsweise überführt, indem er sie unter Verstoß gegen eine allgemeine Regel des Völkerrechts durch Ausweisung oder andere Zwangsmaßnahmen in einen anderen Staat oder in ein anderes Gebiet verbringt,
7.
gegen eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person eine erhebliche Strafe, insbesondere die Todesstrafe oder eine Freiheitsstrafe verhängt oder vollstreckt, ohne dass diese Person in einem unparteiischen ordentlichen Gerichtsverfahren, das die völkerrechtlich erforderlichen Rechtsgarantien bietet, abgeurteilt worden ist,
8.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt, indem er
a)
an einer solchen Person Versuche vornimmt, in die sie nicht zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat oder die weder medizinisch notwendig sind noch in ihrem Interesse durchgeführt werden,
b)
einer solchen Person Gewebe oder Organe für Übertragungszwecke entnimmt, sofern es sich nicht um die Entnahme von Blut oder Haut zu therapeutischen Zwecken im Einklang mit den allgemein anerkannten medizinischen Grundsätzen handelt und die Person zuvor nicht freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
c)
bei einer solchen Person medizinisch nicht anerkannte Behandlungsmethoden anwendet, ohne dass dies medizinisch notwendig ist und die Person zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
9.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in schwerwiegender Weise entwürdigend oder erniedrigend behandelt,
wird in den Fällen der Nummer 1 mit lebenslanger Freiheitsstrafe, in den Fällen der Nummer 2 mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen der Nummern 3 bis 5 mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen der Nummern 6 bis 8 mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren und in den Fällen der Nummer 9 mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt einen Angehörigen der gegnerischen Streitkräfte oder einen Kämpfer der gegnerischen Partei verwundet, nachdem dieser sich bedingungslos ergeben hat oder sonst außer Gefecht ist, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.

(3) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 rechtswidrig gefangen hält oder ihre Heimschaffung ungerechtfertigt verzögert,
2.
als Angehöriger einer Besatzungsmacht einen Teil der eigenen Zivilbevölkerung in das besetzte Gebiet überführt,
3.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zum Dienst in den Streitkräften einer feindlichen Macht nötigt oder
4.
einen Angehörigen der gegnerischen Partei mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel nötigt, an Kriegshandlungen gegen sein eigenes Land teilzunehmen,
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.

(4) Verursacht der Täter durch eine Tat nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 den Tod des Opfers, so ist in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 bis 5 Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. Führt eine Handlung nach Absatz 1 Nr. 8 zum Tod oder zu einer schweren Gesundheitsschädigung, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und 4 und des Absatzes 2 Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 und des Absatzes 3 Nr. 1 Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(6) Nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Personen sind

1.
im internationalen bewaffneten Konflikt: geschützte Personen im Sinne der Genfer Abkommen und des Zusatzprotokolls I (Anlage zu diesem Gesetz), namentlich Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige, Kriegsgefangene und Zivilpersonen;
2.
im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige sowie Personen, die nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnehmen und sich in der Gewalt der gegnerischen Partei befinden;
3.
im internationalen und im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Angehörige der Streitkräfte und Kämpfer der gegnerischen Partei, welche die Waffen gestreckt haben oder in sonstiger Weise wehrlos sind.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet oder sich an einer Vereinigung als Mitglied beteiligt, deren Zweck oder Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren bedroht sind. Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine solche Vereinigung unterstützt oder für sie um Mitglieder oder Unterstützer wirbt.

(2) Eine Vereinigung ist ein auf längere Dauer angelegter, von einer Festlegung von Rollen der Mitglieder, der Kontinuität der Mitgliedschaft und der Ausprägung der Struktur unabhängiger organisierter Zusammenschluss von mehr als zwei Personen zur Verfolgung eines übergeordneten gemeinsamen Interesses.

(3) Absatz 1 ist nicht anzuwenden,

1.
wenn die Vereinigung eine politische Partei ist, die das Bundesverfassungsgericht nicht für verfassungswidrig erklärt hat,
2.
wenn die Begehung von Straftaten nur ein Zweck oder eine Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung ist oder
3.
soweit die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung Straftaten nach den §§ 84 bis 87 betreffen.

(4) Der Versuch, eine in Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 bezeichnete Vereinigung zu gründen, ist strafbar.

(5) In besonders schweren Fällen des Absatzes 1 Satz 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern der Vereinigung gehört. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu erkennen, wenn der Zweck oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet ist, in § 100b Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, b, d bis f und h bis o, Nummer 2 bis 8 und 10 der Strafprozessordnung genannte Straftaten mit Ausnahme der in § 100b Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe h der Strafprozessordnung genannten Straftaten nach den §§ 239a und 239b des Strafgesetzbuches zu begehen.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, von einer Bestrafung nach den Absätzen 1 und 4 absehen.

(7) Das Gericht kann die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Täter

1.
sich freiwillig und ernsthaft bemüht, das Fortbestehen der Vereinigung oder die Begehung einer ihren Zielen entsprechenden Straftat zu verhindern, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß Straftaten, deren Planung er kennt, noch verhindert werden können;
erreicht der Täter sein Ziel, das Fortbestehen der Vereinigung zu verhindern, oder wird es ohne sein Bemühen erreicht, so wird er nicht bestraft.

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 537/14
vom
9. Juli 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2015:090715B3STR537.14.1

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 9. Juli 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 27. Januar 2014, soweit es ihn betrifft, mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Fall B.VIII. der Urteilsgründe sowie
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an das Amtsgericht Wipperfürth - Strafrichter - zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten - unter Freispruch im Übrigen - wegen Körperverletzung (Fall B.VII. 10. der Urteilsgründe) sowie wegen versuchter Körperverletzung in Tateinheit mit Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (Fall B.VIII. der Urteilsgründe) zu der Gesamt- geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 25 € verurteilt. Die auf die Rüge der Ver- letzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts rief der Angeklagte am 1. Mai 2011 zwischen 3.00 und 4.00 Uhr auf einer Maifeier in R. lauthals "Sieg Heil". Als ihn ein Besucher deswegen zur Rede stellen wollte, wiederholte er den Ausruf und "schlug dem Zeugen mit der flachen Hand die Brille aus dem Gesicht, ohne ihm dabei Schmerzen zuzufügen oder die Brille zu beschädigen". Anschließend entfernte sich der Angeklagte (Fall B.VIII. der Urteilsgründe).
3
Am 25. November 2011 kam es in W. außerhalb eines Schnellrestaurants zu einer Schlägerei, weswegen der Filialleiter die Polizei informierte. Als er bemerkte, dass die Kämpfenden den Ort des Geschehens verließen, hielt er den sich ebenfalls entfernenden Angeklagten, der in die Filiale gekommen war und zu einer der Gruppe der Kämpfenden gehörte, am Arm fest, um einen Zeugen vor Ort zu haben. Der Angeklagte riss sich los und rannte zur Tür. Als der Filialleiter ihm folgte, drehte sich der Angeklagte um, versetzte ihm einen Schlag mit der Faust ins Gesicht und floh anschließend vom Tatort (Fall B.VII. 10. der Urteilsgründe).
4
2. Die Verurteilung wegen Körperverletzung hinsichtlich des unter B.VII. 10. der Urteilsgründe geschilderten Sachverhalts hat Bestand. Soweit die Revision geltend macht, das Landgericht hätte eine Rechtfertigung des Angeklagten durch Notwehr erörtern müssen, ergeben die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen , dass der Faustschlag des sich ohnehin im Gehen befindlichen Angeklagten jedenfalls nicht erforderlich im Sinne des § 32 Abs. 2 StGB war.
5
3. Demgegenüber wird der Schuldspruch wegen versuchter Körperverletzung hinsichtlich des Geschehens vom 1. Mai 2011 von den Feststellungen nicht getragen. Insofern fehlt es an Ausführungen zur subjektiven Tatseite des Angeklagten. Es mag zwar naheliegen, dass dessen Angriff nicht ausschließlich der Brille, sondern auch der körperlichen Integrität des Geschädigten galt oder dass der Angeklagte jedenfalls die Möglichkeit erkannte, diesen durch sein Vorgehen zu verletzen und dies billigend in Kauf nahm. Dies festzustellen ist indes Sache des Tatrichters. Darüber hinaus verhält sich das Urteil nicht zum Vorstellungsbild des Angeklagten unmittelbar nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung, welches für die Beurteilung maßgeblich ist, ob der Angeklagte gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB von einem etwaigen Versuch strafbefreiend zurückgetreten ist (vgl. zum Rücktrittshorizont BGH, Urteil vom 2. November 1994 - 2 StR 449/94, BGHSt 40, 304, 305 f.).
6
Die deshalb gebotene Aufhebung des Urteils umfasst auch das in Tateinheit zur versuchten Körperverletzung stehende, für sich betrachtet rechtsfehlerfrei festgestellte Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (vgl. KK-Gericke, StPO, 7. Aufl., § 353 Rn. 12 mwN). Der Wegfall der Einzelstrafe zieht die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe nach sich.
7
Nach Ausscheiden des die Zuständigkeit des Landgerichts begründenden Vorwurfs der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung gemäß § 129 Abs. 1 Var. 2 StGB verweist der Senat das Verfahren im Umfang der Aufhebung an das für das Geschehen in R. örtlich zuständige Amtsgerichts Wipperfürth - Strafrichter - zurück (§ 354 Abs. 3 StPO).
8
4. Darüber hinaus stellt der Senat klar, dass entgegen den Ausführungen in den schriftlichen Urteilsgründen des Landgerichts für einen Freispruch des Angeklagten vom Vorwurf der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und vom Vorwurf des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (Nr. 1 (12) der Anklage) kein Raum war, und sich dementsprechend der ausgeurteilte Teilfreispruch hierauf nicht erstreckt.
9
Allerdings war die Anklage mit Blick auf das Geschehen vom 1. Mai 2011 von zwei Taten (§ 53 StGB) - dem ersten Ruf "Sieg Heil" auf der einen, dem zweiten Ruf sowie dem Schlag gegen die Brille auf der anderen Seite - ausgegangen. In diesen Fällen ist ein Freispruch auch dann angezeigt, wenn das tatmehrheitlich angeklagte, indes nicht als erwiesen angesehene Geschehen mit dem abgeurteilten Teil eine natürliche Handlungseinheit bilden würde (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 260 Rn. 13 mwN). Dies gilt jedoch nicht, wenn - wie vorliegend - das gesamte angeklagte Geschehen abgeurteilt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2012 - 3 StR 220/12, NStZ-RR 2013, 6, 7). Denn in diesen Fällen ist für eine weitere materiellrechtliche Tat, die Gegenstand eines Freispruchs sein könnte, kein Raum mehr.
10
Ein Freispruch unterbleibt des Weiteren, wenn nicht wegen aller Taten verurteilt wird, die nach dem Eröffnungsbeschluss in Tateinheit zueinander stehen (BGH, Urteil vom 22. Mai 1984 - 5 StR 270/84, NStZ 1985, 13, 15 f. bei Pfeiffer/Miebach). Deswegen kam ein Freispruch vom Vorwurf der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, der als in Tateinheit zu der Körperverletzung vom 25. November 2011 stehend angeklagt worden war, nicht in Betracht.
Becker Pfister Mayer Gericke Spaniol

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 531/12
vom
12. Dezember 2013
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________________
SDÜ Art. 54
Zum Begriff "derselben Tat" im Sinne des Art. 54 SDÜ.
BGH, Urteil vom 12. Dezember 2013 - 3 StR 531/12 - LG Mönchengladbach
in der Strafsache
gegen
wegen Geiselnahme u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Dezember
2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer,
Mayer,
Gericke,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 25. September 2012 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Geiselnahme in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung und versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung schuldig ist. Die weitergehende Revision wird verworfen. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Geiselnahme in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung, versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Freiheitstrafe von sieben Jahren verurteilt sowie bestimmt, dass hierauf die in Kroatien erlittene Auslieferungshaft im Verhältnis eins zu eins angerechnet wird. Mit seiner Revision erhebt der Angeklagte zwei Aufklärungsrügen und beanstandet die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs; im Übrigen bleibt es ohne Erfolg.
2
Nach den Feststellungen des Landgerichts kam es am späten Abend des 5. Februar 2005 zu einem Streit zwischen dem Angeklagten und seiner Ehefrau in der gemeinsamen Wohnung in V. . In dessen Verlauf äußerte der Angeklagte, seine vier Jahre alte Tochter M. mit nach Bosnien nehmen zu wollen. Der Angeklagte verfügte über zwei Schusswaffen nebst Munition und zwei Handgranaten, von denen er eine in die Hand nahm und entsicherte. Nach dem Erscheinen mehrerer Polizeibeamter äußerte er, er müsse wahrscheinlich bereits aus diesem Grunde in Deutschland mindestens fünf Jahre ins Gefängnis. Sodann entschloss er sich, die gemeinsame Ausreise mit seiner Tochter nach Bosnien zu erzwingen. Er zog den Sicherungsstift einer Handgranate und erklärte, er werde diese den Beamten erst übergeben, wenn er in Holland sei; andernfalls werde er sich und seine Tochter umbringen und noch ein paar Polizeibeamte "mitnehmen". Daraufhin gestatteten die Polizeibeamten dem Angeklagten, mit seiner Tochter in seinem PKW wegzufahren. Aus Sorge um das Leben des Kindes versuchten die Polizeibeamten nicht, den Angeklagten aufzuhalten. Der Angeklagte fuhr nicht in Richtung Holland, sondern den Rastplatz F. an, gab dort zwei Schüsse in die Luft ab und parkte neben einer Zapfsäule. Er bedrohte einen Polizeibeamten mit der Schusswaffe sowie der Handgranate und forderte diesen auf, seine Waffe abzulegen und das Fahrzeug zu betanken. Der Polizeibeamte weigerte sich, diesen Forderungen nachzukommen. Als der Angeklagte dies erkannte, setzte er seine Fahrt auf der BAB 3 in Richtung Frankfurt fort. Einige Kilometer vor der Raststätte Fe. wendete er und erklärte den ihn verfolgenden Polizeibeamten, wenn er auf der nächsten Raststätte nicht tanken dürfe, werde er ohne Rücksicht auf Verluste auf irgendjemanden schießen. Er wolle mit dem Kind "raus aus Deutschland", man solle ihn fahren lassen. Sodann setzte er seine Fahrt bis zur Raststätte Fe. fort. Dort betankte er das Fahrzeug und erklärte, er wolle mit seiner Tochter nach Bosnien, falls nötig werde er sich selbst und das Kind töten. Sodann verlangte er von einer Polizeibeamtin, für das Kind Speisen und Getränke aus der Tankstelle zu besorgen, was diese unter dem Eindruck der Drohungen befolgte. Danach forderte er die Beamtin auf, ihm die Rechnung nach Bosnien zu schicken und setzte seine Fahrt fort. Auf einem Rastplatz in Bayern erklärte er unter Vorzeigen der entsicherten Handgranate gegenüber einem Polizeibeamten, man solle ihm nicht zu nahe kommen, dann geschehe nichts. Sodann fuhr der Angeklagte weiter durch Österreich und Slowenien bis nach Kroatien. Dort gab er die mitgeführten Waffen heraus und setzte die Fahrt bis nach Bosnien-Herzegowina fort.
3
Der Angeklagte wurde am 23. Februar 2007 von dem Amtsgericht in Hrvatska Kostajnica (Kroatien) durch im Strafbefehlsverfahren ergangenes Urteil wegen unerlaubten Waffenbesitzes zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Dem Urteil lag zugrunde, dass der Angeklagte am 6. Februar 2005 um 13.00 Uhr auf dem Gebiet der Gemeinde Majur, Stadt Hrvatska Kostajnica, unter Verstoß gegen die Bestimmungen des Art. 11 Abs. 1 Punkt 5, 6 und 8 des kroatischen Waffengesetzes im Besitz zweier "Handbomben" sowie eines Gewehrs und einer Patrone für dieses war und dadurch eine Straftat gegen die öffentliche Ordnung (unerlaubter Besitz der Waffen und Explosivsubstanzen, Art. 335 Abs. 1 des kroatischen Strafgesetzbuchs) beging. Der Verbleib der zweiten Schusswaffe, die der Angeklagte in Deutschland neben diesen Waffen führte, ergibt sich weder aus dem hiesigen Urteil noch aus der kroatischen Entscheidung.
4
Am 2. Juni 2010 wurde der Angeklagte vom Amtsgericht Novi Grad (Bosnien-Herzegowina) wegen Kindesentziehung zu einer Geldstrafe in Höhe von 2.000 KM verurteilt.
5
Gegen den Angeklagten wurde unmittelbar nach der Tat wegen der in Deutschland begangenen Taten ein internationaler Haftbefehl erlassen. Die bosnisch-herzegowinischen Behörden verweigerten in der Folgezeit jedoch die Auslieferung ihres Staatsangehörigen. Am 17. Februar 2011 stellte sich der Angeklagte den kroatischen Behörden. Er befand sich vom 7. Juli 2011 bis zum 6. März 2012 in Kroatien in Auslieferungshaft und wurde am 7. März 2012 nach Deutschland ausgeliefert. Die Auslieferung wurde versagt, soweit der Angeklagte bereits wegen Kindesentziehung, unerlaubten Waffenbesitzes und Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz in Bosnien-Herzegowina bzw. Kroatien bestraft worden war.
6
I. Die Tat ist hinsichtlich des tateinheitlich abgeurteilten Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte wegen zwischenzeitlich eingetretener Verjährung nicht mehr verfolgbar. Im Übrigen besteht kein Verfahrenshindernis.
7
1. Soweit der Angeklagte wegen tateinheitlich begangenen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte verurteilt worden ist, ist die Tat verjährt. Sie wurde am 6. Februar 2005 begangen. Die Verjährungsfrist für ein Vergehen nach § 113 Abs. 1 StGB beträgt fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Die Verjährung wurde zuletzt am 10. Februar 2005 durch den Erlass eines Haftbefehls gegen den Angeklagten unterbrochen (§ 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StGB). Die Anklage wurde im April 2012 erhoben und das Hauptverfahren im August 2012 eröffnet (§ 78c Abs. 1 Nr. 6 und 7 StGB); zu diesen Zeitpunkten war die Verjährung bereits eingetreten. Ein förmliches Auslieferungsersuchen, das nach § 78b Abs. 5 StGB zum Ruhen der Verjährung geführt hätte, ist ebenfalls erst nach Ablauf der Verjährungsfrist gestellt worden. Da das Verfahrenshindernis nur eine von mehreren tateinheitlich (§ 52 StGB) begangenen Gesetzesverletzungen betrifft, scheiden eine Teilaufhebung des Urteils und Teileinstellung des Verfahrens aus; vielmehr hat es mit der Änderung des Schuldspruchs sein Bewenden (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 206a Rn. 5).
8
2. Ein darüber hinausgehendes Verfahrenshindernis besteht nicht. Der Aburteilung des Angeklagten steht insbesondere nicht mit Blick auf die Verurteilung wegen unerlaubten Besitzes von Waffen und Explosivsubstanzen durch das Amtsgericht in Hrvatska Kostajnica (Kroatien) das Verbot der Doppelbestrafung ("ne bis in idem") nach Art. 54 SDÜ entgegen (zum Verhältnis von Art. 54 SDÜ zu Art. 50 GrCh vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2010 - 1 StR 57/10, BGHSt 56, 11, 14 f.). Diese Norm bestimmt, dass derjenige, der durch eine Vertragspartei rechtskräftig abgeurteilt worden ist, nicht durch eine andere Vertragspartei wegen derselben Tat verfolgt werden darf, wenn im Fall einer Verurteilung die Sanktion bereits vollstreckt worden ist, gerade vollstreckt wird oder nach dem Recht des Urteilsstaats nicht mehr vollstreckt werden kann. Sie statuiert somit das Verbot, einen Beschuldigten wegen einer bestimmten Tat im prozessualen Sinne mehrfach in verschiedenen Vertragsstaaten mit einem Strafverfahren zu überziehen (Radtke, NStZ 2008, 162, 163). Im vorliegenden Fall betrifft die kroatische Entscheidung allerdings nicht dieselbe Tat im Sinne des Art. 54 SDÜ, wie sie dem hiesigen Strafverfahren zugrunde liegt. Die vom Generalbundesanwalt aufgeworfenen weiteren Fragen, etwa ob das in Deutschland entscheidende Tatgericht bei der Bewertung der Einheitlichkeit der Tat an die Beurteilung, die der vorangegangenen kroatischen Auslieferungsbewilligung zugrunde liegt, vor allem mit Blick auf den europarechtlichen Grundsatz des "effet utile" zur Vermeidung unterschiedlicher Betrachtungsweisen gebunden ist, sind danach nicht entscheidungserheblich. Im Einzelnen:
9
a) Die Anwendbarkeit von Art. 54 SDÜ ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil das Schengener Durchführungsübereinkommen in Kroatien noch nicht galt, als das dortige Urteil erging, sondern erst anlässlich des am 1. Juli 2013 wirksam gewordenen Beitritts von Kroatien zur Europäischen Union in Kraft gesetzt wurde (s. Anhang II Nr. 2 zum Beitrittsvertrag). Die Frage der Anwendung des Grundsatzes "ne bis in idem" stellt sich erst zu dem Zeitpunkt, zu dem in einem anderen Vertragsstaat - hier: Deutschland - ein zweites Strafverfahren gegen dieselbe Person durchgeführt wird. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 9. März 2006 - C-436/04 - Van Esbroeck -, NJW 2006, 1781) ist es daher nicht entscheidend, ob das Schengener Durchführungsübereinkommen für den ersten Vertragsstaat zu dem Zeitpunkt, zu dem der Betroffene dort rechtskräftig abgeurteilt wurde, noch nicht verbindlich war. Vielmehr ist das in Art. 54 SDÜ niedergelegte Verbot der Doppelbestrafung auch auf ein Strafverfahren anzuwenden, das in einem Vertragsstaat wegen einer Tat eingeleitet worden ist, die in einem anderen Vertragsstaat bereits zur Verurteilung des Betroffenen geführt hat, selbst wenn das Schengener Durchführungsübereinkommen in diesem letztgenannten Staat zum Zeitpunkt der Verkündung dieser Verurteilung noch nicht in Kraft war, sofern es in den betreffenden Vertragsstaaten zu dem Zeitpunkt gilt, zu dem das mit dem zweiten Verfahren befasste Gericht die Voraussetzungen für die Anwendung des Grundsatzes "ne bis in idem" zu prüfen hat.
10
b) Da es sich bei dem Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art. 54 SDÜ um ein Verfahrenshindernis handelt (BGH, Beschlüsse vom 25. Oktober2010 - 1 StR 57/10, BGHSt 56, 11; vom 9. Juni 2008 - 5 StR 342/04, NJW 2008, 2931, 2932; Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 5. Aufl., Art. 54 SDÜ Rn. 18), dessen Vorliegen in jeder Lage des Verfahrens, mithin auch noch in der Revisionsinstanz, von Amts wegen zu berücksichtigen ist (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., Einl. Rn. 150; vgl. auch zu Art. 50 GrCh BGH, aaO, BGHSt 56, 11), kommt es weiter nicht darauf an, dass das tatgerichtliche Urteil im hiesigen Verfahren ebenfalls vor dem Beitritt Kroatiens zur Europäischen Gemeinschaft ergangen ist.
11
c) Bei der Entscheidung des Amtsgerichts in Hrvatska Kostajnica vom 23. Februar 2007 handelt es sich um eine rechtskräftige Aburteilung im Sinne des Art. 54 SDÜ, verstanden als eine Entscheidung, die nach kroatischem Recht als endgültig und bindend anzusehen ist mit der Folge, dass sie in Kroatien den sich aus dem Verbot der Doppelbestrafung ergebenden Schutz bewirkt (vgl. EuGH, Beschluss vom 22. Dezember 2008 - C-491/07 - Turansky -, NStZRR 2009, 109, 110). Gemäß der sachverständigen Stellungnahme des MaxPlanck -Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg, welcher der Senat folgt, erging das genannte Urteil in einem speziellen Verfahren für den Erlass eines Strafbefehls. Es entspricht in seiner Wirkung einer "normalen" Verurteilung im Anschluss an eine Hauptverhandlung und bewirkt nach kroatischem Recht mit dem Eintritt der Rechtskraft, an dem hier nach den konkreten Umständen des Falles keine Zweifel bestehen, den sich aus dem Verbot der Doppelbestrafung ergebenden Schutz.
12
d) Der durch das Amtsgericht Hrvatska Kostajnica abgeurteilte Sachverhalt und derjenige, der Grundlage der hier angefochtenen Entscheidung ist, betreffen indes nicht dieselbe Tat im Sinne des Art. 54 SDÜ. Hierzu gilt:
13
aa) Nach deutschem innerstaatlichen Recht ist das Verbot der Doppelbestrafung in Art. 103 Abs. 3 GG verankert. Der Begriff der Tat im Sinne dieser Vorschrift richtet sich nach der verfahrensrechtlichen Bestimmung des § 264 StPO und ist somit als der geschichtliche sowie damit zeitlich und sachverhaltlich begrenzte Vorgang zu verstehen, auf den Anklage und Eröffnungsbeschluss hinweisen und innerhalb dessen der Angeklagte als Täter oder Teilnehmer einen Straftatbestand verwirklicht haben soll. Der materiellrechtliche und der prozessuale Tatbegriff stehen indes nicht völlig beziehungslos nebeneinander. Vielmehr stellt ein durch den Rechtsbegriff der Tateinheit nach § 52 StGB zusammengefasster Sachverhalt in der Regel auch verfahrensrechtlich eine einheitliche prozessuale Tat dar. Umgekehrt liegen im Falle sachlichrechtlicher Tatmehrheit nach § 53 StGB grundsätzlich auch mehrere Taten im prozessualen Sinne vor (vgl. im Einzelnen BGH, Beschluss vom 5. März 2009 - 3 StR 566/08, BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 47).
14
Von diesen Grundsätzen sind allerdings jeweils unter Berücksichtigung der Besonderheiten der abgeurteilten Delikte Ausnahmen zu machen. Dabei ist auch in den Blick zu nehmen, dass bei einem weiten Verständnis des prozessualen Tatbegriffs die Kognitionspflicht des zuerst entscheidenden Tatgerichts ausgedehnt und damit dessen Leistungsfähigkeit möglicherweise überschritten wird. So werden etwa von einer Verurteilung wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung (§§ 129, 129a StGB) trotz materiellrechtlicher Tateinheit diejenigen vom Täter begangenen konkreten Straftaten nicht erfasst, die in dem früheren Verfahren tatsächlich nicht - auch nicht als mitgliedschaftlicher Beteiligungsakt - Gegenstand der Anklage und Urteilsfindung waren und mit Blick auf ihre Strafdrohung schwerer wiegen als die abgeurteilten Delikte (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 1980 - 3 StR 9/80, BGHSt 29, 288, 292 ff.; Beschluss vom 4. September 2009 - StB 44/09, NStZ 2010, 287, 288). Im Übrigen sprechen gute Gründe dafür, dass bei sich unter Umständen lange hinziehenden Delikten wie Organisations- oder Dauerstraftaten sowie Bewertungseinheiten auch dann mehrere prozessuale Taten anzunehmen sind, wenn nur einzelne Betätigungen Gegenstand der früheren Anklage und gerichtlichen Untersuchung waren und der Angeklagte nicht darauf vertrauen durfte, dass durch das frühere Verfahren alle strafbaren Handlungen erfasst wurden (BGH, Beschluss vom 30. März 2001 - StB 4 und 5/01, BGHR StGB § 129a Strafklageverbrauch 1).
15
bb) Nach der für die nationalen Gerichte verbindlichen Auslegung des Art. 54 SDÜ in mehreren Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteile vom 11. Februar 2003 - C-187/01 - Gözütok und Brügge -; vom 9. März 2006 - C-436/04 - Van Esbroeck -, NJW 2006, 1781; vom 28. September 2006 - C-467/04 - Gasparini -; vom 28. September 2006 - C-150/05 - Van Straaten -; vom 18. Juli 2007 - C-288/05 - Kretzinger -, NJW 2007, 3412; vom 18. Juli 2007 - C-367/05 - Kraaijenbrink -, NStZ 2008, 164; vom 22. Dezember 2008 - C-491/07 - Turansky -, NStZ-RR 2009, 109; vom 16. November2010 - C-261/09 Mantello -, NJW 2011, 983) gilt im Rahmen dieser Vorschrift indes ein im Verhältnis zu den nationalen Rechtsordnungen eigenständiger, autonom nach unionsrechtlichen Maßstäben auszulegender Tatbegriff. Danach ist maßgebendes Kriterium für die Anwendung des Art. 54 SDÜ allein die Identität der materiellen Tat, verstanden als das Vorhandensein eines Komplexes konkreter, in zeitlicher und räumlicher Hinsicht sowie nach ihrem Zweck unlösbar miteinander verbundener Tatsachen. Das Verbot der Doppelbestrafung greift ein, wenn ein solcher Komplex unlösbar miteinander verbundener Tatsachen besteht und die verschiedenen Verfahren jeweils Tatsachen aus dem einheitlichen Komplex zum Gegenstand haben (BGH, Beschluss vom 9. Juni 2008 - 5 StR 342/04, NJW 2008, 2931, 2932 f.). Auf materiellrechtliche Bewertungen , insbesondere dahin, ob die verschiedenen begangenen Delikte nach deutschem Recht sachlichrechtlich im Verhältnis von Tateinheit oder Tatmehrheit stehen, kommt es demnach nicht an.
16
Die nähere Auslegung dieses Tatbegriffs im Sinne des Art. 54 SDÜ hat sich in erster Linie am Zweck dieser Norm auszurichten, der darin besteht, die ungehinderte Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit der Unionsbürger zu sichern. Wer wegen eines Tatsachenkomplexes bereits in einem Vertragsstaat abgeurteilt ist, soll sich ungeachtet unterschiedlicher rechtlicher Maßstäbe in den einzelnen Staaten darauf verlassen können, dass er nicht - auch nicht unter einem anderen rechtlichen Aspekt - ein zweites Mal wegen derselben Tatsachen strafrechtlich verfolgt wird. Demgegenüber ist die Einordnung der Tat- sachen nach den Strafrechtsordnungen der Vertragsstaaten unbeachtlich. Die Qualifizierung eines Tatsachenkomplexes als eine Tat im Sinne des Art. 54 SDÜ ist darüber hinaus von dem jeweils rechtlich geschützten Interesse unabhängig; denn dieses kann wegen der fehlenden Harmonisierung der nationalen Strafvorschriften von einem Vertragsstaat zum anderen unterschiedlich sein. Allein aus dem Umstand, dass die Taten durch einen einheitlichen Vorsatz auf subjektiver Ebene verbunden sind, lässt sich die Identität der Sachverhalte nicht herleiten; erforderlich ist vielmehr eine objektive Verbindung der zu beurteilenden Handlungen (vgl. EuGH, jeweils aaO).
17
Ob im konkreten Fall nach diesen Kriterien eine einheitliche Tat anzunehmen ist, obliegt der Beurteilung durch die nationalen Gerichte (EuGH, Urteile vom 9. März 2006 - C-436/04 - Van Esbroeck -, NJW 2006, 1781; vom 28. September 2006 - C-467/04 - Gasparini -).
18
cc) Bei Anwendung dieser Maßstäbe liegt hier eine einheitliche Tat im Sinne des Art. 54 SDÜ nicht vor. Der Sachverhalt, der die Grundlage der hiesigen Verurteilung bildet, und derjenige, den das Amtsgericht in Hrvatska Kostajnica abgeurteilt hat, bilden weder in zeitlicher noch in örtlicher Hinsicht noch unter Zweckgesichtspunkten einen Komplex unlösbar miteinander verbundener Tatsachen. Zwar plante der Angeklagte von Beginn an, mit seinem Kind bis nach Bosnien-Herzegowina zu fahren. Auch verwendete er diejenigen Waffen, deren Besitz in Kroatien abgeurteilt wurde, bereits bei seinen strafbaren Handlungen in Deutschland und übte durchgängig die tatsächliche Gewalt über sie aus. Es kann dahinstehen, ob diese Umstände nach innerdeutschem Strafrecht sachlichrechtlich zur Annahme von Tateinheit führen würden (zum nach deutschem Recht allerdings eingeschränkten Strafklageverbrauch bei einer Verurteilung wegen Besitzes und/oder Führens von Waffen vgl. BGH, Urteile vom 16. März 1989 - 4 StR 60/89, BGHSt 36, 151; vom 15. April 1998 - 2 StR 670/97, NStZ-RR 1999, 8). Sie verknüpfen jedenfalls in tatsächlicher Hinsicht das jeweils abgeurteilte Geschehen nicht so stark, dass ein insgesamt einheitlicher, untrennbarer Tatsachenkomplex anzunehmen ist.
19
(1) Für die an den zwei Raststätten in Deutschland begangene vollendete und die versuchte besonders schwere räuberische Erpressung folgt dies bereits daraus, dass diese Delikte lediglich das jeweilige, in sich insoweit abgeschlossene Geschehen in Deutschland betreffen. Dieses steht weder zeitlich noch örtlich noch inhaltlich in einem engen, unlösbaren Zusammenhang mit dem Besitz der Waffen am Mittag des nächsten Tages in Kroatien.
20
(2) Entsprechendes gilt im Verhältnis der Geiselnahme in Deutschland zu dem Waffenbesitz in Kroatien.
21
Bezüglich dieses Delikts erhält das von § 239b StGB erfasste Geschehen in Deutschland sein wesentliches Gepräge dadurch, dass der Angeklagte sich seiner Tochter bemächtigte bzw. diese entführte und die Waffen nicht nur besaß, sondern sie darüber hinaus als Mittel zu einer qualifizierten Drohung mit dem Tod von sich selbst, seiner Tochter und Polizeibeamten aktiv und bewusst einsetzte. Weder dem in dem hiesigen Verfahren ergangenen Urteil noch demjenigen des Amtsgerichts Hrvatska Kostajnica lässt sich entnehmen, dass der Angeklagte die in Deutschland zuletzt auf einem Rastplatz in Bayern ausgesprochenen Drohungen nach Verlassen des Landes weiterhin aufrecht erhielt. Die Feststellungen des in Kroatien ergangenen Urteils stellen im Gegenteil eindeutig lediglich darauf ab, dass der Angeklagte am Mittag des 6. Februar 2012 in Hrvatska Kostajnica im Besitz des größten Teils der Waffen war; davon, dass der Angeklagte dort oder sonst wo in Kroatien noch auf irgendjemanden nötigend einwirkte, ist nicht die Rede.
22
Diese jeweiligen Urteilsfeststellungen stehen im Einklang mit dem vom Senat darüber hinaus bei der Prüfung des Bestehens eines Verfahrenshindernisses im Freibeweisverfahren zu verwertenden Beweisstoff. Danach ist davon auszugehen, dass der Angeklagte das in Deutschland aufgebaute Bedrohungsszenario nach Verlassen des Landes nicht aufrecht erhielt und allenfalls noch einmal kurzzeitig erneuerte. Zunächst ist für die anschließende Fahrt durch Österreich eine irgendwie geartete konkrete Bedrohungs- oder sonstige Nötigungshandlung nicht belegt (Bericht KOK Fö. vom 9. Februar 2005, Sonderband I, Bl. 150). Während der Fahrt durch Slowenien erklärte er lediglich bei der Einreise, man habe in Deutschland auf ihn geschossen; er sei bereit , seine Tochter und sich selbst zu töten (Bericht Interpol Ljubljana vom 10. Februar 2005, Sonderband I Bl. 153). Während seines Aufenthalts am Grenzübergang zwischen Slowenien und Kroatien drohte der Angeklagte demgegenüber nicht erneut damit, seine Handgranaten zur Explosion zu bringen. In der Folgezeit übergab er sogar freiwillig die zwei Handgrananten und eine weitere Waffe an die ihn observierenden kroatischen Polizeibeamten (Bericht Interpol Zagreb vom 2. März 2005, Sonderband I Bl. 158). Sein Verhalten in Kroatien unterschied sich somit ganz wesentlich von demjenigen in Deutschland.
23
Demnach fehlt es auch mit Blick auf die sonstigen Umstände an einer ausreichenden objektiven Verbindung der zu bewertenden Sachverhaltskomplexe. Der Angeklagte durfte nicht berechtigterweise darauf vertrauen, die Aburteilung in Kroatien wegen bloßen Waffenbesitzes umfasse auch das schwere Straftaten verwirklichende Geschehen in der Bundesrepublik Deutschland. Ihm musste vielmehr ohne Weiteres klar sein, dass die strafrechtliche Ahndung in Kroatien nicht das Gesamtgeschehen umfasste, sondern sich allein auf das konkrete Geschehen in Kroatien bezog, wie es in der Verurteilung dargestellt ist. In diesem Zusammenhang ist schließlich auch unter Berücksichtigung der Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs von Bedeutung, dass die Kognitions- pflicht des ersten Tatgerichts - eingedenk der Unterschiedlichkeit der nationalen Strafrechtsordnungen - nicht überdehnt werden darf. Nach alldem ist der Angeklagte durch die Durchführung des Strafverfahrens in Deutschland in seinem Recht auf Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union nicht in rechtsstaatswidriger Weise beeinträchtigt.
24
dd) Die Annahme unterschiedlicher Taten steht auch im Einklang mit den Ergebnissen in den bisher von der Rechtsprechung zu Art. 54 SDÜ entschiedenen Fällen. Ein den dortigen Feststellungen vergleichbar einheitliches, durchgängiges Gesamtgeschehen ist hier nicht gegeben; das im vorliegenden Fall zu beurteilende tatsächliche Geschehen unterscheidet sich vielmehr wesentlich von den Sachverhalten, in denen bislang eine einheitliche Tat im Sinne des Art. 54 SDÜ angenommen wurde. Dies war der Fall etwa bei einer Ausfuhr von Betäubungsmitteln aus einem Vertragsstaat (Belgien) und anschließender Einfuhr in einen anderen Vertragsstaat (Norwegen) (EuGH, Urteil vom 9. März 2006 - C-436/04 - Van Esbroeck -, NJW 2006, 1781) sowie bei der Übernahme geschmuggelten ausländischen Tabaks in Griechenland und dessen Einfuhr nach und Besitz in Italien, wobei von Anfang an der Plan bestand, den Tabak nach Verbringung in den ersten Vertragsstaat zu seinem endgültigen Bestimmungsort zu transportieren (EuGH, Urteil vom 18. Juli 2007 - C-288/05 - Kretzinger -, NJW 2007, 3412; BGH, aaO, NJW 2008, 2931). Eine einheitliche Tat kommt auch in Betracht bei der Vermarktung einer Ware (Olivenöl) in einem Vertragsstaat nach deren ursprünglicher Einfuhr in einen anderen Vertragsstaat (EuGH, Urteil vom 28. September 2006 - C-467/04 - Gasparini -).
25
Soweit es in diesen Entscheidungen um den Transport von Rauschgift durch mehrere Vertragsstaaten ging, war dieser insgesamt und durchgängig Teil eines einheitlichen, auf die Verwertung des Rauschgifts und damit einen einheitlichen übergeordneten objektiven Zweck gerichteten Gesamtvorgangs, dessen Aufspaltung in voneinander zu trennende Phasen dem engen Zusammenhang des Gesamtgeschehens nicht entsprochen hätte. Entsprechendes gilt in den Fällen des geschmuggelten Tabaks sowie der Einfuhr und anschließenden Verwertung des Olivenöls. Bei dem Verbringen der Betäubungsmittel nach Norwegen waren zudem maßgebend die konkreten Einzelfallumstände und dabei insbesondere, dass keine wesentliche Unterbrechung des Transports oder ein längeres Zwischenlagern der Ware vorlag und der genaue Ablauf des Transports bereits vor dessen Beginn geplant war (BGH, aaO, NJW 2008, 2931, 2933). Im Gegensatz hierzu ist im vorliegenden Fall das Geschehen in Deutschland wesentlich durch die Begründung und Aufrechterhaltung der Bemächtigungslage sowie die massiven Drohungen des Angeklagten geprägt, während bei dem in Kroatien abgeurteilten Geschehen allein der Besitz der Waffen maßgebend ist. Deshalb ist, obwohl der Angeklagte den Großteil der Waffen bis nach Kroatien mit sich führte, ein den "Transportfällen" entsprechender übergeordneter, die einzelnen Komplexe gleichermaßen prägender objektiver und durchgängig einheitlicher Zweck nicht gegeben. Dies zeigt sich schließlich auch darin, dass der Angeklagte seine Fahrt auch nach Abgabe der Schusswaffe und Handgranaten in Kroatien unbewaffnet bis zu seinem Ziel in Bosnien-Herzegowina fortsetzte.
26
II. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben, so dass es bei der durch die Verjährung des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte bedingten Änderung des Schuldspruchs sein Bewenden hat. Die beiden erhobenen Aufklärungsrügen (§ 244 Abs. 2 StPO) haben aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts jedenfalls in der Sache keinen Erfolg. Dasselbe gilt, soweit der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts beanstandet. Diesbezüglich bedarf lediglich der folgende Gesichtspunkt der ergänzenden Erörterung:
27
Die auf den Handlungen des Angeklagten an den Rastplätzen F. und Fe. beruhende Verurteilung wegen tateinheitlich begangener vollendeter und versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Zwar waren bei dem Geschehen an der Raststätte F. nach der Vorstellung des Angeklagten der genötigte Polizeibeamte und der geschädigte Tankstelleninhaber nicht personenidentisch. Auch lassen es die Feststellungen offen, ob der Vermögensnachteil bei dem Geschehen an der Raststätte Fe. bei der genötigten Polizeibeamtin oder dem dortigen Tankstelleninhaber eintrat. Diese Umstände begründen jedoch keinen Rechtsfehler. Nach dem Wortlaut des § 253 StGB kann der Nachteil bei dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen eintreten. Nach ständiger Rechtsprechung, von der abzuweichen der vorliegende Fall keinen Anlass bietet , ist die Norm insoweit dahin einschränkend auszulegen, dass nicht jedes einem Dritten abgenötigte vermögensschädigende Verhalten eine Strafbarkeit wegen Erpressung begründen kann. Vielmehr ist zwischen dem Genötigten und dem in seinem Vermögen Geschädigten ein Näheverhältnis dergestalt erforderlich , dass das Nötigungsopfer spätestens im Zeitpunkt der Tatbegehung auf der Seite des Vermögensinhabers steht und ihm dessen Vermögensinteressen nicht gleichgültig sind (vgl. etwa BGH, Urteil vom 20. April 1995 - 4 StR 27/95, BGHSt 41, 123, 125 f.; Lackner/Kühl, StGB, 27. Aufl., § 253 Rn. 6).
28
Ein solches Näheverhältnis liegt hier vor. Der Schutz von Individualrechtsgütern Dritter vor Straftaten ist wesentlicher Bestandteil der Berufspflicht eines jeden Polizeibeamten (BGH, Urteil vom 29. Oktober 1992 - 4 StR 358/92, BGHSt 38, 388, 390). Eine Erpressung ist deshalb auch anzunehmen, wenn Polizeibeamte in Erfüllung ihrer Aufgaben anstelle des Geschädigten handeln, indem sie etwa dem Genötigten vom Täter geforderte Gelder zur Verfügung stellen und deren Übergabe übernehmen (BGH, Urteil vom 30. November 1995 - 5 StR 465/95, BGHSt 41, 368, 371). Dasselbe gilt, wenn Polizeibeamte wie hier in Ausübung ihres Amtes zunächst an Stelle des Vermögensinhabers Adressat der Nötigung werden (vgl. hierzu schon RG, Urteil vom 8. Mai 1929 - II 240/29, RGSt 63, 164, 165).
29
III. Die Änderung des Schuldspruchs berührt nicht die Höhe der Strafe, auf die das Landgericht erkannt hat. Nach der Wertung der Strafkammer fiel der tateinheitlich abgeurteilte Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte bei der Bemessung der Strafe nicht wesentlich ins Gewicht (UA S. 14). Im Übrigen können auch im Urteil festgestellte strafbare Sachverhalte, deren Verfolgung wegen Verjährungseintritt nicht mehr möglich ist, in angemessenem Umfang bei der Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt werden. Es ist deshalb auszuschließen, dass das Landgericht auf eine geringere Strafe erkannt hätte, wenn es bedacht hätte, dass das tateinheitlich begangene Vergehen nach § 113 Abs. 1 StGB nicht mehr verfolgt werden durfte.
30
IV. Der geringe Teilerfolg der Revision macht es nicht unbillig, den Angeklagten in vollem Umfang mit den entstandenen Kosten und Auslagen zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO). Becker Schäfer Mayer Gericke Spaniol

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 566/08
vom
5. März 2009
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Sichverschaffens von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 5. März 2009 gemäß § 349 Abs. 4,
§ 354 Abs. 1, § 206 a Abs. 1 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird Urteil des Landgerichts Kiel vom 22. September 2008 mit den Feststellungen aufgehoben und das Verfahren eingestellt.
Die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten bewaffneten Sichverschaffens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln unter Einbeziehung einer mit Strafbefehl des Amtsgerichts Kiel vom 31. Oktober 2007 verhängten Geldstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat Erfolg. Das Rechtsmittel führt zur Einstellung des Verfahrens, da die Strafklage durch den genannten Strafbefehl verbraucht ist und somit ein Verfahrenshindernis besteht.
2
1. a) Mit Strafbefehl vom 31. Oktober 2007 erkannte das Amtsgericht Kiel gegen den Angeklagten wegen fahrlässigen Führens eines Fahrzeugs unter dem Einfluss berauschender Mittel gemäß § 316 Abs. 1, 2 StGB auf eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 40 €; daneben wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist für deren Wiedererteilung angeordnet. Nach den Feststellungen des Strafbefehls befuhr der Angeklagte am 22. Juni 2007 gegen 17.45 Uhr mit seinem PKW die Kaiserstraße in Kiel. Er schwankte beim Aussteigen aus dem PKW und konnte nur mittels eines Ausfallschritts einen Sturz verhindern. Verbale Auskünfte fielen verwaschen und "stolpernd" aus. Die ihm um 18.38 Uhr entnommene Blutprobe enthielt aufgrund vorangegangenen Betäubungsmittelkonsums Kokainabbauprodukte.
3
b) Mit Anklageschrift vom 21. Februar 2008 wurde dem Angeklagten im hiesigen Verfahren vorgeworfen, in Kiel am 21. Juni 2007 und danach mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel getrieben und dabei einen Gegenstand mit sich geführt zu haben, der seiner Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt gewesen sei. Danach erhielt der Angeklagte am 21. Juni 2007 ca. 100 Gramm Heroin zum gewinnbringenden Weiterverkauf. Anlässlich einer Überprüfung am 22. Juni 2007 gegen 17.45 Uhr in der Kaiserstraße in Kiel wurden in seinem Besitz noch insgesamt 81,44 Gramm Heroin sowie ein Klappmesser mit zwei Klingen aufgefunden und sichergestellt.
4
c) Nach den Feststellungen des Landgerichts konsumierte der Angeklagte am 21. und 22. Juni 2007 regelmäßig Kokain. Am Mittag des 22. Juni 2007 traf er sich mit einem Rauschgiftdealer und erhielt von diesem knapp 100 Gramm Heroin sowie ein Streckmittel. Der Angeklagte führte ein Filetiermesser mit zwei Klingen mit sich. Er fuhr zu der Wohnung seiner Bekannten W. und J. und überließ zumindest W. aus Freundschaft einen Teil des Heroins. W. bedeutete dem Angeklagten, dass er das restliche Rauschgift keinesfalls bei sich in der Wohnung lagern bzw. ansonsten übernehmen wolle. Notgedrungen nahm der Angeklagte deshalb die restlichen 81,44 Gramm Heroin wieder an sich, verließ gegen 17.00 Uhr die Wohnung und begab sich zu seinem PKW. Auf eine entsprechende Bitte des J. nahm er diesen ein kurzes Stück mit. Der Angeklagte konnte sich beim Führen des Fahrzeugs kaum noch wach halten und fiel zwei Polizeibeamten auf. Diese überprüften ihn gegen 17.45 Uhr in der Kaiserstraße in Kiel; dabei fanden sie das in seiner Hose mitgeführte Heroin sowie das Klappmesser.
5
d) Das Landgericht hat ausgeführt, die Rechtskraft des amtsgerichtlichen Strafbefehls stehe der Bestrafung des Angeklagten im hiesigen Verfahren nicht entgegen. Das Verfolgungshindernis des Strafklageverbrauchs liege nicht vor; es handele sich nicht um dieselbe Tat im materiellen oder prozessualen Sinne. Zwischen dem Fahren unter dem Einfluss berauschender Mittel nach § 316 StGB und dem Sichverschaffen bzw. der Abgabe von Betäubungsmitteln bestehe keine Tateinheit i. S. d. § 52 StGB. Die Betäubungsmitteldelikte seien schon vollendet gewesen, als der Angeklagte das Fahrzeug im Straßenverkehr geführt habe. Der weiter gegebene unerlaubte Besitz der Betäubungsmittel sei subsidiär und habe deshalb keine eigenständige Bedeutung. Die beiden Taten seien auch prozessual selbstständig, weil ein erkennbarer Beziehungs- und Bedingungszusammenhang nicht gegeben sei. Der Angeklagte habe das Rauschgift nur gelegentlich der "Trunkenheitsfahrt" weiter mit sich geführt.
6
2. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Der Strafbefehl des Amtsgerichts Kiel betrifft dieselbe Tat wie das vorliegende Verfahren; durch ihn ist deshalb Strafklageverbrauch hinsichtlich des Tatgeschehens eingetreten, das Gegenstand des landgerichtlichen Urteils ist. Der Angeklagte darf somit nach Art. 103 Abs. 3 GG wegen der von ihm begangenen Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden.
7
Der Begriff der Tat i. S. d. Art. 103 Abs. 3 GG richtet sich nach der verfahrensrechtlichen Bestimmung des § 264 StPO (vgl. BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 8) und ist somit als der geschichtliche sowie damit zeitlich und sachverhaltlich begrenzte Vorgang zu verstehen, auf welchen Anklage und Er- öffnungsbeschluss hinweisen und innerhalb dessen der Angeklagte als Täter oder Teilnehmer einen Straftatbestand verwirklicht haben soll. Der materiellrechtliche und der prozessuale Tatbegriff stehen indes nicht völlig beziehungslos nebeneinander. Vielmehr stellt ein durch den Rechtsbegriff der Tateinheit zusammengefasster Sachverhalt in der Regel auch verfahrensrechtlich eine einheitliche prozessuale Tat dar. Umgekehrt bilden mehrere im Sinne von § 53 StGB sachlichrechtlich selbstständige Handlungen grundsätzlich nur dann eine einheitliche prozessuale Tat, wenn die einzelnen Handlungen nicht nur äußerlich ineinander übergehen, sondern wegen der ihnen zu Grunde liegenden Vorkommnisse unter Berücksichtigung ihrer strafrechtlichen Bedeutung auch innerlich derart miteinander verknüpft sind, dass der Unrechts- und Schuldgehalt der einen Handlung nicht ohne die Umstände, die zu der anderen Handlung geführt haben, richtig gewürdigt werden kann und ihre getrennte Würdigung und Aburteilung als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorgangs empfunden würde (vgl. BVerfG, Beschl. vom 16. März 2006 - 2 BvR 111/06; BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 25, 45). Hieraus folgt:
8
Die vom Angeklagten begangene Trunkenheitsfahrt (§ 316 Abs. 1, 2 StGB) und der von ihm gleichzeitig verwirklichte Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) stehen - zumindest - im Verhältnis prozessualer Tatidentität im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO. Allerdings besteht zwischen diesen Delikten dann keine verfahrensrechtliche Identität, wenn das Mitsichführen der Betäubungsmittel in keinem inneren Beziehungsbzw. Bedingungszusammenhang mit dem Fahrvorgang steht (vgl. BGH NStZ 2004, 694, 695 zu § 24 a Abs. 2 StVG mit Anm. Bohnen). Anders liegt dies aber, wenn die Fahrt gerade dem Transport der Drogen dient, also etwa den Zweck verfolgt, sie an einen sicheren Ort zu bringen. So war es hier: Der Angeklagte war nach den Feststellungen des Landgerichts aufgrund der Weigerung des W. gezwungen, das Rauschgift aus der Wohnung fortzuschaffen und an einen anderen Ort zu verbringen. Die Fahrt mit dem PKW diente deshalb primär dem Transport der Betäubungsmittel. Der somit gegebene innere Beziehungszusammenhang zwischen dem Führen des Kraftfahrzeugs und dem Besitz des Heroins wird auch nicht dadurch aufgelöst, dass der Angeklagte sich aus Gefälligkeit bereit erklärte, zunächst den J. zu einem bestimmten Ort in Kiel mitzunehmen. Hauptsächlicher Zweck der Fahrt war vielmehr weiterhin das Verbringen des Rauschgifts weg von der Wohnung hin zu einem vermeintlich sicheren Ort.
9
Ob darüber hinaus in einem derartigen Fall zwischen der Trunkenheitsfahrt und dem Betäubungsmittelbesitz nicht auch materiellrechtlich eine natürliche Handlungseinheit (§ 52 Abs. 1 StGB) gegeben ist, bedarf keiner näheren Erörterung. Denn da die Aburteilung wegen der Trunkenheitsfahrt die Strafklage für den unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verbraucht hat, darf der Angeklagte auch nicht mehr wegen der Delikte bestraft werden, die nur mit diesem Verbrechen sachlichrechtlich in Tateinheit stehen und deshalb prozessual eine Tat bilden. Dies ist für das bewaffnete Sichverschaffen von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie die Abgabe eines - den Grenzwert der nicht geringen Menge nicht erreichenden - Teils dieser Betäubungsmittel jedoch der Fall; denn diese beiden Straftaten werden durch den Betäubungsmittelbesitz in nicht geringer Menge, der als Verbrechen (§ 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) nicht als Auffangtatbestand im Wege der Subsidiarität hinter das Vergehen der Abgabe einer "geringen Menge" (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG) aus der Gesamtmenge zurücktritt, zur Tateinheit verbunden (s. demgegenüber BGHSt 42, 162, 165 f.: keine Verknüpfung von Betäubungsmitteleinfuhr in nicht geringer Menge - § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG - und Abgabe von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge - § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG - durch den Betäubungsmit- telbesitz in nicht geringer Menge, da dieser als subsidiär hinter die beiden anderen Verbrechenstatbestände zurücktritt). Dies hat im Ergebnis auch das Landgericht nicht verkannt, das zutreffend Tateinheit zwischen dem bewaffneten Sichverschaffen der Betäubungsmittel und der Abgabe von Betäubungsmitteln angenommen hat.
Becker Pfister von Lienen Hubert Schäfer

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 531/12
vom
12. Dezember 2013
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________________
SDÜ Art. 54
Zum Begriff "derselben Tat" im Sinne des Art. 54 SDÜ.
BGH, Urteil vom 12. Dezember 2013 - 3 StR 531/12 - LG Mönchengladbach
in der Strafsache
gegen
wegen Geiselnahme u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Dezember
2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer,
Mayer,
Gericke,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 25. September 2012 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Geiselnahme in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung und versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung schuldig ist. Die weitergehende Revision wird verworfen. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Geiselnahme in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung, versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Freiheitstrafe von sieben Jahren verurteilt sowie bestimmt, dass hierauf die in Kroatien erlittene Auslieferungshaft im Verhältnis eins zu eins angerechnet wird. Mit seiner Revision erhebt der Angeklagte zwei Aufklärungsrügen und beanstandet die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs; im Übrigen bleibt es ohne Erfolg.
2
Nach den Feststellungen des Landgerichts kam es am späten Abend des 5. Februar 2005 zu einem Streit zwischen dem Angeklagten und seiner Ehefrau in der gemeinsamen Wohnung in V. . In dessen Verlauf äußerte der Angeklagte, seine vier Jahre alte Tochter M. mit nach Bosnien nehmen zu wollen. Der Angeklagte verfügte über zwei Schusswaffen nebst Munition und zwei Handgranaten, von denen er eine in die Hand nahm und entsicherte. Nach dem Erscheinen mehrerer Polizeibeamter äußerte er, er müsse wahrscheinlich bereits aus diesem Grunde in Deutschland mindestens fünf Jahre ins Gefängnis. Sodann entschloss er sich, die gemeinsame Ausreise mit seiner Tochter nach Bosnien zu erzwingen. Er zog den Sicherungsstift einer Handgranate und erklärte, er werde diese den Beamten erst übergeben, wenn er in Holland sei; andernfalls werde er sich und seine Tochter umbringen und noch ein paar Polizeibeamte "mitnehmen". Daraufhin gestatteten die Polizeibeamten dem Angeklagten, mit seiner Tochter in seinem PKW wegzufahren. Aus Sorge um das Leben des Kindes versuchten die Polizeibeamten nicht, den Angeklagten aufzuhalten. Der Angeklagte fuhr nicht in Richtung Holland, sondern den Rastplatz F. an, gab dort zwei Schüsse in die Luft ab und parkte neben einer Zapfsäule. Er bedrohte einen Polizeibeamten mit der Schusswaffe sowie der Handgranate und forderte diesen auf, seine Waffe abzulegen und das Fahrzeug zu betanken. Der Polizeibeamte weigerte sich, diesen Forderungen nachzukommen. Als der Angeklagte dies erkannte, setzte er seine Fahrt auf der BAB 3 in Richtung Frankfurt fort. Einige Kilometer vor der Raststätte Fe. wendete er und erklärte den ihn verfolgenden Polizeibeamten, wenn er auf der nächsten Raststätte nicht tanken dürfe, werde er ohne Rücksicht auf Verluste auf irgendjemanden schießen. Er wolle mit dem Kind "raus aus Deutschland", man solle ihn fahren lassen. Sodann setzte er seine Fahrt bis zur Raststätte Fe. fort. Dort betankte er das Fahrzeug und erklärte, er wolle mit seiner Tochter nach Bosnien, falls nötig werde er sich selbst und das Kind töten. Sodann verlangte er von einer Polizeibeamtin, für das Kind Speisen und Getränke aus der Tankstelle zu besorgen, was diese unter dem Eindruck der Drohungen befolgte. Danach forderte er die Beamtin auf, ihm die Rechnung nach Bosnien zu schicken und setzte seine Fahrt fort. Auf einem Rastplatz in Bayern erklärte er unter Vorzeigen der entsicherten Handgranate gegenüber einem Polizeibeamten, man solle ihm nicht zu nahe kommen, dann geschehe nichts. Sodann fuhr der Angeklagte weiter durch Österreich und Slowenien bis nach Kroatien. Dort gab er die mitgeführten Waffen heraus und setzte die Fahrt bis nach Bosnien-Herzegowina fort.
3
Der Angeklagte wurde am 23. Februar 2007 von dem Amtsgericht in Hrvatska Kostajnica (Kroatien) durch im Strafbefehlsverfahren ergangenes Urteil wegen unerlaubten Waffenbesitzes zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Dem Urteil lag zugrunde, dass der Angeklagte am 6. Februar 2005 um 13.00 Uhr auf dem Gebiet der Gemeinde Majur, Stadt Hrvatska Kostajnica, unter Verstoß gegen die Bestimmungen des Art. 11 Abs. 1 Punkt 5, 6 und 8 des kroatischen Waffengesetzes im Besitz zweier "Handbomben" sowie eines Gewehrs und einer Patrone für dieses war und dadurch eine Straftat gegen die öffentliche Ordnung (unerlaubter Besitz der Waffen und Explosivsubstanzen, Art. 335 Abs. 1 des kroatischen Strafgesetzbuchs) beging. Der Verbleib der zweiten Schusswaffe, die der Angeklagte in Deutschland neben diesen Waffen führte, ergibt sich weder aus dem hiesigen Urteil noch aus der kroatischen Entscheidung.
4
Am 2. Juni 2010 wurde der Angeklagte vom Amtsgericht Novi Grad (Bosnien-Herzegowina) wegen Kindesentziehung zu einer Geldstrafe in Höhe von 2.000 KM verurteilt.
5
Gegen den Angeklagten wurde unmittelbar nach der Tat wegen der in Deutschland begangenen Taten ein internationaler Haftbefehl erlassen. Die bosnisch-herzegowinischen Behörden verweigerten in der Folgezeit jedoch die Auslieferung ihres Staatsangehörigen. Am 17. Februar 2011 stellte sich der Angeklagte den kroatischen Behörden. Er befand sich vom 7. Juli 2011 bis zum 6. März 2012 in Kroatien in Auslieferungshaft und wurde am 7. März 2012 nach Deutschland ausgeliefert. Die Auslieferung wurde versagt, soweit der Angeklagte bereits wegen Kindesentziehung, unerlaubten Waffenbesitzes und Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz in Bosnien-Herzegowina bzw. Kroatien bestraft worden war.
6
I. Die Tat ist hinsichtlich des tateinheitlich abgeurteilten Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte wegen zwischenzeitlich eingetretener Verjährung nicht mehr verfolgbar. Im Übrigen besteht kein Verfahrenshindernis.
7
1. Soweit der Angeklagte wegen tateinheitlich begangenen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte verurteilt worden ist, ist die Tat verjährt. Sie wurde am 6. Februar 2005 begangen. Die Verjährungsfrist für ein Vergehen nach § 113 Abs. 1 StGB beträgt fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Die Verjährung wurde zuletzt am 10. Februar 2005 durch den Erlass eines Haftbefehls gegen den Angeklagten unterbrochen (§ 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StGB). Die Anklage wurde im April 2012 erhoben und das Hauptverfahren im August 2012 eröffnet (§ 78c Abs. 1 Nr. 6 und 7 StGB); zu diesen Zeitpunkten war die Verjährung bereits eingetreten. Ein förmliches Auslieferungsersuchen, das nach § 78b Abs. 5 StGB zum Ruhen der Verjährung geführt hätte, ist ebenfalls erst nach Ablauf der Verjährungsfrist gestellt worden. Da das Verfahrenshindernis nur eine von mehreren tateinheitlich (§ 52 StGB) begangenen Gesetzesverletzungen betrifft, scheiden eine Teilaufhebung des Urteils und Teileinstellung des Verfahrens aus; vielmehr hat es mit der Änderung des Schuldspruchs sein Bewenden (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 206a Rn. 5).
8
2. Ein darüber hinausgehendes Verfahrenshindernis besteht nicht. Der Aburteilung des Angeklagten steht insbesondere nicht mit Blick auf die Verurteilung wegen unerlaubten Besitzes von Waffen und Explosivsubstanzen durch das Amtsgericht in Hrvatska Kostajnica (Kroatien) das Verbot der Doppelbestrafung ("ne bis in idem") nach Art. 54 SDÜ entgegen (zum Verhältnis von Art. 54 SDÜ zu Art. 50 GrCh vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2010 - 1 StR 57/10, BGHSt 56, 11, 14 f.). Diese Norm bestimmt, dass derjenige, der durch eine Vertragspartei rechtskräftig abgeurteilt worden ist, nicht durch eine andere Vertragspartei wegen derselben Tat verfolgt werden darf, wenn im Fall einer Verurteilung die Sanktion bereits vollstreckt worden ist, gerade vollstreckt wird oder nach dem Recht des Urteilsstaats nicht mehr vollstreckt werden kann. Sie statuiert somit das Verbot, einen Beschuldigten wegen einer bestimmten Tat im prozessualen Sinne mehrfach in verschiedenen Vertragsstaaten mit einem Strafverfahren zu überziehen (Radtke, NStZ 2008, 162, 163). Im vorliegenden Fall betrifft die kroatische Entscheidung allerdings nicht dieselbe Tat im Sinne des Art. 54 SDÜ, wie sie dem hiesigen Strafverfahren zugrunde liegt. Die vom Generalbundesanwalt aufgeworfenen weiteren Fragen, etwa ob das in Deutschland entscheidende Tatgericht bei der Bewertung der Einheitlichkeit der Tat an die Beurteilung, die der vorangegangenen kroatischen Auslieferungsbewilligung zugrunde liegt, vor allem mit Blick auf den europarechtlichen Grundsatz des "effet utile" zur Vermeidung unterschiedlicher Betrachtungsweisen gebunden ist, sind danach nicht entscheidungserheblich. Im Einzelnen:
9
a) Die Anwendbarkeit von Art. 54 SDÜ ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil das Schengener Durchführungsübereinkommen in Kroatien noch nicht galt, als das dortige Urteil erging, sondern erst anlässlich des am 1. Juli 2013 wirksam gewordenen Beitritts von Kroatien zur Europäischen Union in Kraft gesetzt wurde (s. Anhang II Nr. 2 zum Beitrittsvertrag). Die Frage der Anwendung des Grundsatzes "ne bis in idem" stellt sich erst zu dem Zeitpunkt, zu dem in einem anderen Vertragsstaat - hier: Deutschland - ein zweites Strafverfahren gegen dieselbe Person durchgeführt wird. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 9. März 2006 - C-436/04 - Van Esbroeck -, NJW 2006, 1781) ist es daher nicht entscheidend, ob das Schengener Durchführungsübereinkommen für den ersten Vertragsstaat zu dem Zeitpunkt, zu dem der Betroffene dort rechtskräftig abgeurteilt wurde, noch nicht verbindlich war. Vielmehr ist das in Art. 54 SDÜ niedergelegte Verbot der Doppelbestrafung auch auf ein Strafverfahren anzuwenden, das in einem Vertragsstaat wegen einer Tat eingeleitet worden ist, die in einem anderen Vertragsstaat bereits zur Verurteilung des Betroffenen geführt hat, selbst wenn das Schengener Durchführungsübereinkommen in diesem letztgenannten Staat zum Zeitpunkt der Verkündung dieser Verurteilung noch nicht in Kraft war, sofern es in den betreffenden Vertragsstaaten zu dem Zeitpunkt gilt, zu dem das mit dem zweiten Verfahren befasste Gericht die Voraussetzungen für die Anwendung des Grundsatzes "ne bis in idem" zu prüfen hat.
10
b) Da es sich bei dem Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art. 54 SDÜ um ein Verfahrenshindernis handelt (BGH, Beschlüsse vom 25. Oktober2010 - 1 StR 57/10, BGHSt 56, 11; vom 9. Juni 2008 - 5 StR 342/04, NJW 2008, 2931, 2932; Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 5. Aufl., Art. 54 SDÜ Rn. 18), dessen Vorliegen in jeder Lage des Verfahrens, mithin auch noch in der Revisionsinstanz, von Amts wegen zu berücksichtigen ist (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., Einl. Rn. 150; vgl. auch zu Art. 50 GrCh BGH, aaO, BGHSt 56, 11), kommt es weiter nicht darauf an, dass das tatgerichtliche Urteil im hiesigen Verfahren ebenfalls vor dem Beitritt Kroatiens zur Europäischen Gemeinschaft ergangen ist.
11
c) Bei der Entscheidung des Amtsgerichts in Hrvatska Kostajnica vom 23. Februar 2007 handelt es sich um eine rechtskräftige Aburteilung im Sinne des Art. 54 SDÜ, verstanden als eine Entscheidung, die nach kroatischem Recht als endgültig und bindend anzusehen ist mit der Folge, dass sie in Kroatien den sich aus dem Verbot der Doppelbestrafung ergebenden Schutz bewirkt (vgl. EuGH, Beschluss vom 22. Dezember 2008 - C-491/07 - Turansky -, NStZRR 2009, 109, 110). Gemäß der sachverständigen Stellungnahme des MaxPlanck -Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg, welcher der Senat folgt, erging das genannte Urteil in einem speziellen Verfahren für den Erlass eines Strafbefehls. Es entspricht in seiner Wirkung einer "normalen" Verurteilung im Anschluss an eine Hauptverhandlung und bewirkt nach kroatischem Recht mit dem Eintritt der Rechtskraft, an dem hier nach den konkreten Umständen des Falles keine Zweifel bestehen, den sich aus dem Verbot der Doppelbestrafung ergebenden Schutz.
12
d) Der durch das Amtsgericht Hrvatska Kostajnica abgeurteilte Sachverhalt und derjenige, der Grundlage der hier angefochtenen Entscheidung ist, betreffen indes nicht dieselbe Tat im Sinne des Art. 54 SDÜ. Hierzu gilt:
13
aa) Nach deutschem innerstaatlichen Recht ist das Verbot der Doppelbestrafung in Art. 103 Abs. 3 GG verankert. Der Begriff der Tat im Sinne dieser Vorschrift richtet sich nach der verfahrensrechtlichen Bestimmung des § 264 StPO und ist somit als der geschichtliche sowie damit zeitlich und sachverhaltlich begrenzte Vorgang zu verstehen, auf den Anklage und Eröffnungsbeschluss hinweisen und innerhalb dessen der Angeklagte als Täter oder Teilnehmer einen Straftatbestand verwirklicht haben soll. Der materiellrechtliche und der prozessuale Tatbegriff stehen indes nicht völlig beziehungslos nebeneinander. Vielmehr stellt ein durch den Rechtsbegriff der Tateinheit nach § 52 StGB zusammengefasster Sachverhalt in der Regel auch verfahrensrechtlich eine einheitliche prozessuale Tat dar. Umgekehrt liegen im Falle sachlichrechtlicher Tatmehrheit nach § 53 StGB grundsätzlich auch mehrere Taten im prozessualen Sinne vor (vgl. im Einzelnen BGH, Beschluss vom 5. März 2009 - 3 StR 566/08, BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 47).
14
Von diesen Grundsätzen sind allerdings jeweils unter Berücksichtigung der Besonderheiten der abgeurteilten Delikte Ausnahmen zu machen. Dabei ist auch in den Blick zu nehmen, dass bei einem weiten Verständnis des prozessualen Tatbegriffs die Kognitionspflicht des zuerst entscheidenden Tatgerichts ausgedehnt und damit dessen Leistungsfähigkeit möglicherweise überschritten wird. So werden etwa von einer Verurteilung wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung (§§ 129, 129a StGB) trotz materiellrechtlicher Tateinheit diejenigen vom Täter begangenen konkreten Straftaten nicht erfasst, die in dem früheren Verfahren tatsächlich nicht - auch nicht als mitgliedschaftlicher Beteiligungsakt - Gegenstand der Anklage und Urteilsfindung waren und mit Blick auf ihre Strafdrohung schwerer wiegen als die abgeurteilten Delikte (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 1980 - 3 StR 9/80, BGHSt 29, 288, 292 ff.; Beschluss vom 4. September 2009 - StB 44/09, NStZ 2010, 287, 288). Im Übrigen sprechen gute Gründe dafür, dass bei sich unter Umständen lange hinziehenden Delikten wie Organisations- oder Dauerstraftaten sowie Bewertungseinheiten auch dann mehrere prozessuale Taten anzunehmen sind, wenn nur einzelne Betätigungen Gegenstand der früheren Anklage und gerichtlichen Untersuchung waren und der Angeklagte nicht darauf vertrauen durfte, dass durch das frühere Verfahren alle strafbaren Handlungen erfasst wurden (BGH, Beschluss vom 30. März 2001 - StB 4 und 5/01, BGHR StGB § 129a Strafklageverbrauch 1).
15
bb) Nach der für die nationalen Gerichte verbindlichen Auslegung des Art. 54 SDÜ in mehreren Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteile vom 11. Februar 2003 - C-187/01 - Gözütok und Brügge -; vom 9. März 2006 - C-436/04 - Van Esbroeck -, NJW 2006, 1781; vom 28. September 2006 - C-467/04 - Gasparini -; vom 28. September 2006 - C-150/05 - Van Straaten -; vom 18. Juli 2007 - C-288/05 - Kretzinger -, NJW 2007, 3412; vom 18. Juli 2007 - C-367/05 - Kraaijenbrink -, NStZ 2008, 164; vom 22. Dezember 2008 - C-491/07 - Turansky -, NStZ-RR 2009, 109; vom 16. November2010 - C-261/09 Mantello -, NJW 2011, 983) gilt im Rahmen dieser Vorschrift indes ein im Verhältnis zu den nationalen Rechtsordnungen eigenständiger, autonom nach unionsrechtlichen Maßstäben auszulegender Tatbegriff. Danach ist maßgebendes Kriterium für die Anwendung des Art. 54 SDÜ allein die Identität der materiellen Tat, verstanden als das Vorhandensein eines Komplexes konkreter, in zeitlicher und räumlicher Hinsicht sowie nach ihrem Zweck unlösbar miteinander verbundener Tatsachen. Das Verbot der Doppelbestrafung greift ein, wenn ein solcher Komplex unlösbar miteinander verbundener Tatsachen besteht und die verschiedenen Verfahren jeweils Tatsachen aus dem einheitlichen Komplex zum Gegenstand haben (BGH, Beschluss vom 9. Juni 2008 - 5 StR 342/04, NJW 2008, 2931, 2932 f.). Auf materiellrechtliche Bewertungen , insbesondere dahin, ob die verschiedenen begangenen Delikte nach deutschem Recht sachlichrechtlich im Verhältnis von Tateinheit oder Tatmehrheit stehen, kommt es demnach nicht an.
16
Die nähere Auslegung dieses Tatbegriffs im Sinne des Art. 54 SDÜ hat sich in erster Linie am Zweck dieser Norm auszurichten, der darin besteht, die ungehinderte Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit der Unionsbürger zu sichern. Wer wegen eines Tatsachenkomplexes bereits in einem Vertragsstaat abgeurteilt ist, soll sich ungeachtet unterschiedlicher rechtlicher Maßstäbe in den einzelnen Staaten darauf verlassen können, dass er nicht - auch nicht unter einem anderen rechtlichen Aspekt - ein zweites Mal wegen derselben Tatsachen strafrechtlich verfolgt wird. Demgegenüber ist die Einordnung der Tat- sachen nach den Strafrechtsordnungen der Vertragsstaaten unbeachtlich. Die Qualifizierung eines Tatsachenkomplexes als eine Tat im Sinne des Art. 54 SDÜ ist darüber hinaus von dem jeweils rechtlich geschützten Interesse unabhängig; denn dieses kann wegen der fehlenden Harmonisierung der nationalen Strafvorschriften von einem Vertragsstaat zum anderen unterschiedlich sein. Allein aus dem Umstand, dass die Taten durch einen einheitlichen Vorsatz auf subjektiver Ebene verbunden sind, lässt sich die Identität der Sachverhalte nicht herleiten; erforderlich ist vielmehr eine objektive Verbindung der zu beurteilenden Handlungen (vgl. EuGH, jeweils aaO).
17
Ob im konkreten Fall nach diesen Kriterien eine einheitliche Tat anzunehmen ist, obliegt der Beurteilung durch die nationalen Gerichte (EuGH, Urteile vom 9. März 2006 - C-436/04 - Van Esbroeck -, NJW 2006, 1781; vom 28. September 2006 - C-467/04 - Gasparini -).
18
cc) Bei Anwendung dieser Maßstäbe liegt hier eine einheitliche Tat im Sinne des Art. 54 SDÜ nicht vor. Der Sachverhalt, der die Grundlage der hiesigen Verurteilung bildet, und derjenige, den das Amtsgericht in Hrvatska Kostajnica abgeurteilt hat, bilden weder in zeitlicher noch in örtlicher Hinsicht noch unter Zweckgesichtspunkten einen Komplex unlösbar miteinander verbundener Tatsachen. Zwar plante der Angeklagte von Beginn an, mit seinem Kind bis nach Bosnien-Herzegowina zu fahren. Auch verwendete er diejenigen Waffen, deren Besitz in Kroatien abgeurteilt wurde, bereits bei seinen strafbaren Handlungen in Deutschland und übte durchgängig die tatsächliche Gewalt über sie aus. Es kann dahinstehen, ob diese Umstände nach innerdeutschem Strafrecht sachlichrechtlich zur Annahme von Tateinheit führen würden (zum nach deutschem Recht allerdings eingeschränkten Strafklageverbrauch bei einer Verurteilung wegen Besitzes und/oder Führens von Waffen vgl. BGH, Urteile vom 16. März 1989 - 4 StR 60/89, BGHSt 36, 151; vom 15. April 1998 - 2 StR 670/97, NStZ-RR 1999, 8). Sie verknüpfen jedenfalls in tatsächlicher Hinsicht das jeweils abgeurteilte Geschehen nicht so stark, dass ein insgesamt einheitlicher, untrennbarer Tatsachenkomplex anzunehmen ist.
19
(1) Für die an den zwei Raststätten in Deutschland begangene vollendete und die versuchte besonders schwere räuberische Erpressung folgt dies bereits daraus, dass diese Delikte lediglich das jeweilige, in sich insoweit abgeschlossene Geschehen in Deutschland betreffen. Dieses steht weder zeitlich noch örtlich noch inhaltlich in einem engen, unlösbaren Zusammenhang mit dem Besitz der Waffen am Mittag des nächsten Tages in Kroatien.
20
(2) Entsprechendes gilt im Verhältnis der Geiselnahme in Deutschland zu dem Waffenbesitz in Kroatien.
21
Bezüglich dieses Delikts erhält das von § 239b StGB erfasste Geschehen in Deutschland sein wesentliches Gepräge dadurch, dass der Angeklagte sich seiner Tochter bemächtigte bzw. diese entführte und die Waffen nicht nur besaß, sondern sie darüber hinaus als Mittel zu einer qualifizierten Drohung mit dem Tod von sich selbst, seiner Tochter und Polizeibeamten aktiv und bewusst einsetzte. Weder dem in dem hiesigen Verfahren ergangenen Urteil noch demjenigen des Amtsgerichts Hrvatska Kostajnica lässt sich entnehmen, dass der Angeklagte die in Deutschland zuletzt auf einem Rastplatz in Bayern ausgesprochenen Drohungen nach Verlassen des Landes weiterhin aufrecht erhielt. Die Feststellungen des in Kroatien ergangenen Urteils stellen im Gegenteil eindeutig lediglich darauf ab, dass der Angeklagte am Mittag des 6. Februar 2012 in Hrvatska Kostajnica im Besitz des größten Teils der Waffen war; davon, dass der Angeklagte dort oder sonst wo in Kroatien noch auf irgendjemanden nötigend einwirkte, ist nicht die Rede.
22
Diese jeweiligen Urteilsfeststellungen stehen im Einklang mit dem vom Senat darüber hinaus bei der Prüfung des Bestehens eines Verfahrenshindernisses im Freibeweisverfahren zu verwertenden Beweisstoff. Danach ist davon auszugehen, dass der Angeklagte das in Deutschland aufgebaute Bedrohungsszenario nach Verlassen des Landes nicht aufrecht erhielt und allenfalls noch einmal kurzzeitig erneuerte. Zunächst ist für die anschließende Fahrt durch Österreich eine irgendwie geartete konkrete Bedrohungs- oder sonstige Nötigungshandlung nicht belegt (Bericht KOK Fö. vom 9. Februar 2005, Sonderband I, Bl. 150). Während der Fahrt durch Slowenien erklärte er lediglich bei der Einreise, man habe in Deutschland auf ihn geschossen; er sei bereit , seine Tochter und sich selbst zu töten (Bericht Interpol Ljubljana vom 10. Februar 2005, Sonderband I Bl. 153). Während seines Aufenthalts am Grenzübergang zwischen Slowenien und Kroatien drohte der Angeklagte demgegenüber nicht erneut damit, seine Handgranaten zur Explosion zu bringen. In der Folgezeit übergab er sogar freiwillig die zwei Handgrananten und eine weitere Waffe an die ihn observierenden kroatischen Polizeibeamten (Bericht Interpol Zagreb vom 2. März 2005, Sonderband I Bl. 158). Sein Verhalten in Kroatien unterschied sich somit ganz wesentlich von demjenigen in Deutschland.
23
Demnach fehlt es auch mit Blick auf die sonstigen Umstände an einer ausreichenden objektiven Verbindung der zu bewertenden Sachverhaltskomplexe. Der Angeklagte durfte nicht berechtigterweise darauf vertrauen, die Aburteilung in Kroatien wegen bloßen Waffenbesitzes umfasse auch das schwere Straftaten verwirklichende Geschehen in der Bundesrepublik Deutschland. Ihm musste vielmehr ohne Weiteres klar sein, dass die strafrechtliche Ahndung in Kroatien nicht das Gesamtgeschehen umfasste, sondern sich allein auf das konkrete Geschehen in Kroatien bezog, wie es in der Verurteilung dargestellt ist. In diesem Zusammenhang ist schließlich auch unter Berücksichtigung der Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs von Bedeutung, dass die Kognitions- pflicht des ersten Tatgerichts - eingedenk der Unterschiedlichkeit der nationalen Strafrechtsordnungen - nicht überdehnt werden darf. Nach alldem ist der Angeklagte durch die Durchführung des Strafverfahrens in Deutschland in seinem Recht auf Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union nicht in rechtsstaatswidriger Weise beeinträchtigt.
24
dd) Die Annahme unterschiedlicher Taten steht auch im Einklang mit den Ergebnissen in den bisher von der Rechtsprechung zu Art. 54 SDÜ entschiedenen Fällen. Ein den dortigen Feststellungen vergleichbar einheitliches, durchgängiges Gesamtgeschehen ist hier nicht gegeben; das im vorliegenden Fall zu beurteilende tatsächliche Geschehen unterscheidet sich vielmehr wesentlich von den Sachverhalten, in denen bislang eine einheitliche Tat im Sinne des Art. 54 SDÜ angenommen wurde. Dies war der Fall etwa bei einer Ausfuhr von Betäubungsmitteln aus einem Vertragsstaat (Belgien) und anschließender Einfuhr in einen anderen Vertragsstaat (Norwegen) (EuGH, Urteil vom 9. März 2006 - C-436/04 - Van Esbroeck -, NJW 2006, 1781) sowie bei der Übernahme geschmuggelten ausländischen Tabaks in Griechenland und dessen Einfuhr nach und Besitz in Italien, wobei von Anfang an der Plan bestand, den Tabak nach Verbringung in den ersten Vertragsstaat zu seinem endgültigen Bestimmungsort zu transportieren (EuGH, Urteil vom 18. Juli 2007 - C-288/05 - Kretzinger -, NJW 2007, 3412; BGH, aaO, NJW 2008, 2931). Eine einheitliche Tat kommt auch in Betracht bei der Vermarktung einer Ware (Olivenöl) in einem Vertragsstaat nach deren ursprünglicher Einfuhr in einen anderen Vertragsstaat (EuGH, Urteil vom 28. September 2006 - C-467/04 - Gasparini -).
25
Soweit es in diesen Entscheidungen um den Transport von Rauschgift durch mehrere Vertragsstaaten ging, war dieser insgesamt und durchgängig Teil eines einheitlichen, auf die Verwertung des Rauschgifts und damit einen einheitlichen übergeordneten objektiven Zweck gerichteten Gesamtvorgangs, dessen Aufspaltung in voneinander zu trennende Phasen dem engen Zusammenhang des Gesamtgeschehens nicht entsprochen hätte. Entsprechendes gilt in den Fällen des geschmuggelten Tabaks sowie der Einfuhr und anschließenden Verwertung des Olivenöls. Bei dem Verbringen der Betäubungsmittel nach Norwegen waren zudem maßgebend die konkreten Einzelfallumstände und dabei insbesondere, dass keine wesentliche Unterbrechung des Transports oder ein längeres Zwischenlagern der Ware vorlag und der genaue Ablauf des Transports bereits vor dessen Beginn geplant war (BGH, aaO, NJW 2008, 2931, 2933). Im Gegensatz hierzu ist im vorliegenden Fall das Geschehen in Deutschland wesentlich durch die Begründung und Aufrechterhaltung der Bemächtigungslage sowie die massiven Drohungen des Angeklagten geprägt, während bei dem in Kroatien abgeurteilten Geschehen allein der Besitz der Waffen maßgebend ist. Deshalb ist, obwohl der Angeklagte den Großteil der Waffen bis nach Kroatien mit sich führte, ein den "Transportfällen" entsprechender übergeordneter, die einzelnen Komplexe gleichermaßen prägender objektiver und durchgängig einheitlicher Zweck nicht gegeben. Dies zeigt sich schließlich auch darin, dass der Angeklagte seine Fahrt auch nach Abgabe der Schusswaffe und Handgranaten in Kroatien unbewaffnet bis zu seinem Ziel in Bosnien-Herzegowina fortsetzte.
26
II. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben, so dass es bei der durch die Verjährung des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte bedingten Änderung des Schuldspruchs sein Bewenden hat. Die beiden erhobenen Aufklärungsrügen (§ 244 Abs. 2 StPO) haben aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts jedenfalls in der Sache keinen Erfolg. Dasselbe gilt, soweit der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts beanstandet. Diesbezüglich bedarf lediglich der folgende Gesichtspunkt der ergänzenden Erörterung:
27
Die auf den Handlungen des Angeklagten an den Rastplätzen F. und Fe. beruhende Verurteilung wegen tateinheitlich begangener vollendeter und versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Zwar waren bei dem Geschehen an der Raststätte F. nach der Vorstellung des Angeklagten der genötigte Polizeibeamte und der geschädigte Tankstelleninhaber nicht personenidentisch. Auch lassen es die Feststellungen offen, ob der Vermögensnachteil bei dem Geschehen an der Raststätte Fe. bei der genötigten Polizeibeamtin oder dem dortigen Tankstelleninhaber eintrat. Diese Umstände begründen jedoch keinen Rechtsfehler. Nach dem Wortlaut des § 253 StGB kann der Nachteil bei dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen eintreten. Nach ständiger Rechtsprechung, von der abzuweichen der vorliegende Fall keinen Anlass bietet , ist die Norm insoweit dahin einschränkend auszulegen, dass nicht jedes einem Dritten abgenötigte vermögensschädigende Verhalten eine Strafbarkeit wegen Erpressung begründen kann. Vielmehr ist zwischen dem Genötigten und dem in seinem Vermögen Geschädigten ein Näheverhältnis dergestalt erforderlich , dass das Nötigungsopfer spätestens im Zeitpunkt der Tatbegehung auf der Seite des Vermögensinhabers steht und ihm dessen Vermögensinteressen nicht gleichgültig sind (vgl. etwa BGH, Urteil vom 20. April 1995 - 4 StR 27/95, BGHSt 41, 123, 125 f.; Lackner/Kühl, StGB, 27. Aufl., § 253 Rn. 6).
28
Ein solches Näheverhältnis liegt hier vor. Der Schutz von Individualrechtsgütern Dritter vor Straftaten ist wesentlicher Bestandteil der Berufspflicht eines jeden Polizeibeamten (BGH, Urteil vom 29. Oktober 1992 - 4 StR 358/92, BGHSt 38, 388, 390). Eine Erpressung ist deshalb auch anzunehmen, wenn Polizeibeamte in Erfüllung ihrer Aufgaben anstelle des Geschädigten handeln, indem sie etwa dem Genötigten vom Täter geforderte Gelder zur Verfügung stellen und deren Übergabe übernehmen (BGH, Urteil vom 30. November 1995 - 5 StR 465/95, BGHSt 41, 368, 371). Dasselbe gilt, wenn Polizeibeamte wie hier in Ausübung ihres Amtes zunächst an Stelle des Vermögensinhabers Adressat der Nötigung werden (vgl. hierzu schon RG, Urteil vom 8. Mai 1929 - II 240/29, RGSt 63, 164, 165).
29
III. Die Änderung des Schuldspruchs berührt nicht die Höhe der Strafe, auf die das Landgericht erkannt hat. Nach der Wertung der Strafkammer fiel der tateinheitlich abgeurteilte Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte bei der Bemessung der Strafe nicht wesentlich ins Gewicht (UA S. 14). Im Übrigen können auch im Urteil festgestellte strafbare Sachverhalte, deren Verfolgung wegen Verjährungseintritt nicht mehr möglich ist, in angemessenem Umfang bei der Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt werden. Es ist deshalb auszuschließen, dass das Landgericht auf eine geringere Strafe erkannt hätte, wenn es bedacht hätte, dass das tateinheitlich begangene Vergehen nach § 113 Abs. 1 StGB nicht mehr verfolgt werden durfte.
30
IV. Der geringe Teilerfolg der Revision macht es nicht unbillig, den Angeklagten in vollem Umfang mit den entstandenen Kosten und Auslagen zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO). Becker Schäfer Mayer Gericke Spaniol

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet oder sich an einer Vereinigung als Mitglied beteiligt, deren Zweck oder Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren bedroht sind. Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine solche Vereinigung unterstützt oder für sie um Mitglieder oder Unterstützer wirbt.

(2) Eine Vereinigung ist ein auf längere Dauer angelegter, von einer Festlegung von Rollen der Mitglieder, der Kontinuität der Mitgliedschaft und der Ausprägung der Struktur unabhängiger organisierter Zusammenschluss von mehr als zwei Personen zur Verfolgung eines übergeordneten gemeinsamen Interesses.

(3) Absatz 1 ist nicht anzuwenden,

1.
wenn die Vereinigung eine politische Partei ist, die das Bundesverfassungsgericht nicht für verfassungswidrig erklärt hat,
2.
wenn die Begehung von Straftaten nur ein Zweck oder eine Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung ist oder
3.
soweit die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung Straftaten nach den §§ 84 bis 87 betreffen.

(4) Der Versuch, eine in Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 bezeichnete Vereinigung zu gründen, ist strafbar.

(5) In besonders schweren Fällen des Absatzes 1 Satz 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern der Vereinigung gehört. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu erkennen, wenn der Zweck oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet ist, in § 100b Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, b, d bis f und h bis o, Nummer 2 bis 8 und 10 der Strafprozessordnung genannte Straftaten mit Ausnahme der in § 100b Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe h der Strafprozessordnung genannten Straftaten nach den §§ 239a und 239b des Strafgesetzbuches zu begehen.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, von einer Bestrafung nach den Absätzen 1 und 4 absehen.

(7) Das Gericht kann die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Täter

1.
sich freiwillig und ernsthaft bemüht, das Fortbestehen der Vereinigung oder die Begehung einer ihren Zielen entsprechenden Straftat zu verhindern, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß Straftaten, deren Planung er kennt, noch verhindert werden können;
erreicht der Täter sein Ziel, das Fortbestehen der Vereinigung zu verhindern, oder wird es ohne sein Bemühen erreicht, so wird er nicht bestraft.

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
___________
StB 44/09
vom
4. September 2009
in dem Strafverfahren
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung u. a.
zu 2.: Unterstützung einer kriminellen Vereinigung u. a.
hier: Beschwerde des Zeugen Co. gegen die Anordnung von
Ordnungsmitteln zur Erzwingung des Zeugnisses
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. September 2009 gemäß
§ 304 Abs. 1, Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 StPO beschlossen:
1. Auf die Beschwerde des Zeugen Co. wird der Beschluss des 5. Strafsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 27. August 2009 aufgehoben, soweit gegen ihn Beugehaft bis zu einer Höchstdauer von zwei Monaten angeordnet worden ist. Der Beschwerdeführer ist unverzüglich aus der Haft zu entlassen. Die weitergehende Beschwerde wird als unzulässig verworfen. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen, jedoch wird die Gebühr um die Hälfte ermäßigt. Von den notwendigen Auslagen des Zeugen im Beschwerdeverfahren trägt die Staatskasse die Hälfte.

Gründe:

I.

1
Der Beschwerdeführer ist durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Koblenz vom 28. November 2008 wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt worden, weil er als hauptamtlicher Kader der "Arbeiterpartei Kurdistans" (im Folgenden: PKK) in der Zeit von Juni 2005 bis Juni 2006 das Gebiet Darmstadt leitete und sich dadurch als Mitglied an der aus dem führenden Funktionärskör- per der Organisation in Deutschland bestehenden kriminellen Vereinigung beteiligte. Die Vollstreckung der Strafe ist zur Bewährung ausgesetzt worden.
2
Gegenstand der derzeit vor dem 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main stattfindenden Hauptverhandlung gegen die Angeklagten M. und C. ist zum einen der Vorwurf, der Angeklagte M. habe sich als Leiter der PKK-Gebiete Nürnberg, Mainz, Darmstadt und Berlin von Juli 2004 bis zu seiner Festnahme am 26. März 2008 als Mitglied an einer kriminellen Vereinigung beteiligt. Zum anderen sollen der Angeklagte C. und zwei weitere hochrangige Jugendkader der PKK im März 2007 in Darmstadt den als abtrünnig angesehenen Aktivisten A. in "Parteihaft" genommen haben, um gegen diesen unter Androhung körperlicher Gewalt eine unberechtigte Geldforderung für die Organisation durchzusetzen (§ 239 a Abs. 1, §§ 253, 255, 22, 23 StGB); dadurch soll C. zugleich die kriminelle Vereinigung unterstützt haben (§ 129 Abs. 1 StGB). Der Angeklagte M. soll zu dieser konkreten Tat Beihilfe geleistet haben.
3
Mit Beweisantrag vom 25. Juni 2009 hat der Generalbundesanwalt die Vernehmung des Beschwerdeführers als Zeugen beantragt. Mit Beschluss vom 26. August 2009 hat das Oberlandesgericht entschieden, der Beschwerdeführer sei nach § 55 StPO berechtigt, die Auskunft auf mehrere Fragen zu dem mutmaßlichen Tatopfer A. zu verweigern. Jedoch hat der Vorsitzende in der Hauptverhandlung dem Beschwerdeführer am 26. und erneut am 27. August 2009 die Frage gestellt, ob der Angeklagte M. als hauptamtlicher Kader unter dem Decknamen D. von Juli 2005 bis Juni 2006 das PKK-Gebiet Mainz leitete und anschließend als Nachfolger des Beschwerdeführers als Leiter des PKK-Gebiets Darmstadt tätig war. Der Beschwerdeführer hat auch die Beantwortung dieser Frage unter Berufung auf ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StGB verweigert. Mit Beschluss vom 27. August 2009 hat das Oberlandesgericht dem Beschwerdeführer die durch seine Zeugnisverweigerung entstandenen Kosten auferlegt, zur Erzwingung des Zeugnisses gegen ihn Ordnungsgeld in Höhe von 250 €, ersatzweise für je 50 € einen Tag Ordnungshaft , verhängt sowie zur Erzwingung des Zeugnisses Beugehaft bis zu einer Höchstdauer von zwei Monaten angeordnet. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Zeugen stehe insoweit ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO nicht zu. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Zeugen, der das Oberlandesgericht nicht abgeholfen hat.

II.

4
1. Die Beschwerde ist nur zulässig, soweit sie sich gegen die Anordnung der Beugehaft richtet.
5
Soweit sich der Zeuge gegen die Auferlegung der Kosten sowie die Verhängung des Ordnungsgeldes, ersatzweise der Ordnungshaft, wendet, ist das Rechtsmittel unstatthaft. Ein in § 304 Abs. 4 Satz 2 StPO geregelter Fall, in dem ausnahmsweise die Beschwerde gegen einen Beschluss des im ersten Rechtszug zuständigen Oberlandesgerichts zulässig ist, liegt insoweit nicht vor. Im Gegensatz zur Anordnung von Beugehaft ist die Verhängung von Ersatzordnungshaft keine Verhaftung im Sinne des § 304 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 StPO, weil diese lediglich für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, sofort festgesetzt wird (§ 70 Abs. 1 Satz 2 StPO). Sie hat daher keine Verhaftung zum Inhalt, sondern eine an die Bedingung der Nichtbeitreibbarkeit des Ordnungsgeldes anknüpfende Entscheidung (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Beschl. vom 4. August 2009 - StB 32/09 m. w. N.).
6
2. Die gegen die Anordnung der Beugehaft gerichtete Beschwerde ist begründet; denn die Voraussetzungen des § 70 Abs. 1 und 2 StPO liegen nicht vor. Der Beschwerdeführer hat das Zeugnis nicht ohne gesetzlichen Grund verweigert; ihm steht hinsichtlich der nicht beantworteten Frage ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO zu.
7
a) Die Gefahr einer Strafverfolgung im Sinne des § 55 StPO setzt voraus , dass der Zeuge Tatsachen bekunden müsste, die - nach der Beurteilung durch das Gericht - geeignet sind, unmittelbar oder mittelbar den Anfangsverdacht einer von ihm selbst oder von einem Angehörigen (§ 52 Abs. 1 StPO) begangenen Straftat zu begründen oder einen bereits bestehenden Verdacht zu bestärken. Bloße Vermutungen ohne Tatsachengrundlage oder rein denktheoretische Möglichkeiten reichen für die Annahme einer Verfolgungsgefahr nicht aus (vgl. BGH NJW 1994, 2839; Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 55 Rdn. 7). Eine das Recht zur Auskunftsverweigerung begründende Verfolgungsgefahr im Sinne des § 55 Abs. 1 StPO besteht grundsätzlich dann nicht mehr, wenn gegen den Zeugen hinsichtlich der Tat, deren Begehung er sich durch wahrheitsgemäße Beantwortung der Frage verdächtig machen könnte, bereits ein rechtskräftiges Urteil vorliegt, die Strafklage daher verbraucht ist, oder die Straftat verjährt wäre und deswegen zweifelsfrei ausgeschlossen ist, dass er für diese noch verfolgt werden könnte (vgl. Meyer-Goßner aaO Rdn. 8 m. w. N.).
8
Hinsichtlich des Strafklageverbrauchs gelten im Bereich der Organisationsdelikte allerdings grundlegende Besonderheiten: Danach werden im Vergleich zu §§ 129, 129 a, 129 b StGB schwerere Straftaten, die mit der mitgliedschaftlichen Beteiligung an der Vereinigung in Tateinheit stehen, dann nicht von der Rechtskraft eines allein wegen dieser Beteiligung ergangenen Urteils erfasst , wenn sie in dem früheren Verfahren tatsächlich nicht - auch nicht als mitgliedschaftlicher Beteiligungsakt - Gegenstand der Anklage und der Urteils- findung waren (BGHSt 29, 288). Daher ist ein wegen eines Organisationsdelikts Verurteilter durch die Rechtskraft des früheren Urteils nur vor weiterer Strafverfolgung wegen dieses Delikts und tateinheitlich mit diesem zusammentreffender weiterer, nicht schwerer wiegender Straftaten geschützt (st. Rspr.; vgl. BGH NStZ 2002, 607, 608).
9
b) Danach erfasst die Rechtskraft des gegen den Beschwerdeführer ergangenen Urteils vom 28. November 2008 seine etwaige Beteiligung an der konkreten Straftat zum Nachteil des Zeugen A. nicht. Nach der Begründung des Beweisantrags des Generalbundesanwalts vom 25. Juni 2009 spricht das Ergebnis von bisher in der Hauptverhandlung vor dem Oberlandesgericht erhobenen Beweisen dafür, dass der Zeuge A. den Beschwerdeführer am Tag vor der den Angeklagten M. und C. angelasteten Tat in Darmstadt getroffen und ihm von seinem Entschluss erzählt hat, aus der Jugendorganisation der PKK auszusteigen. Im Oktober 2007 sei es zu einem weiteren Zusammentreffen in Zwingenberg gekommen, bei dem der Beschwerdeführer den Sachverhalt bzw. die Probleme des Zeugen A. mit der Jugendorganisation thematisiert und ihm geraten habe, die Sache aus der Welt zu schaffen, da es sonst kein gutes Ende nehme. Zwischen dem Beschwerdeführer und dem Angeklagten M. habe ein enger Kontakt bestanden; dieser werde etwa durch die in der Anklageschrift bezeichneten Telefonate belegt. Unter Hinweis auf diese Umstände hat das Oberlandesgericht in seinem Beschluss vom 26. August 2009 ausgeführt, es bestehe "die nicht nur theoretische Möglichkeit, dass der Zeuge Co. die Disziplinierungsmaßnahme gegen den Zeugen A. angeregt oder die für diese Maßnahme unmittelbar verantwortlichen PKK-Kader zumindest in ihrem Tatentschluss bestärkt" habe. Diese Einschätzung der Beweislage durch das Oberlandesgericht und den Generalbundesanwalt hat der Senat , der an der Hauptverhandlung nicht teilgenommen hat und deshalb die ak- tuelle Beweissituation nicht kennt, hinzunehmen (vgl. BGH, Beschl. vom 4. August 2009 - StB 32/09). Danach liegen konkrete Anhaltspunkte für eine Beteiligung des Beschwerdeführers an der den Angeklagten vorgeworfenen Tat vor.
10
Vor diesem Hintergrund ist nicht auszuschließen, dass sich der Beschwerdeführer durch die wahrheitsgemäße Beantwortung der Frage nach dem Decknamen und den Funktionen des Angeklagten M. innerhalb der PKK in Bezug auf die Straftat zum Nachteil des Zeugen A. selbst belasten würde ; denn dem Angeklagten M. wird gerade auch die Beteiligung an dieser Straftat vorgeworfen und die Offenbarung von Parteiinterna zu dessen Person könnte den Beschwerdeführer in dessen Nähe rücken. Seine Angaben können deshalb zumindest im Rahmen einer mosaikartigen Beweisführung (vgl. BGH NJW 1999, 1413) für die Begründung bzw. Erhärtung eines Verdachts hinsichtlich seiner Mitwirkung an dieser Tat Bedeutung gewinnen.
11
3. Mit dieser Entscheidung in der Hauptsache ist auch das Rechtsmittel des Beschwerdeführers gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts erledigt , die Vollziehung der angeordneten Beugehaft nicht gemäß § 307 Abs. 2 StPO auszusetzen.
Sost-Scheible RiBGH Pfister befindet sich Schäfer im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Sost-Scheible

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 531/12
vom
12. Dezember 2013
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________________
SDÜ Art. 54
Zum Begriff "derselben Tat" im Sinne des Art. 54 SDÜ.
BGH, Urteil vom 12. Dezember 2013 - 3 StR 531/12 - LG Mönchengladbach
in der Strafsache
gegen
wegen Geiselnahme u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Dezember
2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer,
Mayer,
Gericke,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 25. September 2012 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Geiselnahme in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung und versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung schuldig ist. Die weitergehende Revision wird verworfen. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Geiselnahme in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung, versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Freiheitstrafe von sieben Jahren verurteilt sowie bestimmt, dass hierauf die in Kroatien erlittene Auslieferungshaft im Verhältnis eins zu eins angerechnet wird. Mit seiner Revision erhebt der Angeklagte zwei Aufklärungsrügen und beanstandet die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs; im Übrigen bleibt es ohne Erfolg.
2
Nach den Feststellungen des Landgerichts kam es am späten Abend des 5. Februar 2005 zu einem Streit zwischen dem Angeklagten und seiner Ehefrau in der gemeinsamen Wohnung in V. . In dessen Verlauf äußerte der Angeklagte, seine vier Jahre alte Tochter M. mit nach Bosnien nehmen zu wollen. Der Angeklagte verfügte über zwei Schusswaffen nebst Munition und zwei Handgranaten, von denen er eine in die Hand nahm und entsicherte. Nach dem Erscheinen mehrerer Polizeibeamter äußerte er, er müsse wahrscheinlich bereits aus diesem Grunde in Deutschland mindestens fünf Jahre ins Gefängnis. Sodann entschloss er sich, die gemeinsame Ausreise mit seiner Tochter nach Bosnien zu erzwingen. Er zog den Sicherungsstift einer Handgranate und erklärte, er werde diese den Beamten erst übergeben, wenn er in Holland sei; andernfalls werde er sich und seine Tochter umbringen und noch ein paar Polizeibeamte "mitnehmen". Daraufhin gestatteten die Polizeibeamten dem Angeklagten, mit seiner Tochter in seinem PKW wegzufahren. Aus Sorge um das Leben des Kindes versuchten die Polizeibeamten nicht, den Angeklagten aufzuhalten. Der Angeklagte fuhr nicht in Richtung Holland, sondern den Rastplatz F. an, gab dort zwei Schüsse in die Luft ab und parkte neben einer Zapfsäule. Er bedrohte einen Polizeibeamten mit der Schusswaffe sowie der Handgranate und forderte diesen auf, seine Waffe abzulegen und das Fahrzeug zu betanken. Der Polizeibeamte weigerte sich, diesen Forderungen nachzukommen. Als der Angeklagte dies erkannte, setzte er seine Fahrt auf der BAB 3 in Richtung Frankfurt fort. Einige Kilometer vor der Raststätte Fe. wendete er und erklärte den ihn verfolgenden Polizeibeamten, wenn er auf der nächsten Raststätte nicht tanken dürfe, werde er ohne Rücksicht auf Verluste auf irgendjemanden schießen. Er wolle mit dem Kind "raus aus Deutschland", man solle ihn fahren lassen. Sodann setzte er seine Fahrt bis zur Raststätte Fe. fort. Dort betankte er das Fahrzeug und erklärte, er wolle mit seiner Tochter nach Bosnien, falls nötig werde er sich selbst und das Kind töten. Sodann verlangte er von einer Polizeibeamtin, für das Kind Speisen und Getränke aus der Tankstelle zu besorgen, was diese unter dem Eindruck der Drohungen befolgte. Danach forderte er die Beamtin auf, ihm die Rechnung nach Bosnien zu schicken und setzte seine Fahrt fort. Auf einem Rastplatz in Bayern erklärte er unter Vorzeigen der entsicherten Handgranate gegenüber einem Polizeibeamten, man solle ihm nicht zu nahe kommen, dann geschehe nichts. Sodann fuhr der Angeklagte weiter durch Österreich und Slowenien bis nach Kroatien. Dort gab er die mitgeführten Waffen heraus und setzte die Fahrt bis nach Bosnien-Herzegowina fort.
3
Der Angeklagte wurde am 23. Februar 2007 von dem Amtsgericht in Hrvatska Kostajnica (Kroatien) durch im Strafbefehlsverfahren ergangenes Urteil wegen unerlaubten Waffenbesitzes zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Dem Urteil lag zugrunde, dass der Angeklagte am 6. Februar 2005 um 13.00 Uhr auf dem Gebiet der Gemeinde Majur, Stadt Hrvatska Kostajnica, unter Verstoß gegen die Bestimmungen des Art. 11 Abs. 1 Punkt 5, 6 und 8 des kroatischen Waffengesetzes im Besitz zweier "Handbomben" sowie eines Gewehrs und einer Patrone für dieses war und dadurch eine Straftat gegen die öffentliche Ordnung (unerlaubter Besitz der Waffen und Explosivsubstanzen, Art. 335 Abs. 1 des kroatischen Strafgesetzbuchs) beging. Der Verbleib der zweiten Schusswaffe, die der Angeklagte in Deutschland neben diesen Waffen führte, ergibt sich weder aus dem hiesigen Urteil noch aus der kroatischen Entscheidung.
4
Am 2. Juni 2010 wurde der Angeklagte vom Amtsgericht Novi Grad (Bosnien-Herzegowina) wegen Kindesentziehung zu einer Geldstrafe in Höhe von 2.000 KM verurteilt.
5
Gegen den Angeklagten wurde unmittelbar nach der Tat wegen der in Deutschland begangenen Taten ein internationaler Haftbefehl erlassen. Die bosnisch-herzegowinischen Behörden verweigerten in der Folgezeit jedoch die Auslieferung ihres Staatsangehörigen. Am 17. Februar 2011 stellte sich der Angeklagte den kroatischen Behörden. Er befand sich vom 7. Juli 2011 bis zum 6. März 2012 in Kroatien in Auslieferungshaft und wurde am 7. März 2012 nach Deutschland ausgeliefert. Die Auslieferung wurde versagt, soweit der Angeklagte bereits wegen Kindesentziehung, unerlaubten Waffenbesitzes und Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz in Bosnien-Herzegowina bzw. Kroatien bestraft worden war.
6
I. Die Tat ist hinsichtlich des tateinheitlich abgeurteilten Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte wegen zwischenzeitlich eingetretener Verjährung nicht mehr verfolgbar. Im Übrigen besteht kein Verfahrenshindernis.
7
1. Soweit der Angeklagte wegen tateinheitlich begangenen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte verurteilt worden ist, ist die Tat verjährt. Sie wurde am 6. Februar 2005 begangen. Die Verjährungsfrist für ein Vergehen nach § 113 Abs. 1 StGB beträgt fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Die Verjährung wurde zuletzt am 10. Februar 2005 durch den Erlass eines Haftbefehls gegen den Angeklagten unterbrochen (§ 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StGB). Die Anklage wurde im April 2012 erhoben und das Hauptverfahren im August 2012 eröffnet (§ 78c Abs. 1 Nr. 6 und 7 StGB); zu diesen Zeitpunkten war die Verjährung bereits eingetreten. Ein förmliches Auslieferungsersuchen, das nach § 78b Abs. 5 StGB zum Ruhen der Verjährung geführt hätte, ist ebenfalls erst nach Ablauf der Verjährungsfrist gestellt worden. Da das Verfahrenshindernis nur eine von mehreren tateinheitlich (§ 52 StGB) begangenen Gesetzesverletzungen betrifft, scheiden eine Teilaufhebung des Urteils und Teileinstellung des Verfahrens aus; vielmehr hat es mit der Änderung des Schuldspruchs sein Bewenden (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 206a Rn. 5).
8
2. Ein darüber hinausgehendes Verfahrenshindernis besteht nicht. Der Aburteilung des Angeklagten steht insbesondere nicht mit Blick auf die Verurteilung wegen unerlaubten Besitzes von Waffen und Explosivsubstanzen durch das Amtsgericht in Hrvatska Kostajnica (Kroatien) das Verbot der Doppelbestrafung ("ne bis in idem") nach Art. 54 SDÜ entgegen (zum Verhältnis von Art. 54 SDÜ zu Art. 50 GrCh vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2010 - 1 StR 57/10, BGHSt 56, 11, 14 f.). Diese Norm bestimmt, dass derjenige, der durch eine Vertragspartei rechtskräftig abgeurteilt worden ist, nicht durch eine andere Vertragspartei wegen derselben Tat verfolgt werden darf, wenn im Fall einer Verurteilung die Sanktion bereits vollstreckt worden ist, gerade vollstreckt wird oder nach dem Recht des Urteilsstaats nicht mehr vollstreckt werden kann. Sie statuiert somit das Verbot, einen Beschuldigten wegen einer bestimmten Tat im prozessualen Sinne mehrfach in verschiedenen Vertragsstaaten mit einem Strafverfahren zu überziehen (Radtke, NStZ 2008, 162, 163). Im vorliegenden Fall betrifft die kroatische Entscheidung allerdings nicht dieselbe Tat im Sinne des Art. 54 SDÜ, wie sie dem hiesigen Strafverfahren zugrunde liegt. Die vom Generalbundesanwalt aufgeworfenen weiteren Fragen, etwa ob das in Deutschland entscheidende Tatgericht bei der Bewertung der Einheitlichkeit der Tat an die Beurteilung, die der vorangegangenen kroatischen Auslieferungsbewilligung zugrunde liegt, vor allem mit Blick auf den europarechtlichen Grundsatz des "effet utile" zur Vermeidung unterschiedlicher Betrachtungsweisen gebunden ist, sind danach nicht entscheidungserheblich. Im Einzelnen:
9
a) Die Anwendbarkeit von Art. 54 SDÜ ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil das Schengener Durchführungsübereinkommen in Kroatien noch nicht galt, als das dortige Urteil erging, sondern erst anlässlich des am 1. Juli 2013 wirksam gewordenen Beitritts von Kroatien zur Europäischen Union in Kraft gesetzt wurde (s. Anhang II Nr. 2 zum Beitrittsvertrag). Die Frage der Anwendung des Grundsatzes "ne bis in idem" stellt sich erst zu dem Zeitpunkt, zu dem in einem anderen Vertragsstaat - hier: Deutschland - ein zweites Strafverfahren gegen dieselbe Person durchgeführt wird. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 9. März 2006 - C-436/04 - Van Esbroeck -, NJW 2006, 1781) ist es daher nicht entscheidend, ob das Schengener Durchführungsübereinkommen für den ersten Vertragsstaat zu dem Zeitpunkt, zu dem der Betroffene dort rechtskräftig abgeurteilt wurde, noch nicht verbindlich war. Vielmehr ist das in Art. 54 SDÜ niedergelegte Verbot der Doppelbestrafung auch auf ein Strafverfahren anzuwenden, das in einem Vertragsstaat wegen einer Tat eingeleitet worden ist, die in einem anderen Vertragsstaat bereits zur Verurteilung des Betroffenen geführt hat, selbst wenn das Schengener Durchführungsübereinkommen in diesem letztgenannten Staat zum Zeitpunkt der Verkündung dieser Verurteilung noch nicht in Kraft war, sofern es in den betreffenden Vertragsstaaten zu dem Zeitpunkt gilt, zu dem das mit dem zweiten Verfahren befasste Gericht die Voraussetzungen für die Anwendung des Grundsatzes "ne bis in idem" zu prüfen hat.
10
b) Da es sich bei dem Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art. 54 SDÜ um ein Verfahrenshindernis handelt (BGH, Beschlüsse vom 25. Oktober2010 - 1 StR 57/10, BGHSt 56, 11; vom 9. Juni 2008 - 5 StR 342/04, NJW 2008, 2931, 2932; Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 5. Aufl., Art. 54 SDÜ Rn. 18), dessen Vorliegen in jeder Lage des Verfahrens, mithin auch noch in der Revisionsinstanz, von Amts wegen zu berücksichtigen ist (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., Einl. Rn. 150; vgl. auch zu Art. 50 GrCh BGH, aaO, BGHSt 56, 11), kommt es weiter nicht darauf an, dass das tatgerichtliche Urteil im hiesigen Verfahren ebenfalls vor dem Beitritt Kroatiens zur Europäischen Gemeinschaft ergangen ist.
11
c) Bei der Entscheidung des Amtsgerichts in Hrvatska Kostajnica vom 23. Februar 2007 handelt es sich um eine rechtskräftige Aburteilung im Sinne des Art. 54 SDÜ, verstanden als eine Entscheidung, die nach kroatischem Recht als endgültig und bindend anzusehen ist mit der Folge, dass sie in Kroatien den sich aus dem Verbot der Doppelbestrafung ergebenden Schutz bewirkt (vgl. EuGH, Beschluss vom 22. Dezember 2008 - C-491/07 - Turansky -, NStZRR 2009, 109, 110). Gemäß der sachverständigen Stellungnahme des MaxPlanck -Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg, welcher der Senat folgt, erging das genannte Urteil in einem speziellen Verfahren für den Erlass eines Strafbefehls. Es entspricht in seiner Wirkung einer "normalen" Verurteilung im Anschluss an eine Hauptverhandlung und bewirkt nach kroatischem Recht mit dem Eintritt der Rechtskraft, an dem hier nach den konkreten Umständen des Falles keine Zweifel bestehen, den sich aus dem Verbot der Doppelbestrafung ergebenden Schutz.
12
d) Der durch das Amtsgericht Hrvatska Kostajnica abgeurteilte Sachverhalt und derjenige, der Grundlage der hier angefochtenen Entscheidung ist, betreffen indes nicht dieselbe Tat im Sinne des Art. 54 SDÜ. Hierzu gilt:
13
aa) Nach deutschem innerstaatlichen Recht ist das Verbot der Doppelbestrafung in Art. 103 Abs. 3 GG verankert. Der Begriff der Tat im Sinne dieser Vorschrift richtet sich nach der verfahrensrechtlichen Bestimmung des § 264 StPO und ist somit als der geschichtliche sowie damit zeitlich und sachverhaltlich begrenzte Vorgang zu verstehen, auf den Anklage und Eröffnungsbeschluss hinweisen und innerhalb dessen der Angeklagte als Täter oder Teilnehmer einen Straftatbestand verwirklicht haben soll. Der materiellrechtliche und der prozessuale Tatbegriff stehen indes nicht völlig beziehungslos nebeneinander. Vielmehr stellt ein durch den Rechtsbegriff der Tateinheit nach § 52 StGB zusammengefasster Sachverhalt in der Regel auch verfahrensrechtlich eine einheitliche prozessuale Tat dar. Umgekehrt liegen im Falle sachlichrechtlicher Tatmehrheit nach § 53 StGB grundsätzlich auch mehrere Taten im prozessualen Sinne vor (vgl. im Einzelnen BGH, Beschluss vom 5. März 2009 - 3 StR 566/08, BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 47).
14
Von diesen Grundsätzen sind allerdings jeweils unter Berücksichtigung der Besonderheiten der abgeurteilten Delikte Ausnahmen zu machen. Dabei ist auch in den Blick zu nehmen, dass bei einem weiten Verständnis des prozessualen Tatbegriffs die Kognitionspflicht des zuerst entscheidenden Tatgerichts ausgedehnt und damit dessen Leistungsfähigkeit möglicherweise überschritten wird. So werden etwa von einer Verurteilung wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung (§§ 129, 129a StGB) trotz materiellrechtlicher Tateinheit diejenigen vom Täter begangenen konkreten Straftaten nicht erfasst, die in dem früheren Verfahren tatsächlich nicht - auch nicht als mitgliedschaftlicher Beteiligungsakt - Gegenstand der Anklage und Urteilsfindung waren und mit Blick auf ihre Strafdrohung schwerer wiegen als die abgeurteilten Delikte (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 1980 - 3 StR 9/80, BGHSt 29, 288, 292 ff.; Beschluss vom 4. September 2009 - StB 44/09, NStZ 2010, 287, 288). Im Übrigen sprechen gute Gründe dafür, dass bei sich unter Umständen lange hinziehenden Delikten wie Organisations- oder Dauerstraftaten sowie Bewertungseinheiten auch dann mehrere prozessuale Taten anzunehmen sind, wenn nur einzelne Betätigungen Gegenstand der früheren Anklage und gerichtlichen Untersuchung waren und der Angeklagte nicht darauf vertrauen durfte, dass durch das frühere Verfahren alle strafbaren Handlungen erfasst wurden (BGH, Beschluss vom 30. März 2001 - StB 4 und 5/01, BGHR StGB § 129a Strafklageverbrauch 1).
15
bb) Nach der für die nationalen Gerichte verbindlichen Auslegung des Art. 54 SDÜ in mehreren Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteile vom 11. Februar 2003 - C-187/01 - Gözütok und Brügge -; vom 9. März 2006 - C-436/04 - Van Esbroeck -, NJW 2006, 1781; vom 28. September 2006 - C-467/04 - Gasparini -; vom 28. September 2006 - C-150/05 - Van Straaten -; vom 18. Juli 2007 - C-288/05 - Kretzinger -, NJW 2007, 3412; vom 18. Juli 2007 - C-367/05 - Kraaijenbrink -, NStZ 2008, 164; vom 22. Dezember 2008 - C-491/07 - Turansky -, NStZ-RR 2009, 109; vom 16. November2010 - C-261/09 Mantello -, NJW 2011, 983) gilt im Rahmen dieser Vorschrift indes ein im Verhältnis zu den nationalen Rechtsordnungen eigenständiger, autonom nach unionsrechtlichen Maßstäben auszulegender Tatbegriff. Danach ist maßgebendes Kriterium für die Anwendung des Art. 54 SDÜ allein die Identität der materiellen Tat, verstanden als das Vorhandensein eines Komplexes konkreter, in zeitlicher und räumlicher Hinsicht sowie nach ihrem Zweck unlösbar miteinander verbundener Tatsachen. Das Verbot der Doppelbestrafung greift ein, wenn ein solcher Komplex unlösbar miteinander verbundener Tatsachen besteht und die verschiedenen Verfahren jeweils Tatsachen aus dem einheitlichen Komplex zum Gegenstand haben (BGH, Beschluss vom 9. Juni 2008 - 5 StR 342/04, NJW 2008, 2931, 2932 f.). Auf materiellrechtliche Bewertungen , insbesondere dahin, ob die verschiedenen begangenen Delikte nach deutschem Recht sachlichrechtlich im Verhältnis von Tateinheit oder Tatmehrheit stehen, kommt es demnach nicht an.
16
Die nähere Auslegung dieses Tatbegriffs im Sinne des Art. 54 SDÜ hat sich in erster Linie am Zweck dieser Norm auszurichten, der darin besteht, die ungehinderte Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit der Unionsbürger zu sichern. Wer wegen eines Tatsachenkomplexes bereits in einem Vertragsstaat abgeurteilt ist, soll sich ungeachtet unterschiedlicher rechtlicher Maßstäbe in den einzelnen Staaten darauf verlassen können, dass er nicht - auch nicht unter einem anderen rechtlichen Aspekt - ein zweites Mal wegen derselben Tatsachen strafrechtlich verfolgt wird. Demgegenüber ist die Einordnung der Tat- sachen nach den Strafrechtsordnungen der Vertragsstaaten unbeachtlich. Die Qualifizierung eines Tatsachenkomplexes als eine Tat im Sinne des Art. 54 SDÜ ist darüber hinaus von dem jeweils rechtlich geschützten Interesse unabhängig; denn dieses kann wegen der fehlenden Harmonisierung der nationalen Strafvorschriften von einem Vertragsstaat zum anderen unterschiedlich sein. Allein aus dem Umstand, dass die Taten durch einen einheitlichen Vorsatz auf subjektiver Ebene verbunden sind, lässt sich die Identität der Sachverhalte nicht herleiten; erforderlich ist vielmehr eine objektive Verbindung der zu beurteilenden Handlungen (vgl. EuGH, jeweils aaO).
17
Ob im konkreten Fall nach diesen Kriterien eine einheitliche Tat anzunehmen ist, obliegt der Beurteilung durch die nationalen Gerichte (EuGH, Urteile vom 9. März 2006 - C-436/04 - Van Esbroeck -, NJW 2006, 1781; vom 28. September 2006 - C-467/04 - Gasparini -).
18
cc) Bei Anwendung dieser Maßstäbe liegt hier eine einheitliche Tat im Sinne des Art. 54 SDÜ nicht vor. Der Sachverhalt, der die Grundlage der hiesigen Verurteilung bildet, und derjenige, den das Amtsgericht in Hrvatska Kostajnica abgeurteilt hat, bilden weder in zeitlicher noch in örtlicher Hinsicht noch unter Zweckgesichtspunkten einen Komplex unlösbar miteinander verbundener Tatsachen. Zwar plante der Angeklagte von Beginn an, mit seinem Kind bis nach Bosnien-Herzegowina zu fahren. Auch verwendete er diejenigen Waffen, deren Besitz in Kroatien abgeurteilt wurde, bereits bei seinen strafbaren Handlungen in Deutschland und übte durchgängig die tatsächliche Gewalt über sie aus. Es kann dahinstehen, ob diese Umstände nach innerdeutschem Strafrecht sachlichrechtlich zur Annahme von Tateinheit führen würden (zum nach deutschem Recht allerdings eingeschränkten Strafklageverbrauch bei einer Verurteilung wegen Besitzes und/oder Führens von Waffen vgl. BGH, Urteile vom 16. März 1989 - 4 StR 60/89, BGHSt 36, 151; vom 15. April 1998 - 2 StR 670/97, NStZ-RR 1999, 8). Sie verknüpfen jedenfalls in tatsächlicher Hinsicht das jeweils abgeurteilte Geschehen nicht so stark, dass ein insgesamt einheitlicher, untrennbarer Tatsachenkomplex anzunehmen ist.
19
(1) Für die an den zwei Raststätten in Deutschland begangene vollendete und die versuchte besonders schwere räuberische Erpressung folgt dies bereits daraus, dass diese Delikte lediglich das jeweilige, in sich insoweit abgeschlossene Geschehen in Deutschland betreffen. Dieses steht weder zeitlich noch örtlich noch inhaltlich in einem engen, unlösbaren Zusammenhang mit dem Besitz der Waffen am Mittag des nächsten Tages in Kroatien.
20
(2) Entsprechendes gilt im Verhältnis der Geiselnahme in Deutschland zu dem Waffenbesitz in Kroatien.
21
Bezüglich dieses Delikts erhält das von § 239b StGB erfasste Geschehen in Deutschland sein wesentliches Gepräge dadurch, dass der Angeklagte sich seiner Tochter bemächtigte bzw. diese entführte und die Waffen nicht nur besaß, sondern sie darüber hinaus als Mittel zu einer qualifizierten Drohung mit dem Tod von sich selbst, seiner Tochter und Polizeibeamten aktiv und bewusst einsetzte. Weder dem in dem hiesigen Verfahren ergangenen Urteil noch demjenigen des Amtsgerichts Hrvatska Kostajnica lässt sich entnehmen, dass der Angeklagte die in Deutschland zuletzt auf einem Rastplatz in Bayern ausgesprochenen Drohungen nach Verlassen des Landes weiterhin aufrecht erhielt. Die Feststellungen des in Kroatien ergangenen Urteils stellen im Gegenteil eindeutig lediglich darauf ab, dass der Angeklagte am Mittag des 6. Februar 2012 in Hrvatska Kostajnica im Besitz des größten Teils der Waffen war; davon, dass der Angeklagte dort oder sonst wo in Kroatien noch auf irgendjemanden nötigend einwirkte, ist nicht die Rede.
22
Diese jeweiligen Urteilsfeststellungen stehen im Einklang mit dem vom Senat darüber hinaus bei der Prüfung des Bestehens eines Verfahrenshindernisses im Freibeweisverfahren zu verwertenden Beweisstoff. Danach ist davon auszugehen, dass der Angeklagte das in Deutschland aufgebaute Bedrohungsszenario nach Verlassen des Landes nicht aufrecht erhielt und allenfalls noch einmal kurzzeitig erneuerte. Zunächst ist für die anschließende Fahrt durch Österreich eine irgendwie geartete konkrete Bedrohungs- oder sonstige Nötigungshandlung nicht belegt (Bericht KOK Fö. vom 9. Februar 2005, Sonderband I, Bl. 150). Während der Fahrt durch Slowenien erklärte er lediglich bei der Einreise, man habe in Deutschland auf ihn geschossen; er sei bereit , seine Tochter und sich selbst zu töten (Bericht Interpol Ljubljana vom 10. Februar 2005, Sonderband I Bl. 153). Während seines Aufenthalts am Grenzübergang zwischen Slowenien und Kroatien drohte der Angeklagte demgegenüber nicht erneut damit, seine Handgranaten zur Explosion zu bringen. In der Folgezeit übergab er sogar freiwillig die zwei Handgrananten und eine weitere Waffe an die ihn observierenden kroatischen Polizeibeamten (Bericht Interpol Zagreb vom 2. März 2005, Sonderband I Bl. 158). Sein Verhalten in Kroatien unterschied sich somit ganz wesentlich von demjenigen in Deutschland.
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Demnach fehlt es auch mit Blick auf die sonstigen Umstände an einer ausreichenden objektiven Verbindung der zu bewertenden Sachverhaltskomplexe. Der Angeklagte durfte nicht berechtigterweise darauf vertrauen, die Aburteilung in Kroatien wegen bloßen Waffenbesitzes umfasse auch das schwere Straftaten verwirklichende Geschehen in der Bundesrepublik Deutschland. Ihm musste vielmehr ohne Weiteres klar sein, dass die strafrechtliche Ahndung in Kroatien nicht das Gesamtgeschehen umfasste, sondern sich allein auf das konkrete Geschehen in Kroatien bezog, wie es in der Verurteilung dargestellt ist. In diesem Zusammenhang ist schließlich auch unter Berücksichtigung der Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs von Bedeutung, dass die Kognitions- pflicht des ersten Tatgerichts - eingedenk der Unterschiedlichkeit der nationalen Strafrechtsordnungen - nicht überdehnt werden darf. Nach alldem ist der Angeklagte durch die Durchführung des Strafverfahrens in Deutschland in seinem Recht auf Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union nicht in rechtsstaatswidriger Weise beeinträchtigt.
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dd) Die Annahme unterschiedlicher Taten steht auch im Einklang mit den Ergebnissen in den bisher von der Rechtsprechung zu Art. 54 SDÜ entschiedenen Fällen. Ein den dortigen Feststellungen vergleichbar einheitliches, durchgängiges Gesamtgeschehen ist hier nicht gegeben; das im vorliegenden Fall zu beurteilende tatsächliche Geschehen unterscheidet sich vielmehr wesentlich von den Sachverhalten, in denen bislang eine einheitliche Tat im Sinne des Art. 54 SDÜ angenommen wurde. Dies war der Fall etwa bei einer Ausfuhr von Betäubungsmitteln aus einem Vertragsstaat (Belgien) und anschließender Einfuhr in einen anderen Vertragsstaat (Norwegen) (EuGH, Urteil vom 9. März 2006 - C-436/04 - Van Esbroeck -, NJW 2006, 1781) sowie bei der Übernahme geschmuggelten ausländischen Tabaks in Griechenland und dessen Einfuhr nach und Besitz in Italien, wobei von Anfang an der Plan bestand, den Tabak nach Verbringung in den ersten Vertragsstaat zu seinem endgültigen Bestimmungsort zu transportieren (EuGH, Urteil vom 18. Juli 2007 - C-288/05 - Kretzinger -, NJW 2007, 3412; BGH, aaO, NJW 2008, 2931). Eine einheitliche Tat kommt auch in Betracht bei der Vermarktung einer Ware (Olivenöl) in einem Vertragsstaat nach deren ursprünglicher Einfuhr in einen anderen Vertragsstaat (EuGH, Urteil vom 28. September 2006 - C-467/04 - Gasparini -).
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Soweit es in diesen Entscheidungen um den Transport von Rauschgift durch mehrere Vertragsstaaten ging, war dieser insgesamt und durchgängig Teil eines einheitlichen, auf die Verwertung des Rauschgifts und damit einen einheitlichen übergeordneten objektiven Zweck gerichteten Gesamtvorgangs, dessen Aufspaltung in voneinander zu trennende Phasen dem engen Zusammenhang des Gesamtgeschehens nicht entsprochen hätte. Entsprechendes gilt in den Fällen des geschmuggelten Tabaks sowie der Einfuhr und anschließenden Verwertung des Olivenöls. Bei dem Verbringen der Betäubungsmittel nach Norwegen waren zudem maßgebend die konkreten Einzelfallumstände und dabei insbesondere, dass keine wesentliche Unterbrechung des Transports oder ein längeres Zwischenlagern der Ware vorlag und der genaue Ablauf des Transports bereits vor dessen Beginn geplant war (BGH, aaO, NJW 2008, 2931, 2933). Im Gegensatz hierzu ist im vorliegenden Fall das Geschehen in Deutschland wesentlich durch die Begründung und Aufrechterhaltung der Bemächtigungslage sowie die massiven Drohungen des Angeklagten geprägt, während bei dem in Kroatien abgeurteilten Geschehen allein der Besitz der Waffen maßgebend ist. Deshalb ist, obwohl der Angeklagte den Großteil der Waffen bis nach Kroatien mit sich führte, ein den "Transportfällen" entsprechender übergeordneter, die einzelnen Komplexe gleichermaßen prägender objektiver und durchgängig einheitlicher Zweck nicht gegeben. Dies zeigt sich schließlich auch darin, dass der Angeklagte seine Fahrt auch nach Abgabe der Schusswaffe und Handgranaten in Kroatien unbewaffnet bis zu seinem Ziel in Bosnien-Herzegowina fortsetzte.
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II. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben, so dass es bei der durch die Verjährung des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte bedingten Änderung des Schuldspruchs sein Bewenden hat. Die beiden erhobenen Aufklärungsrügen (§ 244 Abs. 2 StPO) haben aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts jedenfalls in der Sache keinen Erfolg. Dasselbe gilt, soweit der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts beanstandet. Diesbezüglich bedarf lediglich der folgende Gesichtspunkt der ergänzenden Erörterung:
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Die auf den Handlungen des Angeklagten an den Rastplätzen F. und Fe. beruhende Verurteilung wegen tateinheitlich begangener vollendeter und versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Zwar waren bei dem Geschehen an der Raststätte F. nach der Vorstellung des Angeklagten der genötigte Polizeibeamte und der geschädigte Tankstelleninhaber nicht personenidentisch. Auch lassen es die Feststellungen offen, ob der Vermögensnachteil bei dem Geschehen an der Raststätte Fe. bei der genötigten Polizeibeamtin oder dem dortigen Tankstelleninhaber eintrat. Diese Umstände begründen jedoch keinen Rechtsfehler. Nach dem Wortlaut des § 253 StGB kann der Nachteil bei dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen eintreten. Nach ständiger Rechtsprechung, von der abzuweichen der vorliegende Fall keinen Anlass bietet , ist die Norm insoweit dahin einschränkend auszulegen, dass nicht jedes einem Dritten abgenötigte vermögensschädigende Verhalten eine Strafbarkeit wegen Erpressung begründen kann. Vielmehr ist zwischen dem Genötigten und dem in seinem Vermögen Geschädigten ein Näheverhältnis dergestalt erforderlich , dass das Nötigungsopfer spätestens im Zeitpunkt der Tatbegehung auf der Seite des Vermögensinhabers steht und ihm dessen Vermögensinteressen nicht gleichgültig sind (vgl. etwa BGH, Urteil vom 20. April 1995 - 4 StR 27/95, BGHSt 41, 123, 125 f.; Lackner/Kühl, StGB, 27. Aufl., § 253 Rn. 6).
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Ein solches Näheverhältnis liegt hier vor. Der Schutz von Individualrechtsgütern Dritter vor Straftaten ist wesentlicher Bestandteil der Berufspflicht eines jeden Polizeibeamten (BGH, Urteil vom 29. Oktober 1992 - 4 StR 358/92, BGHSt 38, 388, 390). Eine Erpressung ist deshalb auch anzunehmen, wenn Polizeibeamte in Erfüllung ihrer Aufgaben anstelle des Geschädigten handeln, indem sie etwa dem Genötigten vom Täter geforderte Gelder zur Verfügung stellen und deren Übergabe übernehmen (BGH, Urteil vom 30. November 1995 - 5 StR 465/95, BGHSt 41, 368, 371). Dasselbe gilt, wenn Polizeibeamte wie hier in Ausübung ihres Amtes zunächst an Stelle des Vermögensinhabers Adressat der Nötigung werden (vgl. hierzu schon RG, Urteil vom 8. Mai 1929 - II 240/29, RGSt 63, 164, 165).
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III. Die Änderung des Schuldspruchs berührt nicht die Höhe der Strafe, auf die das Landgericht erkannt hat. Nach der Wertung der Strafkammer fiel der tateinheitlich abgeurteilte Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte bei der Bemessung der Strafe nicht wesentlich ins Gewicht (UA S. 14). Im Übrigen können auch im Urteil festgestellte strafbare Sachverhalte, deren Verfolgung wegen Verjährungseintritt nicht mehr möglich ist, in angemessenem Umfang bei der Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt werden. Es ist deshalb auszuschließen, dass das Landgericht auf eine geringere Strafe erkannt hätte, wenn es bedacht hätte, dass das tateinheitlich begangene Vergehen nach § 113 Abs. 1 StGB nicht mehr verfolgt werden durfte.
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IV. Der geringe Teilerfolg der Revision macht es nicht unbillig, den Angeklagten in vollem Umfang mit den entstandenen Kosten und Auslagen zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO). Becker Schäfer Mayer Gericke Spaniol

Ein Irrtum in der Bezeichnung des zulässigen Rechtsmittels ist unschädlich.

(1) Die Beschwerde ist gegen alle von den Gerichten im ersten Rechtszug oder im Berufungsverfahren erlassenen Beschlüsse und gegen die Verfügungen des Vorsitzenden, des Richters im Vorverfahren und eines beauftragten oder ersuchten Richters zulässig, soweit das Gesetz sie nicht ausdrücklich einer Anfechtung entzieht.

(2) Auch Zeugen, Sachverständige und andere Personen können gegen Beschlüsse und Verfügungen, durch die sie betroffen werden, Beschwerde erheben.

(3) Gegen Entscheidungen über Kosten oder notwendige Auslagen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt.

(4) Gegen Beschlüsse und Verfügungen des Bundesgerichtshofes ist keine Beschwerde zulässig. Dasselbe gilt für Beschlüsse und Verfügungen der Oberlandesgerichte; in Sachen, in denen die Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug zuständig sind, ist jedoch die Beschwerde zulässig gegen Beschlüsse und Verfügungen, welche

1.
die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Unterbringung zur Beobachtung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 oder § 101a Absatz 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen,
2.
die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnen oder das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses einstellen,
3.
die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten (§ 231a) anordnen oder die Verweisung an ein Gericht niederer Ordnung aussprechen,
4.
die Akteneinsicht betreffen oder
5.
den Widerruf der Strafaussetzung, den Widerruf des Straferlasses und die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe (§ 453 Abs. 2 Satz 3), die Anordnung vorläufiger Maßnahmen zur Sicherung des Widerrufs (§ 453c), die Aussetzung des Strafrestes und deren Widerruf (§ 454 Abs. 3 und 4), die Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 372 Satz 1) oder die Einziehung oder die Unbrauchbarmachung nach den §§ 435, 436 Absatz 2 in Verbindung mit § 434 Absatz 2 und § 439 betreffen;
§ 138d Abs. 6 bleibt unberührt.

(5) Gegen Verfügungen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes und des Oberlandesgerichts (§ 169 Abs. 1) ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen.

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person tötet,
2.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person als Geisel nimmt,
3.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person grausam oder unmenschlich behandelt, indem er ihr erhebliche körperliche oder seelische Schäden oder Leiden zufügt, insbesondere sie foltert oder verstümmelt,
4.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person sexuell nötigt oder vergewaltigt, sie zur Prostitution nötigt, der Fortpflanzungsfähigkeit beraubt oder in der Absicht, die ethnische Zusammensetzung einer Bevölkerung zu beeinflussen, eine unter Anwendung von Zwang geschwängerte Frau gefangen hält,
5.
Kinder unter 15 Jahren für Streitkräfte zwangsverpflichtet oder in Streitkräfte oder bewaffnete Gruppen eingliedert oder sie zur aktiven Teilnahme an Feindseligkeiten verwendet,
6.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person, die sich rechtmäßig in einem Gebiet aufhält, vertreibt oder zwangsweise überführt, indem er sie unter Verstoß gegen eine allgemeine Regel des Völkerrechts durch Ausweisung oder andere Zwangsmaßnahmen in einen anderen Staat oder in ein anderes Gebiet verbringt,
7.
gegen eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person eine erhebliche Strafe, insbesondere die Todesstrafe oder eine Freiheitsstrafe verhängt oder vollstreckt, ohne dass diese Person in einem unparteiischen ordentlichen Gerichtsverfahren, das die völkerrechtlich erforderlichen Rechtsgarantien bietet, abgeurteilt worden ist,
8.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt, indem er
a)
an einer solchen Person Versuche vornimmt, in die sie nicht zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat oder die weder medizinisch notwendig sind noch in ihrem Interesse durchgeführt werden,
b)
einer solchen Person Gewebe oder Organe für Übertragungszwecke entnimmt, sofern es sich nicht um die Entnahme von Blut oder Haut zu therapeutischen Zwecken im Einklang mit den allgemein anerkannten medizinischen Grundsätzen handelt und die Person zuvor nicht freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
c)
bei einer solchen Person medizinisch nicht anerkannte Behandlungsmethoden anwendet, ohne dass dies medizinisch notwendig ist und die Person zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
9.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in schwerwiegender Weise entwürdigend oder erniedrigend behandelt,
wird in den Fällen der Nummer 1 mit lebenslanger Freiheitsstrafe, in den Fällen der Nummer 2 mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen der Nummern 3 bis 5 mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen der Nummern 6 bis 8 mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren und in den Fällen der Nummer 9 mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt einen Angehörigen der gegnerischen Streitkräfte oder einen Kämpfer der gegnerischen Partei verwundet, nachdem dieser sich bedingungslos ergeben hat oder sonst außer Gefecht ist, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.

(3) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 rechtswidrig gefangen hält oder ihre Heimschaffung ungerechtfertigt verzögert,
2.
als Angehöriger einer Besatzungsmacht einen Teil der eigenen Zivilbevölkerung in das besetzte Gebiet überführt,
3.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zum Dienst in den Streitkräften einer feindlichen Macht nötigt oder
4.
einen Angehörigen der gegnerischen Partei mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel nötigt, an Kriegshandlungen gegen sein eigenes Land teilzunehmen,
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.

(4) Verursacht der Täter durch eine Tat nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 den Tod des Opfers, so ist in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 bis 5 Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. Führt eine Handlung nach Absatz 1 Nr. 8 zum Tod oder zu einer schweren Gesundheitsschädigung, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und 4 und des Absatzes 2 Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 und des Absatzes 3 Nr. 1 Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(6) Nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Personen sind

1.
im internationalen bewaffneten Konflikt: geschützte Personen im Sinne der Genfer Abkommen und des Zusatzprotokolls I (Anlage zu diesem Gesetz), namentlich Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige, Kriegsgefangene und Zivilpersonen;
2.
im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige sowie Personen, die nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnehmen und sich in der Gewalt der gegnerischen Partei befinden;
3.
im internationalen und im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Angehörige der Streitkräfte und Kämpfer der gegnerischen Partei, welche die Waffen gestreckt haben oder in sonstiger Weise wehrlos sind.

(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.

(2) Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen

1.
festgestellt wird, daß der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält,
2.
bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, daß der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen werde (Fluchtgefahr), oder
3.
das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er werde
a)
Beweismittel vernichten, verändern, beiseite schaffen, unterdrücken oder fälschen oder
b)
auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer Weise einwirken oder
c)
andere zu solchem Verhalten veranlassen,
und wenn deshalb die Gefahr droht, daß die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (Verdunkelungsgefahr).

(3) Gegen den Beschuldigten, der einer Straftat nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 oder § 13 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder § 129a Abs. 1 oder Abs. 2, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, oder nach den §§ 176c, 176d, 211, 212, 226, 306b oder 306c des Strafgesetzbuches oder, soweit durch die Tat Leib oder Leben eines anderen gefährdet worden ist, nach § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches dringend verdächtig ist, darf die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach Absatz 2 nicht besteht.