Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Mai 2018 - StB 12/18

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:300518BSTB12.18.0
bei uns veröffentlicht am30.05.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
StB 12/18
vom
30. Mai 2018
in dem Strafverfahren
gegen
wegen Beihilfe zu einem Kriegsverbrechen gegen humanitäre Operationen u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:300518BSTB12.18.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts sowie des Angeklagten und seiner Verteidiger am 30. Mai 2018 gemäß § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1 StPO beschlossen:
Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 16. Oktober 2017 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

I.

1
1. Der Beschwerdeführer befindet sich seit dem 21. Januar 2016 aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 14. Januar 2016 (4 BGs 10/16) in Untersuchungshaft. Der Senat hat mit Beschluss vom 11. August 2016 (AK 43/16) die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet.
2
2. Mit Urteil vom 20. September 2017 hat das Oberlandesgericht Stuttgart den Angeklagten wegen Beihilfe zu einem Kriegsverbrechen gegen humanitäre Operationen in Tateinheit mit Beihilfe zum erpresserischen Menschenraub , zu einer versuchten schweren räuberischen Erpressung in drei tateinheitlichen Fällen und zur schweren Freiheitsberaubung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Außerdem hat es den Haftbefehl nach Maßgabe des verkündeten Urteils aufrechterhalten. Gegen dieses Urteil hat der Generalbundesanwalt Revision mit dem Ziel der Änderung des Schuldspruchs und der dadurch bedingten Aufhebung des Strafausspruchs eingelegt, ohne dabei die Sachverhaltsfeststellungen zu beanstanden: Der Angeklagte habe Tathandlungen eines Kriegsverbrechens gegen humanitäre Operationen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VStGB) und der schweren Freiheitsberaubung (§ 239 Abs. 1, 3 Nr. 1 StGB) selbst ausgeführt. Er sei daher zumindest insoweit Täter. Daher sei der Strafrahmen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VStGB mit einer Mindeststrafe von drei Jahren Freiheitsstrafe für die Strafzumessung maßgeblich, nicht der vom Oberlandesgericht nach § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB auf das Mindestmaß von zwei Jahren Freiheitsstrafe gemilderte des erpresserischen Menschenraubes (§ 239a Abs. 1 StGB). Termin zur Hauptverhandlung vor dem Senat über die Revision des Generalbundesanwalts ist auf den 23. August 2018 bestimmt.
3
3. Der Angeklagte hat mit Schriftsatz vom 26. September 2017 beantragt , den Haftbefehl aufzuheben, hilfsweise außer Vollzug zu setzen. Daraufhin hat das Oberlandesgericht Stuttgart mit Beschluss vom 16. Oktober 2017 den Haftbefehl vom 14. Januar 2016 in der Fassung des Beschlusses vom 20. September 2017 aufrechterhalten. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Angeklagten vom 23. April 2018, welcher das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 25. April 2018 nicht abgeholfen hat.
4
4. Der Angeklagte hat zur Begründung seines Rechtsmittels im Wesentlichen ausgeführt, die Fortdauer der Untersuchungshaft sei unverhältnismäßig. Er werde in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt. Bei Rechtskraft des Urteils wäre am 21. Mai 2018 infolge der anzurechnenden Untersuchungshaft der Zeitpunkt erreicht, zu welchem über die Aussetzung der Vollstreckung des Rests der Freiheitsstrafe zur Bewährung zu entscheiden gewesen wäre ("Zwei-Drittel-Zeitpunkt"; § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB). Eine sol- che Entscheidung wäre vor allem wegen seines unbescholtenen Vorlebens und seines Geständnisses zu seinen Gunsten ausgefallen. Nunmehr könne eine Strafhaft nichts zur Resozialisierung beitragen. Zudem sei mit seinem Geständnis sowie seiner Bindung an seinen Vater und eine seiner Schwestern, die in Deutschland lebten, der Haftgrund der Fluchtgefahr ausgeräumt. Der Haftbefehl sei deshalb aufzuheben, jedenfalls aber außer Vollzug zu setzen.
5
Der Generalbundesanwalt hat beantragt, die Beschwerde zu verwerfen.

II.

6
Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.
7
1. Gegen den Angeklagten besteht weiterhin der - in diesem Beschwerdeverfahren nicht angegriffene - dringende Verdacht, die ihm nach Maßgabe der Haftentscheidungen vom 20. September 2017 und 16. Oktober 2017 i.V.m. dem Urteil vom 20. September 2017 zur Last gelegte Straftat begangen zu haben , nämlich zwischen Anfang März 2013 und Mai 2013 zumindest an sieben Tagen den von Mitgliedern einer die Bürgerkriegswirren ausnutzenden, mit islamistischem Gedankengut sympathisierenden Personengruppe unter Vorhalt von Schusswaffen verschleppten kanadischen Staatsangehörigen C. , der seit Juli 2010 hauptamtlich als Rechtsberater für die friedenserhaltende Mission der Vereinten Nationen auf den Golanhöhen (United Nations Disengagement Observer Force - UNDOF) tätig war, im Auftrag der Entführer in der Ortschaft Drosha nordöstlich von Khan Alsheh in Syrien bewacht zu haben. Durch das verurteilende Erkenntnis vom 20. September 2017 wird der dringende Tatverdacht hinreichend belegt (siehe nur BGH, Beschlüsse vom 2. November 2016 - StB 35/16, juris Rn. 7; vom 11. August 2016 - StB 25/16, juris Rn. 7; vom 28. Oktober 2005 - StB 15/05, NStZ 2006, 297; vom 8. Januar 2004 - StB 20/03, NStZ 2004, 276, 277).
8
2. Der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO) besteht fort. Das Verfahren ist nicht rechtskräftig abgeschlossen. Ob die vom Oberlandesgericht verhängte Freiheitsstrafe Bestand hat, bleibt der Revisionsentscheidung sowie einem sich daran gegebenenfalls anschließenden neuen Erkenntnisverfahren vorbehalten. Damit kann hier bei der Beurteilung des Fluchtanreizes nicht allein auf die sogenannte Nettostraferwartung (§ 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB) und zwar bemessen an der verhängten Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten abgestellt werden (dazu nur BGH, Beschluss vom 2. November 2016 - StB 35/16, juris Rn. 9). Schon der aufgrund des Strafausspruchs des Oberlandesgerichts noch verbleibende Strafrest von etwa einem Jahr und zehn Monaten in Verbindung mit dem Fortgang des Strafverfahrens begründet für den Angeklagten angesichts des Umstands, dass er in Deutschland über keine ausreichenden sozialen Bindungen verfügt, einen erheblichen Fluchtanreiz.
9
Der Fluchtanreiz wird insbesondere dadurch verstärkt, dass die Mutter des Angeklagten und eine seiner Schwestern in der Türkei, zwei Schwestern in Saudi-Arabien und eine Schwester in Syrien leben. Diese Familienangehörigen könnten ihm Aufenthalt gewähren. Zudem gelang dem Angeklagten über "Schlepper" seine Einreise nach Deutschland. Auch solche Kontakte könnte der Angeklagte zu seiner Flucht nutzen. Schließlich kommt dem Umstand Bedeutung zu, dass der Angeklagte unter Vorspiegeln der Identität eines " A. " seine Anerkennung als Flüchtling und die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erreichte. Auch dies begründet die Gefahr des "Untertauchens".

10
Die von der Verteidigung erwogenen Auflagen (§ 116 Abs. 1 StPO) erscheinen nicht geeignet, der Fluchtgefahr hinreichend zu begegnen. Eine Außervollzugsetzung des Haftbefehls scheidet daher aus.
11
3. Die Fortdauer der nun bereits mehr als zwei Jahre und vierMonate andauernden Untersuchungshaft ist mit Blick auf das Spannungsverhältnis zwischen dem Freiheitsanspruch des Beschwerdeführers und dem Interesse der Allgemeinheit an einer effektiven Strafverfolgung bei Berücksichtigung und Abwägung der Besonderheiten des vorliegenden Verfahrens zum jetzigen Zeitpunkt noch verhältnismäßig (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO):
12
a) Die Beteiligung an einem Kriegsverbrechen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VStGB) und an einem erpresserischen Menschenraub (§ 239a Abs. 1 StGB) wiegt schwer. Das Verfahren ist ohne Verzögerung betrieben worden. Der - allein von der Beschwerde geltend gemachte - Gesichtspunkt, ob die Vollstreckung des Strafrests nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe zur Bewährung "hypothetisch" ausgesetzt werden kann (§ 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB), ist bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung zwar zu berücksichtigen (siehe nur BVerfG, Beschlüsse vom 29. Dezember 2005 - 2 BvR 2057/05, BVerfGK 7, 140, 161 f.; vom 4. Juni 2012 - 2 BvR 644/12, BVerfGK 19, 428, 435; vom 11. Juni 2008 - 2 BvR 806/08, StV 2008, 421, 422; BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2012 - StB 12/12, NJW 2013, 247, 249). Indes handelt es sich dabei nicht um eine starre Grenze, bei deren Erreichen der weitere Vollzug der Untersuchungshaft stets unverhältnismäßig wäre (KKSchultheis , StPO, 7. Aufl., § 120 Rn. 7). Die verhängte Strafe bleibt daneben ein beachtliches Abwägungskriterium. Innerhalb der Gesamtabwägung tritt zu dem durchaus gewichtigen Maß der verhängten Freiheitsstrafe, die freilich deut- lich unterhalb der von dem Generalbundesanwalt beantragten liegt, und des noch offenen Strafrestes sowie zur Schwere das Tatvorwurfs die derzeit wegen der zu Lasten des Angeklagten geführten Revision des Generalbundesanwalts nicht auszuschließende Möglichkeit einer Strafmaßverböserung hinzu. Jedenfalls nach gegenwärtigem Stand ist für den Senat nicht erkennbar, dass das Rechtsmittel des Generalbundesanwalts offensichtlich unbegründet wäre (vgl. dazu KK-Schultheis aaO; zu einer solchen Prognose der Erfolgsaussichten einer Revision innerhalb der Prüfung des dringenden Tatverdachts BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2005 - StB 15/05, NStZ 2006, 297).
13
b) Zudem bestehen keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass eine Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung zu erwarten ist (zu diesem Beurteilungsmaßstab siehe BVerfG aaO; MüKoStPO/Böhm/Werner, § 112 Rn. 53 mwN). Allein der Umstand, dass der Angeklagte bislang nicht vorbestraft und erstmalig von einer freiheitsentziehenden Maßnahme betroffen ist, begründet hier keine ausreichende diesbezügliche Wahrscheinlichkeit. Denn auch das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit ist bei dieser schwerwiegenden Tat mit jihadistischem Bezug innerhalb der Aussetzungsentscheidung ein bedeutender Umstand (dazu nur BGH, Beschluss vom 2. November 2016 - StB 35/16, juris Rn. 11). Das Oberlandesgericht, das allein einen unmittelbaren Eindruck vom Angeklagten in der Hauptverhandlung gewonnen hat, hat dem Senat als Beschwerdegericht keine weiteren zu seinen Gunsten sprechenden Gesichtspunkte vermittelt. Im Gegenteil steht nach Aktenlage die Prüfung aus, ob und in welchem Umfang der Angeklagte durch den Besitz und dasBenutzen zumindest eines Mobiltelefons gegen die Hausordnung der Justizvollzugsanstalt verstieß. Becker Gericke Leplow

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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts sowie des Angeklagten und seiner Verteidiger am 11. August 2016 gemäß §§ 121, 122 StPO beschlossen:
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.
Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.
Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem Oberlandesgericht Stuttgart übertragen.

Gründe:

1
Der Angeklagte wurde am 21. Januar 2016 festgenommen und befindet sich seit diesem Tag aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 14. Januar 2016 (4 BGs 10/16) in Untersuchungshaft.
2
Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Angeklagte habe zwischen dem 17. Februar 2013 und dem 16. Oktober 2013 im Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt in Syrien einen Angriff gegen Personen, Einrichtungen , Material, Einheiten oder Fahrzeuge gerichtet, die an einer friedenserhaltenden Mission in Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen beteiligt waren und Anspruch auf den Schutz hatten, der Zivilpersonen oder zivilen Objekten nach dem humanitären Völkerrecht gewährt wird (strafbar gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VStGB).
3
Der Generalbundesanwalt hat unter dem 21. Juni 2016 vor dem Oberlandesgericht Stuttgart wegen dieses Vorwurfs Anklage erhoben. Das Oberlandesgericht hat mit Beschluss vom 13. Juli 2016 die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich gehalten und mit Beschluss vom 18. Juli 2016 die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen sowie das Hauptverfahren eröffnet.
4
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.
5
1. Der Angeklagte ist der ihm zur Last gelegten Tat dringend verdächtig.
6
a) Nach dem gegenwärtigen Ermittlungsstand ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:
7
aa) Die in Syrien seit Februar 2011 gegen die Regierung von Bashar alAssad schwelenden Proteste eskalierten ab dem 15. März 2011 aufgrund des repressiven und gewaltsamen Vorgehens syrischer Sicherheitskräfte, Milizen und Armee gegen Demonstranten und Oppositionelle. Die dadurch bewirkte Militarisierung der Protestbewegung entwickelte sich zu einem bewaffneten Aufstand, der Anfang 2012 schließlich weite Teile des Landes erfasste und sich zu einem großflächigen Bürgerkrieg ausweitete. Spätestens seit dieser Zeit herrscht in Syrien ein nichtinternationaler bewaffneter Konflikt.
8
Zu Beginn des Bürgerkrieges trat auf Seiten der bewaffneten Opposition die sog. Freie Syrische Armee als Hauptakteur in Erscheinung, die als Dachvereinigung eine Vielzahl inhomogener Kampfverbände und Gruppierungen mit unterschiedlichsten Motivationslagen zu vertreten versuchte. Im Laufe einer zunehmenden Radikalisierung der Proteste gegen das syrische Regime wurde die Freie Syrische Armee ab dem Jahr 2013 von nunmehr dominierenden is- lamistischen Milizen - u.a. von der "Jabhat al-Nusra" und dem sog. Islamischen Staat - bekämpft und aus großen Teilen der von ihr bis dahin kontrollierten Gebiete verdrängt. Dem syrischen Regime mit offizieller Armee, Polizei, Sicherheitskräften und zivilen Milizen steht gegenwärtig eine Vielzahl von kämpfenden Gruppierungen gegenüber, die zumeist islamistisch motiviert sind und ihrerseits keine einheitliche Front bilden, sondern sich in erheblichem Umfang auch untereinander bekämpfen.
9
Im Rahmen der intensiv geführten kriegerischen Auseinandersetzungen werden von allen Konfliktparteien schwerste Verletzungen des humanitären Völkerrechts begangen. Alle Konfliktparteien gehen teilweise unter Einsatz international geächteter Waffen ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung vor, und es finden schwerste Verbrechen sowie Massaker an Zivilisten, aber auch an kampfunfähigen gegnerischen Kämpfern statt.
10
bb) Der Angeklagte beteiligte sich zwischen dem 17. Februar und dem 16. Oktober 2013 an der Entführung des kanadischen Staatsangehörigen C. , der seit Juli 2010 hauptamtlich als Rechtsberater für die friedenserhaltende Mission der Vereinten Nationen auf den Golanhöhen (United Nations Disengagement Observer Force - UNDOF) tätig war. Nachdem C. am 17. Februar 2013 mit einem im Eigentum der Vereinten Nationen stehenden Fahrzeug vom Hauptquartier der UNDOF in Richtung Damaskus aufgebrochen war, um sich dort in ärztliche Behandlung zu begeben, wurde er in der Ortschaft Khan Alsheh nahe Damaskus an einer Straßensperre von Mitgliedern einer der Jabhat al-Nusra zuzurechnenden Personengruppe unter Vorhalt von Schusswaffen angehalten, zum Aussteigen gezwungen, verschleppt und gefangen gehalten, bis ihm am 16. Oktober 2013 die Flucht gelang.
11
Während C. sich in der Gewalt der bewaffneten Gruppe befand, erhoben die Entführer unter anderem gegenüber den Vereinten Nationen, gegenüber dem kanadischen Staat und gegenüber der Familie von C. erfolglos Lösegeldforderungen und sprachen in diesem Zusammenhang gegen C. gerichtete Todesdrohungen aus. Außerdem nahmen sie C. seine Uhr, Bargeld in Höhe von 450 US-Dollar und seinen UN-Ausweis weg. Das Fahrzeug, mit dem C. am Tage seiner Entführung unterwegs gewesen war, behielten die Entführer und verwendeten es für eigene Zwecke, nachdem sie den an beiden Seiten des Fahrzeugs befindlichen Aufdruck mit den Buchstaben "UN" sowie dessen UN-Kennzeichen entfernt hatten.
12
Der bewaffneten Gruppe gehörte auch der Angeklagte an. Er beteiligte sich jedenfalls in der Zeit von März bis Juni 2013 mindestens vier Wochen lang an der Bewachung von C. , der in verschiedenen Gebäuden in einem Raum eingeschlossen wurde und diesen nur verlassen durfte, um sich zur Toilette zu begeben oder Forderungen seiner Entführer nachzukommen. Beim Verlassen des Raumes wurden ihm die Augen verbunden und er wurde stets von einer bewaffneten Wachperson begleitet. Während der Angeklagte C. bewachte, begleitete er ihn bei Toilettengängen und brachte ihm das Essen. Er stellte sich C. dabei mit seinem Kampfnamen " A. " vor.
13
b) Der dringende Tatverdacht gegen den Angeklagten wird im Wesentlichen durch die Auswertung verschiedener "Facebook"-Profile und die Angaben des Zeugen C. belegt.
14
aa) Hinweise auf die Tatbeteiligung des Angeklagten ergeben sich zunächst aus der Auswertung des "Facebook"-Profils mit der Benutzeridentifikation "sl. ". Der Zeuge C. hatte den Inhaber dieses Profils nach seiner Flucht anhand von Bildern aus dem sozialen Netzwerk "Facebook" als einen seiner Entführer identifiziert, und ein Abgleich mit Daten aus dem Ausländerzentralregister hatte ergeben, dass es sich um das "Facebook"-Profil des Angeklagten handelte. Die Auswertung des Profils durch den islamwissenschaftlichen Sachverständigen S. führte zunächst zu der Erkenntnis, dass der Angeklagte auch unter dem Namen " A. " bekannt ist, mit dem ihn mehrere Nutzer ansprachen, die ihm ersichtlich in Freundschaft verbunden waren. Außerdem ergab die Analyse des Profils Hinweise auf eine Verbindung des Angeklagten mit N. , der nach Ermittlungen des Landeskriminalamtes Rheinland-Pfalz in K. ein Fahrzeuggeschäft betreibt , in dem der im Oktober 2014 in das Bundesgebiet eingereiste Angeklagte zeitweise arbeitete und unter dessen Anschrift der Angeklagte ausweislich des Melderegisters auch wohnhaft war.
15
Die Auswertung des von N. unter der Benutzeridentifikation "m. " in dem sozialen Netzwerk "Facebook" geführten Profils erbrachte Hinweise auf Kontakte des Angeklagten zu an dem Bürgerkrieg in Syrien teilnehmenden Personen, darunter einer Person mit Bezug zu der terroristischen Organisation Jabhat al-Nusra. So wurde etwa ein Lichtbild festgestellt, das N. , den Angeklagten, den Inhaber des "Facebook"-Profils " Q. " und eine Person namens "W. N. " zeigte, der ausweislich der zu dem Lichtbild "geposteten" Kommentare und einer Recherche bei dem Online-Video-Portal "Youtube" im August 2012 bei Kämpfen auf Seiten der Freien Syrischen Armee gegen staatliche syrische Streitkräfte getötet wurde. Eine Auswertung des Profils " Q. " ergab Hinweise auf eine Zugehörigkeit von dessen Inhaber zur Jabhat alNusra , da als Titelbild des Profils die Fahne dieser Organisation gespeichert war.
16
Nach den Ermittlungsergebnissen steht der Angeklagte außerdem über "Facebook" in freundschaftlichem Kontakt zu einer Person namens " F. " (zu Deutsch: " O. "), auf dessen Profil regelmäßig Inhalte mit einem Bezug zum islamistischen Terrorismus veröffentlich werden, unter anderem ein Lichtbild, auf dem Personen mit der Fahne der Jabhat alNusra zu sehen sind, die ihre Füße auf abgeschnittenen Köpfen platziert haben. Zu dieser Abbildung sowie einigen anderen hat der Angeklagte sog. Likes hinterlassen. Ein anderes Foto, auf dem neben der Fahne der al-Nusra-Front eine Holzablage mit diversen Kommunikationsgeräten (Handfunkgeräte, Mobiltelefone ) zu sehen ist und das am 13. März 2014 veröffentlicht wurde, kommentierte der Angeklagte am 24. März 2014 mit der Bemerkung "Wir beten zu Gott, dass er mich zu diesem Platz zurückbringt", was darauf schließen lässt, dass sich der Angeklagte früher bei der Jabhat al-Nusra aufgehalten hat.
17
bb) Der Zeuge C. hat bei seiner in der Zeit vom 4. bis zum 6. November 2015 durchgeführten staatsanwaltschaftlichen Vernehmung nicht nur die Umstände seiner Entführung im Einzelnen geschildert, sondern auch den Angeklagten bei einer sequentiellen Wahllichtbildvorlage, in die gemäß den Vorgaben von Nr. 18 RiStBV ein Lichtbild des Angeklagten sowie Lichtbilder von sieben weiteren Personen gleichen Geschlechts, ähnlichen Alters und ähnlicher Erscheinung eingestellt waren, ohne Zögern eindeutig als denjenigen seiner Entführer wiedererkannt, der sich ihm gegenüber als " A. " bezeichnet hatte. Zu " A. " hat C. im Wesentlichen folgende Angaben gemacht:
18
" A. ", der zur Tatzeit ungefähr 1,65 m bis 1,68 m groß, durchschnittlich schlank und ungefähr 20 Jahre alt gewesen sei, sei ihm gegenüber erstmals im März oder April 2013 in Erscheinung getreten, und zwar für einen Zeitraum von maximal acht Wochen. Der Angeklagte habe ihn gelegentlich bewacht , z. B. auf dem Weg zur Toilette, und ihm das Essen gebracht. Der Angeklagte habe sich ihm gegenüber recht unfreundlich verhalten und als besonderes Merkmal eine Selbstmordgranate am Gürtel getragen.
19
Überdies erkannte C. auf dem von dem "Facebook"-Profil von N. stammenden Lichtbild, das neben N. und dem Angeklagten die Person namens "W. N. " sowie den Inhaber des "Facebook"-Profils " Q. " zeigt, außer dem Angeklagten auch den als Inhaber des "Facebook"-Profils " Q. " ermittelten Mann als einem anderen seiner Entführer "sehr ähnlich" wieder. Schließlich identifizierte er auf einem Lichtbild, das am 15. Juni 2013 in das "Facebook"-Profil " Q. " eingestellt worden war, das ihm entwendete Fahrzeug der UN sowie - im Hintergrund des Bildes - die in Al. gelegene Villa, in der er zunächst festgehalten wurde.
20
Die Angaben von C. sind auf der Grundlage des derzeitigen Erkenntnisstandes glaubhaft. Für ihre Richtigkeit spricht insbesondere, dass er den Angeklagten bei der Wahllichtbildvorlage eindeutig als die an seiner Bewachung beteiligte Person mit dem Namen " A. " wiedererkannt hat, mithin unter demjenigen Kampfnamen, unter dem der Angeklagte auch schon bei der islamwissenschaftlichen Auswertung seines "Facebook"-Profils aufgefallen war. Der Beweiswert des Wiedererkennens wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass dem Zeugen C. nach seiner Schilderung schon anlässlich seiner früheren Befragung durch den kanadischen Nachrichtendienst ein Foto von " A. " gezeigt worden war. Denn dabei hatte es sich den Angaben von C. zufolge nicht um die in die Wahllichtbildvorlage eingestellte Aufnahme oder eine vergleichbare "Polizeiaufnahme" gehandelt, sondern um ein Foto, auf dem der Angeklagte "in natürlicher Umgebung" zu sehen war. Zudem stimmen das von C. beschriebene äußere Erscheinungsbild von " A. " sowie dessen von ihm angegebenes ungefähres Alter mit den Eigenschaften des Angeklagten überein: Der Angeklagte war zur Tatzeit 21 bis 22 Jahre alt und ist - wie sich aus der Ausländerakte ergibt - 1,65 m groß.
21
Der gegen den Angeklagten bestehende Tatverdacht wird dadurch verstärkt , dass auf dem oben genannten Lichtbild in dem "Facebook"-Profil von N. neben dem Angeklagten auch der Inhaber des "Facebook"Profils " Q. " zu sehen ist, den C. als einem anderen seiner Entführer "sehr ähnlich" bezeichnet hat und auf dessen "Facebook"Profil nicht nur Anhaltspunkte für seine Mitgliedschaft in der Vereinigung Jabhat al-Nusra, sondern auch ein Lichtbild festgestellt werden konnte, auf dem das C. entwendete Fahrzeug und die Villa zu erkennen sind, in der C. zunächst festgehalten wurde.
22
Wegen der weiteren Einzelheiten der den dringenden Tatverdacht begründenden Umstände wird auf die Ausführungen in dem Haftbefehl und die dort in Bezug genommenen Beweismittel verwiesen.
23
c) Danach hat der Angeklagte mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Kriegsverbrechen gegen humanitäre Operationen begangen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VStGB).
24
§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VStGB schützt Personen, Einrichtungen, Material , Einheiten und Fahrzeuge die an einer friedenserhaltenden Mission in Übereinstimmung mit der UN-Charta beteiligt sind. Charakteristisch für solche Missionen ist, dass sie mit Zustimmung der Konfliktparteien stattfinden, der Unparteilichkeit verpflichtet sind und Gewalt nur für Zwecke der Selbstverteidi- gung einsetzen dürfen. Häufig dienen sie der Absicherung eines Friedensvertrages oder Waffenstillstandsabkommens (vgl. Werle, Völkerstrafrecht, 3. Aufl., Rn. 1401; MüKoStGB/Zimmermann/Geiß, 2. Aufl., § 10 VStGB Rn. 6 ff.). Die Mission UNDOF weist diese Merkmale auf. Sie wurde nach dem Abschluss eines den Jom-Kippur-Krieg beendenden "Agreement on Disengagement" zwischen Israel und Syrien am 31. Mai 1974 aufgrund der Resolution 350 (1974) des UN-Sicherheitsrates errichtet. Ihre Aufgabe ist die Aufrechterhaltung des Waffenstillstands und die Überwachung der Umsetzung des zwischen Israel und Syrien geschlossenen Abkommens. Zwangsmaßnahmen sind nicht Teil des Mandats der UNDOF.
25
Der Zeuge C. war auch im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VStGB an der friedenserhaltenden Mission UNDOF beteiligt. Der geschützte Personenkreis umfasst sowohl Angehörige von Streitkräften der an den friedenserhaltenden Missionen teilnehmenden Staaten als auch ziviles Hilfspersonal (MüKoStGB/Zimmermann/Geiß aaO, Rn. 10; BT-Drucks. 14/8524, S. 32). Der hauptamtlich als Rechtsberater für die Mission tätige C. gehörte dem zivilen Hilfspersonal der UNDOF an. Er war zum Zeitpunkt seiner Entführung sowie in der Folgezeit weder an Feindseligkeiten beteiligt noch handelte er außerhalb des Mandats der UNDOF, sodass er Anspruch auf den Schutz hatte, der Zivilpersonen nach dem humanitären Völkerrecht gewährt wird (vgl. dazu Werle aaO, Rn. 1405; BT-Drucks. 14/8524 aaO; Art. 13 Abs. 3 des II. Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte). Gleichermaßen war auch das von C. genutzte, im Eigentum der UN stehende Fahrzeug von dem Schutzbereich des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VStGB umfasst.
26
Der Angeklagte hat sich an einem gegen C. gerichteten Angriff beteiligt. Der Begriff des Angriffs ist, angelehnt an Art. 9 des Übereinkommens über die Sicherheit von Personal der Vereinten Nationen und beigeordnetem Personal, weit auszulegen und erfasst jede Art der Gewaltanwendung unabhängig von der Art der dabei verwendeten Waffen; zu den typischen Angriffsformen gehören Nötigungen, Einschüchterungen, bewaffneter Raub, Entführungen , Geiselnahmen, Drangsalierungen, widerrechtliche Festnahmen und Inhaftierungen sowie Akte der Zerstörung und Plünderung des Eigentums humanitärer Missionen (vgl. Werle aaO, Rn. 1404; MüKoStGB/Zimmermann/Geiß aaO, Rn. 17 f.; BT-Drucks. 14/8524, S. 32). Hier ist C. unter Vorhalt von Schusswaffen zum Aussteigen aus dem Fahrzeug gezwungen, verschleppt und mehrere Monate lang in Gebäuden gefangen gehalten worden, die von bewaffneten Personen bewacht wurden. Dabei handelte es sich um ein gewaltsames Vorgehen, an dem sich der Angeklagte durch gelegentliche Bewachung von C. beteiligt hat. Der Angeklagte hat dadurch maßgeblich an der Fortdauer der Freiheitsentziehung von C. mitgewirkt.
27
Schließlich stand die Entführung von C. auch in einem funktionalen Zusammenhang mit dem zur Tatzeit auf dem Staatsgebiet der Arabischen Republik Syrien stattfindenden nichtinternationalen bewaffneten Konflikt. Ein derartiger Zusammenhang ist gegeben, wenn das Vorliegen eines bewaffneten Konfliktes für die Fähigkeit des Täters, das Verbrechen zu begehen, für seine Entscheidung zur Tatbegehung, für die Art und Weise der Begehung oder für den Zweck der Tat von wesentlicher Bedeutung war; die Tat darf nicht lediglich "bei Gelegenheit" des bewaffneten Konflikts begangen werden (MüKoStGB/Zimmermann/Geiß aaO, § 10 VStGB Rn. 19 i.V.m. § 8 VStGB Rn. 119). Eine Tatausführung während laufender Kampfhandlungen oder eine besondere räumliche Nähe dazu sind hingegen nicht erforderlich (BT-Drucks.
14/8524, S. 25). Hier ist nach den derzeit vorliegenden Erkenntnissen davon auszugehen, dass der Angeklagte ebenso wie die anderen Entführer der Organisation Jabhat al-Nusra und damit einer der in den bewaffneten Konflikt verstrickten Konfliktparteien angehörte. Gerade der Umstand, dass sich C. in seiner Funktion als Rechtsberater der Vereinten Nationen bei der Mission UNDOF in der Gegend um Al. aufhielt, ermöglichte es der Gruppierung , sich seiner zu bemächtigen. Der Angeklagte verfügte zudem als Angehöriger der Gruppierung über die zur Bewachung von C. erforderlichen Waffen, und die Entführung sollte nach Lage der Dinge dazu dienen, Lösegeld zu erpressen, um damit den bewaffneten Kampf finanzieren und fortsetzen zu können.
28
2. Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Der Angeklagte hat im Falle seiner Verurteilung mit einer erheblichen Freiheitsstrafe zu rechnen. Dem davon ausgehenden Fluchtanreiz stehen keine hinreichenden fluchthindernden Umstände entgegen. Insbesondere verfügt der Angeklagte in Deutschland über keine persönlichen und familiären Bindungen, die geeignet sind, den Fluchtanreiz zu relativieren. Nach den vorliegenden Erkenntnissen halten sich zwar sein Vater sowie zwei seiner Schwestern in Deutschland auf. Es ist aber nicht ersichtlich, dass sich der Angeklagte dadurch von einer Flucht abhalten ließe. Der Angeklagte geht keiner geregelten Arbeit nach, sondern ist den Ermittlungsergebnissen zufolge allenfalls stundenweise im Betrieb von N. tätig. Der Angeklagte verfügt zudem über Verbindungen ins Ausland, insbesondere nach Syrien sowie in die Türkei, wo sich den Ermittlungsergebnissen zufolge nach wie vor seine Mutter und eine seiner Schwestern aufhalten. Aus seinen Kontakten zu " Q. " und " F. " ergibt sich überdies, dass er Verbindungen zu der terroristischen Vereinigung Jabhat al-Nusra hat, bei der es sich jedenfalls zur Tatzeit um einen Ableger des Terrornetzwerks Al Qaida handelte. Schließlich steht der Angeklagte in Kontakt zu Schleppern, also Personen, die darauf spezialisiert sind, andere unter Umgehung von Kontrollmechanismen illegal über Ländergrenzen zu verbringen. So nutzte er seinen Angaben gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zufolge bereits für seine eigene Reise von Syrien nach Deutschland die Dienste von Schleppern, und die Auswertung verschiedener Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen hat ergeben, dass er sich der Hilfe von Schleppern auch bediente, um seinem Vater und zwei seiner Schwestern die Einreise in das Bundesgebiet zu ermöglichen.
29
In Anbetracht dessen ist zu erwarten, dass sich der Angeklagte, sollte er in Freiheit gelangen, dem weiteren Strafverfahren durch Flucht entziehen wird.
30
Der Haftzweck kann nur durch den Vollzug der Untersuchungshaft erreicht werden; weniger einschneidende Maßnahmen im Sinne des § 116 StPO reichen nicht aus.
31
3. Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) liegen vor. Die besondere Schwierigkeit und der Umfang des Verfahrens haben ein Urteil bislang noch nicht zugelassen.
32
Im Zusammenhang mit der Festnahme des Angeklagten am 21. Januar 2016 wurden mehrere Durchsuchungsbeschlüsse vollstreckt und zahlreiche Beweismittel, zumeist Datenträger verschiedener Art, sichergestellt, deren Auswertung mehrere Monate in Anspruch nahm und erst im Mai 2015 abgeschlossen werden konnte. Zudem wurden nach der Festnahme des Angeklagten 14 weitere Zeugen vernommen. Die bereits unter dem 21. Juni 2016 fertiggestellte Anklageschrift ist am 27. Juni 2016 beim Oberlandesgericht Stuttgart eingegangen. Am 28. Juni 2017 hat der Vorsitzende des zuständigen 5. Strafsenats des Oberlandesgerichts die Zustellung der Anklageschrift an den Angeklagten sowie dessen Verteidiger angeordnet und zugleich eine Erklärungsfrist gemäß § 201 Abs. 1 StPO bis zum 15. Juli 2016 verfügt. Das Oberlandesgericht hat sodann bereits mit Beschluss vom 18. Juli 2016 die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Schon im Vorfeld der Eröffnungsentscheidung wurden mit dem Verteidiger des Angeklagten vorsorglich Hauptverhandlungstermine ab dem 20. Oktober 2016 vereinbart; ein noch früherer Hauptverhandlungsbeginn im Oktober 2016 kam wegen einer Verhinderung des Verteidigers nicht in Betracht.
33
In Anbetracht dessen ist das Verfahren bislang mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung geführt worden.
34
4. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht schließlich auch nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der im Falle der Verurteilung zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Becker Gericke Tiemann

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt

1.
einen Angriff gegen Personen, Einrichtungen, Material, Einheiten oder Fahrzeuge richtet, die an einer humanitären Hilfsmission oder an einer friedenserhaltenden Mission in Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen beteiligt sind, solange sie Anspruch auf den Schutz haben, der Zivilpersonen oder zivilen Objekten nach dem humanitären Völkerrecht gewährt wird, oder
2.
einen Angriff gegen Personen, Gebäude, Material, Sanitätseinheiten oder Sanitätstransportmittel richtet, die in Übereinstimmung mit dem humanitären Völkerrecht mit den Schutzzeichen der Genfer Abkommen gekennzeichnet sind,
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft. In minder schweren Fällen, insbesondere wenn der Angriff nicht mit militärischen Mitteln erfolgt, ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.

(2) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt die Schutzzeichen der Genfer Abkommen, die Parlamentärflagge oder die Flagge, die militärischen Abzeichen oder die Uniform des Feindes oder der Vereinten Nationen missbraucht und dadurch den Tod oder die schwere Verletzung eines Menschen (§ 226 des Strafgesetzbuches) verursacht, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(1) Wer einen Menschen einsperrt oder auf andere Weise der Freiheit beraubt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
das Opfer länger als eine Woche der Freiheit beraubt oder
2.
durch die Tat oder eine während der Tat begangene Handlung eine schwere Gesundheitsschädigung des Opfers verursacht.

(4) Verursacht der Täter durch die Tat oder eine während der Tat begangene Handlung den Tod des Opfers, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 3 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 4 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt

1.
einen Angriff gegen Personen, Einrichtungen, Material, Einheiten oder Fahrzeuge richtet, die an einer humanitären Hilfsmission oder an einer friedenserhaltenden Mission in Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen beteiligt sind, solange sie Anspruch auf den Schutz haben, der Zivilpersonen oder zivilen Objekten nach dem humanitären Völkerrecht gewährt wird, oder
2.
einen Angriff gegen Personen, Gebäude, Material, Sanitätseinheiten oder Sanitätstransportmittel richtet, die in Übereinstimmung mit dem humanitären Völkerrecht mit den Schutzzeichen der Genfer Abkommen gekennzeichnet sind,
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft. In minder schweren Fällen, insbesondere wenn der Angriff nicht mit militärischen Mitteln erfolgt, ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.

(2) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt die Schutzzeichen der Genfer Abkommen, die Parlamentärflagge oder die Flagge, die militärischen Abzeichen oder die Uniform des Feindes oder der Vereinten Nationen missbraucht und dadurch den Tod oder die schwere Verletzung eines Menschen (§ 226 des Strafgesetzbuches) verursacht, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um die Sorge des Opfers um sein Wohl oder die Sorge eines Dritten um das Wohl des Opfers zu einer Erpressung (§ 253) auszunutzen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Erpressung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat wenigstens leichtfertig den Tod des Opfers, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(4) Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wenn der Täter das Opfer unter Verzicht auf die erstrebte Leistung in dessen Lebenskreis zurückgelangen läßt. Tritt dieser Erfolg ohne Zutun des Täters ein, so genügt sein ernsthaftes Bemühen, den Erfolg zu erreichen.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn

1.
zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind,
2.
dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, und
3.
die verurteilte Person einwilligt.
Bei der Entscheidung sind insbesondere die Persönlichkeit der verurteilten Person, ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind.

(2) Schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe, mindestens jedoch von sechs Monaten, kann das Gericht die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aussetzen, wenn

1.
die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt oder
2.
die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, daß besondere Umstände vorliegen,
und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind.

(3) Die §§ 56a bis 56e gelten entsprechend; die Bewährungszeit darf, auch wenn sie nachträglich verkürzt wird, die Dauer des Strafrestes nicht unterschreiten. Hat die verurteilte Person mindestens ein Jahr ihrer Strafe verbüßt, bevor deren Rest zur Bewährung ausgesetzt wird, unterstellt sie das Gericht in der Regel für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung einer Bewährungshelferin oder eines Bewährungshelfers.

(4) Soweit eine Freiheitsstrafe durch Anrechnung erledigt ist, gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne der Absätze 1 bis 3.

(5) Die §§ 56f und 56g gelten entsprechend. Das Gericht widerruft die Strafaussetzung auch dann, wenn die verurteilte Person in der Zeit zwischen der Verurteilung und der Entscheidung über die Strafaussetzung eine Straftat begangen hat, die von dem Gericht bei der Entscheidung über die Strafaussetzung aus tatsächlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte und die im Fall ihrer Berücksichtigung zur Versagung der Strafaussetzung geführt hätte; als Verurteilung gilt das Urteil, in dem die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(6) Das Gericht kann davon absehen, die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn die verurteilte Person unzureichende oder falsche Angaben über den Verbleib von Gegenständen macht, die der Einziehung von Taterträgen unterliegen.

(7) Das Gericht kann Fristen von höchstens sechs Monaten festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag der verurteilten Person, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.

7
1. Gegen den Angeklagten besteht der - von der Verteidigung mit der Beschwerde ausdrücklich nicht beanstandete - dringende Tatverdacht der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Der dringende Tatverdacht wird hier durch das verurteilende Erkenntnis hinreichend belegt (vgl. Senat, Beschlüsse vom 8. Januar 2004 - StB 20/03, NStZ 2004, 276, 277; vom 28. Oktober 2005 - StB 15/05, NStZ 2006, 297).
7
1. Der Angeklagte ist der ihm zur Last gelegten Tat dringend verdächtig, ohne dass dies vom Oberlandesgericht hätte näher dargelegt werden müssen: Durch ein verurteilendes Erkenntnis wird der dringende Tatverdacht in aller Regel hinreichend belegt, ohne dass dies bei der nach § 268b StPO zu treffenden Entscheidung über die Haftfortdauer gesonderter Prüfung und Begründung bedarf (BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2005 - StB 15/05, NStZ 2006, 297 mwN). So verhält es sich hier.

(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.

(2) Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen

1.
festgestellt wird, daß der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält,
2.
bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, daß der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen werde (Fluchtgefahr), oder
3.
das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er werde
a)
Beweismittel vernichten, verändern, beiseite schaffen, unterdrücken oder fälschen oder
b)
auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer Weise einwirken oder
c)
andere zu solchem Verhalten veranlassen,
und wenn deshalb die Gefahr droht, daß die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (Verdunkelungsgefahr).

(3) Gegen den Beschuldigten, der einer Straftat nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 oder § 13 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder § 129a Abs. 1 oder Abs. 2, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, oder nach den §§ 176c, 176d, 211, 212, 226, 306b oder 306c des Strafgesetzbuches oder, soweit durch die Tat Leib oder Leben eines anderen gefährdet worden ist, nach § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches dringend verdächtig ist, darf die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach Absatz 2 nicht besteht.

(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn

1.
zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind,
2.
dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, und
3.
die verurteilte Person einwilligt.
Bei der Entscheidung sind insbesondere die Persönlichkeit der verurteilten Person, ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind.

(2) Schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe, mindestens jedoch von sechs Monaten, kann das Gericht die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aussetzen, wenn

1.
die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt oder
2.
die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, daß besondere Umstände vorliegen,
und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind.

(3) Die §§ 56a bis 56e gelten entsprechend; die Bewährungszeit darf, auch wenn sie nachträglich verkürzt wird, die Dauer des Strafrestes nicht unterschreiten. Hat die verurteilte Person mindestens ein Jahr ihrer Strafe verbüßt, bevor deren Rest zur Bewährung ausgesetzt wird, unterstellt sie das Gericht in der Regel für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung einer Bewährungshelferin oder eines Bewährungshelfers.

(4) Soweit eine Freiheitsstrafe durch Anrechnung erledigt ist, gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne der Absätze 1 bis 3.

(5) Die §§ 56f und 56g gelten entsprechend. Das Gericht widerruft die Strafaussetzung auch dann, wenn die verurteilte Person in der Zeit zwischen der Verurteilung und der Entscheidung über die Strafaussetzung eine Straftat begangen hat, die von dem Gericht bei der Entscheidung über die Strafaussetzung aus tatsächlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte und die im Fall ihrer Berücksichtigung zur Versagung der Strafaussetzung geführt hätte; als Verurteilung gilt das Urteil, in dem die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(6) Das Gericht kann davon absehen, die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn die verurteilte Person unzureichende oder falsche Angaben über den Verbleib von Gegenständen macht, die der Einziehung von Taterträgen unterliegen.

(7) Das Gericht kann Fristen von höchstens sechs Monaten festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag der verurteilten Person, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.

(1) Hat der Verurteilte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe und auf Geldstrafe angerechnet. Das Gericht kann jedoch anordnen, daß die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten des Verurteilten nach der Tat nicht gerechtfertigt ist.

(2) Wird eine rechtskräftig verhängte Strafe in einem späteren Verfahren durch eine andere Strafe ersetzt, so wird auf diese die frühere Strafe angerechnet, soweit sie vollstreckt oder durch Anrechnung erledigt ist.

(3) Ist der Verurteilte wegen derselben Tat im Ausland bestraft worden, so wird auf die neue Strafe die ausländische angerechnet, soweit sie vollstreckt ist. Für eine andere im Ausland erlittene Freiheitsentziehung gilt Absatz 1 entsprechend.

(4) Bei der Anrechnung von Geldstrafe oder auf Geldstrafe entspricht ein Tag Freiheitsentziehung einem Tagessatz. Wird eine ausländische Strafe oder Freiheitsentziehung angerechnet, so bestimmt das Gericht den Maßstab nach seinem Ermessen.

(5) Für die Anrechnung der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a der Strafprozeßordnung) auf das Fahrverbot nach § 44 gilt Absatz 1 entsprechend. In diesem Sinne steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.

7
1. Gegen den Angeklagten besteht der - von der Verteidigung mit der Beschwerde ausdrücklich nicht beanstandete - dringende Tatverdacht der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Der dringende Tatverdacht wird hier durch das verurteilende Erkenntnis hinreichend belegt (vgl. Senat, Beschlüsse vom 8. Januar 2004 - StB 20/03, NStZ 2004, 276, 277; vom 28. Oktober 2005 - StB 15/05, NStZ 2006, 297).

(1) Der Richter setzt den Vollzug eines Haftbefehls, der lediglich wegen Fluchtgefahr gerechtfertigt ist, aus, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß der Zweck der Untersuchungshaft auch durch sie erreicht werden kann. In Betracht kommen namentlich

1.
die Anweisung, sich zu bestimmten Zeiten bei dem Richter, der Strafverfolgungsbehörde oder einer von ihnen bestimmten Dienststelle zu melden,
2.
die Anweisung, den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis des Richters oder der Strafverfolgungsbehörde zu verlassen,
3.
die Anweisung, die Wohnung nur unter Aufsicht einer bestimmten Person zu verlassen,
4.
die Leistung einer angemessenen Sicherheit durch den Beschuldigten oder einen anderen.

(2) Der Richter kann auch den Vollzug eines Haftbefehls, der wegen Verdunkelungsgefahr gerechtfertigt ist, aussetzen, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß sie die Verdunkelungsgefahr erheblich vermindern werden. In Betracht kommt namentlich die Anweisung, mit Mitbeschuldigten, Zeugen oder Sachverständigen keine Verbindung aufzunehmen.

(3) Der Richter kann den Vollzug eines Haftbefehls, der nach § 112a erlassen worden ist, aussetzen, wenn die Erwartung hinreichend begründet ist, daß der Beschuldigte bestimmte Anweisungen befolgen und daß dadurch der Zweck der Haft erreicht wird.

(4) Der Richter ordnet in den Fällen der Absätze 1 bis 3 den Vollzug des Haftbefehls an, wenn

1.
der Beschuldigte den ihm auferlegten Pflichten oder Beschränkungen gröblich zuwiderhandelt,
2.
der Beschuldigte Anstalten zur Flucht trifft, auf ordnungsgemäße Ladung ohne genügende Entschuldigung ausbleibt oder sich auf andere Weise zeigt, daß das in ihn gesetzte Vertrauen nicht gerechtfertigt war, oder
3.
neu hervorgetretene Umstände die Verhaftung erforderlich machen.

(1) Der Haftbefehl ist aufzuheben, sobald die Voraussetzungen der Untersuchungshaft nicht mehr vorliegen oder sich ergibt, daß die weitere Untersuchungshaft zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis stehen würde. Er ist namentlich aufzuheben, wenn der Beschuldigte freigesprochen oder die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt oder das Verfahren nicht bloß vorläufig eingestellt wird.

(2) Durch die Einlegung eines Rechtsmittels darf die Freilassung des Beschuldigten nicht aufgehalten werden.

(3) Der Haftbefehl ist auch aufzuheben, wenn die Staatsanwaltschaft es vor Erhebung der öffentlichen Klage beantragt. Gleichzeitig mit dem Antrag kann die Staatsanwaltschaft die Freilassung des Beschuldigten anordnen.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt

1.
einen Angriff gegen Personen, Einrichtungen, Material, Einheiten oder Fahrzeuge richtet, die an einer humanitären Hilfsmission oder an einer friedenserhaltenden Mission in Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen beteiligt sind, solange sie Anspruch auf den Schutz haben, der Zivilpersonen oder zivilen Objekten nach dem humanitären Völkerrecht gewährt wird, oder
2.
einen Angriff gegen Personen, Gebäude, Material, Sanitätseinheiten oder Sanitätstransportmittel richtet, die in Übereinstimmung mit dem humanitären Völkerrecht mit den Schutzzeichen der Genfer Abkommen gekennzeichnet sind,
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft. In minder schweren Fällen, insbesondere wenn der Angriff nicht mit militärischen Mitteln erfolgt, ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.

(2) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt die Schutzzeichen der Genfer Abkommen, die Parlamentärflagge oder die Flagge, die militärischen Abzeichen oder die Uniform des Feindes oder der Vereinten Nationen missbraucht und dadurch den Tod oder die schwere Verletzung eines Menschen (§ 226 des Strafgesetzbuches) verursacht, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um die Sorge des Opfers um sein Wohl oder die Sorge eines Dritten um das Wohl des Opfers zu einer Erpressung (§ 253) auszunutzen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Erpressung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat wenigstens leichtfertig den Tod des Opfers, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(4) Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wenn der Täter das Opfer unter Verzicht auf die erstrebte Leistung in dessen Lebenskreis zurückgelangen läßt. Tritt dieser Erfolg ohne Zutun des Täters ein, so genügt sein ernsthaftes Bemühen, den Erfolg zu erreichen.

(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn

1.
zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind,
2.
dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, und
3.
die verurteilte Person einwilligt.
Bei der Entscheidung sind insbesondere die Persönlichkeit der verurteilten Person, ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind.

(2) Schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe, mindestens jedoch von sechs Monaten, kann das Gericht die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aussetzen, wenn

1.
die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt oder
2.
die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, daß besondere Umstände vorliegen,
und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind.

(3) Die §§ 56a bis 56e gelten entsprechend; die Bewährungszeit darf, auch wenn sie nachträglich verkürzt wird, die Dauer des Strafrestes nicht unterschreiten. Hat die verurteilte Person mindestens ein Jahr ihrer Strafe verbüßt, bevor deren Rest zur Bewährung ausgesetzt wird, unterstellt sie das Gericht in der Regel für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung einer Bewährungshelferin oder eines Bewährungshelfers.

(4) Soweit eine Freiheitsstrafe durch Anrechnung erledigt ist, gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne der Absätze 1 bis 3.

(5) Die §§ 56f und 56g gelten entsprechend. Das Gericht widerruft die Strafaussetzung auch dann, wenn die verurteilte Person in der Zeit zwischen der Verurteilung und der Entscheidung über die Strafaussetzung eine Straftat begangen hat, die von dem Gericht bei der Entscheidung über die Strafaussetzung aus tatsächlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte und die im Fall ihrer Berücksichtigung zur Versagung der Strafaussetzung geführt hätte; als Verurteilung gilt das Urteil, in dem die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(6) Das Gericht kann davon absehen, die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn die verurteilte Person unzureichende oder falsche Angaben über den Verbleib von Gegenständen macht, die der Einziehung von Taterträgen unterliegen.

(7) Das Gericht kann Fristen von höchstens sechs Monaten festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag der verurteilten Person, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.

(1) Hat der Verurteilte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe und auf Geldstrafe angerechnet. Das Gericht kann jedoch anordnen, daß die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten des Verurteilten nach der Tat nicht gerechtfertigt ist.

(2) Wird eine rechtskräftig verhängte Strafe in einem späteren Verfahren durch eine andere Strafe ersetzt, so wird auf diese die frühere Strafe angerechnet, soweit sie vollstreckt oder durch Anrechnung erledigt ist.

(3) Ist der Verurteilte wegen derselben Tat im Ausland bestraft worden, so wird auf die neue Strafe die ausländische angerechnet, soweit sie vollstreckt ist. Für eine andere im Ausland erlittene Freiheitsentziehung gilt Absatz 1 entsprechend.

(4) Bei der Anrechnung von Geldstrafe oder auf Geldstrafe entspricht ein Tag Freiheitsentziehung einem Tagessatz. Wird eine ausländische Strafe oder Freiheitsentziehung angerechnet, so bestimmt das Gericht den Maßstab nach seinem Ermessen.

(5) Für die Anrechnung der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a der Strafprozeßordnung) auf das Fahrverbot nach § 44 gilt Absatz 1 entsprechend. In diesem Sinne steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.

Tenor

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden vom 16. Februar 2012 - 1 Ws 32/12 - und der Beschluss des Landgerichts Dresden vom 1. August 2011 - 4 Qs 110/11 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes.

Der Beschluss des Oberlandesgerichts wird aufgehoben. Die Sache wird an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

...

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.

Gründe

A.

1

Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen die Aufrechterhaltung von im Ausland vollzogener sogenannter "Einlieferungshaft".

I.

2

1. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Dresden ordnete das Amtsgericht Dresden gegen den Beschwerdeführer mit Beschluss vom 22. Januar 2010 die Untersuchungshaft an. Ihm wird zur Last gelegt, in 32 Fällen einen gewerbsmäßigen Betrug begangen zu haben, davon in einem Fall als Versuch. Er soll sich Ende 2004 gemeinschaftlich mit seinem Vater durch eine vorgetäuschte Vermittlung von im Ausland zu besetzenden Arbeitsstellen eine Einnahmequelle von einiger Dauer verschafft haben. Personen, die sich auf entsprechende Zeitungsinserate gemeldet hätten und zu einem Vorstellungsgespräch erschienen seien, hätten zur Absicherung von Vorleistungen (Reisekosten, Unterbringung, Verpflegung, Arbeitskleidung etc.) geforderte Beträge zwischen 50 € und 1.000 € gezahlt. Entgegen den Versprechungen des Beschwerdeführers sei es jedoch - wie von vornherein beabsichtigt - nachfolgend nicht zum Abschluss eines Arbeitsvertrages gekommen. Die geleisteten Zahlungen seien nicht zurückerstattet worden, wodurch sich im Tatzeitraum zwischen 20. Januar 2005 und 4. Februar 2005 ein Gesamtschaden von 22.300 € ergeben habe.

3

Es bestehe der Haftgrund der Flucht nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 StPO, weil der Beschwerdeführer ausweislich des Bundeszentralregisters seit dem 1. November 2002 wegen unbekannten Aufenthalts gesucht werde. Er habe im Falle einer Verurteilung mit einer empfindlichen Freiheitsstrafe zu rechnen. Auch bei Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit sei die Anordnung der Untersuchungshaft geboten.

4

2. Nach Erlass des Haftbefehls leitete die Staatsanwaltschaft Dresden die internationale Fahndung ein. Der nicht vorbestrafte und bis dahin haftunerfahrene Beschwerdeführer wurde am 28. Februar 2011 in Asunción/Paraguay festgenommen, wo er seit 2005 mit seiner Ehefrau und zwei minderjährigen Kindern lebt. Nachdem er zunächst seiner Auslieferung in die Bundesrepublik Deutschland zugestimmt und das zuständige Gericht in Paraguay am 4. Juli 2011 die Auslieferung genehmigt hatte, legte er gegen die Auslieferungsentscheidung ein Rechtsmittel ein, über das die Justiz in Paraguay noch nicht entschieden hat. Der Beschwerdeführer befindet sich weiterhin in Auslieferungshaft.

5

3. Dem Beschwerdeführer war der Haftbefehl des Amtsgerichts Dresden am 12. Juli 2011 ausgehändigt worden. Mit Schreiben vom 17. Juli 2011 legte er Beschwerde gegen den Haftbefehl des Amtsgerichts ein.

6

Er rügte die erst nach viereinhalb Monaten erfolgte Aushändigung des Haftbefehls sowie eine unzureichende Ermittlungsarbeit der Staatsanwaltschaft. Er sei unschuldig und selbst Opfer eines von einer anderen Person begangenen Betruges geworden. Die Suchanfrage im Bundeszentralregister stamme aus dem Jahr 2002 und hätte gelöscht werden müssen, als er im Juni 2003 seinen Wohnsitz in Haan/Rheinland (Landkreis Mettmann) angemeldet habe. Er beanstandete auch eine lange Verfahrensdauer. Das deutsche Auslieferungsersuchen sei erst einen Tag vor Ablauf der dreimonatigen Frist gestellt worden.

7

Ferner beschrieb der Beschwerdeführer seine Haftsituation in Paraguay. Er sei in einer verschmutzten Mehrpersonenzelle ohne Bett und Verpflegung untergebracht worden. Die Häftlinge seien auf die finanzielle Hilfe von Verwandten angewiesen. Da er Alleinverdiener sei, habe er auch zur Unterstützung seiner Familie von Freunden einen Kredit aufnehmen müssen.

8

4. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 1. August 2011 verwarf das Landgericht Dresden die Beschwerde; deren Ausführungen könnten den dringenden Tatverdacht nicht entkräften. Es liege der Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO vor, weil sich der Beschwerdeführer aus Deutschland nach "unbekannt" abgemeldet habe, über Verbindungen in Südamerika verfüge und nach derzeitigen Erkenntnissen auch unter dem falschen Namenszusatz "Freiherr von" aufgetreten sei. Es kämen keine milderen Maßnahmen in Betracht.

9

5. Hiergegen richtete sich die weitere Beschwerde vom 6. Januar 2012. Zugleich beantragte der Beschwerdeführer die Aufhebung des Haftbefehls, hilfsweise die Außervollzugsetzung mit den Auflagen, unverzüglich in das Bundesgebiet einzureisen, hier seinen Wohnsitz zu nehmen, Reisedokumente abzugeben und sich wöchentlich bei der Polizei zu melden. Der Haftbefehl und die Beschwerdeentscheidung verletzten sein Freiheitsgrundrecht. Die Entscheidungen begründeten nicht ausreichend den dringenden Tatverdacht, den Haftgrund und die Verhältnismäßigkeit.

10

Er sei weder flüchtig noch halte er sich verborgen, sondern lebe an seinem im Ausland gewählten Wohnsitz. Es liege auch keine Fluchtgefahr vor, weil er sich keinem Verfahren entzogen habe. Er habe erst bei der Verhaftung von dem gegen ihn geführten Verfahren erfahren. Zuvor habe er ungefähr zwei Jahre lang fast täglich in der Deutschen Botschaft gearbeitet. Er habe schon in seiner Beschwerde darauf hingewiesen, für die Dauer des Verfahrens seinen Wohnsitz bei seiner Mutter in Deutschland begründen und an der Hauptverhandlung teilnehmen zu wollen.

11

Die Gerichte hätten nur floskelhaft darauf verwiesen, dass er im Falle einer Verurteilung mit einer empfindlichen Freiheitsstrafe zu rechnen habe. Selbst im Falle einer Verurteilung sei jedoch in Anbetracht der vermeintlichen Schadenshöhen nicht mit einer solchen Strafe zu rechnen. Im Übrigen müsse für die Fluchtgefahr auf die tatsächlich zu erwartende Strafe abgestellt und die Dauer der in Paraguay erlittenen Auslieferungshaft mit 1:3 angerechnet werden.

12

Er rügte ferner einen Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Es sei nicht nachprüfbar, welche Erwägungen das Amts- und das Landgericht überhaupt angestellt hätten. Eine zwischen der Schwere des Eingriffs in seine Rechte und der Bedeutung der Strafsache vorzunehmende Abwägung sei nicht erfolgt. Dabei würden die Anforderungen an den die Haftfortdauer rechtfertigenden Grund nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit zunehmender Dauer der Haft steigen.

13

6. Mit Beschluss vom 31. Januar 2012 half das Landgericht der weiteren Beschwerde nicht ab. Gesonderte Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit enthielt der Nichtabhilfebeschluss nicht.

14

7. Das Oberlandesgericht verwarf mit dem angefochtenen Beschluss vom 16. Februar 2012 die weitere Beschwerde als unbegründet und nahm im Tenor Bezug auf die aus seiner Sicht zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung sowie der Nichtabhilfeentscheidung des Landgerichts, die durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräftet würden. Eine weitere Begründung erfolgte nicht.

15

Diese Entscheidung ist der Bevollmächtigten des Beschwerdeführers am 21. Februar 2012 zugegangen.

II.

16

Mit seiner Verfassungsbeschwerde und dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 104 GG.

17

Bei einem Eingriff in die Freiheit der Person komme der Verhältnismäßigkeitsprüfung eine erhebliche Bedeutung zu. Aus den angegriffenen Entscheidungen ergebe sich jedoch nicht, dass sein Freiheitsgrundrecht im Rahmen der Abwägung ausreichend berücksichtigt worden sei. Zu Unrecht und nur oberflächlich werde der Haftgrund der Fluchtgefahr angenommen. Nur pauschal werde auf die Höhe der zu erwartenden Strafe verwiesen, ohne dass konkrete Überlegungen erläutert oder Erwägungen zur Anrechnung der Auslieferungshaft angestellt würden.

18

Die landgerichtlichen Ausführungen erschöpften sich in der Floskel, dass mildere Maßnahmen nicht in Betracht kämen. Das Oberlandesgericht habe auf die Entscheidungen des Landgerichts nur Bezug genommen. Insoweit fehle es den Entscheidungen an der erforderlichen Begründungstiefe.

III.

19

Das Sächsische Staatsministerium der Justiz und für Europa hat von einer Stellungnahme abgesehen. Dem Bundesverfassungsgericht haben die Akten des Ausgangsverfahrens vorgelegen.

B.

20

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, soweit sie sich gegen die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Dresden vom 16. Februar 2012 und des Landgerichts Dresden vom 1. August 2011 wendet, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt ist (§ 93b i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine der Verfassungsbeschwerde stattgebende Entscheidung der Kammer sind gegeben. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zu Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden.

21

Die gegen den Haftbefehl und die Nichtabhilfeentscheidung des Landgerichts Dresden vom 31. Januar 2012 gerichtete Verfassungsbeschwerde nimmt das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung an. Von einer Begründung wird insoweit abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

22

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

I.

23

Bei der Anordnung und Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft ist das Spannungsverhältnis zwischen dem in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleisteten Recht des Einzelnen auf persönliche Freiheit und den unabweisbaren Bedürfnissen einer wirksamen Strafverfolgung zu beachten. Grundsätzlich darf nur einem rechtskräftig Verurteilten die Freiheit vollständig entzogen werden. Der Entzug der Freiheit eines der Straftat lediglich Verdächtigen ist wegen der Unschuldsvermutung, die ihre Wurzel im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG hat und auch in Art. 6 Abs. 2 EMRK ausdrücklich hervorgehoben ist (vgl. BVerfGE 19, 342 <347>; 74, 358 <371>), nur ausnahmsweise zulässig. Dabei muss den vom Standpunkt der Strafverfolgung aus erforderlich und zweckmäßig erscheinenden Freiheitsbeschränkungen der Freiheitsanspruch des noch nicht rechtskräftig verurteilten Beschuldigten als Korrektiv gegenübergestellt werden, wobei dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine maßgebliche Bedeutung zukommt (vgl. grundlegend BVerfGE 19, 342 <347> sowie BVerfGE 20, 45 <49 f.>; 36, 264 <270>; 53, 152 <158 f.>; BVerfGK 15, 474 <479>).

24

Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist nicht nur für die Anordnung, sondern auch für die Dauer der Untersuchungshaft von Bedeutung. Er verlangt, dass die Dauer der Untersuchungshaft nicht außer Verhältnis zur erwarteten Strafe steht, und setzt ihr auch unabhängig von der Straferwartung Grenzen (BVerfGE 20, 45 <49 f.>). Das Gewicht des Freiheitsanspruchs vergrößert sich gegenüber dem Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung regelmäßig mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft (vgl. BVerfGE 36, 264 <270>; 53, 152 <158 f.>). Daraus folgt zum einen, dass die Anforderungen an die Zügigkeit der Arbeit in einer Haftsache mit der Dauer der Untersuchungshaft steigen. Zum anderen nehmen auch die Anforderungen an den die Haftfortdauer rechtfertigenden Grund zu (vgl. BVerfGK 7, 140 <161>; 15, 474 <480>).

25

In diesem Rahmen ist zu berücksichtigen, dass der Grundrechtsschutz auch durch die Verfahrensgestaltung zu bewirken ist (vgl. hierzu BVerfGE 53, 30 <65>; 63, 131 <143>). Das Verfahren der Haftprüfung und Haftbeschwerde muss deshalb so ausgestaltet sein, dass nicht die Gefahr einer Entwertung der materiellen Grundrechtsposition aus Art. 2 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 104 GG besteht. Dem ist vor allem durch erhöhte Anforderungen an die Begründungstiefe von Haftfortdauerentscheidungen Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 103, 21 <35 f.>). Die mit Haftsachen betrauten Gerichte haben sich bei der zu treffenden Entscheidung über die Fortdauer der Untersuchungshaft mit deren Voraussetzungen eingehend auseinanderzusetzen und diese entsprechend zu begründen. In der Regel sind in jedem Beschluss über die Anordnung der Fortdauer der Untersuchungshaft aktuelle Ausführungen zu dem weiteren Vorliegen ihrer Voraussetzungen, zur Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht des Beschuldigten und dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit sowie zur Frage der Verhältnismäßigkeit geboten, weil sich die dafür maßgeblichen Umstände angesichts des Zeitablaufs in ihrer Gewichtigkeit verschieben können (vgl. BVerfGK 7, 140 <161>; 10, 294 <301>; 15, 474 <481>). Zu würdigen sind auch die voraussichtliche Gesamtdauer des Verfahrens, die für den Fall einer Verurteilung konkret im Raum stehende Straferwartung und - unter Berücksichtigung einer etwaigen Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung gemäß § 57 StGB - das hypothetische Ende einer möglicherweise zu verhängenden Freiheitsstrafe (vgl. BVerfGK 8, 1 <5>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 11. Juni 2008 - 2 BvR 806/08 -, juris Rn. 30 f.).

26

Die zugehörigen Ausführungen müssen in Inhalt und Umfang eine Überprüfung des Abwägungsergebnisses am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht nur für den Betroffenen selbst, sondern auch für das die Anordnung treffende Fachgericht im Rahmen einer Eigenkontrolle gewährleisten und in sich schlüssig und nachvollziehbar sein (vgl. BVerfGK 7, 421 <429 f.>; 8, 1 <5>; 15, 474 <481 f.>).

II.

27

Diesen sich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG ergebenden Anforderungen werden die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidungen des Landgerichts Dresden vom 1. August 2011 und des Oberlandesgerichts Dresden nicht gerecht.

28

1. Es ist für die verfassungsrechtliche Prüfung ohne Belang, dass sich der Beschwerdeführer derzeit in Paraguay in Auslieferungshaft befindet und (noch) nicht in Untersuchungshaft in Deutschland. Denn mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet er sich gegen den Haftbefehl des Amtsgerichts Dresden vom 22. Januar 2010 sowie die nachfolgenden Haftfortdauerentscheidungen und nicht gegen die von der Republik Paraguay in alleiniger Zuständigkeit und Verantwortung angeordnete Freiheitsentziehung (vgl. zum Rechtsschutz in "Einlieferungshaftsachen": BVerfGE 57, 9 <25>; BVerfGK 15, 570 <575>).

29

2. Die angegriffenen Haftfortdauerbeschlüsse lassen die erforderliche Abwägung zwischen dem Freiheitsanspruch des Beschwerdeführers und dem staatlichen Strafverfolgungsanspruch nicht erkennen.

30

In der Entscheidung vom 1. August 2011 räumt das Landgericht der gebotenen Abwägung lediglich einen Satz ein, mit dem floskelhaft festgestellt wird, mildere Maßnahmen im Sinne des § 116 StPO kämen nicht in Betracht.

31

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts vom 16. Februar 2012 enthält keine eigenständige Begründung, sondern erschöpft sich darin, auf die - nicht aussagekräftigen - Gründe der landgerichtlichen Entscheidung und zusätzlich auf die Nichtabhilfeentscheidung vom 31. Januar 2012 zu verweisen, die indes zur Frage der Abwägung schweigt.

32

Dabei bestand für die Gerichte schon allein aufgrund der seit der Beschwerdeentscheidung vom 1. August 2011 verstrichenen Zeit Anlass, sich eingehend mit den Voraussetzungen für eine Haftfortdauer auseinanderzusetzen. Auf die in den umfangreichen Eingaben des Beschwerdeführers enthaltenen und für die vorzunehmende Abwägung relevanten Umstände gehen die Haftfortdauerentscheidungen jedoch nicht ein.

33

Wird aber die von Verfassungs wegen gebotene Abwägung zwischen dem Freiheitsanspruch des Beschuldigten und dem staatlichen Strafverfolgungsinteresse nicht vorgenommen, die Haftfortdauer lediglich mit der bloßen Wiedergabe des Gesetzeswortlauts begründet oder die weitere gesetzliche Voraussetzung einer Rechtfertigung der Fortdauer der Untersuchungshaft nicht einmal erwähnt, liegt mit anderen Worten ein Abwägungsausfall vor, so hat dies regelmäßig eine Verletzung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG i.V.m. Art. 104 GG) zur Folge (vgl. BVerfGK 8, 1 <7>).

34

3. Landgericht und Oberlandesgericht hätten in ihre Abwägung verschiedene Faktoren einstellen müssen.

35

Zur Einschätzung der für die Haftfortdauerentscheidung unter anderem relevanten Straferwartung ist zu berücksichtigen, dass sich der im Bundesgebiet bislang nicht vorbestrafte und zuvor haftunerfahrene Beschwerdeführer bereits seit dem 28. Februar 2011 in Auslieferungshaft befindet. Deren Dauer ist nach der Anrechnungsvorschrift des § 51 Abs. 3 Satz 2 StGB zu berücksichtigen, damit es im Falle einer Verurteilung nicht durch die Dauer der Untersuchungshaft zu einer Vollverbüßung kommt, die dem Resozialisierungszweck der Strafhaft widerspricht (vgl. BVerfGK 7, 140 <161>).

36

Die veröffentlichte Rechtsprechung (vgl. Landgericht Zweibrücken, Urteil vom 17. August 1994 - 424 Js 3601/92 - 1 KLs -, juris) und die Literatur (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 51 Rn. 19; Patzak, in: Körner, Betäubungsmittelgesetz, 7. Aufl. 2012, vor §§ 29 ff. BtMG Rn. 205) legen für in Paraguay erlittene Haft einen Anrechnungsmaßstab von 1:2 zu Grunde.

37

Zudem ist bei der Einschätzung der Straferwartung auch die Frage einer vorzeitigen Haftentlassung zu beachten. Denn der Resozialisierungszweck der Strafhaft erfordert es auch, dass bei der Ermittlung der Dauer der zu erwartenden Strafhaft eine Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung gemäß § 57 StGB jedenfalls dann berücksichtigt wird, wenn eine solche im konkreten Fall zu erwarten ist (vgl. BVerfGK 7, 140 <161 f.>). Dies ist vorliegend deshalb der Fall, weil der Beschwerdeführer bislang nicht vorbestraft und erstmalig von einer freiheitsentziehenden Maßnahme betroffen ist.

III.

38

Gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG ist die Verletzung von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 GG durch das Oberlandesgericht wie auch durch das Landgericht festzustellen.

39

Wegen der Eilbedürftigkeit der Haftsache ist es angezeigt, nach § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG nur den Beschluss des Oberlandesgerichts aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen. Es liegt im Interesse des Beschwerdeführers, möglichst rasch eine das Verfahren abschließende Entscheidung zu erhalten (vgl. BVerfGE 84, 1 <5>; 94, 372 <400>). Das Oberlandesgericht hat unverzüglich unter Berücksichtigung der angeführten Gesichtspunkte erneut eine Entscheidung über die weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts vom 1. August 2011 herbeizuführen.

40

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG. Da der nicht zur Entscheidung angenommene Teil der Verfassungsbeschwerde von untergeordneter Bedeutung ist, sind die Auslagen in vollem Umfang zu erstatten (vgl. BVerfGE 86, 90 <122>).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
__________
StB 12/12
vom
22. Oktober 2012
in dem Strafverfahren
gegen
wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
sowie des Angeklagten und seiner Verteidiger am 22. Oktober 2012
gemäß § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 1 StPO beschlossen:
Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 11. September 2012 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
I. Der Angeklagte befindet sich seit dem 22. Februar 2011 aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 18. Februar 2011 (2 BGs 64/11) in Untersuchungshaft. Danach liegt dem Angeklagten zur Last, sich mindestens seit September 2009 als Mitglied an der "Islamischen Bewegung Usbekistan" (im Folgenden: IBU) und damit an einer Vereinigung im Ausland beteiligt zu haben, deren Zwecke und deren Tätigkeiten darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen, strafbar als Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (§ 129b Abs. 1 Satz 1 und 2, § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB). Er habe sich dieser in Waziristan ansässigen Organisation angeschlossen, dort ein Ausbildungslager besucht und sei bei Kampfhandlungen verletzt worden. Auch nach seiner Rückkehr nach Deutschland habe er sich weiterhin mit den Zielen und Zwecken der Vereinigung identifiziert. Wegen dieser Tatvorwürfe hat der Generalbundesanwalt unter dem 8. November 2011 Anklage zum Oberlandesgericht Düsseldorf erhoben. Das Oberlandesgericht hat mit Beschluss vom 9. Januar 2012 die Anklage zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Die Hauptverhandlung hat am 5. März 2012 begonnen.
2
Der Senat hatte zuvor im Haftprüfungsverfahren nach §§ 121 f. StPO mit Beschlüssen vom 14. Oktober 2011 (AK 17/11) und 31. Januar 2012 (AK 3/12) jeweils die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet und darin den dringenden Tatverdacht mit Blick auf die dem Angeklagten zur Last gelegten Taten bejaht.
3
Die Verteidigung des Angeklagten hat mit Schriftsatz vom 4. September 2012 die Aufhebung des Haftbefehls, hilfsweise dessen Außervollzugsetzung, beantragt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, die bisherige Hauptverhandlung genüge nicht dem Beschleunigungsgebot. Zudem könne dem Angeklagten seine am 4. September 2012 abgegebene Einlassung durch die in die Hauptverhandlung eingeführten Beweismittel nicht widerlegt werden; diese erkläre seinen Aufenthalt in Waziristan abweichend von dem Anklagevorwurf schlüssig, weshalb ihm eine mitgliedschaftliche Beteiligung an der IBU nicht nachzuweisen sei. Auch sei angesichts seiner gesundheitlichen Probleme und seiner Mittellosigkeit die Fluchtgefahr nicht gegeben. Das Oberlandesgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 11. September 2012 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Angeklagten, der weiterhin einen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot geltend macht und vorträgt, ein dringender Tatverdacht der Mitgliedschaft in der IBU bestehe nicht. Das Oberlandesgericht hat dem Rechtsmittel durch Beschluss vom 26. September 2012 nicht abgeholfen. Der Generalbundesanwalt beantragt, die Beschwerde zu- rückzuweisen. Die Einlassung des Angeklagten habe den dringenden Tatverdacht nicht entfallen lassen, sie erweise sich vielmehr in zahlreichen Punkten als nicht nachvollziehbar und widersprüchlich. Ihre Überprüfung in der Hauptverhandlung sei zudem noch nicht abgeschlossen. Es bestehe damit weiterhin der dringende Verdacht, dass der Angeklagte der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung schuldig sei. Ebenso sei nach wie vor der Haftgrund der Fluchtgefahr gegeben; das Verfahren sei schließlich mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung gefördert worden.
4
II. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
5
1. Gegen den Angeklagten besteht weiterhin der dringende Tatverdacht der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 StGB).
6
a) Nach der Rechtsprechung des Senats unterliegt die Beurteilung des dringenden Tatverdachts, die das erkennende Gericht während laufender Hauptverhandlung vornimmt, im Haftbeschwerdeverfahren nur in eingeschränktem Maße der Nachprüfung durch das Beschwerdegericht (BGH, Beschlüsse vom 8. Oktober 2012 - StB 9/12 mwN; vom 7. August 2007 - StB 17/07, juris Rn. 5; vom 19. Dezember 2003 - StB 21/03, BGHR StPO § 112 Tatverdacht 3 mwN). Allein das Gericht, vor dem die Beweisaufnahme stattfindet, ist in der Lage, deren Ergebnisse aus eigener Anschauung festzustellen und zu würdigen sowie auf dieser Grundlage zu bewerten, ob der dringende Tatverdacht nach dem erreichten Verfahrensstand noch fortbesteht. Das Beschwerdegericht hat demgegenüber keine eigenen unmittelbaren Erkenntnisse über den Verlauf der Beweisaufnahme (BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2012 - StB 9/12).
7
Es muss allerdings in die Lage versetzt werden, seine Entscheidung über das Rechtsmittel des Angeklagten auf einer hinreichend tragfähigen tatsächlichen Grundlage zu treffen, damit den erhöhten Anforderungen, die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an die Begründungstiefe von Haftfortdauerentscheidungen zu stellen sind (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 24. August 2010 - 2 BvR 1113/10, juris Rn. 23), ausreichend Rechnung getragen werden kann. Daraus folgt indes nicht, dass das Tatgericht alle bislang erhobenen Beweise in der von ihm zu treffenden Entscheidung einer umfassenden Darstellung und Würdigung unterziehen muss. Die abschließende Bewertung der Beweise durch das Oberlandesgericht und ihre entsprechende Darlegung ist den Urteilsgründen vorbehalten. Das Haftbeschwerdeverfahren führt insoweit nicht zu einem über die Nachprüfung des dringenden Tatverdachts hinausgehenden Zwischenverfahren, in dem sich das Tatgericht zu Inhalt und Ergebnis aller Beweiserhebungen erklären müsste (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Oktober 2012 - StB 9/12 - und vom 2. September 2003 - StB 11/03, NStZ-RR 2003, 368).
8
b) Bei Anwendung dieses Prüfungsmaßstabs hat das Oberlandesgericht ausreichend dargelegt, dass die Ergebnisse der bisherigen Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung das Vorliegen des dringenden Tatverdachts der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung derzeit nicht in Frage stellen. Dabei hat die Beweisaufnahme zunächst vor dem Hintergrund des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen, wie es in der Anklageschrift zusammengefasst ist, den dringenden Tatverdacht bestätigt, den der Senat auf der Grundlage des jeweiligen Ermittlungsergebnisses in seinen Haftprüfungsentscheidungen ebenfalls bejaht hatte. Ob sich dabei Beweismittel für eine Beteiligung des Angeklagten an Kampfhandlungen ergeben haben, oder ob dieser Vorwurf - wie die Verteidigung behauptet - mittlerweile nicht einmal mehr vom Generalbundesanwalt aufrecht erhalten wird, kann der Senat nicht beurteilen; angesichts der zahlreichen Beweismittel, die weitere Beteiligungshandlungen des Angeklagten belegen können, kommt diesem Aspekt aber für die Frage des die Untersuchungshaft rechtfertigenden dringenden Tatverdachts keine entscheidende Bedeutung zu. Dass und warum - jedenfalls derzeit - die am 34. Hauptverhandlungstag abgegebene Einlassung des Angeklagten, die zudem in erheblichem Widerspruch zu seinen früheren Angaben im Ermittlungsverfahren steht, mit Blick auf den dringenden Tatverdacht nicht zu einer anderen Beurteilung führt, hat das Oberlandesgericht in seinen Beschlüssen vom 11. und 26. September 2012 im Einzelnen dargelegt. Dabei ist insbesondere maßgeblich , dass die - im Hinblick auf den insoweit abzuarbeitenden Verfahrensstoff notwendig zeitintensive - Überprüfung der Einlassung noch nicht abgeschlossen ist; angesichts der zuvor an 33 Hauptverhandlungstagen durchgeführten Beweisaufnahme wäre eine ungeprüfte Übernahme der Einlassung des Angeklagten auch schlechterdings nicht nachvollziehbar. Bei dieser Sachlage ist die Annahme des weiterhin bestehenden dringenden Tatverdachts nicht zu beanstanden.
9
Gleiches gilt hinsichtlich der von der Verteidigung anders als vom Oberlandesgericht und dem Generalbundesanwalt gedeuteten Beweisergebnisse aus der Gutachtenerstattung durch den Sachverständigen Dr. S. zur Frage des Gefolgschaftseides: Der Sachverständige soll zur Beantwortung ergänzender Fragen geladen werden. Bevor diese Befragung nicht durchgeführt worden ist, kann der Angeklagte nicht verlangen, dass sein einseitiges Verständnis der bisherigen Beweisaufnahme als ausschließlich maßgebliches festgeschrieben wird.
10
2. Zu Recht hat das Oberlandesgericht auch das weitere Vorliegen des Haftgrundes der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO) bejaht. Insoweit nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss vom 11. September 2012 sowie im Nichtabhilfebeschluss des Oberlandesgerichts vom 26. September 2012 Bezug. Da der dringende Tatverdacht der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland nach wie vor besteht, erübrigt sich ein Eingehen auf die Erwägungen der Verteidigung, wie der Angeklagte unter Zugrundelegung seiner Einlassung zu bestrafen sein könnte. Zudem besteht der weitere Haftgrund des § 112 Abs. 3 StPO.
11
3. Die Fortdauer der Untersuchungshaft ist auch mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 112 Abs. 1 Satz 2 StPO) zu vereinbaren.
12
a) Ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot als spezielle Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes liegt nicht vor.
13
aa) Das Spannungsverhältnis zwischen dem in Art. 2 Abs. 2 GG gewährleisteten Recht des Einzelnen auf persönliche Freiheit und den unabweisbaren Bedürfnissen einer wirksamen Strafverfolgung ist bei jeder Entscheidung betreffend die Anordnung und Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft zu beachten. Nicht nur die Anordnung sondern auch die Dauer der Untersuchungshaft muss verhältnismäßig sein. Nach dem verfassungsrechtlich ebenfalls in Art. 2 Abs. 2 GG verankerten Beschleunigungsgebot in Haftsachen haben die Strafverfolgungsbehörden und -gerichte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die einem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen (Beschluss vom 24. Au- gust 2010 - 2 BvR 1113/10, juris Rn. 19 ff.). Bei der danach gebotenen auf den Einzelfall bezogenen Prüfung des Verfahrensablaufs sind etwa der Umfang und die Komplexität der Rechtssache, die Anzahl der beteiligten Personen und das Verhalten der Verteidigung zu beachten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 2008 - 2 BvR 2652/07, StV 2008, 198 f.).
14
bb) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist - im Gegensatz zur Auffassung der Verteidigung - die Planung und Durchführung der Hauptverhandlung nicht zu beanstanden.
15
Das Oberlandesgericht hat die (ohne Anlage) 134 Seiten umfassende Anklageschrift vom 8. November 2011 mit Beschluss vom 9. Januar 2012 zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Der Vorsitzende hat bereits am 10. Januar 2012 Termine zur Hauptverhandlung ab dem 5. März 2012 bestimmt, und zwar regelmäßig auf dienstags und mittwochs sowie - fakultativ - auf donnerstags. Insgesamt ist bis zum 2. Oktober 2012 an 40 Tagen die Hauptverhandlung durchgeführt worden. In der Regel fanden zwei Sitzungstermine pro Woche statt, nur in fünf Wochen wurde lediglich an einem Tag in der Woche verhandelt, wobei die in zwei Wochen im Juli ausgefallenen Verhandlungstage zu Gesprächen mit den Verfahrensbeteiligten genutzt wurden , die zur Abtrennung des Verfahrens gegen den Bruder des Angeklagten, den früheren Mitangeklagten C. , führten; gegen ihn ist das Verfahren zwischenzeitlich durch - rechtskräftiges - Urteil des Oberlandesgerichts vom 1. August 2012 beendet. Somit sah nicht nur die Planung der Hauptverhandlung mehr als einen Verhandlungstag pro Woche vor, sondern es ist durchschnittlich auch an mehr als einem Tag pro Woche verhandelt worden (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 19. September 2007 - 2 BvR 1847/07, BVerfGK 12, 166). Soweit der Angeklagte die zu geringe Zeitdauer der einzelnen Verhand- lungstage bemängelt, ist zu berücksichtigen, dass bei der zeitlichen Planung eines Verhandlungstages, an dem etwa Zeugen vernommen werden sollen, auch das Fragerecht der Verfahrensbeteiligten einzukalkulieren ist. Wenn dieses alsdann nicht oder nur in geringem Umfang wahrgenommen wird, so dass das Programm des Verhandlungstages früher als erwartet abgearbeitet worden ist, liegt darin kein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot. Gleiches gilt mit Blick auf die Terminsaufhebungen wegen des Urlaubs des Ergänzungsrichters und der Unterbrechung zur Sommerpause für den Urlaub sämtlicher Verfahrensbeteiligter : Unterbrechungen für eine angemessene Zeit sind bei einer ansonsten hinreichenden Terminsdichte zulässig (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 2008 - 2 BvR 2652/07, StV 2008, 198).
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Auch im Übrigen hat das Oberlandesgericht mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung verhandelt. Dies ergibt sich hinsichtlich der einzuführenden Urkunden bereits aus dem Umstand, dass solche weitgehend zum Gegenstand von Selbstleseverfahren gemacht worden sind. Soweit die Verteidigung dies in Abrede stellt, weil die beteiligten Richter den Inhalt dieser Urkunden doch bereits aus den Akten kennten, geht dies ersichtlich fehl, ergibt sich doch nicht zuletzt aus § 261 StPO, dass für die richterliche Überzeugungsbildung nur die Beweismittel herangezogen werden dürfen, die in die Hauptverhandlung eingeführt worden sind. Auch die von der Verteidigung als zu spät gerügte Beauftragung eines medizinischen Sachverständigen stellt angesichts der von dem Angeklagten erst am 25. Juli 2012 erteilten Erklärungen zur Entbindung der ihn behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht keinen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot dar.
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b) Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft verstößt auch im Übrigen nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die bisherige Dauer der Untersuchungshaft steht nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sacheund - angesichts des dringenden Verdachts, der Angeklagte habe sich des Verbrechens der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung schuldig gemacht - der im Falle einer Verurteilung zu erwartenden erheblichen Strafe. Dies gilt auch mit Blick auf das hypothetische Strafende unter Berücksichtigung einer etwaigen Aussetzung der Vollstreckung des Strafrests zur Bewährung gemäß § 57 StGB (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Juni 2012 - 2 BvR 644/12, juris Rn. 25). Der Zweck der Untersuchungshaft kann durch weniger einschneidende Maßnahmen als deren Vollzug nicht erreicht werden (§ 116 Abs. 1 StPO).
Becker Pfister Gericke
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1. Gegen den Angeklagten besteht der - von der Verteidigung mit der Beschwerde ausdrücklich nicht beanstandete - dringende Tatverdacht der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Der dringende Tatverdacht wird hier durch das verurteilende Erkenntnis hinreichend belegt (vgl. Senat, Beschlüsse vom 8. Januar 2004 - StB 20/03, NStZ 2004, 276, 277; vom 28. Oktober 2005 - StB 15/05, NStZ 2006, 297).