Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Nov. 2018 - IX ZR 13/18

bei uns veröffentlicht am22.11.2018
vorgehend
Landgericht Mosbach, 1 O 70/14, 25.09.2015
Oberlandesgericht Karlsruhe, 16 U 2/15, 14.12.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 13/18
vom
22. November 2018
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2018:221118BIXZR13.18.0

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Grupp, Dr. Schoppmeyer und Röhl
am 22. November 2018
beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 14. Dezember 2017 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 20.689,74 € festgesetzt.

Gründe:


1
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Der Prozess ist gemäß § 244 Abs. 2 Satz 2 ZPO als aufgenommen anzusehen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

2
Dass der Beklagte, der sich gemäß § 78 Abs. 4 ZPO selbst vertreten hat, seit 3. April 2017 nicht mehr als Rechtsanwalt zugelassen ist und daher das Berufungsverfahren gemäß § 244 Abs. 1 ZPO unterbrochen war (vgl. BGH, Beschluss vom 1. März 2018 - IX ZR 2/18, ZInsO 2018, 986), gibt keinen Anlass, die Revision des Klägers zuzulassen. Der Kläger zeigt nicht auf, dass das Berufungsgericht , das die Klage abgewiesen hat, hiervon Kenntnis hatte oder hätte haben müssen. Die fehlende Postulationsfähigkeit einer Partei stellt nach allgemeiner Meinung weder einen absoluten Revisionsgrund nach § 547 Nr. 4 ZPO (BGH, Beschluss vom 20. Juni 2018 - XII ZB 285/17, FamRZ 2018, 1347 Rn. 25 ebenso zu § 138 Nr. 4 VwGO BVerwG, NJW 2005, 3018) noch einen Nichtigkeitsgrund nach § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO dar (BAG, NJW 1991, 1252, 1253; BFH, BFH/NV 2003, 175). Die Literatur folgt dieser Auffassung (etwa Zöller /Greger, ZPO, 32. Aufl., § 579 Rn. 7; Stein/Jonas/Jacobs, ZPO, 22. Aufl., § 579 Rn. 7; Wieczorek/Schütze/Büscher, ZPO, 4. Aufl., § 579 Rn. 25; Prütting /Gehrlein/Meller-Hannich, ZPO, 10. Aufl., § 579 Rn. 9; Musielak/Voit/Weth, ZPO, 15. Aufl., § 78 Rn. 7). Damit kann dahinstehen, dass der Zulassungsgrund des § 547 Nr. 4 ZPO zudem nur von der unzureichend vertretenen Partei geltend gemacht werden kann (BGH, Beschluss vom 22. Dezember 2016 - IX ZR 259/15, WM 2017, 925). Diese Voraussetzungen treffen auf den Kläger nicht zu.

3
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen.
Kayser Gehrlein Grupp
Schoppmeyer Röhl

Vorinstanzen:
LG Mosbach, Entscheidung vom 25.09.2015 - 1 O 70/14 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 14.12.2017 - 16 U 2/15 -

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Ein Urteil ist stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn1.das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,2.bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes aus

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(1) Vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten müssen sich die Parteien durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Ist in einem Land auf Grund des § 8 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz ein oberstes Landesgericht errichtet, so m

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Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,1.wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;2.wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Ges

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(1) Die Nichtigkeitsklage findet statt:1.wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;2.wenn ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht diese

Zivilprozessordnung - ZPO | § 244 Unterbrechung durch Anwaltsverlust


(1) Stirbt in Anwaltsprozessen der Anwalt einer Partei oder wird er unfähig, die Vertretung der Partei fortzuführen, so tritt eine Unterbrechung des Verfahrens ein, bis der bestellte neue Anwalt seine Bestellung dem Gericht angezeigt und das Gericht

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Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Juni 2018 - XII ZB 285/17

bei uns veröffentlicht am 20.06.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 285/17 vom 20. Juni 2018 in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja AUG § 64; FamFG §§ 113, 117 Abs. 1; ZPO §§ 240, 250; InsO §§ 38, 40 a) Gegen eine Entscheidung, mit der die B

Bundesgerichtshof Beschluss, 01. März 2018 - IX ZR 2/18

bei uns veröffentlicht am 01.03.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZR 2/18 vom 1. März 2018 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 239 Abs. 1, § 246 Abs. 1, § 78 Abs. 4; BRAO § 53 Verstirbt ein sich in einem Rechtsstreit selbst vertretend

Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Dez. 2016 - IX ZR 259/15

bei uns veröffentlicht am 22.12.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZR 259/15 vom 22. Dezember 2016 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2, § 547 Nr. 4 Der Zulassungsgrund des § 547 Nr. 4 ZPO kann nur von der

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(1) Stirbt in Anwaltsprozessen der Anwalt einer Partei oder wird er unfähig, die Vertretung der Partei fortzuführen, so tritt eine Unterbrechung des Verfahrens ein, bis der bestellte neue Anwalt seine Bestellung dem Gericht angezeigt und das Gericht die Anzeige dem Gegner von Amts wegen zugestellt hat.

(2) Wird diese Anzeige verzögert, so ist auf Antrag des Gegners die Partei selbst zur Verhandlung der Hauptsache zu laden oder zur Bestellung eines neuen Anwalts binnen einer von dem Vorsitzenden zu bestimmenden Frist aufzufordern. Wird dieser Aufforderung nicht Folge geleistet, so ist das Verfahren als aufgenommen anzusehen. Bis zur nachträglichen Anzeige der Bestellung eines neuen Anwalts erfolgen alle Zustellungen an die zur Anzeige verpflichtete Partei.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

(1) Vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten müssen sich die Parteien durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Ist in einem Land auf Grund des § 8 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz ein oberstes Landesgericht errichtet, so müssen sich die Parteien vor diesem ebenfalls durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Parteien durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen.

(2) Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich als Beteiligte für die Nichtzulassungsbeschwerde durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

(3) Diese Vorschriften sind auf das Verfahren vor einem beauftragten oder ersuchten Richter sowie auf Prozesshandlungen, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommen werden können, nicht anzuwenden.

(4) Ein Rechtsanwalt, der nach Maßgabe der Absätze 1 und 2 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

(1) Stirbt in Anwaltsprozessen der Anwalt einer Partei oder wird er unfähig, die Vertretung der Partei fortzuführen, so tritt eine Unterbrechung des Verfahrens ein, bis der bestellte neue Anwalt seine Bestellung dem Gericht angezeigt und das Gericht die Anzeige dem Gegner von Amts wegen zugestellt hat.

(2) Wird diese Anzeige verzögert, so ist auf Antrag des Gegners die Partei selbst zur Verhandlung der Hauptsache zu laden oder zur Bestellung eines neuen Anwalts binnen einer von dem Vorsitzenden zu bestimmenden Frist aufzufordern. Wird dieser Aufforderung nicht Folge geleistet, so ist das Verfahren als aufgenommen anzusehen. Bis zur nachträglichen Anzeige der Bestellung eines neuen Anwalts erfolgen alle Zustellungen an die zur Anzeige verpflichtete Partei.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 2/18
vom
1. März 2018
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Verstirbt ein sich in einem Rechtsstreit selbst vertretender Rechtsanwalt, tritt eine
Unterbrechung des Verfahrens auch dann ein, wenn für ihn ein allgemeiner Vertreter
bestellt war, dessen Vertretungsbefugnis mit dem Tod des Rechtsanwalts endet.
BGH, Beschluss vom 1. März 2018 - IX ZR 2/18 - OLG Celle
LG Hannover
ECLI:DE:BGH:2018:010318BIXZR2.18.0

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Prof. Dr. Pape, Grupp und die Richterin Möhring
am 1. März 2018
beschlossen:
Das Verfahren ist wegen Todes des Klägers unterbrochen (§ 239 Abs. 1 ZPO).

Gründe:


I.


1
Der klagende Rechtsanwalt nimmt die Beklagten auf Zahlung von Anwaltsvergütung in Anspruch. Im Wege der Widerklage verlangen die Beklagten von dem Kläger Schadensersatz wegen einer vermeintlichen anwaltlichen Fehlberatung. Das Berufungsgericht hat durch Urteil vom 29. Juni 2017, das dem Kläger am 5. Juli 2017 zugestellt worden ist, der Klage teilweise stattgegeben und die Widerklage abgewiesen.
2
Die Rechtsanwaltskammer Braunschweig hat durch Bescheid vom 22. Mai 2017 Assessor B. für den Zeitraum vom 1. Juni bis einschließlich 31. Juli 2017 als Vertreter für den Kläger in seinen Geschäften als Rechtsanwalt bestellt. Der Kläger ist am 11. Juli 2017 verstorben; Erben sind nicht bekannt. Durch Bescheid vom 18. Juli 2017 hat die Rechtsanwaltskammer Braunschweig Rechtsanwalt J. für die Zeit bis zum 18. Oktober 2017 zum Abwickler der Kanzlei des Klägers ernannt. Die Anordnung ist durch Bescheid vom 16. Oktober 2017 bis zum 31. März 2018 verlängert worden.
3
Der Senat hat den Beklagten durch Beschluss vom 14. Dezember 2017 Prozesskostenhilfe zur Durchführung einer Nichtzulassungsbeschwerde gewährt , soweit ihr Widerklagebegehren abgewiesen worden ist. Die Beklagten, denen der Senatsbeschluss am 22. Dezember 2017 zugestellt worden ist, haben am 3. Januar 2018 verbunden mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.

II.


4
Der Rechtsstreit ist durch den Tod des Klägers am 11. Juli 2017 unterbrochen worden, weil er zu diesem Zeitpunkt nicht durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten war (§ 239 Abs. 1, § 246 Abs. 1 ZPO). Bei dieser Sachlage kann nicht über das Wiedereinsetzungsgesuch der Beklagten entschieden werden.
5
1. Im Falle des Todes einer Partei tritt gemäß § 239 Abs. 1 ZPO eine Unterbrechung des Verfahrens bis zur Aufnahme durch den Rechtsnachfolger ein. Dies gilt gemäß § 246 Abs. 1 ZPO nicht, wenn eine Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten stattfand.
6
2. Im Streitfall ist der Kläger verstorben. Eine Unterbrechung des Verfahrens ist eingetreten, weil es an einer Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten fehlt.

7
a) Der Kläger durfte sich als zugelassener Rechtsanwalt in vorliegendem Rechtsstreit mit den Beklagten selbst vertreten (§ 78 Abs. 4 ZPO). Verstirbt ein klagender Rechtsanwalt, der sich selbst vertreten hat, wird das Verfahren entsprechend der Regel des § 239 Abs. 1 ZPO grundsätzlich unterbrochen. Die Bestimmung des § 246 Abs. 1 ZPO, wonach bei Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten der Tod der Partei nur auf Antrag zu einer Aussetzung führt, beruht auf der Erwägung, dass die Prozessvollmacht gemäß § 86 ZPO über den Tod des Mandanten hinaus fort gilt. Mangels Personenverschiedenheit von Mandant und Prozessbevollmächtigtem ist § 246 Abs. 1 ZPO im Fall des Versterbens eines sich selbst vertretenden Rechtsanwalts nicht einschlägig. Vielmehr gewinnt die Regelung des § 244 Abs. 1 ZPO Vorrang, wonach der Tod des Prozessbevollmächtigten das Verfahren unterbricht (BGH, Beschluss vom 29. März 1990 - III ZB 39/89, BGHZ 111, 104, 107; RG JW 1913, 876, 877; KG, NJW-RR 2008, 142, 143; Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl., § 246 Rn. 2a; MünchKomm-ZPO/Stackmann, 5. Aufl., § 246 Rn. 8; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 23. Aufl., § 246 Rn. 3; Wieczorek/Schütze/Gerken, ZPO, 4. Aufl., § 246 Rn. 3; Musielak/Voit/Stadler, ZPO, 14. Aufl., § 246 Rn. 2; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 38. Aufl., § 246 Rn. 3; Prütting/Gehrlein/Anders, ZPO, 9. Aufl., § 246 Rn. 5).
8
b) Ausnahmsweise kommt es beim Tode eines sich selbst vertretenden Rechtsanwalts gemäß § 246 Abs. 1 ZPO nicht zu einer Unterbrechung des Verfahrens , wenn der Rechtsanwalt durch eine andere Person weiterhin wirksam vertreten wird (vgl. BGH, Urteil vom 29. Januar 1976 - IX ZR 28/73, BGHZ 66, 59, 61). Dies ist etwa beim Versterben des Mitglieds einer Rechtsanwaltssozietät anzunehmen, dessen verfahrensmäßigen Belange durch die weiteren vertretungsberechtigten Sozien wahrgenommen werden (BAG, NJW 1972, 1388 f).
Gleiches wurde in der Vergangenheit angenommen, wenn für den Anwalt noch zu Lebzeiten ein allgemeiner Vertreter - wie im Streitfall Assessor B. - bestellt worden war, dem gemäß § 53 Abs. 7 BRAO die vollen anwaltlichen Befugnisse des Rechtsanwalts zustehen, den er vertritt. Hier sollte eine Verfahrensunterbrechung nicht stattfinden, weil der Vertreter auch noch nach dem Tod des Anwalts bis zu dessen Löschung in der Liste der Rechtsanwälte gemäß § 54 BRAO aF zur Vertretung berechtigt war (BGH, Urteil vom 27. Juni 1973 - VIII ZR 220/72, BGHZ 61, 84 ff; Beschluss vom 10. November 1981 - VIII ZR 315/80, NJW 1982, 2324 f; vom 29. März 1990, aaO; KG, aaO S. 143). Verbreitet wird auch nach Wegfall des § 54 BRAO aF angenommen, dass eine Unterbrechung des Verfahrens nicht erfolgt, wenn ein allgemeiner Vertreter bestellt ist (Zöller/Althammer, aaO § 78 Rn. 37; Zöller/Greger, aaO § 246 Rn. 2a; Thomas/Putzo/Hüßtege, aaO; Prütting/Gehrlein/Anders, aaO § 244 Rn. 5, § 246 Rn. 5).
9
c) Dieser Auffassung kann nicht beigetreten werden, weil nach Streichung des § 54 BRAO aF die Befugnisse eines allgemeinen Vertreters mit dem Tod des vertretenen Anwalts erlöschen und darum § 246 Abs. 1 ZPO nicht eingreift.
10
aa) Tatsächlich endet die allgemeine Vertreterstellung in Anwendung von § 53 BRAO mit Ablauf eines etwaigen Bestellungszeitraums, mit Widerruf der Bestellung sowie mit dem Tod sowie mit dem Verlust der Postulationsbefugnis des vertretenen Anwalts (Prütting in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 53 Rn. 34; Feuerich/Weyland/Schwärzer, BRAO, 9. Aufl., § 53 Rn. 35b; Stein/ Jonas/Jacoby, ZPO, 23. Aufl., § 86 Rn. 7; BT-Drucks. 16/11385, S. 37). Durch die Streichung des § 54 BRAO aF wurde der frühere Rechtszustand beseitigt, wonach Rechtshandlungen des Vertreters nach dem Tod des Vertretenen bis zu dessen Löschung aus der Liste der Rechtsanwälte wirksam waren (Prütting, aaO; Schwärzer, aaO; BT-Drucks., aaO S. 37; der Hinweis von Zöller/Althammer , aaO auf § 31 Abs. 5 BRAO hilft insoweit nicht weiter).
11
bb) Im Streitfall war noch zu Lebzeiten des Klägers für diesen mit Assessor B. ein allgemeiner Vertreter im Zeitraum bis zum 31. Juli 2017 eingesetzt worden. Dessen Vertretungsbefugnisse endeten jedoch mit dem Tod des Klägers am 11. Juli 2017. Erst am 18. Juli 2017 wurde Rechtsanwalt J. zum Abwickler der Kanzlei des Klägers mit - aufgrund späterer Verlängerung der Anordnung - Wirkung bis zum 31. März 2018 berufen. Da der Kläger im Zeitraum vom 11. bis 18. Juli 2017 nicht vertreten war, trat gemäß § 239 Abs. 1, § 246 Abs. 1 eine Unterbrechung des Verfahrens ein (vgl. BT-Drucks. 16/11385, S. 37; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 23. Aufl., § 244 Rn. 9). Durch die nachfolgende Bestellung von Rechtsanwalt J. als Abwickler wurde die eingetretene Unterbrechung weder rückwirkend beseitigt noch beendet (BGH, Beschluss vom 23. April 1981 - VII ZB 10/81, VersR 1981, 658; OLG Köln, MDR 2008, 1300; Stein/Jonas/Roth, aaO; MünchKomm-ZPO/Stackmann, 5. Aufl., § 244 Rn. 20).
12
3. Ist der Rechtsstreit unterbrochen, kann über das Gesuch der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht entschieden werden. Infolge der Verfahrensunterbrechung kann offen bleiben, ob eine Fristversäumung überhaupt vorliegt.
13
Während der Unterbrechung sind nicht nur die von einer Partei in Ansehung der Hauptsache vorgenommenen Prozesshandlungen der anderen Partei gegenüber ohne rechtliche Wirkung (§ 249 Abs. 2 ZPO). Der Regelung des § 249 ZPO ist vielmehr zu entnehmen, das auch Handlungen des Gerichts, die nach außen vorgenommen werden, grundsätzlich unwirksam sind (BGH, Beschluss vom 29. März 1990 - III ZB 39/89, BGHZ 111, 104, 107). Bei dieser Sachlage kann gegenwärtig über den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten nicht befunden werden. Im Unterschied zu Entscheidungen in der Hauptsache war der Senat durch die Verfahrensunterbrechung nicht gehindert, über das Gesuch der Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 23. März 1966 - Ib ZR 103/64, NJW 1966, 1126).
Kayser Gehrlein Pape
Grupp Möhring
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 29.11.2016 - 20 O 269/14 -
OLG Celle, Entscheidung vom 29.06.2017 - 6 U 8/17 -

Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat;
5.
wenn die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
6.
wenn die Entscheidung entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht mit Gründen versehen ist.

25
(2) Die damit insoweit (allein) betroffene Postulationsfähigkeit ist eine Verfahrenshandlungsvoraussetzung, deren Fehlen von Amts wegen zu beachten ist. Doch auch der mangels Postulationsfähigkeit unwirksame verfahrenseinleitende Antrag führt bei seiner Zustellung zur Rechtshängigkeit des Anspruchs (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Dezember 1986 - IVb ZB 144/84 - FamRZ 1987, 365, 366; MünchKommZPO/Toussaint 5. Aufl. § 78 Rn. 69). Ergeht auf einen ohne die notwendige Postulationsfähigkeit gestellten Antrag eine gerichtliche Entscheidung, so ist diese wirksam (vgl. BGH Beschluss vom 8. Oktober 1998 - VII ZB 21/98 - NJW-RR 1999, 286; Zöller/Althammer ZPO 32. Aufl. § 78 Rn. 12) und mit den von der jeweiligen Verfahrensordnung vorgesehenen Rechtsmitteln anzufechten. Das Fehlen der Postulationsfähigkeit begründet im Übrigen unabhängig von bestehenden Heilungsmöglichkeiten weder einen absoluten Rechtsbeschwerdegrund im Sinne von § 72 Abs. 3 FamFG, § 547 Nr. 4 ZPO noch einen Nichtigkeitsgrund im Sinne von § 48 Abs. 2 FamFG, § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO (vgl. BAG NJW 1991, 1252, 1253; Musielak/ Voit/Weth ZPO 15. Aufl. § 78 Rn. 7). Daher kann die auf einen ohne die erforderliche Postulationsfähigkeit gestellten Antrag ergangene Entscheidung nur auf ein zulässiges Rechtsmittel wegen dieses Verfahrensmangels aufgehoben werden.

Ein Urteil ist stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn

1.
das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, außer wenn er der Prozeßführung ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5.
das Urteil auf eine mündliche Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6.
die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist.

(1) Die Nichtigkeitsklage findet statt:

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs oder eines Rechtsmittels ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat.

(2) In den Fällen der Nummern 1, 3 findet die Klage nicht statt, wenn die Nichtigkeit mittels eines Rechtsmittels geltend gemacht werden konnte.

Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat;
5.
wenn die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
6.
wenn die Entscheidung entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht mit Gründen versehen ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 259/15
vom
22. Dezember 2016
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Zulassungsgrund des § 547 Nr. 4 ZPO kann nur von der unzureichend vertretenen
Partei geltend gemacht werden (Ergänzung zu BGHZ 172, 250).
BGH, Beschluss vom 22. Dezember 2016 - IX ZR 259/15 - OLG Hamburg
LG Hamburg
ECLI:DE:BGH:2016:221216BIXZR259.15.0

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richterin Lohmann, die Richter Prof. Dr. Pape, Grupp und die Richterin Möhring
am 22. Dezember 2016
beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 5. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 15. Mai 2014 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen. Der Wert des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf 31.503,56 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin, eine juristische Person mit Sitz in Luxemburg, 128.570 € nebst Zinsen zu zahlen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil - nachdem die Klage in Höhe von 117.917,81 € (Hauptforderung 100.000 €, Zinsen: 17.917,81 €) übereinstimmend für erledigt erklärt worden war - abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 21.503,58 € nebst Zinsen zu zahlen. In Höhe von 7.066,42 € hat es die Klage abgewiesen. Weiter hat es die Widerklage der Beklagten über 100.000 € nebst Zinsen abgewiesen. Dabei hat- te das Berufungsgericht am 23. April 2014 verhandelt und das Urteil erlassen, ohne zu wissen, dass über das Vermögen der Klägerin (fortan: Schuldnerin) schon am 26. August 2013 in Luxemburg das Insolvenzverfahren eröffnet worden war. Unter Hinweis auf den absoluten Revisionsgrund des § 547 Nr. 4 ZPO möchte die Beklagte die Zulassung der Revision und die Aufhebung des angefochtenen Urteils erreichen.

II.


2
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft (§ 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und grundsätzlich zulässig (§ 544 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO). Ob sie sich gegen die richtige Partei richtet, nämlich gegen die Insolvenzverwalterin an Stelle der Schuldnerin, kann der Senat dahinstehen lassen. Sie hat jedenfalls keinen Erfolg. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
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1. Allerdings hätte wegen der Unterbrechung des Verfahrens (§ 240 ZPO; Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 15 Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rats vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren) infolge der am 26. August 2013 in Luxemburg erfolgten Insolvenzeröffnung am 23. April 2014 weder mündlich verhandelt noch am 15. Mai 2014 ein Urteil verkündet werden dürfen; auf eine Kenntnis des Gerichts vom Unterbrechungsgrund kommt es nicht an. Obwohl die Prozesshandlungen der Parteien unwirksam sind (§ 249 Abs. 2 ZPO), ist das Urteil nicht nichtig, sondern mit dem gegebenen Rechtsmittel anfechtbar. Das aufgrund einer nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers durchgeführten mündlichen Verhandlung erlassene Berufungsurteil ist zugunsten und zuungunsten einer Partei ergangen, die nicht nach der Vorschrift des Gesetzes vertreten war; ein solcher Verfahrensfehler begründet den absoluten Revisionsgrund des § 547 Nr. 4 ZPO (BGH, Beschluss vom 15. Mai 2007 - X ZR 20/05, BGHZ 172, 250 Rn. 7 mwN).
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Auch ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO) geboten, wenn einer der absoluten Revisionsgründe des § 547 Nrn. 1 bis 4 ZPO mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht wird und dieser tatsächlich vorliegt (BGH, aaO Rn. 8). Denn das Gesetz qualifiziert die absoluten Revisionsgründe als besonders schwerwiegende Verfahrensfehler. Das zeigt sich auch daran, dass die absoluten Revisionsgründe des § 547 Nr. 1 bis 4 ZPO mit den Nichtigkeitsgründen des § 579 Abs. 1 ZPO übereinstimmen, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens und die Beseitigung eines rechtskräftigen Urteils rechtfertigen, weil es der Gesetzgeber für unzumutbar hält, von der unterlegenen Partei zu verlangen, sich mit dem Urteil abzufinden (BGH, aaO Rn. 11). Das Bundesverfassungsgericht hat es als einen aus rechtsstaatlicher Sicht auf Dauer schwer hinzunehmenden Zustand bezeichnet , dass auch ein offenkundiger Verfahrensfehler oder ein absoluter Revisionsgrund nach § 72 aF ArbGG die Zulassung der Revision im arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht rechtfertigt (BVerfG, NJW 2001, 2161, 2163). Deswegen hat der Gesetzgeber mit dem Anhörungsrügengesetz vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3220) § 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG geändert und bestimmt, dass die Revision zuzulassen ist, wenn ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nrn. 1 bis 5 ZPO oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung entspricht diese Regelung der Erweiterung der Zulassungsgründe, wie sie im Bereich der allgemeinen Zivilgerichts- barkeit durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl. I, S. 1887) bereits eingeführt wurde (BR-Drucks. 663/04, S. 47). Auch § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG und § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO kennen, worauf die amtliche Begründung weiter hinweist, einen entsprechenden - sogar noch weiter gefassten - Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (BGH, aaO Rn. 14).
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2. Doch gebietet der absolute Revisionsgrund des § 547 Nr. 4 ZPO die Revisionszulassung nur, wenn der Beschwerdeführer in dem Berufungsverfahren nicht nach den Vorschriften vertreten war.
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a) Für die Nichtigkeitsklage nach § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO gilt, dass sie nur von der Partei erhoben werden kann, die in dem vorangegangenen Verfahren nicht nach den Vorschriften des Gesetzes vertreten war (BGH, Urteil vom 20. September 1974 - IV ZR 55/73, BGHZ 63, 78, 79; Beschluss vom 11. Mai 1988 - IVb ZB 191/87, FamRZ 1988, 1158, 1159; vom 17. Dezember 2015 - IX ZA 37/15, Rn. 3; vgl. BFH/NV 1991, 747; BFH/NV 1993, 314, 315; BVerwG, Buchholz 303 § 579 ZPO Nr. 1).
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§ 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG, wonach die Revision unter anderem dann zuzulassen ist, wenn ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 4 ZPO geltend gemacht wird und vorliegt, wird so verstanden, dass dieser Zulassungsgrund nur von der Partei geltend gemacht werden kann, um deren Vertretung es dabei geht (BAG, NZA 2010, 1309 Rn. 10 f; BVerwG, PersV 2011, 395, 396; BAG, Beschluss vom 22. Mai 2012 - 1 ABN 27/12, nv Rn. 31). So hat es der Bundesfinanzhof auch für § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO aF gesehen (BFH/NV 1991, 747; Beschluss vom 16. Januar 1991 - IV R 128/89, nv).
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b) Für § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO in Verbindung mit § 547 Nr. 4 ZPO gilt nichts anderes. Eine Partei kann sich nicht darauf berufen, dass die Gegenseite nicht ordnungsgemäß vertreten war.
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§ 547 Nr. 4 ZPO bezweckt den Schutz desjenigen Beteiligten, der im Vorprozess nicht ordnungsgemäß vertreten war; ihm sollen aus dem Prozessablauf keine Nachteile entstehen, die er selbst nicht veranlasst hat. Dieser Zweck begrenzt den Anwendungsbereich der Vorschrift. Da für den Prozessgegner eine derartige Situation nicht besteht, ist er nicht in den Schutzbereich der Vorschrift einbezogen. Dies zeigt sich schon darin, dass der nicht ordnungsgemäß vertretene Beteiligte die Prozessführung genehmigen und dadurch auf die Geltendmachung des Verfahrensmangels verzichten kann; dem Prozessgegner steht dieses Recht nicht zu. Wäre auch er befugt, den Mangel geltend zu machen, könnte der im Vorprozess nicht ordnungsgemäß vertretene Beteiligte dem Revisionsverfahren des Prozessgegners jederzeit die Grundlage entziehen , indem er die Prozessführung genehmigt (BFH/NV 1991, 747; BAG, NZA 2010, 1309 Rn. 11; BVerwG, aaO S. 396). Dies gilt auch für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren. Eine Beschwer durch eine mangelhafte Vertretung der Gegenseite ist auch dann ausgeschlossen, wenn und soweit die Gegenseite im Rechtsstreit erfolgreich geblieben ist. Auf dem Vertretungsmangel kann die Entscheidung nicht beruhen (BAG, aaO).
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Zwar kann nach einem Urteil des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 21. Juni 1995 (VIII ZR 224/94, NJW 1995, 2563) die Rechtsfolge der Unterbrechung des Verfahrens gemäß § 249 ZPO jede Partei geltend machen, wenn trotz Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei mündlich verhandelt und darauf ein Urteil verkündet worden sei. Diese Folge beruht letztlich aber darauf, dass der Mangel des § 547 Nr. 4 ZPO im Rahmen einer zulässigen Revision von Amts wegen geprüft wird (BGH, Urteil vom 16. Oktober 2006 - II ZR 7/05, ZIP 2006, 2213 Rn. 7; vgl. BFH, Beschluss vom 16. Januar 1991 - IV R 128/89, nv Rn. 13; Zöller/Heßler, ZPO, 31. Aufl., § 547 Rn. 5). Zu einer solchen Prüfung des Verfahrensverstoßes von Amts wegen kommt es danach erst dann, wenn die Revision statthaft, also insbesondere zugelassen ist (§§ 542, 543 ZPO; vgl. MünchKomm-ZPO/Krüger, 5. Aufl., § 547 Rn. 2; BFH, Beschluss vom 16. Januar 1991, aaO).
Kayser Lohmann Pape
Grupp Möhring
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 04.11.2010 - 403 HKO 149/09 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 15.05.2014 - 5 U 250/10 -