Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Okt. 2011 - IV ZR 183/10

bei uns veröffentlicht am06.10.2011
vorgehend
Landgericht Köln, 26 O 219/08, 14.10.2009
Oberlandesgericht Köln, 20 U 174/09, 09.07.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 183/10
vom
6. Oktober 2011
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Wird eine Klage auf Leistung aus einer BerufsunfähigkeitsZusatzversicherung
mit einem Feststellungsantrag auf Fortbestehen des
Versicherungsvertrages kombiniert, so findet bei der Ermittlung von Streitwert
und Beschwer eine eingeschränkte Wertaddition statt. Insoweit ist für den
Feststellungsantrag ein Betrag von 20% der 3,5-fachen Jahresbeträge von
Rentenleistung und Versicherungsprämie zusätzlich zu berücksichtigen
(Aufgabe der bisherigen Senatsrechtsprechung).
BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2011- IV ZR 183/10 - OLG Köln
LG Köln
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Kessal-Wulf, die Richterin Harsdorf-Gebhardt,
die Richter Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller
am 6. Oktober 2011

beschlossen:
Der Streitwert wird auf 70.917,78 € festgesetzt.

Gründe:


1
Begehrt der Versicherungsnehmer einer BerufsunfähigkeitsZusatzversicherung die Feststellung, dass der Versicherungsvertrag trotz einer Anfechtung des Versicherers wegen arglistiger Täuschung fortbestehe, konkretisiert sich seine Beschwer in der Rentenleistungsverpflichtung und der Pflicht zur Beitragsfreistellung (Senatsbeschluss vom 17. Mai 2000 - IV ZR 294/99, VersR 2001, 600 f.). Dabei ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats von den 3,5-fachen Jahresbeträgen der begehrten monatlichen Rentenleistung und der monatlichen Prämie (§§ 3, 9 ZPO) ein Abschlag von 50% vorzunehmen, wenn der Eintritt des Versicherungsfalles, mithin der Berufsunfähigkeit im Sinne der vereinbarten Bedingungen, noch ungeklärt ist, während sich bei bereits geklärter Berufsunfähigkeit der Feststellungsabschlag auf 20% beläuft (Senatsurteil vom 13. Dezember 2000 - IV ZR 279/99, VersR 2001, 601 unter 2 b m.w.N.).
2
Wird allerdings neben der Feststellungsklage auch eine Leistungsklage rechtshängig gemacht, mit der der Versicherungsnehmer Zahlungen aufgrund eines behaupteten Versicherungsfalles begehrt, ist für die Wertaddition gemäß §§ 5 ZPO, 39 GKG zu berücksichtigen, dass eine wirtschaftliche Teil-Identität beider Klaganträge gegeben ist, die eine Zusammenrechnung insoweit verbietet. Denn das Bestehen eines wirksamen, durch die Anfechtung des Versicherers nicht berührten Versicherungsverhältnisses ist zugleich notwendige Voraussetzung für den geltend gemachten Anspruch auf Versicherungsleistung. Ein über den Leistungsantrag hinausgehendes wirtschaftliches Interesse an der begehrten Feststellung kann deshalb nur im Hinblick auf künftige weitere Versicherungsfälle gegeben sein. Diesen überschießenden und für die Wertaddition allein maßgeblichen Teil des Feststellungsbegehrens bewertet der Senat mit jeweils 20% der 3,5-fachen Jahresbeträge der begehrten monatlichen Rentenleistung und der monatlichen Prämie (Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung; anders noch Senatsbeschluss vom 1. Dezember 2004 - IV ZR 150/04, VersR 2005, 959, 960).
3
Danach bemisst sich die Beschwer hier wie folgt: - Anträge zu 1 und 2 (einheitlich gerichtet auf Feststellung des Fortbestands der Versicherung): 3,5-facher Jahresbetrag der begehrten monatlichen Rente von 1.124,79 €, davon 20% = 9.448,24 € 3,5-facher Jahresbetrag der monatlichen Prämie von 87,01 €, davon 20% = 730,88 € - Antrag zu 3 (Leistungsantrag betr. Rückstände) = 13.497,48 € - Antrag zu 4 (gerichtet auf künftige Versicherungsleistungen: 42 Monate x 1.124,79 €) = 47.241,18 € - Antrag zu 5 bleibt als Nebenforderung unberücksichtigt Summe: 70.917,78 € Dr. Kessal-Wulf Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 14.10.2009- 26 O 219/08 -
OLG Köln, Entscheidung vom 09.07.2010 - 20 U 174/09 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 3 Wertfestsetzung nach freiem Ermessen


Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 39 Grundsatz


(1) In demselben Verfahren und in demselben Rechtszug werden die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet, soweit nichts anderes bestimmt ist. (2) Der Streitwert beträgt höchstens 30 Millionen Euro, soweit kein niedrigerer Höchstwert be

Zivilprozessordnung - ZPO | § 9 Wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen


Der Wert des Rechts auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen wird nach dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezuges berechnet. Bei bestimmter Dauer des Bezugsrechts ist der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge maßgebend, wenn er der geringere

Zivilprozessordnung - ZPO | § 5 Mehrere Ansprüche


Mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche werden zusammengerechnet; dies gilt nicht für den Gegenstand der Klage und der Widerklage.

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Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Dez. 2004 - IV ZR 150/04

bei uns veröffentlicht am 01.12.2004

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IV ZR 150/04 vom 1. Dezember 2004 in dem Rechtsstreit Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat dur ch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Seiffert, Wendt, die Richterin Dr. Kessal -Wulf und den Richter F
5 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Okt. 2011 - IV ZR 183/10.

Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Okt. 2016 - IV ZR 565/15

bei uns veröffentlicht am 26.10.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IV ZR 565/15 vom 26. Oktober 2016 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2016:261016BIVZR565.15.0 Vorsitzende Richterin Mayen, den Richter Dr. Karczewski, die Richterinnen Dr. Brockmöller, Dr. Bußmann und den Richter Dr. Götz.

Oberlandesgericht Nürnberg Beschluss, 13. Aug. 2014 - 8 W 1409/14

bei uns veröffentlicht am 13.08.2014

Tenor Die Beschwerde der Beklagten gegen den Streitwertbeschluss des Landgerichts Regensburg vom 21.05.2014 wird zurückgewiesen. Gründe Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die angefochtene Wertfe

Oberlandesgericht Rostock Beschluss, 08. Nov. 2018 - 4 W 27/18

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Tenor 1. Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den Beschluss des Landgerichts Rostock vom 12.07.2018, Az. 10 O 628/17 (1), in der Fassung des Beschlusses vom 08.08.2018 wird zurückgewiesen. 2. Einer Kostenentscheidung bed

Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Dez. 2016 - IV ZR 477/15

bei uns veröffentlicht am 14.12.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IV ZR 477/15 vom 14. Dezember 2016 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO §§ 3, 5, 9; GKG § 39 Bei einem Rechtsstreit über die Verpflichtung des Krankenversicherers zur Zahlung von.

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Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

Der Wert des Rechts auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen wird nach dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezuges berechnet. Bei bestimmter Dauer des Bezugsrechts ist der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge maßgebend, wenn er der geringere ist.

(1) In demselben Verfahren und in demselben Rechtszug werden die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Der Streitwert beträgt höchstens 30 Millionen Euro, soweit kein niedrigerer Höchstwert bestimmt ist.

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

Der Wert des Rechts auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen wird nach dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezuges berechnet. Bei bestimmter Dauer des Bezugsrechts ist der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge maßgebend, wenn er der geringere ist.

Mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche werden zusammengerechnet; dies gilt nicht für den Gegenstand der Klage und der Widerklage.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 150/04
vom
1. Dezember 2004
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat dur ch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Seiffert, Wendt, die Richterin Dr. Kessal
-Wulf und den Richter Felsch
am 1. Dezember 2004

beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 5. Mai 2004 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
Streitwert: bis 17.000 €

Gründe:


I. Gegenstand des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahr ens ist allein der Klageantrag zu 1), mit dem der Kläger die Feststellung begehrt, daß seine bei der Beklagten genommene Risikolebensversicherung und Berufsunfähigkeits -Zusatzversicherung fortbesteht und insbesondere nicht durch Rücktritt oder Anfechtung beendet wurde.
Das Landgericht hat diesem Antrag durch Teilurteil stattgegeben; das Berufungsgericht hat ihn abgewiesen.

Mit der Beschwerde erstrebt der Kläger die Zulassu ng der Revision , mit der er sein Feststellungsbegehren weiterverfolgen will.
II. Die Beschwerde ist nicht statthaft, weil der W ert des Beschwerdegegenstandes 20.000 € nicht übersteigt (§ 26 Nr. 8 EGZPO).
Da der Fortbestand der Lebensversicherung und der Berufsunfähigkeits -Zusatzversicherung im Streit ist, muß bei der Wertbemessung, was auch von der Beschwerde im Ansatz zutreffend zugrunde gelegt wird, auf beide Versicherungen abgestellt werden.
Bei der Risikolebensversicherung ist, weil der Ein tritt des Versicherungsfalles ungewiß ist, die Beschwer mit 20% der Versicherungssumme anzusetzen (Senatsbeschluß vom 23. Juli 1997 - IV ZR 38/97 - BGHR ZPO § 3 Feststellungsantrag 4).
Die Beschwer bei der Zusatzversicherung konkretisi ert sich in der Rentenleistungsverpflichtung und der Pflicht zur Beitragsfreistellung (Senatsbeschluß vom 17. Mai 2000 - IV ZR 294/99 - VersR 2001, 600 f.). Dabei ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats von dem 3,5-fachen Jahresbetrag der begehrten monatlichen Rentenleistung und der monatlichen Prämie (§§ 3, 9 ZPO) ein Abschlag von jeweils 50% vorzunehmen , wenn der behauptete Eintritt des Versicherungsfalles, mithin der Berufsunfähigkeit im Sinne der vereinbarten Bedingungen, noch ungeklärt ist, während bei bereits geklärter Berufsunfähigkeit sich der Feststellungsabschlag auf 20% beläuft (Senat, Urteil vom 13. Dezember 2000 - IV ZR 279/99 - VersR 2001, 601 unter 2 b; Beschlüsse vom

29. Juni 1994 - IV ZR 9/94 - BGHR ZPO § 3 Feststellungsantrag 3; vom 12. Februar 1992 - IV ZR 241/91 - NJW-RR 1992, 608 unter II b und vom 17. Mai 2000 aaO).
Ohne Erfolg hält die Beschwerde einen Abschlag bei noch ungeklärter Berufsunfähigkeit in Höhe von 20% für gerechtfertigt, wenn insoweit bereits Leistungsklage erhoben ist. Die Rechtshängigkeit etwaiger Leistungsansprüche spielt für die Wertbemessung von Feststellungsanträgen betreffend Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherungen keine Rolle (Senatsbeschluß vom 11. Juli 1990 - IV ZR 100/90 - VVGE § 1 BB-BUZ Nr. 1). Der 50%ige Abschlag vom Wert einer entsprechenden Leistungsklage berücksichtigt in angemessener Weise, daß bislang ungeklärt ist, ob der Kläger tatsächlich berufsunfähig im Sinne der vereinbarten Versicherungsbedingungen geworden ist, sich auch die Dauer einer etwaigen Berufsunfähigkeit zur Zeit nicht beurteilen läßt und es um einen Feststellungsausspruch geht.
Es besteht kein Anlaß, von diesen gefestigten Beme ssungsgrundsätzen abzuweichen. Auch die Beschwerde vermag dafür keine durchgreifenden Gründe aufzuzeigen.
Danach bemißt sich die Beschwer wie folgt: 20% der Versicherungssumme von 30.000 DM = 3.067,75 € 50% des 3,5-fachen Jahresbetrages der begehrten monatlichen Rente von 613,55 € = 12.884,55 € 50% des 3,5-fachen Jahresbetrages der monatlichen Prämie von 60,50 DM laut Versicherungsschein = 649,60 €

(bzw. von 54,87 DM gem. dem Schreiben der Beklagten vom 4. April 2000 = 589,15 €) Summe 16.601,90 € (bzw. 16.541,45 €)
Damit ist die Wertgrenze des § 26 Nr. 8 EGZPO in j edem Fall nicht erreicht.
Terno Seiffert Wendt
Dr. Kessal-Wulf Felsch