vorgehend
Landgericht München I, 25 O 16184/13, 06.02.2014
Oberlandesgericht München, 25 U 1381/14, 09.12.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 117/15
vom
11. November 2015
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2015:111115BIVZR117.15.0

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die Richter Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller
am 11. November 2015

beschlossen:
Der Senat beabsichtigt, die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts München - 25. Zivilsenat - vom 9. Dezember 2014 gemäß § 552a Satz 1 ZPO auf seine Kosten zurückzuweisen.
Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen eines Monats Stellung zu nehmen.

Gründe:


1
I. Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer Rentenversicherung.
2
Diese wurde aufgrund eines Antrags d. VN mit Versicherungsbeginn zum 1. September 1996 nach dem so genannten Policenmodell des § 5a VVG in der bei Antragstellung gültigen Fassung (im Folgenden § 5a VVG a.F.) abgeschlossen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d. VN mit dem Versicherungsschein eine Broschüre, welche die Versicherungsbedingungen, eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) mit einer Belehrung über das Widerspruchsrecht enthielt.
3
D. VN zahlte ab September 1996 zunächst regelmäßig die Prämien. Nachdem er ab März 1999 in Beitragsrückstand geraten war und auf Erinnerung und Mahnung nicht reagiert hatte, erklärte der Versicherer unter dem 24. August 1999 die Kündigung wegen Beitragsrückständen. Da d. VN die rückständigen Beiträge nicht ausglich, rechnete der Versicherer mit Schreiben vom 3. September 1999 das Versicherungsverhältnis ab und kündigte die Auszahlung des Rückkaufswertes an. Daraufhin bat d. VN um Rücknahme der Kündigung sowie Unterbrechung der Versicherung für ein Jahr. Hiermit erklärte sich der Versicherer einverstanden. Im August 2000 bat der Versicherer d. VN um eine Erklärung hinsichtlich der Fortführung des Vertragsverhältnisses. Mangels Reaktion d. VN schickte der Versicherer ihm im November 2000 einen Verrechnungsscheck i.H. des Rückkaufswertes gemäß der Abrechnung. D. VN übersandte per Fax eine Wiederherstellungserklärung und fügte hinzu, dass der Scheck nicht eingelöst werde. Der Versicherer übersandte d. VN mit Datum vom 30. November 2000 einen Nachtrag zum Versicherungsschein. Nachdem der Versicherer erfahren hatte, dass der Scheck doch eingelöst worden war, forderte er den Rückkaufswert zurück. D. VN wurde zur Rückzahlung verurteilt und hatte kurz vorher den Rückkaufswert zurückgezahlt.

4
Mit Schreiben vom 28. Juli 2009 erklärte d. VN u.a. den Widerspruch gemäß § 5a VVG, hilfsweise die Kündigung. Der Versicherer akzeptierte die Kündigung und zahlte den Rückkaufswert aus.
5
Mit der Klage verlangt d. VN Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufswerts , insgesamt 11.589,42 €.
6
Nach Auffassung d. VN ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen, weil das Policenmodell mit den Lebensversicherungsrichtlinien der Europäischen Union nicht vereinbar sei. Mangels wirksamer Widerspruchsbelehrung habe die Widerspruchsfrist nicht zu laufen begonnen. Die Jahresfrist in § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sei europarechtswidrig.
7
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen.
8
II. Das Berufungsgericht hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. D. VN sei es jedenfalls wegen widersprüchlichen Verhaltens verwehrt, sich auf einen etwaigen Anspruch zu berufen. Ein Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F. sei verfristet. Die 1996 erteilte Widerspruchsbelehrung sei drucktechnisch deutlich hervorgehoben und inhaltlich nicht zu beanstanden. Das Widerspruchsrecht sei daher nach Ablauf der 14-tägigen Frist des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. erloschen.

9
Die Rücknahme der Kündigung der Beklagten auf Ersuchen d. VN sei als Neuabschluss des Versicherungsvertrages nach dem Antragsmodell zu bewerten. Anderenfalls hätte d. VN über ein Rücktrittsrecht gemäß § 8 Abs. 5 VVG a.F. belehrt werden müssen. Das Rücktrittsrecht sei gemäß § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG a.F. jedoch einen Monat nach Zahlung der ersten Folgeprämie nach dieser Vereinbarung erloschen.
10
Einem Bereicherungsanspruch stehe jedenfalls § 242 BGB entgegen. Einem VN, der mit Überlassung der Versicherungspolice die Versicherungsbedingungen , die Verbraucherinformation und eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung erhalten habe, sei nach jahrelanger Durchführung des Versicherungsvertrages die Berufung auf dessen Unwirksamkeit nach Treu und Glauben wegen widersprüchlichen Verhaltens verwehrt. Damit komme es auf die Frage, ob das Policenmodell mit den gemeinschaftsrechtlichen Lebensversicherungsrichtlinien vereinbar sei, nicht entscheidungserheblich an. Dies gelte auch für einen Anspruch nach Rücktritt gemäß § 8 Abs. 5 VVG a.F., selbst dann, wenn - wie nicht - mangels ausreichender Belehrung über das Rücktrittsrecht ein ewiges Rücktrittsrecht bestünde. Hier lägen besonders gravierende Umstände vor, die d. VN die Geltendmachung seines Anspruchs verwehrten. Aufgrund der Kündigung, die durch Beitragsrückstände veranlasst gewesen sei, sei der Vertrag zunächst abgewickelt worden; d. VN habe den Scheck über den Rückkaufswert sogar - entgegen seiner Versprechungeingelöst und erst später den Betrag an den Versicherer zurückgeführt. Er habe durch sein Bemühen um die Wiederinkraftsetzung des Vertrages dem Versicherer deutlich gemacht, dass er den Vertrag unbedingt habe fortsetzen wollen, und dies zu einem Zeitpunkt, als er über alle Vertragsmodalitäten voll informiert gewesen sei. Der Versicherer habe des- halb darauf vertrauen können, dass der Vertrag durchgeführt werden solle und nicht mit einem Rücktritt oder einem Widerruf rechnen müssen. Bei dieser Sachlage stelle sich der gleichwohl erklärte Widerspruch/Widerruf als grob widersprüchliches Verhalten dar.
11
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt d. VN das Klagebegehren weiter.
12
III. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision i.S. von § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor, und das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).
13
Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil die Frage der Vereinbarkeit der Regelung in § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG a.F. mit dem Gemeinschaftsrecht, auf welche es ankomme, bislang höchstrichterlich nicht geklärt sei. Dasselbe gelte für die Frage, ob bei einer Wiederinkraftsetzung des Lebensversicherungsvertrages die Voraussetzungen eines Widerrufs/Rücktritts nach den Umständen des Erstabschlusses oder der Wiederinkraftsetzung zu beurteilen seien und ob eine fehlende Belehrung über das Rücktrittsrecht nach § 8 Abs. 5 VVG a.F. einer Anwendung von § 242 BGB entgegenstehe.
14
1. Die erstgenannte Frage ist mittlerweile geklärt. Mit Urteil vom 17. Dezember 2014 (IV ZR 260/11, VersR 2015, 224) hat der Senat entschieden , dass die in § 8 Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 4 VVG a.F. getroffene Regelung, nach welcher auch bei nicht ordnungsgemäßer Belehrung des Versicherungsnehmers über sein jeweiliges Lösungsrecht dieses einen Monat nach Zahlung der ersten Prämie erlischt, richtlinienkon- form einschränkend dahin auszulegen ist, dass sie im Bereich der Lebens - und Rentenversicherung und der Zusatzversicherung zur Lebensversicherung nicht anwendbar ist, hingegen auf die übrigen von § 8 VVG a.F. erfassten Versicherungsarten uneingeschränkt Anwendung findet. Für das Rücktrittsrecht aus § 8 Abs. 5 VVG a.F. kann nach Auffassung des Senats nichts anderes gelten als für das Widerspruchsrecht nach § 5a VVG a.F. Es macht keinen Unterschied, dass die Anwendung des § 8 Abs. 5 VVG a.F. einen Vertragsschluss nach dem Antragsmodell, d.h. eine Übergabe der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformationen bereits bei Antragstellung voraussetzt. Entscheidend ist allein , dass die Befristung des Rücktrittsrechts bei Fehlen einer ordnungsgemäßen Belehrung über das Recht zum Rücktritt im Ergebnis zu einer vertraglichen Bindung führen könnte, ohne dass dem Versicherungsnehmer die Rücktrittsmöglichkeit ordnungsgemäß zur Kenntnis gebracht wäre. Diese Gefahr wird durch die Frist des § 8 Abs. 5 VVG a.F. gegenüber der vom Senat zuvor beanstandeten Frist in § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. noch dadurch verschärft, dass das Rücktrittsrecht aus § 8 Abs. 5 VVG a.F. nicht erst ein Jahr, sondern bereits einen Monat nach Zahlung der ersten Prämie erlöschen sollte (Senatsurteil vom 17. Dezember 2014 aaO Rn. 22). Für eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof bestand kein Anlass, die Frage ist durch dessen Urteil vom 19. Dezember 2013 (EuGH, VersR 2014, 225) hinreichend geklärt.
15
2. Ob bei einer - als Neuabschluss des Versicherungsvertrages zu wertenden - Wiederinkraftsetzung des Lebensversicherungsvertrages die Voraussetzungen eines Widerspruchs oder Rücktritts nach den Umständen des Erstabschlusses oder der Wiederinkraftsetzung zu beurteilen sind, braucht hier nicht entschieden zu werden.

16
Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass ein Bereicherungsanspruch nach § 242 BGB wegen widersprüchlichen Verhaltens d. VN ausgeschlossen ist, selbst wenn eine etwa erforderliche Belehrung über das Rücktrittsrecht nach § 8 Abs. 5 VVG a.F. unterblieb. Allgemein gültige Maßstäbe dazu, ob und unter welchen Voraussetzungen eine fehlende Belehrung über das Rücktrittsrecht nach § 8 Abs. 5 VVG a.F. einer Anwendung von § 242 BGB entgegensteht, können nicht aufgestellt werden. Die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben im Einzelfall obliegt grundsätzlich dem Tatrichter und ist hier aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
17
Das Berufungsgericht hat besonders gravierende Umstände genannt , die d. VN die Geltendmachung seines Anspruchs verwehrten. Es hat berücksichtigt, dass der Vertrag aufgrund der durch Beitragsrückstände veranlassten Kündigung zunächst abgewickelt worden war und d. VN den Scheck über den Rückkaufswert sogar - entgegen seiner Versprechung - eingelöst hatte und erst auf die Klage des Versicherers diesem den Betrag zurückzahlte. Nach den aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts machte d. VN durch seine Bitte, den Vertrag fortzuführen, deutlich, dass er den Vertrag in jedem Fall fortsetzen wollte. Zu diesem Zeitpunkt war er durch die 1996 erteilte, umfassende Verbraucherinformation und die Versicherungsbedingungen über alle Vertragsmodalitäten informiert. Der Versicherer konnte deshalb darauf vertrauen, dass der Vertrag zu den ursprünglichen Bedingungen erneut abgeschlossen und fortgeführt werden solle, zumal d. VN nicht erkennen ließ, dass er erneute oder wiederholte Informationen über die Vertragsmodalitäten benötigte, und den neu abgeschlossenen Vertrag ohne Beanstandungen durchführte.
18
Bei dieser Sachlage konnte das Berufungsgericht den gleichwohl später erklärten Widerspruch und Rücktritt als grob widersprüchliches Verhalten werten.
19
Soweit die Revision darauf verweist, die Beklagte könne schutzwürdiges Vertrauen nicht beanspruchen, weil sie - unterstellt - dem Kläger keine ordnungsgemäße Belehrung über sein Widerspruchs- und Rücktrittsrecht erteilt habe, greift dies im Streitfall nicht. Die Treuwidrigkeit knüpft nach den rechtsfehlerfreien - und angesichts der besonderen Fallumstände überzeugenden - Feststellungen des Berufungsgerichts nicht an die jahrelange Prämienzahlung an, sondern liegt darin, dass der Kläger bei der Beklagten durch sein Verhalten im Zusammenhang mit der Wiederinkraftsetzung des Vertrages den Eindruck erweckt hat, den Vertrag unbedingt fortsetzen zu wollen.
20
3. Aus den genannten Gründen hat die Revision keine Aussicht auf Erfolg.
21
Das Berufungsurteil weist keine Rechtsfehler auf. Dies gilt auch, soweit sich die Revision zusätzlich darauf beruft, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sei dem Kläger im Jahr 1996 keine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung erteilt worden. Die Belehrung in der Verbraucherinformation ist - was die Revision nicht in Zweifel zieht - drucktechnisch deutlich hervorgehoben. Sie ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Anders als die Revision meint, konnte d. VN die in der Widerspruchsbelehrung erwähnte "Überlassung der … für den Vertragsschluss maßgeblichen Verbraucherinformation" ohne weiteres so verstehen , dass es auf die Verbraucherinformation ankam, die er laut dem rechts neben der Belehrung abgedruckten Hinweis "gemäß § 10a, Ab- satz 1 des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG)" auf den nachfolgenden Seiten erhielt.
Mayen Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 06.02.2014- 25 O 16184/13 -
OLG München, Entscheidung vom 09.12.2014- 25 U 1381/14 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Gesetz über den Versicherungsvertrag


Versicherungsvertragsgesetz - VVG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 552a Zurückweisungsbeschluss


Das Revisionsgericht weist die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision durch einstimmigen Beschluss zurück, wenn es davon überzeugt ist, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 8 Widerrufsrecht des Versicherungsnehmers; Verordnungsermächtigung


(1) Der Versicherungsnehmer kann seine Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen widerrufen. Der Widerruf ist in Textform gegenüber dem Versicherer zu erklären und muss keine Begründung enthalten; zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung.

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Bundesgerichtshof Urteil, 17. Dez. 2014 - IV ZR 260/11

bei uns veröffentlicht am 17.12.2014

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR260/11 Verkündet am: 17. Dezember 2014 Heinekamp Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja VVG a. F. (Fassung vom 21.
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Das Revisionsgericht weist die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision durch einstimmigen Beschluss zurück, wenn es davon überzeugt ist, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat. § 522 Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

Das Revisionsgericht weist die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision durch einstimmigen Beschluss zurück, wenn es davon überzeugt ist, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat. § 522 Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR260/11 Verkündet am:
17. Dezember 2014
Heinekamp
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
VVG a. F. (Fassung vom 21. Juli 1994, gültig vom 29. Juli 1994 bis zum 7. Dezember
2004), § 8 Abs. 5 Satz 4; EWGRL 619/90 Art. 15 Abs. 1 Satz 1; EWGRL 96/92 Art.
31 Abs. 1
Die in § 8 Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 4 VVG a.F. getroffene Regelung, nach welcher
auch bei nicht ordnungsgemäßer Belehrung des Versicherungsnehmers über
sein jeweiliges Lösungsrecht dieses einen Monat nach Zahlung der ersten Prämie
erlischt, ist richtlinienkonform einschränkend dahin auszulegen, dass sie im Bereich
der Lebens- und Rentenversicherung und der Zusatzversicherung zur Lebensversicherung
nicht anwendbar ist, hingegen auf die übrigen von § 8 VVG a.F. erfassten
Versicherungsarten uneingeschränkt Anwendung findet (Fortführung von BGH, Urteil
vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101).
BGH, Urteil vom 17. Dezember 2014 - IV ZR 260/11 - LG Braunschweig
AG Braunschweig
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin Mayen, die Richter Wendt, Felsch, die Richterin
Harsdorf-Gebhardt und den Richter Dr. Karczewski auf die mündliche
Verhandlung vom 3. Dezember 2014

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig vom 11. November 2011 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin begehrt von dem beklagten Versicherer Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einerRentenversicherung.
2
Diese wurde mit Vertragsbeginn zum 1. Dezember 2000 abgeschlossen. Die Belehrung über das Recht zum Rücktritt bzw. Widerruf befand sich am Ende des Antragsformulars innerhalb eines insgesamt im Fettdruck gehaltenen, mit "Wichtige Hinweise" überschriebenen Textblockes zwischen Hinweisen zur Schweigepflichtentbindung und Datenverarbeitung und einem Verweis auf die auf der Folgeseite abgedruckten Hinweise und Erklärungen zur Unfallversicherung.

3
Im Oktober 2005 kündigte die Klägerin den Vertrag, und der Versicherer zahlte den Rückkaufswert aus. Mit Schreiben vom 3. Dezember 2009 erklärte sie schließlich den Widerspruch "gemäß § 5a VVG a.F."
4
Mit ihrer Klage verlangt sie die Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst 7% Zinsen als Ausgleich für aus den Prämien gezogene Nutzungen. Abzüglich des bereits ausgezahlten Rückkaufswerts hat sie daraus einen Betrag von insgesamt 4.582,84 € errechnet, den die Beklagte in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Vertragsbeginn zu verzinsen habe.
5
Nach ihrer Auffassung war die erteilte Belehrung drucktechnisch nicht hinreichend hervorgehoben. Hinzu kämen inhaltliche Defizite. Dies führe zu einem zeitlich unbeschränkten Widerspruchsrecht, da die gesetzlich vorgesehene zeitliche Begrenzung Unionsrecht widerspreche.
6
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin das Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:


7
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

8
I. Dieses hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus § 812 BGB oder einem anderen Rechtsgrund verneint. Offen lassend, ob wegen Vertragsschlusses nach dem Antragsmodell die Voraussetzungen des § 5a VVG a.F. vorliegen, geht das Berufungsgericht davon aus, die Klägerin sei ordnungsgemäß belehrt worden und habe sowohl die Widerspruchsfrist des § 5a Abs. 1, 2 VVG a.F. als auch die Rücktrittsfrist des § 8 Abs. 5 VVG a.F., überdies die Fristen aus § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. und § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG a.F. versäumt.
9
II. Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
10
Anders als das Berufungsgericht meint, folgt der Anspruch auf Prämienrückzahlung dem Grunde nach aus § 346 Abs. 1 BGB.
11
1. Entgegen der Revisionserwiderung ist der Rechtsstreit nicht bereits zur Beantwortung der Frage an das Berufungsgericht zurückzuverweisen , ob der Versicherungsnehmerin das Widerspruchsrecht nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. - und damit eine Rückabwicklung nach §§ 812 ff. BGB - oder das Rücktrittsrecht aus § 8 Abs. 5 VVG (in der vom 29. Juli 1994 bis 7. Dezember 2004 geltenden Fassung vom 21. Juli 1994 - im Folgenden: a.F.) - und damit eine Rückabwicklung nach den §§ 346 ff. BGB (K. Johannsen in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts -Handbuch 2. Aufl. § 8 Rn. 56) - offen steht. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der Vertragsschluss nach dem Antragsmodell erfolgte , was dem bisherigen Vortrag der Beklagten entsprach und von der Klägerin im Revisionsverfahren hingenommen wird. § 8 Abs. 6 VVG a.F. stellt für solche Fälle das Verhältnis zwischen § 5a Abs. 1 VVG a.F. und § 8 Abs. 4 und 5 VVG a.F. klar. Danach findet hier § 8 Abs. 5 VVG a.F. Anwendung, weil ein Vertragsschluss nach dem so genannten Policenmodell nicht erfolgt und damit das Widerspruchsrecht aus § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a. F. nicht eröffnet ist.
12
2. Infolge der Ausübung des Rücktrittsrechts aus § 8 Abs. 5 VVG a.F. durch die Klägerin sind nach § 346 Abs. 1 BGB die empfangenen Leistungen dem Grunde nach zurück zu gewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben.
13
a) Die mit Schreiben vom 3. Dezember 2009 abgegebene Erklärung der Klägerin ist ungeachtet ihrer Bezeichnung als Widerspruch "gemäß § 5a VVG a.F." als Rücktrittserklärung nach § 8 Abs. 5 VVG a.F. auszulegen. Entscheidend ist, dass darin der unbedingte Wille zum Ausdruck kommt, sich rückwirkend vom Vertrag lösen und die Rückzahlung sämtlicher Prämien geltend machen zu wollen. Die Auslegung dieser Erklärung kann der Senat selbst vornehmen, da die Aufklärung weiterer relevanter Umstände nicht zu erwarten ist (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 1997 - V ZR 250/96, NJW 1998, 1219 unter II 3 m.w.N.; MünchKomm-ZPO/Krüger, 4. Aufl. § 546 Rn. 10).
14
b) Der Rücktritt ist rechtzeitig erklärt, obwohl zum Zeitpunkt der Erklärung die in § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG a.F. normierte Monatsfrist abgelaufen war.
15
aa) Nach dem durch Bezugnahme auf die Vertragsunterlagen festgestellten Sachverhalt, der weitere Feststellungen nicht erwarten lässt, wurde die Klägerin nicht ordnungsgemäß i.S. von § 8 Abs. 5Satz 3 VVG a.F. belehrt. Soweit das Berufungsgericht von einer "ordnungsgemäßen Belehrung" ausgeht, verhält es sich nur zum Zugang, nicht aber zur Form derselben.
16
Die im Antragsformular enthaltene Belehrung war nicht ausreichend drucktechnisch hervorgehoben und konnte deshalb die Rücktrittsfrist des § 8 Abs. 5 Satz 1 VVG a.F. nicht wirksam in Lauf setzen (vgl. § 8 Abs. 5 Satz 3 VVG a.F.). Zwar war eine drucktechnische Hervorhebung der Belehrung vom Wortlaut des § 8 Abs. 5 VVG a.F. (wie auch des § 8 Abs. 4 VVG in der vom 1. Januar 1991 bis zum 28. Juli 1994 gültigen Fassung) nicht ausdrücklich vorausgesetzt. Der Senat hat aber bereits zu § 8 Abs. 4 VVG a.F. klargestellt, dass die Belehrung zur Erreichung ihres gesetzlichen Zweckes inhaltlich möglichst umfassend, unmissverständlich und aus Sicht der Verbraucher eindeutig sein muss. Das erfordert eine Form der Belehrung, die dem Aufklärungsziel Rechnung trägt und darauf angelegt ist, den Angesprochenen aufmerksam zu machen und das maßgebliche Wissen zu vermitteln (Senatsurteil vom 16. Oktober 2013 - IV ZR 52/12, VersR 2013, 1513 Rn. 14 m.w.N.).
17
Die der Klägerin gegebene Belehrung genügt diesen Anforderungen nicht. Sie ist inmitten eines Textblockes abgedruckt, der weitere Informationen , unter anderem über die Ermächtigung zur Entbindung von der Schweigepflicht, zur Datenverarbeitung und zum Widerspruch in der Unfallversicherung, enthält. Innerhalb dieses Textblockes ist der Hinweis auf das Rücktrittsrecht in keiner Weise drucktechnisch hervorgehoben. Der gesamte Textblock ist vielmehr fettgedruckt. Weder der Fettdruck noch die Stellung der Belehrung im Antragsformular reichen daher aus, um eine Kenntnisnahme des Versicherungsnehmers hiervon zu gewährleisten (vgl. Senatsurteil vom 16. Oktober 2013 - IV ZR 52/12 aaO Rn. 15).

18
Schon wegen dieses Formmangels der Belehrung konnte die Rücktrittsfrist nach § 8 Abs. 5 Satz 3 VVG a.F. nicht zu laufen beginnen. Darauf, ob - wie die Revision rügt - die Belehrung darüber hinaus auch an inhaltlichen Defiziten litt, kommt es insoweit nicht mehr an.
19
bb) Der Wirksamkeit der Rücktrittserklärung steht auch nicht der Ablauf der für einen solchen Fall bestimmten Frist aus § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG a.F. entgegen, nach welcher das Rücktrittsrecht bei unterbliebener Belehrung jedenfalls einen Monat nach Zahlung der ersten Prämie erlischt. Diese Befristung ist unwirksam. Das Rücktrittsrecht der Klägerin bestand mithin noch im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung fort.
20
Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des § 8 VVG a.F. entsprechend den im Senatsurteil vom 7. Mai 2014 (IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101) dargelegten Grundsätzen.
21
(1) In dieser Entscheidung hat der Senat die Jahresfrist des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. im Rahmen einer gespaltenen Auslegung (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 28) richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert, dass sie im Anwendungsbereich der Richtlinie 90/619/EWG (Zweite Richtlinie Lebensversicherung, ABl. L 330 S. 50) und der Richtlinie 92/96/EWG (Dritte Richtlinie Lebensversicherung, ABl. L 360 S. 1) keine Anwendung findet und für davon erfasste Lebensund Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht unbefristet fortbesteht, wenn der Versicherungsnehmer nicht ordnungsgemäß über sein Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat (im Einzelnen dazu Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 22-34).
22
(2) Für das Rücktrittsrecht aus § 8 Abs. 5 VVG a.F. kann nichts anderes gelten. Es macht keinen Unterschied, dass die Anwendung des § 8 Abs. 5 VVG a.F. einen Vertragsschluss nach dem Antragsmodell, d.h. eine Übergabe der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformationen bereits bei Antragstellung voraussetzt. Entscheidend ist allein , dass die Befristung des Rücktrittsrechts bei Fehlen einer ordnungsgemäßen Belehrung über das Recht zum Rücktritt im Ergebnis zu einer vertraglichen Bindung führen könnte, ohne dass dem Versicherungsnehmer die Rücktrittsmöglichkeit ordnungsgemäß zur Kenntnis gebracht wäre. Diese Gefahr wird durch die Frist des § 8 Abs. 5 VVG a.F. gegenüber der vom Senat (aaO) beanstandeten Frist in § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. noch dadurch verschärft, dass das Rücktrittsrecht aus § 8 Abs. 5 VVG a.F. nicht erst ein Jahr, sondern bereits einen Monat nach Zahlung der ersten Prämie erlöschen sollte. Für die von der Beklagten angeregte Vorlage an den Europäischen Gerichtshof bestand kein Anlass, die Frage ist durch dessen Urteil vom 19. Dezember 2013 (EuGH, VersR 2014, 225) hinreichend geklärt.
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(3) Anders als die Beklagte - zuletzt mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2014 - geltend gemacht hat, ergeben sich gegen eine Übertragung der vorgenannten Grundsätze auf die Regelung des § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG keine durchgreifenden Bedenken daraus, dass die richtlinienkonforme Auslegung hier zum Wegfall dieser Befristung und damit zur vollständigen Aufhebung der in § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG a.F. getroffenen Regelung führt. Diese war lediglich ein für Lebensversicherungsverträge geltender Teil einer für alle Versicherungsverträge angeordneten Befristung des Rechts des Versicherungsnehmers, sich von der vertraglichen Bindung zu lösen.
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§ 8 VVG a.F. erfasste alle nicht im Policenmodell geschlossenen Versicherungsverträge und regelte die insoweit bestehenden Lösungsrechte des Versicherungsnehmers - das Recht zum Rücktritt von Lebensversicherungsverträgen (§ 8 Abs. 5 VVG a.F.) und das Recht zum Widerruf sonstiger Versicherungsverträge (§ 8 Abs. 4 VVG a.F.). Für alle diese Verträge sah § 8 VVG a.F. vor, dass das jeweilige Lösungsrecht eines nicht ordnungsgemäß darüber belehrten Versicherungsnehmers einen Monat nach Zahlung der ersten Prämie erlöschen sollte. Einer solchen Frist stehen indes die vorgenannten Lebensversicherungsrichtlinien bei Versicherungsverträgen entgegen, die dem Anwendungsbereich dieser Richtlinien unterfallen. Eine richtlinienkonforme teleologische Reduktion ist hier insoweit möglich, als die Monatsfrist für den Rücktritt von Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung nicht angewendet wird, jedoch bei sämtlichen anderen Versicherungsverträgen weiter gilt.
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An einer solchen gespaltenen Auslegung ist der Senat nicht dadurch gehindert, dass § 8 Abs. 5 VVG a.F. bei isolierter Betrachtung nur für im Antragsmodell geschlossene Lebensversicherungsverträge galt. Die Vorschrift ist vielmehr im Zusammenhang mit § 8 Abs. 4 VVG a.F. zu sehen.
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Die frühere Fassung des § 8 Abs. 4 VVG vom 17. Dezember 1990 (gültig vom 1. Januar 1991 bis 28. Juli 1994) erfasste alle Versicherungsverträge und enthielt noch keine von der Erteilung der Belehrung unabhängige Befristung des Widerrufsrechts. Durch Art. 15 Abs. 1 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung, der für die Lebensversicherung ein zwischen 14 und 30 Tagen zu bemessendes Rücktrittsrecht vorsah, wurde der Gesetzgeber zu einer Neuregelung veranlasst, die in Ansehung des Rechts des Versicherungsnehmers, sich vom Vertrag zu lösen, zwischen Lebensversicherungsverträgen und sonstigen Versicherungen unterschied. Da der Gesetzgeber eine kumulative Begründung von W iderrufs - und Rücktrittsrecht in der Lebensversicherung sachlich weder für geboten noch vertretbar hielt, nahm er die Lebensversicherung aus dem Anwendungsbereich des Widerrufsrechts heraus und sah in § 8 Abs. 5 VVG a.F. zur Umsetzung der Vorgabe aus Art. 15 Abs. 1 der Zweiten Lebensversicherungsrichtlinie (BT-Drucks. 12/6959 S. 101) ein Rücktrittsrecht vor. Mit dem Dritten Durchführungsgesetz/EWG zum VAG, das vor allem auch der Umsetzung der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie diente (BT-Drucks. 12/6959 S. 1), wurden wortgleich die beiden Ausschlussfristen in § 8 Abs. 4 Satz 4 und § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG eingeführt (BT-Drucks. 12/6959 S. 34 f.). Sie bilden hinsichtlich der von der Erteilung einer Belehrung unabhängigen Ausschlussfrist eine für alle Versicherungsverträge einheitliche Regelung. Wie die Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 12/6959 S. 101) hervorhebt, wurden "aus Gründen praktischer Vernunft … zur Vermeidung von Missverständnissenund zur Vermeidung von Rechtsunsicherheit bei den Versicherungsnehmern für das Widerrufs- und das Rücktrittsrecht gleiche Fristen vorgesehen". Mithin beabsichtigte der Gesetzgeber eine einheitliche, von der Erteilung einer Belehrung unabhängige Befristung des Lösungsrechts, die für alle im Antragsmodell geschlossenen Versicherungsverträge gelten sollte. Daran ändert nichts, dass aus redaktionellen Gründen hinsichtlich der Befristung gleichlautende Bestimmungen als § 8 Abs. 4 Satz 4 und § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG a.F. eingefügt wurden.
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Die zulässige richtlinienkonforme teleologische Reduktion führt im Ergebnis zu einer gespaltenen Auslegung dieser umfassenden Befristung dergestalt, dass sie nur insoweit korrigiert wird, als sie mit den Anforderungen der vorgenannten Richtlinien nicht übereinstimmt, und im überschießenden - nicht europarechtlich determinierten - Teil unverändert bleibt (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 28).
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c) Die vorangegangene Kündigung des Versicherungsvertrages steht dem späteren Rücktritt nicht entgegen (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 36 m.w.N.). Ein Erlöschen des Rücktrittsrechts infolge beiderseits vollständiger Leistungserbringung (vgl. dazu Senatsurteil vom 16. Oktober 2013 - IV ZR 52/12, VersR 2013, 1513 Rn. 25 ff.) kommt hier ebenfalls nicht in Betracht, da eine analoge Anwendung der Regelungen aus § 7 Abs. 2 VerbrKrG, § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG nach Außerkrafttreten dieser Gesetze bereits zum Zeitpunkt der Abwicklung des Vertrages im Jahre 2005 nicht mehr möglich ist (vgl. dazu Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 37 m.w.N.).
29
Auch der von der Beklagten erhobene Verwirkungseinwand greift nicht (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 39).
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3. Die Rücktrittsfolgen sind nicht auf eine Wirkung ab Zugang der Rücktrittserklärung (ex nunc) zu beschränken, sondern nur eine Rückwirkung entspricht dem unionsrechtlichen Effektivitätsgebot (dazu im Einzelnen Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 42-44).
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4. Ohne Erfolg hat sich die Beklagte in der mündlichen Verhandlung und mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2014 darauf berufen, der Ausübung des Rücktrittsrechts stehe eine analoge Anwendung des § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB a.F. entgegen, der das Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Fernabsatzverträgen für bestimmte Finanzdienstleistungen ausschließt, zu denen nach Auffassung der Beklagten auch fondsgebundene Rentenversicherungen zählen.
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Der früher in § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB a.F., nunmehr in § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 BGB geregelte Ausschluss des Widerrufsrechts (BTDrucks. 17/12637 S. 56) wurde eingefügt durch das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen vom 2. Dezember 2004 und trat am 8. Dezember 2004 in Kraft. Darin wurde die so genannte Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen (2002/65/EG, ABl. L 271, S. 16) umgesetzt.
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Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob die Regelung auch für das in § 8 Abs. 5 VVG a.F. geregelte Rücktrittsrecht und den hier in Rede stehenden Versicherungsvertrag Geltung beansprucht, denn eine - auch analoge - Anwendung kommt unabhängig vom Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB a.F. im Streitfall schon deshalb nicht in Betracht, weil der zeitliche Geltungsbereich der Norm nicht eröffnet ist. Der Rentenversicherungsvertrag wurde bereits im Jahre 2000 geschlossen. Nach Art. 229 § 11 Abs. 1 Satz 1 EGBGB findet auf bis zum Ablauf des 7. Dezember 2004 entstandene Schuldverhältnisse das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung Anwendung.
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5. Die Abweisung der Klage erweist sich auch nicht deshalb als richtig, weil die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung durchgriffe. Wie das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend entschieden hat, ist der Anspruch der Klägerin aus § 346 Abs. 1 BGB nicht ver- jährt. Auch wenn Gestaltungsrechte nicht verjähren, so kann ihre Ausübung Rückabwicklungsansprüche begründen, die der Verjährung unterliegen (Palandt/Ellenberger, BGB 73. Aufl. § 194 Rn. 4). Der Rückgewähranspruch entsteht mit dem wirksam erklärten Rücktritt (vgl. BGH, Urteil vom 15. November 2006 - VIII ZR 3/06, BGHZ 170, 31 Rn. 37; MünchKomm-BGB/Gaier, 6. Aufl. § 346 Rn. 32; Soergel/Lobinger, BGB 13. Aufl. § 346 Rn. 60; Staudinger/Kaiser, BGB Bearb. 2012 § 346 Rn. 305). Die Klägerin erklärte den Rücktritt - wie bereits dargelegt - mit Schreiben vom 3. Dezember 2009. Die Verjährungsfrist des § 195 BGB war daher bei Erhebung der Klage im Jahre 2010 in keinem Falle abgelaufen.
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III. Die Sache ist noch nicht entscheidungsreif, weil sich das Berufungsgericht - aus seiner Sicht konsequent - bislang nicht mit der Höhe der nach § 346 Abs. 1 BGB zurück zu gewährenden Leistungen und Nutzungszinsen befasst hat.
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Insoweit wird es zu berücksichtigen haben, dass im Rahmen einer - wie hier - gemeinschaftsrechtlich geforderten rechtsfortbildenden Auslegung einer nationalen Norm bei der Regelung der Rechtsfolgen nach nationalem Recht ein vernünftiger Ausgleich und eine gerechte Risikoverteilung zwischen den Beteiligten hergestellt werden darf. Dies hat der Senat zu § 5a VVG a.F. entschieden (Senatsurteil vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11 aaO Rn. 45). So ist es auch im Streitfall, in dem die Befristung des Rechts des nicht ordnungsgemäß belehrten Versicherungsnehmers , sich vom Vertrag zu lösen, - ebenso wie es im Falle des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. war - im Anwendungsbereich der Zweiten und Dritten Richtlinie Lebensversicherung mit Rücksicht auf die gebotene richtlinienkonforme teleologische Reduktion unanwendbar ist. Eine einschränkungslose , allein unter dem national-rechtlichen Blickwinkel betrachtete , Ausgestaltung des Rücktrittsrechts auf der Rechtsfolgenseite wäre auch hier nicht sachgerecht.
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Daher ist auch insoweit als Folge der gebotenen gemeinschaftskonformen Auslegung einer Beachtung der beiderseitigen Interessen Rechnung zu tragen. Ebenso wie in dem vom Senat am 7. Mai 2014 entschiedenen Fall hat die Versicherungsnehmerin im Streitfall während der Prämienzahlung Versicherungsschutz genossen, und es ist auch hier davon auszugehen, dass dieser im Versicherungsfall in Anspruch genommen worden wäre. Mit Blick darauf führte eine Verpflichtung des Versicherers zur Rückgewähr sämtlicher Prämien auch hier zu einem Ungleichgewicht innerhalb der Gemeinschaft der Versicherten. Vielmehr muss sich die Klägerin bei entsprechendem Vortrag des beklagten Versicherers im Rahmen der Rückabwicklung nach § 346 BGB einen Wertersatz für den Versicherungsschutz anrechnen lassen, den sie jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossen hat. § 346 Abs. 2 Satz 1 BGB, mit dem der Gesetzgeber eine Regelung geschaffen hat, nach welcher für die Rückabwicklung nach Rücktritts- und nach Bereicherungsrecht - soweit möglich - gleiche Prinzipien gelten sollten (BT-Drucks. 14/6040 S. 194 f.), lässt nach nationalem Recht einen solchen Wertersatz zu. Dabei kann in Fällen der vorliegenden Art - wie der Senat zu § 5a VVG a.F. bereits entschieden hat - der Wert des Versicherungs- schutzes unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden , wobei im Falle von Lebensversicherungen etwa dem Risikoanteil Bedeutung zukommen kann (Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 45).
Mayen Wendt Felsch
Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski

Vorinstanzen:
AG Braunschweig, Entscheidung vom 16.03.2011- 114 C 1621/10 -
LG Braunschweig, Entscheidung vom 11.11.2011- 7 S 157/11 -

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.