Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juni 2017 - I ZB 95/16

bei uns veröffentlicht am14.06.2017
vorgehend
Amtsgericht Rottenburg, M 159/16, 10.03.2016
Landgericht Tübingen, 5 T 98/16, 20.09.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 95/16
vom
14. Juni 2017
in der Rechtsbeschwerdesache
ECLI:DE:BGH:2017:140617BIZB95.16.0

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Juni 2017 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die Richter Dr. Kirchhoff, Prof. Dr. Koch, Dr. Löffler und Feddersen

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Gläubigers wird der Beschluss des Landgerichts Tübingen - 5. Zivilkammer (Einzelrichter) - vom 20. September 2016 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht (Einzelrichter ) zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
Gegenstandswert: 250,32 €

Gründe:


I. Der Gläubiger, eine Anstalt des öffentlichen Rechts, ist die unter der Be1 zeichnung "Südwestrundfunk" tätige Landesrundfunkanstalt in den Ländern Baden -Württemberg und Rheinland-Pfalz. Er betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung wegen rückständiger Rundfunkbeiträge.
2
Der Gläubiger richtete an das Amtsgericht Rottenburg - Gerichtsvollzieherverteilerstelle - ein Vollstreckungsersuchen, in dem er die Durchführung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen - unter anderem der Bestimmung eines Termins zur Abnahme der Vermögensauskunft gemäß § 802f Abs. 1 ZPO - gegen den Schuldner beantragte. Die letzte Seite des Vollstreckungsersuchens enthielt eine "Aufstellung der rückständigen Forderungen" und den vorangestellten Hinweis: "Dem Beitragsschuldner sind bereits Festsetzungsbescheide und Mahnungen mit folgenden Daten unter der Beitragsnummer ... zugesandt worden". Mit Schreiben vom 8. Dezember 2015 lud der Gerichtsvollzieher den Schuldner zur Abgabe der Vermögensauskunft. Nachdem der Schuldner zu dem Termin erschienen war, die Abgabe der Vermögensauskunft aber verweigert hatte, ordnete der Gerichtsvollzieher die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis an.
3
Mit Beschluss vom 10. März 2016 hat das Vollstreckungsgericht die gegen die Vollstreckungsmaßnahmen gerichtete Erinnerung des Schuldners vom 10. Februar 2016 zurückgewiesen. Auf die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners hat das Beschwerdegericht (Einzelrichter) den Beschluss des Vollstreckungsgerichts aufgehoben und die Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungsersuchen des Gläubigers für unzulässig erklärt. Mit der vom Beschwerdegericht (Einzelrichter) zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Gläubiger seinen Antrag auf Zurückweisung der sofortigen Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss des Vollstreckungsgerichts vom 10. März 2016 weiter.
4
II. Das Beschwerdegericht (Einzelrichter) ist von der Zulässigkeit und Begründetheit der Beschwerde des Schuldners ausgegangen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
5
Die Beschwerde sei bereits wegen fehlender Zustellung des Vollstreckungstitels begründet. Voraussetzung für die Zwangsvollstreckung sei eine Zustellung der Bescheide. Der Schuldner habe den Zugang bestritten. Das Vollstreckungsgericht habe sich zu Unrecht auf die Zugangsvermutung gemäß §§ 41, 43 Verwaltungsverfahrensgesetz für Baden-Württemberg (LVwVfG BW) gestützt. Diese Vorschriften seien gemäß § 2 LVwVfG BW nicht anwendbar. Die Zustellung richte sich vielmehr nach den allgemeinen Vorschriften gemäß §§ 130, 132 BGB. Für eine entsprechende Anwendung der Grundsätze der Zustellungsfiktion durch Aufgabe bei der Post gemäß § 41 LVwVfG BW sei angesichts dieser Vorschriften kein Raum.
6
Die Beschwerde des Schuldners sei zudem begründet, weil es an der materiellen Behördeneigenschaft des Gläubigers fehle. Diese sei ebenfalls als Vollstreckungsvoraussetzung vom Vollstreckungsgericht zu prüfen.
7
III. Die vom Beschwerdegericht (Einzelrichter) zugelassene Rechtsbeschwerde hat Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung an das Beschwerdegericht.
8
1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch sonst zulässig (§ 575 ZPO). Ihre Zulassung ist nicht deshalb unwirksam, weil der Einzelrichter entgegen § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO anstelle des Kollegiums entschieden hat (BGH, Beschluss vom 13. März 2003 - IX ZB 134/02, BGHZ 154, 200, 201).
9
2. Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der angefochtene Beschluss des Einzelrichters ist aufzuheben, weil er unter Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters ergangen ist (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG).
10
a) Der Einzelrichter durfte über die Beschwerde nicht selbst entscheiden, sondern hätte das Verfahren wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO der mit drei Richtern besetzten Kammer übertragen müssen. Dem originären Einzelrichter nach § 568 ZPO ist die Entscheidung von Rechtssachen grundsätzlicher Bedeutung schlechthin versagt (st. Rspr.; vgl. BGHZ 154, 200, 202; BGH, Beschluss vom 16. Mai 2012 - I ZB 65/11, NJW 2012, 3518 Rn. 4; Beschluss vom 7. Januar 2016 - I ZB 110/14, NJW 2016, 645 Rn. 10; Beschluss vom 21. Juli 2016 - I ZB 121/15, juris Rn. 5). Der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung ist im weitesten Sinne zu verstehen, so dass nicht der Einzelrichter, sondern das Kollegium auch dann entscheiden muss, wenn zur Fortbildung des Rechts oder - wie vorliegend vom Einzelrichter angenommen - zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsmittelgerichts geboten ist (st. Rspr.; vgl. BGHZ 154, 200, 202; Beschluss vom 24. November 2011 - VII ZB 33/11, NJW-RR 2012, 441 Rn. 9; BGH, NJW 2016, 645 Rn. 10; BGH, Beschluss vom 27. April 2017 - I ZB 91/16). Damit hat der Einzelrichter das Gebot des gesetzlichen Richters grundlegend verkannt. Die Nichtübertragung des Verfahrens auf die voll besetzte Kammer erfüllte die Voraussetzungen der objektiven Willkür. Sie war offensichtlich unvertretbar und lag außerhalb der Gesetzlichkeit , so dass Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt ist (vgl. BGHZ 154, 200, 203).
11
b) Die Rechtsbeschwerde hat den Verstoß gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters gerügt. Im Übrigen war der Verstoß vom Senat von Amts wegen zu berücksichtigen (BGHZ 154, 200, 203). Der Berücksichtigung der Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG steht § 568 Satz 3 ZPO nicht entgegen (BGHZ 154, 200, 204).
12
3. Die Aufhebung führt zur Zurückverweisung der Sache an den Einzelrichter , der den angefochtenen Beschluss erlassen hat. Wegen der durch die Rechtsbeschwerde angefallenen Gerichtskosten macht der Senat von der Möglichkeit des § 21 GKG Gebrauch. Diese Kosten wären bei richtiger Behandlung der Sache durch den Einzelrichter nicht entstanden.
13
IV. Für die neue Entscheidung weist der Senat auf Folgendes hin:
14
1. Die Annahme des Beschwerdegerichts, die Beschwerde des Schuldners sei begründet, weil eine wirksame Zustellung nicht nachgewiesen sei und damit eine Grundvoraussetzung der Zwangsvollstreckung fehle, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Zustellung eines "Titels" ist ebenso wenig Voraussetzung der Beitreibung von Rundfunkbeiträgen wie die Zustellung des Vollstreckungsersuchens der Gläubigerin. Entgegen der Annahme des Beschwerdegerichts ist auch die wirksame Zustellung eines Beitragsbescheids keine Vollstreckungsvoraussetzung (vgl. BGH, Beschluss vom 27. April 2017 - I ZB 91/16).
15
2. Die weitere Annahme des Beschwerdegerichts, die Beschwerde des Schuldners sei außerdem begründet, weil dem Gläubiger die "materielle Behördeneigenschaft" fehle, hält der rechtlichen Nachprüfung ebenfalls nicht stand (vgl. BGH, Beschluss vom 27. April 2017 - I ZB 91/16).
Büscher Kirchhoff Koch
Löffler Feddersen
Vorinstanzen:
AG Rottenburg am Neckar, Entscheidung vom 10.03.2016 - M 159/16 -
LG Tübingen, Entscheidung vom 20.09.2016 - 5 T 98/16 -

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(1) Zur Abnahme der Vermögensauskunft setzt der Gerichtsvollzieher dem Schuldner für die Begleichung der Forderung eine Frist von zwei Wochen. Zugleich bestimmt er für den Fall, dass die Forderung nach Fristablauf nicht vollständig beglichen ist, einen Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft alsbald nach Fristablauf und lädt den Schuldner zu diesem Termin in seine Geschäftsräume. Der Schuldner hat die zur Abgabe der Vermögensauskunft erforderlichen Unterlagen im Termin beizubringen. Der Fristsetzung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn der Gerichtsvollzieher den Schuldner bereits zuvor zur Zahlung aufgefordert hat und seit dieser Aufforderung zwei Wochen verstrichen sind, ohne dass die Aufforderung Erfolg hatte.

(2) Abweichend von Absatz 1 kann der Gerichtsvollzieher bestimmen, dass die Abgabe der Vermögensauskunft in der Wohnung des Schuldners stattfindet. Der Schuldner kann dieser Bestimmung binnen einer Woche gegenüber dem Gerichtsvollzieher widersprechen. Andernfalls gilt der Termin als pflichtwidrig versäumt, wenn der Schuldner in diesem Termin aus Gründen, die er zu vertreten hat, die Vermögensauskunft nicht abgibt.

(3) Mit der Terminsladung ist der Schuldner über die nach § 802c Abs. 2 erforderlichen Angaben zu belehren. Der Schuldner ist über seine Rechte und Pflichten nach den Absätzen 1 und 2, über die Folgen einer unentschuldigten Terminssäumnis oder einer Verletzung seiner Auskunftspflichten sowie über die Möglichkeit der Einholung von Auskünften Dritter nach § 802l und der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis bei Abgabe der Vermögensauskunft nach § 882c zu belehren.

(4) Zahlungsaufforderungen, Ladungen, Bestimmungen und Belehrungen nach den Absätzen 1 bis 3 sind dem Schuldner zuzustellen, auch wenn dieser einen Prozessbevollmächtigten bestellt hat; einer Mitteilung an den Prozessbevollmächtigten bedarf es nicht. Dem Gläubiger ist die Terminsbestimmung nach Maßgabe des § 357 Abs. 2 mitzuteilen.

(5) Der Gerichtsvollzieher errichtet in einem elektronischen Dokument eine Aufstellung mit den nach § 802c Absatz 1 und 2 erforderlichen Angaben (Vermögensverzeichnis). Diese Angaben sind dem Schuldner vor Abgabe der Versicherung nach § 802c Abs. 3 vorzulesen oder zur Durchsicht auf einem Bildschirm wiederzugeben. Dem Schuldner ist auf Verlangen ein Ausdruck zu erteilen.

(6) Der Gerichtsvollzieher hinterlegt das Vermögensverzeichnis bei dem zentralen Vollstreckungsgericht nach § 802k Abs. 1 und leitet dem Gläubiger unverzüglich einen Ausdruck zu. Der Ausdruck muss den Vermerk enthalten, dass er mit dem Inhalt des Vermögensverzeichnisses übereinstimmt; § 802d Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 gilt entsprechend.

(1) Eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, wird, wenn sie in dessen Abwesenheit abgegeben wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihm zugeht. Sie wird nicht wirksam, wenn dem anderen vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht.

(2) Auf die Wirksamkeit der Willenserklärung ist es ohne Einfluss, wenn der Erklärende nach der Abgabe stirbt oder geschäftsunfähig wird.

(3) Diese Vorschriften finden auch dann Anwendung, wenn die Willenserklärung einer Behörde gegenüber abzugeben ist.

(1) Eine Willenserklärung gilt auch dann als zugegangen, wenn sie durch Vermittlung eines Gerichtsvollziehers zugestellt worden ist. Die Zustellung erfolgt nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung.

(2) Befindet sich der Erklärende über die Person desjenigen, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben ist, in einer nicht auf Fahrlässigkeit beruhenden Unkenntnis oder ist der Aufenthalt dieser Person unbekannt, so kann die Zustellung nach den für die öffentliche Zustellung geltenden Vorschriften der Zivilprozessordnung erfolgen. Zuständig für die Bewilligung ist im ersteren Falle das Amtsgericht, in dessen Bezirk der Erklärende seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines inländischen Wohnsitzes seinen Aufenthalt hat, im letzteren Falle das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Person, welcher zuzustellen ist, den letzten Wohnsitz oder in Ermangelung eines inländischen Wohnsitzes den letzten Aufenthalt hatte.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Entscheidung, gegen die die Rechtsbeschwerde gerichtet wird und
2.
die Erklärung, dass gegen diese Entscheidung Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der angefochtenen Entscheidung vorgelegt werden.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend.

(3) Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit die Entscheidung des Beschwerdegerichts oder des Berufungsgerichts angefochten und deren Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge),
2.
in den Fällen des § 574 Abs. 1 Nr. 1 eine Darlegung zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2,
3.
die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar
a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
b)
soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Beschwerde- und die Begründungsschrift anzuwenden. Die Beschwerde- und die Begründungsschrift sind der Gegenpartei zuzustellen.

(5) Die §§ 541 und 570 Abs. 1, 3 gelten entsprechend.

Das Beschwerdegericht entscheidet durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren dem Beschwerdegericht zur Entscheidung in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung, wenn

1.
die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder
2.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

Das Beschwerdegericht entscheidet durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren dem Beschwerdegericht zur Entscheidung in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung, wenn

1.
die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder
2.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.

4
Die angefochtene Entscheidung ist unter Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) ergangen. Der Einzelrichter durfte nicht selbst entscheiden, sondern hätte das Verfahren wegen der von ihm bejahten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO der mit drei Richtern besetzten Kammer übertragen müssen. Dem originären Einzelrichter nach § 568 ZPO ist die Entscheidung von Rechtssachen grundsätzlicher Bedeutung schlechthin versagt (BGH, Beschluss vom 13. März 2002 - IX ZB 134/02, BGHZ 154, 200, 202).
9
Diese Auffassung ist unzutreffend. Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass der Einzelrichter auch dann zur Übertragung auf das Kollegium nach § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO verpflichtet ist, wenn er den Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung für gegeben erachtet. Die grundsätzliche Bedeutung ist nämlich im weitesten Sinne zu verstehen, so dass nicht der Einzelrichter, sondern das Kollegium entscheiden muss, wenn zur Fortbildung des Rechts oder zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsmittelgerichts geboten ist (BGH, Beschluss vom 13. März 2003 - IX ZB 134/02, BGHZ 154, 200 Rn. 6 bei juris; Beschluss vom 11. September 2003 - XII ZB 188/02, NJW 2003, 3712 m.w.N.; Beschluss vom 10. November 2003 - II ZB 14/02, NJW 2004, 448).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 91/16
vom
27. April 2017
in der Rechtsbeschwerdesache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO § 568 Satz 2 Nr. 2, § 802f; RBStV § 10; LVwVG BW § 15a Abs. 3; LVwVfG BW
§ 41 Abs. 2 Satz 1; VwVfG § 1 Abs. 4

a) Im Verfahren der Beitreibung von Rundfunkbeiträgen im Wege der Verwaltungsvollstreckung
findet die Überprüfung der wirksamen Zustellung eines Beitragsbescheids
durch den Gerichtsvollzieher und das Vollstreckungsgericht nicht statt.
Grundlage der beantragten Zwangsvollstreckungsmaßnahme gemäß § 15a
Abs. 3 Satz 2 LVwVG BW ist nicht der Beitragsbescheid, sondern das schriftliche
Vollstreckungsersuchen der Vollstreckungsbehörde.

b) Die zuständige Landesrundfunkanstalt ist Vollstreckungsbehörde im Sinne von
§ 15a LVwVG BW.
BGH, Beschluss vom 27. April 2017 - I ZB 91/16 - LG Tübingen
AG Tübingen
ECLI:DE:BGH:2017:270417BIZB91.16.0

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. April 2017 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die Richter Prof. Dr. Schaffert, Prof. Dr. Koch, Dr. Löffler und Feddersen

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Gläubigers wird der Beschluss des Landgerichts Tübingen - 5. Zivilkammer (Einzelrichter) - vom 20. September 2016 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht (Einzelrichter ) zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
Gegenstandswert: 215,76 €

Gründe:


A. Der Gläubiger, eine Anstalt des öffentlichen Rechts, ist die unter der
1
Bezeichnung "Südwestrundfunk" tätige Landesrundfunkanstalt in den Ländern Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Er betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung wegen rückständiger Rundfunkbeiträge.
2
Der Gläubiger richtete an das Amtsgericht Tübingen - Gerichtsvollzieherverteilerstelle - ein Vollstreckungsersuchen, in dem er die Durchführung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen - unter anderem der Bestimmung eines Termins zur Abnahme der Vermögensauskunft gemäß § 802f Abs. 1 ZPO - gegen den Schuldner beantragte. Die letzte Seite des Vollstreckungsersuchens enthielt eine "Aufstellung der rückständigen Forderungen" und den vorangestellten Hinweis: "Dem Beitragsschuldner sind bereits Festsetzungsbescheide und Mahnungen mit folgenden Daten unter der Beitragsnummer ... zugesandt worden". Mit Schreiben vom 29. Juni 2016 forderte die Gerichtsvollzieherin den Schuldner zur Zahlung binnen zwei Wochen auf und lud ihn zur Abgabe der Vermögensauskunft.
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Mit Beschluss vom 14. Juli 2016 hat das Vollstreckungsgericht die gegen die Ladung gerichtete Erinnerung des Schuldners vom 8. Juli 2016 zurückgewiesen. Auf die - nach Annahme des Beschwerdegerichts - dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners hat das Beschwerdegericht (Einzelrichter ) den Beschluss des Vollstreckungsgerichts aufgehoben und die Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungsersuchen des Gläubigers für unzulässig erklärt. Mit der vom Beschwerdegericht (Einzelrichter) zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Gläubiger seinen Antrag auf Zurückweisung der sofortigen Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss des Vollstreckungsgerichts vom 14. Juli 2016 weiter.
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B. Das Beschwerdegericht (Einzelrichter) ist von der Zulässigkeit und Begründetheit der Beschwerde des Schuldners ausgegangen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
5
Die Beschwerde sei bereits wegen fehlender Zustellung des Vollstreckungstitels begründet. Voraussetzung für die Zwangsvollstreckung sei eine Zustellung der Bescheide. Der Schuldner habe den Zugang bestritten. Das Vollstreckungsgericht habe sich zu Unrecht auf die Zugangsvermutung gemäß §§ 41, 43 Verwaltungsverfahrensgesetz für Baden-Württemberg (LVwVfG BW) gestützt. Diese Vorschriften seien gemäß § 2 LVwVfG BW nicht anwendbar. Die Zustellung richte sich vielmehr nach den allgemeinen Vorschriften gemäß §§ 130, 132 BGB. Für eine entsprechende Anwendung der Grundsätze der Zustellungsfiktion durch Aufgabe bei der Post gemäß § 41 LVwVfG BW sei angesichts dieser Vorschriften kein Raum.
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Die Beschwerde des Schuldners sei zudem begründet, weil es an der materiellen Behördeneigenschaft des Gläubigers fehle. Diese sei ebenfalls als Vollstreckungsvoraussetzung vom Vollstreckungsgericht zu prüfen.
7
C. Die vom Beschwerdegericht (Einzelrichter) zugelassene Rechtsbeschwerde hat Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
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I. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch sonst zulässig (§ 575 ZPO). Ihre Zulassung ist nicht deshalb unwirksam, weil der Einzelrichter entgegen § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO anstelle des Kollegiums entschieden hat (BGH, Beschluss vom 13. März 2003 - IX ZB 134/02, BGHZ 154, 200, 201).
9
II. Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der angefochtene Beschluss des Einzelrichters ist aufzuheben, weil er unter Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters ergangen ist (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG).

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1. Der Einzelrichter durfte über die Beschwerde nicht selbst entscheiden, sondern hätte das Verfahren wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO der mit drei Richtern besetzten Kammer übertragen müssen. Dem originären Einzelrichter nach § 568 ZPO ist die Entscheidung von Rechtssachen grundsätzlicher Bedeutung schlechthin versagt (st. Rspr.; vgl. BGHZ 154, 200, 202; BGH, Beschluss vom 16. Mai 2012 - I ZB 65/11, NJW 2012, 3518 Rn. 4; Beschluss vom 7. Januar 2016 - I ZB 110/14, NJW 2016, 645 Rn. 10; Beschluss vom 21. Juli 2016 - I ZB 121/15, juris Rn. 5). Der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung ist im weitesten Sinne zu verstehen, so dass nicht der Einzelrichter, sondern das Kollegium auch dann entscheiden muss, wenn zur Fortbildung des Rechts oder - wie vorliegend vom Einzelrichter angenommen - zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsmittelgerichts geboten ist (st. Rspr.; vgl. BGHZ 154, 200, 202; Beschluss vom 24. November 2011 - VII ZB 33/11, NJW-RR 2012, 441 Rn. 9; Beschluss vom 7. Januar 2016 - I ZB 110/14, NJW 2016, 645 Rn. 10). Damit hat der Einzelrichter das Gebot des gesetzlichen Richters grundlegend verkannt. Die Nichtübertragung des Verfahrens auf die voll besetzte Kammer erfüllte die Voraussetzungen der objektiven Willkür. Sie war offensichtlich unvertretbar und lag außerhalb der Gesetzlichkeit , so dass Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt ist (vgl. BGHZ 154, 200, 203).
11
2. Die Rechtsbeschwerde hat den Verstoß gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters gerügt. Im Übrigen war der Verstoß vom Senat von Amts wegen zu berücksichtigen (BGHZ 154, 200, 203). Der Berücksichtigung der Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG steht § 568 Satz 3 ZPO nicht entgegen (BGHZ 154, 200, 204).
12
III. Die Aufhebung führt zur Zurückverweisung der Sache an den Einzelrichter , der den angefochtenen Beschluss erlassen hat. Wegen der durch die Rechtsbeschwerde angefallenen Gerichtskosten macht der Senat von der Möglichkeit des § 21 GKG Gebrauch. Diese Kosten wären bei richtiger Behandlung der Sache durch den Einzelrichter nicht entstanden.
13
D. Für die neue Entscheidung weist der Senat auf Folgendes hin:
14
I. Das Beschwerdegericht ist davon ausgegangen, dass der Schuldner gegen den Beschluss des Vollstreckungsgerichts vom 14. Juli 2016 form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt hat. Diese Annahme ist aktenwidrig. Der Gerichtsakte lässt sich eine entsprechende Beschwerdeschrift des Schuldners nicht entnehmen. Bestandteil der Akte ist lediglich ein als "Sofortige Beschwerde nach § 793 ZPO" bezeichnetes und am 9. Mai 2016, also vor Erlass des Beschlusses des Vollstreckungsgerichts (14. Juli 2016) eingegangenes Schreiben des Schuldners vom 7. Mai 2016. Ein ebenfalls bei der Akte befindliches Schreiben vom 2. März 2016 betrifft eine "Beschwerde gegen den Beschluss vom 23. Februar 2016" und ist für das vorliegende Verfahren ebenfalls ohne Belang.
15
II. Die Annahme des Beschwerdegerichts, die Beschwerde des Schuldners sei begründet, weil eine wirksame Zustellung nicht nachgewiesen sei und damit eine Grundvoraussetzung der Zwangsvollstreckung fehle, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
16
1. Dem Beschluss des Beschwerdegerichts lässt sich bereits nicht hinreichend klar entnehmen, worauf sich das von ihm angenommene Zustellungserfordernis beziehen soll. Das Beschwerdegericht spricht insoweit zum einen von einem Fehlen der Zustellung der "Bescheide", zum anderen von einer fehlenden "Titelzustellung".
17
2. Die Zustellung eines "Titels" ist ebenso wenig Voraussetzung der Beitreibung von Rundfunkbeiträgen wie die Zustellung des Vollstreckungsersuchens der Gläubigerin.
18
a) Rückständige Rundfunkbeiträge werden gemäß § 10 Abs. 5 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags vom 17. Dezember 2010 (RBStV) durch die zuständige Landesrundfunkanstalt festgesetzt und im Verwaltungsvollstreckungsverfahren vollstreckt (§ 10 Abs. 6 RBStV). Die Vollstreckung erfolgt im Land Baden -Württemberg gemäß § 13 Abs. 1 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für Baden-Württemberg (LVwVG BW) durch Beitreibung.
19
b) Für die Beitreibung durch den Gerichtsvollzieher auf Ersuchen der Vollstreckungsbehörden gelten die in § 15a Abs. 3 LVwVG BW geregelten Vollstreckungsvoraussetzungen (BGH, Beschluss vom 11. Juni 2015 - I ZB 64/14, AfP 2016, 48 Rn. 27; Beschluss vom 8. Oktober 2015 - VII ZB 11/15, NJW-RR 2016, 378 Rn. 14; Beschluss vom 21. Oktober 2015 - I ZB 6/15, NVwZ-RR 2016, 117 Rn. 20). Danach finden die Vorschriften des Achten Buches der Zivilprozessordnung mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle der vollstreckbaren Ausfertigung des Schuldtitels das schriftliche Vollstreckungsersuchen der Vollstreckungsbehörde tritt und es keiner Zustellung des Vollstreckungsersuchens bedarf (§ 15a Abs. 3 Satz 2 LVwVfG BW). Diese Voraussetzungen sind auch im Streitfall maßgeblich. Die Gerichtsvollzieherin ist aufgrund des schriftlichen Vollstreckungsersuchens des Gläubigers vom 1. Mai 2015 tätig geworden.

20
3. Entgegen der Annahme des Beschwerdegerichts ist auch die wirksame Zustellung eines Beitragsbescheids keine Vollstreckungsvoraussetzung.
21
a) Das Erfordernis der Zustellung eines "Grundbescheids" besteht schon deshalb nicht, weil ein solcher Beitragsbescheid weder gesetzlich vorgesehen noch für die Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes erforderlich ist. Die Rundfunkgebührenpflicht entsteht kraft Gesetzes, ohne dass der Erlass eines Gebührenfestsetzungsbescheids erforderlich ist (BGH, AfP 2016, 48 Rn. 53 mwN).
22
b) Bescheide der Rundfunkanstalten sind erst für die zwangsweise Beitreibung rückständiger Gebühren und Beiträge erforderlich (BGH, AfP 2016, 48 Rn. 53). Gegen diese Bescheide kann der Schuldner sowohl vor Einleitung der Vollstreckung als auch nach einer Entrichtung der Gebühr oder des Beitrags nebst eventueller Säumniszuschläge den Verwaltungsrechtsweg beschreiten (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 30. Januar 2008 - 1 BvR 829/06, juris Rn. 21 ff.; BGH, AfP 2016, 48 Rn. 53; BVerwG, Urteil vom 18. März 2016 - 6 C 7/15, juris Rn. 54). Im Rahmen der im Verwaltungsrechtsweg zu überprüfenden Wirksamkeit des Bescheids kann es auch auf die Frage der Bekanntgabe ankommen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 4. Oktober 2016 - 2 S 1203/16, Entscheidungsumdruck II 2). Geht der Schuldner nicht erfolgreich im Wege des Verwaltungsrechtswegs gegen einen Festsetzungsbescheid vor und wird dieser unanfechtbar oder entfällt die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs, liegen die allgemeinen Voraussetzungen der Vollstreckung vor (§ 2 Nr. 1 und 2 LVwVG BW). Dies entspricht dem tragenden Grundsatz des Vollstreckungsrechts, dass nur die Unanfechtbarkeit und nicht (auch) die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts Vollstreckungsvoraussetzung ist (vgl. Deusch/Burr, BeckOK.VwVfG, 34. Edition, Stand 1. Oktober 2016, § 6 Rn. 20).
Eine wirksame Zustellung der Beitragsbescheide ist mithin keine Vollstreckungsvoraussetzung. § 15a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LVwVG BW verlangt lediglich, dass im Vollstreckungsersuchen der zu vollstreckende Verwaltungsakt bezeichnet wird; gemäß § 15a Abs. 4 Nr. 4 LVwVG BW reicht es zudem aus, dass das Vollstreckungsersuchen die Angabe enthält, der Verwaltungsakt sei unanfechtbar geworden (vgl. auch BGH, NJW-RR 2016, 378 Rn. 25). Die rechtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit oder Wirksamkeit des Verwaltungsaktes durch den Gerichtsvollzieher und das Vollstreckungsgericht findet im Vollstreckungsverfahren gerade nicht statt. Grundlage der beantragten Zwangsvollstreckungsmaßnahme gemäß § 15a Abs. 3 Satz 2 LVwVG BW ist nicht der Gebühren - oder Beitragsbescheid, sondern das schriftliche Vollstreckungsersuchen der Vollstreckungsbehörde (vgl. BGH, AfP 2016, 48 Rn. 54). Für den Einwand, die Zwangsvollstreckung aus Rundfunkbeitragsbescheiden sei unzulässig, weil die Bescheide rechtswidrig oder unwirksam seien, steht dem Beitragsschuldner der Verwaltungsrechtsweg offen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 4. Oktober 2016 - 2 S 1203/16, Entscheidungsumdruck unter I und II 1).
23
c) Soweit das Beschwerdegericht mit dem von ihm angenommenen Erfordernis der "Zustellung" der Beitragsbescheide deren Bekanntgabe zum Ausdruck bringen will, gehen seine Ausführungen an den im Streitfall maßgeblichen Umständen vorbei. Insbesondere stellt sich nicht die vom Beschwerdegericht umfangreich erörterte Frage, ob die in § 41 Abs. 2 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz für Baden-Württemberg (LVwVfG BW) geregelte Zugangsvermutung im Streitfall entsprechend Anwendung findet.
24
aa) Gemäß § 41 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG BW gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt , der im Inland durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Diese gesetzliche Annahme gilt allerdings nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen (§ 41 Abs. 2 Satz 3 LVwVfG BW). Eine Behörde kann allerdings ihrer Beweispflicht hinsichtlich des Zugangs nach den Grundsätzen des ersten Anscheins genügen, wenn sie Tatsachen vorträgt, aus denen nach allgemeiner Lebenserfahrung geschlossen werden kann, dass der Empfänger einen Bescheid oder ein Schreiben tatsächlich erhalten haben muss (BFH, Urteil vom 12. August 1981 - I R 140/78, BFHE 134, 213, 215; SaarlOVG, NVwZ-RR 2012, 131; SächsOVG, Beschluss vom 16. Juli 2012 - 3 A 663/10, juris Rn. 7; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 18. Februar 2016 - 11 BV 15.1164, juris Rn. 21 mwN). Maßgeblich kann insoweit sein, dass der Bescheid oder das Schreiben an eine Adresse gesandt wurde , unter der der Adressat bereits längere Zeit ansässig ist und er in jüngerer Zeit auch nachweislich mehrere Schreiben erhalten hat, auf die er reagiert hat. Relevant kann ferner sein, ob vorgetragen wurde, dass es unter der entsprechenden Adresse in der fraglichen Zeit Schwierigkeiten bei der Postzustellung gegeben hat. Weiter kann die Besonderheit berücksichtigt werden, ob Schreiben oder Bescheide als unzustellbar an die Behörde zurückgelangt sind (vgl. SaarlOVG, NVwZ-RR 2012, 131; SächsOVG, Beschluss vom 16. Juli 2012 - 3 A 663/10, juris Rn. 7; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 18. Februar 2016 - 11 BV 15.1164, ZfSch 2016, 297 Rn. 21).
25
bb) Von diesen Grundsätzen des Anscheinsbeweises - und entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts gerade nicht von der widerleglichen Vermutung des § 41 Abs. 2 Satz 1 VwVfG BW - ist zutreffend das Vollstreckungsgericht ausgegangen. Es hat angenommen, der Schuldner habe einen Zugang der Beitragsbescheide nicht hinreichend substantiiert bestritten. Er habe keine Umstände darlegt und glaubhaft gemacht, aus denen sich plausibel ergebe, dass er die zum Gegenstand des Vollstreckungsersuchens gemachten Bescheide nicht erhalten habe, obwohl er offensichtlich andere Post, so auch die Gerichtspost und die Schreiben der Gerichtsvollzieherin unter der angegebenen Anschrift zuverlässig erhalten habe. Die Beschwerdeerwiderung hat vorgetragen, dass der Schuldner auf die versandten Bescheide durch eigene Schreiben reagiert , teilweise Widerspruch eingelegt und auch auf einen Widerspruchsbescheid geantwortet habe.
26
cc) Abweichende Feststellungen hat das Beschwerdegericht nicht getroffen. Es hat als wahr unterstellt, dass der Gläubiger die Bescheide zur Post gegeben hat. Auf die Feststellungen des Vollstreckungsgerichts und denVortrag des Gläubigers ist es nicht eingegangen. Es hat nicht geprüft, ob im Streitfall auf der Grundlage des vom Gläubiger gehaltenen und vom Vollstreckungsgericht festgestellten Sachverhalts nach der Lebenserfahrung von einem Zugang der Bescheide und damit von einer wirksamen Bekanntgabe auszugehen ist.
27
III. Die weitere Annahme des Beschwerdegerichts, die Beschwerde des Schuldners sei außerdem begründet, weil dem Gläubiger die "materielle Behördeneigenschaft" fehle, hält der rechtlichen Nachprüfung ebenfalls nicht stand.
28
1. Das Beschwerdegericht hat angenommen, als Vollstreckungsvoraussetzung sei zu prüfen, ob der Gläubiger eine Behörde bzw. eine Vollstreckungsbehörde sei. Der Begriff der Behörde sei in allen gesetzlichen Vorschriften in einem einheitlichen Sinne aufzufassen, und zwar im Sinne des Staatsund Verwaltungsrechts. Nach den insoweit geltenden Maßstäben sei der Gläubiger keine Behörde. Er trete unternehmerisch auf und handele gewerblich. Für die Behördeneigenschaft sei zudem zwingend Gesetzestreue erforderlich. Damit sei nicht vereinbar, dass der Gläubiger seine satzungsmäßigen Rechte überschreite und rechtsstaatlich und grundrechtlich gebotene Tilgungsbestimmungsrechte der Beitragsschuldner aushebele. Damit werde dem Beitrags- schuldner die Subjekteigenschaft genommen, er werde vielmehr zum Objekt eines lebenslangen Vollstreckungsverfahrens. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Rechtsbeschwerde mit Erfolg.
29
2. Bereits der Ausgangspunkt der Beurteilung des Beschwerdegerichts, der Begriff der Behörde sei in allen gesetzlichen Vorschriften in einem einheitlichen Sinn, und zwar im Sinn des Staats- und Verwaltungsrechts aufzufassen, ist unzutreffend.
30
a) Der Begriff der Behörde ist nicht einheitlich, sondern in einem funktionalen , auf das jeweilige Gesetz und den maßgeblichen Regelungskontext bezogenen Sinne zu verstehen. So bezieht etwa § 1 Abs. 4 VwVfG den Begriff der Behörde ausdrücklich auf das Verwaltungsverfahrensgesetz ("Behörde im Sinne dieses Gesetzes"). Der Behördenbegriff nach § 1 Abs. 4 VwVfG kann deshalb nicht ohne weiteres für andere Rechtsgebiete übernommen werden (vgl. Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl., § 1 Rn. 226 mwN; M. Ronellenfitsch in BeckOK.VwVfG, 34. Edition, Stand 1. April 2016, § 1 Rn. 65; Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl., § 1 Rn. 51, 51d; Schönenbroicher in Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 1 Rn. 45). Während die Bestimmung des § 1 Abs. 4 VwVfG voraussetzt, dass die als Behörde in Betracht kommende Stelle Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, ist der Behördenbegriff des Presserechts nicht organisatorisch-verwaltungstechnisch, sondern funktional -teleologisch dahin zu verstehen, dass auch juristische Personen des Privatrechts , die von der öffentlichen Hand beherrscht und zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben im Bereich der Daseinsvorsorge eingesetzt werden, unter den Begriff der Behörde fallen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2005 - III ZR 294/04, NJW 2005, 1720 f.). Der Behördenbegriff des Beamtenrechts gemäß § 26 Abs. 2 BBG ist nach dienstrechtlichen Grundsätzen (BVerwG, Urteil vom 24. Januar 1991 - 2 C 16/88, NJW 1991, 2980, 2981 mwN) und derjenige des Personen- standsgesetzes entsprechend der Zielsetzung von § 65 PStG auszulegen (Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs aaO § 1 Rn. 226 Fn. 643). Für den Behördenbegriff ist mithin maßgeblich auf den jeweiligen Regelungskontext abzustellen (vgl. OLG Bremen, NVwZ 2011, 1146, 1147 mwN).
31
b) Aus dem im Streitfall maßgeblichen Regelungszusammenhang und der ausdrücklich vom Gesetz vorgenommenen Begriffsbestimmung ergibt sich zweifelsfrei, dass der Gläubiger Vollstreckungsbehörde im Sinne von § 15a Abs. 3 und 4 LVwVG BW ist.
32
Gemäß § 10 Abs. 6 RBStV werden Bescheide, mit denen rückständige Rundfunkbeiträge festgesetzt werden, im Verwaltungsvollstreckungsverfahren vollstreckt. Für die Beitreibung von Beitragsbescheiden durch den Gerichtsvollzieher ist gemäß § 15a Abs. 3 Satz 2 LVwVG BW ein schriftliches Vollstreckungsersuchen der Vollstreckungsbehörde erforderlich. Gemäß § 4 Abs. 1 LVwVG BW ist unter dem Begriff der Vollstreckungsbehörde die Behörde zu verstehen, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Dies ist die zuständige Landesrundfunkanstalt (§ 10 Abs. 5 RBStV). Für die Festsetzung rückständigen Rundfunkbeiträge des Schuldners ist mithin kraft ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung die zuständige Landesrundfunkanstalt als Vollstreckungsbehörde anzusehen (vgl. BGH, AfP 2016, 48 Rn. 32; NJW-RR 2016, 378 Rn. 20).
33
3. Auch die weiteren Annahmen des Beschwerdegerichts halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
34
a) Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts hängt die im Streitfall maßgebliche Behördeneigenschaft nicht davon ab, ob der Gläubiger stets rechtmäßig handelt oder als "gesetzestreu" anzusehen ist. Im Hinblick auf die hier maßgebliche Frage, ob der Gläubiger als Landesrundfunkanstalt bei der ihm gesetzlich zugewiesenen Aufgabe der Festsetzung rückständiger Beiträge als Vollstreckungsbehörde im Sinne von § 15a LVwVG BW anzusehen ist, ist ferner nicht relevant, ob er im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Erbringer medialer Leistungen als Behörde im verwaltungsrechtlichen Sinne oder "unternehmerisch" auftritt. Insoweit erfüllt der Gläubiger im Rahmen des dualen Rundfunksystems in Konkurrenz zu privaten Rundfunkveranstaltern seine aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG folgende verfassungsrechtliche Aufgabe, den Bürgern eine mediale Grundversorgung zu bieten (vgl. BVerfGE 90, 60, 90). Davon zu unterscheiden ist die vorliegend allein maßgebliche Funktion, die der Gesetzgeber dem Gläubiger als Landesrundfunkanstalt bei der Festsetzung und Durchsetzung der ihm zur Erfüllung seiner Aufgaben zustehenden Beiträge verliehen hat.
35
Ebenfalls ist es unerheblich, ob der Gläubiger an öffentliches Besoldungsund Vergaberecht gebunden ist oder dieses anwendet, ob er Werbezeiten verkauft oder die rechtlichen Regelungen der Zulässigkeit von Sponsoring und Produktplatzierungen einhält, ob in Beitragsrechnungen von einer Behörde die Rede ist und ob Zahlungsaufforderungen als einfache Briefe verschickt werden.
36
Alle diese Umstände sind nicht nur für den im Streitfall allein maßgeblichen vollstreckungsrechtlichen Behördenbegriff ohne Bedeutung, sondern auch für den vom Beschwerdegericht selbst zugrunde gelegten "allgemeinen" Begriff der Behörde, der eine Einheit von Personen und sächlichen Mitteln voraussetzt, die mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestattet, in den Organismus der Staatsverwaltung eingeordnet und dazu berufen ist, unter öffentlicher Autorität für die Erreichung der Zwecke des Staates oder von ihm geförderter Zwecke tätig zu sein (vgl. BVerwG, NJW 1991, 2980 mwN).
37
b) Die Rechtsbeschwerde macht schließlich mit Recht geltend, dass das Beschwerdegericht seine Beurteilung nicht ohne weiteres auf tatsächliche Umstände stützen darf, die von keiner Partei im vorliegenden Verfahren vorgetragen oder von der Beschwerdeerwiderung bestritten oder abweichend vorgetragen wurden. Soweit sich das Beschwerdegericht auf gerichtsbekannte Umstände berufen oder von Offenkundigkeit ausgehen will, muss es dies so begründen , dass dem Rechtsbeschwerdegericht eine Überprüfung möglich ist.

Büscher Schaffert Koch
Löffler Feddersen
Vorinstanzen:
AG Tübingen, Entscheidung vom 14.07.2016 - 2 M 176/16 -
LG Tübingen, Entscheidung vom 20.09.2016 - 5 T 143/16 -

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

Das Beschwerdegericht entscheidet durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren dem Beschwerdegericht zur Entscheidung in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung, wenn

1.
die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder
2.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.

(1) Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, werden nicht erhoben. Das Gleiche gilt für Auslagen, die durch eine von Amts wegen veranlasste Verlegung eines Termins oder Vertagung einer Verhandlung entstanden sind. Für abweisende Entscheidungen sowie bei Zurücknahme eines Antrags kann von der Erhebung von Kosten abgesehen werden, wenn der Antrag auf unverschuldeter Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse beruht.

(2) Die Entscheidung trifft das Gericht. Solange nicht das Gericht entschieden hat, können Anordnungen nach Absatz 1 im Verwaltungsweg erlassen werden. Eine im Verwaltungsweg getroffene Anordnung kann nur im Verwaltungsweg geändert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 91/16
vom
27. April 2017
in der Rechtsbeschwerdesache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO § 568 Satz 2 Nr. 2, § 802f; RBStV § 10; LVwVG BW § 15a Abs. 3; LVwVfG BW
§ 41 Abs. 2 Satz 1; VwVfG § 1 Abs. 4

a) Im Verfahren der Beitreibung von Rundfunkbeiträgen im Wege der Verwaltungsvollstreckung
findet die Überprüfung der wirksamen Zustellung eines Beitragsbescheids
durch den Gerichtsvollzieher und das Vollstreckungsgericht nicht statt.
Grundlage der beantragten Zwangsvollstreckungsmaßnahme gemäß § 15a
Abs. 3 Satz 2 LVwVG BW ist nicht der Beitragsbescheid, sondern das schriftliche
Vollstreckungsersuchen der Vollstreckungsbehörde.

b) Die zuständige Landesrundfunkanstalt ist Vollstreckungsbehörde im Sinne von
§ 15a LVwVG BW.
BGH, Beschluss vom 27. April 2017 - I ZB 91/16 - LG Tübingen
AG Tübingen
ECLI:DE:BGH:2017:270417BIZB91.16.0

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. April 2017 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die Richter Prof. Dr. Schaffert, Prof. Dr. Koch, Dr. Löffler und Feddersen

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Gläubigers wird der Beschluss des Landgerichts Tübingen - 5. Zivilkammer (Einzelrichter) - vom 20. September 2016 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht (Einzelrichter ) zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
Gegenstandswert: 215,76 €

Gründe:


A. Der Gläubiger, eine Anstalt des öffentlichen Rechts, ist die unter der
1
Bezeichnung "Südwestrundfunk" tätige Landesrundfunkanstalt in den Ländern Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Er betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung wegen rückständiger Rundfunkbeiträge.
2
Der Gläubiger richtete an das Amtsgericht Tübingen - Gerichtsvollzieherverteilerstelle - ein Vollstreckungsersuchen, in dem er die Durchführung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen - unter anderem der Bestimmung eines Termins zur Abnahme der Vermögensauskunft gemäß § 802f Abs. 1 ZPO - gegen den Schuldner beantragte. Die letzte Seite des Vollstreckungsersuchens enthielt eine "Aufstellung der rückständigen Forderungen" und den vorangestellten Hinweis: "Dem Beitragsschuldner sind bereits Festsetzungsbescheide und Mahnungen mit folgenden Daten unter der Beitragsnummer ... zugesandt worden". Mit Schreiben vom 29. Juni 2016 forderte die Gerichtsvollzieherin den Schuldner zur Zahlung binnen zwei Wochen auf und lud ihn zur Abgabe der Vermögensauskunft.
3
Mit Beschluss vom 14. Juli 2016 hat das Vollstreckungsgericht die gegen die Ladung gerichtete Erinnerung des Schuldners vom 8. Juli 2016 zurückgewiesen. Auf die - nach Annahme des Beschwerdegerichts - dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners hat das Beschwerdegericht (Einzelrichter ) den Beschluss des Vollstreckungsgerichts aufgehoben und die Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungsersuchen des Gläubigers für unzulässig erklärt. Mit der vom Beschwerdegericht (Einzelrichter) zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Gläubiger seinen Antrag auf Zurückweisung der sofortigen Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss des Vollstreckungsgerichts vom 14. Juli 2016 weiter.
4
B. Das Beschwerdegericht (Einzelrichter) ist von der Zulässigkeit und Begründetheit der Beschwerde des Schuldners ausgegangen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
5
Die Beschwerde sei bereits wegen fehlender Zustellung des Vollstreckungstitels begründet. Voraussetzung für die Zwangsvollstreckung sei eine Zustellung der Bescheide. Der Schuldner habe den Zugang bestritten. Das Vollstreckungsgericht habe sich zu Unrecht auf die Zugangsvermutung gemäß §§ 41, 43 Verwaltungsverfahrensgesetz für Baden-Württemberg (LVwVfG BW) gestützt. Diese Vorschriften seien gemäß § 2 LVwVfG BW nicht anwendbar. Die Zustellung richte sich vielmehr nach den allgemeinen Vorschriften gemäß §§ 130, 132 BGB. Für eine entsprechende Anwendung der Grundsätze der Zustellungsfiktion durch Aufgabe bei der Post gemäß § 41 LVwVfG BW sei angesichts dieser Vorschriften kein Raum.
6
Die Beschwerde des Schuldners sei zudem begründet, weil es an der materiellen Behördeneigenschaft des Gläubigers fehle. Diese sei ebenfalls als Vollstreckungsvoraussetzung vom Vollstreckungsgericht zu prüfen.
7
C. Die vom Beschwerdegericht (Einzelrichter) zugelassene Rechtsbeschwerde hat Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
8
I. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch sonst zulässig (§ 575 ZPO). Ihre Zulassung ist nicht deshalb unwirksam, weil der Einzelrichter entgegen § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO anstelle des Kollegiums entschieden hat (BGH, Beschluss vom 13. März 2003 - IX ZB 134/02, BGHZ 154, 200, 201).
9
II. Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der angefochtene Beschluss des Einzelrichters ist aufzuheben, weil er unter Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters ergangen ist (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG).

10
1. Der Einzelrichter durfte über die Beschwerde nicht selbst entscheiden, sondern hätte das Verfahren wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO der mit drei Richtern besetzten Kammer übertragen müssen. Dem originären Einzelrichter nach § 568 ZPO ist die Entscheidung von Rechtssachen grundsätzlicher Bedeutung schlechthin versagt (st. Rspr.; vgl. BGHZ 154, 200, 202; BGH, Beschluss vom 16. Mai 2012 - I ZB 65/11, NJW 2012, 3518 Rn. 4; Beschluss vom 7. Januar 2016 - I ZB 110/14, NJW 2016, 645 Rn. 10; Beschluss vom 21. Juli 2016 - I ZB 121/15, juris Rn. 5). Der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung ist im weitesten Sinne zu verstehen, so dass nicht der Einzelrichter, sondern das Kollegium auch dann entscheiden muss, wenn zur Fortbildung des Rechts oder - wie vorliegend vom Einzelrichter angenommen - zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsmittelgerichts geboten ist (st. Rspr.; vgl. BGHZ 154, 200, 202; Beschluss vom 24. November 2011 - VII ZB 33/11, NJW-RR 2012, 441 Rn. 9; Beschluss vom 7. Januar 2016 - I ZB 110/14, NJW 2016, 645 Rn. 10). Damit hat der Einzelrichter das Gebot des gesetzlichen Richters grundlegend verkannt. Die Nichtübertragung des Verfahrens auf die voll besetzte Kammer erfüllte die Voraussetzungen der objektiven Willkür. Sie war offensichtlich unvertretbar und lag außerhalb der Gesetzlichkeit , so dass Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt ist (vgl. BGHZ 154, 200, 203).
11
2. Die Rechtsbeschwerde hat den Verstoß gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters gerügt. Im Übrigen war der Verstoß vom Senat von Amts wegen zu berücksichtigen (BGHZ 154, 200, 203). Der Berücksichtigung der Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG steht § 568 Satz 3 ZPO nicht entgegen (BGHZ 154, 200, 204).
12
III. Die Aufhebung führt zur Zurückverweisung der Sache an den Einzelrichter , der den angefochtenen Beschluss erlassen hat. Wegen der durch die Rechtsbeschwerde angefallenen Gerichtskosten macht der Senat von der Möglichkeit des § 21 GKG Gebrauch. Diese Kosten wären bei richtiger Behandlung der Sache durch den Einzelrichter nicht entstanden.
13
D. Für die neue Entscheidung weist der Senat auf Folgendes hin:
14
I. Das Beschwerdegericht ist davon ausgegangen, dass der Schuldner gegen den Beschluss des Vollstreckungsgerichts vom 14. Juli 2016 form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt hat. Diese Annahme ist aktenwidrig. Der Gerichtsakte lässt sich eine entsprechende Beschwerdeschrift des Schuldners nicht entnehmen. Bestandteil der Akte ist lediglich ein als "Sofortige Beschwerde nach § 793 ZPO" bezeichnetes und am 9. Mai 2016, also vor Erlass des Beschlusses des Vollstreckungsgerichts (14. Juli 2016) eingegangenes Schreiben des Schuldners vom 7. Mai 2016. Ein ebenfalls bei der Akte befindliches Schreiben vom 2. März 2016 betrifft eine "Beschwerde gegen den Beschluss vom 23. Februar 2016" und ist für das vorliegende Verfahren ebenfalls ohne Belang.
15
II. Die Annahme des Beschwerdegerichts, die Beschwerde des Schuldners sei begründet, weil eine wirksame Zustellung nicht nachgewiesen sei und damit eine Grundvoraussetzung der Zwangsvollstreckung fehle, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
16
1. Dem Beschluss des Beschwerdegerichts lässt sich bereits nicht hinreichend klar entnehmen, worauf sich das von ihm angenommene Zustellungserfordernis beziehen soll. Das Beschwerdegericht spricht insoweit zum einen von einem Fehlen der Zustellung der "Bescheide", zum anderen von einer fehlenden "Titelzustellung".
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2. Die Zustellung eines "Titels" ist ebenso wenig Voraussetzung der Beitreibung von Rundfunkbeiträgen wie die Zustellung des Vollstreckungsersuchens der Gläubigerin.
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a) Rückständige Rundfunkbeiträge werden gemäß § 10 Abs. 5 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags vom 17. Dezember 2010 (RBStV) durch die zuständige Landesrundfunkanstalt festgesetzt und im Verwaltungsvollstreckungsverfahren vollstreckt (§ 10 Abs. 6 RBStV). Die Vollstreckung erfolgt im Land Baden -Württemberg gemäß § 13 Abs. 1 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für Baden-Württemberg (LVwVG BW) durch Beitreibung.
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b) Für die Beitreibung durch den Gerichtsvollzieher auf Ersuchen der Vollstreckungsbehörden gelten die in § 15a Abs. 3 LVwVG BW geregelten Vollstreckungsvoraussetzungen (BGH, Beschluss vom 11. Juni 2015 - I ZB 64/14, AfP 2016, 48 Rn. 27; Beschluss vom 8. Oktober 2015 - VII ZB 11/15, NJW-RR 2016, 378 Rn. 14; Beschluss vom 21. Oktober 2015 - I ZB 6/15, NVwZ-RR 2016, 117 Rn. 20). Danach finden die Vorschriften des Achten Buches der Zivilprozessordnung mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle der vollstreckbaren Ausfertigung des Schuldtitels das schriftliche Vollstreckungsersuchen der Vollstreckungsbehörde tritt und es keiner Zustellung des Vollstreckungsersuchens bedarf (§ 15a Abs. 3 Satz 2 LVwVfG BW). Diese Voraussetzungen sind auch im Streitfall maßgeblich. Die Gerichtsvollzieherin ist aufgrund des schriftlichen Vollstreckungsersuchens des Gläubigers vom 1. Mai 2015 tätig geworden.

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3. Entgegen der Annahme des Beschwerdegerichts ist auch die wirksame Zustellung eines Beitragsbescheids keine Vollstreckungsvoraussetzung.
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a) Das Erfordernis der Zustellung eines "Grundbescheids" besteht schon deshalb nicht, weil ein solcher Beitragsbescheid weder gesetzlich vorgesehen noch für die Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes erforderlich ist. Die Rundfunkgebührenpflicht entsteht kraft Gesetzes, ohne dass der Erlass eines Gebührenfestsetzungsbescheids erforderlich ist (BGH, AfP 2016, 48 Rn. 53 mwN).
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b) Bescheide der Rundfunkanstalten sind erst für die zwangsweise Beitreibung rückständiger Gebühren und Beiträge erforderlich (BGH, AfP 2016, 48 Rn. 53). Gegen diese Bescheide kann der Schuldner sowohl vor Einleitung der Vollstreckung als auch nach einer Entrichtung der Gebühr oder des Beitrags nebst eventueller Säumniszuschläge den Verwaltungsrechtsweg beschreiten (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 30. Januar 2008 - 1 BvR 829/06, juris Rn. 21 ff.; BGH, AfP 2016, 48 Rn. 53; BVerwG, Urteil vom 18. März 2016 - 6 C 7/15, juris Rn. 54). Im Rahmen der im Verwaltungsrechtsweg zu überprüfenden Wirksamkeit des Bescheids kann es auch auf die Frage der Bekanntgabe ankommen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 4. Oktober 2016 - 2 S 1203/16, Entscheidungsumdruck II 2). Geht der Schuldner nicht erfolgreich im Wege des Verwaltungsrechtswegs gegen einen Festsetzungsbescheid vor und wird dieser unanfechtbar oder entfällt die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs, liegen die allgemeinen Voraussetzungen der Vollstreckung vor (§ 2 Nr. 1 und 2 LVwVG BW). Dies entspricht dem tragenden Grundsatz des Vollstreckungsrechts, dass nur die Unanfechtbarkeit und nicht (auch) die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts Vollstreckungsvoraussetzung ist (vgl. Deusch/Burr, BeckOK.VwVfG, 34. Edition, Stand 1. Oktober 2016, § 6 Rn. 20).
Eine wirksame Zustellung der Beitragsbescheide ist mithin keine Vollstreckungsvoraussetzung. § 15a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LVwVG BW verlangt lediglich, dass im Vollstreckungsersuchen der zu vollstreckende Verwaltungsakt bezeichnet wird; gemäß § 15a Abs. 4 Nr. 4 LVwVG BW reicht es zudem aus, dass das Vollstreckungsersuchen die Angabe enthält, der Verwaltungsakt sei unanfechtbar geworden (vgl. auch BGH, NJW-RR 2016, 378 Rn. 25). Die rechtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit oder Wirksamkeit des Verwaltungsaktes durch den Gerichtsvollzieher und das Vollstreckungsgericht findet im Vollstreckungsverfahren gerade nicht statt. Grundlage der beantragten Zwangsvollstreckungsmaßnahme gemäß § 15a Abs. 3 Satz 2 LVwVG BW ist nicht der Gebühren - oder Beitragsbescheid, sondern das schriftliche Vollstreckungsersuchen der Vollstreckungsbehörde (vgl. BGH, AfP 2016, 48 Rn. 54). Für den Einwand, die Zwangsvollstreckung aus Rundfunkbeitragsbescheiden sei unzulässig, weil die Bescheide rechtswidrig oder unwirksam seien, steht dem Beitragsschuldner der Verwaltungsrechtsweg offen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 4. Oktober 2016 - 2 S 1203/16, Entscheidungsumdruck unter I und II 1).
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c) Soweit das Beschwerdegericht mit dem von ihm angenommenen Erfordernis der "Zustellung" der Beitragsbescheide deren Bekanntgabe zum Ausdruck bringen will, gehen seine Ausführungen an den im Streitfall maßgeblichen Umständen vorbei. Insbesondere stellt sich nicht die vom Beschwerdegericht umfangreich erörterte Frage, ob die in § 41 Abs. 2 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz für Baden-Württemberg (LVwVfG BW) geregelte Zugangsvermutung im Streitfall entsprechend Anwendung findet.
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aa) Gemäß § 41 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG BW gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt , der im Inland durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Diese gesetzliche Annahme gilt allerdings nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen (§ 41 Abs. 2 Satz 3 LVwVfG BW). Eine Behörde kann allerdings ihrer Beweispflicht hinsichtlich des Zugangs nach den Grundsätzen des ersten Anscheins genügen, wenn sie Tatsachen vorträgt, aus denen nach allgemeiner Lebenserfahrung geschlossen werden kann, dass der Empfänger einen Bescheid oder ein Schreiben tatsächlich erhalten haben muss (BFH, Urteil vom 12. August 1981 - I R 140/78, BFHE 134, 213, 215; SaarlOVG, NVwZ-RR 2012, 131; SächsOVG, Beschluss vom 16. Juli 2012 - 3 A 663/10, juris Rn. 7; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 18. Februar 2016 - 11 BV 15.1164, juris Rn. 21 mwN). Maßgeblich kann insoweit sein, dass der Bescheid oder das Schreiben an eine Adresse gesandt wurde , unter der der Adressat bereits längere Zeit ansässig ist und er in jüngerer Zeit auch nachweislich mehrere Schreiben erhalten hat, auf die er reagiert hat. Relevant kann ferner sein, ob vorgetragen wurde, dass es unter der entsprechenden Adresse in der fraglichen Zeit Schwierigkeiten bei der Postzustellung gegeben hat. Weiter kann die Besonderheit berücksichtigt werden, ob Schreiben oder Bescheide als unzustellbar an die Behörde zurückgelangt sind (vgl. SaarlOVG, NVwZ-RR 2012, 131; SächsOVG, Beschluss vom 16. Juli 2012 - 3 A 663/10, juris Rn. 7; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 18. Februar 2016 - 11 BV 15.1164, ZfSch 2016, 297 Rn. 21).
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bb) Von diesen Grundsätzen des Anscheinsbeweises - und entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts gerade nicht von der widerleglichen Vermutung des § 41 Abs. 2 Satz 1 VwVfG BW - ist zutreffend das Vollstreckungsgericht ausgegangen. Es hat angenommen, der Schuldner habe einen Zugang der Beitragsbescheide nicht hinreichend substantiiert bestritten. Er habe keine Umstände darlegt und glaubhaft gemacht, aus denen sich plausibel ergebe, dass er die zum Gegenstand des Vollstreckungsersuchens gemachten Bescheide nicht erhalten habe, obwohl er offensichtlich andere Post, so auch die Gerichtspost und die Schreiben der Gerichtsvollzieherin unter der angegebenen Anschrift zuverlässig erhalten habe. Die Beschwerdeerwiderung hat vorgetragen, dass der Schuldner auf die versandten Bescheide durch eigene Schreiben reagiert , teilweise Widerspruch eingelegt und auch auf einen Widerspruchsbescheid geantwortet habe.
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cc) Abweichende Feststellungen hat das Beschwerdegericht nicht getroffen. Es hat als wahr unterstellt, dass der Gläubiger die Bescheide zur Post gegeben hat. Auf die Feststellungen des Vollstreckungsgerichts und denVortrag des Gläubigers ist es nicht eingegangen. Es hat nicht geprüft, ob im Streitfall auf der Grundlage des vom Gläubiger gehaltenen und vom Vollstreckungsgericht festgestellten Sachverhalts nach der Lebenserfahrung von einem Zugang der Bescheide und damit von einer wirksamen Bekanntgabe auszugehen ist.
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III. Die weitere Annahme des Beschwerdegerichts, die Beschwerde des Schuldners sei außerdem begründet, weil dem Gläubiger die "materielle Behördeneigenschaft" fehle, hält der rechtlichen Nachprüfung ebenfalls nicht stand.
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1. Das Beschwerdegericht hat angenommen, als Vollstreckungsvoraussetzung sei zu prüfen, ob der Gläubiger eine Behörde bzw. eine Vollstreckungsbehörde sei. Der Begriff der Behörde sei in allen gesetzlichen Vorschriften in einem einheitlichen Sinne aufzufassen, und zwar im Sinne des Staatsund Verwaltungsrechts. Nach den insoweit geltenden Maßstäben sei der Gläubiger keine Behörde. Er trete unternehmerisch auf und handele gewerblich. Für die Behördeneigenschaft sei zudem zwingend Gesetzestreue erforderlich. Damit sei nicht vereinbar, dass der Gläubiger seine satzungsmäßigen Rechte überschreite und rechtsstaatlich und grundrechtlich gebotene Tilgungsbestimmungsrechte der Beitragsschuldner aushebele. Damit werde dem Beitrags- schuldner die Subjekteigenschaft genommen, er werde vielmehr zum Objekt eines lebenslangen Vollstreckungsverfahrens. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Rechtsbeschwerde mit Erfolg.
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2. Bereits der Ausgangspunkt der Beurteilung des Beschwerdegerichts, der Begriff der Behörde sei in allen gesetzlichen Vorschriften in einem einheitlichen Sinn, und zwar im Sinn des Staats- und Verwaltungsrechts aufzufassen, ist unzutreffend.
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a) Der Begriff der Behörde ist nicht einheitlich, sondern in einem funktionalen , auf das jeweilige Gesetz und den maßgeblichen Regelungskontext bezogenen Sinne zu verstehen. So bezieht etwa § 1 Abs. 4 VwVfG den Begriff der Behörde ausdrücklich auf das Verwaltungsverfahrensgesetz ("Behörde im Sinne dieses Gesetzes"). Der Behördenbegriff nach § 1 Abs. 4 VwVfG kann deshalb nicht ohne weiteres für andere Rechtsgebiete übernommen werden (vgl. Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl., § 1 Rn. 226 mwN; M. Ronellenfitsch in BeckOK.VwVfG, 34. Edition, Stand 1. April 2016, § 1 Rn. 65; Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl., § 1 Rn. 51, 51d; Schönenbroicher in Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 1 Rn. 45). Während die Bestimmung des § 1 Abs. 4 VwVfG voraussetzt, dass die als Behörde in Betracht kommende Stelle Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, ist der Behördenbegriff des Presserechts nicht organisatorisch-verwaltungstechnisch, sondern funktional -teleologisch dahin zu verstehen, dass auch juristische Personen des Privatrechts , die von der öffentlichen Hand beherrscht und zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben im Bereich der Daseinsvorsorge eingesetzt werden, unter den Begriff der Behörde fallen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2005 - III ZR 294/04, NJW 2005, 1720 f.). Der Behördenbegriff des Beamtenrechts gemäß § 26 Abs. 2 BBG ist nach dienstrechtlichen Grundsätzen (BVerwG, Urteil vom 24. Januar 1991 - 2 C 16/88, NJW 1991, 2980, 2981 mwN) und derjenige des Personen- standsgesetzes entsprechend der Zielsetzung von § 65 PStG auszulegen (Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs aaO § 1 Rn. 226 Fn. 643). Für den Behördenbegriff ist mithin maßgeblich auf den jeweiligen Regelungskontext abzustellen (vgl. OLG Bremen, NVwZ 2011, 1146, 1147 mwN).
31
b) Aus dem im Streitfall maßgeblichen Regelungszusammenhang und der ausdrücklich vom Gesetz vorgenommenen Begriffsbestimmung ergibt sich zweifelsfrei, dass der Gläubiger Vollstreckungsbehörde im Sinne von § 15a Abs. 3 und 4 LVwVG BW ist.
32
Gemäß § 10 Abs. 6 RBStV werden Bescheide, mit denen rückständige Rundfunkbeiträge festgesetzt werden, im Verwaltungsvollstreckungsverfahren vollstreckt. Für die Beitreibung von Beitragsbescheiden durch den Gerichtsvollzieher ist gemäß § 15a Abs. 3 Satz 2 LVwVG BW ein schriftliches Vollstreckungsersuchen der Vollstreckungsbehörde erforderlich. Gemäß § 4 Abs. 1 LVwVG BW ist unter dem Begriff der Vollstreckungsbehörde die Behörde zu verstehen, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Dies ist die zuständige Landesrundfunkanstalt (§ 10 Abs. 5 RBStV). Für die Festsetzung rückständigen Rundfunkbeiträge des Schuldners ist mithin kraft ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung die zuständige Landesrundfunkanstalt als Vollstreckungsbehörde anzusehen (vgl. BGH, AfP 2016, 48 Rn. 32; NJW-RR 2016, 378 Rn. 20).
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3. Auch die weiteren Annahmen des Beschwerdegerichts halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
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a) Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts hängt die im Streitfall maßgebliche Behördeneigenschaft nicht davon ab, ob der Gläubiger stets rechtmäßig handelt oder als "gesetzestreu" anzusehen ist. Im Hinblick auf die hier maßgebliche Frage, ob der Gläubiger als Landesrundfunkanstalt bei der ihm gesetzlich zugewiesenen Aufgabe der Festsetzung rückständiger Beiträge als Vollstreckungsbehörde im Sinne von § 15a LVwVG BW anzusehen ist, ist ferner nicht relevant, ob er im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Erbringer medialer Leistungen als Behörde im verwaltungsrechtlichen Sinne oder "unternehmerisch" auftritt. Insoweit erfüllt der Gläubiger im Rahmen des dualen Rundfunksystems in Konkurrenz zu privaten Rundfunkveranstaltern seine aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG folgende verfassungsrechtliche Aufgabe, den Bürgern eine mediale Grundversorgung zu bieten (vgl. BVerfGE 90, 60, 90). Davon zu unterscheiden ist die vorliegend allein maßgebliche Funktion, die der Gesetzgeber dem Gläubiger als Landesrundfunkanstalt bei der Festsetzung und Durchsetzung der ihm zur Erfüllung seiner Aufgaben zustehenden Beiträge verliehen hat.
35
Ebenfalls ist es unerheblich, ob der Gläubiger an öffentliches Besoldungsund Vergaberecht gebunden ist oder dieses anwendet, ob er Werbezeiten verkauft oder die rechtlichen Regelungen der Zulässigkeit von Sponsoring und Produktplatzierungen einhält, ob in Beitragsrechnungen von einer Behörde die Rede ist und ob Zahlungsaufforderungen als einfache Briefe verschickt werden.
36
Alle diese Umstände sind nicht nur für den im Streitfall allein maßgeblichen vollstreckungsrechtlichen Behördenbegriff ohne Bedeutung, sondern auch für den vom Beschwerdegericht selbst zugrunde gelegten "allgemeinen" Begriff der Behörde, der eine Einheit von Personen und sächlichen Mitteln voraussetzt, die mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestattet, in den Organismus der Staatsverwaltung eingeordnet und dazu berufen ist, unter öffentlicher Autorität für die Erreichung der Zwecke des Staates oder von ihm geförderter Zwecke tätig zu sein (vgl. BVerwG, NJW 1991, 2980 mwN).
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b) Die Rechtsbeschwerde macht schließlich mit Recht geltend, dass das Beschwerdegericht seine Beurteilung nicht ohne weiteres auf tatsächliche Umstände stützen darf, die von keiner Partei im vorliegenden Verfahren vorgetragen oder von der Beschwerdeerwiderung bestritten oder abweichend vorgetragen wurden. Soweit sich das Beschwerdegericht auf gerichtsbekannte Umstände berufen oder von Offenkundigkeit ausgehen will, muss es dies so begründen , dass dem Rechtsbeschwerdegericht eine Überprüfung möglich ist.

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Vorinstanzen:
AG Tübingen, Entscheidung vom 14.07.2016 - 2 M 176/16 -
LG Tübingen, Entscheidung vom 20.09.2016 - 5 T 143/16 -