Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Jan. 2019 - AK 57/18

bei uns veröffentlicht am24.01.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
AK 57/18
vom
24. Januar 2019
in dem Strafverfahren
gegen
wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer ausländischen terroristischen
Vereinigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:240119BAK57.18.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Angeschuldigten und seiner Verteidigerin am 24. Januar 2019 gemäß §§ 121, 122 StPO
beschlossen:
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern. Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt. Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem Oberlandesgericht Stuttgart übertragen.

Gründe:


I.


1
Der Angeschuldigte ist am 21. Juni 2018 aufgrund Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 13. Juni 2018 (OGs 225/18) festgenommen worden und befindet sich seither ununterbrochen in Untersuchungshaft. Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Angeschuldigte habe sich im Zeitraum von April 2015 bis zum Tag des Haftbefehlserlasses im Großraum H. und an anderen Orten als Mitglied der Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistan, nachfolgend: PKK) in der Funktion eines Verantwortlichen für das Gebiet ("bölge") H. betätigt, strafbar als mitgliedschaftliche Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1, 2 StGB.
2
Mit Anklageschrift vom 21. November 2018 hat die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart am 23. November 2018 die öffentliche Klage gegen den Angeschuldigten zum Oberlandesgericht Stuttgart erhoben. Neben dem Vorwurf der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung legt die Anklage dem Angeschuldigten 131 Fälle des wiederholten Verstoßes gegen eine räumliche Beschränkung des Aufenthalts (§ 95 Abs. 1 Nr. 6a AufenthG, § 53 StGB) jeweils in Tateinheit (§ 52 StGB) mit (weiterer) mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1, 2 StGB) zur Last.
3
Der 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart hat nach mündlicher Haftprüfung mit Beschluss vom 10. Dezember 2018 den Antrag des Angeschuldigten zurückgewiesen, den Haftbefehl aufzuheben, hilfsweise außer Vollzug zu setzen.

II.


4
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.
5
1. Gegenstand des Haftprüfungsverfahrens ist der Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 13. Juni 2018. Über den von der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart mit Erhebung der Anklage gestellten Antrag, diesen Haftbefehl nach Maßgabe der Anklageschrift neu zu fassen, ist noch nicht entschieden.
6
Die Haftprüfung bezieht sich daher allein auf den in dem vollzogenen Haftbefehl gegen den Angeschuldigten erhobenen Tatvorwurf (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Januar 2017 - AK 67/16, juris Rn. 22), zu dessen Anpas- sung oder Erweiterung nur das gemäß § 126 Abs. 2 Satz 1 StPO zuständige Oberlandesgericht Stuttgart befugt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juli 2016 - AK 41/16, juris Rn. 9). Auf die dem Angeschuldigten mit der Anklageschrift angelasteten 131 Fälle des wiederholten Verstoßes gegen eine räumliche Beschränkung des Aufenthalts jeweils in Tateinheit mit mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung erstreckt sich die Haftprüfung somit nicht.
7
2. Der Angeschuldigte ist der ihm im Haftbefehl vom 13. Juni 2018 vorgeworfenen Tat dringend verdächtig.
8
a) Im Sinne eines dringenden Tatverdachts ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:
9
aa) Die PKK wurde 1978 unter anderem von Abdullah Öcalan in der Türkei als Kaderorganisation mit dem Ziel gegründet, einen kurdischen Nationalstaat unter ihrer Führung zu schaffen. Zur Verwirklichung dieses Plans initiierte die PKK verschiedene Organisationen, die mehrfach ihre Bezeichnung wechselten. So besteht seit 2007 - unter dieser Bezeichnung - die "Koma Civakên Kurdistan" ("Vereinigte Gemeinschaften Kurdistan", im Folgenden: KCK), die auf einen staatsähnlichen "konföderalen" Verbund der kurdischen Siedlungsgebiete in der Türkei, Syrien, Iran und Irak abzielt und dabei umfangreiche staatliche Attribute beansprucht wie Parlament, Gerichtsbarkeit, Armee und Staatsbürgerschaft.
10
Die KCK ist, ebenso wie die PKK, auf die Person von Abdullah Öcalan ausgerichtet. Daneben vollzieht sich die Willensbildung innerhalb der Organisation etwa über den "Kongra Gele Kurdistan" (KONGRA GEL - "Volkskongress Kurdistans") und den KCK-Exekutivrat. Die Führungskader folgen grundsätzlich dieser Willensbildung und setzen die getroffenen Entscheidungen um. Zur Überprüfung haben sie den Kadern der übergeordneten Ebene regelmäßig Bericht über ihre Tätigkeit zu erstatten.
11
Fester Bestandteil der Strukturen der PKK/KCK sind auch die "Hêzên Parastina Gel" ("Volksverteidigungskräfte", fortan: HPG), die nach dem Willen der Führung handeln. Sie betrachten im Rahmen der von ihnen vorgenommenen "Selbstverteidigung" einen Guerillakrieg als legitimes Mittel. Die HPG verübten vor allem im Südosten der Türkei mittels Sprengstoff und Waffen Anschläge gegen türkische Soldaten sowie Polizisten und verletzten oder töteten dabei eine Vielzahl von diesen. Sie bekannten sich seit der Aufkündigung eines "Waffenstillstands" zum 1. Juni 2004 zu über hundert Anschlägen.
12
Das Präsidium des Exekutivrats der KCK erklärte, nachdem Abdullah Öcalan aus der Haft heraus eine Friedensbotschaft verlesen und zu einer gewaltfreien politischen Lösung des Konflikts aufgerufen hatte, ab dem 23. März 2013 eine Feuerpause. In der Folge verübten die HPG zwar deutlich weniger Anschläge, ohne dass damit aber eine Abkehr von der Ausrichtung der Organisation auf die Begehung von Tötungsdelikten verbunden gewesen wäre; vielmehr enthielt die Erklärung bereits den Vorbehalt, dass man im Fall von Angriffen von dem "Recht auf Selbstverteidigung" Gebrauch machen und Vergeltung üben werde.
13
Nachdem der "Friedensprozess" im Juli 2015 endgültig zum Erliegen gekommen war, kam es in der Folge zu Gefechten mit den türkischen Streitkräften , die ihrerseits mit massiver militärischer Gewalt vorgingen. In diesen Auseinandersetzungen spielte die "Patriotisch revolutionäre Jugendbewegung" (YDGH - Yurtsever Devrimci Genclik Hareketi), die sich mit den Selbstverteidigungskräften der HPG zusammenschloss, eine bedeutsame Rolle. Parallel da- zu nahmen die Anschläge der HPG, bei denen Angehörige der türkischen Sicherheitskräfte, aber auch Zivilisten getötet oder verletzt wurden, wieder erheblich zu.
14
Der Schwerpunkt der Strukturen und das eigentliche Aktionsfeld der PKK liegen in den von Kurden bevölkerten Gebieten in der Türkei, in Syrien, im Irak und im Iran. Zahlreiche - regelmäßig nur auf die Unterstützung der politischen und militärischen Auseinandersetzung mit dem türkischen Staat ausgerichtete - Aktivitäten betreibt die PKK indes auch in Deutschland und anderen Ländern Westeuropas. Dazu bediente sie sich bis Juli 2013 der "Civata Demokratîk a Kurdistan" ("Kurdische Demokratische Gesellschaft", im Folgenden: CDK), die die Direktiven der KCK-Führung umzusetzen hatte und namentlich dazu diente, die in Europa lebenden Kurden zu organisieren. Entsprechend den Vorgaben des 10. CDK-Kongresses vom Mai 2013 zur Neustrukturierung der PKK in Europa benannte sich der europäische Dachverband PKK-naher Vereine "Konföderation der kurdischen Vereine in Europa" (KON-KURD) im Juli 2013 in "Kongress der kurdisch-demokratischen Gesellschaft in Europa" (KCD-E) um. Unter der Bezeichnung KCD-E werden nicht nur die Strukturen des KON-KURD, sondern auch diejenigen der CDK fortgeführt.
15
Unterhalb der Führungsebene war und ist Europa in Sektoren ("saha"), Gebiete ("bölge"), Räume ("alan") sowie Stadtteile ("semt") eingeteilt. In Deutschland gab es seit 2002 drei Sektoren ("Süd", "Mitte" und "Nord"); seit 2012 ist der Sektor "Süd" in die Sektoren "Süd 1" und "Süd 2" aufgeteilt. Für jede Organisationseinheit wird von der Führung mindestens ein Verantwortlicher eingesetzt; Sektoren und Gebiete werden in der Regel von einem durch die Organisation alimentierten, professionellen Führungskader geleitet. Die Organisationseinheiten stellen der PKK Finanzmittel bereit, rekrutieren Nach- wuchs für den Guerillakampf und betreiben Propaganda. Dabei haben sie die Vorgaben der Europaführung umzusetzen und dieser über die Erfüllung ihrer Aufgaben regelmäßig Bericht zu erstatten.
16
bb) Im Zeitraum vom 10. Mai 2015 bis zum 13. Juni 2018 betätigte sich der Angeschuldigte als Mitglied der PKK in der Funktion eines Verantwortlichen für das Gebiet ("bölge") H. . Ohne zu den von der Organisation rotierend entsandten und alimentierten - "klassischen" - Führungskadern zu zählen, übte er diese Funktion im Einvernehmen mit der Leitungsebene tatsächlich aus: bis Juli 2015 als Nachfolger des gesondert verfolgten Y. (alias "I. "), der sich zu dieser Zeit in der Schweiz aufhielt, von August 2015 bis Juni 2016 als der eine Teil der aus ihm und dem gesondert verfolgten Yi. (alias "Ho. ") bestehenden "Doppelspitze", von Juli 2016 bis Juni 2017 jedenfalls ganz überwiegend alleine, von Juli bis Dezember 2017 unter Mitwirkung eines unbekannten Kaders mit dem Decknamen "A. " sowie ab Januar 2018 wiederum alleine.
17
Mit der Leitung des Gebiets H. übernahm der Angeschuldigtedie typischen Führungsaufgaben eines Verantwortlichen und koordinierte die insoweit anfallenden organisatorischen, finanziellen und propagandistischen Angelegenheiten der örtlichen kurdischen Gemeinde, deren Mittelpunkt der kurdische Verein in H. ("Kurdisches Gesellschaftszentrum H. e.V.") bildete. Ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit war dabei die (Mit-)Organisation öffentlichkeitswirksamer Veranstaltungen. Durch seine funktionsbedingte Autorität mobilisierte er für die Veranstaltungen Mitglieder der H. Gemeinde, kümmerte sich um die An- und Abreise und besorgte Mittel für die Durchführung der Veranstaltungen. Ein weiterer Tätigkeitsschwerpunkt war die Finanzbeschaffung für die Gesamtorganisation. Er war in dem Gebiet H. für die Einsammlung und Verwaltung von "Spenden" zuständig. Im Rahmen von "Spendenkampagnen" der PKK überwachte und dirigierte er als verantwortlicher Koordinator mehrere ihm weisungsgebundene und zur Abrechnung verpflichtete Personen und traf Entscheidungen über Zahlbeträge und Zahlungsfristen für einzelne "Spender". Er verwahrte bei sich zu Hause "Spendengelder" im fünfstelligen Bereich, um sie an die nächsthöhere Leitungsebene weiterzureichen. Zugleich war der Angeschuldigte gegenüber der ihm übergeordneten Sektorleitung weisungsgebunden. Er stand im persönlichen Kontakt zur Leitungsebene ebenso wie zu anderen Gebietsverantwortlichen.
18
Wegen weiterer Einzelheiten zu den konkreten Betätigungsakten des Angeschuldigten für die Vereinigung wird auf den Haftbefehl des Oberlandesgerichts Stuttgart sowie den Anklagesatz der Anklageschrift der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart verwiesen.
19
b) Hinsichtlich der außereuropäischen terroristischen Vereinigung PKK ergibt sich der dringende Tatverdacht aus Erkenntnissen der Strafverfolgungsbehörden , insbesondere denjenigen des Bundeskriminalamts, die in zahlreichen Auswertungsberichten dargestellt sind, sowie aus öffentlichen Verlautbarungen der Vereinigung. Diese Erkenntnisse und Verlautbarungen waren bereits Grundlage zahlreicher Verurteilungen von Kadern der PKK durch verschiedene Oberlandesgerichte.
20
Bezüglich der Funktion des Angeschuldigten als Gebietsverantwortlicher und seiner mitgliedschaftlichen Beteiligungshandlungen beruht der dringende Tatverdacht insbesondere auf den Erkenntnissen der Telekommunikationsüberwachung , daneben auf weiteren Beweismitteln, etwa den Angaben von Vertrauenspersonen/Informanten und vom Angeschuldigten verfassten monat- lichen Finanzberichten, die bei ihm sichergestellt worden sind und als eine Art Buchhaltung angesehen werden können.
21
Aus aufgezeichneten Telefongesprächen und Angaben einer Vertrauensperson ergibt sich beispielsweise, dass der Angeschuldigte mit hoher Wahrscheinlichkeit für die PKK im Rahmen deren jährlicher "Spendenkampagne" im Gebiet H. ihm untergeordnete Einsammler instruierte, auftretende Fragen verbindlich entschied und das "gespendete" Geld bei sich vereinte; zudem belegen diese Beweismittel nach Aktenlage, dass durch den Angeschuldigten Aufforderungen und Anweisungen an "Spender" und "Spendenpflichtige" ergingen. Die Finanzberichte legen nahe, dass er den verbuchten Geldbestand organisationsintern gegenüber den vorgesetzten Sektor- bzw. Regionsleitern abrechnete und an diese weitergab. Nach den Angaben einer Vertrauensperson änderte sich auch dadurch, dass ab Juli 2017 der - offizielle - Kader "A. " als ein (weiterer) Gebietsleiter für H. aktiv gewesen sei, nichts an der federführenden Organisation der "Spendensammlung" durch den Angeschuldigten. Im Zuge der Durchsuchung sind beim Angeschuldigten 28.745 € sichergestellt worden, die mutmaßlich aus "Spendensammlungen" stammen.
22
Zur Struktur und Organisation der PKK in Baden-Württemberg sowie den diesbezüglichen Eigenheiten des Gebiets H. hat der PKK-Aussteiger Ö. als Zeuge ausgesagt. Bei einer Lichtbildvorlage hat dieser zwar den Angeschuldigten nicht als Leiter des Gebiets identifiziert und erklärt, die Gebietsführung hätten die beiden Vorstandsvorsitzenden des kurdischen Vereins übernommen. Namentlich aus der Telekommunikationsüberwachung ergibt sich jedoch, dass der Angeschuldigte dem Vorstand des Vereins - als dessen "graue Eminenz" - hierarchisch übergeordnet war, dem Vorstand gegenüber Entscheidungen traf und Weisungen erteilte.
23
Wegen weiterer Einzelheiten nimmt der Senat Bezug auf das in der Anklageschrift der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart dargelegte wesentliche Ergebnis der Ermittlungen.
24
c) In rechtlicher Hinsicht ist der haftbefehlsgegenständliche Vorwurf als mitgliedschaftliche Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1, 2 StGB) zu beurteilen.
25
aa) Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand stellt die PKK aufgrund ihrer Verbandsstruktur eine Vereinigung dar, bei der sich der Einzelne entsprechend den intern bestehenden Regeln dem Gruppenwillen unterordnet. Sie ist angesichts des von ihr in Anspruch genommenen - indes nicht bestehenden - "Selbstverteidigungsrechts" und der durch ihre Unterorganisation HPG verübten Anschläge darauf ausgerichtet, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen. Für die Anschläge besteht kein Rechtfertigungsgrund nach Völkervertrags- oder Völkergewohnheitsrecht (s. BGH, Beschluss vom 6. Mai 2014 - 3 StR 265/13, NStZ-RR 2014, 274).
26
bb) Nach Aktenlage förderte der Angeschuldigte die Vereinigung nicht nur von außen, sondern, getragen von einem einvernehmlichen Willen zu einer fortdauernden Teilnahme am Verbandsleben, von innen, und nahm damit eine Stellung innerhalb der Organisation ein, die ihn als zum Kreis der Mitglieder gehörend kennzeichnet (hierzu s. BGH, Beschluss vom 28. Juni 2018 - StB 11/18, NStZ-RR 2018, 369, 370 f. mwN).
27
cc) Die nach § 129b Abs. 1 Satz 2, 3 StGB erforderliche Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung der für die PKK in herausgehobener Funktion Tätigen liegt in der Fassung vom 6. September 2011 vor. Mit hoher Wahrscheinlichkeit zählte der Angeschuldigte zu den "Verantwortlichen für die in Deutschland bestehenden ... Gebiete (Bölge)" im Sinne dieser Ermächtigung, indem er nach dem maßgeblichen Verbandswillen für das Gebiet H. tatsächlich verantwortlich war. Entgegen der Auffassung der Verteidigung bezieht sich die Verfolgungsermächtigung nach dem maßgebenden Wortlaut nicht nur auf "klassische" Führungskader, die von der Organisation rotierend entsandt und alimentiert werden, auch wenn - wie dargelegt - die Verantwortlichkeit solcher Kader in der Praxis die Regel ist.
28
Nach dem Ergebnis der Ermittlungen stellt sich die Position des Angeschuldigten als Verantwortlicher des Gebiets H. mit hoher Wahrscheinlichkeit wie folgt dar: Er übernahm nicht nur faktisch die typischen Aufgaben eines Gebietsverantwortlichen, sondern fügte sich zu diesem Zweck auch in die Hierarchie der Gesamtorganisation ein. Im Verhältnis zu der ihm übergeordneten Sektorleitung war er weisungsgebunden. Mit gleichgeordneten Gebietsverantwortlichen stand er in Verbindung und nahm zumindest an einem Kadertreffen teil. Er trat nach außen als Repräsentant des kurdischen Vereins in H. auf, über den er das PKK-Gebiet H. leitete. Er agierte als Weisungsgeber und Entscheider gegenüber den Mitgliedern des Vereins. So stand er in der Hierarchie auch über den "offiziellen" Vorstandsmitgliedern des Vereins und verhielt sich diesen gegenüber weisungs- und entscheidungsbefugt.
29
Infolgedessen verfangen die Einwände der Verteidigung gegen die Auslegung der Strafverfolgungsermächtigung nicht. Soweit sich die Verteidigung auf einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG beruft, nimmt sie überdies nicht Bedacht darauf, dass diese Verfassungsnorm für von Unrecht und Schuld unabhängige Voraussetzungen der Verfolgbarkeit einer Straftat nicht gilt (s. etwa BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 1969 - 2 BvL 15, 23/68, BVerfGE 25, 269, 287). Ob es zweckmäßig sein könnte, das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz um eine Erklärung zur Erteilung einer zusätzlichen Einzelermächtigung zu ersuchen, kann im hiesigen Haftprüfungsverfahren dahinstehen.
30
3. Beim Angeschuldigten besteht der Haftgrund der Schwerkriminalität gemäß § 112 Abs. 3 StPO auch bei der gebotenen restriktiven Handhabung der Vorschrift (s. hierzu Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 112 Rn. 37 mwN). Ob - wie das Oberlandesgericht Stuttgart angenommen hat - daneben der Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO gegeben ist, kann unter den gegebenen Umständen dahinstehen.
31
Bei der gebotenen verfassungskonformen Auslegung ist die Vorschrift des § 112 Abs. 3 StPO dahin zu verstehen, dass der Erlass eines Haftbefehls nur zulässig ist, wenn Umstände vorliegen, die die Gefahr begründen, dass ohne Festnahme des Beschuldigten die alsbaldige Aufklärung und Ahndung der Tat gefährdet sein könnte. Genügen kann schon die zwar nicht mit bestimmten Tatsachen belegbare, aber nach den Umständen des Falls doch nicht auszuschließende Flucht- oder Verdunkelungsgefahr oder die ernstliche Befürchtung, dass der Täter weitere Taten ähnlicher Art begehen werde. Ausreichend, aber auch erforderlich ist die Feststellung, dass eine verhältnismäßig geringe oder entfernte Gefahr dieser Art besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 12. November 2002 - StB 17/02, BGHR StPO § 112 Abs. 3 Fluchtgefahr 1). Wenn nach den Umständen des Einzelfalls indes gewichtige Gründe gegen jede Flucht-, Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahr sprechen, ist nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit von einem Haftbefehl nach § 112 Abs. 3 StPO abzusehen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Dezember 2009 - StB 51/09, BGHR StPO § 112 Abs. 3 Fluchtgefahr 2 mwN).
32
Aufgrund der hier gegebenen tatsächlichen Umstände bestünde, falls der Angeschuldigte auf freien Fuß entlassen würde, die jedenfalls entfernte Gefahr, dass er sich dem weiteren Strafverfahren entzöge, wofür ein Verhalten genügte, das den Erfolg hätte, dass der Fortgang des Strafverfahrens wenigstens vorübergehend durch Aufhebung der Bereitschaft verhindert würde, für Ladungen und Vollstreckungsmaßnahmen zur Verfügung zu stehen (vgl.Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 112 Rn. 18 mwN): Bereits im Hinblick auf den haftbefehlsgegenständlichen Tatvorwurf hat der Angeschuldigte für den Fall seiner Verurteilung - in Anbetracht des ihm angelasteten Umfangs seiner Tätigkeiten für die PKK - eine einen hohen Fluchtanreiz begründende empfindliche Strafe zu erwarten. Hinzu kommt, dass er nach Aktenlage seit Mitte 2014 keiner dauerhaften , bezahlten legalen Beschäftigung nachging, seine Lebensführung vielmehr von seiner Funktion innerhalb der PKK bestimmt war. Als mutmaßliches Mitglied der PKK, das ehemals in verantwortlicher Position tätig war, kann er, um sich dem Strafverfahren zu entziehen, mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die Strukturen der Organisation einschließlich konspirativer Kommunikationsformen zurückgreifen. All dem stehen keine ausreichend gewichtigen Umstände gegenüber, die eine Flucht nahezu ausschlössen. Auch seine Bindungen an die seit März 2003 in Deutschland lebende Familie und die schwere Erkrankung seines jüngsten Sohnes stellen keine derartigen Umstände dar.
33
Eine - bei verfassungskonformer Auslegung auch im Rahmen des § 112 Abs. 3 StPO mögliche - Außervollzugsetzung des Haftbefehls (§ 116 StPO) ist nicht erfolgversprechend. Unter den genannten Umständen kann der Zweck der Untersuchungshaft nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen als ihren Vollzug erreicht werden.
34
4. Die spezifischen Voraussetzungen des § 121 Abs. 1 StPO für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor. Der besondere Umfang der Ermittlungen sowie deren besondere Schwierigkeit haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft :
35
Die Sachakten umfassen mittlerweile 78 Stehordner. Die Ermittlungen haben sich aufwendig gestaltet. Nach der Festnahme des Angeschuldigten sind insbesondere noch umfangreiche Finanzermittlungen durchgeführt worden. Es sind von ihm verfasste 35 "Finanzberichte" für das Gebiet H. übersetzt und ausgewertet worden, die bei ihm im Zuge der Durchsuchung sichergestellt worden waren. Nachdem von der anwaltlichen Vertretung seiner Familie vorgetragen worden war, das bei ihm sichergestellte Bargeld gehöre seinem Sohn, haben die Eigentumsverhältnisse hieran näher aufgeklärt werden müssen. Der diesbezügliche Bericht ist bei der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart am 5. November 2018 eingegangen. Des Weiteren ist der PKK-Aussteiger Ö. ,den der Generalbundesanwalt von Februar bis Juli 2018 neunmal einvernommen hatte, für das gegenständliche Verfahren am 15. Oktober 2018 nochmals nachvernommen worden. Der Auswertungsbericht zu einem Protokoll über ein Kadertreffen der PKK, an dem der Angeschuldigte teilgenommen hatte, ist der Generalstaatsanwaltschaft ebenfalls am 5. November 2018 vorgelegt worden.
36
Um den Anspruch des Angeschuldigten auf ein Urteil innerhalb angemessener Frist zu gewährleisten, hat die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart bereits am 23. November 2018 Anklage erhoben, noch bevor die Auswertung der beim Angeschuldigten im Zuge der Durchsuchung sichergestellten Datenträger hat abgeschlossen werden können. Nach Anklageerhebung hat der Vorsitzende des 6. Strafsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart am 26. Novem- ber 2018 die Zustellung der Anklageschrift verfügt und eine angemessene Erklärungsfrist für die Verteidigung bis zum 14. Dezember 2018 bestimmt; die Verteidigerin hat deren Verlängerung bis zum 14. Januar 2019 beantragt. Die Übersetzung der Anklageschrift in die türkische Sprache ist am 30. November 2018 in Auftrag gegeben worden.
37
Angesichts der bereits vorbehaltlich der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens laufenden Planungen für die Durchführung einer Hauptverhandlung ab Mitte März 2019 ist von einem zügigen Fortgang des Verfahrens auszugehen.
38
5. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht derzeit nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache, soweit sie Gegenstand der Haftprüfung ist, sowie der im Fall einer Verurteilung hierfür zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Schäfer Spaniol Berg

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS AK 1/20 vom 6. Februar 2020 in dem Strafverfahren gegen wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung u.a. ECLI:DE:BGH:2020:060220BAK1.20.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach

Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Mai 2019 - AK 13/19

bei uns veröffentlicht am 07.05.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS AK 13-14, 16-19/19 vom 7. Mai 2019 in dem Ermittlungsverfahren gegen 1. 2. 3. 4. 5. 6. wegen Gründung einer und mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung u.a. ECLI:DE:BGH:2019:070519B

Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Apr. 2019 - StB 5/19

bei uns veröffentlicht am 03.04.2019

Nachschlagewerk: ja BGHSt: nein Veröffentlichung: ja GG Art. 103 Abs. 1 StPO § 147 Abs. 2, 4 Eine Beschwerde gegen einen noch nicht vollstreckten Haftbefehl hat grundsätzlich nicht schon allein deswegen Erfolg, weil die Staatsanwaltschaft Einsicht

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(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.

(1) In den Fällen des § 121 legt das zuständige Gericht die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor, wenn es die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich hält oder die Staatsanwaltschaft es beantragt.

(2) Vor der Entscheidung sind der Beschuldigte und der Verteidiger zu hören. Das Oberlandesgericht kann über die Fortdauer der Untersuchungshaft nach mündlicher Verhandlung entscheiden; geschieht dies, so gilt § 118a entsprechend.

(3) Ordnet das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft an, so gilt § 114 Abs. 2 Nr. 4 entsprechend. Für die weitere Haftprüfung (§ 117 Abs. 1) ist das Oberlandesgericht zuständig, bis ein Urteil ergeht, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt. Es kann die Haftprüfung dem Gericht, das nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständig ist, für die Zeit von jeweils höchstens drei Monaten übertragen. In den Fällen des § 118 Abs. 1 entscheidet das Oberlandesgericht über einen Antrag auf mündliche Verhandlung nach seinem Ermessen.

(4) Die Prüfung der Voraussetzungen nach § 121 Abs. 1 ist auch im weiteren Verfahren dem Oberlandesgericht vorbehalten. Die Prüfung muß jeweils spätestens nach drei Monaten wiederholt werden.

(5) Das Oberlandesgericht kann den Vollzug des Haftbefehls nach § 116 aussetzen.

(6) Sind in derselben Sache mehrere Beschuldigte in Untersuchungshaft, so kann das Oberlandesgericht über die Fortdauer der Untersuchungshaft auch solcher Beschuldigter entscheiden, für die es nach § 121 und den vorstehenden Vorschriften noch nicht zuständig wäre.

(7) Ist der Bundesgerichtshof zur Entscheidung zuständig, so tritt dieser an die Stelle des Oberlandesgerichts.

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.

(2) In den Fällen der §§ 129 und 129a, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 1, ist § 74a anzuwenden.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,
2.
ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet aufhält, wenn
a)
er vollziehbar ausreisepflichtig ist,
b)
ihm eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist und
c)
dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist,
3.
entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 in das Bundesgebiet einreist,
4.
einer vollziehbaren Anordnung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 oder 2 oder § 47 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 zuwiderhandelt,
5.
entgegen § 49 Abs. 2 eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht, sofern die Tat nicht in Absatz 2 Nr. 2 mit Strafe bedroht ist,
6.
entgegen § 49 Abs. 10 eine dort genannte Maßnahme nicht duldet,
6a.
entgegen § 56 wiederholt einer Meldepflicht nicht nachkommt, wiederholt gegen räumliche Beschränkungen des Aufenthalts oder sonstige Auflagen verstößt oder trotz wiederholten Hinweises auf die rechtlichen Folgen einer Weigerung der Verpflichtung zur Wohnsitznahme nicht nachkommt oder entgegen § 56 Abs. 4 bestimmte Kommunikationsmittel nutzt oder bestimmte Kontaktverbote nicht beachtet,
7.
wiederholt einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 oder Absatz 1c zuwiderhandelt oder
8.
im Bundesgebiet einer überwiegend aus Ausländern bestehenden Vereinigung oder Gruppe angehört, deren Bestehen, Zielsetzung oder Tätigkeit vor den Behörden geheim gehalten wird, um ihr Verbot abzuwenden.

(1a) Ebenso wird bestraft, wer vorsätzlich eine in § 404 Abs. 2 Nr. 4 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder in § 98 Abs. 3 Nr. 1 bezeichnete Handlung begeht, für den Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 4 Abs. 1 Satz 1 eines Aufenthaltstitels bedarf und als Aufenthaltstitel nur ein Schengen-Visum nach § 6 Abs. 1 Nummer 1 besitzt.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 11 Absatz 1 oder in Zuwiderhandlung einer vollziehbaren Anordnung nach § 11 Absatz 6 Satz 1 oder Absatz 7 Satz 1
a)
in das Bundesgebiet einreist oder
b)
sich darin aufhält,
1a.
einer vollstreckbaren gerichtlichen Anordnung nach § 56a Absatz 1 zuwiderhandelt und dadurch die kontinuierliche Feststellung seines Aufenthaltsortes durch eine in § 56a Absatz 3 genannte zuständige Stelle verhindert oder
2.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder das Erlöschen oder die nachträgliche Beschränkung des Aufenthaltstitels oder der Duldung abzuwenden oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und der Absätze 1a und 2 Nr. 1 Buchstabe a ist der Versuch strafbar.

(4) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 2 Nr. 2 bezieht, können eingezogen werden.

(5) Artikel 31 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bleibt unberührt.

(6) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 steht einem Handeln ohne erforderlichen Aufenthaltstitel ein Handeln auf Grund eines durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkten oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichenen Aufenthaltstitels gleich.

(7) In Fällen des Absatzes 2 Nummer 1a wird die Tat nur auf Antrag einer dort genannten zuständigen Stelle verfolgt.

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.

(2) In den Fällen der §§ 129 und 129a, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 1, ist § 74a anzuwenden.

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Dieser Umstand ist im vorliegenden Haftprüfungsverfahren unabhängig von seiner Beurteilung im Haftbefehl rechtlich zu würdigen. Zwar ist nur der nach § 122 Abs. 1 StPO vorgelegte Haftbefehl Gegenstand der Haftprüfung (vgl. KK-Schultheis, StPO, 7. Aufl., § 121 Rn. 24) und damit grundsätzlich auch ausschließlich der darin gegenüber dem Angeklagten erhobene Vorwurf (BGH, Beschluss vom 28. Juli 2016 - AK 41/16, juris Rn. 9). Diese Beschränkung bezieht sich indes auf den geschilderten Lebenssachverhalt, aus dem sich die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat ergibt (vgl. KK-Schultheis aaO, § 121 Rn. 10 mwN), nicht dagegen auf dessen rechtliche Würdigung. Wie dargelegt enthielt bereits der Haftbefehl des Amtsgerichts Tiergarten vom 16. Juni 2016 eine Schilderung der Anbindung des gesondert Verfolgten A. an den IS. Dieser Haftbefehl wurde dem Angeklagten mündlich eröffnet; die Anhörungsvorschriften der §§ 114a, 115 StPO wurden beachtet.

(1) Vor Erhebung der öffentlichen Klage ist für die weiteren gerichtlichen Entscheidungen und Maßnahmen, die sich auf die Untersuchungshaft, die Aussetzung ihres Vollzugs (§ 116), ihre Vollstreckung (§ 116b) sowie auf Anträge nach § 119a beziehen, das Gericht zuständig, das den Haftbefehl erlassen hat. Hat das Beschwerdegericht den Haftbefehl erlassen, so ist das Gericht zuständig, das die vorangegangene Entscheidung getroffen hat. Wird das vorbereitende Verfahren an einem anderen Ort geführt oder die Untersuchungshaft an einem anderen Ort vollzogen, so kann das Gericht seine Zuständigkeit auf Antrag der Staatsanwaltschaft auf das für diesen Ort zuständige Amtsgericht übertragen. Ist der Ort in mehrere Gerichtsbezirke geteilt, so bestimmt die Landesregierung durch Rechtsverordnung das zuständige Amtsgericht. Die Landesregierung kann diese Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltung übertragen.

(2) Nach Erhebung der öffentlichen Klage ist das Gericht zuständig, das mit der Sache befaßt ist. Während des Revisionsverfahrens ist das Gericht zuständig, dessen Urteil angefochten ist. Einzelne Maßnahmen, insbesondere nach § 119, ordnet der Vorsitzende an. In dringenden Fällen kann er auch den Haftbefehl aufheben oder den Vollzug aussetzen (§ 116), wenn die Staatsanwaltschaft zustimmt; andernfalls ist unverzüglich die Entscheidung des Gerichts herbeizuführen.

(3) Das Revisionsgericht kann den Haftbefehl aufheben, wenn es das angefochtene Urteil aufhebt und sich bei dieser Entscheidung ohne weiteres ergibt, daß die Voraussetzungen des § 120 Abs. 1 vorliegen.

(4) Die §§ 121 und 122 bleiben unberührt.

(5) Soweit nach den Gesetzen der Länder über den Vollzug der Untersuchungshaft eine Maßnahme der vorherigen gerichtlichen Anordnung oder der gerichtlichen Genehmigung bedarf, ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Maßnahme durchgeführt wird. Unterhält ein Land für den Vollzug der Untersuchungshaft eine Einrichtung auf dem Gebiet eines anderen Landes, können die beteiligten Länder vereinbaren, dass das Amtsgericht zuständig ist, in dessen Bezirk die für die Einrichtung zuständige Aufsichtsbehörde ihren Sitz hat. Für das Verfahren gilt § 121b des Strafvollzugsgesetzes entsprechend.

9
Trotz der zahlreichen im vorliegenden Verfahren ergangenen Haftentscheidungen ist Gegenstand der Haftprüfung ausschließlich der Haftbefehl des Amtsgerichts Frankfurt am Main in seiner Fassung vom 24. Februar 2015 und in dessen Folge ausschließlich der darin gegenüber dem Angeklagten erhobene Vorwurf. Es kann dahinstehen, ob in den verschiedenen Haftfortdauerentscheidungen des Landgerichts Frankfurt am Main und des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main eine Erweiterung des ursprünglichen Haftbefehls um den Vorwurf der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB) zu sehen ist. Die Entscheidungen sind jedenfalls nicht gemäß § 115 StPO verkündet worden, der auch auf die Erweiterung des Haftbefehls entsprechend anwendbar ist. Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Verkündung des erweiterten Haftbefehls gemäß § 115 StPO, so darf er in einem Haftfortdauerbeschluss gemäß §§ 121, 122 StPO nicht berücksichtigt werden (BVerfG, Beschluss vom 20. September 2001 - 2 BvR 1144/01, NStZ 2002, 157, 158 mwN; KK-Schultheis, StPO, 7. Aufl., § 121 Rn. 4, 25; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 115 Rn. 11; MüKoStPO/Böhm, § 121 Rn. 11). Soweit das Oberlandesgericht Frankfurt am Main in der Vergangenheit als Haftprüfungsgericht gemäß §§ 121, 122 StPO entschieden hatte, hätte ihm überdies auch die Kompetenz zur Erweiterung oder Anpassung des Haftbefehls gefehlt (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2014 - AK 31/14, juris Rn. 17; KK-Schultheis, StPO, 7. Aufl., § 121 Rn. 24a mwN).

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.

(2) In den Fällen der §§ 129 und 129a, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 1, ist § 74a anzuwenden.

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 2 6 5 / 1 3
vom
6. Mai 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 6. Mai 2014 gemäß
§§ 44, 46 Abs. 1, § 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:
1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Ergänzung einer Verfahrensrüge wird zurückgewiesen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg vom 13. Februar 2013 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision macht der Angeklagte ein Verfahrenshindernis geltend und beanstandet die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Außerdem erstrebt er die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Ergänzung einer Verfahrensrüge. Sämtliche Begehren bleiben ohne Erfolg.
2
Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts übernahm der Angeklagte ab Mai 2007 als hauptamtlicher Kader die Aufgabe des Gebietsleiters der "Partiya Karkeren Kurdistan" ("Arbeiterpartei Kurdistans"; im Folgenden: PKK) bzw. deren Europaorganisation "Civaka Demokratik a Kurdistan" ("Kurdische Demokratische Gesellschaft"; im Folgenden: CDK) in Hamburg und von Juni 2007 bis April 2008 zusätzlich die neu eingerichtete Region Hamburg, der die Gebiete Hamburg, Kiel, Bremen und Oldenburg angehörten. Er kontrollierte und koordinierte die Aktivitäten der PKK in diesen Gebieten, indem er etwa Konflikte entschied, die Disziplinargewalt ausübte und die finanziellen Angelegenheiten sowie die Organisation von Demonstrationen, Veranstaltungen und Kadertreffen überwachte. Außerdem fungierte er als Bindeglied zu dem damaligen Deutschlandverantwortlichen der PKK. Im April 2008 begab sich der Angeklagte in den Nordirak und schloss sich dort der PKK-Guerilla in den Bergen des türkisch-irakischen Grenzgebietes an. Im September 2008 kehrte er nach Europa zurück.
3
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Ergänzung der Rüge der Verletzung des § 261 StPO durch Verwertung der Erkenntnisse aus der am 12. Oktober 2011 durchgeführten Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten ist unzulässig.
4
Die Revisionsbegründungsfrist (§ 345 Abs. 1 StPO) ist nicht versäumt, da das Rechtsmittel fristgerecht mit der Sachrüge und mehreren - in zulässiger Weise geltend gemachten - Verfahrensrügen begründet worden ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. Februar 1951 - 1 StR 5/51, BGHSt 1, 44, 46 f.; vom 3. September 1987 - 1 StR 386/87, BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 1; vom 1. November 1988 - 5 StR 488/88, BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 3). Auch die in Rede stehende Rüge ist nicht verspätet, sondern allein in unvoll- ständiger Weise erhoben worden. Es widerspricht der Systematik des Revisionsverfahrens , in derartigen Fällen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur ergänzenden Begründung der Revisionsrüge zuzulassen, nachdem der Revisionsführer durch die Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft von der Formwidrigkeit seiner Verfahrensrüge erfahren hat. Eine besondere Verfahrenslage, bei der ausnahmsweise zur Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) eine Wiedereinsetzung unerlässlich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 7. September 1993 - 5 StR 162/93, BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 8; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 44 Rn. 7 ff.), liegt nicht vor.
5
2. Ein Verfahrenshindernis besteht nicht; die nach § 129b Abs. 1 Satz 3 StGB erforderliche Verfolgungsermächtigung liegt vor.
6
Das Bundesministerium der Justiz hat unter dem 6. September 2011 die Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung bereits begangener und künftiger Taten mit Deutschlandbezug der Europaführung, des Deutschlandverantwortlichen und der jeweiligen Verantwortlichen für die in Deutschland bestehenden Sektoren bzw. Regionen und Gebiete der PKK und CDK erteilt. Mit Schreiben vom 29. April 2013 hat es mitgeteilt, dass diese Ermächtigung nicht zurückgenommen werde. Zudem hat es unter dem 4. Mai 2012 eine Verfolgungsermächtigung für Taten des Angeklagten im Zusammenhang mit dessen Tätigkeit für die PKK und CDK erteilt. Diese Ermächtigungen genügen den an sie zu stellenden Anforderungen.
7
Bezüglich der formellen Einwände der Revision wird auf die Darlegungen in dem Beschluss des Oberlandesgerichts vom 27. September 2012 und der Antragsschrift des Generalbundesanwalts verwiesen.
8
In der Sache bedarf es hier keiner Entscheidung, ob die Ermächtigung nach § 129b Abs. 1 Satz 3 StGB inhaltlich jeder gerichtlichen Kontrolle entzogen (vgl. BT-Drucks. 14/8893 S. 9; LK/Krauß, StGB, 12. Aufl., § 129b Rn. 30; NK-StGB/Ostendorf, 4. Aufl., § 129b Rn. 12; Altvater, NStZ 2003, 179, 182; Stein, GA 2005, 433, 457 f.; Nehring, Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland, 2007, S. 311) oder - ähnlich wie dies für einen von einer hoheitlich handelnden Behörde gestellten Strafantrag vertreten wird (vgl. SKStGB /Rudolphi/Wolter, 39. Lfg., § 77 Rn. 20; Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 77 Rn. 17) - jedenfalls in begrenztem Maße auf Willkür überprüfbar ist (vgl. OLG München, Beschluss vom 8. Mai 2007 - 6 St 1/07, NJW 2007, 2786, 2789; offen gelassen in MK/Schäfer, 2. Aufl., § 129b Rn. 26). Anhaltspunkte, die für eine willkürlich erteilte Verfolgungsermächtigung sprechen könnten, sind nicht zu erkennen. Die Ermächtigung vom 6. September 2011 ist allgemein bis zur Ebene der Gebietsverantwortlichen erteilt. Sie erfasst somit alle für die PKK in herausgehobener Funktion Tätigen, ohne in sachwidriger Weise zwischen einzelnen Mitgliedern zu differenzieren. Hinweise darauf, dass das Bundesministerium die Ermächtigung aus sonstigen Gesichtspunkten in willkürlicher Weise erteilt hat, sind nicht ersichtlich.
9
3. Die Verfahrensrügen dringen aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend dargelegten Gründen nicht durch.
10
4. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende materiellrechtliche Überprüfung des Urteils hat einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht ergeben. Der ergänzenden Erörterung über die Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts hinaus bedürfen lediglich die folgenden Gesichtspunkte :
11
a) Die Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts ist nach dem im Revisionsrecht geltenden begrenzten Prüfungsmaßstab (BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 StR 269/04, NJW 2005, 2322, 2326) rechtsfehlerfrei. Dies gilt insbesondere auch, soweit das Oberlandesgericht sich davon überzeugt hat, dass die Führung der PKK spätestens ab August 2004 die terroristischen Aktivitäten der Vereinigung gegen zivile Objekte und Personen durch den Deckmantel der vermeintlich eigenständig agierenden "TAK" (Teyrebazen Azadiya Kurdistan = Freiheitsfalken Kurdistan) zu verschleiern suchte und die in der Folgezeit verübten Anschläge, zu denen sich "TAK" bekannte, daher tatsächlich der PKK zuzurechnen sind.
12
b) Für die Straftaten, auf die die Tätigkeit der PKK gerichtet ist, besteht kein Rechtfertigungsgrund.
13
Dies betrifft ohne Weiteres diejenigen Attentate, die unter dem Deckmantel der "TAK" gegen zivile Objekte und Personen durchgeführt wurden. Auch diejenigen Anschläge, die durch die Unterorganisation HPG (Hezen Parastina Gel = Volksverteidigungskräfte) vor allem im Osten der Republik Türkei auf militärische, paramilitärische oder polizeiliche Einrichtungen verübt wurden , sind weder nach nationalem Recht noch gemäß den Regeln des Völkerrechts gerechtfertigt. Dies entspricht der langjährigen, ständigen Rechtsprechung der mit Staatsschutzstrafsachen befassten Gerichte in der Bundesrepublik Deutschland (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Februar 2012 - AK 1 und 2/12, BGHR StGB § 129b Vereinigung 2; vgl. zur Entwicklung der Rechtsprechung BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 3 StR 179/10, BGHSt 56, 28, 29 ff.). Das Revisionsvorbringen bietet keinen Anlass, hiervon abzugehen; auch eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 2 GG ist nicht angezeigt. Das Oberlandesgericht hat in diesem Zusammenhang zu den von der Verteidigung aufgeworfenen völkerrechtlichen Fragestellungen sowohl in den schriftlichen Urteilsgründen als auch in seinem ausführlich begründeten Hinweisbeschluss vom 28. November 2012 zutreffend dargelegt, dass die der PKK zuzurechnenden Straftaten weder durch Völkervertrags- noch durch Völkergewohnheitsrecht gerechtfertigt sind. Der Senat schließt sich den dortigen Ausführungen einschließlich der umfangreichen Nachweise aus dem völkerrechtlichen Schrifttum vollumfänglich an und bemerkt auf der Grundlage der vom Oberlandesgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen lediglich zusammenfassend bzw. ergänzend:
14
aa) Art. 43 i.V.m. Art. 1 Abs. 4 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler Konflikte vom 8. Juni 1977 (BGBl. 1990 II, S. 1551; im Folgenden: ZP I) kommt als Rechtfertigungsgrund nicht in Betracht; denn sowohl die formellen als auch die materiellen Voraussetzungen für die Anwendbarkeit dieser Vorschriften sind nicht erfüllt.
15
Art. 43 ZP I statuiert das sog. Kombattantenprivileg, mithin das Recht der Angehörigen der Streitkräfte einer am Konflikt beteiligten Partei, unmittelbar an Feindseligkeiten teilzunehmen. Dieses Recht umfasst auch die Tötung von militärischen Gegnern. Es steht allerdings grundsätzlich nur Kämpfern in internationalen Konflikten zu. In diese bezieht Art. 1 Abs. 4 ZP I indes solche bewaffnete Konflikte ein, in denen Völker gegen Kolonialherrschaft und fremde Besetzung sowie gegen rassistische Regime in Ausübung ihres Rechts auf Selbstbestimmung kämpfen, wie es in der Charta der Vereinten Nationen und in der Erklärung über Grundsätze des Völkerrechts betreffend freundschaftliche Beziehungen und Zusammenarbeit zwischen den Staaten im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen niedergelegt ist.
16
(1) Formelle Voraussetzung für die Anwendbarkeit des ZP I als Teil des Völkervertragsrechts wäre, dass sowohl die Republik Türkei als auch die PKK dem Zusatzprotokoll rechtswirksam beigetreten sind. Dies ist jedoch bereits deshalb nicht der Fall, weil die Republik Türkei bis heute eine entsprechende Beitrittserklärung nicht abgegeben hat. Es bedarf deshalb keiner Entscheidung, ob die PKK überhaupt als "Organ, das ein Volk vertritt" im Sinne des Art. 96 Abs. 3 ZP I angesehen werden kann und sich ihrerseits gemäß dieser Vorschrift durch eine an den Verwahrer gerichtete Erklärung verpflichtet hat, die Genfer Abkommen und das ZP I in Bezug auf den Konflikt mit der Türkischen Republik anzuwenden.
17
(2) Entgegen der Auffassung der Revision ist das ZP I im Rahmen der Anwendung deutschen (Straf-)Rechts auch nicht deshalb anwendbar, weil die Bundesrepublik Deutschland diesem Abkommen beigetreten ist. Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht Partei in dem Konflikt zwischen der Republik Türkei und der PKK. Ihr Beitritt zu dem ZP I kann deshalb für diese keine Rechtsfolgen bezüglich der Rechtfertigung von im Rahmen des Konflikts begangenen Straftaten bis hin zu Tötungshandlungen auslösen. Die völkervertragsrechtliche Regelung der Art. 43, Art. 1 Abs. 4 ZP I erlangt vielmehr nur Geltung, wenn die am Konflikt Beteiligten selbst Vertragspartner sind; durch die Ratifizierung des Abkommens durch einen unbeteiligten Staat können diesen keine Rechte und Pflichten aus dem Vertrag auferlegt werden.
18
(3) Hinsichtlich der materiellen Anforderungen des Art. 1 Abs. 4 ZP I kann dahinstehen, ob auf der Grundlage der vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen die Voraussetzungen "bewaffneter Konflikt" und "Volk" erfüllt sind (vgl. hierzu GBA, Verfügung vom 20. Juni 2013 - 3 BJs 7/12-4, NStZ 2013, 644, 645). Der türkisch-kurdische Konflikt stellt jedenfalls keinen Kampf der PKK gegen Kolonialherrschaft, fremde Besetzung oder ein rassistisches Regime dar.
19
Die Republik Türkei hat die überwiegend von Kurden bevölkerten Provinzen nicht zum Zwecke der wirtschaftlichen Ausbeutung oder aus anderen Gründen besetzt. Die Zugehörigkeit eines Teils der kurdischen Gebiete zur Republik Türkei ist letztlich ein Ergebnis des 1. Weltkrieges und des damit verbundenen Zusammenbruches des Osmanischen Reiches, nach dem die türkischen Staatsgrenzen neu bestimmt wurden. Die Auffassung der Revision, die Fremdheit türkischer Besetzung liege darin, dass die Entwicklung zu einem kurdischen Staat nach dem ersten Weltkrieg insbesondere durch den Vertrag von Sèvres vom 10. August 1920, in dem den Kurden unter den dort näher geregelten Voraussetzungen ein Recht auf Selbstbestimmung zugebilligt wurde, nur unterbrochen worden sei, geht fehl. Der Vertrag von Sèvres wurde bereits durch den Vertrag von Lausanne vom 24. Juli 1923 wieder aufgehoben. Die auf türkischem Hoheitsgebiet liegenden kurdischen Provinzen sind deshalb völkerrechtlich als Teil der Republik Türkei anzusehen; eine "fremde" Besetzung scheidet somit aus.
20
Die Republik Türkei ist schließlich kein rassistisches Regime im Sinne des Art. 1 Abs. 4 ZP I. Dieses Tatbestandsmerkmal ist eng auszulegen; nach der Entstehungsgeschichte des ZP I sollte es insbesondere das früher in Südafrika bestehende Apartheitsregime erfassen. Das Oberlandesgericht hat zwar festgestellt, dass die kurdische Bevölkerungsgruppe und ihre Repräsentanten in der Republik Türkei verschiedenen Repressionen ausgesetzt waren, was u.a. in mehreren Fällen zur Verurteilung der Republik Türkei durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte führte. Die Voraussetzungen eines rassistischen Regimes im hier relevanten Sinne sind aber nicht schon dann gege- ben, wenn einzelne Bevölkerungsteile diskriminiert werden. Erforderlich ist vielmehr, dass diese vom politischen Prozess vollständig ausgeschlossen werden. Derart weitgehende Maßnahmen seitens der Republik Türkei sind nicht festgestellt.
21
bb) Die der PKK zuzurechnenden Straftaten sind auch nicht nach den Maßgaben des Völkergewohnheitsrechts gerechtfertigt.
22
Die Entstehung eines universell geltenden Völkerrechtssatzes setzt grundsätzlich eine in der Staatengemeinschaft hinreichend verfestigte Praxis und eine entsprechende Rechtsüberzeugung voraus. Zu den in Art. 1 Abs. 4 ZP I niedergelegten Grundsätzen hat sich bisher keine einhellige Staatenpraxis entwickelt. Es fehlt - auch mit Blick auf das von der Verteidigung angeführte Recht auf Selbstbestimmung nach Art. 1 Nr. 2 der UN-Charta (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 12. Oktober 1965 - 3 StR 15/65 - NJW 1966, 310) - an einer von einer ausreichend einhelligen Rechtsüberzeugung getragenen Praxis für ein ius ad bellum etwa nationaler Befreiungsbewegungen; ein kollektives Recht auf bewaffneten Widerstand zugunsten einer Bevölkerungsgruppe gegen die Regierung des eigenen Landes hat sich bisher im Völkergewohnheitsrecht nicht herausgebildet (zur nicht gegebenen Rechtfertigung vorsätzlicher Tötungen wegen menschenrechtswidriger Versagung der Ausreisefreiheit vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 2000 - 5 StR 629/99, NJW 2000, 3079; BVerfG, Beschluss vom 30. November 2000 - 2 BvR 1473/00, NStZ 2001, 187; zu den neueren Entwicklungen des Völkerrechts in einem Bürgerkrieg vgl. Kreß, JZ 2014, 365). Im Übrigen besteht im hier konkret zu beurteilenden Fall gerade keine Überzeugung der Staatengemeinschaft dahin, der bewaffnete Kampf der PKK und ihrer Unterorganisationen und die damit verbundene Begehung von Straftaten sei gerechtfertigt. Die PKK wird vielmehr international weitgehend als terroristische Organisation eingeordnet (vgl. etwa aus dem Bereich der Europäischen Union in neuerer Zeit Beschluss 2014/72/GASP des Rates vom 10. Februar 2014 zur Aktualisierung und Änderung der Liste der Personen, Vereinigungen und Körperschaften , für die die Artikel 2, 3 und 4 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus gelten, und zur Aufhebung des Beschlusses 2013/395/GASP, Anhang Ziffer 2.16. und 25., ABl. L 40/56; vgl. auch die Nachweise in BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 3 StR 179/10, BGHSt 56, 28,

39).


Becker RiBGH Hubert befindet sich Schäfer im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Gericke Spaniol

(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.

(2) In den Fällen der §§ 129 und 129a, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 1, ist § 74a anzuwenden.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.

(2) Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen

1.
festgestellt wird, daß der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält,
2.
bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, daß der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen werde (Fluchtgefahr), oder
3.
das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er werde
a)
Beweismittel vernichten, verändern, beiseite schaffen, unterdrücken oder fälschen oder
b)
auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer Weise einwirken oder
c)
andere zu solchem Verhalten veranlassen,
und wenn deshalb die Gefahr droht, daß die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (Verdunkelungsgefahr).

(3) Gegen den Beschuldigten, der einer Straftat nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 oder § 13 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder § 129a Abs. 1 oder Abs. 2, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, oder nach den §§ 176c, 176d, 211, 212, 226, 306b oder 306c des Strafgesetzbuches oder, soweit durch die Tat Leib oder Leben eines anderen gefährdet worden ist, nach § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches dringend verdächtig ist, darf die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach Absatz 2 nicht besteht.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 BJs 26/77-5
StB 51/09
vom
23. Dezember 2009
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
wegen Mordes
hier: Haftbeschwerde der Beschuldigten
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Dezember 2009 gemäß
§ 304 Abs. 5 StPO beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Beschuldigten werden der Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichthofs vom 26. August 2009 (1 BGs 177/09) sowie dessen Beschluss über die Aufrechterhaltung des Haftbefehls vom 28. August 2009 (1 BGs 180/09) aufgehoben. Die Beschuldigte ist unverzüglich aus der Haft zu entlassen. 2. Die Kosten des Rechtsmittels und die der Beschwerdeführerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.

Gründe:

I.

1
Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichthofs hat gegen die Beschuldigte am 26. August 2009 wegen des dringenden Verdachts des mittäterschaftlich begangenen Mordes (§§ 211, 25 Abs. 2 StGB) in drei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen (§ 52 StGB) Haftbefehl erlassen. Danach ist die Beschuldigte dringend verdächtig, an dem Anschlag vom 7. April 1977 in Karlsruhe beteiligt gewesen zu sein, bei dem der damalige Generalbundesanwalt Siegfried Buback , sein Fahrer Wolfgang Göbel und sein weiterer Begleiter Erster Justizhauptwachtmeister Georg Wurster getötet wurden. Die Beschuldigte ist darauf- hin am 27. August 2009 festgenommen worden. Mit Beschluss vom 28. August 2009 hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichthofs nach Vorführung der Beschuldigten den Haftbefehl aufrechterhalten und in Vollzug gesetzt. Die Beschuldigte befindet sich seitdem in Untersuchungshaft.
2
Mit Schriftsatz vom 11. November 2009 hat die Beschuldigte gegen den Haftbefehl vom 26. August 2009 und den Beschluss vom 28. August 2009 Beschwerde eingelegt. Sie beantragt, den Haftbefehl aufzuheben. Zur Begründung führt sie aus, es bestehe möglicherweise ein Verfahrenshindernis; außerdem liege weder ein dringender Tatverdacht noch ein Haftgrund vor.
3
Der Generalbundesanwalt ist der Beschwerde entgegen getreten. Er ist der Auffassung, nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen sei zwar nicht davon auszugehen, dass die Beschuldigte am Tattag unmittelbar an der Ermordung von Generalbundesanwalt Buback sowie seiner Begleiter Göbel und Wurster als Fahrerin des bei der Tat benutzten Motorrads oder als Schützin beteiligt gewesen sei. Sie sei jedoch dringend verdächtig, sich in sonstiger Weise als Mittäterin an dem Anschlag beteiligt zu haben.
4
Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichthofs hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

5
Die zulässige Haftbeschwerde hat im Ergebnis Erfolg. Der Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs kann keinen Bestand haben. Zwar ist die Beschuldigte nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen - wenn auch nicht des mittäterschaftlich begangen Mordes, so doch - der Beihilfe zum Mord (§§ 211, 27 Abs. 1 StGB) in drei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen dringend verdächtig. Ein für die Anordnung von Untersuchungshaft zwingend erforderlicher Haftgrund (§ 112 Abs. 1 Satz 1 StPO) besteht indes nicht. Im Einzelnen :
6
Nach dem Ergebnis der Ermittlungen verübte am 7. April 1977 in Karlsruhe ein "Kommando Ulrike Meinhof" (im Folgenden: "Kommando") der "Rote Armee Fraktion" (im Folgenden: "RAF") im Rahmen der sog. Offensive 77 einen Anschlag auf den damaligen Generalbundesanwalt Buback, dem auch sein Fahrer Göbel und sein weiterer Begleiter Erster Justizhauptwachtmeister Wurster zum Opfer fielen.
7
Am Tattag lauerten zwei Mitglieder des "Kommandos" dem Dienstwagen des Generalbundesanwalts Buback auf der Fahrt zum Dienstgebäude der Bundesanwaltschaft auf. Sie verwendeten ein Motorrad Marke Suzuki GS 750, das von dem "RAF"-Mitglied Sonnenberg angemietet worden war. Als das Dienstfahrzeug kurz nach 9.00 Uhr an einer Verkehrsampel anhalten musste, fuhren die Mitglieder des "Kommandos" mit ihrem Motorrad rechts neben den PKW. Die Person auf dem Soziussitz holte aus einer mitgeführten Reisetasche ein an Lauf und Schaft verkürztes Selbstladegewehr und gab daraus eine Serie von mindestens 15 Schüssen durch die Seitenfenster auf die drei Insassen des Dienstfahrzeugs ab. Generalbundesanwalt Buback und sein Fahrer Göbel verstarben noch am Tatort. Erster Justizhauptwachtmeister Wurster erlag am 13. April 1977 den schweren Schussverletzungen, die er bei dem Attentat erlitten hatte. Nach dem Anschlag flohen die Täter mit dem Motorrad durch die Karlsruher Innenstadt; sodann versteckten sie es in der Kammer eines Pfeilers der Autobahnbrücke in Wolfartsweier. Dort wurden die beiden von einem weiteren Mitglied des "Kommandos" erwartet; die drei Personen setzten gemeinsam die Flucht in einem PKW Alfa Romeo fort. Sie passierten mit dem Fahrzeug eine Kontrollstelle der Polizei bei Remchingen/Singen. Zwischen 10.00 Uhr und 10.30 Uhr stellten sie den Alfa Romeo in Sachsenheim/Kreis Ludwigsburg ab. Danach verlor sich ihre Spur.
8
Die Beschuldigte, die zur Tatzeit ebenfalls der "RAF" angehörte, und Sonnenberg wurden am 3. Mai 1977 in Singen festgenommen. In einem Sonnenberg gehörenden Rucksack führten sie das bei dem Anschlag am 7. April 1977 verwendete Selbstladegewehr bei sich. Um ihre Festnahme zu verhindern , schossen sie mit weiteren mitgeführten Waffen zunächst auf zwei Polizeibeamte und verletzten diese. Sodann erpressten sie die Überlassung eines Kraftfahrzeugs, mit dem sie flüchteten. Schließlich wurden sie von vier weiteren Polizeibeamten gefasst. Bei dem ihrer Überwältigung vorausgehenden Schusswechsel wurde Sonnenberg durch einen Kopfschuss schwer verletzt; die Beschuldigte erlitt eine Schusswunde am Bein.
9
Gegen die Beschuldigte erließ der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs unter anderem wegen des dringenden Tatverdachts der mittäterschaftlichen Beteiligung an dem Attentat vom 7. April 1977 Haftbefehl. Gegen Sonnenberg ordnete er ebenfalls unter anderem wegen desselben Tatvorwurfs die Untersuchungshaft an.
10
Die Beschuldigte und Sonnenberg wurden wegen der bei ihrer Festnahme am 3. Mai 1977 begangenen Straftaten vom Oberlandesgericht Stuttgart wie folgt rechtskräftig verurteilt: die Beschuldigte durch Urteil vom 28. Dezember 1977 wegen versuchten Mordes in zwei Fällen, wegen versuchten Mordes in vier tateinheitlich zusammentreffenden Fällen sowie wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung zu lebenslanger Freiheitsstrafe; Sonnenberg durch Urteil vom 26. April 1978 wegen versuchten Mordes in zwei Fällen ebenfalls zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Soweit die Ermittlungen aufgrund der bei der Festnahme sichergestellten Ge- genstände den Verdacht von "Beschaffungsstraftaten" wie Diebstahl, Hehlerei u. a. begründeten, hatte der Generalbundesanwalt bereits zuvor das Verfahren am 25. Juni 1977 nach § 154 Abs. 1 StPO vorläufig eingestellt. Die Vollstreckung der gegen die Beschuldigte verhängten Strafe wurde durch Gnadenentscheidung des Bundespräsidenten vom 25. September 1989 mit Wirkung vom 1. Dezember 1989 zur Bewährung ausgesetzt. Mit Entscheidung vom 30. April 1995 erließ der Bundespräsident im Wege der Gnade den noch nicht vollstreckten Teil der Strafe. Die Beschuldigte verbüßte von der lebenslangen Freiheitsstrafe insgesamt neun Jahre und etwa zwei Monate.
11
Der Generalbundesanwalt stellte durch Verfügung vom 31. März 1980 das Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Beteiligung der Beschuldigten an dem Attentat vom 7. April 1977 nach § 170 Abs. 2 StPO in Kenntnis der bis dahin ermittelten, die Beschuldigte teilweise belastenden Umstände ein. Zur Begründung führte er aus, aufgrund der Ermittlungen bestehe zwar ein gewisser Verdacht, dass die Beschuldigte an dem Anschlag beteiligt gewesen sei, zumal sie als im Untergrund lebendes Mitglied der "RAF" enge Verbindungen zu dem der Tat dringend verdächtigen Sonnenberg gehabt habe. Es lägen jedoch keine ausreichenden Erkenntnisse über eine konkrete Beteiligung insbesondere an der Planung, Vorbereitung oder Durchführung der Tat vor. Ein Nachweis, der nach einer eventuellen Hauptverhandlung eine Verurteilung mit einiger Wahrscheinlichkeit erwarten lasse, sei daher nicht zu führen. Durch Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 10. April 1980 wurde der Haftbefehl gegen die Beschuldigte aufgehoben.
12
Das Ermittlungsverfahren gegen Sonnenberg wegen mittäterschaftlicher Beteiligung an dem Anschlag vom 7. April 1977 wurde mit Blick auf dessen rechtskräftige Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe wegen der am 3. Mai 1977 in Singen begangenen Mordversuche sowie auf seine aufgrund des Kopf- schusses eingetretene dauerhafte erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigung vom Generalbundesanwalt am 15. Januar 1982 nach § 154 StPO eingestellt. Das Oberlandesgericht Stuttgart verurteilte die drei folgenden Mitglieder der "RAF" wegen Mittäterschaft an dem Attentat vom 7. April 1977: Folkerts durch Urteil vom 31. Juli 1980; Klar und Mohnhaupt durch Urteil vom 2. April 1985. Die Entscheidungen sind rechtskräftig.
13
Mit Verfügung vom 9. April 2008 hat der Generalbundesanwalt das Ermittlungsverfahren gegen die Beschuldigte wegen des Anschlags auf Generalbundesanwalt Buback und seine Begleiter wieder aufgenommen. Zur Begründung hat er ausgeführt, ein neuer Ermittlungsansatz sei deshalb vorhanden, weil an noch vorhandenen Tatasservaten molekulargenetische Spuren festgestellt worden seien, deren Verursacherin möglicherweise die Beschuldigte sei. In der Folgezeit sind zahlreiche Ermittlungsmaßnahmen durchgeführt worden. Diese haben unter anderem zu folgenden Ergebnissen geführt:
14
Die an den unmittelbaren Tatasservaten (Motorradhandschuh, -helm und -jacke) festgestellten DNA-Mischspuren stammten nicht von der Beschuldigten. Diese war jedoch die Verursacherin von Speichelspuren, die an drei Briefumschlägen sichergestellt wurden, mit denen am 13. April 1977 Kopien des Selbstbezichtigungsschreibens zu dem Anschlag vom 7. April 1977 an verschiedene Presseorgane versandt worden waren. Die Beschuldigte kann darüber hinaus als Verursacherin von zwei Spuren auf den in den Briefhüllen befindlichen Selbstbezichtigungsschreiben nicht ausgeschlossen werden.
15
Bei einer Durchsuchung der Wohnung der Beschuldigten am 20. August 2009 wurde eine handschriftliche Aufzeichnung mit folgendem Text gefunden: "7.04.08 - Nein, ich weiß noch nicht wie ich für Herrn Buback beten soll, ich habe kein wirkliches Gefühl für Schuld u. Reue. Natürlich würde ich es heute nicht mehr machen - aber ist das nicht armselig so zu denken u. zu fühlen?! Das ist nicht Heilung, das scheint noch ein weiter Weg zu sein." In einer "I-Ging"Befragung vom 22. März 2007 befasste sich die Beschuldigte mit dem Thema "Heilung" und stellte unter anderem die Frage: "Ist es mein Täterwissen?" In einer handschriftlichen Aufzeichnung vom 27. April 2007 heißt es unter anderem : "Was will ich erreichen? S. (u. andere) reinwaschen. Sagen wie es wirklich war."
16
Außerdem hat das ehemalige "RAF"-Mitglied Boock mehrfach, zuletzt im November 2009, Angaben zu dem damaligen Geschehen gemacht. Er hat bekundet , die Beschuldigte habe sich mit anderen im Sommer/Herbst 1976 in einem militärischen Ausbildungslager der palästinensischen Terrororganisation PFLP ("Volksfront für die Befreiung Palästinas") im Jemen aufgehalten. Dort sei die grundsätzliche Entscheidung getroffen worden, nach Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland Mordanschläge gegen führende Repräsentanten des Staates, darunter Generalbundesanwalt Buback, zu begehen. Von den in Stammheim inhaftierten Gefangenen der "RAF" sei der Befehl gekommen: "Der General muss weg." Die im Jemen entstandene Gruppe dürfe sich nur dann als "RAF" bezeichnen, wenn sie einen dahingehenden Anschlag verübe. Deshalb sei das Attentat auf Generalbundesanwalt Buback für die Mitglieder der Gruppierung besonders wichtig gewesen. Nach der Rückkehr der Gruppenmitglieder nach Deutschland habe ein Treffen im Harz stattgefunden, bei dem die weitere Vorgehensweise geplant und die Aufgaben verteilt worden seien. Es sei ein Arbeitsplan erstellt worden. Dieser wurde anlässlich der Festnahme der Gruppenmitglieder Haag und Mayer am 30. November 1976 sichergestellt. Die dort als "Paula" aufgeführte Person sei, so der Zeuge in seiner Vernehmung vom 12. November 2009, die Beschuldigte. Aufgrund der Festnahme von Haag und Mayer habe man den ursprünglich für Dezember 1976 geplanten Anschlag auf Generalbundesanwalt Buback verschoben. Es sei Ende des Jahres 1976 zu einem weiteren Treffen der Gesamtgruppe in Holland gekommen, an dem auch die Beschuldigte teilgenommen habe. Bei diesem Treffen habe man die beschleunigte Durchführung der im Grundsatz bereits beschlossenen Aktionen vereinbart. Der Beschluss, Generalbundesanwalt Buback zu töten, sei eine gemeinsame und von allen getragene Entscheidung der Kerngruppe der "RAF" gewesen; dazu habe auch die Beschuldigte gezählt. Dieser sei es immer sehr darauf angekommen, den Willen der in Stammheim inhaftierten "RAF"Mitglieder durchzusetzen; dazu habe auch der Befehl "Der General muss weg" gehört. Die Beschuldigte sei damals sehr fanatisch gewesen und keinen Millimeter von der Linie abgewichen.
17
Das Bundesamt für Verfassungsschutz verfügt über Informationen einer Quelle zu dem Anschlag vom 7. April 1977. Unter dem 15. Juni 2007 hat es gegenüber dem Generalbundesanwalt ein Behördenzeugnis abgegeben, nach dem einer älteren unbestätigten Einzelinformation zufolge die "RAF"-Mitglieder Wisniewski als Schütze auf dem Soziussitz des Motorrads, Sonnenberg als Fahrer des Motorrads und Klar als Fahrer des Fluchtfahrzeugs Alfa Romeo an dem Anschlag vom 7. April 1977 beteiligt gewesen seien. Unter Verweis auf dieses Zeugnis hat das Bundesministerium des Innern im Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten Wisniewski unter dem 25. Januar 2008 eine Sperrerklärung nach § 96 StPO abgegeben. Im hiesigen Ermittlungsverfahren hat der Generalbundesanwalt um die Freigabe der in der Sperrerklärung aufgeführten Quelleninformationen und Aktenvermerke ersucht. Nach gewährter Akteneinsicht hat der Generalbundesanwalt mit Schreiben vom 29. September 2009 die Herausgabe aller Vermerke über Befragungen und Gespräche mit der Quelle begehrt. Über dieses Verlangen ist vom Bundesministerium des Innern bisher nicht entschieden worden.

III.

18
Ein die weitere strafrechtliche Verfolgung und gegebenenfalls die Ahndung der Tat ausschließendes Verfahrenshindernis ist nicht gegeben.
19
1. Entgegen der Auffassung der Verteidigung steht die Einstellungsverfügung nach § 154 StPO vom 25. Juni 1977 und der mittlerweile eingetretene Zeitablauf der Verfolgung der Beschuldigten nicht entgegen. Die genannte Verfügung erfasst nach ihrem eindeutigen Wortlaut nur die "Beschaffungsstraftaten" in Bezug auf die bei der Festnahme der Beschuldigten am 3. Mai 1977 in Singen sichergestellten Gegenstände. Sie bezieht sich deshalb nicht auf das Ermittlungsverfahren betreffend die Ermordung von Generalbundesanwalt Buback und seiner Begleiter. Dieses ist erst durch Verfügung vom 31. März 1980 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden, da die Bundesanwaltschaft zu diesem Zeitpunkt einen hinreichenden Tatverdacht verneint hat. Durch diese Einstellung ist ein Strafklageverbrauch nicht eingetreten; denn der Einstellungsverfügung kommt keine Rechtskraftwirkung zu (Schmid in KK 6. Aufl. § 170 Rdn. 23; Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 170 Rdn. 9). Das Ermittlungsverfahren konnte vielmehr jederzeit wieder aufgenommen werden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Ausführungen des Oberlandesgerichts Stuttgart auf S. 124 f. des Urteils gegen die Beschuldigte vom 28. Dezember 1977. Dort wird im Wesentlichen darauf hingewiesen, dass der Strafsenat zur Klarstellung der Rechtslage mit Beschluss vom 5. Dezember 1977 mit Zustimmung der Bundesanwaltschaft die Strafverfolgung nach § 154 a Abs. 2 StPO beschränkt hat. Auch hiervon war der Tatvorwurf der Beteiligung an dem Attentat vom 7. April 1977 nicht betroffen.
20
2. Die Strafklage wegen der Tat vom 7. April 1977 ist durch das gegen die Beschuldigte ergangene Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 28. Dezember 1977 nicht verbraucht.
21
Dies gilt auch, wenn man entgegen dem Haftbefehl nicht den Vorwurf der mittäterschaftlichen Begehung des Mordes, sondern denjenigen der Beihilfe hierzu bejaht. Dabei bedarf es keiner näheren Betrachtung, ob der Vorwurf der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung materiellrechtlich in Tateinheit mit wenigstens einem der vom Oberlandesgericht Stuttgart abgeurteilten Delikte steht. Ein gegebenenfalls für die Straftat nach § 129 a StGB eingetretener Strafklageverbrauch ließe den hiesigen Tatvorwurf unberührt. Zwar besteht materiellrechtlich Tateinheit zwischen der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung und den Straftaten, auf welche die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung gerichtet sind. Dies trifft in Bezug auf die Ermordung von Generalbundesanwalt Buback und seinen Begleitern zu. Damit ist grundsätzlich auch von einer Tat im prozessualen Sinn auszugehen. Jedoch folgt aus den Besonderheiten der §§ 129, 129 a StGB als Organisationsdelikte, die über lange Zeiträume ganz verschiedenartige Verhaltensweisen gesetzlich zu einer rechtlichen Einheit zusammenfassen und damit mit anderen Dauerstraftaten nicht vergleichbar sind, sowie dem Gebot der materiellen Gerechtigkeit, dass die Rechtskraft bezüglich der Delikte nach §§ 129, 129 a StGB - verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfGE 56, 22, 28 ff.) - schwerere Delikte nicht erfasst, wenn sie nicht tatsächlich Gegenstand der Anklage und Urteilsfindung waren (st. Rspr.; s. etwa BGHSt 29, 288, 292 ff.).
22
Hier erstreckten sich die Anklage und das Urteil wegen der bei der Festnahme der Beschuldigten begangenen Straftaten nicht auf die Ereignisse vom 7. April 1977. Der Vorwurf des Mordes bzw. der Beihilfe hierzu wiegt schwerer als derjenige, ein Organisationsdelikt nach § 129 a StGB begangen zu haben. Dies zeigt sich unter anderem daran, dass Mord und die Beihilfe hierzu mit höheren Strafen bedroht sind als die mitgliedschaftliche Beteiligung in einer terroristischen Vereinigung.

IV.

23
Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen besteht gegen die Beschuldigte der dringende Verdacht, dass sie den Anschlag vom 7. April 1977 als Gehilfin unterstützt und sich deswegen der Beihilfe zum Mord in drei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen schuldig gemacht hat. Demgegenüber belegt das Ergebnis der bisherigen Ermittlungen einen darüber hinausgehenden dringenden Verdacht für die Begehung der Tat als Mittäterin nicht.
24
1. Nach § 27 Abs. 1 StGB macht sich wegen Beihilfe strafbar, wer (vorsätzlich ) einem anderen zu dessen (vorsätzlich begangener) rechtswidriger Tat Hilfe leistet. Nach ständiger Rechtsprechung (s. etwa BGHSt 46, 107, 109; BGH NJW 2001, 2409, 2410; NStZ 2004, 499, 500) ist als Hilfeleistung in diesem Sinne grundsätzlich jede Handlung anzusehen, die die Herbeiführung des Taterfolges durch den Haupttäter objektiv fördert oder erleichtert; dass sie für den Eintritt dieses Erfolges in seinem konkreten Gepräge in irgendeiner Weise kausal wird, ist nicht erforderlich (BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 27 - in BGHSt 51, 144 insoweit nicht abgedruckt). Es genügt, dass ein Gehilfe die Haupttat im Vorbereitungsstadium fördert, wenn die Teilnahmehandlung mit entsprechendem Förderungswillen und -bewusstsein vorgenommen wird (BGHSt 46, 107, 115; BGH NJW 1985, 1035, 1036). Beihilfe zu einer Tat kann schließlich schon dadurch geleistet werden, dass der Gehilfe den Haupttäter in seinem schon gefassten Tatentschluss bestärkt und ihm ein erhöhtes Gefühl der Sicherheit vermittelt (BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 8).
25
Nach diesen Maßstäben hat die Beschuldigte bei einer Gesamtbewertung des bisherigen Ermittlungsergebnisses mit großer Wahrscheinlichkeit Beihilfe zu dem Attentat auf Generalbundesanwalt Buback und seine Begleiter geleistet. Mit der Bundesanwaltschaft ist nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen bei umfassender, sachgerechter Bewertung der Beweise - auch verschiedener Zeugenaussagen - nicht davon auszugehen, dass die Beschuldigte an dem Anschlag selbst unmittelbar als Fahrerin des Motorrads oder Beifahrerin und Schützin beteiligt war. Hierfür sprechen neben zahlreichen Gesichtspunkten die Ergebnisse der neueren DNA-Untersuchungen bei Begehung der Tat benutzter Gegenstände. Die Beschuldigte hat jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit vor der Ausführung der Tat einen objektiven Beitrag zu dieser geleistet, indem sie die unmittelbaren Täter in derem Tatentschluss bestärkte.
26
a) Dies ergibt sich vor allem aus der vorläufigen Wertung der Aussage des Zeugen Boock. Danach hat sich die Beschuldigte in dem Zeitraum vor der Tat, etwa auch bei dem Treffen der Gesamtgruppe in Holland nach der Festnahme von Haag und Mayer, in besonders intensiver Weise dafür eingesetzt, die jeweiligen Anweisungen der in Stammheim inhaftierten Führungsmitglieder der "RAF" umzusetzen, zu denen auch der eindeutige Befehl "Der General muss weg" gehörte. Dieses Verhalten weist einen konkreten inhaltlichen Bezug zu der geplanten Tat auf und geht über Tätigkeiten hinaus, die lediglich als mitgliedschaftliche Beteiligung an der damals bestehenden terroristischen Vereinigung zu werten wären. Die offensive Propagierung des von den Gefangenen stammenden Tötungsbefehls durch die Beschuldigte bestätigte mit großer Wahrscheinlichkeit den Willen der unmittelbaren Täter des Anschlags, das Attentat tatsächlich durchzuführen.
27
Die Aussage des Zeugen Boock ist - bei der gebotenen vorläufigen Würdigung -, jedenfalls was den hier relevanten Teil betrifft, insoweit inhaltlich eindeutig , plausibel und fügt sich in seine übrigen Bekundungen ein. Gegen ihre Glaubhaftigkeit spricht im Ergebnis entgegen der Auffassung der Verteidigung nicht, dass der Zeuge in der Vernehmung vom 2. April 1992 berichtet hat, eine von den inhaftierten Mitgliedern der "RAF" legitimierte Person habe sich an ihn gewandt und ihm übermittelt, die Gefangenen benötigten Waffen, weil sie Generalbundesanwalt Buback in einer Hauptverhandlung als Geisel nehmen wollten. Der Zeuge hat den gegen Generalbundesanwalt Buback unter dem Decknamen "Margarine" geplanten Anschlag konstant - auch mehrfach in der Vernehmung vom 2. April 1992 - als einzige der für das Jahr 1977 ins Auge gefassten Straftaten als "Bestrafungsaktion" bezeichnet. Diese Wortwahl und der Inhalt des Befehls "Der General muss weg" legen den Schluss nahe, dass Generalbundesanwalt Buback nicht als Geisel genommen, sondern getötet werden sollte. Auch nach den sonstigen Umständen ist nicht davon auszugehen, dass der Anschlag vom 7. April 1977 ohne Billigung der in Stammheim inhaftierten Gefangenen stattfand.
28
Im Übrigen weist der Senat zur Vermeidung von Missverständnissen ausdrücklich darauf hin, dass die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen Boock und seine Glaubwürdigkeit allein aufgrund der aus dem Inhalt der Akten zu entnehmenden Erkenntnisse derzeit nicht endgültig beurteilt werden können. Diese Bewertungen - ebenso wie die Würdigung der übrigen Beweise - können vielmehr im Falle der Anklageerhebung abschließend nur auf der Grundlage des Ergebnisses einer umfassenden Beweisaufnahme in einer Hauptverhandlung getroffen werden.
29
b) Die Aussage des Zeugen Boock wird durch die Gesamtschau des übrigen derzeitigen Ermittlungsergebnisses gestützt. Die weiteren Umstände, die nach Auffassung des Generalbundesanwalts den dringenden Verdacht für eine Beteiligung der Beschuldigten an dem Anschlag auf Generalbundesanwalt Buback und seine Begleiter begründen, sind bei vorläufiger Würdigung für den Nachweis der Beteiligung der Beschuldigten an dem Attentat unterschiedlich ergiebig und bedeutungsvoll. Sie sind zum Teil mehrdeutig, jedoch teilweise bereits für sich gesehen, insbesondere aber in ihrer Gesamtheit jedenfalls geeignet , eine gewisse Nähe der Beschuldigten zu dem Mordanschlag zu belegen :
30
aa) Dadurch, dass der Zeuge Boock den Decknamen "Paula", der in dem bei der Festnahme von Haag und Mayer am 30. November 1976 sichergestellten "Arbeitsplan" verwendet wurde, - zuletzt eindeutig - der Beschuldigten zuordnete , bestehen tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die Beschuldigte an den Vorbereitungen eines ursprünglich für Dezember 1976 geplanten Anschlags gegen Generalbundesanwalt Buback beteiligt war.
31
bb) Der Umstand, dass sich auf drei Umschlägen, mit denen Kopien des Selbstbezichtigungsschreibens versandt wurden, Speichelspuren der Beschuldigten befinden, lässt zwar zurzeit keinen unmittelbaren Rückschluss auf die Intensität der Einbindung der Beschuldigten in die Vorbereitungen der Tat vom 7. April 1977 zu. Er spricht jedoch dafür, dass die Beschuldigte sich an dem Nachtatgeschehen aktiv beteiligte. Hieraus wird deutlich, dass sie auch nach dem Attentat mit diesem und den mit dem Anschlag von der "RAF" verfolgten Zielen übereinstimmte.
32
cc) Ähnlich, allerdings mit einer schwächeren Indizwirkung, ist bei dem derzeitigen Stand des Verfahrens zu bewerten, dass die Beschuldigte etwa einen Monat nach der Tat zusammen mit dem tatverdächtigen "RAF"-Mitglied Sonnenberg in Singen festgenommen wurde, wobei sie die bei dem Anschlag am 7. April 1977 benutzte Waffe mit sich führten.
33
dd) Die weiteren vom Generalbundesanwalt angeführten Ermittlungsergebnisse verstärken bei vorläufiger Würdigung den Tatverdacht der Beihilfe zum Mord jedenfalls nicht wesentlich:
34
Das bei der Durchsuchung sichergestellte Schriftstück mit Datum 7. April 2008 weist einen in gewisser Weise tagebuchartigen Charakter auf. Vor allem aufgrund seiner Datierung auf den 31. Jahrestag des Anschlags sowie der namentlichen Bezeichnung des "Herrn Buback" ist ein Bezug zu der Tat erkennbar. Auch vor diesem Hintergrund erschiene es indes nicht unbedenklich, wollte man wie der Generalbundesanwalt annehmen, der - als solcher mehrdeutige - Satz "Natürlich würde ich es heute nicht mehr machen" lasse nur "den zwingenden Schluss" zu, dass die Beschuldigte an dem Anschlag vom 7. April 1977 verantwortlich mittäterschaftlich beteiligt gewesen sei. Die Einlassung der Beschuldigten vor dem Ermittlungsrichter, diese Passage beziehe sich auf ihren "früheren Weg mit dem bewaffneten Kampf", mithin allgemein auf ihre Betätigung in der "RAF", erscheint jedenfalls nicht von vornherein unplausibel. Auch diese mitgliedschaftliche Beteiligung an der terroristischen Vereinigung als solche könnte vor dem Hintergrund der gemeinschaftlichen Beschlussfassung über den Anschlag innerhalb der "RAF" Grund für Schuldgefühle der Beschuldigten sein. Nicht ausgeschlossen erscheint auch, dass die Beschuldigte ihr offensives Eintreten für die Parole "Der General muss weg" reut.
35
Die handschriftliche Notiz der Beschuldigten vom 27. April 2007 ist zwar ein Indiz dafür, dass die Beschuldigte über Kenntnisse bezüglich des Anschlags auf Generalbundesanwalt Buback und seine Begleiter verfügt. Dies belegt jedoch nicht ohne Weiteres, dass sie an dem Anschlag in strafbarer Weise betei- ligt war. Die bei der "I-Ging"-Befragung von der Beschuldigten gestellte Frage "Ist es mein Täterwissen?" weist schließlich keinen speziellen Bezug zu dem Attentat vom 7. April 1977 auf.
36
2. Mittäter nach § 25 Abs. 2 StGB ist, wer nicht nur fremdes Tun fördert, sondern einen eigenen Beitrag derart in eine gemeinschaftliche Tat einfügt, dass dieser als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheint. Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen (BGH NStZ 2007, 531). Wesentliche Anhaltspunkte können der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein; Durchführung und Ausgang der Tat müssen somit zumindest aus der subjektiven Sicht des Tatbeteiligten maßgeblich auch von seinem Willen abhängen. Dabei deutet eine ganz untergeordnete Tätigkeit schon objektiv darauf hin, dass der Beteiligte nur Gehilfe ist (st. Rspr.; s. etwa BGH NStZ 2005, 228).
37
Nach diesen Kriterien belegt das bisherige Ergebnis der Ermittlungen einen dringenden Verdacht für eine als Mittäterschaft zu qualifizierende Beteiligung der Beschuldigten an der Ermordung von Generalbundesanwalt Buback und seiner Begleiter nicht. Insbesondere lässt sich allein aus dem Umstand, dass die Beschuldigte als Führungsperson der Kerngruppe der "RAF" angehörte und diese eine gemeinschaftliche Absprache zur Durchführung der "Offensive 77" traf, zu der das Attentat vom 7. April 1977 gehörte, kein dringender Verdacht für ihre Mittäterschaft an einer der konkreten Straftaten herleiten, auf deren Begehung die Zwecke oder Tätigkeit der terroristischen Vereinigung gerichtet war. Andernfalls wäre konsequenterweise davon auszugehen, dass alle damaligen Mitglieder der inneren Gruppe der "RAF" für alle Straftaten als Mittäter verantwortlich sind, die im Rahmen der "Offensive 77" begangen wurden. Dies würde zum einen den tatsächlichen Gegebenheiten nicht gerecht, wie sie sich nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen darstellen. Danach waren nicht alle "RAF"-Mitglieder an allen konkreten Straftaten unmittelbar beteiligt. Vielmehr wurden innerhalb der "RAF" für die einzelnen Anschläge "Kommandos" gebildet, denen nicht alle, sondern lediglich bestimmte einzelne Vereinigungsmitglieder angehörten. Diese "Kommandos" begingen sodann die konkreten Straftaten. Zum anderen würden die Unterschiede bei der rechtlichen Bewertung von Tätigkeiten, die das Tatbestandsmerkmal der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Sinne des § 129 a StGB ausfüllen , und solchen, die der Begehung einer konkreten Straftat dienen, weitestgehend verwischt. Bei Anlegung der allgemeinen Maßstäbe für die Begründung der Mittäterschaft, von denen abzuweichen auch im Bereich terroristischer Kriminalität kein Anlass besteht, kommt eine Beteiligung als Mittäter an den konkreten Straftaten, auf die die Zwecke oder die Tätigkeit der Gruppierung gerichtet sind, nur dann in Betracht, wenn über die mitgliedschaftliche Beteiligung an der terroristischen Vereinigung hinaus die oben genannten Voraussetzungen der Mittäterschaft in Bezug auf die konkreten Straftaten festzustellen sind. Danach gilt:
38
Zwar ist anzunehmen, dass das Interesse der Beschuldigten an der Tat sehr groß war. Jedoch kommt diesem Abgrenzungskriterium hier keine wesentliche Bedeutung zu, weil die Tatherrschaft nicht bei der Beschuldigten, sondern ausschließlich bei den unmittelbaren Tätern des Attentats lag (vgl. BGH wistra 2001, 420, 421). Die Beschuldigte war bei sachgerechter Bewertung des bisherigen Ermittlungsergebnisses an der eigentlichen Tatausführung selbst nicht beteiligt; deren konkreter Ausgang hing deshalb nicht von ihrem Willen ab. Eine große Wahrscheinlichkeit dafür, dass sie Tatherrschaft oder wenigstens den Willen hierzu hatte, besteht mit Blick auf die Rollenverteilung innerhalb der "RAF" demnach nicht. Ihr bei vorläufiger Würdigung feststellbarer objektiver Tatbeitrag erschöpft sich vielmehr in einer psychischen Unterstützung der Täter im Vorfeld der Tat. Dass dieser von ihr bereits vor dem eigentlichen Tatgeschehen geleistete Beitrag für die konkrete Ausführung des Attentats von wesentlicher Bedeutung war, ist derzeit nicht ersichtlich.
39
3. Ausreichende Anhaltspunkte für einen dringenden Verdacht der Anstiftung zum Mord bestehen zurzeit nicht; denn das bisherige Ermittlungsergebnis belegt keine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Beschuldigte den Tatentschluss der unmittelbaren Täter des Anschlags hervorrief.
40
4. Der derzeitige Ermittlungsstand begründet somit lediglich den dringenden Verdacht der Beihilfe zum Mord. Der Senat vermag nicht zu beurteilen, inwieweit der Inhalt der Akten des Bundesamts für Verfassungsschutz zur Begründung des dringenden Verdachts einer für eine Mittäterschaft ausreichend engen Beziehung der Beschuldigten zur Tat beitragen könnte; denn diese Schriftstücke sind bisher nicht zur Strafakte gelangt. Das vom Bundesamt für Verfassungsschutz abgegebene Behördenzeugnis vom 15. Juni 2007 ist insoweit nicht ausreichend ergiebig. Sollte das Bundesministerium des Innern bis zu einer eventuellen Hauptverhandlung über das Herausgabeersuchen des Generalbundesanwalts nicht entschieden oder die Herausgabe abgelehnt haben, wird das Tatgericht gegebenenfalls zu überprüfen haben, ob die derzeit geltende Sperrerklärung vom 25. Januar 2008 oder eine dann maßgebende neue derartige Erklärung eine ausreichende Begründung enthält. Dies wäre jedenfalls dann nicht der Fall, wenn die Behörde ihre Ablehnung nur auf formelhafte Wendungen ohne ausreichenden Bezug zu dem konkreten Fall stützt. Kommt das Tatgericht zu diesem Ergebnis, wird es die von der Rechtsprechung zu § 96 StPO entwickelten Rechtsbehelfe zu ergreifen haben (BGH NJW 2007, 3010, 3012 f.; Nack in KK aaO § 96 Rdn. 15, 17; Meyer-Goßner aaO § 96 Rdn. 9, je- weils m. w. N.). Bleiben diese ohne Erfolg, wird dies gegebenenfalls bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigen sein (BGHSt 49, 112, 116 ff.).

V.

41
Ein Haftgrund besteht nicht.
42
Die Voraussetzungen des § 112 Abs. 3 StPO liegen nicht vor. Diese Vorschrift lässt nach ihrem Wortlaut bei den darin aufgeführten Straftaten der Schwerkriminalität, zu denen täterschaftlich begangener Mord nach § 211 StGB und die Beihilfe hierzu gehören, die Anordnung der Untersuchungshaft auch dann zu, wenn ein Haftgrund nach § 112 Abs. 2 StPO - namentlich Flucht, Fluchtgefahr oder Verdunkelungsgefahr - nicht besteht. Bei der nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 19, 342, 350 f.; BVerfG NJW 1966, 772) gebotenen verfassungskonformen Auslegung ist die Vorschrift wegen eines sonst darin enthaltenen offensichtlichen Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dahin auszulegen, dass der Erlass eines Haftbefehls nur zulässig ist, wenn Umstände vorliegen, welche die Gefahr begründen, dass ohne Festnahme des Beschuldigten die alsbaldige Aufklärung und Ahndung der Tat gefährdet sein könnte. Genügen kann schon die zwar nicht mit bestimmten Tatsachen belegbare, aber nach den Umständen des Falles doch nicht auszuschließende Flucht- oder Verdunkelungsgefahr oder die ernstliche Befürchtung, dass der Täter weitere Taten ähnlicher Art begehen werde. Ausreichend, aber auch erforderlich ist die Feststellung, dass eine verhältnismäßig geringe oder entfernte Gefahr dieser Art besteht (BGHR StPO § 112 Abs. 3 Fluchtgefahr 1; Meyer-Goßner aaO § 112 Rdn. 38). Wenn nach den Umständen des Einzelfalles gewichtige Gründe gegen jede Flucht-, Verdunkelungs - oder Wiederholungsgefahr sprechen, ist nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vom Erlass eines Haftbefehls nach § 112 Abs. 3 StPO abzusehen (OLG Frankfurt StV 2000, 374, 375; OLG Düsseldorf StV 1982, 585; OLG Köln StV 1994, 584; Graf in KK aaO § 112 Rdn. 42).
43
Derartige gewichtige Gründe sind im vorliegenden Fall gegeben; sie schließen die hier allein in Betracht kommende Fluchtgefahr aus. Aufgrund der sich vor allem aus der besonderen verfahrensrechtlichen Konstellation ergebenden , gemessen am erheblichen Gewicht der Haupttat reduzierten Straferwartung sowie der persönlichen Umstände der Beschuldigten, die nach derzeitigem Ermittlungsstand der Entscheidung zugrunde zu legen sind, sind in dem dargestellten Sinne ausreichende Anhaltspunkte dafür nicht zu erkennen, dass die Beschuldigte sich dem Verfahren entziehen wird.
44
Die Beschuldigte hat für den Fall der Verurteilung wegen der Tat, deren sie dringend verdächtig ist - mithin der Beihilfe zum Mord - mit der Verhängung einer zeitigen Freiheitsstrafe zu rechnen. Bei deren Bemessung wird das Tatgericht zu beachten haben, dass diese Strafe mit der lebenslangen Freiheitsstrafe gesamtstrafenfähig gewesen wäre (§ 53 StGB), auf die das Oberlandesgericht Stuttgart mit Urteil vom 28. Dezember 1977 wegen der im Zusammenhang mit der Festnahme am 3. Mai 1977 in Singen begangenen Straftaten erkannt hat. Die grundsätzlich mögliche Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe nach § 55 StGB kommt hier jedoch nicht in Betracht, weil der Bundespräsident im Gnadenwege nach vorheriger Aussetzung zur Bewährung die Verbüßung des noch nicht vollstreckten Teils der lebenslangen Strafe der Beschuldigten erlassen hat; die lebenslange Freiheitsstrafe gilt daher von Rechts wegen als vollständig vollstreckt. Sind in einem früheren Urteil verhängte, an sich gesamtstrafenfähige Einzelstrafen bereits vollstreckt und daher nach § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB nicht mehr in die Gesamtstrafe einzubeziehen, so sind die sich durch die getrennte Aburteilung für den Angeklagten ergebenden Nachteile auszuglei- chen (Fischer, StGB 57. Aufl. § 55 Rdn. 21); denn ein Angeklagter darf nicht deshalb im Ergebnis schlechter gestellt werden, weil er eine von mehreren, an sich gesamtstrafenfähigen Strafen verbüßt hat und somit die Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe nicht mehr möglich ist. Das Tatgericht wird deshalb im Fall der Verurteilung der Beschuldigten einen angemessenen Härteausgleich vorzunehmen haben.
45
Im Übrigen wird nach den in den §§ 46 ff. StGB gesetzlich bestimmten Grundsätzen der Strafzumessung zu Gunsten der Beschuldigten etwa zu bedenken sein, dass die Tat mittlerweile mehr als 32 Jahre und damit eine ganz erhebliche Zeit zurückliegt. Auch ist das Gewicht des konkreten Tatbeitrages, dessen sie derzeit dringend verdächtig ist, vergleichsweise gering.
46
Diese Gesichtspunkte führen - obgleich es sich bei dem Attentat vom 7. April 1977 um ein besonders brutales, in hohem Maße die den Wert eines Menschenlebens verachtende Gesinnung der damaligen Tatbeteiligten offenbarendes Verbrechen handelt, dem drei Personen zum Opfer fielen - dazu, dass die Straferwartung der Beschuldigten jedenfalls signifikant niedriger liegt als in den sonstigen Fällen der Schwerkriminalität, die typischerweise in den Regelungsbereich des § 112 Abs. 3 StPO fallen. Von der im Verurteilungsfall zu erwartenden Sanktion geht deshalb für die Beschuldigte kein bei der Beurteilung der Fluchtgefahr besonders ins Gewicht fallender Anreiz aus, sich dem Verfahren nicht zu stellen.
47
Die derzeit erkennbaren tatsächlichen Umstände des vorliegenden Falles lassen eine Flucht der Beschuldigten ebenfalls nicht erwarten. Der Beschuldigten ist seit 2008 bekannt, dass das Ermittlungsverfahren gegen sie wieder aufgenommen worden ist. Sie hat sich gleichwohl weiterhin in Deutschland aufgehalten und sich der polizeilichen Festnahme freiwillig gestellt. Sie verfügt zwar über Kontakte ins Ausland; dabei handelt es sich indes um gewöhnliche familiäre Beziehungen, ohne dass insoweit ein krimineller Hintergrund ersichtlich ist. In diesem Zusammenhang stellt es kein für eine Fluchtgefahr sprechendes Relativieren von Auslandskontakten dar, dass die Beschuldigte bei ihrer Vernehmung durch den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs anlässlich der Eröffnung des Haftbefehls im August 2009 nicht angegeben hat, dass sie im Jahre 2007 einen zweiwöchigen Urlaub in Südafrika - vermutlich bei einer entfernten Verwandten - verbracht hat. Die Beschuldigte leidet an einer Erkrankung und ist auf die regelmäßige Einnahme von rezeptpflichtigen Medikamenten angewiesen. Sie lebt seit fast 20 Jahren im Haus ihrer Schwester in Berlin und unterhält Beziehungen zu ihrer Familie, hat mithin einen gefestigten Lebensmittelpunkt in Deutschland. Sie ist seit fünf Jahren befristet berentet und bezieht Hartz-IV-Leistungen, verfügt also nicht über erhebliche laufende Einnahmen.
48
Vor diesem Hintergrund ist es nicht von maßgebender Relevanz, dass die Beschuldigte in einem Telefongespräch vom 21. März 2009 mit dem ehemaligen "RAF"-Mitglied Mohnhaupt unter anderem ausführte, sie gehe nicht davon aus, dass "… se da was machen können, außer dass se halt sagen: Ja die Bekennerbriefe…". Diese bereits für sich betrachtet für die Frage der Fluchtgefahr eher unergiebige Passage verliert die ihr vom Generalbundesanwalt zugeschriebene Bedeutung, die Beschuldigte habe zu diesem Zeitpunkt noch nicht ernstlich mit einer Anklageerhebung gerechnet, jedenfalls dann, wenn man sie im Zusammenhang mit dem übrigen Gesprächsinhalt würdigt. Dem Telefonat ist insgesamt eher eine gewisse Sorge der Beschuldigten bezüglich der neueren Entwicklungen der Beweislage als die Sicherheit zu entnehmen , dass keine weiteren Strafverfolgungsmaßnahmen durchgeführt werden.
49
Die in der während einer Zugfahrt am 27. April 2007 gefertigten persönlichen Notiz enthaltene Passage "Würde ich danach irgendwo gerne neu anfangen ?..." belegt lediglich, dass die Beschuldigte sich Gedanken über ihre damalige Situation und ihre Zukunft machte; sie taugt jedoch nicht als Indiz dafür, sie werde sich einem Strafverfahren entziehen. Es bedarf schließlich keiner näheren Erörterung, dass ausreichende Anhaltspunkte dafür, die Beschuldigte werde die Frage einer Flucht wesentlich von dem zufälligen Ausgang einer "I-Ging"-Befragung abhängig machen, nicht bestehen.
50
Bei zusammenfassender Würdigung der vorgenannten Umstände erscheint es somit ausgeschlossen, dass sich die Beschuldigte, in Freiheit belassen , dem Verfahren durch Flucht entziehen wird. Becker von Lienen Schäfer

(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.

(2) Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen

1.
festgestellt wird, daß der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält,
2.
bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, daß der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen werde (Fluchtgefahr), oder
3.
das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er werde
a)
Beweismittel vernichten, verändern, beiseite schaffen, unterdrücken oder fälschen oder
b)
auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer Weise einwirken oder
c)
andere zu solchem Verhalten veranlassen,
und wenn deshalb die Gefahr droht, daß die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (Verdunkelungsgefahr).

(3) Gegen den Beschuldigten, der einer Straftat nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 oder § 13 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder § 129a Abs. 1 oder Abs. 2, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, oder nach den §§ 176c, 176d, 211, 212, 226, 306b oder 306c des Strafgesetzbuches oder, soweit durch die Tat Leib oder Leben eines anderen gefährdet worden ist, nach § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches dringend verdächtig ist, darf die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach Absatz 2 nicht besteht.

(1) Der Richter setzt den Vollzug eines Haftbefehls, der lediglich wegen Fluchtgefahr gerechtfertigt ist, aus, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß der Zweck der Untersuchungshaft auch durch sie erreicht werden kann. In Betracht kommen namentlich

1.
die Anweisung, sich zu bestimmten Zeiten bei dem Richter, der Strafverfolgungsbehörde oder einer von ihnen bestimmten Dienststelle zu melden,
2.
die Anweisung, den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis des Richters oder der Strafverfolgungsbehörde zu verlassen,
3.
die Anweisung, die Wohnung nur unter Aufsicht einer bestimmten Person zu verlassen,
4.
die Leistung einer angemessenen Sicherheit durch den Beschuldigten oder einen anderen.

(2) Der Richter kann auch den Vollzug eines Haftbefehls, der wegen Verdunkelungsgefahr gerechtfertigt ist, aussetzen, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß sie die Verdunkelungsgefahr erheblich vermindern werden. In Betracht kommt namentlich die Anweisung, mit Mitbeschuldigten, Zeugen oder Sachverständigen keine Verbindung aufzunehmen.

(3) Der Richter kann den Vollzug eines Haftbefehls, der nach § 112a erlassen worden ist, aussetzen, wenn die Erwartung hinreichend begründet ist, daß der Beschuldigte bestimmte Anweisungen befolgen und daß dadurch der Zweck der Haft erreicht wird.

(4) Der Richter ordnet in den Fällen der Absätze 1 bis 3 den Vollzug des Haftbefehls an, wenn

1.
der Beschuldigte den ihm auferlegten Pflichten oder Beschränkungen gröblich zuwiderhandelt,
2.
der Beschuldigte Anstalten zur Flucht trifft, auf ordnungsgemäße Ladung ohne genügende Entschuldigung ausbleibt oder sich auf andere Weise zeigt, daß das in ihn gesetzte Vertrauen nicht gerechtfertigt war, oder
3.
neu hervorgetretene Umstände die Verhaftung erforderlich machen.

(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.

(1) Der Haftbefehl ist aufzuheben, sobald die Voraussetzungen der Untersuchungshaft nicht mehr vorliegen oder sich ergibt, daß die weitere Untersuchungshaft zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis stehen würde. Er ist namentlich aufzuheben, wenn der Beschuldigte freigesprochen oder die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt oder das Verfahren nicht bloß vorläufig eingestellt wird.

(2) Durch die Einlegung eines Rechtsmittels darf die Freilassung des Beschuldigten nicht aufgehalten werden.

(3) Der Haftbefehl ist auch aufzuheben, wenn die Staatsanwaltschaft es vor Erhebung der öffentlichen Klage beantragt. Gleichzeitig mit dem Antrag kann die Staatsanwaltschaft die Freilassung des Beschuldigten anordnen.