Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Feb. 2020 - AK 1/20

bei uns veröffentlicht am06.02.2020

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
AK 1/20
vom
6. Februar 2020
in dem Strafverfahren
gegen
wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2020:060220BAK1.20.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Angeklagten und seiner Verteidiger am 6. Februar 2020 gemäß §§ 121, 122 StPO beschlossen :
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.
Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.
Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem Oberlandesgericht Celle übertragen.

Gründe:


I.


1
Der Angeklagte wurde am 15. Juli 2019 festgenommen und befindet sich seit dem Folgetag ununterbrochen in Untersuchungshaft, zunächst aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 10. Juli 2019 (2 BGs 468/19), nunmehr aufgrund des durch das Oberlandesgericht Celle neu gefassten Haftbefehls vom 2. Januar 2020 (4 StS 1/19).
2
Gegenstand des letztgenannten Haftbefehls ist der Vorwurf, der Angeklagte habe sich im Zeitraum zwischen Februar 2013 und Anfang 2014, längstens bis zum 22. Februar 2014, in Tabqa, Syrien, als Mitglied an einer außereuropäischen terroristischen Vereinigung beteiligt, nämlich der Gruppierung "Liwa Al-Izza Lil-lah" und ihrer Vorgängervereinigung "Katiba Shuhada al-Ahwaz", deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet gewesen seien, Mord (§ 211 StGB), Totschlag (§ 212 StGB) oder Straftaten nach § 22a Abs. 1 bis 3 KrWaffKG zu begehen, und er habe durch dieselbe Handlung ohne die erforderliche Genehmigung bzw. ohne Erstattung einer Anzeige die tatsächliche Gewalt über Kriegswaffen ausgeübt (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 4, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2, § 22a Abs. 1 Nr. 6 KrWaffKG in Verbindung mit Teil B, Abschnitt V, Nr. 29 Buchst. c der Anlage zu § 1 Abs. 1 KrWaffKG, § 52 StGB).
3
Der Generalbundesanwalt hat unter dem 6. Dezember 2019 wegen dieses Tatvorwurfs Anklage zum Oberlandesgericht Celle erhoben, welches das Hauptverfahren mit Beschluss vom 16. Januar 2020 eröffnet und die Anklage unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen hat. Der dort zuständige Strafsenat hält die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich.

II.


4
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.
5
1. Der Angeklagte ist der ihm zur Last gelegten Tat dringend verdächtig.
6
a) Nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:
7
aa) Bei der "Liwa Al-Izza Lil-lah" handelte es sich um eine syrische Kampfgruppe mit militant-islamistischer, dschihadistischer Ausrichtung. Sie verfolgte das Ziel, gewaltsam das Regime des syrischen Präsidenten Assad zu stürzen und in Syrien einen islamischen Staat zu errichten. Dazu trat sie im Rahmen des syrischen Bürgerkriegs in Kampfhandlungen mit der staatlichen Armee ein und tötete Anhänger des Assad-Regimes, Polizisten und Soldaten mittels Waffengewalt, wobei sie zivile Opfer in Kauf nahm. Die "Liwa Al-Izza Lil-lah" (wörtlich: "Ehre sei Gott!-Brigade") gründete sich vor Februar 2013, möglicherweise bereits im Jahr 2011. Sie ging aus einer kleineren Kampfeinheit , der "Katiba Shuhada al-Ahwaz" (wörtlich: "Bataillon der Märtyrer von Al-Ahwaz"), hervor, die sich mit weiteren lokalen Gruppen verbündet hatte. Anführer der "Liwa Al-Izza Lil-lah" war Kahlid Al-Atiya, genannt Abu Talal, damals ein bekannter und einflussreicher Einwohner der syrischen Stadt Tabqa. Khalil Al-Ali, genannt Abu Hatim, fungierte in der Gruppe als militärischer Kommandant.
8
Die etwa 50 bis 75 Mitglieder der "Liwa Al-Izza Lil-lah" waren mit Schnellfeuergewehren vom Typ Kalaschnikow AK-47 bewaffnet. Überdies verfügte die Organisation über diverse Fahrzeuge, teilweise mit aufmontierten Flugabwehrraketen und schweren Maschinengewehren vom Typ "DSchK", sowie weitere schwere Waffen. Eine Medienabteilung erstellte und veröffentlichte Videos über die Gruppe. Diese thematisierten ihre Gründung, ihre religiösen und politischen Botschaften sowie ihre Waffen und ihre Kampfhandlungen. In den Videos und auf ihren Fahrzeugen zeigte die Vereinigung ihr Logo. Die "Liwa Al-Izza Lil-lah" finanzierte sich aus dem Verkauf von Öl und aus Plünderungen.
9
Teilweise koalierte die "Liwa Al-Izza Lil-lah" in militärischen Zweckbündnissen mit anderen Kampfgruppen, u.a. mit der "Jabhat al-Nusra", der "Liwa Uwais al-Qurani" sowie der "Liwa at-Tauhid". Ab November 2013 agierte sie als eine von vielen Widerstandsgruppen als Teil der "Islamischen Front", einem Dachverband islamistischer und dschihadistischer Vereinigungen. Dabei behielt die "Liwa Al-Izza Lil-lah" aber stets ihre organisatorische Selbständigkeit.
10
Räumlich und militärisch trat die "Liwa Al-Izza Lil-lah" vor allem bei der Eroberung der Stadt Tabqa Anfang Februar 2013 in Erscheinung. Sie war neben anderen Gruppen in die lokale kriegerische Auseinandersetzung mit den Regierungstruppen involviert, bei der eine Vielzahl von Regimeanhängern ums Leben kam. Die "Liwa Al-Izza Lil-lah" selbst war für den Tod von mindestens fünf Soldaten des Assad-Regimes verantwortlich. Ihre Kämpfer nahmen das örtliche Medienzentrum und das Gebäude des Luftwaffengeheimdienstes ein. Bei der anschließenden Siegesfeier der aufständischen Einheiten fuhren sie mit ihren Fahrzeugen in die Stadt ein.
11
Auch an der Belagerung des Flughafens von Tabqa im Jahr 2013 war die Gruppe beteiligt. Ihre Mitglieder unterhielten um den Flughafen herum Militärstützpunkte , von denen aus sie die im Flughafen stationierten Regimetruppen mit verschiedenen Waffensystemen beschossen.
12
Um ihren territorialen Macht- und Kontrollanspruch nach der Eroberung Tabqas zu sichern, gründete die "Liwa Al-Izza Lil-lah" gemeinsam mit anderen Vereinigungen eine sog. "Scharia-Polizei". Fortan übernahm die Gruppe in der Stadt ordnungspolizeiliche Aufgaben. Unter anderem patrouillierten die Mitglieder der "Liwa Al-Izza Lil-lah" mit ihren Fahrzeugen durch die Straßen und unterhielten Checkpoints. Ihre Kämpfer waren auch hierbei mit Sturmgewehren vom Typ Kalaschnikow bewaffnet.
13
Ende 2013 bis Anfang 2014 lieferte sich die "Liwa Al-Izza Lil-lah" gemeinsam mit anderen Gruppen schwere gewaltsame Auseinandersetzungen mit Anhängern des sich ausbreitenden "Islamischen Staats im Irak und Großsyrien" (ISIG) - später umbenannt in "Islamischer Staat" (IS). Diese militärischen Kämpfe endeten in einer Niederlage. Der "IS" übernahm die Kontrolle in der Region, und die überlebenden Mitglieder der "Liwa Al-Izza Lil-lah" sowie ihr Anführer Abu Talal flohen aus der Stadt.
14
Im November 2015 wurde Abu Talal in der Nähe von Aleppo getötet. Spätestens mit diesem Ereignis löste sich die Gruppe auf.
15
bb) Der Angeklagte schloss sich zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt, spätestens im Februar des Jahres 2013, der "Liwa Al-Izza Lil-lah" an. Dabei wusste er um die Strukturen der Vereinigung sowie ihr Ziel, gewaltsam die Assad-Regierung zu stürzen und durch eine islamische Führung zu ersetzen. Der Angeklagte billigte und unterstützte dieses Vorhaben. Er unterwarf sich der Befehlsstruktur der Gruppe und beteiligte sich bis Anfang 2014 an ihren Aktivitäten.
16
So eroberte er gemeinsam mit anderen Kämpfern der "Liwa Al-Izza Lil-lah" zwischen dem 7. und dem 11. Februar 2013 die Residenz des syrischen Luftwaffengeheimdienstes in Tabqa. Bei diesem Angriff führte der Angeklagte sein Schnellfeuergewehr vom Typ Kalaschnikow AK-47 bei sich. Nach der Einnahme der Stadt beteiligte er sich an den dargelegten "polizeilichen Aktivitäten" der Gruppe. Bei mindestens vier Gelegenheiten zwischen August 2013 und Anfang 2014 patrouillierte der Angeklagte für die "Liwa Al-Izza Lil-lah" mit seiner Waffe in der Stadt Tabqa.
17
Spätestens am 22. Februar 2014, kurz vor der Einnahme der Stadt durch den "IS" im März 2014, floh er in die Türkei und setzte sich von der Gruppe ab.
18
b) Der dringende Tatverdacht im Hinblick auf die Gründung der "Liwa Al-Izza Lil-lah", ihre Ziele, ihre Beteiligung an Kampfhandlungen und ihre sonstigen Aktivitäten beruht weitgehend auf Sachverständigengutachten, den im Internet öffentlich zugänglichen Propagandavideos der Gruppe sowie auf den Aussagen mehrerer Zeugen. Der Umstand, dass der zuständige Strafsenat mit Beschluss vom 2. Januar 2020 einen weiteren Sachverständigen mit der Erstattung eines islamwissenschaftlichen Gutachtens zur Organisation "Liwa Al-Izza Lil-lah" beauftragt hat, steht dem sich bereits aus dem aktuellen Ermittlungsstand ergebenden dringenden Tatverdacht nicht entgegen.
19
In Bezug auf die dem Angeklagten zur Last gelegten Tathandlungen ergibt sich der dringende Tatverdacht zunächst aus seiner teilgeständigen Einlassung vom 15. Juli 2019 sowie aus dem Propagandavideo " ", in dem er zu sehen ist. Er hat sich selbst in dem Clip erkannt und eingeräumt, im Tatzeitraum über ein Sturmfeuergewehr vom Typ Kalaschnikow verfügt und mit diesem an den Gefechten zur Befreiung Tabqas teilgenommen zu haben. Die Videosequenz sei im Zusammenhang mit den Kampfhandlungen um den Stützpunkt des Luftwaffengeheimdienstes entstanden und zeige den Zeitpunkt unmittelbar nach der Erstürmung des Gebäudes. Es habe Tote auf beiden Seiten gegeben. Der Angeklagte hat ferner gestanden , nach der Eroberung Tabqas mit seinem Gewehr bewaffnet in einer schwarzen Limousine in der Stadt umhergefahren zu sein.
20
Der dringende Tatverdacht bezüglich des Anschlusses des Angeklagten an die "Liwa Al-Izza Lil-lah" und seiner für die Vereinigung geleisteten Beteili- gungshandlungen folgt darüber hinaus aus den Aussagen mehrerer Zeugen, die die Aktivitäten des Angeklagten in Syrien beobachteten bzw. anderweitig davon Kenntnis erlangten. Soweit der Angeklagte eine längerfristige Eingliederung in die "Liwa Al-Izza Lil-lah" bestritten hat, stehen dem die Angaben der Zeugen entgegen. Wegen der Einzelheiten der den dringenden Tatverdacht gegen den Angeklagten begründenden Beweismittel wird auf die ausführlichen Darlegungen in der Anklageschrift des Generalbundesanwalts vom 6. Dezember 2019, dort insbesondere im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen, sowie auf die Ausführungen des Oberlandesgerichts Celle im neu gefassten Haftbefehl vom 2. Januar 2020 Bezug genommen.
21
c) In rechtlicher Hinsicht beteiligte sich der Angeklagte danach mit hoher Wahrscheinlichkeit als Mitglied an einer terroristischen Vereinigung im Ausland (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 4, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2) und beging in Tateinheit (§ 52 StGB) hierzu einen Verstoß gegen § 22a Abs. 1 Nr. 6 KrWaffKG in Verbindung mit Teil B, Abschnitt V, Nr. 29 Buchst. c der Anlage zu § 1 Abs. 1 KrWaffKG.
22
aa) Der Angeklagte ist der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung, nämlich der "Liwa Al-Izza Lil-lah", dringend verdächtig (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB).
23
(1) Die Organisation erfüllte die Voraussetzungen für eine Vereinigung nach den §§ 129, 129a StGB. Das gilt sowohl unter Zugrundelegung des früher nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs maßgeblichen Vereinigungsbegriffs (s. dazu etwa BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 116 ff. mwN) als auch nach der Legaldefinition des § 129 Abs. 2 i.V.m. § 129a Abs. 1 StGB in der seit dem 22. Juli 2017 gültigen Fassung.
24
Bei der "Liwa Al-Izza Lil-lah" handelte es sich nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen um einen auf Dauer angelegten Zusammenschluss von über 50 Personen mit Organisationsstruktur, Vorausplanung, Koordinierung, bestimmten Gruppenregeln, gegenseitigen Verpflichtungen der Mitglieder sowie einem übergeordneten gemeinsamen Interesse. Die Tätigkeit der Gruppe war - neben der Begehung vielfältiger weiterer Straftaten - darauf gerichtet, Menschen zu töten.
25
(2) Der Angeklagte war im Tatzeitraum in Tabqa und Umgebung für die "Liwa Al-Izza Lil-lah" tätig und agierte nach den Ermittlungen als Teil der Gruppe. Er integrierte sich in das "Verbandsleben" der Organisation, ordnete sich deren Willen unter und förderte ihr Ziel, das staatliche Regime in Syrien zu bekämpfen und dauerhaft eine islamische Staatsmacht zu errichten. Seine Stellung innerhalb der Vereinigung, manifestiert durch den langen Tatzeitraum, seinen strategischen Kampfeinsatz bei der Schlacht um Tabqa und die Patrouillen in Fahrzeugen der "Liwa Al-Izza Lil-lah", jeweils unter Mitsichführung seines Sturmgewehrs der Marke Kalaschnikow, kennzeichnete ihn als zum Kreis der Mitglieder gehörend. Die Beteiligungshandlungen des Angeklagten waren dabei - wie vor allem seine Einbindung in das Propagandavideo der Gruppe zeigt - von einem einvernehmlichen Willen zu einer fortdauernden Teilnahme am Verbandsleben getragen.
26
(3) Ob auch die Vorgängervereinigung der "Liwa Al-Izza Lil-lah", die "Katiba Shuhada al-Ahwaz", die Anforderungen erfüllt, die an eine ausländische terroristische Vereinigung zu stellen sind, kann dahinstehen. Denn nach den Strukturermittlungen und den Zeugenaussagen gründete sich die "Liwa Al-Izza Lil-lah" vor der Eroberung der Stadt Tabqa im Februar 2013 und damit vor dem Tatzeitraum. Zum Zeitpunkt der Stürmung des Luftwaffenstützpunktes - dies ist zeitlich die erste dem Angeklagten konkret zur Last gelegte Beteiligungshandlung - agierte die Gruppe bereits als "Liwa Al-Izza Lil-lah", mag die "Katiba Shuhada al-Ahwaz" auch als dem Bündnis untergeordnete Kampfeinheit fortexistiert haben. Soweit die Anklageschrift und der Haftbefehl darauf abstellen, dass der Angeklagte bereits für die Vorgängervereinigung tätig war, also schon vor dem offiziellen Gründungsakt der "Liwa Al-Izza Lil-lah" in die Gruppierung eingebunden war, kann dies offen bleiben.
27
bb) Ferner ist der Angeklagte dringend verdächtig, einen Verstoß gegen § 22a Abs. 1 Nr. 6 KrWaffKG begangen zu haben. Er übte während des Tatzeitraums die tatsächliche Gewalt über eine sogenannte Kalaschnikow AK-47 aus, ein automatisches Sturmgewehr, bei dem es sich um eine Kriegswaffe im Sinne von Teil B, Abschnitt V, Nr. 29 Buchst. c der Anlage zu § 1 Abs. 1 KrWaffKG handelte, ohne über eine entsprechende Genehmigung zu verfügen.
28
cc) Da nach dem Ergebnis der Ermittlungen von einem durchgängigen Waffenbesitz während des gesamten Tatzeitraums auszugehen ist, stehen die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung und der Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz in Tateinheit gemäß § 52 StGB (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. Juli 2015 - 3 StR 537/14, BGHSt 60, 308 Rn. 24; vom 10. August 2017 - AK 35/17 u.a., juris Rn. 39; vom 11. Januar 2018 - AK 75/17 u.a., juris Rn. 27, 40).
29
d) Deutsches Strafrecht ist anwendbar. Die Tat bezieht sich auf eine außereuropäische Vereinigung und der Täter befindet sich im Inland, § 129b Abs. 1 Satz 2 Variante 4 StGB (vgl. näher BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2016 - AK 52/16, juris Rn. 34 ff.); er wohnte bei seiner Festnahme in S. . Die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts ergibt sich daneben aus § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB, weil die Tat auch nach syrischem Recht mit Strafe bedroht ist (vgl. generell für den Besitz von Waffen § 41 des syrischen Präsidialerlasses Nr. 51 vom 24. September 2001; für den Besitz von Waffen zur Begehung eines Terrorakts § 5 des syrischen Anti-Terror-Gesetzes Nr. 19 vom 28. Juni 2012). Auslieferungen nach Syrien finden derzeit nicht statt.
30
e) Die nach § 129b Abs. 1 Sätze 2 und 3 StGB erforderliche Verfolgungsermächtigung hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz am 4. Juli 2019 erteilt.
31
2. Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Es ist wahrscheinlicher, dass sich der Angeklagte - sollte er auf freien Fuß gelangen - dem Strafverfahren entziehen, als dass er sich ihm stellen wird. Der Angeklagte hat im Falle seiner Verurteilung mit einer erheblichen Freiheitsstrafe zu rechnen. Dem hiervon ausgehenden Fluchtanreiz stehen keine hinreichenden fluchthemmenden Umstände entgegen:
32
Der Angeklagte hat in Deutschland bisher keine gefestigten sozialen Bindungen aufbauen können. Zwar lebte er vor seiner Festnahme zusammen mit seiner syrischen Frau und den gemeinsamen zwei Kindern in einer Wohnung. Er war jedoch nicht berufstätig und verfügte nur über einen subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 AsylG. Die Ausreise der gesamten Familie aus Syrien spricht außerdem dafür, dass die Ehefrau bereit wäre, ihm auch bei einer erneuten Flucht mit den Kindern zu folgen.
33
Hinzu kommt, dass der Angeklagte besonders mobil ist. Bereits in Syrien entzog er sich seiner Einberufung zum Militär, indem er aus D. in die Stadt Tabqa umzog. Nach seiner Flucht aus Tabqa arbeitete er für sechs Monate in Is. , um dann in die syrische Stadt I. zu ziehen und fortan dort und in drei weiteren syrischen Orten zu leben und zu arbeiten. Im Oktober 2015 gelangte er über die Türkei und die sogenannte Balkanroute nach Deutschland. Nach seiner Ankunft stellte er gegenüber den deutschen Behörden einen Asylantrag unter der Aliaspersonalie " A. , geboren am in ".
34
Die Fortdauer der Untersuchungshaft kann im Hinblick darauf, dass der Angeklagte unter anderem der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung dringend verdächtig ist, trotz der gebotenen restriktiven Auslegung des § 112 Abs. 3 StPO (BGH, Beschlüsse vom 22. September 2016 - AK 47/16, juris Rn. 26; vom 24. Januar 2019 - AK 57/18, juris Rn. 30 ff.) überdies auf den Haftgrund der Schwerkriminalität gestützt werden.
35
Der Zweck der Untersuchungshaft ist unter den gegebenen Umständen nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen im Sinne des § 116 StPO erreichbar.
36
3. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) liegen vor. Die besondere Schwierigkeit und der Umfang des Verfahrens - die Akte umfasst 26 Stehordner - haben ein Urteil bislang noch nicht zugelassen.
37
Die erforderlichen Ermittlungen sind schon wegen des Auslandsbezugs außerordentlich komplex gewesen, zumal über die Organisation der "Liwa Al-Izza Lil-lah" bei den Strafverfolgungsbehörden bisher wenig bekannt war. Es haben insoweit nicht nur eine Vielzahl von Zeugen vernommen, sondern auch islamwissenschaftliche Berichte verfasst und Internetdaten gesichtet werden müssen. Hinzu kommt die Auswertung der anlässlich der Festnahme des Angeklagten sichergestellten Mobiltelefone und schriftlichen Unterlagen, die allesamt Übersetzungen und eine islamwissenschaftliche Bewertung erfordert haben. Insgesamt 15 Zeugen haben zudem erst in der offenen Phase der Ermittlungen nach der Festnahme des Angeklagten vernommen werden können, weil sie eine persönliche Nähe zu ihm aufweisen. Gleichwohl hat der Generalbundesanwalt bereits unter dem 6. Dezember 2019 Anklage zum Oberlandesgericht Celle erhoben.
38
Nach Eingang des Verfahrens bei Gericht am 12. Dezember 2019 hat der zuständige Strafsenat das Verfahren beschleunigt betrieben. Noch am selben Tag hat der Vorsitzende die Zustellung der Anklage verfügt und unter Hinweis auf die besondere Eilbedürftigkeit ihre Übersetzung veranlasst. Bereits im Rahmen der Zustellverfügung hat er überdies den Prozessbeteiligten mögliche Hauptverhandlungstermine mitgeteilt. Mittlerweile sind diese fest vereinbart: Das Verfahren soll am 20. Februar 2020 beginnen und fortlaufend ganztags jeden Donnerstag und Freitag verhandelt werden. Am 16. Januar 2020 hat das Oberlandesgericht die Eröffnung des Hauptverfahrens beschlossen. Für den heutigen Tag ist ein Termin zur Vorbesprechung der Hauptverhandlung anberaumt.
39
Vor diesem Hintergrund ist das Verfahren bislang mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung geführt worden.
40
4. Schließlich steht die Fortdauer der Untersuchungshaft nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der im Falle der Verurteilung zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Schäfer Gericke Erbguth

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(1) Der Richter setzt den Vollzug eines Haftbefehls, der lediglich wegen Fluchtgefahr gerechtfertigt ist, aus, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß der Zweck der Untersuchungshaft auch durch sie erreicht werd

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Strafprozeßordnung - StPO | § 120 Aufhebung des Haftbefehls


(1) Der Haftbefehl ist aufzuheben, sobald die Voraussetzungen der Untersuchungshaft nicht mehr vorliegen oder sich ergibt, daß die weitere Untersuchungshaft zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sich

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(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.

(1) In den Fällen des § 121 legt das zuständige Gericht die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor, wenn es die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich hält oder die Staatsanwaltschaft es beantragt.

(2) Vor der Entscheidung sind der Beschuldigte und der Verteidiger zu hören. Das Oberlandesgericht kann über die Fortdauer der Untersuchungshaft nach mündlicher Verhandlung entscheiden; geschieht dies, so gilt § 118a entsprechend.

(3) Ordnet das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft an, so gilt § 114 Abs. 2 Nr. 4 entsprechend. Für die weitere Haftprüfung (§ 117 Abs. 1) ist das Oberlandesgericht zuständig, bis ein Urteil ergeht, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt. Es kann die Haftprüfung dem Gericht, das nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständig ist, für die Zeit von jeweils höchstens drei Monaten übertragen. In den Fällen des § 118 Abs. 1 entscheidet das Oberlandesgericht über einen Antrag auf mündliche Verhandlung nach seinem Ermessen.

(4) Die Prüfung der Voraussetzungen nach § 121 Abs. 1 ist auch im weiteren Verfahren dem Oberlandesgericht vorbehalten. Die Prüfung muß jeweils spätestens nach drei Monaten wiederholt werden.

(5) Das Oberlandesgericht kann den Vollzug des Haftbefehls nach § 116 aussetzen.

(6) Sind in derselben Sache mehrere Beschuldigte in Untersuchungshaft, so kann das Oberlandesgericht über die Fortdauer der Untersuchungshaft auch solcher Beschuldigter entscheiden, für die es nach § 121 und den vorstehenden Vorschriften noch nicht zuständig wäre.

(7) Ist der Bundesgerichtshof zur Entscheidung zuständig, so tritt dieser an die Stelle des Oberlandesgerichts.

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.

(2) In den Fällen der §§ 129 und 129a, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 1, ist § 74a anzuwenden.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet oder sich an einer Vereinigung als Mitglied beteiligt, deren Zweck oder Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren bedroht sind. Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine solche Vereinigung unterstützt oder für sie um Mitglieder oder Unterstützer wirbt.

(2) Eine Vereinigung ist ein auf längere Dauer angelegter, von einer Festlegung von Rollen der Mitglieder, der Kontinuität der Mitgliedschaft und der Ausprägung der Struktur unabhängiger organisierter Zusammenschluss von mehr als zwei Personen zur Verfolgung eines übergeordneten gemeinsamen Interesses.

(3) Absatz 1 ist nicht anzuwenden,

1.
wenn die Vereinigung eine politische Partei ist, die das Bundesverfassungsgericht nicht für verfassungswidrig erklärt hat,
2.
wenn die Begehung von Straftaten nur ein Zweck oder eine Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung ist oder
3.
soweit die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung Straftaten nach den §§ 84 bis 87 betreffen.

(4) Der Versuch, eine in Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 bezeichnete Vereinigung zu gründen, ist strafbar.

(5) In besonders schweren Fällen des Absatzes 1 Satz 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern der Vereinigung gehört. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu erkennen, wenn der Zweck oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet ist, in § 100b Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, b, d bis f und h bis o, Nummer 2 bis 8 und 10 der Strafprozessordnung genannte Straftaten mit Ausnahme der in § 100b Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe h der Strafprozessordnung genannten Straftaten nach den §§ 239a und 239b des Strafgesetzbuches zu begehen.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, von einer Bestrafung nach den Absätzen 1 und 4 absehen.

(7) Das Gericht kann die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Täter

1.
sich freiwillig und ernsthaft bemüht, das Fortbestehen der Vereinigung oder die Begehung einer ihren Zielen entsprechenden Straftat zu verhindern, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß Straftaten, deren Planung er kennt, noch verhindert werden können;
erreicht der Täter sein Ziel, das Fortbestehen der Vereinigung zu verhindern, oder wird es ohne sein Bemühen erreicht, so wird er nicht bestraft.

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

116
aa) Als Vereinigung im Sinne der §§ 129 ff. StGB ist nach bisher in der Rechtsprechung gebräuchlicher Definition der auf eine gewisse Dauer angelegte , freiwillige organisatorische Zusammenschluss von mindestens drei Personen zu verstehen, die bei Unterordnung des Willens des Einzelnen unter den Willen der Gesamtheit gemeinsame Zwecke verfolgen und unter sich derart in Beziehung stehen, dass sie sich untereinander als einheitlicher Verband fühlen (BGHSt 28, 147; 31, 202, 204 f.; 31, 239 f.; 45, 26, 35; BGH NJW 2005, 1668; 2006, 1603; BGHR StGB § 129 Vereinigung 3 m. w. N.). Diese Kriterien liegen nach den Feststellungen für die Al Qaida im Tatzeitraum insbesondere auch mit Blick auf die erforderliche Struktur und Art der Willensbildung der Organisation vor. Hierzu gilt:

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 537/14
vom
9. Juli 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2015:090715B3STR537.14.1

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 9. Juli 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 27. Januar 2014, soweit es ihn betrifft, mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Fall B.VIII. der Urteilsgründe sowie
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an das Amtsgericht Wipperfürth - Strafrichter - zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten - unter Freispruch im Übrigen - wegen Körperverletzung (Fall B.VII. 10. der Urteilsgründe) sowie wegen versuchter Körperverletzung in Tateinheit mit Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (Fall B.VIII. der Urteilsgründe) zu der Gesamt- geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 25 € verurteilt. Die auf die Rüge der Ver- letzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts rief der Angeklagte am 1. Mai 2011 zwischen 3.00 und 4.00 Uhr auf einer Maifeier in R. lauthals "Sieg Heil". Als ihn ein Besucher deswegen zur Rede stellen wollte, wiederholte er den Ausruf und "schlug dem Zeugen mit der flachen Hand die Brille aus dem Gesicht, ohne ihm dabei Schmerzen zuzufügen oder die Brille zu beschädigen". Anschließend entfernte sich der Angeklagte (Fall B.VIII. der Urteilsgründe).
3
Am 25. November 2011 kam es in W. außerhalb eines Schnellrestaurants zu einer Schlägerei, weswegen der Filialleiter die Polizei informierte. Als er bemerkte, dass die Kämpfenden den Ort des Geschehens verließen, hielt er den sich ebenfalls entfernenden Angeklagten, der in die Filiale gekommen war und zu einer der Gruppe der Kämpfenden gehörte, am Arm fest, um einen Zeugen vor Ort zu haben. Der Angeklagte riss sich los und rannte zur Tür. Als der Filialleiter ihm folgte, drehte sich der Angeklagte um, versetzte ihm einen Schlag mit der Faust ins Gesicht und floh anschließend vom Tatort (Fall B.VII. 10. der Urteilsgründe).
4
2. Die Verurteilung wegen Körperverletzung hinsichtlich des unter B.VII. 10. der Urteilsgründe geschilderten Sachverhalts hat Bestand. Soweit die Revision geltend macht, das Landgericht hätte eine Rechtfertigung des Angeklagten durch Notwehr erörtern müssen, ergeben die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen , dass der Faustschlag des sich ohnehin im Gehen befindlichen Angeklagten jedenfalls nicht erforderlich im Sinne des § 32 Abs. 2 StGB war.
5
3. Demgegenüber wird der Schuldspruch wegen versuchter Körperverletzung hinsichtlich des Geschehens vom 1. Mai 2011 von den Feststellungen nicht getragen. Insofern fehlt es an Ausführungen zur subjektiven Tatseite des Angeklagten. Es mag zwar naheliegen, dass dessen Angriff nicht ausschließlich der Brille, sondern auch der körperlichen Integrität des Geschädigten galt oder dass der Angeklagte jedenfalls die Möglichkeit erkannte, diesen durch sein Vorgehen zu verletzen und dies billigend in Kauf nahm. Dies festzustellen ist indes Sache des Tatrichters. Darüber hinaus verhält sich das Urteil nicht zum Vorstellungsbild des Angeklagten unmittelbar nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung, welches für die Beurteilung maßgeblich ist, ob der Angeklagte gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB von einem etwaigen Versuch strafbefreiend zurückgetreten ist (vgl. zum Rücktrittshorizont BGH, Urteil vom 2. November 1994 - 2 StR 449/94, BGHSt 40, 304, 305 f.).
6
Die deshalb gebotene Aufhebung des Urteils umfasst auch das in Tateinheit zur versuchten Körperverletzung stehende, für sich betrachtet rechtsfehlerfrei festgestellte Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (vgl. KK-Gericke, StPO, 7. Aufl., § 353 Rn. 12 mwN). Der Wegfall der Einzelstrafe zieht die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe nach sich.
7
Nach Ausscheiden des die Zuständigkeit des Landgerichts begründenden Vorwurfs der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung gemäß § 129 Abs. 1 Var. 2 StGB verweist der Senat das Verfahren im Umfang der Aufhebung an das für das Geschehen in R. örtlich zuständige Amtsgerichts Wipperfürth - Strafrichter - zurück (§ 354 Abs. 3 StPO).
8
4. Darüber hinaus stellt der Senat klar, dass entgegen den Ausführungen in den schriftlichen Urteilsgründen des Landgerichts für einen Freispruch des Angeklagten vom Vorwurf der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und vom Vorwurf des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (Nr. 1 (12) der Anklage) kein Raum war, und sich dementsprechend der ausgeurteilte Teilfreispruch hierauf nicht erstreckt.
9
Allerdings war die Anklage mit Blick auf das Geschehen vom 1. Mai 2011 von zwei Taten (§ 53 StGB) - dem ersten Ruf "Sieg Heil" auf der einen, dem zweiten Ruf sowie dem Schlag gegen die Brille auf der anderen Seite - ausgegangen. In diesen Fällen ist ein Freispruch auch dann angezeigt, wenn das tatmehrheitlich angeklagte, indes nicht als erwiesen angesehene Geschehen mit dem abgeurteilten Teil eine natürliche Handlungseinheit bilden würde (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 260 Rn. 13 mwN). Dies gilt jedoch nicht, wenn - wie vorliegend - das gesamte angeklagte Geschehen abgeurteilt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2012 - 3 StR 220/12, NStZ-RR 2013, 6, 7). Denn in diesen Fällen ist für eine weitere materiellrechtliche Tat, die Gegenstand eines Freispruchs sein könnte, kein Raum mehr.
10
Ein Freispruch unterbleibt des Weiteren, wenn nicht wegen aller Taten verurteilt wird, die nach dem Eröffnungsbeschluss in Tateinheit zueinander stehen (BGH, Urteil vom 22. Mai 1984 - 5 StR 270/84, NStZ 1985, 13, 15 f. bei Pfeiffer/Miebach). Deswegen kam ein Freispruch vom Vorwurf der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, der als in Tateinheit zu der Körperverletzung vom 25. November 2011 stehend angeklagt worden war, nicht in Betracht.
Becker Pfister Mayer Gericke Spaniol
39
(b) Die mitgliedschaftliche Beteiligung am ISIG steht mit dem Dauerdelikt der Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe insoweit in Tateinheit, als der Besitz des Sturmgewehrs der jeweiligen Betätigung des Beschuldigten zur Förderung der Ziele dieser Organisation diente (Schießtraining, Kampfeinsätze, Wachdienste). Soweit der Beschuldigte allerdings für den ISIG seinen Bruder anwarb und auch hierdurch mitgliedschaftlich tätig war, tat er dies nur gelegentlich der Sachherrschaft über die Kriegswaffe, so dass insofern realkonkurrierend eine weitere selbständige Tat der mitgliedschaftlichen Beteiligung am ISIG hinzutritt.
27
Der gegen den Beschuldigten A. K. erlassene Haftbefehl umfasst in tatsächlicher Hinsicht keine mitgliedschaftlichen Beteiligungshandlungen , die nicht zugleich den Tatbestand des § 22a Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a KWKG erfüllen. Das Verbringen der Kämpfer zu den Kampfeinsätzen sowie die versuchte Räumung eines kurdischen Wohngebiets nahm der Beschuldigte unter Ausübung der tatsächlichen Gewalt über das Maschinengewehr vor; bei dem Verkauf des Dieselkraftstoffs und den Wachdiensten führte er für jedermann sichtbar das Sturmgewehr mit sich. Zwar erhebt der Haftbefehl in rechtlicher Hinsicht einen derartigen Vorwurf (von ansonsten straflosen Beteiligungshandlungen ), weil er den dringenden Verdacht einer dritten realkonkurrierenden - isolierten - mitgliedschaftlichen Beteiligung aufführt. Derartige weitere Betätigungsakte , die ausschließlich nach § 129a Abs. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 StGB strafbar wären, werden jedoch nicht geschildert und sind auch sonst nicht ersichtlich.
34
aa) Der für das Delikt der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union gemäß § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB erforderliche spezifische Inlandsbezug (vgl. BT-Drucks. 14/8893, S. 8 f.; MüKoStGB/Schäfer, 2. Aufl., § 129b Rn. 15 ff.; S/S-SternbergLieben , StGB, 29. Aufl., § 129b Rn. 7) liegt vor, da sich der Beschuldigte im Inland befindet (§ 129b Abs. 1 Satz 2 Variante 4 StGB). Diese Regelungsvariante knüpft allein daran an, dass sich der Täter in der Bundesrepublik Deutschland aufhält, ohne hier - wie der Vergleich mit § 129b Abs. 1 Satz 2 Variante 1 StGB zeigt - mitgliedschaftliche Beteiligungshandlungen vorzunehmen. Der Inlandsaufenthalt eröffnet damit die Anwendbarkeit der §§ 129, 129a, 129b Abs. 1 Satz 1 StGB für sämtliche Taten, die der Täter früher im Ausland begangen hat. Da die Ausübung mitgliedschaftlicher Betätigungshandlungen im Inland bereits durch den § 129b Abs. 1 Satz 2 Variante 1 StGB erfasst wird, die bloße Mitgliedschaft in der (terroristischen) Vereinigung allein noch keine Strafbarkeit begründet (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 9. Juli 2015 - 3 StR 537/14, BGHSt 60, 308, 313) und bei den Tathandlungen des Unterstützens und Werbens (§ 129a Abs. 5, § 129b Abs. 1 Satz 1 StGB) überdies fehlt, erhält § 129b Abs. 1 Satz 2 Variante 4 StGB nur bei dieser Auslegung einen eigen- ständigen Anwendungsbereich (MüKoStGB/Schäfer, 2. Aufl., § 129b Rn. 20; S/S-Sternberg-Lieben, StGB, 29. Aufl., § 129b Rn. 7; Kress JA 2005, 220,

(1) Das deutsche Strafrecht gilt für Taten, die im Ausland gegen einen Deutschen begangen werden, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt.

(2) Für andere Taten, die im Ausland begangen werden, gilt das deutsche Strafrecht, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt und wenn der Täter

1.
zur Zeit der Tat Deutscher war oder es nach der Tat geworden ist oder
2.
zur Zeit der Tat Ausländer war, im Inland betroffen und, obwohl das Auslieferungsgesetz seine Auslieferung nach der Art der Tat zuließe, nicht ausgeliefert wird, weil ein Auslieferungsersuchen innerhalb angemessener Frist nicht gestellt oder abgelehnt wird oder die Auslieferung nicht ausführbar ist.

(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.

(2) In den Fällen der §§ 129 und 129a, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 1, ist § 74a anzuwenden.

(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.

(2) Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen

1.
festgestellt wird, daß der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält,
2.
bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, daß der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen werde (Fluchtgefahr), oder
3.
das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er werde
a)
Beweismittel vernichten, verändern, beiseite schaffen, unterdrücken oder fälschen oder
b)
auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer Weise einwirken oder
c)
andere zu solchem Verhalten veranlassen,
und wenn deshalb die Gefahr droht, daß die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (Verdunkelungsgefahr).

(3) Gegen den Beschuldigten, der einer Straftat nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 oder § 13 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder § 129a Abs. 1 oder Abs. 2, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, oder nach den §§ 176c, 176d, 211, 212, 226, 306b oder 306c des Strafgesetzbuches oder, soweit durch die Tat Leib oder Leben eines anderen gefährdet worden ist, nach § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches dringend verdächtig ist, darf die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach Absatz 2 nicht besteht.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.

(2) Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen

1.
festgestellt wird, daß der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält,
2.
bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, daß der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen werde (Fluchtgefahr), oder
3.
das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er werde
a)
Beweismittel vernichten, verändern, beiseite schaffen, unterdrücken oder fälschen oder
b)
auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer Weise einwirken oder
c)
andere zu solchem Verhalten veranlassen,
und wenn deshalb die Gefahr droht, daß die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (Verdunkelungsgefahr).

(3) Gegen den Beschuldigten, der einer Straftat nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 oder § 13 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder § 129a Abs. 1 oder Abs. 2, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, oder nach den §§ 176c, 176d, 211, 212, 226, 306b oder 306c des Strafgesetzbuches oder, soweit durch die Tat Leib oder Leben eines anderen gefährdet worden ist, nach § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches dringend verdächtig ist, darf die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach Absatz 2 nicht besteht.

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2. Es besteht jedenfalls der Haftgrund des § 112 Abs. 3 StPO i.V.m. § 2 Abs. 2, § 72 JGG. Es sind Umstände gegeben, welche die Gefahr begründen, dass die Ahndung der Tat ohne die weitere Inhaftierung der Angeschuldigten vereitelt werden könnte, so dass die Fortdauer der Untersuchungshaft auch bei der gebotenen restriktiven Auslegung der Vorschrift (vgl. Meyer- Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 112 Rn. 37 mwN) auf den Haftgrund der Schwerkriminalität gemäß § 112 Abs. 3 StPO gestützt werden kann.
30
3. Beim Angeschuldigten besteht der Haftgrund der Schwerkriminalität gemäß § 112 Abs. 3 StPO auch bei der gebotenen restriktiven Handhabung der Vorschrift (s. hierzu Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 112 Rn. 37 mwN). Ob - wie das Oberlandesgericht Stuttgart angenommen hat - daneben der Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO gegeben ist, kann unter den gegebenen Umständen dahinstehen.

(1) Der Richter setzt den Vollzug eines Haftbefehls, der lediglich wegen Fluchtgefahr gerechtfertigt ist, aus, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß der Zweck der Untersuchungshaft auch durch sie erreicht werden kann. In Betracht kommen namentlich

1.
die Anweisung, sich zu bestimmten Zeiten bei dem Richter, der Strafverfolgungsbehörde oder einer von ihnen bestimmten Dienststelle zu melden,
2.
die Anweisung, den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis des Richters oder der Strafverfolgungsbehörde zu verlassen,
3.
die Anweisung, die Wohnung nur unter Aufsicht einer bestimmten Person zu verlassen,
4.
die Leistung einer angemessenen Sicherheit durch den Beschuldigten oder einen anderen.

(2) Der Richter kann auch den Vollzug eines Haftbefehls, der wegen Verdunkelungsgefahr gerechtfertigt ist, aussetzen, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß sie die Verdunkelungsgefahr erheblich vermindern werden. In Betracht kommt namentlich die Anweisung, mit Mitbeschuldigten, Zeugen oder Sachverständigen keine Verbindung aufzunehmen.

(3) Der Richter kann den Vollzug eines Haftbefehls, der nach § 112a erlassen worden ist, aussetzen, wenn die Erwartung hinreichend begründet ist, daß der Beschuldigte bestimmte Anweisungen befolgen und daß dadurch der Zweck der Haft erreicht wird.

(4) Der Richter ordnet in den Fällen der Absätze 1 bis 3 den Vollzug des Haftbefehls an, wenn

1.
der Beschuldigte den ihm auferlegten Pflichten oder Beschränkungen gröblich zuwiderhandelt,
2.
der Beschuldigte Anstalten zur Flucht trifft, auf ordnungsgemäße Ladung ohne genügende Entschuldigung ausbleibt oder sich auf andere Weise zeigt, daß das in ihn gesetzte Vertrauen nicht gerechtfertigt war, oder
3.
neu hervorgetretene Umstände die Verhaftung erforderlich machen.

(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.

(1) Der Haftbefehl ist aufzuheben, sobald die Voraussetzungen der Untersuchungshaft nicht mehr vorliegen oder sich ergibt, daß die weitere Untersuchungshaft zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis stehen würde. Er ist namentlich aufzuheben, wenn der Beschuldigte freigesprochen oder die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt oder das Verfahren nicht bloß vorläufig eingestellt wird.

(2) Durch die Einlegung eines Rechtsmittels darf die Freilassung des Beschuldigten nicht aufgehalten werden.

(3) Der Haftbefehl ist auch aufzuheben, wenn die Staatsanwaltschaft es vor Erhebung der öffentlichen Klage beantragt. Gleichzeitig mit dem Antrag kann die Staatsanwaltschaft die Freilassung des Beschuldigten anordnen.