Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Sept. 2017 - AK 42/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:070917BAK42.17.0
07.09.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
AK 42/17
vom
7. September 2017
in dem Strafverfahren
gegen
wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:070917BAK42.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft München sowie des Angeschuldigten und seiner Verteidiger am 7. September 2017 beschlossen:
Eine Haftprüfung durch den Senat nach den §§ 121, 122 StPO ist derzeit nicht veranlasst.

Gründe:

I.

1
Der Angeschuldigte wurde am 25. September 2016 vorläufig festgenommen und befindet sich seit dem 26. September 2016 in Untersuchungshaft, unterbrochen durch die Vollstreckung einer fünfmonatigen Freiheitsstrafe vom 20. März bis zum 19. August 2017.
2
Der Vollzug der Untersuchungshaft beruhte zunächst auf dem Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Amtsgerichts Bamberg vom 26. September 2016. Gegenstand dieses Haftbefehls war der Vorwurf der Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, der Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten sowie der Bedrohung in zwei Fällen gemäß § 91 Abs. 1 Nr. 2, § 126 Abs. 1 Nr. 6, § 241 Abs. 1, § 53 StGB. Der Angeschuldigte habe sich im Juli 2015 über das Internet technische Anleitungen für den Bombenbau und technische Beschreibungen von Tunnelbohrmaschinen zu dem Zweck verschafft, einen Sprengstoffanschlag auf eine Synagoge in Berlin zu begehen (Ziffer 1). Darüber hinaus habe er am 23. September 2016 telefonisch zu dem geschiedenen Ehemann seiner ehemaligen Lebenspartne- rin S. M. , W. M. , gesagt, er und weitere Männer aus Berlin arbeiteten an einem geplanten Bombenattentat auf eine Synagoge in Berlin, und dabei zumindest billigend in Kauf genommen, dass sein Gesprächspartner die Sicherheitsbehörden informieren werde und diese daraufhin zur Beunruhigung der Bevölkerung geeignete Maßnahmen der Gefahrenabwehr ergreifen würden (Ziffer 3). Schließlich habe der Angeschuldigte am 22. September und am 24. September 2016 in Telefonaten mit W. M. S. M. mit dem Tod bedroht (Ziffern 2 und 4).
3
Vom 14. Februar bis zum 19. März 2017 und wieder ab dem 20. August 2017 ist die Untersuchungshaft auf Grund des Haftbefehls der Ermittlungsrichterin des Oberlandesgerichts München vom 7. Februar 2017 vollzogen worden. Mit dessen Invollzugsetzung hat die Ermittlungsrichterin den Haftbefehl vom 26. September 2016 aufgehoben. Gegenstand des neuen Haftbefehls ist - über drei bereits in dem früheren Haftbefehl geschilderte Taten (die dortigen Ziffern 1 bis 3, nunmehr Ziffern 3, 4/5 und 6 [hinsichtlich 4/5 und 6 mit unwesentlichen Abweichungen insbesondere betreffend die Tatzeit]) hinaus - der Vorwurf, der Angeschuldigte, der Anhänger einer extremistisch-islamistischen Ideologie sei, habe – in den Jahren 2014 und 2015 auf S. M. dahin eingewirkt, dass sie zum IS nach Syrien gehen und dort ein Selbstmordattentat verüben solle, und deren "zirka" acht Jahre altem SohnM. M. IS-Videomaterial gezeigt, um diesen für das Gedankengut und die Handlungen des IS empfänglich zu machen (nunmehr Ziffer 1), sowie – am15. Juli 2016 per Chat versucht, eine nicht näher bekannte männliche Person namens H. zu einem Anschlag für die Ziele des IS zu motivieren (nunmehr Ziffer 2).
4
In rechtlicher Hinsicht sind die dem Angeschuldigten in dem Haftbefehl vom 7. Februar 2017 vorgeworfenen Taten (Ziffern 1 bis 6) bewertet worden "als Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat sowie Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten, jeweils in Tateinheit mit zwei tateinheitlichen Fällen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland sowie als Bedrohung sowie als versuchte Nötigung , jeweils in Tatmehrheit mit zwei tateinheitlichen Fällen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland" gemäß § 91 Abs. 1 Nr. 2, § 126 Abs. 1 Nr. 6, § 129a Abs. 1, § 129b Abs. 1, § 240 Abs. 1, 2, 3, § 241 Abs. 1, §§ 22, 23 Abs. 1, §§ 52, 53 StGB.
5
Mit Anklageschrift vom 5. Juli 2017 hat die Generalstaatsanwaltschaft München am 17. Juli 2017 Anklage zum Oberlandesgericht München unter anderem wegen der zuletzt haftbefehlsgegenständlichen Taten (Ziffern 1.2/1.3, 1.6, 1.8, 1.9 sowie 2 des Anklagesatzes) erhoben.
6
Die Generalstaatsanwaltschaft München hat vorsorglich beantragt, gemäß §§ 121, 122 StPO die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus anzuordnen. Sie ist allerdings der Auffassung, derzeit bestehe noch keine Vorlagepflicht, weil sich der dringende Tatverdacht der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung - als Grundlage für den neuen Haftbefehl - infolge der Ermittlungen erst am 16. November 2016 ergeben habe , so dass das Ende der Sechsmonatsfrist auf den 16. Oktober 2017 falle.

II.

7
Der Senat gibt die Sache an das Oberlandesgericht München zurück, weil eine Haftprüfung nach den §§ 121, 122 StPO zum gegenwärtigen Zeit- punkt nicht veranlasst ist. Gegen den Angeschuldigten sind zwar mittlerweile mehr als sechs Monate Untersuchungshaft vollzogen worden. Im Hinblick auf den erstmals erhobenen, weitergehenden Vorwurf im Haftbefehl des Oberlandesgerichts München vom 7. Februar 2017 ist jedoch eine neue Sechsmonatsfrist in Gang gesetzt worden, deren Ablauf noch nicht bevorsteht.
8
1. Grundlage einer Haftprüfung nach §§ 121, 122 StPO können ausschließlich die in dem vollzogenen Haftbefehl vom 7. Februar 2017 gegen den Angeschuldigten erhobenen Tatvorwürfe sein (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Januar 2017 - AK 67/16, juris Rn. 22). Über den von der Generalstaatsanwaltschaft München mit Erhebung der Anklage gestellten Antrag, einen neuen Haftbefehl gemäß der Anklageschrift vom 5. Juli 2017 zu erlassen und dem Angeschuldigten zu eröffnen, ist noch nicht entschieden; hierzu hat sich der zuständige 9. Strafsenat des Oberlandesgerichts München ausweislich der Gründe des Vorlegungsbeschlusses vom 27. Juli 2017 bisher außerstande gesehen.
9
2. Der Haftbefehl vom 7. Februar 2017 ist wegen eines weiteren selbständigen Tatvorwurfs ergangen, der nicht Gegenstand des Haftbefehls des Amtsgerichts Bamberg vom 26. September 2016 war, erst im Laufe der nachfolgenden Ermittlungen bekannt geworden ist und für sich genommen den Haftbefehlserlass rechtfertigt; zu einem dringenden Tatverdacht hatte sich dieser Vorwurf erst am 16. November 2016 verdichtet. Im Verhältnis zu den im früheren Haftbefehl beschriebenen Tatvorwürfen handelt es sich somit nicht um dieselbe Tat im Sinne von § 121 Abs. 1 StPO (zu den Voraussetzungen der InGang -Setzung einer neuen Haftprüfungsfrist s. Senatsbeschluss vom 6. April 2017 - AK 14/17, juris Rn. 6 ff. mwN).
10
a) Der Angeschuldigte ist - über den Gegenstand des ursprünglichen Haftbefehls hinaus - der mitgliedschaftlichen Beteiligung an der außereuropäischen terroristischen Vereinigung "Islamischer Staat" (IS) dringend verdächtig.
11
aa) Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen ist insoweit im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:
12
(1) Der IS ist eine Organisation mit militant-fundamentalistischer islamischer Ausrichtung, die es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt hatte, einen das Gebiet des heutigen Irak und die historische Region "ash-Sham" - die heutigen Staaten Syrien, Libanon und Jordanien sowie Palästina - umfassenden und auf ihrer Ideologie gründenden "Gottesstaat" unter Geltung der Scharia zu errichten und dazu die schiitisch dominierte Regierung im Irak und das Regime des syrischen Präsidenten Assad zu stürzen. Zivile Opfer nahm und nimmt sie bei ihrem fortgesetzten Kampf in Kauf, weil sie jeden, der sich ihren Ansprüchen entgegenstellt, als "Feind des Islam" begreift; die Tötung solcher "Feinde" oder ihre Einschüchterung durch Gewaltakte sieht die Vereinigung als legitimes Mittel des Kampfes an.
13
Die Führung der Vereinigung, die sich mit der Ausrufung des "Kalifats" im Juni 2014 aus "Islamischer Staat im Irak und in Großsyrien" (ISIS) in "Islamischer Staat" (IS) umbenannte - wodurch sie von der territorialen Selbstbeschränkung Abstand nahm -, hat seit 2010 der "Emir" Abu Bakr al-Baghdadi inne (wobei sich nunmehr die Hinweise verdichten, dass dieser unlängst getötet wurde). Al-Baghdadi war von seinem Sprecher zum "Kalifen" erklärt worden, dem die Muslime weltweit Gehorsam zu leisten hätten. Dem "Kalifen" unterstehen ein Stellvertreter sowie "Minister" als Verantwortliche für einzelne Bereiche, so ein "Kriegsminister" und ein "Propagandaminister". Zur Führungsebene ge- hören außerdem beratende "Shura-Räte". Veröffentlichungen werden in der Medienabteilung "Al-Furqan" produziert und über die Medienstelle "al-I'tisam" verbreitet, die dazu einen eigenen Twitterkanal und ein Internetforum nutzt. Das auch von den Kampfeinheiten verwendete Symbol der Vereinigung besteht aus dem "Prophetensiegel" (einem weißen Oval mit der Inschrift: "Allah - Rasul - Muhammad") auf schwarzem Grund, überschrieben mit dem islamischen Glaubensbekenntnis. Die mehreren Tausend Kämpfer sind dem "Kriegsminister" unterstellt und in lokale Kampfeinheiten mit jeweils einem Kommandeur gegliedert.
14
Die von ihr besetzten Gebiete hat die Vereinigung in Gouvernements eingeteilt und einen Geheimdienstapparat eingerichtet; diese Maßnahmen zielen auf die Schaffung totalitärer staatlicher Strukturen. Angehörige der syrischen Armee, aber auch von in Gegnerschaft zum IS stehenden Oppositionsgruppen , ausländische Journalisten und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen sowie Zivilisten, die den Herrschaftsanspruch des IS in Frage stellen, sehen sich der Verhaftung, Folter und der Hinrichtung ausgesetzt. Filmaufnahmen von besonders grausamen Tötungen wurden mehrfach von der Vereinigung zu Zwecken der Einschüchterung veröffentlicht. Darüber hinaus begeht der IS immer wieder Massaker an Teilen der Zivilbevölkerung und außerhalb seines Machtbereichs Terroranschläge. So hat er auch für Anschläge in Europa , etwa in Frankreich, Belgien und Deutschland, die Verantwortung übernommen.
15
(2) Der Angeschuldigte, der eine extremistische Ideologie vertritt, die den bewaffneten Dschihad als legitimes Mittel zur Durchsetzung ultrakonservativer islamistischer Interessen ansieht, hatte sich spätestens am 21. Januar 2014 dem IS angeschlossen. Er hatte den "Kalifen" Abu Bakr Al-Baghdadi gesehen und identifizierte sich mit den Zielen des IS sowie den zu deren Verfolgung ein- gesetzten Mitteln. Er hatte das Treuegelöbnis auf ihn abgelegt. Verantwortliche des IS hatten seinem Beitritt zu der Vereinigung zugestimmt. Er sah sich demzufolge auch selbst als deren Mitglied an und entfaltete im Einvernehmen mit ihr seine Tätigkeiten in Deutschland.
16
Der Angeschuldigte verfügte bereits im Vorfeld über Kenntnisse zu geplanten Operationen des IS, namentlich zu bevorstehenden Anschlägen in Tartus in der Woche nach dem 25. August 2013 und auf eine Moschee in Raqqa am 15. Mai 2014 ebenso wie zur beabsichtigten gewaltsamen Eroberung des Luftwaffenstützpunkts Kuweyris nach dem 1. Oktober 2014. Der Angeschuldigte war imstande, für Personen, die sich ihrerseits zu "Märtyreroperationen" bereit erklärten, zu diesem Zweck den Beitritt zu der Vereinigung zu arrangieren, und schrieb sich einen maßgebenden Einfluss auf die Organisation einer solchen Operation (Selbstmordattentat) zu. Er hegte selbst den Wunsch, für den IS "nach dem Martyrium gegen die Juden" zu streben, und nahm Planungen für einen Anschlag auf eine Synagoge in Berlin vor, den er mit weiteren Mitgliedern des IS zu verüben beabsichtigte. Der Angeschuldigte hatte vielfältige Kontakte zum und im Umfeld des IS. So arbeiteten zwei seiner in Syrien lebenden Brüder (A. und Mo. ), mit denen er mittels Chat-Nachrichten verkehrte , noch im Jahr 2016 für den IS, während zwei weitere Brüder (Ab. und Abd. ) dort als IS-Kämpfer bei Selbstmordattentaten ums Leben gekommen waren.
17
Im Zeitraum von Anfang 2014 bis zum 15. Juli 2016 betätigte sich der Angeschuldigte als Mitglied des IS im Einzelnen wie folgt für diesen:
18
(a) Im Zeitraum zwischen Juni 2014 und dem 21. November 2015 wirkte der Angeschuldigte nachhaltig auf seine damalige Lebenspartnerin S. M. dahin ein, dass sie nach Syrien ausreisen, sich dort dem IS anschlie- ßen und einen Selbstmordanschlag mit einem Sprengstoffgürtel verüben solle. Ihm kam es darauf an, dem IS eine Selbstmordattentäterin zuzuführen, um ihn durch die Tötung einer Vielzahl von Gegnern ("Ungläubigen") militärisch zu stärken (Ziffer 1 Teil 1 des vollzogenen Haftfehls).
19
(b) Im nämlichen Zeitraum zeigte der Angeschuldigte dem am 5. August 2007 geborenen M. M. , dem Sohn der S. M. , Videoaufnahmen , auf denen für den IS kämpfende Kinder zu sehen waren, die auf andere Menschen schossen und selbst erschossen wurden. Sein Ziel war es, M. M. als Kindersoldaten für die Organisation zu gewinnen sowie ihn für deren Gedankengut und Tätigkeit empfänglich zu machen (Ziffer 1 Teil 2 des vollzogenen Haftfehls).
20
(c) Am 15. Juli 2016 gegen 22 Uhr wirkte der Angeschuldigte per Chat auf eine nicht näher bekannte minderjährige männliche Person namens H. , vermutlich seinen in Syrien lebenden jüngeren Bruder, ein, um ihn zu einem Selbstmordattentat mittels Sprengstoff für den IS zu bewegen. Er erklärte sinngemäß, wenn sein Chat-Partner keinen Anschlag verübe, weil er "Angst" habe oder sich noch für zu jung halte, so sei das für diesen eine "Schande" (Ziffer 2 des vollzogenen Haftfehls).
21
bb) Der dringende Tatverdacht ergibt sich hinsichtlich der außereuropäischen terroristischen Vereinigung "Islamischer Staat" (IS) aus den Auswertungen des Generalbundesanwalts im Einleitungsvermerk vom 12. Dezember 2016, die - gerichtskundig - insbesondere auf den Gutachten des islamwissenschaftlichen Sachverständigen Dr. St. beruhen.
22
Der Angeschuldigte hat die Tatvorwürfe, insbesondere auch die Mitgliedschaft im IS, bislang bestritten. Bei seiner polizeilichen Einvernahme hat er ausgesagt: Einer seiner acht Brüder sei in Syrien zunächst bei der "Freien Syri- schen Armee" (FSA) gewesen und sei "dann gewechselt", möglicherweise zum IS; dieser Bruder sei im Jahr 2014 "von der Regierung getötet" worden. Er - der Angeschuldigte - habe niemals behauptet, Angehöriger des IS zu sein.
23
Im Hinblick auf die Mitgliedschaft im IS gründet sich der dringende Tatverdacht vor allem auf die Auswertung der vom Angeschuldigten geführten digitalen Kommunikation, namentlich auf die gesicherten und übersetzten Chat-Inhalte. So bezeichnete er sich selbst als Mitglied der "Dawla" (Chat vom 21. Januar 2014) und erklärte, Abu Bakr al-Baghdadi gesehen (Chat vom 10. Februar 2014) sowie dem "ISIS Treuegelöbnis geleistet" zu haben (Chat vom 6. Juli 2014). Der umfangreiche Chat-Verkehr ist geprägt von der islamistischen Gesinnung des Angeschuldigten. In einer hohen Anzahl derartiger Nachrichten tauschte er sich mit diversen Kommunikationspartnern über Angelegenheiten mit Bezug zum IS sowie über Selbstmordattentate und sonstige Tötungshandlungen aus. Beispielsweise äußerte er gegenüber einem Gesprächsteilnehmer mit syrischer Telefonnummer, dem er zu einem Selbstmordanschlag riet: "Ich könnte dich dem Islamischen Staat im Irak und Syrien beitreten lassen. Ich arrangiere es für dich ... Ich lasse sie eine Märtyreroperation für dich arrangieren" (Chat vom 1. März 2014). Auch die Angaben zu den Verhältnissen der Familienangehörigen des Angeschuldigten finden ihre Stütze im Chat-Verkehr. Insbesondere auch aus der Kommunikation mit diesen gehen die "Insider-Informationen" zu geplanten Operationen des IS hervor; so wies er etwa Chat-Partner, mutmaßlich seine Tante und seinen Onkel, beizeiten - aus Sorge um ihre Sicherheit - auf die geplanten Anschläge in Tartus und in Raqqa hin (Chats vom 27. August 2013 sowie vom 14. Mai 2014). Überdies kommunizierte der Angeschuldigte beispielsweise mit einer in der Türkei aufhältigen, für den IS sprechenden Person namens "S. N. " über den "Treueeid für den Kalifen" , "Klauseln der Koalition" sowie die erwünschte politische Zukunft Syriens (Chat-Verkehr von August 2013 bis Juli 2014).
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Dass sich der Angeschuldigte selbst als Mitglied des IS bezeichnete, haben außerdem die Zeugen S. M. und As. bei polizeilichen Vernehmungen bekundet; darüber hinaus hat eine Vielzahl weiterer Zeugen jedenfalls seine Affinität zum IS bestätigt. Die Zeugen W. und S. M. sowie Al. haben dazu ausgesagt, dass der Angeschuldigte erklärt habe, das Bombenattentat gegen eine Synagoge in Berlin - "zusammen mit anderen Mitgliedern des IS" - zu planen; hiermit korrespondieren auf einem Notebook des Angeschuldigten gesicherte Browser-Verläufe mit Bezug zur Neuen Synagoge Berlin und explosiven Chemikalien. Die drei - oben unter II. 2.
a) aa) (2) (a) bis (c) näher beschriebenen - einzelnen mitgliedschaftlichen Betätigungsakte werden im Wesentlichen belegt durch die Aussagen der Zeugen S. und M. M. sowie einen dokumentierten Chat-Verlauf (Nr. 715).
25
Wegen der Einzelheiten der Beweisführung wird insbesondere auf den von der Kriminalpolizei gefertigten Zwischenbericht vom 10. März 2017, die Darstellungen der "Chat-Auswertungen" vom 7. Februar und vom 6. Juni 2017, die Zusammenfassung der nach dem Zwischenbericht vorgenommenen Zeugenvernehmungen vom 6. Juni 2017 sowie die Aktenvermerke "Zum Chatteilnehmer 'l. 28'" vom 2. März 2017 ("S. N. ") und "Zur Familie des Beschuldigten (in Syrien)" vom 11. Mai 2017 verwiesen. Hinsichtlich der vorläufigen Bewertung der Beweisergebnisse wird auf das in der Anklageschrift der Generalstaatsanwaltschaft München vom 5. Juli 2017 dargelegte Wesentliche Ergebnis der Ermittlungen Bezug genommen. Insbesondere tritt der Senat dieser Bewertung auch insoweit bei, als die Ermittlungen nach Aktenlage - trotz Fehlens eines direkten Beweises - indiziell belegen, dass der Angeschuldigte als Mitglied des IS die dessen Ziele und Tätigkeit fördernden Handlungen mit Zustimmung von Verantwortlichen der Vereinigung vornahm. Die Vielzahl der Beweisanzeichen, insbesondere auf Grund der inhaltlichen Aus- wertung der umfangreichen digitalen Kommunikation, ermöglicht - im Sinne eines dringenden Tatverdachts - den Schluss, dass zwischen dem Angeschuldigten und dem IS eine Willensübereinstimmung dahin bestand, dass er dem Kreis der Mitglieder angehörte und in dieser Eigenschaft tätig war.
26
cc) Danach hat sich der Angeschuldigte - im Hinblick auf die drei im Haftbefehl vom 7. Februar 2017 erstmals beschriebenen Tathandlungen - mit hoher Wahrscheinlichkeit wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung gemäß § 129a Abs. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1, 2 StGB strafbar gemacht.
27
(1) Der Angeschuldigte hat sich im Sinne von § 129a Abs. 1 StGB als Mitglied am IS beteiligt. Inwieweit die Anforderungen an diese Tathandlungsalternative infolge der Neufassung der §§ 129, 129a StGB mit Wirkung vom 18. Juli 2017 (s. BGBl. I S. 2440 f.) herabgesetzt worden sind, kann hier dahinstehen ; jedenfalls für die zur Tatzeit gültige Fassung (vgl. § 2 Abs. 1, 3 StGB) gilt:
28
Die mitgliedschaftliche Beteiligung setzt allgemein voraus, dass der Täter sich, getragen von beiderseitigem übereinstimmendem Willen und angelegt auf eine gewisse Dauer, in die Organisation eingliedert, sich ihrem Willen unterordnet und eine aktive Tätigkeit zur Förderung ihrer Ziele entfaltet (BGH, Beschluss vom 14. April 2010 - StB 5/10, NJW 2010, 3042, 3044). Die mitgliedschaftliche Beteiligung kommt im Unterschied zu den Tathandlungen des Werbens für die oder des Unterstützens der Vereinigung nur in Betracht, wenn der Täter die Vereinigung von innen und nicht lediglich von außen her fördert. Zwar erfordert diese Begehungsform keine organisierte Teilnahme des Täters am Leben der Vereinigung. Insbesondere muss er sich nicht an einem Ort aufhalten , an dem Vereinigungsstrukturen bestehen. Notwendig ist allerdings, dass der Täter eine Stellung innerhalb der Vereinigung einnimmt, die ihn als zum Kreis der Mitglieder gehörend kennzeichnet und von den Nichtmitgliedern unterscheidbar macht. Hierfür reicht allein eine Tätigkeit für die Vereinigung nicht aus, mag sie auch besonders intensiv sein; denn ein Außenstehender wird nicht allein durch die Förderung der Vereinigung zu deren Mitglied. Auch ein auf lediglich einseitigem Willensentschluss beruhendes Unterordnen und Tätigwerden genügt nicht, selbst wenn der Betreffende bestrebt ist, die Vereinigung und ihre kriminellen Ziele zu fördern. Die Mitgliedschaft setzt ihrer Natur nach eine Beziehung voraus, die der Vereinigung regelmäßig nicht aufgedrängt werden kann, sondern ihre Zustimmung erfordert. Eine Beteiligung als Mitglied scheidet deshalb aus, wenn die Förderungshandlungen nicht von einem einvernehmlichen Willen zu einer fortdauernden Teilnahme am Verbandsleben getragen sind (vgl. BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, 113 f.; MüKoStGB/Schäfer, 3. Aufl., § 129 Rn. 82 ff., jew. mwN).
29
Gemessen daran, ist der dringende Tatverdacht einer mitgliedschaftlichen Beteiligung des Angeschuldigten am IS gegeben. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist davon auszugehen, dass er das Treuegelöbnis auf diesen abgelegt hatte, Verantwortliche der Organisation seinem Beitritt zugestimmt hatten und er im Einvernehmen mit dem IS in Deutschland unterstützende und werbende Tätigkeiten zu dessen Gunsten ausführte. Unter den gegebenen Umständen steht der Mitgliedschaft des Angeschuldigten nicht entgegen, dass seine Stellung und seine Funktion innerhalb der Organisation nicht näher bekannt sind.
30
(2) Die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts folgt unmittelbar aus § 129b Abs. 1 Satz 2 Variante 1 und 4 StGB (zum Strafanwendungsrecht im Einzelnen s. BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2016 - AK 52/16, juris Rn. 33 ff.).
31
(3) Die nach § 129b Abs. 1 Satz 2 und 3 StGB erforderliche Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung von bereits begangenen und künftigen Taten im Zusammenhang mit der sich als "Islamischer Staat im Irak und Großsyrien" (ISIS) sowie als "Islamischer Staat" (IS) bezeichnenden ausländischen terroristischen Vereinigung liegt - als Neufassung der bisherigen Verfolgungsermächtigung - seit dem 13. Oktober 2015 vor.
32
(4) Auch wird der Haftbefehl des Oberlandesgerichts vom 7. Februar 2017 seiner Funktion - noch - gerecht, den strafrechtlichen Vorwurf der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung zu umgrenzen, indem er das zugrundeliegende Geschehen nach Ort und Zeit, Art der Durchführung und sonstigen Umständen so hinreichend genau bezeichnet, dass ein bestimmter Lebensvorgang ersichtlich ist, der die Merkmale des dem Angeschuldigten angelasteten gesetzlichen Straftatbestandes erfüllt (vgl. im Einzelnen Senatsbeschluss vom 17. August 2017 - AK 34/17 mwN). Der Haftbefehl enthält in tatsächlicher Hinsicht allgemeine Angaben zum IS und zur islamistischen Gesinnung des Angeschuldigten sowie die Beschreibung einzelner konkreter Betätigungen und erhebt in rechtlicher Hinsicht den Vorwurf einer Strafbarkeit nach § 129a Abs. 1, § 129b Abs. 1 StGB in Form der mitgliedschaftlichen Beteiligung. Unter den gegebenen Umständen ist es unschädlich , dass sich der Haftbefehl nicht zur Mitgliedschaft selbst verhält, namentlich der von einem übereinstimmenden Willen getragenen Eingliederung des Angeschuldigten in die Organisation.
33
(5) Entgegen der in der Anklageschrift vom 5. Juli 2017 vorgenommenen Bewertung erfüllen die zwei oben unter II. 2. a) aa) (2) (a) und (c) geschilderten mitgliedschaftlichen Betätigungen nicht jeweils zugleich die tatbestandlichen Voraussetzungen einer versuchten Anstiftung zu den Verbrechen des Mordes und des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion mit Todesfolge nach §§ 211, 308 Abs. 1, 3, § 30 Abs. 1 Satz 1 StGB; denn die Taten, zu denen der Angeschuldigte die S. M. und die Person namens H. mutmaßlich zu bestimmen beabsichtigte, waren noch nicht hinreichend konkretisiert.
34
Strafgrund für den Versuch der Anstiftung zu einem Verbrechen ist die besondere Rechtsgutsgefährdung, die entsteht, wenn der Initiator das von ihm angestoßene kriminelle Geschehen derart aus der Hand gibt, dass es sich ohne sein weiteres Zutun gegebenenfalls bis zur Vollendung der Straftat fortentwickeln kann (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 1998 - 3 StR 113/98, BGHSt 44, 99, 102 f.). Die versuchte Anstiftung nach § 30 Abs. 1 StGB erfordert zwar nicht, dass die Art und Weise der Ausführung sowie Ort und Zeit des projektierten Verbrechens in den Einzelheiten festgelegt sind. Jedoch muss dieses - aus der Sicht des Initiators - so weit konkretisiert sein, dass der präsumtive Haupttäter es "begehen könnte, wenn er wollte" (vgl. BGH, Urteile vom 4. Dezember 1962 - 5 StR 529/62, BGHSt 18, 160, 161; vom 29. Oktober 1997 - 2 StR 239/97, BGHR StGB § 30 Abs. 1 Satz 1 Bestimmen 3; vom 14. Juni 2005 - 1 StR 503/04, BGHSt 50, 142, 145; S/S-Heine/Weißer, StGB, 29. Aufl., § 30 Rn. 5).
35
Nach Aktenlage besteht kein dringender Tatverdacht, dass die Modalitäten der beiden vom Angeklagten anvisierten Selbstmordattentate mittels Sprengstoff in ausreichender Form umrissen waren; weder Ort und Zeit noch die nähere Art und Weise der Tatausführung standen fest. Dass S. M. einen Anschlag mit einem Sprengstoffgürtel in Syrien ohne weiteres Zutun des Angeschuldigten hätte begehen können, liegt fern; aber auch in Bezug auf die Person H. ist solches derzeit nicht hinreichend belegt.
36
(6) Infolgedessen werden die drei erstmals im Haftbefehl vom 7. Februar 2017 beschriebenen mitgliedschaftlichen Betätigungsakte (s. oben II. 2. a) aa) (2) (a) bis (c)), weil sie keinen anderen Straftatbestand verwirklichen, durch das Organisationsdelikt der § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 StGB zu einer tatbestandlichen Handlungseinheit, damit einer Tat im materiell-rechtlichen und prozessualen Sinne, verklammert (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juli 2015 - 3 StR 537/14, BGHSt 60, 308, 319). Die im Haftbefehl vom 7. Februar 2017 vorgenommene rechtliche Beurteilung lässt sich hingegen, vor allem auch hinsichtlich der Konkurrenzen, nicht nachvollziehen.
37
dd) Die mitgliedschaftliche Beteiligung des Angeschuldigten am IS ist sowohl nach sachlich-rechtlichen (§ 52 StGB) als auch verfahrensrechtlichen (§ 264 StPO) Maßstäben nicht identisch mit den Taten, die bereits Gegenstand des Haftbefehls vom 26. September 2016 waren:
38
(1) Mit der unter Ziffer 1 des ursprünglichen Haftbefehls umschriebenen Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat nach § 91 Abs. 1 Nr. 2 StGB (zum Schriftenbegriff im Sinne von § 11 Abs. 3 StGB s. BGH, Urteil vom 27. Juni 2001 - 1 StR 66/01, BGHSt 47, 55, 58 ff.; MüKoStGB /Radtke, StGB, 3. Aufl., § 11 Rn. 169 mwN) werden die drei - nicht nach noch weiteren Straftatbeständen strafbaren - mitgliedschaftlichen Betätigungsakte , die dem Angeschuldigten in dem neuen Haftbefehl angelastet werden, nicht zu einer Tat zusammengefasst; denn da insoweit die mitgliedschaftliche Betätigung gerade in der Verwirklichung des § 91 Abs. 1 Nr. 2 StGB besteht, wird sie nicht in die tatbestandliche Handlungseinheit einbezogen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juli 2015 - 3 StR 537/14, aaO, S. 311 f., 319 f.).
39
(2) Auf der Grundlage des Sachverhalts unter Ziffer 3 des ursprünglichen Haftbefehls besteht kein dringender Verdacht der Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten nach § 126 Abs. 1 Nr. 6 StGB. Beide Haftbefehle wie auch die Anklageschrift stützen die konkrete Eignung zur Friedensstörung des vom Angeschuldigten am 24. September 2016 telefonisch angekündigten, gegen eine jüdische Synagoge gerichteten Bombenattentats darauf, dass er zumindest billigend in Kauf genommen habe, der Erklärungsempfänger W. M. werde Sicherheitsbehörden über das Vorhaben informieren ; auch aus dem sonstigen Akteninhalt ergeben sich keine abweichenden Vorstellungen des Angeschuldigten. Das trägt das Merkmal der friedensstörenden Eignung jedoch nicht; denn von staatlichen Organen kann regelmäßig ein Vorgehen mit Diskretion erwartet werden, ohne dass es zu einer Beunruhigung der Öffentlichkeit kommt (vgl. BGH, Urteil vom 2. April 1987 - 4 StR 55/87, BGHSt 34, 329, 332 f.; Beschluss vom 19. Mai 2010 - 1 StR 148/10, NStZ 2010, 570; MüKoStGB/Schäfer aaO, § 126 Rn. 27, 31).
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Auch stellt dieses Telefonat vom 24. September 2016 nach Aktenlage keine - in die (verbleibende) tatbestandliche Handlungseinheit fallende - mitgliedschaftliche Beteiligungshandlung im Sinne des § 129a Abs. 1 StGB dar. Die Äußerungen des Angeschuldigten, die sich nicht zum IS verhielten, waren kein Ausfluss seiner Mitgliedschaft in der Vereinigung, und er tätigte sie nicht in deren Interesse (zu den Anforderungen an eine von § 129a Abs. 1 StGB vorausgesetzte aktive Förderungshandlung s. MüKoStGB/Schäfer aaO, § 129 Rn. 87 f., § 129a Rn. 57 mwN). Vielmehr ist es offenkundig, dass der IS gerade kein Interesse daran hat, Anschlagspläne seiner Mitglieder Unbeteiligten preiszugeben , welche die Informationen staatlichen Behörden offenbaren.
41
b) Der dringende Tatverdacht hinsichtlich des mit Haftbefehl vom 7. Februar 2017 neu hinzugetretenen Vorwurfs der mitgliedschaftlichen Beteiligung am IS hat sich erst nach Erlass des ursprünglichen Haftbefehls vom 26. September 2016 ergeben. Bei der am 25. September 2016 durchgeführten Durch- suchung des vom Angeschuldigten bewohnten Studentenapartments wurden unter anderem sein Smartphone und sein Laptop sichergestellt. Auf dieser Hardware waren große Datenmengen gespeichert, auf dem Smartphone allein 831 Chat-Verläufe und 46.000 Bilder; der Chat-Verkehr wurde aus dem Arabischen übersetzt und ausgewertet. Nachdem zunächst nur erste Hinweise auf eine Verbindung des Angeschuldigten zum IS zutage getreten waren, verdichteten sich die Verdachtsmomente im Laufe der weiteren Auswertung des ChatVerkehrs , bis mit den Sachstandsberichten vom 16. November 2016 ein dringender Tatverdacht in Bezug auf eine Strafbarkeit nach § 129a Abs. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 StGB als hinreichend gesichert erschien.
42
c) Die mitgliedschaftliche Beteiligung am IS rechtfertigt auch für sich genommen den Erlass eines Haftbefehls.
43
aa) Beim Angeschuldigten bestehen, auch wenn nur der neu hinzugetretene Tatvorwurf Berücksichtigung findet, die Haftgründe der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO) sowie darüber hinaus der Schwerkriminalität (§ 112 Abs. 3 StPO):
44
(1) Im Fall seiner Verurteilung hat der Angeschuldigte eine empfindliche, einen hohen Fluchtanreiz begründende Strafe zu erwarten. Der IS ist eine besonders gefährliche und grausam vorgehende terroristische Vereinigung. Zwei der dem Angeschuldigten angelasteten Beteiligungshandlungen waren auf Bombenattentate mit einer potentiell hohen Anzahl von getöteten und schwerverletzten Opfern gerichtet.
45
Dem von der Straferwartung ausgehenden Fluchtanreiz stehen keine hinreichenden fluchthindernden Umstände gegenüber. So hat der Angeschuldigte im Inland keine gefestigten sozialen Bindungen; seine Familie lebt in Syrien. Er ist mit hoher Wahrscheinlichkeit imstande, auf Kontakte zum und im Um- feld des IS zurückzugreifen, um das Bundesgebiet zu verlassen und sich der Strafverfolgung zu entziehen.
46
(2) Danach sind - erst recht - Umstände gegeben, die die Gefahr begründen , dass ohne Inhaftierung des Angeschuldigten zumindest die alsbaldige Ahndung der Tat gefährdet sein könnte (zur gebotenen restriktiven Handhabung des § 112 Abs. 3 StPO vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 112 Rn. 37 mwN).
47
bb) Schließlich steht die Anordnung der Untersuchungshaft im Hinblick auf die dem Angeschuldigten zur Last liegende mitgliedschaftliche Beteiligung am IS nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der im Fall der Verurteilung zu erwartenden Strafe (§ 112 Abs. 1 Satz 2, § 120 Abs. 1 Satz 1 StPO). Das gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass dem in Haftsachen allgemein geltenden Beschleunigungsgebot besondere Bedeutung zukommen kann, falls sich - wie hier - die Haftdauer insgesamt verlängert, weil während des Vollzugs der Untersuchungshaft eine neue Sechsmonatsfrist in Gang gesetzt worden ist und eine Haftprüfung nach den §§ 121, 122 StPO deshalb nicht stattfindet (vgl. BGH, Beschluss vom 6. April 2017 - AK 14/17, juris Rn. 37 mwN).
48
3. Der Ablauf der durch den Haftbefehl vom 7. Februar 2017 in Gang gesetzten Sechsmonatsfrist steht noch nicht bevor. Da der dringende Tatverdacht hinsichtlich des neu hinzugetretenen Tatvorwurfs seit dem 16. November 2016 besteht, ist zu unterstellen, dass der um den Vorwurf erweiterte neue Haftbefehl am 17. November 2016 hätte erlassen und verkündet werden können. Die neue Sechsmonatsfrist hat folglich an diesem Tag zu laufen begonnen ; in diese Frist nicht eingerechnet wird der Zeitraum vom 20. März bis zum 19. August 2017, in dem der Untersuchungshaftvollzug infolge der Vollstreckung der fünfmonatigen Freiheitsstrafe unterbrochen war (s. § 116b Satz 2 StPO). Becker Ri'inBGH Dr. Spaniol befindet Berg sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker

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Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Sept. 2017 - AK 42/17 zitiert 24 §§.

Strafgesetzbuch - StGB | § 52 Tateinheit


(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt. (2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie d

Strafprozeßordnung - StPO | § 112 Voraussetzungen der Untersuchungshaft; Haftgründe


(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßr

Strafgesetzbuch - StGB | § 53 Tatmehrheit


(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. (2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wi

Strafgesetzbuch - StGB | § 211 Mord


(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. (2) Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitt

Strafprozeßordnung - StPO | § 121 Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate


(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden

Strafgesetzbuch - StGB | § 23 Strafbarkeit des Versuchs


(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt. (2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1). (3) Hat der Täter aus grobem Unv

Strafgesetzbuch - StGB | § 129a Bildung terroristischer Vereinigungen


(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, 1. Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völ

Strafgesetzbuch - StGB | § 2 Zeitliche Geltung


(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt. (2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt. (3) Wird das Gesetz, das

Strafgesetzbuch - StGB | § 240 Nötigung


(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Rechtswidrig ist die

Strafprozeßordnung - StPO | § 264 Gegenstand des Urteils


(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt. (2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde l

Strafgesetzbuch - StGB | § 22 Begriffsbestimmung


Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

Strafgesetzbuch - StGB | § 129b Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland; Einziehung


(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausg

Strafprozeßordnung - StPO | § 122 Besondere Haftprüfung durch das Oberlandesgericht


(1) In den Fällen des § 121 legt das zuständige Gericht die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor, wenn es die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich hält oder die Staatsanwaltschaft es be

Strafgesetzbuch - StGB | § 11 Personen- und Sachbegriffe


(1) Im Sinne dieses Gesetzes ist 1. Angehöriger: wer zu den folgenden Personen gehört: a) Verwandte und Verschwägerte gerader Linie, der Ehegatte, der Lebenspartner, der Verlobte, Geschwister, Ehegatten oder Lebenspartner der Geschwister, Geschwister

Strafprozeßordnung - StPO | § 120 Aufhebung des Haftbefehls


(1) Der Haftbefehl ist aufzuheben, sobald die Voraussetzungen der Untersuchungshaft nicht mehr vorliegen oder sich ergibt, daß die weitere Untersuchungshaft zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sich

Strafgesetzbuch - StGB | § 30 Versuch der Beteiligung


(1) Wer einen anderen zu bestimmen versucht, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften, wird nach den Vorschriften über den Versuch des Verbrechens bestraft. Jedoch ist die Strafe nach § 49 Abs. 1 zu mildern. § 23 Abs. 3 gilt entsprechend. (

Strafgesetzbuch - StGB | § 129 Bildung krimineller Vereinigungen


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet oder sich an einer Vereinigung als Mitglied beteiligt, deren Zweck oder Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist, die im Höchstm

Strafgesetzbuch - StGB | § 241 Bedrohung


(1) Wer einen Menschen mit der Begehung einer gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten rechtswidrigen Tat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder gegen eine Sache von bedeutend

Strafgesetzbuch - StGB | § 308 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion


(1) Wer anders als durch Freisetzen von Kernenergie, namentlich durch Sprengstoff, eine Explosion herbeiführt und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter e

Strafgesetzbuch - StGB | § 126 Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten


(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, 1. einen der in § 125a Satz 2 Nr. 1 bis 4 bezeichneten Fälle des Landfriedensbruchs,2. eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung in den Fällen des § 177 Absatz 4 bi

Strafgesetzbuch - StGB | § 91 Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. einen Inhalt (§ 11 Absatz 3), der geeignet ist, als Anleitung zu einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 89a Abs. 1) zu dienen, anpreist oder einer anderen Pe

Strafprozeßordnung - StPO | § 116b Verhältnis von Untersuchungshaft zu anderen freiheitsentziehenden Maßnahmen


Die Vollstreckung der Untersuchungshaft geht der Vollstreckung der Auslieferungshaft, der vorläufigen Auslieferungshaft, der Abschiebungshaft und der Zurückweisungshaft vor. Die Vollstreckung anderer freiheitsentziehender Maßnahmen geht der Vollstrec

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Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Sept. 2017 - AK 42/17 zitiert oder wird zitiert von 14 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Sept. 2017 - AK 42/17 zitiert 8 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Okt. 2016 - AK 52/16

bei uns veröffentlicht am 06.10.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS AK 52/16 vom 6. Oktober 2016 in dem Ermittlungsverfahren gegen wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung u.a. ECLI:DE:BGH:2016:061016BAK52.16.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs h

Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Jan. 2017 - AK 67/16

bei uns veröffentlicht am 11.01.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS AK 67/16 vom 11. Januar 2017 in dem Strafverfahren gegen wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland u.a. ECLI:DE:BGH:2017:110117BAK67.16.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhör

Bundesgerichtshof Urteil, 14. Juni 2005 - 1 StR 503/04

bei uns veröffentlicht am 14.06.2005

BGHSt: ja BGHR: ja ______________________ StGB § 31 Abs. 2 Alt. 1 Glaubt der Anstifter, sein objektiv fehlgeschlagener Bestimmungsversuch sei gelungen , so richtet sich sein Rücktritt vom Versuch der Beteiligung nach § 31 Abs. 2 Alt. 1 StGB. Ein ern

Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Apr. 2010 - StB 5/10

bei uns veröffentlicht am 14.04.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS ________________ StB 5/10 vom 14. April 2010 BGHR: ja BGHSt: nein Veröffentlichung: ja __________________________ StGB § 129 Abs. 1, § 129 a Abs. 1, § 129 b Abs. 1 Satz 1 und 2 Haben sich Mitglieder einer ausländis

Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Mai 2010 - 1 StR 148/10

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 148/10 vom 19. Mai 2010 in der Strafsache gegen wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Mai 2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen: 1. Auf

Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Apr. 2017 - AK 14/17

bei uns veröffentlicht am 06.04.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS AK 14/17 vom 6. April 2017 in dem Ermittlungsverfahren gegen wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung u.a. ECLI:DE:BGH:2017:060417BAK14.17.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat

Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Aug. 2017 - AK 34/17

bei uns veröffentlicht am 17.08.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS AK 34/17 vom 17. August 2017 in dem Ermittlungsverfahren gegen wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung ECLI:DE:BGH:2017:170817BAK34.17.1 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach A

Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Juli 2015 - 3 StR 537/14

bei uns veröffentlicht am 09.07.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 537/14 vom 9. Juli 2015 in der Strafsache gegen wegen Körperverletzung u.a. ECLI:DE:BGH:2015:090715B3STR537.14.1 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalb
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Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Mai 2019 - 1 StR 76/19

bei uns veröffentlicht am 08.05.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 76/19 vom 8. Mai 2019 in der Strafsache gegen wegen versuchter Anstiftung zum Mord ECLI:DE:BGH:2019:080519B1STR76.19.1 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des

Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Feb. 2018 - StB 29/17

bei uns veröffentlicht am 22.02.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS AK 4/18 StB 29/17 vom 22. Februar 2018 in dem Ermittlungsverfahren gegen wegen Verdachts von Kriegsverbrechen u.a. ECLI:DE:BGH:2018:220218BAK4.18.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Besch

Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Feb. 2018 - AK 4/18

bei uns veröffentlicht am 22.02.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS AK 4/18 StB 29/17 vom 22. Februar 2018 in dem Ermittlungsverfahren gegen wegen Verdachts von Kriegsverbrechen u.a. ECLI:DE:BGH:2018:220218BAK4.18.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Besch

Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Feb. 2018 - AK 5/18

bei uns veröffentlicht am 22.02.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS AK 5/18 vom 22. Februar 2018 in dem Ermittlungsverfahren gegen wegen Verdachts von Kriegsverbrechen u.a. ECLI:DE:BGH:2018:220218BAK5.18.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschuldigten u

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(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.

(1) In den Fällen des § 121 legt das zuständige Gericht die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor, wenn es die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich hält oder die Staatsanwaltschaft es beantragt.

(2) Vor der Entscheidung sind der Beschuldigte und der Verteidiger zu hören. Das Oberlandesgericht kann über die Fortdauer der Untersuchungshaft nach mündlicher Verhandlung entscheiden; geschieht dies, so gilt § 118a entsprechend.

(3) Ordnet das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft an, so gilt § 114 Abs. 2 Nr. 4 entsprechend. Für die weitere Haftprüfung (§ 117 Abs. 1) ist das Oberlandesgericht zuständig, bis ein Urteil ergeht, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt. Es kann die Haftprüfung dem Gericht, das nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständig ist, für die Zeit von jeweils höchstens drei Monaten übertragen. In den Fällen des § 118 Abs. 1 entscheidet das Oberlandesgericht über einen Antrag auf mündliche Verhandlung nach seinem Ermessen.

(4) Die Prüfung der Voraussetzungen nach § 121 Abs. 1 ist auch im weiteren Verfahren dem Oberlandesgericht vorbehalten. Die Prüfung muß jeweils spätestens nach drei Monaten wiederholt werden.

(5) Das Oberlandesgericht kann den Vollzug des Haftbefehls nach § 116 aussetzen.

(6) Sind in derselben Sache mehrere Beschuldigte in Untersuchungshaft, so kann das Oberlandesgericht über die Fortdauer der Untersuchungshaft auch solcher Beschuldigter entscheiden, für die es nach § 121 und den vorstehenden Vorschriften noch nicht zuständig wäre.

(7) Ist der Bundesgerichtshof zur Entscheidung zuständig, so tritt dieser an die Stelle des Oberlandesgerichts.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3), der geeignet ist, als Anleitung zu einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 89a Abs. 1) zu dienen, anpreist oder einer anderen Person zugänglich macht, wenn die Umstände seiner Verbreitung geeignet sind, die Bereitschaft anderer zu fördern oder zu wecken, eine schwere staatsgefährdende Gewalttat zu begehen,
2.
sich einen Inhalt der in Nummer 1 bezeichneten Art verschafft, um eine schwere staatsgefährdende Gewalttat zu begehen.

(2) Absatz 1 Nr. 1 ist nicht anzuwenden, wenn

1.
die Handlung der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst und Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient oder
2.
die Handlung ausschließlich der Erfüllung rechtmäßiger beruflicher oder dienstlicher Pflichten dient.

(3) Ist die Schuld gering, so kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen.

(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,

1.
einen der in § 125a Satz 2 Nr. 1 bis 4 bezeichneten Fälle des Landfriedensbruchs,
2.
eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung in den Fällen des § 177 Absatz 4 bis 8 oder des § 178,
3.
einen Mord (§ 211), Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder ein Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder 12 des Völkerstrafgesetzbuches),
4.
eine gefährliche Körperverletzung (§ 224) oder eine schwere Körperverletzung (§ 226),
5.
eine Straftat gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 232 Absatz 3 Satz 2, des § 232a Absatz 3, 4 oder 5, des § 232b Absatz 3 oder 4, des § 233a Absatz 3 oder 4, jeweils soweit es sich um Verbrechen handelt, der §§ 234, 234a, 239a oder 239b,
6.
einen Raub oder eine räuberische Erpressung (§§ 249 bis 251 oder 255),
7.
ein gemeingefährliches Verbrechen in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 3, des § 309 Abs. 1 bis 4, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 3, des § 315b Abs. 3, des § 316a Abs. 1 oder 3, des § 316c Abs. 1 oder 3 oder des § 318 Abs. 3 oder 4 oder
8.
ein gemeingefährliches Vergehen in den Fällen des § 309 Abs. 6, des § 311 Abs. 1, des § 316b Abs. 1, des § 317 Abs. 1 oder des § 318 Abs. 1
androht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wider besseres Wissen vortäuscht, die Verwirklichung einer der in Absatz 1 genannten rechtswidrigen Taten stehe bevor.

(1) Wer einen Menschen mit der Begehung einer gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten rechtswidrigen Tat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder gegen eine Sache von bedeutendem Wert bedroht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Wer einen Menschen mit der Begehung eines gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten Verbrechens bedroht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(3) Ebenso wird bestraft, wer wider besseres Wissen einem Menschen vortäuscht, daß die Verwirklichung eines gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten Verbrechens bevorstehe.

(4) Wird die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) begangen, ist in den Fällen des Absatzes 1 auf Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder auf Geldstrafe und in den Fällen der Absätze 2 und 3 auf Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder auf Geldstrafe zu erkennen.

(5) Die für die angedrohte Tat geltenden Vorschriften über den Strafantrag sind entsprechend anzuwenden.

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3), der geeignet ist, als Anleitung zu einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 89a Abs. 1) zu dienen, anpreist oder einer anderen Person zugänglich macht, wenn die Umstände seiner Verbreitung geeignet sind, die Bereitschaft anderer zu fördern oder zu wecken, eine schwere staatsgefährdende Gewalttat zu begehen,
2.
sich einen Inhalt der in Nummer 1 bezeichneten Art verschafft, um eine schwere staatsgefährdende Gewalttat zu begehen.

(2) Absatz 1 Nr. 1 ist nicht anzuwenden, wenn

1.
die Handlung der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst und Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient oder
2.
die Handlung ausschließlich der Erfüllung rechtmäßiger beruflicher oder dienstlicher Pflichten dient.

(3) Ist die Schuld gering, so kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen.

(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,

1.
einen der in § 125a Satz 2 Nr. 1 bis 4 bezeichneten Fälle des Landfriedensbruchs,
2.
eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung in den Fällen des § 177 Absatz 4 bis 8 oder des § 178,
3.
einen Mord (§ 211), Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder ein Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder 12 des Völkerstrafgesetzbuches),
4.
eine gefährliche Körperverletzung (§ 224) oder eine schwere Körperverletzung (§ 226),
5.
eine Straftat gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 232 Absatz 3 Satz 2, des § 232a Absatz 3, 4 oder 5, des § 232b Absatz 3 oder 4, des § 233a Absatz 3 oder 4, jeweils soweit es sich um Verbrechen handelt, der §§ 234, 234a, 239a oder 239b,
6.
einen Raub oder eine räuberische Erpressung (§§ 249 bis 251 oder 255),
7.
ein gemeingefährliches Verbrechen in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 3, des § 309 Abs. 1 bis 4, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 3, des § 315b Abs. 3, des § 316a Abs. 1 oder 3, des § 316c Abs. 1 oder 3 oder des § 318 Abs. 3 oder 4 oder
8.
ein gemeingefährliches Vergehen in den Fällen des § 309 Abs. 6, des § 311 Abs. 1, des § 316b Abs. 1, des § 317 Abs. 1 oder des § 318 Abs. 1
androht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wider besseres Wissen vortäuscht, die Verwirklichung einer der in Absatz 1 genannten rechtswidrigen Taten stehe bevor.

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.

(2) In den Fällen der §§ 129 und 129a, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 1, ist § 74a anzuwenden.

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
eine Schwangere zum Schwangerschaftsabbruch nötigt oder
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht.

(1) Wer einen Menschen mit der Begehung einer gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten rechtswidrigen Tat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder gegen eine Sache von bedeutendem Wert bedroht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Wer einen Menschen mit der Begehung eines gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten Verbrechens bedroht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(3) Ebenso wird bestraft, wer wider besseres Wissen einem Menschen vortäuscht, daß die Verwirklichung eines gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten Verbrechens bevorstehe.

(4) Wird die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) begangen, ist in den Fällen des Absatzes 1 auf Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder auf Geldstrafe und in den Fällen der Absätze 2 und 3 auf Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder auf Geldstrafe zu erkennen.

(5) Die für die angedrohte Tat geltenden Vorschriften über den Strafantrag sind entsprechend anzuwenden.

Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.

(1) In den Fällen des § 121 legt das zuständige Gericht die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor, wenn es die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich hält oder die Staatsanwaltschaft es beantragt.

(2) Vor der Entscheidung sind der Beschuldigte und der Verteidiger zu hören. Das Oberlandesgericht kann über die Fortdauer der Untersuchungshaft nach mündlicher Verhandlung entscheiden; geschieht dies, so gilt § 118a entsprechend.

(3) Ordnet das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft an, so gilt § 114 Abs. 2 Nr. 4 entsprechend. Für die weitere Haftprüfung (§ 117 Abs. 1) ist das Oberlandesgericht zuständig, bis ein Urteil ergeht, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt. Es kann die Haftprüfung dem Gericht, das nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständig ist, für die Zeit von jeweils höchstens drei Monaten übertragen. In den Fällen des § 118 Abs. 1 entscheidet das Oberlandesgericht über einen Antrag auf mündliche Verhandlung nach seinem Ermessen.

(4) Die Prüfung der Voraussetzungen nach § 121 Abs. 1 ist auch im weiteren Verfahren dem Oberlandesgericht vorbehalten. Die Prüfung muß jeweils spätestens nach drei Monaten wiederholt werden.

(5) Das Oberlandesgericht kann den Vollzug des Haftbefehls nach § 116 aussetzen.

(6) Sind in derselben Sache mehrere Beschuldigte in Untersuchungshaft, so kann das Oberlandesgericht über die Fortdauer der Untersuchungshaft auch solcher Beschuldigter entscheiden, für die es nach § 121 und den vorstehenden Vorschriften noch nicht zuständig wäre.

(7) Ist der Bundesgerichtshof zur Entscheidung zuständig, so tritt dieser an die Stelle des Oberlandesgerichts.

(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.

(1) In den Fällen des § 121 legt das zuständige Gericht die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor, wenn es die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich hält oder die Staatsanwaltschaft es beantragt.

(2) Vor der Entscheidung sind der Beschuldigte und der Verteidiger zu hören. Das Oberlandesgericht kann über die Fortdauer der Untersuchungshaft nach mündlicher Verhandlung entscheiden; geschieht dies, so gilt § 118a entsprechend.

(3) Ordnet das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft an, so gilt § 114 Abs. 2 Nr. 4 entsprechend. Für die weitere Haftprüfung (§ 117 Abs. 1) ist das Oberlandesgericht zuständig, bis ein Urteil ergeht, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt. Es kann die Haftprüfung dem Gericht, das nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständig ist, für die Zeit von jeweils höchstens drei Monaten übertragen. In den Fällen des § 118 Abs. 1 entscheidet das Oberlandesgericht über einen Antrag auf mündliche Verhandlung nach seinem Ermessen.

(4) Die Prüfung der Voraussetzungen nach § 121 Abs. 1 ist auch im weiteren Verfahren dem Oberlandesgericht vorbehalten. Die Prüfung muß jeweils spätestens nach drei Monaten wiederholt werden.

(5) Das Oberlandesgericht kann den Vollzug des Haftbefehls nach § 116 aussetzen.

(6) Sind in derselben Sache mehrere Beschuldigte in Untersuchungshaft, so kann das Oberlandesgericht über die Fortdauer der Untersuchungshaft auch solcher Beschuldigter entscheiden, für die es nach § 121 und den vorstehenden Vorschriften noch nicht zuständig wäre.

(7) Ist der Bundesgerichtshof zur Entscheidung zuständig, so tritt dieser an die Stelle des Oberlandesgerichts.

(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.

(1) In den Fällen des § 121 legt das zuständige Gericht die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor, wenn es die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich hält oder die Staatsanwaltschaft es beantragt.

(2) Vor der Entscheidung sind der Beschuldigte und der Verteidiger zu hören. Das Oberlandesgericht kann über die Fortdauer der Untersuchungshaft nach mündlicher Verhandlung entscheiden; geschieht dies, so gilt § 118a entsprechend.

(3) Ordnet das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft an, so gilt § 114 Abs. 2 Nr. 4 entsprechend. Für die weitere Haftprüfung (§ 117 Abs. 1) ist das Oberlandesgericht zuständig, bis ein Urteil ergeht, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt. Es kann die Haftprüfung dem Gericht, das nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständig ist, für die Zeit von jeweils höchstens drei Monaten übertragen. In den Fällen des § 118 Abs. 1 entscheidet das Oberlandesgericht über einen Antrag auf mündliche Verhandlung nach seinem Ermessen.

(4) Die Prüfung der Voraussetzungen nach § 121 Abs. 1 ist auch im weiteren Verfahren dem Oberlandesgericht vorbehalten. Die Prüfung muß jeweils spätestens nach drei Monaten wiederholt werden.

(5) Das Oberlandesgericht kann den Vollzug des Haftbefehls nach § 116 aussetzen.

(6) Sind in derselben Sache mehrere Beschuldigte in Untersuchungshaft, so kann das Oberlandesgericht über die Fortdauer der Untersuchungshaft auch solcher Beschuldigter entscheiden, für die es nach § 121 und den vorstehenden Vorschriften noch nicht zuständig wäre.

(7) Ist der Bundesgerichtshof zur Entscheidung zuständig, so tritt dieser an die Stelle des Oberlandesgerichts.

22
Dieser Umstand ist im vorliegenden Haftprüfungsverfahren unabhängig von seiner Beurteilung im Haftbefehl rechtlich zu würdigen. Zwar ist nur der nach § 122 Abs. 1 StPO vorgelegte Haftbefehl Gegenstand der Haftprüfung (vgl. KK-Schultheis, StPO, 7. Aufl., § 121 Rn. 24) und damit grundsätzlich auch ausschließlich der darin gegenüber dem Angeklagten erhobene Vorwurf (BGH, Beschluss vom 28. Juli 2016 - AK 41/16, juris Rn. 9). Diese Beschränkung bezieht sich indes auf den geschilderten Lebenssachverhalt, aus dem sich die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat ergibt (vgl. KK-Schultheis aaO, § 121 Rn. 10 mwN), nicht dagegen auf dessen rechtliche Würdigung. Wie dargelegt enthielt bereits der Haftbefehl des Amtsgerichts Tiergarten vom 16. Juni 2016 eine Schilderung der Anbindung des gesondert Verfolgten A. an den IS. Dieser Haftbefehl wurde dem Angeklagten mündlich eröffnet; die Anhörungsvorschriften der §§ 114a, 115 StPO wurden beachtet.

(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.

6
1. Gemäß § 121 Abs. 1 StPO darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat vor dem Erlass eines Urteils nur unter besonderen Voraussetzungen länger als sechs Monate aufrechterhalten werden. Dadurch soll dem Anspruch des in Untersuchungshaft befindlichen Beschuldigten auf beschleunigte Durchführung des Verfahrens (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 EMRK) sowie dem aus Art. 2 Abs. 2 GG herzuleitenden verfassungsmäßigen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BVerfG, Beschluss vom 3. Mai 1966 - 1 BvR 58/66, NJW 1966, 1259) Rechnung getragen werden. Der Senat teilt die in der obergerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur inzwischen nahezu einhellig vertretene Auffassung, dass der Begriff "derselben Tat" im Sinne des § 121 Abs. 1 StPO mit Rücksicht auf diesen Schutzzweck der Norm weit auszulegen ist und deshalb alle Taten des Beschuldigten von dem Zeitpunkt an erfasst, in dem sie - im Sinne eines dringenden Tatverdachts - bekannt geworden sind und in den bestehenden Haftbefehl hätten aufgenommen werden können, und zwar unabhängig davon, ob sie Gegenstand desselben Verfahrens oder getrennter Verfahren sind (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 22. Juni 2016 - 1 Ws 257/16 H, juris Rn. 6, 16; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 22. April 2015 - 1 Ws 7/15 (H), juris Rn. 7; KG, Beschluss vom 15. August 2013 - 4 Ws 108/13, juris Rn. 13; OLG Rostock, Beschluss vom 13. Juni 2013 - 2 HEs 9/13 (5/13), juris Rn. 9; OLG Celle, Beschluss vom 9. Februar 2012 - 32 HEs 1/12, juris Rn. 21; OLG Jena, Beschluss vom 16. November 2010 - 1 Ws 446/10 (32), juris Rn. 9; OLG Koblenz (2. Strafsenat), Beschluss vom 30. Juli 2009 - 2 HEs 8/09, juris Rn. 8; OLG Dresden, Beschluss vom 31. März 2009 - 2 AK 6/09, NJW 2010, 952; OLG Naumburg, Beschluss vom 2. Dezember 2008 - 1 Ws 674/08, juris Rn. 7 f.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 6. Juni 2007 - 4 HEs 86/07, juris Rn. 6; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Dezember 2003 - 3 Ws 460/03, NStZ-RR 2004, 125 f.; OLG Koblenz (1. Strafsenat), Beschluss vom 3. Januar 2001 - (1) 4420 BL - III - 71/00, NStZ-RR 2001, 152; OLG Hamm, Beschluss vom 21. April 1998 - 2 BL 62/98, NStZ-RR 1998, 277, 278; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 26. Januar1998 - 1 BL 4/98, NStZ-RR 1998, 182; OLG Brandenburg, Beschluss vom 3. März 1997, 2 (3) HEs 16/97, StV 1997, 536, 537; OLG Frankfurt, Beschluss vom 2. März 1990 - 1 HEs 259/88, NJW 1990, 2144; OLG Hamburg, Beschluss vom 29. August 1989 - 1 Ws 243/89, StV 1989, 489; KK-Schultheis, StPO, 7. Aufl., § 121 Rn. 10; LR/Hilger, StPO, 26. Aufl., § 121 Rn. 14b; MeyerGoßner /Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 121 Rn. 11). Dadurch wird vermieden, dass von Anfang an bekannte oder im Laufe der Ermittlungen bekannt werdende Taten des Beschuldigten zunächst zurückgehalten und erst kurz vor Ablauf der Sechsmonatsfrist zum Gegenstand eines neuen oder erweiterten Haftbefehls gemacht werden mit dem Ziel, eine neue Sechsmonatsfrist zu eröffnen (sog. Reservehaltung von Tatvorwürfen).

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.

(2) In den Fällen der §§ 129 und 129a, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 1, ist § 74a anzuwenden.

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet oder sich an einer Vereinigung als Mitglied beteiligt, deren Zweck oder Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren bedroht sind. Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine solche Vereinigung unterstützt oder für sie um Mitglieder oder Unterstützer wirbt.

(2) Eine Vereinigung ist ein auf längere Dauer angelegter, von einer Festlegung von Rollen der Mitglieder, der Kontinuität der Mitgliedschaft und der Ausprägung der Struktur unabhängiger organisierter Zusammenschluss von mehr als zwei Personen zur Verfolgung eines übergeordneten gemeinsamen Interesses.

(3) Absatz 1 ist nicht anzuwenden,

1.
wenn die Vereinigung eine politische Partei ist, die das Bundesverfassungsgericht nicht für verfassungswidrig erklärt hat,
2.
wenn die Begehung von Straftaten nur ein Zweck oder eine Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung ist oder
3.
soweit die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung Straftaten nach den §§ 84 bis 87 betreffen.

(4) Der Versuch, eine in Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 bezeichnete Vereinigung zu gründen, ist strafbar.

(5) In besonders schweren Fällen des Absatzes 1 Satz 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern der Vereinigung gehört. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu erkennen, wenn der Zweck oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet ist, in § 100b Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, b, d bis f und h bis o, Nummer 2 bis 8 und 10 der Strafprozessordnung genannte Straftaten mit Ausnahme der in § 100b Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe h der Strafprozessordnung genannten Straftaten nach den §§ 239a und 239b des Strafgesetzbuches zu begehen.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, von einer Bestrafung nach den Absätzen 1 und 4 absehen.

(7) Das Gericht kann die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Täter

1.
sich freiwillig und ernsthaft bemüht, das Fortbestehen der Vereinigung oder die Begehung einer ihren Zielen entsprechenden Straftat zu verhindern, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß Straftaten, deren Planung er kennt, noch verhindert werden können;
erreicht der Täter sein Ziel, das Fortbestehen der Vereinigung zu verhindern, oder wird es ohne sein Bemühen erreicht, so wird er nicht bestraft.

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
________________
StB 5/10
vom
14. April 2010
BGHR: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
__________________________
StGB § 129 Abs. 1, § 129 a Abs. 1, § 129 b Abs. 1 Satz 1 und 2
Haben sich Mitglieder einer ausländischen kriminellen oder terroristischen Vereinigung
im Inland zu einer organisatorischen Struktur zusammengeschlossen,
deren Zwecke oder Tätigkeit der Zielsetzung der ausländischen Vereinigung
entsprechen, so können sie sich nur dann tateinheitlich auch wegen Mitgliedschaft
in einer inländischen kriminellen Vereinigung strafbar machen, wenn ihre
inländische Organisation einen eigenständigen, von der ausländischen Vereinigung
unabhängigen Gesamtwillen bildet.
BGH, Beschl. vom 14. April 2010 - StB 5/10 - Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung
hier: Haftbeschwerde des Beschuldigten
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts am 14. April 2010 gemäß § 304 Abs. 5
StPO beschlossen:
1. Auf die Beschwerde des Beschuldigten wird der Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 16. Dezember 2009 aufgehoben und durch den nachfolgenden Haftbefehl ersetzt: Der Beschuldigte ist in Untersuchungshaft zu nehmen. Er ist dringend verdächtig, sich jedenfalls in der Zeit zwischen Juli 2008 und Januar 2009 den srilankischen "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) angeschlossen und deren auf die Begehung von Mord oder Totschlag gerichtete Tätigkeit durch seine Mitarbeit im Büro des von ihnen eingerichteten "Tamil Coordination Committee" (TCC) in O. gefördert zu haben, indem er in deren Angelegenheiten Telefonanrufe entgegengenommen , ihm mitgeteilte Informationen an die zuständigen Personen weitergeleitet und begehrte Auskünfte erteilt hat; strafbar als mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union durch eine in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübte Tätigkeit (§ 129 b Abs. 1 Satz 2, § 129 a Abs. 1 Nr. 1 StGB).
2. Dieser Haftbefehl wird aufgehoben werden, wenn das Bundesministerium der Justiz nicht binnen einer Woche nach Zugang dieses Beschlusses gegenüber dem Bundesgerichtshof - 3. Strafsenat - die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt (§ 130 StPO, § 129 b Abs. 1 Satz 3, § 77 e StGB).
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
4. Der Antrag des Beschuldigten, die Vollziehung des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 16. Dezember 2009 auszusetzen, ist damit gegenstandslos.

Gründe:

I.


1
Auf Antrag des Generalbundesanwalts hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs am 16. Dezember 2009 angeordnet, den Beschuldigten in Untersuchungshaft zu nehmen. Er hat den Beschuldigten für dringend verdächtig gehalten, sich jedenfalls ab Sommer 2008 als "Führungskader" des "Tamil Coordination Committee" (TCC) in O. mit mindestens sechs weiteren Personen zu dem Zweck zusammengeschlossen zu haben, von Deutschland aus den "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) in Sri Lanka Vermögensund Sachwerte zur Verfügung zu stellen und die entsprechenden Gelder von tamilischen Immigranten in Deutschland mit teilweise erpresserischen Mitteln einfordern zu lassen (Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung gemäß § 129 Abs. 1 StGB).
2
Nach der Festnahme des Beschuldigten am 3. März 2010 hat der Ermittlungsrichter mit Beschluss vom selben Tage den Haftbefehl aufrechterhalten und in Vollzug gesetzt. Seitdem befindet sich der Beschuldigte in Untersuchungshaft. Mit seiner gegen die Entscheidungen des Ermittlungsrichters gerichteten Beschwerde begehrt er die Aufhebung des Haftbefehls. Der Ermittlungsrichter hat der Beschwerde nicht abgeholfen; der Generalbundesanwalt tritt ihr entgegen.

II.


3
Auf die zulässige Beschwerde des Beschuldigten ist der Haftbefehl des Ermittlungsrichters aufzuheben und durch den aus der Beschlussformel ersichtlichen Haftbefehl zu ersetzen.
4
1. Die gegenwärtigen Erkenntnisse ergeben nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit, dass sich der Beschuldigte als Mitglied einer inländischen kriminellen Vereinigung nach § 129 Abs. 1 StGB angeschlossen hat. Der Beschuldigte ist indes dringend verdächtig, sich durch seine Mitarbeit im "Tamil Coordination Committee" (TCC) in O. an einer terroristischen Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union - den srilankischen "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) - durch eine in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübte Tätigkeit als Mitglied beteiligt zu haben (§ 129 b Abs. 1 Satz 2, § 129 a Abs. 1 Nr. 1 StGB).
5
a) Nach den vorliegenden Erkenntnissen ergibt sich im Sinne eines dringenden Tatverdachts folgender Sachverhalt:
6
aa) Allgemeinkundig entstanden die LTTE im Jahre 1976 durch den Zusammenschluss verschiedener tamilischer Bewegungen in Sri Lanka, deren gemeinsames Ziel die Loslösung des mehrheitlich von Tamilen besiedelten Nord- und Ostteils der Insel vom singhalesisch geprägten Reststaat war. Hierarchisch auf die Person ihres Führers Vellupillai Prabhakaran und dessen Ideologie ausgerichtet, verfolgten sie ihr Ziel eines selbständigen "Tamil Eelam" in erster Linie durch bewaffneten Kampf, der sich nicht nur gegen die srilankischen Regierungstruppen, sondern auch gegen rivalisierende Gruppierungen richtete. Bis 1986 gelang es ihnen, neben der Halbinsel Jaffna weite Teile der Nord- und der Ostprovinzen des Landes unter ihre Kontrolle zu bringen, wo sie nach und nach eigene staatsähnliche Strukturen schufen. Ab 2002 wurden dort ein zentrales "politisches Büro" mit Sitz in Kilinochchi sowie "Ministerien" für Justiz, Polizei, Finanzen und Verteidigung errichtet. Der zudem erhobene Alleinvertretungsanspruch für alle Tamilen weltweit führte in der Zuständigkeit eines "Außenministeriums" zur Entwicklung von Organisationsstrukturen auch über Sri Lanka hinaus. Der Finanzierung der LTTE dienten die in den besetzten Gebieten erhobenen "Steuern" und die "Spendengeldsammlungen" unter den Auslandstamilen.
7
Militärisch verfügten die LTTE über Infanterieeinheiten ("Tigers") sowie über eine Anzahl zu Kampfzwecken umgerüsteter Schnellboote ("Sea Tigers") und Flugzeuge ("Air Tigers"). Daneben unterhielten sie eine Spezialeinheit ("Black Tigers"), deren Aufgabe neben militärischen Kommandoaktionen auch Anschläge auf zivile Ziele waren. Ihren auf insgesamt mehr als 200 geschätzten Selbstmordattentaten fielen unter anderem am 21. Mai 1991 bei Madras der indische Premierminister Rajiv Ghandi und am 1. Mai 1993 in Colombo der srilankische Staatspräsident Ranasinghe Premadasa zum Opfer.
8
Im Guerillakampf mit ihrem abtrünnigen Kommandeur Muralitharan ("Karuna" ) verloren die LTTE ab 2004 zunächst die Ostprovinzen. Verstärkte Offensiven der Armee ab 2007 drängten sie weiter zurück, bis es im Frühjahr 2009 zu ihrer militärischen Zerschlagung kam. Ihr Führer Vellupillai Prabhakaran wurde am 18. Mai 2009 von srilankischen Regierungstruppen getötet.
9
bb) Die Strukturen des TCC erhellen sich in erster Linie aus den Angaben ihm unterstellter Gebietsverantwortlicher in mehreren Gesprächen mit dem Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg zwischen März 2006 und Januar 2007. Danach galt das TCC als die "LTTE in Deutschland" und dessen Leiter Sr. alias V. als der "Chef der LTTE für Deutschland". Zuständig war das TCC insbesondere für die politische Öffentlichkeitsarbeit und für die Geldsammlungen unter den in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Tamilen. Seine Vorgaben und Befehle erhielt es unmittelbar aus der Zentrale der LTTE in Kilinochchi. Bei seiner Arbeit stützte sich das TCC auf ein bundesweites, hierarchisch aufgebautes Netz aus Gebiets-, Stadt- und Raumverantwortlichen. Diese waren - wie die mindestens sechs weiteren im Büro des TCC in O. tätigen Personen - an die Weisungen des V. gebunden und ihm gegenüber rechenschaftspflichtig. Gleichermaßen hat der im O. er Büro für Pressearbeit und Behördenkontakte zuständige W. das TCC in einer Zeugenaussage beim Polizeipräsidium D. am 8. Mai 2007 als "politische Abteilung der LTTE für Deutschland" bezeichnet.
10
Bestätigt werden diese Angaben durch Erkenntnisse des Bundesamts für Verfassungsschutz aus der Überwachung des Post- und Telefonverkehrs des TCC im Rahmen von G 10 - Maßnahmen. Ein Telefongespräch belegt, dass die Funktionäre der LTTE in Sri Lanka Immigranten in Deutschland bei Fragen an das TCC verweisen (Sachakte Bd. II Reiter Erkenntnisse BfV Bl. 97). Tamilen in Deutschland, die sich schriftlich an das TCC wandten, bezeichneten dieses regelmäßig als "LTTE Deutschland" und dessen Leiter V. als "Verwalter" oder "Verantwortlichen" der "LTTE Deutschland" (Bl. 177, 183, 191, 198, 205, 209, 217, 235, 262). Andere Telefongespräche bestätigen die umfassenden Direktionsbefugnisse V. s innerhalb des TCC (Bl. 124, 126, 214 ff., 217).
11
cc) Der Beschuldigte hat sich, wie seine eigenen Äußerungen gegenüber Dritten belegen, gegenüber den LTTE zur Mitarbeit bereiterklärt, um die Freilassung seiner in Sri Lanka zwangsrekrutierten Schwester zu erreichen. Er wurde von den LTTE deshalb - ohne nennenswerte Bezahlung - dem Büro der TCC in O. zugewiesen, um dort zu "lernen"; danach sollte er nach Sri Lanka zurückkehren und sich dort anstelle der Schwester einer kämpfenden Einheit anschließen (Sachakte Bd. II Reiter Erkenntnisse BfV Bl. 113 - 116). Unter der Aliaspersonalie M. diente er als telefonischer Ansprechpartner nach außen, nahm Informationen für das Büro entgegen und erteilte Auskünfte allgemeiner Art, etwa zu Besprechungsterminen oder zum Undiyal-Banking, dem vom TCC organisierten privaten Geldtransfer hier wohnhafter Tamilen in die Heimat (Bl. 97, 132, 140, 147, 148).
12
Die Identität des M. mit dem Beschuldigten ergibt sich aus zwei Telefongesprächen , die vom Festnetzanschluss der TCC aus geführt wurden. Am 30. Juli 2008 rief ein R. seinen Vater an; der Angerufene führt den Namen S. (Bl. 108). Am 20. August 2008 sprach M. mit einer Verwandten , die ihn R. nannte; sie gab das Gespräch an eine andere Person weiter, die ihn als R. begrüßte (Bl. 115).
13
b) Danach ist das dem Beschuldigten vorgeworfene Tatgeschehen rechtlich wie folgt zu bewerten:
14
aa) Die LTTE waren - jedenfalls bis zu ihrer mutmaßlichen Zerschlagung durch die srilankischen Regierungstruppen im Frühjahr 2009 - eine Vereinigung, deren Zwecke und deren Tätigkeit (auch) darauf gerichtet waren, Mord oder Totschlag zu begehen (§ 129 a Abs. 1 Nr. 1 StGB). Sie bestand im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (§ 129 b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB), denn der Schwerpunkt ihrer organisatorischen Strukturen und ihr eigentliches Aktionsfeld befanden sich in Sri Lanka. Allein der Umstand, dass die Strukturen und Aktivitäten einer Vereinigung teilweise in die Bundesrepublik Deutschland hereinreichen - hier: Einrichtung eines "Büros" als Kontaktstelle für Unterstützer und zur Vermittlung der Ziele in der Öffentlichkeit; Aufbau eines Netzes zur Erschließung von Finanzierungsquellen - macht sie noch nicht zu einer Vereinigung (auch) im Inland.
15
bb) Das TCC war keine selbständige Teilorganisation der LTTE in Deutschland; entgegen der Auffassung des Ermittlungsrichters und des Generalbundesanwalts bildeten dessen Mitglieder deshalb keine - neben die LTTE tretende - Vereinigung gemäß § 129 StGB.
16
(1) Eine Vereinigung im Sinne der Vorschriften der §§ 129 ff. StGB ist ein auf eine gewisse Dauer angelegter freiwilliger organisatorischer Zusammenschluss von mindestens drei Personen, die bei Unterordnung des Willens des Einzelnen unter den Willen der Gesamtheit gemeinsame Zwecke verfolgen und unter sich derart in Beziehung stehen, dass sie sich untereinander als einheitlicher Verband fühlen (st. Rspr.; zuletzt BGHSt 54, 69 = NJW 2009, 3448 Rdn. 116 m. w. N.). Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich des TCC nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit belegt. Denn die bisherigen Erkenntnisse er- geben nicht, dass sich innerhalb der TCC eine eigenständige, von der ausländischen Vereinigung abgrenzbare Willensbildung vollzog.
17
Die Beziehungen der im TCC tätigen Personen untereinander erschöpften sich vielmehr in der gemeinsamen Mitgliedschaft in der LTTE. Das TCC war nicht nur eingegliedert in deren Hierarchie, sondern nach den Angaben des Beschuldigten oblag es allein der Entscheidung der LTTE, ob Personen in einer Einrichtung wie dem TCC oder in einer kämpfenden Einheit eingesetzt wurden. Auch nach außen hin trat das TCC auf als Repräsentanz der LTTE in Deutschland. Sein Leiter V. war zwar weisungsberechtigt gegenüber den anderen Mitarbeitern im TCC sowie den nachgeordneten Gebiets-, Stadt- und Raumverantwortlichen , unterstand aber selbst unmittelbar dem politischen Büro in Kilinochchi und war abhängig von dessen Weisungen. Gerade im Hinblick auf die Spendensammlungen verfügte das TCC nicht über Freiräume, aus denen sich die Gesamtorganisation zurückgezogen hätte. Die LTTE hatte die Beitreibung von Spenden in Deutschland nicht etwa aus ihrem Organisationsbereich ausgegliedert. Vielmehr gab es in Sri Lanka Zuständige für die "Auslandsfinanzen" (Sachakte Bd. II Reiter Erkenntnisse BfV Bl. 22). Die eigene Nähe der LTTE zu den "Spendensammlungen" wird aber vor allem dadurch belegt, dass sie angebliche Zahlungspflichten in Deutschland lebender Tamilen ausschließlich mittels Verschleppung oder Zwangsrekrutierung von Familienangehörigen in Sri Lanka durchzusetzen trachtete (Bl. 11, 25, 93). Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand kam dem TCC damit lediglich die Funktion zu, die Entscheidungsprozesse der ausländischen Kernorganisation bei gleichzeitiger Unterordnung unter deren Willensbildung im Inland umzusetzen und zu vollstrecken. Angesichts dieser Umstände sind dringende Anhaltspunkte für einen eigenständigen, von der ausländischen Vereinigung unabhängigen Willensbildungsprozess der TCC nicht ersichtlich.

18
(2) Eine eigene Willensbildung ist jedoch für eine Strafbarkeit nach § 129 StGB auch dann nicht entbehrlich, wenn sich im Inland organisatorische Strukturen zur Unterstützung der Ziele einer ausländischen Vereinigung gebildet haben. Zwar ist der Bundesgerichtshof in früheren Entscheidungen von einer Anwendbarkeit der §§ 129, 129 a StGB ausgegangen, wenn die ausländische Vereinigung zumindest in Form einer Teilorganisation auch auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland existierte und diese ihrerseits die Voraussetzungen der §§ 129, 129 a StGB erfüllte, wobei in diesen Fallkonstellationen nicht verlangt wurde, dass sich die organisierte Willensbildung innerhalb der inländischen Teilorganisation vollzog. Es genügte vielmehr, dass deren Mitglieder in die Willensbildung der ausländischen oder internationalen Organisation integriert waren und sich den auf dieser Ebene getroffenen Entschlüssen gegebenenfalls unter Zurückstellung ihrer individuellen Meinungen unterwarfen (vgl. BGH NJW 1966, 310, 312; BGH, Beschl. vom 12. Oktober 2001 - AK 14/01; Krauß in LK 12. Aufl. § 129 Rdn. 36; Schmidt NStZ-RR 2002, 161).
19
An dieser Auffassung kann aber mit Blick auf die Einführung des § 129 b StGB durch das 34. StrÄndG vom 22. August 2002 nicht mehr festgehalten werden. Die hierdurch veränderte Rechtslage lässt vielmehr die Verfolgung eines Mitglieds oder Unterstützers einer ausländischen Vereinigung (auch) unter dem Gesichtspunkt der Mitgliedschaft in oder Unterstützung einer inländischen Teilorganisation nach §§ 129, 129 a StGB nur noch dann zu, wenn die inländische Teilorganisation unabhängig von der ausländischen Gesamtorganisation auch einen eigenen Willensbildungsprozess vollzieht, dem sich ihre Mitglieder unterwerfen. Dies ergibt sich aus Folgendem:
20
§ 129 b StGB erfasst - soweit hier von Belang - nunmehr jede Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung durch eine im Inland ausgeübte Tätigkeit. Auf das Vorhandensein von Organisationsstrukturen der Vereinigung im Inland kommt es dabei nicht an. Es ist gerade die für § 129 b Abs. 1 Satz 2 1. Alt. StGB typische Fallgestaltung, dass das Handeln des Täters im Inland bestimmt wird durch seine Einbindung in die ausländische Organisation und seine Unterwerfung unter die auf deren Ebene getroffenen Entscheidungen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob es bei isoliertem Handeln eines Einzelnen verbleibt oder ob die Vorgaben der Gesamtorganisation ein Zusammenwirken des Täters mit anderen Beteiligten im Inland bedingen, denn allein aus einer gemeinschaftlichen Beteiligungshandlung im Inland lässt sich das Bestehen einer gesonderten Vereinigung im Sinne der §§ 129, 129 a StGB nicht ableiten.
21
Bilden die im Inland handelnden Mitglieder einer ausländischen Vereinigung keinen eigenständigen Gesamtwillen, so weist die Tat auch keinen Unrechtsgehalt auf, der über den bereits von § 129 b Abs. 1 Satz 2 1. Alt. StGB erfassten hinausginge. Strafgrund der §§ 129 ff. StGB ist die erhöhte kriminelle Intensität, die in der Gründung oder Fortführung einer festgefügten Organisation ihren Ausdruck findet, die kraft der ihr innewohnenden Eigendynamik eine erhöhte Gefährlichkeit für wichtige Rechtsgüter der Gemeinschaft mit sich bringt (BGHSt 31, 202, 207). Diese für größere Personenzusammenschlüsse typische Eigendynamik hat ihre spezifische Gefährlichkeit darin, dass sie geeignet ist, dem einzelnen Beteiligten die Begehung von Straftaten zu erleichtern und bei ihm das Gefühl persönlicher Verantwortung zurückzudrängen (BGH NJW 1992, 1518). Ohne eine organisierte und auf Dauer angelegte Bildung eines Gesamtwillens , dem sich die einzelnen Mitglieder unter Zurückstellung ihrer individuellen Meinungen unterwerfen, kann sich eine solche Eigendynamik indes nicht entfalten (vgl. Miebach/Schäfer in MünchKomm-StGB § 129 Rdn. 4). Mangelt es der inländischen Gruppierung also an einer eigenständigen organisierten Willensbildung, so kann sie die bereits von der Gesamtorganisation ausgehende (abstrakte) Gefährdung der Allgemeinheit nicht noch weiter intensivieren.
22
Des weiteren knüpft § 129 b Abs. 1 Satz 2 und 3 StGB die Verfolgung der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union auch dann an eine Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und damit an eine besondere Prozessvoraussetzung (Krauß aaO Rdn. 31), wenn die Tat durch eine im Inland ausgeübte Tätigkeit begangen wird. Das Ermächtigungserfordernis dient der Wahrung der außenpolitischen Belange der Bundesrepublik Deutschland; so können gegen eine "undifferenzierte" Strafverfolgung dann durchgreifende Bedenken bestehen, wenn ein Prozess der Verständigung zwischen den Beteiligten an einem bewaffneten Konflikt im Ausland eingeleitet wurde (BTDrucks. 14/8893 S. 8). Es entspricht damit einer gesetzgeberischen Grundentscheidung , die Verfolgung einer Tat im Sinne des § 129 b Abs. 1 Satz 2 1. Alt. StGB von der Prüfung abhängig zu machen, ob solche Belange im Einzelfall berührt sein können. Diese würde umgangen, nähme man unter Verzicht auf das Merkmal der eigenständigen Willensbildung gleichzeitig eine inländische Vereinigung an.
23
cc) Der Beschuldigte ist dringend verdächtig, sich den LTTE als Mitglied angeschlossen zu haben.
24
(1) Der Beteiligung an einer ausländischen Vereinigung als Mitglied steht - anders als der Generalbundesanwalt nunmehr in der Erwiderung auf die Beschwerde meint - nicht entgegen, dass sich der Täter ausschließlich im Inland und damit außerhalb des unmittelbaren Betätigungsgebiets der Kernorganisation aufgehalten hat; in einem solchen Falle bedürfen nur die tatbestandlichen Voraussetzungen der Mitgliedschaft besonderer Prüfung (BGHSt 54, 69 = NJW 2009, 3448 Rdn. 128). Die mitgliedschaftliche Beteiligung setzt allgemein voraus , dass der Täter sich, getragen von beiderseitigem übereinstimmendem Willen und angelegt auf eine gewisse Dauer, in die Organisation eingliedert, sich ihrem Willen unterordnet und eine aktive Tätigkeit zur Förderung ihrer Ziele entfaltet (BGH aaO Rdn. 123). Nach den oben dargelegten Erkenntnissen sind diese Voraussetzungen gegeben, denn der Beschuldigte hat sich willentlich in die nach Deutschland hineinreichende Hierarchie der LTTE eingegliedert und dort die ihm von der Organisation zugedachten Funktionen übernommen.
25
(2) Zwar hat sich der Beschuldigte zur Mitarbeit bei den LTTE nur deshalb bereiterklärt, weil er die Entlassung seiner in Sri Lanka zwangsrekrutierten Schwester erreichen wollte. Es spricht aber nichts für eine solche Zwangslage des Beschuldigten, dass er sich ohne willentliche Übereinstimmung mit der Organisation lediglich dem autoritären Verlangen ihrer Verantwortlichen unterworfen hätte. Der Mitgliedschaft steht auch nicht entgegen, dass die Tätigkeit des Beschuldigten von untergeordneter Art blieb, denn er hat dennoch den Zusammenhalt der Organisation gestärkt und zur Verwirklichung ihrer Ziele beigetragen. Gleichwohl ist festzuhalten, dass beide Umstände die Tat in milderem Licht erscheinen lassen und die Straferwartung deutlich einschränken.
26
2. Es besteht der Haftgrund des § 112 Abs. 3 StPO. Nach den Umständen ist zu besorgen, dass ohne die Festnahme des Beschuldigten die Verfolgung der Tat gefährdet wäre. Trotz der eingeschränkten Straferwartung bleibt eine nicht unerhebliche Wahrscheinlichkeit, dass sich der Beschuldigte, auf freien Fuß gesetzt, dem weiteren Strafverfahren durch Ausreise entziehen wird.
Er ist srilankischer Staatsangehöriger, hat in Sri Lanka familiäre Bindungen und ist nur für einen von vornherein begrenzten Zeitraum in der Bundesrepublik Deutschland eingereist. Weniger einschneidende Maßnahmen können den Zweck der Untersuchungshaft nicht erreichen (§ 116 Abs. 1 StPO). Der Beschuldigte ist nach den vorliegenden Erkenntnissen eingebunden in die nach Deutschland hereinreichenden Strukturen der LTTE und verfügt so über ein Netzwerk von Unterstützern, das ihm auch entgegen möglichen Auflagen und Weisungen ein Untertauchen wesentlich erleichtert.
27
3. Die Fortdauer der Untersuchungshaft ist noch verhältnismäßig. Erteilt das Bundesministerium der Justiz die erforderliche Ermächtigung zur Strafverfolgung (nachfolgend 4.), wird das Verfahren indes, auch wegen der eingeschränkten Straferwartung, alsbald zum Abschluss zu bringen sein. Weitere Ermittlungsansätze, die zur Vertiefung des Tatvorwurfs gegen den Beschuldigten führen könnten, sind gegenwärtig nicht ersichtlich. Der Senat geht deshalb davon aus, dass die Anklage noch vor der Haftprüfung nach § 121 Abs. 1 StPO erhoben werden kann.
28
4. Der Anordnung der Untersuchungshaft steht nicht entgegen, dass das Bundesministerium der Justiz am 28. Oktober 2009 erklärt hat, die nach § 129 b Abs. 1 Satz 3 StGB erforderliche Ermächtigung zur Strafverfolgung nicht zu erteilen. Ein endgültiges Verfahrenshindernis ist damit nicht eingetreten, denn nach dem Wortlaut der Erklärung hat das Bundesministerium der Justiz auf eine Ermächtigung nicht verzichtet. Es ist lediglich davon ausgegangen, eine Strafverfolgung werde auch ohne Ermächtigung möglich sein.
29
Indes ist dem Bundesministerium der Justiz nunmehr gemäß § 130 StPO eine Erklärungsfrist zu setzen, denn der Haftbefehl lässt sich nach den bisherigen Ermittlungen ausschließlich auf den dringenden Verdacht der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung stützen. Insbesondere haben sich über das Organisationsdelikt hinaus keine Hinweise auf konkrete dem Beschuldigten zuzurechnende Ausführungstaten ergeben.
Sost-Scheible Pfister Mayer
33
c) Deutsches Strafrecht ist anwendbar. Im Fall 1 liegen die Voraussetzungen des § 129b Abs. 1 Satz 2 Variante 1 StGB vor, weil der Angeklagte (auch) im Inland mitgliedschaftlich aktiv war; ob die Anwendung der § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB daneben zusätzlich voraussetzt, dass der Geltungsbereich deutschen Strafrechts nach den §§ 3 ff. StGB eröffnet ist (hierzu unten), kann offen bleiben, weil es sich aufgrund des bestehenden inländischen Handlungsortes um eine Inlandstat (§§ 3, 9 Abs. 1 Variante 1 StGB) handelt. Für die Fälle 2 bis 180, in denen der Angeklagte als Ausländer ausschließlich im nichteuropäischen Ausland tätig war, gilt das Folgende:

(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.

(2) In den Fällen der §§ 129 und 129a, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 1, ist § 74a anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
AK 34/17
vom
17. August 2017
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung
ECLI:DE:BGH:2017:170817BAK34.17.1

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschuldigten und seiner Verteidiger am 17. August 2017 gemäß §§ 121, 122 StPO
beschlossen:
Der Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 26. Januar 2017 (6 ARs 1/17), neu gefasst durch die Beschlüsse vom 23. März 2017 und 6. Juli 2017, wird aufgehoben.
Der Beschuldigte ist in dieser Sache aus der Untersuchungshaft zu entlassen.

Gründe:

1
Der Beschuldigte ist aufgrund Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 26. Januar 2017 (6 ARs 1/17), geändert durch Beschlüsse vom 23. März 2017 und 6. Juli 2017, am 1. Februar 2017 festgenommen worden und befindet sich seither ununterbrochen in Untersuchungshaft.

I.

2
Gegenstand des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 26. Januar 2017 ist nach dessen zweimaliger Änderung allein noch der Vorwurf, der Beschuldigte habe den "Islamischen Staat Irak und Großsyrien" (ISIG) und damit eine Vereinigung im Ausland unterstützt, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB), Tot- schlag (§ 212 StGB) oder Kriegsverbrechen zu begehen (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5, § 129b Abs. 1 StGB).

II.

3
Die Prüfung, ob die Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus fortdauern darf (§§ 121, 122 StPO), führt zur Aufhebung des Haftbefehls, weil der Beschuldigte der ihm vorgeworfenen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung im Sinne des Haftbefehls nach derzeitigem Ermittlungsstand jedenfalls nicht dringend verdächtig im Sinne des § 112 Abs. 1 Satz 1 StPO ist.
4
1. Soweit dem Beschuldigten Tätigkeiten als Schleuser und Anwerber für den ISIG angelastet werden, umschreibt der Haftbefehl den Vorwurf nicht in ausreichendem Maße und genügt damit nicht den Anforderungen des § 114 Abs. 2 Nr. 2 StPO.
5
a) Nach dieser Vorschrift sind im Haftbefehl die Tat, deren der Beschuldigte dringend verdächtig ist, die gesetzlichen Merkmale der Straftat und die anzuwendenden Strafvorschriften anzuführen. Der strafrechtliche Vorwurf, der die Untersuchungshaft rechtfertigen soll, ist in ähnlicher Weise wie in der Anklageschrift (§ 200 Abs. 1 Satz 1 StPO) zu umschreiben. Dies bedeutet, dass der Tatvorgang als solcher in seiner bedeutsamen konkreten Erscheinungsform mitgeteilt werden muss (LR/Hilger, StPO, 26. Aufl., § 114 Rn. 9). Der Haftbefehl muss das ihm zugrundeliegende Geschehen nach Ort und Zeit, Art der Durchführung und sonstigen Umständen so genau bezeichnen, dass ein bestimmter Lebensvorgang erkennbar ist, dem der Beschuldigte den gegen ihn erhobenen Vorwurf einer Straftat entnehmen kann (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 114 Rn. 7 mwN). Zwar kann - soweit in einem frühen Stadium der Ermittlungen eine detaillierte Beschreibung der Taten noch nicht möglich ist - eine zusammenfassende Darstellung im Haftbefehl genügen. Im weiteren Verlauf ist die Tatschilderung dann aber der fortschreitenden Ermittlungslage anzupassen. Stets müssen bei der Umschreibung des historischen Vorgangs auch die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale aufscheinen. Es muss für jedes gesetzliche Tatbestandsmerkmal erkennbar sein, durch welchen Teil des Geschehens es erfüllt ist (vgl. KG, Beschluss vom 10. August 2016 - (5) 121 HEs 8/16 (14/16), juris Rn. 27; LR/Hilger aaO; Meyer-Goßner/Schmitt aaO; KK-Graf, StPO, 7. Aufl., § 114 Rn. 6). Verlangt ist somit die konkrete Beschreibung eines Lebenssachverhalts, der unter einen Straftatbestand subsumiert werden kann. Die Anforderungen an die Tatschilderung richten sich damit auch danach, welche Straftat dem Beschuldigten vorgeworfen wird.
6
Vorliegend wird dem Beschuldigten die Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung nach § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 StGB angelastet. Unter einem Unterstützen im Sinne dieser Vorschriften ist nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich jedes Tätigwerden eines Nichtmitgliedes zu verstehen, das die innere Organisation der Vereinigung und ihren Zusammenhalt unmittelbar fördert, die Realisierung der von ihr geplanten Straftaten - wenn auch nicht unbedingt maßgebend - erleichtert oder sich sonst auf deren Aktionsmöglichkeiten und Zwecksetzung in irgendeiner Weise positiv auswirkt und damit die ihr eigene Gefährlichkeit festigt (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, 117). Dies kann zum einen dadurch geschehen, dass ein Außenstehender mitgliedschaftliche Betätigungsakte eines Angehörigen der Vereinigung fördert; in diesem Sinne handelt es sich beim Unterstützen um eine zur Täterschaft verselbständigte Beihilfe zur Mitgliedschaft (vgl. etwa BGH, Urteil vom 3. Oktober 1979 - 3 StR 264/79, BGHSt 29, 99, 101). Zum anderen greift der Begriff des Unterstützens einer Vereinigung über ein im strengeren Sinne des § 27 Abs. 1 StGB auf die Förderung der Tätigkeit eines Vereinigungsmitglieds beschränktes Verständnis hinaus; denn er bezieht sich auch und - wie schon der Wortlaut des Gesetzes zeigt - sogar in erster Linie auf die Vereinigung als solche, ohne dass im konkreten Fall die Aktivität des Nichtmitgliedes zu einer einzelnen organisationsbezogenen Tätigkeit eines Organisationsmitgliedes hilfreich beitragen muss (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Mai 2007 - AK 6/07, BGHSt 51, 345, 350 f.; Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, 117 f.). Auch muss das Wirken des Nichtmitgliedes nicht zu einem von diesem erstrebten Erfolg führen; es genügt, wenn sein Tun für die Organisation objektiv nützlich ist, ohne dass ein messbarer Nutzen für diese eintritt (vgl. BGH, Urteile vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, 116; vom 25. Juli 1984 - 3 StR 62/84, BGHSt 33, 16, 17; vom 25. Januar 1984 - 3 StR 526/83, BGHSt 32, 243, 244). Erforderlich ist aber immer, dass das Nichtmitglied konkret eine Unterstützungsleistung für die Vereinigung erbringt. Dabei stehen die Handlungen, mit denen der Täter eine terroristische Vereinigung unterstützt, zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit. Denn anders als bei der mitgliedschaftlichen Betätigung an einer Vereinigung nach § 129a Abs. 1 Alternative 2 StGB, bei der wegen ihres Charakters als Organisationsdelikt mehrere Beteiligungsakte jedenfalls dann, wenn sie nicht ihrerseits einen weiteren Straftatbestand erfüllen, zu einer tatbestandlichen Handlungseinheit verknüpft werden (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juli 2015 - 3 StR 537/14, BGHSt 60, 308 ff.), kommt wegen der unterschiedlichen rechtlichen Struktur bei den Tatbestandsvarianten des Werbens und Unterstützens nach § 129a Abs. 5 StGB eine solche normativ vorgegebene pauschale Zusammenfassung mehrerer unterstützender Einzelakte nicht in Betracht. Bei mehrfachem Werben oder Unterstützen liegt vielmehr in der Regel Tatmehrheit vor (vgl. LK/Krauß, StGB, 12. Aufl., § 129 Rn. 193).
7
Daraus folgt als Anforderung an die Tatschilderung in diesen Fällen, dass es zur Beschreibung des Tatvorwurfs der Unterstützung einer terroristi- schen Vereinigung im Haftbefehl nicht ausreicht, dem Beschuldigten allgemein eine Tätigkeit etwa als "Rekruteur" anzulasten. Erforderlich ist vielmehr die Darlegung einer oder mehrerer Unterstützungshandlung(en), die - gegebenenfalls jede für sich - so konkret umschrieben sein muss (müssen), dass erkennbar ist, ob sie den Straftatbestand des § 129a Abs. 5 StGB erfüllt (erfüllen). Nur dann kann der Haftbefehl seinen Funktionen gerecht werden, zu denen nicht nur die Information des Beschuldigten zählt. Vielmehr ist es auch Aufgabe des Haftbefehls , dem Haftprüfungsgericht im Rahmen der besonderen Haftprüfung nach den §§ 121 ff. StPO mit Blick auf das Tatbestandsmerkmal "wegen derselben Tat" eine Kontrolle der Haftzeit zu ermöglichen (vgl. KG, aaO Rn. 8 ff.). Ob die Schwierigkeiten der Ermittlungen gerade wegen des im Haftbefehl enthaltenen Tatvorwurfs eine sechs Monate überdauernde Untersuchungshaft rechtfertigen, kann nur im Blick auf eine individuelle Beschreibung des Tatvorwurfs im Haftbefehl entschieden werden.
8
b) Hieran gemessen genügt der Haftbefehl des Oberlandesgerichts insoweit nicht den Anforderungen des § 114 Abs. 2 Nr. 2 StPO als er auf den dringenden Tatverdacht gestützt ist, der Beschuldigte habe seit August 2015 in Frankfurt am Main und an anderen Orten den ISIG unterstützt, indem er "u. a. als Schleuser und Anwerber für" diese Organisation tätig gewesen sei. Damit wird lediglich allgemein eine "Tätigkeit", nicht aber eine konkrete Handlung umschrieben , mit der der Beschuldigte den ISIG unterstützt haben soll. Die Schilderung einer konkreten Unterstützungshandlung findet sich auch im Folgenden im Haftbefehl nicht. Soweit im Zusammenhang mit der rechtlichen Bewertung des Vorwurfs und der Darlegung der vorläufigen Beweisergebnisse ein Behördenzeugnis des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 22. August 2016 zitiert wird, wonach der Beschuldigte die Reihen des IS in Syrien verlassen habe und sich nun in Deutschland aufhalte, wo er als Rekruteur und Schleuser für den IS tätig sei, wird auch hierin die Beschreibung konkreter einzelner Hand- lungen nicht erkennbar. Damit kann die Untersuchungshaft nicht auf den Vorwurf gestützt werden, der Beschuldigte habe während seines Aufenthaltes im Rhein-Main-Gebiet Aktivitäten entfaltet, um Mitglieder und Unterstützer für den IS zu gewinnen oder nach Deutschland einzuschleusen.
9
2. Dem Haftbefehl kann ansatzweise allenfalls insoweit eine den Anforderungen des § 114 Abs. 2 Nr. 2 StPO genügende Tatschilderung entnommen werden, als er bei der Aufzählung der gegen den Beschuldigten sprechenden Verdachtsgründe unter anderem anführt, dass dieser nach dem Ergebnis der Auswertung seines Mobiltelefons als Urheber gewaltverherrlichender Fotocollagen und aktives Mitglied bzw. Unterstützer einer Medien- und Cybereinheit des IS anzusehen sei. Ob die Unterstützung einer solchen Einheit des IS durch die Herstellung der Fotocollagen im Hinblick auf den eingangs formulierten Vorwurf , der Beschuldigte sei als Schleuser und Rekruteur für den IS tätig, überhaupt Gegenstand des Haftbefehls und ob dieser gegebenenfalls hinreichend konkret beschrieben ist, kann indes dahinstehen. Denn ein dringender Tatverdacht , der Beschuldigte habe eine ausländische terroristische Vereinigung bzw. die hierfür zuständigen Mitglieder durch digitale Bildbearbeitungen und -kompositionen in ihrer Propagandatätigkeit unterstützt, besteht in Anbetracht der sich aus den Sachakten ergebenden Beweislage nicht. Im Einzelnen:
10
a) Die bisherigen Ermittlungsergebnisse belegen zwar den Verdacht, dass der Beschuldigte Internetpräsentationen, mit denen für den IS geworben werden kann, vorbereitet hat. Eine Unterstützung der Vereinigung durch diese Handlungen, die die rechtlichen Voraussetzungen des § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB erfüllt, ist jedoch bisher nicht im Sinne eines dringenden Tatverdachts belegt.
11
Die Ermittlungen haben folgendes Ergebnis erbracht: Der Beschuldigte hatte, nachdem er erstmals 2003 nach Deutschland eingereist war und geheira- tet hatte, 2013 Deutschland wieder verlassen, kehrte aber 2015 zurück und lebte hier ohne festen Wohnsitz, wobei er bei unterschiedlichen Kontaktpersonen unterkam. Staatliche Leistungen nahm er nicht in Anspruch. Er verkehrte in islamistischen Kreisen. Insbesondere stand er - wie teilweise schon vor seiner Ausreise aus Deutschland im Jahr 2013 - nach seiner Wiedereinreise mit Personen in Kontakt, gegen die von Seiten der Staatsschutzbehörden wegen islamistischer Umtriebe ermittelt wird. Zu Einzelheiten kann auf den ersten Sachstandsbericht des Hessischen Landeskriminalamtes vom 23. Dezember 2016 verwiesen werden. Dass der Beschuldigte konkret dem IS zumindest befürwortend gegenübersteht, legen - neben dem Inhalt des oben genannten Behördenzeugnisses des Bundesamtes für Verfassungsschutz - die Angaben einer am 10. und 13. Oktober 2016 vernommenen VP des hessischen Landeskriminalamtes nahe, wonach der Beschuldigte beim IS eine "große Rolle" spielen soll und möglicherweise als Rekruteur und/oder Organisator des IS in Deutschland agiere, sowie die Aussagen der Zeugen K. sowie C. , dem gegenüber der Beschuldigte sich zu seinen Beziehungen zum IS bekannt hat. Am 15. August 2016 wurde der Beschuldigte aufgrund eines Auslieferungsersuchens Tunesiens in Haft genommen, wo er in Verdacht steht, an mehreren Terrorakten, unter anderem dem Anschlag auf das Bardo-Museum, beteiligt gewesen zu sein. Allerdings ist die Auslieferung nicht bewilligt und der Beschuldigte am 4. November 2016 aus der Auslieferungshaft entlassen worden.
12
Bei der Auswertung des bei der Festnahme des Beschuldigten im Auslieferungsverfahren sichergestellten Smartphones sind über 9.000 Bilddateien festgestellt worden, von denen eine Vielzahl einen Bezug zum IS aufweisen. Neben Bilddateien von Nachrichtentexten des ISIG bzw. IS auf offiziellen Medienportalen , die bis zur Verhaftung des Beschuldigten im August 2016 datieren und solchen, die Greueltaten des IS zum Gegenstand haben, sind dort auch Bildcollagen gefunden worden, bei denen Bilder um ein Logo des IS gruppiert und mit einem - arabischen - Text versehen sind. Aus dem Umstand, dass sich gleichzeitig noch unbearbeitete Ausgaben der in einer der Collagen verwendeten Bilder auf dem Smartphone befunden haben, die augenscheinlich als "Rohmaterialien" zur Erstellung der Bilder gedient haben, kann geschlossen werden, dass der Beschuldigte selbst der Urheber der Fotocollagen ist. Auch weitere auf dem Smartphone des Beschuldigten gespeicherte Bilddateien - insbesondere Bilder, die mit entsprechenden Programmen bearbeitet und oftmals beschriftet sind, wobei sie teilweise das Logo oder den Namen von Medienportalen des IS aufweisen - können mit der Gestaltung von Internetseiten des IS im Zusammenhang stehen.
13
b) Diese Ermittlungsergebnisse begründen indes nicht den dringenden Verdacht einer Straftat nach § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB.
14
Die oben dargelegte weite Begriffsbestimmung des Unterstützens im Sinne dieser Vorschrift darf nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht dahin missverstanden werden, dass jedes Handeln eines Nichtmitgliedes im Sinne der Vereinigung als tatbestandsmäßig einzustufen wäre, ohne dass es auf die konkreten Wirkungen seines Tuns ankäme. Insbesondere darf nicht aus dem Blick verloren werden, dass der Gesetzgeber mit dem 34. Strafrechtsänderungsgesetz (vom 22. August 2002, BGBI. I S. 3390) und dem Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung und zur Änderung anderer Gesetze (vom 22. Dezember 2003, BGBI. I S. 2836) die Strafbarkeit des propagandistischen Wirkens eines Nichtmitgliedes im Sinne der Vereinigung auf die Fälle des Werbens um Mitglieder oder Unterstützer für die Organisation beschränkt und das lediglich befürwortende Eintreten für eine terroristische Vereinigung, die Rechtfertigung ihrer Ziele oder der aus ihr heraus begangenen Straftaten straffrei gestellt hat.
Diese gesetzgeberische Grundentscheidung ist zu beachten. Es ist nicht zulässig , sie dadurch zu umgehen, dass propagandistisches Handeln eines Nichtmitgliedes , das sich nicht als Werben um Mitglieder oder Unterstützer für die Vereinigung darstellt, allein wegen der psychologischen Folgen, die es - insbesondere etwa im Falle der Rechtfertigung oder Verherrlichung von Gewalttaten der Organisation - auf die angesprochenen Adressatenkreise haben kann, als Unterstützen der Vereinigung eingestuft wird (BGH, Beschlüsse vom 20. September 2012 - 3 StR 314/12, StraFo 2013, 123, 124; vom 11. Juli 2013 - AK 1314 /13, BGHSt 58, 318, 322 ff.). Ein Unterstützen ist erst dann anzunehmen, wenn das ein bloßes Werben für die Vereinigung darstellende Handeln des Nichtmitgliedes im konkreten Einzelfall über die propagandistische Wirkung seines Tuns hinaus einen objektiv nützlichen Effekt für die mitgliedschaftliche Betätigung eines Angehörigen der Organisation bewirkt. Dies bedeutet, dass ein Außenstehender eine Vereinigung auch mit Tätigkeiten unterstützen kann, die sich der Sache nach als Förderung des Werbens für die Vereinigung durch ein Organisationsmitglied darstellen, auch wenn dessen Verhalten als bloße propagandistische Tätigkeit im Sinne einer reinen Sympathiewerbung anzusehen ist. Demgegenüber unterfällt die um Sympathie oder um Mitglieder oder Unterstützer werbende Tätigkeit eines Nichtmitgliedes dann nicht dem Tatbestandsmerkmal des Unterstützens im Sinne des § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB, wenn sie sich allgemein für die Organisation oder ihre Ziele einsetzt, ohne dabei die propagandistische Tätigkeit eines Vereinigungsmitglieds individuell zu fördern (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Juli 2013 - AK 13-14/13, BGHSt 58, 318, 322 ff. mwN).
15
c) Hiernach begründet das Ergebnis der bisherigen Ermittlungen nicht den dringenden Verdacht des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung durch den Beschuldigten. Dass dieser Bildcollagen und andere Bildbearbeitungen für die Einstellung von Dateien in Internetforen herstellte, um möglicher- weise um Sympathie für den IS zu werben, erfüllt den Tatbestand des § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB nach dem dargelegten Maßstab nicht. Erforderlich wäre vielmehr, dass er mit seinen der Propaganda dienenden Vorbereitungshandlungen Mitglieder der Vereinigung individuell in ihrer medialen Tätigkeit für den IS gefördert hätte, indem er etwa seine Bilddateien in Absprache mit diesen veröffentlicht oder Mitgliedern der auf die Propagandatätigkeit ausgerichteten Abteilung des IS zu Veröffentlichungszwecken zur Verfügung gestellt hätte. Solche Verdachtsgründe ergeben die bisherigen Ermittlungen - auch unter Berücksichtigung der Vielzahl der Bilddateien, des mutmaßlichen Näheverhältnisses des Beschuldigten zu der Vereinigung und seiner Sympathie für den IS - nicht.
16
3. Weitere Unterstützungshandlungen schildert der Haftbefehl nicht. Der Senat kann deshalb nach dessen Erlass erlangte Ermittlungsergebnisse zu möglichen anderen Taten im Rahmen der von §§ 121, 122 StPO geforderten Prüfung nicht berücksichtigen. Prüfungsgegenstand im Haftprüfungsverfahren ist nur der nach § 122 Abs. 1 StPO vorgelegte Haftbefehl (KK-Schultheis, StPO, 7. Aufl., § 121 Rn. 24). Ergeben die weiteren Ermittlungen zusätzliche Taten des Beschuldigten, die keine Aufnahme in den Haftbefehl gefunden haben , so dürfen sie in einem Haftfortdauerbeschluss gemäß §§ 121, 122 StPO nur berücksichtigt werden, wenn der Haftbefehl angepasst und der erweiterte Haftbefehl gemäß § 115 StPO verkündet worden ist. Somit ist es für die Entscheidung des Senats etwa ohne Belang, ob tatsächlich ein dringender Tatverdacht besteht, dass der Beschuldigte an einem Propagandafilm des IS im Irak mitgewirkt hat.
17
Nach alledem war der Haftbefehl aufzuheben.
Becker Spaniol Berg

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.

(2) In den Fällen der §§ 129 und 129a, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 1, ist § 74a anzuwenden.

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

(1) Wer anders als durch Freisetzen von Kernenergie, namentlich durch Sprengstoff, eine Explosion herbeiführt und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) Verursacht der Täter durch die Tat eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen, so ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat wenigstens leichtfertig den Tod eines anderen Menschen, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(6) Wer in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Wer einen anderen zu bestimmen versucht, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften, wird nach den Vorschriften über den Versuch des Verbrechens bestraft. Jedoch ist die Strafe nach § 49 Abs. 1 zu mildern. § 23 Abs. 3 gilt entsprechend.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sich bereit erklärt, wer das Erbieten eines anderen annimmt oder wer mit einem anderen verabredet, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften.

BGHSt: ja
BGHR: ja
______________________
Glaubt der Anstifter, sein objektiv fehlgeschlagener Bestimmungsversuch sei gelungen
, so richtet sich sein Rücktritt vom Versuch der Beteiligung nach § 31 Abs. 2 Alt.
1 StGB. Ein ernsthaftes Bemühen, den Erfolg zu verhindern, liegt nur vor, wenn der
Anstifter alle Kräfte anspannt, um den vermeintlichen Tatentschluß des präsumtiven
Täters rückgängig zu machen, und er dadurch die aus seiner Sicht bestehende Gefahr
beseitigt, daß der Angestiftete die Tat begeht.
BGH, Urteil vom 14. Juni 2005 - 1 StR 503/04 - LG Regensburg

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 503/04
vom
14. Juni 2005
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter Anstiftung zum Mord
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 14. Juni 2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landge - richts Regensburg vom 7. Juli 2004 wird verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen .

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Anstiftung zum Mord zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.

I.


1. Der Angeklagte sah sich finanziellen Forderungen seiner geschiedenen Ehefrau ausgesetzt. Er ging davon aus, daß deren Lebensgefährte die treibende Kraft hinter diesen Forderungen war. Deshalb entschloß er sich, den Lebensgefährten durch einen Auftragsmörder töten zu lassen. Durch Vermittlung eines Freundes kam er in Kontakt mit einem nicht offen ermittelnden Polizeibeamten mit dem Decknamen „N. “, der sich als vermeintlicher Auftragsmörder ausgab.
Bei dem ersten Treffen mit „N. “ am 30. März 2004 äußerte der Angeklagte, es gehe um die „Vollentsorgung“ dieses Lebensgefährten, der für immer spurlos verschwinden müsse. Eine „Vertreibung“ allein reiche nicht. Der Angeklagte unterrichtete „N. “ im einzelnen über die von ihm ins Auge gefaßte Vorgehensweise bei der Tötung. Derzeit sei die Gelegenheit zur Tatausführung günstig. Der Lebensgefährte sei regelmäßig alleine im Haus, weil die geschiedene Ehefrau ihren Vater im Krankenhaus besuche. Auf Frage von „N. “, wie es mit der Bezahlung sei, händigte der Angeklagte diesem 4.000 Euro als Anzahlung aus und versprach, weitere 8.000 Euro nach dem Verschwinden des Lebensgefährten zu zahlen. „N. “ gab daraufhin vor, zur Tatausführung bereit zu sein. Allerdings benötige er zur Tatausführung noch genauere Informationen zur Identifizierung des Hauses des Lebensgefährten. Deswegen bot der Angeklagte „N. “ an, ihm bei einem weiteren Treffen am übernächsten Tag das Wohnhaus zu zeigen.
Bei diesem zweiten Treffen äußerte der Angeklagte, es sei eine Änderung eingetreten. Er habe ein Schreiben des Rechtsanwalts seiner geschiedenen Ehefrau erhalten. Die dort genannte finanzielle Forderung könne er akzeptieren , und er wolle dies zunächst so regeln. Falls dies aber nicht funktionieren würde, solle die besprochene Sache „durchgezogen“ werden. Aus diesem Grund ging er auf den Vorschlag „N. s“ ein, ihm trotzdem das Haus zu zeigen , um den Auftrag dann bei Bedarf durchführen zu können. Während der Fahrt zum Haus äußerte der Angeklagte, er selbst glaube nicht so recht daran, daß sich seine geschiedene Ehefrau an die Erklärung im Anwaltsschreiben halten würde. Deswegen könne „N. “ auch die Anzahlung behalten. Er solle ihn alle zwei Monate anrufen, und er sage ihm dann, ob der Auftrag durchgeführt werden solle. Falls es zu keiner einvernehmlichen Regelung komme, sei
es wohl schwierig, den Lebensgefährten seiner geschiedenen Ehefrau alleine im Haus anzutreffen, weil deren Vater dann nicht mehr im Krankenhaus liege. Er könne diese aber aus der Wohnung locken, so daß der Auftrag dann ausgeführt werden könne.
Nachdem der Angeklagte das Haus gezeigt, den Wohnungseingang beschrieben und den Namen des Lebensgefährten genannt hatte, äußerte „N. “, es sei zu gefährlich, an dieser Stelle zu schießen. Der Angeklagte erwiderte, man brauche einen Schalldämpfer. Außerdem schlug er vor, den Lebensgefährten könne man mit einem Medikament willenlos machen und so aus der Wohnung bringen. Das solle „N. “ letztlich selbst entscheiden. Bei der Verabschiedung sagte der Angeklagte, er würde sich melden, wenn die Sache anstehe. Der Angeklagte wurde am 23. April 2004 festgenommen. Bis dahin hatte er sich bei „N. “ nicht mehr gemeldet.
2. Das Landgericht ist davon überzeugt, daß der Angeklag te bei seinem zweiten Treffen das Vorhaben, den Lebensgefährten töten zu lassen, nicht endgültig aufgegeben, sondern weiter daran festgehalten habe. Den Mordauftrag habe er aufgrund des Anwaltsschreibens deshalb nur vorläufig zurückgestellt. Die Zurückstellung habe er davon abhängig gemacht, daß er sich mit seiner Frau einigen könne. Hätte der Angeklagte bei einem Scheitern der Einigung den Mordauftrag erteilt, wäre dies keine neuerliche versuchte Anstiftung zum Mord gewesen; vielmehr hätte nur eine Tat im Rechtssinne vorgelegen. Deshalb sei er von der versuchten Mordanstiftung nicht nach „§ 31 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StGB“ strafbefreiend zurückgetreten.

II.


Die Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler ergeben. Der Erörterung bedarf nur folgendes:
Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen scheidet ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch der Anstiftung zum Mord aus.
1. Der Angeklagte hat nach seiner Vorstellung den präsumtiven Täter bereits beim ersten Treffen dazu bestimmt, einen Mord aus Habgier zu begehen. Der Versuch der Anstiftung war daher „erfolgreich“. Beide haben die Tat beim zweiten Treffen, welches mit dem ersten Treffen in einem engen zeitlichen Zusammenhang stand, weiter konkretisiert und zwar auch schon für den Fall, daß die Einigung mit der geschiedenen Frau scheitern würde. Das Tatopfer war individualisiert und die Modalitäten der Tatausführung waren abgesprochen , wobei der präsumtive Täter insoweit die näheren Einzelheiten selbst festlegen sollte. Die Tat war so weit konkretisiert, daß sie der Angestiftete hätte begehen können, wenn er dies gewollt hätte (vgl. BGHR StGB § 30 Abs. 1 Satz 1 Bestimmen 3 und 4).
Die Bestimmung des nicht offen ermittelnden Polizeibeamten als präsumtiver Täter war allerdings – was der Angeklagte nicht wußte – objektiv fehlgeschlagen. Die Frage, nach welchen Regeln bei dieser Fallgestaltung ein strafbefreiender Rücktritt in Betracht kommt, ist von der höchstrichterlichen Rechtsprechung bislang nicht ausdrücklich (vgl. BGH StV 1999, 596) entschieden worden. In diesem Fall beurteilt sich der Rücktritt allein nach § 31 Abs. 2
Alt. 1 StGB, denn die Tat ist „ohne Zutun“ des Angeklagten unterblieben (vgl. Roxin in LK 11. Aufl. § 31 Rdn. 27).
2. Der Angeklagte hat danach keine Straffreiheit erlangt, weil er sich nicht freiwillig und ernsthaft bemüht hat, die Tat zu verhindern.

a) Den Entschluß, den Lebensgefährten töten zu lassen, hat der Angeklagte nicht aufgegeben. Zwar hat er beim zweiten Treffen die zuvor schon getroffene Entscheidung, daß der Auftrag durchgeführt werden solle, vorläufig zurückgestellt. Damit hat er seine Entscheidung, die Tat ausführen zu lassen – wovon sich das Landgericht überzeugt hat – nur aufgeschoben, weil „er selbst … nicht so recht daran glaube, daß sich seine geschiedene Ehefrau daran halten würde“. Deshalb legte der Angeklagte die Tatmodalitäten auch schon für den Fall des Scheiterns einer Einigung fest und zeigte „N. “ das Haus des Lebensgefährten. Vor allem beließ er deswegen dem aus seiner Sicht weiter zur Tat entschlossenen präsumtiven Täter die Anzahlung und legte Wert darauf, mit diesem weiter in Kontakt zu bleiben. Insofern unterscheidet sich dieser Sachverhalt von der Fallgestaltung in BGHR StGB § 30 Beteiligung 1, wo der Angeklagte den Täter aus seiner Sicht noch nicht zur Tat bestimmt hatte und er deshalb bemüht war, „noch alles in der Schwebe zu lassen“.

b) Hätte der – nach der Vorstellung des Angeklagten – nach wie vor zur Tatausführung entschlossene „N. “ nach einer erneuten Aufforderung die Tat begangen, so wäre diese Tat mit derjenigen identisch (§ 264 StPO) gewesen, zu der der Angeklagte ihn zuvor schon bestimmt hatte. Tatidentität hätte auch dann vorgelegen, wenn zwischen Treffen und Tatausführung längere Zeit verstrichen wäre oder wenn - dadurch bedingt - die Tatausführung hätte modifi-
ziert werden müssen. Für diese Fallgestaltung waren nämlich schon beim zweiten Treffen Abreden getroffen worden. Insofern können die Grundsätze für die Tatidentität beim Rücktritt nach § 24 StGB (vgl. BGHSt 41, 368: mehrfaches Ansetzen zur Tatvollendung mit zeitlicher Zäsur) hier nicht in gleicher Weise Geltung beanspruchen. Das Zeitmoment beim Rücktritt vom Versuch nach § 24 StGB hat seinen Grund in der Begriffsbestimmung des Versuchs, der voraussetzt , daß zur Verwirklichung des Tatbestands unmittelbar angesetzt wird (§ 22 StGB). Die versuchte Anstiftung zum Verbrechen ist hingegen dadurch gekennzeichnet , daß die Tatausführung selbst noch nicht unmittelbar bevorsteht, sondern sich noch im Vorbereitungsstadium befindet. Das gilt auch dann, wenn – wie hier – aus der Sicht des Anstifters der Bestimmungsversuch bereits erfolgreich war.

c) Hinsichtlich des Rücktritts des Anstifters bei einem tatsächlich zur Tat entschlossenen Angestifteten gilt: Wer einen anderen zur Begehung eines Verbrechens auffordert, setzt damit in jedem Falle Kräfte in Richtung auf das angegriffene Rechtsgut in Bewegung, über die er nicht mehr die volle Herrschaft behält (BGHSt 1, 305, 309). Die Gefahr der Tatbegehung besteht erst recht, wenn der Bestimmungsversuch erfolgreich war. Will der Anstifter diesen Erfolg verhindern, muß er alle Kräfte anspannen, um die Tat abzuwenden (BayObLG JR 1961, 269, 270). Er muß das aus seiner Sicht Notwendige und Mögliche vollständig tun; es reicht nicht aus, daß er nur die Wirkung seiner Beeinflussung zeitweise unschädlich macht (BayObLG aaO; Roxin aaO § 31 Rdn. 26). Insbesondere liegt ein ernsthaftes Bemühen, den Erfolg zu verhindern , nur vor, wenn der Anstifter alle Kräfte anspannt, um den Tatentschluß des Angestifteten rückgängig zu machen und er dadurch die Gefahr beseitigt, daß dieser die Tat begeht. Diese Grundsätze gelten entsprechend, wenn – wie
hier – der Anstifter nur glaubt, einen anderen erfolgreich zur Tatbegehung bestimmt zu haben, dieser aber nicht wirklich tatbereit ist.
Derartige Bemühungen hat der Angeklagte nicht entfaltet. Er beließ dem vermeintlich weiterhin fest zur Tatausführung entschlossenen Angestifteten die Anzahlung. Da dieser nach der Vorstellung des Angeklagten aus Habgier handelte , mußte er damit rechnen, daß der Angestiftete aufgrund seines fortbestehenden Tatentschlusses weiterhin nachhaltig an der Ausführung des Auftrages interessiert war. Es bestand insbesondere die Gefahr, daß der Angestiftete sich die restliche Entlohnung verdienen wollte und deshalb die Tat eigenmächtig ausführen oder den Angeklagten unter Zugzwang setzen würde. Aus Sicht des Angeklagten war deshalb die von ihm hervorgerufene Gefahr der Tatbegehung nicht abgewendet. Ernsthafte Rücktrittsbemühungen liegen danach nicht vor.
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(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.

(2) In den Fällen der §§ 129 und 129a, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 1, ist § 74a anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 537/14
vom
9. Juli 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2015:090715B3STR537.14.1

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 9. Juli 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 27. Januar 2014, soweit es ihn betrifft, mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Fall B.VIII. der Urteilsgründe sowie
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an das Amtsgericht Wipperfürth - Strafrichter - zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten - unter Freispruch im Übrigen - wegen Körperverletzung (Fall B.VII. 10. der Urteilsgründe) sowie wegen versuchter Körperverletzung in Tateinheit mit Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (Fall B.VIII. der Urteilsgründe) zu der Gesamt- geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 25 € verurteilt. Die auf die Rüge der Ver- letzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts rief der Angeklagte am 1. Mai 2011 zwischen 3.00 und 4.00 Uhr auf einer Maifeier in R. lauthals "Sieg Heil". Als ihn ein Besucher deswegen zur Rede stellen wollte, wiederholte er den Ausruf und "schlug dem Zeugen mit der flachen Hand die Brille aus dem Gesicht, ohne ihm dabei Schmerzen zuzufügen oder die Brille zu beschädigen". Anschließend entfernte sich der Angeklagte (Fall B.VIII. der Urteilsgründe).
3
Am 25. November 2011 kam es in W. außerhalb eines Schnellrestaurants zu einer Schlägerei, weswegen der Filialleiter die Polizei informierte. Als er bemerkte, dass die Kämpfenden den Ort des Geschehens verließen, hielt er den sich ebenfalls entfernenden Angeklagten, der in die Filiale gekommen war und zu einer der Gruppe der Kämpfenden gehörte, am Arm fest, um einen Zeugen vor Ort zu haben. Der Angeklagte riss sich los und rannte zur Tür. Als der Filialleiter ihm folgte, drehte sich der Angeklagte um, versetzte ihm einen Schlag mit der Faust ins Gesicht und floh anschließend vom Tatort (Fall B.VII. 10. der Urteilsgründe).
4
2. Die Verurteilung wegen Körperverletzung hinsichtlich des unter B.VII. 10. der Urteilsgründe geschilderten Sachverhalts hat Bestand. Soweit die Revision geltend macht, das Landgericht hätte eine Rechtfertigung des Angeklagten durch Notwehr erörtern müssen, ergeben die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen , dass der Faustschlag des sich ohnehin im Gehen befindlichen Angeklagten jedenfalls nicht erforderlich im Sinne des § 32 Abs. 2 StGB war.
5
3. Demgegenüber wird der Schuldspruch wegen versuchter Körperverletzung hinsichtlich des Geschehens vom 1. Mai 2011 von den Feststellungen nicht getragen. Insofern fehlt es an Ausführungen zur subjektiven Tatseite des Angeklagten. Es mag zwar naheliegen, dass dessen Angriff nicht ausschließlich der Brille, sondern auch der körperlichen Integrität des Geschädigten galt oder dass der Angeklagte jedenfalls die Möglichkeit erkannte, diesen durch sein Vorgehen zu verletzen und dies billigend in Kauf nahm. Dies festzustellen ist indes Sache des Tatrichters. Darüber hinaus verhält sich das Urteil nicht zum Vorstellungsbild des Angeklagten unmittelbar nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung, welches für die Beurteilung maßgeblich ist, ob der Angeklagte gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB von einem etwaigen Versuch strafbefreiend zurückgetreten ist (vgl. zum Rücktrittshorizont BGH, Urteil vom 2. November 1994 - 2 StR 449/94, BGHSt 40, 304, 305 f.).
6
Die deshalb gebotene Aufhebung des Urteils umfasst auch das in Tateinheit zur versuchten Körperverletzung stehende, für sich betrachtet rechtsfehlerfrei festgestellte Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (vgl. KK-Gericke, StPO, 7. Aufl., § 353 Rn. 12 mwN). Der Wegfall der Einzelstrafe zieht die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe nach sich.
7
Nach Ausscheiden des die Zuständigkeit des Landgerichts begründenden Vorwurfs der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung gemäß § 129 Abs. 1 Var. 2 StGB verweist der Senat das Verfahren im Umfang der Aufhebung an das für das Geschehen in R. örtlich zuständige Amtsgerichts Wipperfürth - Strafrichter - zurück (§ 354 Abs. 3 StPO).
8
4. Darüber hinaus stellt der Senat klar, dass entgegen den Ausführungen in den schriftlichen Urteilsgründen des Landgerichts für einen Freispruch des Angeklagten vom Vorwurf der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und vom Vorwurf des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (Nr. 1 (12) der Anklage) kein Raum war, und sich dementsprechend der ausgeurteilte Teilfreispruch hierauf nicht erstreckt.
9
Allerdings war die Anklage mit Blick auf das Geschehen vom 1. Mai 2011 von zwei Taten (§ 53 StGB) - dem ersten Ruf "Sieg Heil" auf der einen, dem zweiten Ruf sowie dem Schlag gegen die Brille auf der anderen Seite - ausgegangen. In diesen Fällen ist ein Freispruch auch dann angezeigt, wenn das tatmehrheitlich angeklagte, indes nicht als erwiesen angesehene Geschehen mit dem abgeurteilten Teil eine natürliche Handlungseinheit bilden würde (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 260 Rn. 13 mwN). Dies gilt jedoch nicht, wenn - wie vorliegend - das gesamte angeklagte Geschehen abgeurteilt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2012 - 3 StR 220/12, NStZ-RR 2013, 6, 7). Denn in diesen Fällen ist für eine weitere materiellrechtliche Tat, die Gegenstand eines Freispruchs sein könnte, kein Raum mehr.
10
Ein Freispruch unterbleibt des Weiteren, wenn nicht wegen aller Taten verurteilt wird, die nach dem Eröffnungsbeschluss in Tateinheit zueinander stehen (BGH, Urteil vom 22. Mai 1984 - 5 StR 270/84, NStZ 1985, 13, 15 f. bei Pfeiffer/Miebach). Deswegen kam ein Freispruch vom Vorwurf der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, der als in Tateinheit zu der Körperverletzung vom 25. November 2011 stehend angeklagt worden war, nicht in Betracht.
Becker Pfister Mayer Gericke Spaniol

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3), der geeignet ist, als Anleitung zu einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 89a Abs. 1) zu dienen, anpreist oder einer anderen Person zugänglich macht, wenn die Umstände seiner Verbreitung geeignet sind, die Bereitschaft anderer zu fördern oder zu wecken, eine schwere staatsgefährdende Gewalttat zu begehen,
2.
sich einen Inhalt der in Nummer 1 bezeichneten Art verschafft, um eine schwere staatsgefährdende Gewalttat zu begehen.

(2) Absatz 1 Nr. 1 ist nicht anzuwenden, wenn

1.
die Handlung der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst und Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient oder
2.
die Handlung ausschließlich der Erfüllung rechtmäßiger beruflicher oder dienstlicher Pflichten dient.

(3) Ist die Schuld gering, so kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen.

(1) Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
Angehöriger:wer zu den folgenden Personen gehört:
a)
Verwandte und Verschwägerte gerader Linie, der Ehegatte, der Lebenspartner, der Verlobte, Geschwister, Ehegatten oder Lebenspartner der Geschwister, Geschwister der Ehegatten oder Lebenspartner, und zwar auch dann, wenn die Ehe oder die Lebenspartnerschaft, welche die Beziehung begründet hat, nicht mehr besteht oder wenn die Verwandtschaft oder Schwägerschaft erloschen ist,
b)
Pflegeeltern und Pflegekinder;
2.
Amtsträger:wer nach deutschem Recht
a)
Beamter oder Richter ist,
b)
in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis steht oder
c)
sonst dazu bestellt ist, bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung unbeschadet der zur Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform wahrzunehmen;
2a.
Europäischer Amtsträger:wer
a)
Mitglied der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank, des Rechnungshofs oder eines Gerichts der Europäischen Union ist,
b)
Beamter oder sonstiger Bediensteter der Europäischen Union oder einer auf der Grundlage des Rechts der Europäischen Union geschaffenen Einrichtung ist oder
c)
mit der Wahrnehmung von Aufgaben der Europäischen Union oder von Aufgaben einer auf der Grundlage des Rechts der Europäischen Union geschaffenen Einrichtung beauftragt ist;
3.
Richter:wer nach deutschem Recht Berufsrichter oder ehrenamtlicher Richter ist;
4.
für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter:wer, ohne Amtsträger zu sein,
a)
bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, oder
b)
bei einem Verband oder sonstigen Zusammenschluß, Betrieb oder Unternehmen, die für eine Behörde oder für eine sonstige Stelle Aufgaben der öffentlichen Verwaltung ausführen,
beschäftigt oder für sie tätig und auf die gewissenhafte Erfüllung seiner Obliegenheiten auf Grund eines Gesetzes förmlich verpflichtet ist;
5.
rechtswidrige Tat:nur eine solche, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht;
6.
Unternehmen einer Tat:deren Versuch und deren Vollendung;
7.
Behörde:auch ein Gericht;
8.
Maßnahme:jede Maßregel der Besserung und Sicherung, die Einziehung und die Unbrauchbarmachung;
9.
Entgelt:jede in einem Vermögensvorteil bestehende Gegenleistung.

(2) Vorsätzlich im Sinne dieses Gesetzes ist eine Tat auch dann, wenn sie einen gesetzlichen Tatbestand verwirklicht, der hinsichtlich der Handlung Vorsatz voraussetzt, hinsichtlich einer dadurch verursachten besonderen Folge jedoch Fahrlässigkeit ausreichen läßt.

(3) Inhalte im Sinne der Vorschriften, die auf diesen Absatz verweisen, sind solche, die in Schriften, auf Ton- oder Bildträgern, in Datenspeichern, Abbildungen oder anderen Verkörperungen enthalten sind oder auch unabhängig von einer Speicherung mittels Informations- oder Kommunikationstechnik übertragen werden.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3), der geeignet ist, als Anleitung zu einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 89a Abs. 1) zu dienen, anpreist oder einer anderen Person zugänglich macht, wenn die Umstände seiner Verbreitung geeignet sind, die Bereitschaft anderer zu fördern oder zu wecken, eine schwere staatsgefährdende Gewalttat zu begehen,
2.
sich einen Inhalt der in Nummer 1 bezeichneten Art verschafft, um eine schwere staatsgefährdende Gewalttat zu begehen.

(2) Absatz 1 Nr. 1 ist nicht anzuwenden, wenn

1.
die Handlung der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst und Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient oder
2.
die Handlung ausschließlich der Erfüllung rechtmäßiger beruflicher oder dienstlicher Pflichten dient.

(3) Ist die Schuld gering, so kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 537/14
vom
9. Juli 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2015:090715B3STR537.14.1

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 9. Juli 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 27. Januar 2014, soweit es ihn betrifft, mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Fall B.VIII. der Urteilsgründe sowie
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an das Amtsgericht Wipperfürth - Strafrichter - zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten - unter Freispruch im Übrigen - wegen Körperverletzung (Fall B.VII. 10. der Urteilsgründe) sowie wegen versuchter Körperverletzung in Tateinheit mit Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (Fall B.VIII. der Urteilsgründe) zu der Gesamt- geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 25 € verurteilt. Die auf die Rüge der Ver- letzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts rief der Angeklagte am 1. Mai 2011 zwischen 3.00 und 4.00 Uhr auf einer Maifeier in R. lauthals "Sieg Heil". Als ihn ein Besucher deswegen zur Rede stellen wollte, wiederholte er den Ausruf und "schlug dem Zeugen mit der flachen Hand die Brille aus dem Gesicht, ohne ihm dabei Schmerzen zuzufügen oder die Brille zu beschädigen". Anschließend entfernte sich der Angeklagte (Fall B.VIII. der Urteilsgründe).
3
Am 25. November 2011 kam es in W. außerhalb eines Schnellrestaurants zu einer Schlägerei, weswegen der Filialleiter die Polizei informierte. Als er bemerkte, dass die Kämpfenden den Ort des Geschehens verließen, hielt er den sich ebenfalls entfernenden Angeklagten, der in die Filiale gekommen war und zu einer der Gruppe der Kämpfenden gehörte, am Arm fest, um einen Zeugen vor Ort zu haben. Der Angeklagte riss sich los und rannte zur Tür. Als der Filialleiter ihm folgte, drehte sich der Angeklagte um, versetzte ihm einen Schlag mit der Faust ins Gesicht und floh anschließend vom Tatort (Fall B.VII. 10. der Urteilsgründe).
4
2. Die Verurteilung wegen Körperverletzung hinsichtlich des unter B.VII. 10. der Urteilsgründe geschilderten Sachverhalts hat Bestand. Soweit die Revision geltend macht, das Landgericht hätte eine Rechtfertigung des Angeklagten durch Notwehr erörtern müssen, ergeben die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen , dass der Faustschlag des sich ohnehin im Gehen befindlichen Angeklagten jedenfalls nicht erforderlich im Sinne des § 32 Abs. 2 StGB war.
5
3. Demgegenüber wird der Schuldspruch wegen versuchter Körperverletzung hinsichtlich des Geschehens vom 1. Mai 2011 von den Feststellungen nicht getragen. Insofern fehlt es an Ausführungen zur subjektiven Tatseite des Angeklagten. Es mag zwar naheliegen, dass dessen Angriff nicht ausschließlich der Brille, sondern auch der körperlichen Integrität des Geschädigten galt oder dass der Angeklagte jedenfalls die Möglichkeit erkannte, diesen durch sein Vorgehen zu verletzen und dies billigend in Kauf nahm. Dies festzustellen ist indes Sache des Tatrichters. Darüber hinaus verhält sich das Urteil nicht zum Vorstellungsbild des Angeklagten unmittelbar nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung, welches für die Beurteilung maßgeblich ist, ob der Angeklagte gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB von einem etwaigen Versuch strafbefreiend zurückgetreten ist (vgl. zum Rücktrittshorizont BGH, Urteil vom 2. November 1994 - 2 StR 449/94, BGHSt 40, 304, 305 f.).
6
Die deshalb gebotene Aufhebung des Urteils umfasst auch das in Tateinheit zur versuchten Körperverletzung stehende, für sich betrachtet rechtsfehlerfrei festgestellte Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (vgl. KK-Gericke, StPO, 7. Aufl., § 353 Rn. 12 mwN). Der Wegfall der Einzelstrafe zieht die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe nach sich.
7
Nach Ausscheiden des die Zuständigkeit des Landgerichts begründenden Vorwurfs der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung gemäß § 129 Abs. 1 Var. 2 StGB verweist der Senat das Verfahren im Umfang der Aufhebung an das für das Geschehen in R. örtlich zuständige Amtsgerichts Wipperfürth - Strafrichter - zurück (§ 354 Abs. 3 StPO).
8
4. Darüber hinaus stellt der Senat klar, dass entgegen den Ausführungen in den schriftlichen Urteilsgründen des Landgerichts für einen Freispruch des Angeklagten vom Vorwurf der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und vom Vorwurf des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (Nr. 1 (12) der Anklage) kein Raum war, und sich dementsprechend der ausgeurteilte Teilfreispruch hierauf nicht erstreckt.
9
Allerdings war die Anklage mit Blick auf das Geschehen vom 1. Mai 2011 von zwei Taten (§ 53 StGB) - dem ersten Ruf "Sieg Heil" auf der einen, dem zweiten Ruf sowie dem Schlag gegen die Brille auf der anderen Seite - ausgegangen. In diesen Fällen ist ein Freispruch auch dann angezeigt, wenn das tatmehrheitlich angeklagte, indes nicht als erwiesen angesehene Geschehen mit dem abgeurteilten Teil eine natürliche Handlungseinheit bilden würde (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 260 Rn. 13 mwN). Dies gilt jedoch nicht, wenn - wie vorliegend - das gesamte angeklagte Geschehen abgeurteilt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2012 - 3 StR 220/12, NStZ-RR 2013, 6, 7). Denn in diesen Fällen ist für eine weitere materiellrechtliche Tat, die Gegenstand eines Freispruchs sein könnte, kein Raum mehr.
10
Ein Freispruch unterbleibt des Weiteren, wenn nicht wegen aller Taten verurteilt wird, die nach dem Eröffnungsbeschluss in Tateinheit zueinander stehen (BGH, Urteil vom 22. Mai 1984 - 5 StR 270/84, NStZ 1985, 13, 15 f. bei Pfeiffer/Miebach). Deswegen kam ein Freispruch vom Vorwurf der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, der als in Tateinheit zu der Körperverletzung vom 25. November 2011 stehend angeklagt worden war, nicht in Betracht.
Becker Pfister Mayer Gericke Spaniol

(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,

1.
einen der in § 125a Satz 2 Nr. 1 bis 4 bezeichneten Fälle des Landfriedensbruchs,
2.
eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung in den Fällen des § 177 Absatz 4 bis 8 oder des § 178,
3.
einen Mord (§ 211), Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder ein Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder 12 des Völkerstrafgesetzbuches),
4.
eine gefährliche Körperverletzung (§ 224) oder eine schwere Körperverletzung (§ 226),
5.
eine Straftat gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 232 Absatz 3 Satz 2, des § 232a Absatz 3, 4 oder 5, des § 232b Absatz 3 oder 4, des § 233a Absatz 3 oder 4, jeweils soweit es sich um Verbrechen handelt, der §§ 234, 234a, 239a oder 239b,
6.
einen Raub oder eine räuberische Erpressung (§§ 249 bis 251 oder 255),
7.
ein gemeingefährliches Verbrechen in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 3, des § 309 Abs. 1 bis 4, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 3, des § 315b Abs. 3, des § 316a Abs. 1 oder 3, des § 316c Abs. 1 oder 3 oder des § 318 Abs. 3 oder 4 oder
8.
ein gemeingefährliches Vergehen in den Fällen des § 309 Abs. 6, des § 311 Abs. 1, des § 316b Abs. 1, des § 317 Abs. 1 oder des § 318 Abs. 1
androht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wider besseres Wissen vortäuscht, die Verwirklichung einer der in Absatz 1 genannten rechtswidrigen Taten stehe bevor.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 148/10
vom
19. Mai 2010
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Mai 2010 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 26. November 2009 aufgehoben:
a) im Schuldspruch wegen zweier Fälle der Störung des öffentlichen Friedens (Fälle III. Ziff. 6 und III. Ziff. 7 der Urteilsgründe );
b) im Ausspruch über die Einzelstrafen bezüglich der Fälle III. Ziff. 6 und III. Ziff. 7 sowie über die Gesamtfreiheitsstrafe und die angeordnete Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus mit den zugehörigen Feststellungen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sechs tatmehrheitlichen Fällen der Bedrohung, davon drei Fälle in Tateinheit mit Beleidigung, wegen zweier Fälle der Störung des öffentlichen Friedens, davon ein Fall in Tateinheit mit Bedrohung, sowie wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
2
Seine auf die Sachrüge gestützte Revision hat hinsichtlich des Schuldspruchs wegen der beiden Fälle der Störung des öffentlichen Friedens, der dafür festgesetzten Einzelstrafen von fünf Monaten und drei Monaten sowie der Gesamtfreiheitsstrafe und der angeordneten Unterbringung Erfolg. Im Übrigen ist sein Rechtsmittel unbegründet.

I.


3
1. Den Schuldsprüchen wegen Störung des öffentlichen Friedens (§ 126 Abs. 1 Nr. 2 StGB) liegen im Wesentlichen folgende Feststellungen zugrunde:
4
a) Fall III. Ziff. 6: Anfang 2008 war der Vater des Angeklagten verstorben. Am 4. Februar 2009 erschien der Angeklagte im Amtsgericht Dillingen gegen 12.20 Uhr bei der für Nachlassangelegenheiten zuständigen Rechtspflegerin, welche ihn aber zunächst vertröstete und einen Termin auf 13.00 Uhr festsetzte , um zu ihrem Schutz einen Wachtmeister vorher herbeirufen zu können. In dem dann - im Beisein des Wachtmeisters - mit der Rechtspflegerin geführten Gespräch äußerte der Angeklagte, dass er wisse, wo Waffen seien und seine Leute überall seien. Weiter sagte er, dass er den Nachlasspfleger in Sachen S. , Rechtsanwalt M. aus München, umbringen werde. Das Gleiche passiere Frau Sc. von der ARGE A. . Schließlich bedrohte er die Rechtspflegerin selbst mit den Worten, dass er sie umbringen werde. Nach den Feststellungen des Landgerichts beabsichtigte er dabei, diese in Angst um ihr Leben zu versetzen, wobei die Rechtspflegerin diese Drohungen auch ernst nahm.
5
b) Fall III. Ziff. 7: Am 11. März 2009 rief der Angeklagte morgens bei der Polizeiinspektion G. an und telefonierte mit POK Ma. . In dem Telefonat äußerte er dann, dass er nun gezwungen sei, einen Bank- oder einen Tankstellenüberfall zu begehen, da er kein Geld mehr habe. Darüber hinaus sagte er, dass er jetzt zur ARGE nach D. fahren werde, um dort „ein paar über den Haufen zu schlagen“. Aufgrund früherer Äußerungen des Angeklagten, welche POK Ma. bekannt waren, maß nach den Feststellungen des Landgerichts dieser der Aussage die Bedeutung bei, dass sich der Angeklagte zur Durchführung eines Amoklaufes zur ARGE nach D. begeben wollte. Ob und was POK Ma. nach diesem Telefonat unternahm, hat das Landgericht nicht festgestellt.
6
2. a) Den Tatbestand der Störung des öffentlichen Friedens erfüllt, wer eine der im Straftatenkatalog des § 126 Abs. 1 StGB aufgeführten Straftaten androht und dabei zum Ausdruck bringt, dass die Verwirklichung der angedrohten Tat in seinem Machtbereich liegt (MünchKommStGB/Schäfer § 126 Rdn. 11; S/S-Lenckner/Sternberg-Lieben § 126 Rdn. 5). Insoweit hat die Strafkammer zutreffend die Voraussetzungen nach Abs. 1 Nr. 2 in beiden Fällen angenommen. Sofern im Fall III. Ziff. 7 Bedenken bestünden, wäre auch die Tatalternative nach Abs. 1 Nr. 5 erfüllt.
7
b) Allerdings muss das Androhen jeweils zusätzlich in einer Weise erfolgen , die zur Störung des öffentlichen Friedens geeignet ist. Dies hat das Landgericht in beiden Fällen nicht ausreichend dargetan.
8
Gestört ist der öffentliche Frieden, wenn das Vertrauen der Bevölkerung in die öffentliche Rechtssicherheit erschüttert wird oder wenn potentielle Täter durch Schaffung eines ‚psychischen Klimas‘, in dem Taten wie die angedrohten begangen werden können, aufgehetzt werden (BGH NJW 1978, 58, 59; BGHSt 34, 329, 331). Allerdings muss eine solche Störung noch nicht eingetreten sein; jedoch muss die Handlung zumindest konkret zur Störung des öffentlichen Friedens geeignet gewesen sein (BGHSt 34, 329, 331 f.). Dies ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn die entsprechende Ankündigung in der Öffentlichkeit erfolgt (MünchKommStGB/Schäfer § 126 Rdn. 31), woran es vorliegend allerdings in beiden Fällen fehlt. Eine Ankündigung gegenüber einem Einzelnen kann dann genügen, wenn nach den konkreten Umständen damit zu rechnen ist, dass der angekündigte Angriff einer breiten Öffentlichkeit bekannt werden wird, entweder bei einer Zusendung an die Medien oder an einen nicht näher eingegrenzten Kreis von Personen, von deren Diskretion nicht auszugehen ist (BGHSt 34, 329, 332); bei einer Mitteilung an Betroffene könnte dies gelten, wenn man davon ausgehen könnte, dass diese aus Sorge um Opfer oder aus Empörung über die Drohung sich an die Öffentlichkeit wenden könnten (BGH aaO). Solches hat die Strafkammer nicht festgestellt.
9
c) Sind, wie in den hier maßgeblichen Fällen, Adressaten der Drohungen staatliche Organe, wird regelmäßig damit zu rechnen sein, dass diese zwar Maßnahmen zur Vermeidung der angedrohten Taten ergreifen oder veranlassen , jedoch regelmäßig im Übrigen mit Diskretion vorgehen, einerseits um die Präventivmaßnahmen nicht zu gefährden (BGHSt aaO), andererseits um auch die Öffentlichkeit nicht ohne Weiteres zu beunruhigen.
10
Wie in Fall III. Ziff. 6 die Äußerungen des Angeklagten gegenüber der für Nachlassangelegenheiten zuständigen Rechtspflegerin des Amtsgerichts und im Fall III. Ziff. 7 gegenüber dem Polizeibeamten zu Maßnahmen hätten führen können, die ihrerseits eine Beunruhigung in der Bevölkerung als Folge hätten haben können, hat das Tatgericht nicht ausgeführt. Damit fehlt es jeweils an hinreichenden Feststellungen zum Tatbestand des § 126 Abs. 1 StGB.
11
Allerdings kann eine mit der Drohung vorgenommene Vortäuschung gegenüber einer Behörde nach § 145d Abs. 1 Nr. 2 StGB strafbar sein, was das Landgericht von seinem Standpunkt aus zutreffend nicht erörtert hat.
12
d) Die beiden Schuldsprüche wegen Störung des öffentlichen Friedens, in einem Fall in Tateinheit wegen Bedrohung, waren demgemäß aufzuheben. Die Prüfung der weiteren Schuldsprüche auf die Sachrüge hin hat keine durchgreifenden Rechtsfehler ergeben.

II.


13
1. Die Aufhebung der Schuldsprüche wegen Störung des öffentlichen Friedens führt zur Aufhebung der deswegen verhängten Einzelstrafen und der Gesamtfreiheitsstrafe. Die für die anderen Taten verhängten Strafen können dagegen bestehen bleiben. Die Urteilsgründe enthalten keinen Anhaltspunkt dafür, dass sie von den aufgehobenen Strafen beeinflusst sein könnten.
14
2. Die neu berufene Strafkammer wird jedoch Gelegenheit haben zu prüfen , inwieweit die neu zu bestimmende Gesamtstrafe nach § 56 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Dabei kann nicht außer Acht bleiben, dass die vom Landgericht zur Begründung einer Versagung der Bewährung mit herangezogenen zwei Vorstrafen nur eine im Oktober 2007 begangene Nachstellung (15 Tagessätze zu je 20,-- Euro) und das Verbreiten pornografischer Schriften in zwei Fällen (Tatzeit: Dezember 2007 - 30 Tagessätze zu je 20,-- Euro) betreffen.
15
3. Auch die angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus war schon deswegen aufzuheben, weil der neue Tatrichter die Aussetzung der festzulegenden Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung möglicherweise anders beurteilen und dann auch eine Unterbringungsanordnung nach § 67b StGB ausgesetzt werden könnte. Im Übrigen könnte die Gefährlichkeitsprognose auch eine andere Beurteilung erfahren, falls der neue Tatrichter den Tatbestand des § 126 StGB in den beiden Fällen aufgrund der neu getroffenen Feststellungen nicht als gegeben ansieht.
16
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die vom Landgericht sich zu eigen gemachte Äußerung des Sachverständigen, wonach „Verhaltensauffälligkeiten des Angeklagten in ihrer Eskalation nicht vorhersehbar“ seien, er aber gerade deswegen „mit einem sehr hohen Grad der Wahrscheinlichkeit für die Allgemeinheit gefährlich“ sei (UA S. 26), durchaus widersprüchlich ist und daher einer Prognose in dieser Weise nicht zugrunde gelegt werden kann.

III.


17
Nachdem der Angeklagte seit 12. März 2009 in Untersuchungshaft bzw. seit 19. Mai 2009 im BKH Kaufbeuren vorläufig untergebracht ist, wird die neue Hauptverhandlung mit der gebotenen Beschleunigung durchzuführen sein. Nack Wahl Graf Jäger Sander

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.

(2) In den Fällen der §§ 129 und 129a, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 1, ist § 74a anzuwenden.

(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.

(2) Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen

1.
festgestellt wird, daß der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält,
2.
bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, daß der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen werde (Fluchtgefahr), oder
3.
das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er werde
a)
Beweismittel vernichten, verändern, beiseite schaffen, unterdrücken oder fälschen oder
b)
auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer Weise einwirken oder
c)
andere zu solchem Verhalten veranlassen,
und wenn deshalb die Gefahr droht, daß die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (Verdunkelungsgefahr).

(3) Gegen den Beschuldigten, der einer Straftat nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 oder § 13 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder § 129a Abs. 1 oder Abs. 2, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, oder nach den §§ 176c, 176d, 211, 212, 226, 306b oder 306c des Strafgesetzbuches oder, soweit durch die Tat Leib oder Leben eines anderen gefährdet worden ist, nach § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches dringend verdächtig ist, darf die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach Absatz 2 nicht besteht.

(1) Der Haftbefehl ist aufzuheben, sobald die Voraussetzungen der Untersuchungshaft nicht mehr vorliegen oder sich ergibt, daß die weitere Untersuchungshaft zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis stehen würde. Er ist namentlich aufzuheben, wenn der Beschuldigte freigesprochen oder die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt oder das Verfahren nicht bloß vorläufig eingestellt wird.

(2) Durch die Einlegung eines Rechtsmittels darf die Freilassung des Beschuldigten nicht aufgehalten werden.

(3) Der Haftbefehl ist auch aufzuheben, wenn die Staatsanwaltschaft es vor Erhebung der öffentlichen Klage beantragt. Gleichzeitig mit dem Antrag kann die Staatsanwaltschaft die Freilassung des Beschuldigten anordnen.

(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.

(1) In den Fällen des § 121 legt das zuständige Gericht die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor, wenn es die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich hält oder die Staatsanwaltschaft es beantragt.

(2) Vor der Entscheidung sind der Beschuldigte und der Verteidiger zu hören. Das Oberlandesgericht kann über die Fortdauer der Untersuchungshaft nach mündlicher Verhandlung entscheiden; geschieht dies, so gilt § 118a entsprechend.

(3) Ordnet das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft an, so gilt § 114 Abs. 2 Nr. 4 entsprechend. Für die weitere Haftprüfung (§ 117 Abs. 1) ist das Oberlandesgericht zuständig, bis ein Urteil ergeht, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt. Es kann die Haftprüfung dem Gericht, das nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständig ist, für die Zeit von jeweils höchstens drei Monaten übertragen. In den Fällen des § 118 Abs. 1 entscheidet das Oberlandesgericht über einen Antrag auf mündliche Verhandlung nach seinem Ermessen.

(4) Die Prüfung der Voraussetzungen nach § 121 Abs. 1 ist auch im weiteren Verfahren dem Oberlandesgericht vorbehalten. Die Prüfung muß jeweils spätestens nach drei Monaten wiederholt werden.

(5) Das Oberlandesgericht kann den Vollzug des Haftbefehls nach § 116 aussetzen.

(6) Sind in derselben Sache mehrere Beschuldigte in Untersuchungshaft, so kann das Oberlandesgericht über die Fortdauer der Untersuchungshaft auch solcher Beschuldigter entscheiden, für die es nach § 121 und den vorstehenden Vorschriften noch nicht zuständig wäre.

(7) Ist der Bundesgerichtshof zur Entscheidung zuständig, so tritt dieser an die Stelle des Oberlandesgerichts.

6
1. Gemäß § 121 Abs. 1 StPO darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat vor dem Erlass eines Urteils nur unter besonderen Voraussetzungen länger als sechs Monate aufrechterhalten werden. Dadurch soll dem Anspruch des in Untersuchungshaft befindlichen Beschuldigten auf beschleunigte Durchführung des Verfahrens (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 EMRK) sowie dem aus Art. 2 Abs. 2 GG herzuleitenden verfassungsmäßigen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BVerfG, Beschluss vom 3. Mai 1966 - 1 BvR 58/66, NJW 1966, 1259) Rechnung getragen werden. Der Senat teilt die in der obergerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur inzwischen nahezu einhellig vertretene Auffassung, dass der Begriff "derselben Tat" im Sinne des § 121 Abs. 1 StPO mit Rücksicht auf diesen Schutzzweck der Norm weit auszulegen ist und deshalb alle Taten des Beschuldigten von dem Zeitpunkt an erfasst, in dem sie - im Sinne eines dringenden Tatverdachts - bekannt geworden sind und in den bestehenden Haftbefehl hätten aufgenommen werden können, und zwar unabhängig davon, ob sie Gegenstand desselben Verfahrens oder getrennter Verfahren sind (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 22. Juni 2016 - 1 Ws 257/16 H, juris Rn. 6, 16; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 22. April 2015 - 1 Ws 7/15 (H), juris Rn. 7; KG, Beschluss vom 15. August 2013 - 4 Ws 108/13, juris Rn. 13; OLG Rostock, Beschluss vom 13. Juni 2013 - 2 HEs 9/13 (5/13), juris Rn. 9; OLG Celle, Beschluss vom 9. Februar 2012 - 32 HEs 1/12, juris Rn. 21; OLG Jena, Beschluss vom 16. November 2010 - 1 Ws 446/10 (32), juris Rn. 9; OLG Koblenz (2. Strafsenat), Beschluss vom 30. Juli 2009 - 2 HEs 8/09, juris Rn. 8; OLG Dresden, Beschluss vom 31. März 2009 - 2 AK 6/09, NJW 2010, 952; OLG Naumburg, Beschluss vom 2. Dezember 2008 - 1 Ws 674/08, juris Rn. 7 f.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 6. Juni 2007 - 4 HEs 86/07, juris Rn. 6; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Dezember 2003 - 3 Ws 460/03, NStZ-RR 2004, 125 f.; OLG Koblenz (1. Strafsenat), Beschluss vom 3. Januar 2001 - (1) 4420 BL - III - 71/00, NStZ-RR 2001, 152; OLG Hamm, Beschluss vom 21. April 1998 - 2 BL 62/98, NStZ-RR 1998, 277, 278; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 26. Januar1998 - 1 BL 4/98, NStZ-RR 1998, 182; OLG Brandenburg, Beschluss vom 3. März 1997, 2 (3) HEs 16/97, StV 1997, 536, 537; OLG Frankfurt, Beschluss vom 2. März 1990 - 1 HEs 259/88, NJW 1990, 2144; OLG Hamburg, Beschluss vom 29. August 1989 - 1 Ws 243/89, StV 1989, 489; KK-Schultheis, StPO, 7. Aufl., § 121 Rn. 10; LR/Hilger, StPO, 26. Aufl., § 121 Rn. 14b; MeyerGoßner /Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 121 Rn. 11). Dadurch wird vermieden, dass von Anfang an bekannte oder im Laufe der Ermittlungen bekannt werdende Taten des Beschuldigten zunächst zurückgehalten und erst kurz vor Ablauf der Sechsmonatsfrist zum Gegenstand eines neuen oder erweiterten Haftbefehls gemacht werden mit dem Ziel, eine neue Sechsmonatsfrist zu eröffnen (sog. Reservehaltung von Tatvorwürfen).

Die Vollstreckung der Untersuchungshaft geht der Vollstreckung der Auslieferungshaft, der vorläufigen Auslieferungshaft, der Abschiebungshaft und der Zurückweisungshaft vor. Die Vollstreckung anderer freiheitsentziehender Maßnahmen geht der Vollstreckung von Untersuchungshaft vor, es sei denn, das Gericht trifft eine abweichende Entscheidung, weil der Zweck der Untersuchungshaft dies erfordert.