Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Feb. 2019 - 4 StR 555/18

bei uns veröffentlicht am13.02.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 555/18
vom
13. Februar 2019
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
ECLI:DE:BGH:2019:130219B4STR555.18.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 13. Februar 2019 gemäß § 206a StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Detmold vom 27. August 2018 aufgehoben und das Verfahren eingestellt. 2. Die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 1.000 EUR angeordnet; im Übrigen hat es ihn freigesprochen. Die gegen seine Verurteilung gerichtete und auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des angegriffenen Urteils, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist und zur Einstellung des Verfahrens (§ 206a StPO). Hinsichtlich des abgeurteilten Betrugs fehlt es an der Verfahrensvoraussetzung einer wirksamen Anklageschrift und demzufolge an einem wirksamen Eröffnungsbeschluss.
2
1. a) Durch die mit Beschluss des Landgerichts Detmold vom 8. März 2018 unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage der Staats- anwaltschaft Detmold vom 18. Januar 2018 ist dem Angeklagten zur Last gelegt worden, am 20. April 2017 ein Verbrechen des besonders schweren Raubes (§ 249 Abs. 1, § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) begangen zu haben. Hierzu ist im konkreten Anklagesatz ausgeführt, dass der Angeklagte mit einem bisher unbekannt gebliebenen Mittäter am 20. April 2017 maskiert und mit einer silberfarbenen geladenen Gaspistole einen Überfall auf ein Lebensmittelgeschäft durchgeführt und neben Bargeld auch eine Armbanduhr erbeutet haben soll. Darüber hinaus ist im Anklagesatz festgehalten, dass „der Angeschuldigte und sein Mittäter“ die Uhr „an den B. er Hells-Angels-Präsidenten Y. “ verkauften.
3
b) Das Landgericht hat den Angeklagten vom Tatvorwurf des besonders schweren Raubes freigesprochen. Es hat sich weder von seiner Tatbeteiligung am Raub noch davon zu überzeugen vermocht, dass er sich der Hehlerei schuldig gemacht hat. Es hat ihn jedoch wegen Betrugs (§ 263 Abs. 1 StGB) verurteilt, weil der Angeklagte die durch den verfahrensgegenständlichen Überfall am 20. April 2017 erbeutete Armbanduhr zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt zwischen dem 25. April 2017 und dem 9. Mai 2017 an den – gutgläubigen – Y. zum Preis von 1.000 EUR verkauft und ihm dabei vorgespiegelt habe, dass die Uhr nicht aus einer rechtswidrigen Tat stamme , sondern er sie legal erworben habe. Die Armbanduhr wurde später bei Y. sichergestellt und an den Berechtigten herausgegeben.
4
2. Es fehlt an der Identität zwischen der abgeurteilten Tat und dem von der Anklageschrift erfassten Lebenssachverhalt.
5
a) Gegenstand der Urteilsfindung ist gemäß § 264 Abs. 1 StPO die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Hauptverhand- lung darstellt. Tat im Sinne dieser Vorschrift ist ein einheitlicher geschichtlicher Vorgang, der sich von anderen ähnlichen oder gleichartigen unterscheidet und innerhalb dessen der Angeklagte einen Straftatbestand verwirklicht haben soll (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 22. Juni 2006 – 3 StR 79/06, NStZ-RR 2006, 316, 317; Beschluss vom 1. Dezember 2015 – 1 StR 273/15, NJW 2016, 1747). Die Tat als Prozessgegenstand ist dabei nicht nur der in der Anklage umschriebene und dem Angeklagten darin zur Last gelegte Geschehensablauf; vielmehr gehört dazu das gesamte Verhalten des Angeklagten, soweit es mit dem durch die Anklage bezeichneten geschichtlichen Vorgang nach der Auffassung des Lebens ein einheitliches Vorkommnis bildet (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juli 1999 – 1 StR 262/99, NStZ 1999, 523, 524; Urteil vom 29. September 1987 – 4 StR 376/87, BGHSt 35, 60, 62). Verändert sich im Verlaufe des Verfahrens das Bild des Geschehens, wie es in der Anklageschrift und dem Eröffnungsbeschluss umschrieben ist, so ist die Prüfung der Frage, ob die Identität der prozessualen Tat trotz Veränderung des Tatbildes noch gewahrt ist, nach dem Kriterium der „Nämlichkeit“ der Tat zu beurteilen (BGH, Beschluss vom 16. August 2018 – 4 StR 200/18, NStZ-RR 2018, 353, 354; Urteil vom 22. Juni 2006 – 3 StR 79/06, NStZ-RR 2006, 316). Dies ist – ungeachtet gewisser Unterschiede – dann der Fall, wenn bestimmte Merkmale die Tat weiterhin als ein einmaliges und unverwechselbares Geschehen kennzeichnen (BGH, Urteile vom 20. November 2014 – 4 StR 153/14, StraFo 2015, 68, 69; vom 22. Juni 2006 – 3 StR 79/06, aaO; siehe auch BGH, Beschluss vom 27. Februar 2018 – 2 StR 390/17, Rn. 18). Die prozessuale Tat wird in der Regel durch Tatort, Tatzeit und das Tatbild umgrenzt und insbesondere durch das Täterverhalten sowie die ihm innewohnende Angriffsrichtung sowie durch das Tatopfer bestimmt (vgl. BGH, Urteil vom 29. September 1987 – 4 StR 376/87, BGHSt 35, 60, 64).
6
b) Gemessen hieran ist der abgeurteilte Betrug zum Nachteil des Tatopfers Y. nicht Gegenstand der zugelassenen Anklage. Insoweit handelt es sich nicht um die nämliche Tat im Sinne des § 264 StPO. Beide Lebensvorgänge unterscheiden sich nicht nur im Hinblick auf Tatzeit und Tatort, sondern insbesondere in Bezug auf das Tatbild, das Tatopfer sowie die Angriffsrichtung. Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass der abgeurteilte Betrug auf einen aus dem Raub stammenden Beutegegenstand bezogen ist. Anders als in der Fallkonstellation einer sich an den Raub anschließenden Hehlerei, in denen der Tatbestand der Hehlerei als ein mit dem vorangegangenen Raub einheitliches geschichtliches Vorkommnis bildender Vorgang angesehen worden ist, wenn und soweit sich der Angeklagte „als Glied in der sich an diese Tat anschließenden ‚Verwertungskette‘ für das Raubgut hehle- risch betätigte“ (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juli 1999 – 1 StR 262/99, NStZ 1999, 523, 524; siehe aber auch BGH, Urteil vom 22. Dezember 1987 – 1 StR 423/87, BGHSt 35, 172, 174; Beschluss vom 16. Oktober 1987 – 2 StR 258/87, BGHSt 35, 80, 82), fehlt es in der vorliegenden Fallkonstellation schon aufgrund der unterschiedlichen Angriffsrichtung an einem in diesem Sinne engen Zusammenhang mit der Vortat.
7
Anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass die Staatsanwaltschaft die Tatsache der Veräußerung der Uhr durch den Angeklagten in den Anklagesatz aufgenommen und im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen erwähnt hat. Die in der Anklageschrift enthaltenen Hinweise erfolgten ersichtlich nicht zum Zwecke einer Ausdehnung des Anklagevorwurfs auf dieses Geschehen, sondern sind im Sinne eines Beweisanzeichens zur Stützung des Verdachts einer Beteiligung des Angeklagten an der Tat in die Anklageschrift aufgenommen worden (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Oktober 1987 – 2 StR 258/87, BGHSt 35, 80, 81). Anhaltspunkte dafür, dass die Veräußerung eines Teils der Tatbeute deliktisch erfolgt sein und der Verfolgungswille der Staatsanwaltschaft sich auch auf dieses Geschehen erstrecken könnte, sind weder dem konkreten Anklagesatz noch dem wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen, das zur Ergänzung und Auslegung des Anklagesatzes herangezogen werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 16. August 2018 – 4 StR 200/18, NStZ-RR 2018, 353; Urteile vom 17. August 2000 – 4 StR 245/00, BGHSt 46, 130, 133; und vom 28. Oktober 2009 – 1 StR 205/09, NStZ 2010, 159, 169), zu entnehmen.
8
c) Da eine Nachtragsanklage nicht erhoben ist, muss das Verfahren wegen eines von Amts wegen zu beachtenden Verfahrenshindernisses fehlender Anklage eingestellt werden.
Sost-Scheible Cierniak Bender
Quentin Bartel

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(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen

Strafgesetzbuch - StGB | § 250 Schwerer Raub


(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn 1. der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub a) eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,b) sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Wider

Strafprozeßordnung - StPO | § 264 Gegenstand des Urteils


(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt. (2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde l

Strafgesetzbuch - StGB | § 249 Raub


(1) Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird m

Strafprozeßordnung - StPO | § 206a Einstellung des Verfahrens bei Verfahrenshindernis


(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen. (2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

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(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen.

(2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

(1) Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 273/15
vom
1. Dezember 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
ECLI:DE:BGH:2015:011215B1STR273.15.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. Dezember 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 16. Januar 2015 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in vier Fällen jeweils in Tateinheit mit zwei weiteren Fällen der Steuerhinterziehung sowie wegen Steuerhinterziehung in vier weiteren Fällen und wegen versuchter Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.
2
Seine auf Verfahrensbeanstandungen und die ausgeführte Sachrüge gestützte Revision erzielt lediglich den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Ein Verfahrenshindernis besteht nicht.
4
Soweit die Revision ein solches auf die Erwägung stützen wollte, das Urteil beziehe sich auch auf Betriebsausgaben im Zusammenhang mit einem von dem Angeklagten genutzten Pkw Rolls Royce Ghost, obwohl der betreffende Sachverhalt nicht Gegenstand von Anklage und Eröffnungsbeschluss gewesen sei, dringt dies nicht durch. Die mit dem Fahrzeug zusammenhängenden Kosten waren in den Körperschaft-, Gewerbesteuer- und Umsatzsteuererklärungen der E. E. GmbH (nachfolgend: E. GmbH) für den Veranlagungszeitraum 2011 enthalten. Damit sind die den Pkw Rolls Royce für diesen Veranlagungszeitraum betreffenden tatsächlichen Umstände Gegenstand der entsprechenden prozessualen Tat (§ 264 StPO) und mithin Verfahrensgegenstand. Denn Tat in diesem Sinne ist der vom Eröffnungsbeschluss betroffene geschichtliche Lebensvorgang einschließlich aller damit zusammenhängenden oder darauf bezogenen Vorkommnisse und tatsächlichen Umstände, die geeignet sind, das in diesen Bereich fallende Tun des Angeklagten unter irgendeinem rechtlichen Gesichtspunkt als strafbar erscheinen zu lassen (st. Rspr.; siehe nur BGH, Urteil vom 11. September 2007 – 5 StR 213/07, NStZ 2008, 411, 412; BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2015 – 1 StR 256/15 Rn. 23). Dazu gehören die fraglichen, als Betriebsausgaben geltend gemachten Aufwendungen für das Leasing des Fahrzeugs sowie dessen Reparatur.
5
Aus einer Verfahrensstoffbeschränkung gemäß § 154a Abs. 2 StPO folgt kein Verfahrenshindernis. Von der Verfolgung ausgenommene Tatteile oder Gesetzesverletzungen einschließlich des zugehörigen Tatsachenstoffs bleiben Verfahrensgegenstand (BGH, Urteil vom 12. August 1980 – 1 StR 422/80, BGHSt 29, 315, 316; Radtke in Radtke/Hohmann, StPO, § 154a Rn. 34 mwN).
6
2. Die Verfahrensbeanstandungen haben aus den Gründen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen Erfolg.
7
3. Sämtliche Schuldsprüche, sowohl hinsichtlich der die Hinterziehung von Körperschaft-, Gewerbe- und Umsatzsteuer zugunsten der E. GmbH als auch der die (teils lediglich versuchte) Hinterziehung von Einkommensteuer zugunsten des Angeklagten betreffenden Taten, werden durch die insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen getragen.
8
a) Die Angriffe der Revision auf die den Schuldsprüchen zugrunde liegende Beweiswürdigung erschöpfen sich in dem revisionsrechtlich unbeachtlichen Unterfangen, die tatrichterliche Beweiswürdigung durch eine eigene, teils zudem auf urteilsfremdes Vorbringen gestützte Würdigung zu ersetzen.
9
b) Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen begegnet es im rechtlichen Ausgangspunkt keinen Bedenken, dass das Landgericht die in den verfahrensgegenständlichen Veranlagungszeiträumen angefallenen Aufwendungen (Leasing-, Reparatur- und teils sonstige Unterhaltskosten) für die dem Angeklagten überlassenen Kraftfahrzeuge als verdeckte Gewinnausschüttungen gewertet hat. Dementsprechend hat es im Ansatz ohne Rechtsfehler auf der Ebene der E. GmbH die ermittelten Brutto-Fahrzeugkosten als den Gewinn der E. GmbH erhöhend (nachfolgend aa) und auf der Ebene des Angeklagten als Gesellschafter die tatsächlich von der Gesellschaft getragenen Aufwendungen für die Fahrzeuge als Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG) bewertet (nachfolgend bb).
10
aa) Die Voraussetzungen von verdeckten Gewinnausschüttungen seitens der E. GmbH liegen nach den tatrichterlichen Feststellungen vor.
11
(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist unter einer verdeckten Gewinnausschüttung im Sinne von § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG eine Vermögensminderung (oder verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis (mit-)veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht; dabei muss die Unterschiedsbetragsminderung die objektive Eignung haben, beim Gesellschafter einen sonstigen Bezug gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auszulösen (etwa BFH, Urteile vom 3. Mai 2006 – I R 124/04, BFHE 214, 80; vom 23. Januar 2008 – I R 8/06, BFHE 220, 276 mwN und vom 22. Dezember 2012 – I R 47/10, GmbHR 2011, 601, 602). Eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter (oder einer diesem nahestehenden Person) einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (Fremdvergleich; vgl. etwa BFH, Urteile vom 23. Februar 2005 – IR 70/04, BFHE 209, 252; vom 23. Januar 2008 – I R 8/06, BFHE 220, 276 und vom 22. Dezember 2012 – I R 47/10, GmbHR 2011, 601, 602). Die Nutzung eines der Gesellschaft gehörenden Fahrzeugs durch einen Gesellschafter ist dementsprechend regelmäßig nur dann betrieblich veranlasst, wenn diese durch eine fremdübliche Überlassungs- oder Nutzungsvereinbarung abgedeckt ist (BFH, Urteil vom 23. Januar 2008 – I R 8/06, BFHE 220, 276).
12
Von diesen Grundsätzen ist das Landgericht erkennbar ausgegangen. Es hat sich bei der Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen der verdeckten Gewinnausschüttung von solchen – von ihm festgestellten – tatsächlichen Umständen leiten lassen, denen nach der Rechtsprechung der des Bundesfinanzhofs indizielle Bedeutung dafür zukommt, dass die Zuwendung eines Vermögensvorteils durch die Gesellschaft an einen Gesellschafter einem Fremdvergleich nicht stand hält. Solche Umstände können hinsichtlich der Überlassung eines Kraftfahrzeugs u.a. die unbeschränkte Zugriffsmöglichkeit darauf sowie die fehlende Führung eines Fahrtenbuchs sein (vgl. etwa BFH, Beschlüsse vom 13. April 2005 – VI B 59/04, BFH/NV 2005, 1300 und vom 27. Oktober 2005 – VI B 43/05, BFH/NV 2006, 292; BFH, Urteile vom 7. November 2006, VI R 19/05, BFHE 215, 256 und vom 23. Januar 2008 – I R 8/06, BFHE 220, 276 mwN). Zudem geht die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs von einer verdeckten Gewinnausschüttung in Fällen der Nutzung ei- nes „Betriebs-Pkws“ der Gesellschaft durch einen Gesellschafter-Geschäfts- führer ohne eine entsprechende Gestattung der Gesellschaft aus (siehe nur BFH, Urteil vom 23. Januar 2008 – I R 8/06, BFHE 220, 276 mit zahlr. Nachw.).
13
Die vom Landgericht festgestellten Umstände belegen nach dem maßgeblichen Fremdvergleich verdeckte Gewinnausschüttungen an den Angeklagten als Gesellschafter dem Grunde nach ohne Weiteres. Eine unentgeltliche Nutzungsüberlassung von Fahrzeugen mit den jeweils sehr hohen Werten der hier fraglichen Personenkraftwagen und den damit einhergehenden Aufwendungen , um die Nutzung zu ermöglichen, an einen Nichtgesellschafter ist mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters schlechterdings unvereinbar. Darüber hinaus wird die rechtliche Bewertung der Strafkammer auch durch Vorliegen derjenigen Umstände gestützt, die in der Gesellschafter -Geschäftsführer betreffenden Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs als Beweisanzeichen für eine verdeckte Gewinnausschüttung anerkannt sind und die auch für Zuwendungen an einen Gesellschafter ohne Geschäftsführerposition fruchtbar gemacht werden können. Dazu gehört vorliegend nach den Feststellungen u.a. das Fehlen jeglicher Vereinbarung zwischen der E. GmbH und dem Angeklagten über Art und Umfang der Fahrzeugnutzung, das Fehlen von Fahrtenbüchern sowie dasjenige eines über die Gesellschafterstellung hinausgehenden Beschäftigungsverhältnisses mit der Gesellschaft und die völlig unterschiedslose Nutzung der fraglichen Fahrzeuge mit privaten Kraftfahrzeugen des Angeklagten.
14
(2) Auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen ist auch in sämtlichen Fällen der Hinterziehung von Körperschaft-, Gewerbe- und Umsatzsteuer zugunsten der E. GmbH der Eintritt eines Hinterziehungserfolges (§ 370 Abs. 4 AO) belegt. Dass durch die E. GmbH gewinnmindernd geltend gemachte Aufwendungen für die von dem Angeklagten genutzten Fahrzeuge vollständig betrieblich veranlasst sein könnten und deshalb ein Hinterziehungserfolg nicht eingetreten wäre, ist nach rechtsfehlerfreien Feststellungen ausgeschlossen.
15
bb) Die verdeckten Gewinnausschüttungen seitens der E. GmbH an den Angeklagten als ihren Gesellschafter führen bei diesem zu einem sonstigen Bezug im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG (vgl. BFH, Urteil vom 23. Januar 2008 – I R 8/06, BFHE 220, 276; siehe auch Saarl. FG, Beschluss vom 7. Januar 2015 – 1 V 1407/14 Rn. 18 ff.). Diese Einkünfte hat der Angeklagte in seinen Einkommensteuererklärungen nicht angegeben. Dadurch ist es in den Veranlagungszeiträumen 2007 bis 2009 zu der Hinterziehung von Einkommensteuer (einschließlich Solidaritätszuschlag) gekommen. Für die Veranlagungszeiträume 2010 und 2011 ist ein Hinterziehungserfolg ausgeblieben, weil keine Einkommensteuerbescheide ergangen sind (UA S. 24). Aus den zu der Hinterziehung von Steuern zugunsten der E. GmbH genannten Gründen ist auf der Grundlage der Feststellungen das vollständige Fehlen eines Hinterziehungserfolges für die Veranlagungszeiträume 2007 bis 2009 auszuschließen. Die jeweiligen Schuldsprüche sind daher rechtsfehlerfrei.
16
4. Die Aussprüche über die jeweiligen Einzelstrafen und in der Folge auch der Gesamtstrafenausspruch halten dagegen rechtlicher Überprüfung nicht in jeder Hinsicht stand.
17
Das Landgericht ist zwar hinsichtlich der Feststellungen zur Höhe der jeweiligen Hinterziehungsbeträge bzw. der vom Angeklagten erstrebten Hinterziehung in den beiden Fällen der versuchten Hinterziehung von Einkommensteuer von zutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgegangen (nachfolgend a). Soweit es allerdings im Rahmen der Bestimmung der Höhe der hinterzogenen Beträge für sämtliche betroffenen Fahrzeuge und alle verfahrensgegenständlichen Veranlagungszeiträume eine ausschließlich private Nutzung durch den Angeklagten zugrunde gelegt hat, ist eine solche nicht ausreichend beweiswürdigend belegt (nachfolgend b).
18
a) Es ist im rechtlichen Ausgangspunkt nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die Höhe der verdeckten Gewinnausschüttung auf der Gesellschaftsebene mittels einer Schätzung auf der Grundlage von jeweils 2/3 der in der Gesellschaft insgesamt tatsächlich angefallenen Kosten für die Fahrzeugnutzung unter Verzicht auf einen angemessenen Gewinnaufschlag (UA S. 53 f.) bestimmt hat (nachfolgend aa). Angesichts von der Strafkammer rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellung, dass von den in der E. GmbH für sämtliche Fahrzeuge steuerlich geltend gemachten Leasingkosten 75 % bis 96 % auf die verfahrensgegenständlichen Luxusfahrzeuge entfallen sind (UA S. 53), liegt eine für den Angeklagten besonders günstige Schätzung des Kostenanteils der fraglichen Fahrzeuge an den Gesamtfahrzeugkosten in der GmbH vor.
19
Auf der Gesellschafterebene ist es ebenso wenig zu beanstanden, dass die Strafkammer die insoweit zu berücksichtigenden Einkünfte des Angeklagten für die Veranlagungszeiträume 2007 und 2008 nach dem Halbeinkünfteverfah- ren (vgl. § 3 Nr. 40 EStG) sowie für die Zeiträume 2009 bis 2011 nach dem Teileinkünfteverfahren bestimmt hat (nachfolgend bb).
20
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist eine verdeckte Gewinnausschüttung in Konstellationen vertrags- bzw. abredewidriger privater Nutzung von als Dienstfahrzeugen überlassenen Pkw's auf der Ebene der Kapitalgesellschaft nicht mit dem lohnsteuerrechtlichen Wert (1 % des Listenpreises des Fahrzeugs; § 8 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG) zu bewerten. Der dem Gesellschafter (oder einem Dritten) eingeräumte Vorteil ist vielmehr ausschließlich nach Fremdvergleichsmaßstäben zu bewerten, was in der Regel zum Ansatz des gemeinen Wertes führe und damit einen angemessenen Gewinnaufschlag einbeziehe (etwa BFH, Urteil vom 23. Januar 2008 – I R 8/06, BFHE 220, 276; BFH, Beschluss vom 22. Dezember 2010 – I R 47/10, BFH/NV 2011, 1019; siehe auch Saarl. FG, Beschluss vom 7. Januar 2015 – 1 V 1407/14 Rn. 20 mwN sowie Pfützenreuther jurisPR-SteuerR 29/2009 Anm. 3).
21
Den „gemeinen Wert“ des Vorteils hat das Landgericht vorliegend im Ausgangspunkt rechtsfehlerfrei anhand derjenigen aufgewendeten Kosten bestimmt , die mit der hier allein maßgeblichen Einräumung der Nutzungsmöglichkeit der Fahrzeuge in Gestalt vor allem der Leasingraten und Reparaturkosten verbunden waren. Da die Zuordnung der tatsächlich bei der E. GmbH angefallenen Kosten nach der Buchhaltung des Unternehmens nicht eindeutig den einzelnen von dem Angeklagten genutzten Fahrzeugen zugeordnet werden konnte, war das Landgericht zu einer Schätzung bezüglich der für das jeweilige Fahrzeug getätigten Aufwendungen berechtigt. Dass es lediglich von jeweils 2/3 der festgestellten tatsächlichen Kosten ausgegangen und auf einen ange- messenen Gewinnaufschlag verzichtet hat, wirkt sich ersichtlich nicht zu Lasten des Angeklagten aus.
22
bb) Es bestehen keine rechtlichen Bedenken, die Höhe der Einkünfte des Angeklagten aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG als sonstige Bezüge in Gestalt der verdeckten Gewinnausschüttungen ebenfalls nach Fremdvergleichsmaßstäben und damit im Gleichlauf mit der Wertbestimmung bei der Gesellschaft vorzunehmen (Saarl. FG, Beschluss vom 7. Januar 2015 – 1 V 1407/14 Rn. 21). Eine Bewertung der Einkünfte auf der Grundlage der sog. 1 %-Regelung gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG kommt in der hier vorliegenden Konstellation der zumindest ganz überwiegenden privaten Nutzung von Kraftfahrzeugen nicht in Betracht (zutreffend Saarl. FG, Beschluss vom 7. Januar 2015 – 1 V 1407/14 Rn. 29 bzgl. der Nutzung durch einen Gesellschafter-Geschäftsführer). Die insoweit rechtsfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts belegen zumindest eine ganz überwiegend private Nutzung (siehe aber nachfolgend b) der hier fraglichen Fahrzeuge durch den Angeklagten.
23
b) Die Beweiswürdigung des Landgerichts trägt allerdings nicht die Feststellung , sämtliche der fraglichen Fahrzeuge seien in allen verfahrensgegenständlichen Veranlagungszeiträumen ausschließlich durch den Angeklagten privat genutzt worden. Ausweislich der Urteilsgründe betreibt die E. GmbH u.a. drei FKK-Klubs an drei unterschiedlichen Orten sowie eine Werbeagentur, die sich mit der Beratung von Sauna- und Wellnessclubs, Bordellen und bordellähnlichen Betrieben (UA S. 15) beschäftigt. Die vom Tatrichter herangezogenen Beweisanzeichen (vor allem UA S. 35 ff.) hat dieser zwar im rechtlichen Ausgangspunkt ohne Rechtsfehler in der Beweiswürdigung als für eine private Nutzung sprechend gewertet. Allerdings ergeben sich bereits aus dem ausge- übten Unternehmenszweck, der Belegenheit der von der GmbH betriebenen Klubs und vor allem dem Zuschnitt der Werbeagenturtätigkeit Anhaltspunkte dafür, dass ein gewisser Teil der auf die Fahrzeuge entfallenden Kosten betriebliche Aufwendungen darstellen können. Insoweit legt die Strafkammer ihrer Beweiswürdigung zugrunde nicht ausschließen zu können, dass der Angeklagte tatsächlich Klubs beraten und die E. GmbH dafür eine Vergütung – ersichtlich gemeint: von Seiten der Beratenen – erhalten hat (UA S. 42). Da sich aus dem Urteil nicht ergibt, dass zur Ausübung dieser Tätigkeit andere Fahrzeuge als die hier fraglichen Luxusfahrzeuge zur Verfügung standen, genügt die Beweiswürdigung als Grundlage für den Schluss auf eine ausschließlich private Nutzung sämtlicher Fahrzeuge nicht.
24
Dieser Mangel wirkt sich allein auf die Bestimmung der Höhe der auf Seiten der E. GmbH und des Angeklagten jeweils zu berücksichtigenden verdeckten Gewinnausschüttungen und damit auf die Höhe der jeweiligen Hinterziehungsbeträge aus. Da das Landgericht sich bei der Bemessung der Einzelstrafen , wie an den jeweiligen Relationen erkennbar ist, an der Höhe der Hinterziehungsbeträge (bzw. der erstrebten) orientiert hat, vermag der Senat trotz der für den Angeklagten sehr günstigen Schätzung der Besteuerungsgrundlagen (oben Rn. 21) nicht auszuschließen, dass die Strafkammer jeweils geringere Einzelstrafen verhängt hätte, wenn sie wegen der Annahme einer gewissen betrieblichen Nutzung der fraglichen Fahrzeuge zu niedrigen Kosten für die Nutzung der Fahrzeuge gelangt wäre. Damit entfällt auch die Gesamtstrafe.
25
Der Senat hebt wegen der Verknüpfung zwischen der jeweiligen Höhe des Hinterziehungsbetrages und der Strafzumessung die dem Strafausspruch zugrunde liegenden Feststellungen insgesamt auf (§ 353 Abs. 2 StPO), um dem neuen Tatrichter widerspruchsfreie Feststellungen zu den Hinterziehungsbeträgen zu ermöglichen.
26
5. Sollte der neue Tatrichter eine gewisse betriebliche Nutzung der geleasten Fahrzeuge in den verfahrensgegenständlichen Zeiträumen nicht auszuschließen vermögen, den Umfang einer solchen Nutzung und die darauf entfallenden Kosten aber nicht im Einzelnen feststellen können, kommt eine Schätzung der entsprechenden Kosten in Betracht. Dabei wird angesichts der Höhe der Aufwendungen die Begrenzung des Betriebsausgabenabzugs gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG (vgl. im hier relevanten Zusammenhang dazu BFH, Urteil vom 29. April 2014 – VIII R 20/12, BFHE 245, 338) berücksichtigt werden dürfen.
Raum Graf Jäger Radtke Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 200/18
vom
16. August 2018
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter Anstiftung zum Mord u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:160818B4STR200.18.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts – zu 3. auf dessen Antrag – und des Beschwerdeführers am 16. August 2018 gemäß § 206a Abs. 1, § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 StPO analog beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Detmold vom 6. Dezember 2017
a) aufgehoben und das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte wegen der Tat zu II. 1. der Urteilgründe verurteilt worden ist;
b) aufgehoben in den Aussprüchen über die Gesamtstrafe und über die vorbehaltene Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung; diese entfallen. 2. Die Urteilsformel wird klarstellend wie folgt neu gefasst: Der Angeklagte ist wegen versuchter Anstiftung zur Anstiftung zum Mord zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. 3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 4. Im Umfang der Einstellung und der Aufhebung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last. Die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin insoweit entstandenen notwendigen Auslagen hat der Beschwerdeführer zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Anstiftung zum Mord und wegen versuchter Anstiftung zur Anstiftung zum Mord zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vorbehalten. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Soweit das Landgericht den Angeklagten im Fall II. 1. der Urteilsgründe wegen versuchter Anstiftung zum Mord verurteilt hat, ist das Urteil aufzuheben und das Verfahren einzustellen, da es an der Verfahrensvoraussetzung einer wirksamen Anklageschrift und demzufolge an einem wirksamen Eröffnungsbeschluss fehlt.
3
a) Durch die mit Beschluss des Landgerichts Detmold vom 16. August 2017 unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklage der Staatsanwaltschaft Detmold vom 25. April 2017 ist dem Angeklagten zur Last gelegt worden, durch zwei selbstständige Handlungen „im November 2015 und Anfang 2016“ in Detmold versucht zu haben, einen anderen dazu zu bestimmen, zu einem Mord anzustiften. Hierzu ist im konkreten Anklagesatz Folgendes ausgeführt worden:
4
„Sowohl im November 2015 als auch zu Beginn des Jahres 2016 bemüh- te sich der Angeschuldigte, der sich wegen versuchten Mordes zum Nachteil seiner früheren Ehefrau in Strafhaft befindet, ernsthaft und wiederholt, einen Mitgefangenen dazu zu bringen, einen Auftragsmörder zu beschaffen, der dann die geschiedene Frau des Angeschuldigten töten sollte. Dem Angeschuldigten kam und kommt es noch immer darauf an, seine geschiedene Frau zu beseitigen. Der Zeuge P. kam dem Ansinnen des Angeschuldigten jedoch nicht nach.“
5
b) Diese Anklageschrift genügt nicht den Mindestanforderungen an die Konkretisierung der Tat.
6
aa) Die Anklageschrift hat nach § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO die zur Last gelegte Tat sowie Zeit und Ort ihrer Begehung so genau zu bezeichnen, dass die Identität des geschichtlichen Vorgangs dargestellt und erkennbar wird, welche bestimmte Tat gemeint ist. Diese muss sich von anderen gleichartigen strafbaren Handlungen desselben Angeschuldigten unterscheiden lassen; fehlt es hieran, so ist die Anklage unwirksam (vgl. BGH, Urteile vom 24. Januar 2012 – 1 StR 412/11, BGHSt 57, 88, 91; vom 28. Oktober 2009 – 1 StR 205/09, NStZ 2010, 159, 160; vom 11. Januar 1994 – 5 StR 682/93, BGHSt 40, 44, 45; Beschluss vom 29. November 1994 – 4 StR 648/94, NStZ 1995, 245; MeyerGoßner /Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 200 Rn. 7). Wann eine Tat als historisches Ereignis hinreichend umgrenzt ist, kann nicht abstrakt, sondern nur nach Maßgabe der Umstände des jeweiligen Einzelfalls bestimmt werden (BGH, Beschlüsse vom 26. April 2017 – 2 StR 242/16, wistra 2018, 49, 50; vom 27. Februar 2018 – 2 StR 390/17, juris Rn. 18; KK-StPO/Schneider, 7. Aufl., § 200 Rn. 3). Die Schilderung muss allerdings umso konkreter sein, je größer die Möglichkeit ist, dass der Angeschuldigte verwechselbare weitere Straftaten gleicher Art verübt hat (BGH, Beschlüsse vom 14. Juni 1993 – 4 StR 288/93, BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 4; vom 11. Mai 1994 – 2 StR 171/94, BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 7; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 200 Rn. 7; MüKo-StPO/Wenske, § 200 Rn. 19).
7
bb) Den sich hieraus ergebenden Anforderungen an die Umgrenzung des Prozessgegenstands wird die Anklageschrift vom 25. April 2017 nicht gerecht.
8
Im konkreten Anklagesatz werden weder bestimmte Gelegenheiten, bei denen der Angeklagte einen Anstiftungsversuch unternommen haben soll, noch bestimmte Anstiftungshandlungen beschrieben. Auch aus dem circa eine halbe Textseite umfassenden wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen – dieses darf zur Ergänzung und Auslegung des Anklagesatzes herangezogen werden (vgl. BGH, Urteile vom 17. August 2000 – 4 StR 245/00, BGHSt 46, 130, 133; vom 28. Oktober 2009 – 1 StR 205/09, NStZ 2010, 159, 160; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 200 Rn. 7) – ergibt sich nichts Näheres zu den beiden Anklagevorwürfen.
9
Eine Konkretisierung der Tathandlungen wäre aber schon deshalb erforderlich gewesen, weil die Anklageschrift selbst mitteilt, dass sich der Angeklag- te im Strafvollzug „wiederholt“ darum bemüht habe,einen Mitgefangenen zur Beschaffung eines Auftragsmörders zu bewegen. Dementsprechend liegt dem Verfahren auch eine weitere – den Fall II. 2. der Urteilsgründe betreffende – Anklageschrift vom 5. Dezember 2016 zugrunde, die einen vergleichbaren Tatvorwurf zum Gegenstand hat.
10
Zudem ergibt sich aus der Anklageschrift vom 25. April 2017 nicht, ob sich beide angeklagten Taten auf den im Anklagesatz allein genannten Zeugen P. beziehen oder ob eine der Taten eine versuchte Anstiftung des Zeugen S. zum Gegenstand hat. Im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen wird mitgeteilt, der Zeuge S. habe die Aussage des Zeugen P. bestätigt, wonach auch er von dem Angeklagten „in der fraglichen Weise angesprochen worden sei“. Es bleibt völlig unklar, ob dies lediglich zur Unterstützung der Aus- sage des Zeugen P. dienen oder zum Gegenstand der Anklagegemacht werden sollte.
11
b) Es kommt daher nicht mehr entscheidend darauf an, dass sich ein Verfahrenshindernis auch aus der fehlenden Identität zwischen der ausgeurteilten Tat und dem von der Anklageschrift erfassten Sachverhalt ergeben würde.
12
aa) Gegenstand der Urteilsfindung ist gemäß § 264 Abs. 1 StPO die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt. Die Wahrung der Identität der prozessualen Tat trotz Veränderung des Tatbildes ist nach dem Kriterium der „Nämlichkeit“ der Tat zu beurteilen. Eine solche ist gegeben, wenn ungeachtet gewisser Differenzen bestimmte Merkmale die Tat weiterhin als einmaliges unverwechselbares Geschehen kennzeichnen (BGH, Urteile vom 20. November 2014 – 4 StR 153/14, StraFo 2015, 68, 69; vom 22. Juni 2006 – 3 StR 79/06, NStZ-RR 2016, 316 f.; vom 21. Dezember 1983 – 2 StR 578/83, BGHSt 32, 215, 218; Beschluss vom 27. Februar 2018 – 2 StR 390/17, juris Rn. 18; KK-StPO/Kuckein, aaO, § 264 Rn. 16). Für das Tatbild bestimmend sind in der Regel der Ort und die Zeit des Geschehens, das Täterverhalten, die ihm innewohnende Richtung und das Opfer beziehungsweise das Objekt, auf das sich der Vorgang bezieht (BGH, Urteil vom 21. Dezember 1983 – 2 StR 578/83, BGHSt 32, 215, 218; Beschluss vom 27. Februar 2018 – 2 StR 390/17, juris Rn. 18). Maßgeblich sind auch hier stets die tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2012 – 1 StR 415/12, BGHR StPO § 264 Abs. 1 Ausschöpfung 5; Beschluss vom 19. Dezember 2017 – 1 StR 542/17, juris Rn. 8).
13
bb) Daran gemessen ist der von der Strafkammer zum Gegenstand der Verurteilung gemachte Lebenssachverhalt – losgelöst von der mangelnden Konkretisierung der Anklage – nicht der Kognition des Gerichts unterbreitet worden.
14
Das von der Strafkammer zum Fall II. 1. der Urteilsgründe festgestellte Geschehen ereignete sich „Ende September 2014/Anfang 2015“ – mithin deut- lich vor dem in der Anklage genannten Zeitraum. Zudem sollte nach den getroffenen Feststellungen der Zeuge P. , der Ende des Jahres 2014 von seiner anstehenden Haftentlassung ausging, die geschiedene Ehefrau des Angeklagten eigenhändig u.a. gegen Geldleistungen töten und nicht – wie angeklagt – eine dritte Person mit der Tötung beauftragen.
15
Dass es sich hierbei um einen anderen als den angeklagten Lebenssachverhalt handelt, ergibt sich nicht nur aus den tatsächlichen Abweichungen zwischen Anklage und Urteil, sondern auch aus dem Umstand, dass die Strafkammer – als Nachtatgeschehen zu Fall II. 2. – festgestellt hat, dass der Angeklagte den Zeugen P. zu Beginn des Jahres 2016 erneut ansprach und ihn nunmehr fragte, ob er eine dritte Person kenne, die er mit der Tötung der geschiedenen Ehefrau beauftragen könne. Auch wenn die Strafkammer diesen Sachverhalt strafrechtlich nicht gewürdigt hat, ist davon auszugehen, dass sich neben dem ausgeurteilten Geschehen ein weiteres ereignete, das sowohl von der zeitlichen Einordnung als auch inhaltlich – Suche nach einem dritten Auftragsmörder – gerade dem angeklagten Vorwurf entspricht. Diese beiden Geschehen stellen trotz der gleichartigen Angriffsrichtung keinen einheitlichen Le- benssachverhalt dar, da die Tat II. 1. fehlgeschlagen ist und der Angeklagte den Zeugen P. nach den Feststellungen erst deutlich später erneutansprach, und zwar nachdem er vergeblich versucht hatte, eine weitere Person in die Suche nach einem Auftragsmörder einzubinden (vgl. zum Vorliegen verschiedener prozessualer Taten bei zwei Anstiftungshandlungen BGH, Urteil vom 5. Mai 1998 – 1 StR 635/96, BGHSt 44, 91 ff.; vgl. dagegen zur Annahme nur eines Lebenssachverhalts bei engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang BGH, Urteil vom 30. April 2009 – 4 StR 60/09, NStZ 2009, 585).
16
Der von der Strafkammer in der Hauptverhandlung erteilte Hinweis auf einen möglicherweise von der Anklageschrift abweichenden Tatzeitpunkt vermochte das Verfahrenshindernis der fehlenden Anklage nicht zu beseitigen; denn auch durch einen gerichtlichen Hinweis gemäß § 265 StPO darf die Strafklage nicht in der Form umgestaltet werden, dass das angeklagte Geschehen – wie hier – durch ein anderes ersetzt wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Sep- tember 2000 – 3 StR 88/00; bei Becker, NStZ-RR 2001, 257, 262 f.; vom 3. August 1998 – 5 StR 311/98, NStZ-RR 1999, 303; vom 27. Mai 1992 – 2 StR 94/92, wistra 1992, 266; LR-StPO/Stuckenberg, 26. Aufl., § 265 Rn. 9; MeyerGoßner /Schmitt, aaO, § 265 Rn. 6).
17
2. Bezüglich der Tat II. 2. der Urteilsgründe hält das Urteil rechtlicher Nachprüfung stand.
18
Die dieser Tat zugrunde liegende Anklageschrift vom 5. Dezember 2016 ist ausreichend konkretisiert.
19
Die vom Beschwerdeführer erhobene Aufklärungsrüge dringt aus den vom Generalbundesanwalt ausgeführten Gründen nicht durch. Im Übrigen zeigt die Revision nicht auf, weshalb sich die Strafkammer zur Beiziehung der „Strafakten“ und „Gefangenenakten“ der Zeugen P. und T. hätte gedrängt sehen müssen, zumal mehrere Bedienstete der fraglichen Justizvollzugsanstalt und die Zeugen P. und T. in der Hauptverhandlung vernommen worden sind. Insofern teilt die Revision nicht mit, ob hierbei zu den vermeintlich nicht aufgeklärten Sachverhalten, dem Vollzugsverhalten der Zeugen und ihren Vorstrafen , Angaben gemacht worden sind (vgl. zur Notwendigkeit des Vortrags von Tatsachen, die dem Erfolg der Aufklärungsrüge möglicherweise abträglich sind: BGH, Urteile vom 21. März 2002 – 5 StR 138/01, NJW 2002, 2257, 2258; vom 5. Juni 1996 – 2 StR 70/96, NStZ-RR 1997, 71, 72; Beschluss vom 23. November 2004 – KRB 23/04, NJW 2005, 1381, 1382; hierzu auch LR-StPO/ Becker, aaO, § 244 Rn. 367).
20
Auch sachlich-rechtlich weist das Urteil bezüglich der Tat zu II. 2. keine durchgreifenden Rechtsfehler auf.
21
3. a) Durch die Einstellung des Verfahrens im Fall II. 1. der Urteilsgründe wird der Gesamtstrafe die Grundlage entzogen. Diese entfällt, da es nur noch bei der Einzelfreiheitsstrafe für die Tat zu II. 2. der Urteilsgründe verbleibt.
22
b) Auch der Ausspruch über die vorbehaltene Unterbringung in der Sicherungsverwahrung ist aufzuheben und gerät in Wegfall. Die formellen Voraussetzungen der ersichtlich nach § 66a Abs. 1 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB getroffenen Anordnung liegen infolge der Verfahrenseinstellung im Fall II. 1. der Urteilsgründe nicht mehr vor, da § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB die Verurteilung wegen zweier Straftaten mit jeweils mindestens zweijähriger Freiheitsstrafe voraussetzt. Die formellen Voraussetzungen der weiteren Tatbestandsvarianten des § 66a StGB liegen ebenfalls nicht vor.
23
4. a) Sollte die Tat unter II. 1. der Urteilsgründe erneut angeklagt und zum Gegenstand einer Hauptverhandlung werden, wird sich das neue Tatgericht eingehender als bislang geschehen mit der Abgrenzung zwischen einer vorbehaltlosen Veranlassung zur Tatbegehung im Sinne des § 30 Abs. 1 StGB und einer bloßen Versicherung der allgemeinen Tatbereitschaft auseinanderzusetzen haben (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 10. Juni 1998 – 3 StR 113/98, BGHSt 44, 99 ff.; vom 29. Oktober 1997 – 2 StR 239/97, NStZ 1998, 347 f.; Beschluss vom 7. Juli 1993 – 3 StR 275/93, BGHR StGB § 30 Beteiligung 1).
24
b) Sollte ein neues Tatgericht wiederum eine Entscheidung nach § 66a StGB in Betracht ziehen, wird zu beachten sein, dass es sich hierbei um eine Ermessensvorschrift handelt und sich die tatrichterliche Ermessensausübung aus den Urteilsgründen ergeben muss (BGH, Beschlüsse vom 19. Juli 2017 – 4 StR 245/17, juris Rn. 8 ff.; vom 11. März 2015 – 1 StR 3/15, juris Rn. 3; MüKo-StGB/Ullenbruch/Morgenstern, 3. Aufl., § 66a Rn. 67).
Sost-Scheible Cierniak Quentin
Feilcke Paul

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 153/14
vom
20. November 2014
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. November
2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Mutzbauer,
Bender
als beisitzende Richter,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt aus Waldshut-Tiengen
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 28. November 2013 wird
a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall II. 1. wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last,
b) das vorgenannte Urteil im Schuldspruch dahin geändert , dass der Angeklagte des sexuellen Missbrauchs eines Kindes in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung, schuldig ist.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in vier Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Es hat bestimmt, dass von der Gesamtfreiheitsstrafe wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung fünf Monate als vollstreckt gelten. Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision des Angeklagten mit näheren Ausführungen zum materiellen Recht. Das Rechtsmittel führt zur Einstellung des Verfahrens, soweit der Angeklagte im Fall II. 1. wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes verurteilt worden ist und zu einer entsprechenden Änderung des Schuldspruchs; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
1. Hinsichtlich der unter II. 1. der Urteilsgründe abgeurteilten Straftat fehlt es an der Verfahrensvoraussetzung der Anklageerhebung. Mit der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage vom 17. November 2010 wurde dem Angeklagten vorgeworfen, in der Zeit vom 1. Juli 2009 bis zum 30. April 2010 seine am 15. Januar 2003 geborene Stieftochter H. in der Familienwohnung mindestens einmal pro Monat, insgesamt also mindestens zehn Mal, über der Kleidung am Geschlechtsteil angefasst zu haben (Ziffern 2 bis 11 der Anklage).
3
Gegenstand der Verurteilung durch das Landgericht ist eine diesem Tatbild entsprechende Tat im Mai oder Juni 2010. Das Landgericht hat in der Hauptverhandlung „9 der 10 FälleZiffern 2 bis 11 der Anklage gemäß § 154 StPO eingestellt" und den rechtlichen Hinweis erteilt, „dassbei einer Tat der Anklagepunkte 2 bis 11 eine Tatzeit im Mai 2010 in Betracht kommt“.
4
a) Der abgeurteilte Fall des sexuellen Missbrauchs zum Nachteil der Nebenklägerin war von der zugelassenen Anklage nicht umfasst.
5
Gemäß § 264 Abs. 1 StPO ist Gegenstand der Urteilsfindung die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt. Gegenstand der zugelassenen Anklage sind u.a. zehn Taten in der oben näher beschriebenen Ausführung in der Zeit vom 1. Juli 2009 bis zum 30. April 2010. Auf diese Taten erstreckte sich die Kognitionspflicht des Gerichts. Die abgeurteilte Straftat betrifft einen anderen Zeitraum. Zwar braucht eine Veränderung oder Erweiterung des Tatzeitraums die Identität zwischen Anklage und abgeurteilter Tat nicht aufzuheben (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juni 1994 – 3 StR 457/93, BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 8), wenn die in der Anklage beschriebene Tat unabhängig von der Tatzeit nach anderen Merkmalen individualisiert und dadurch weiterhin als einmaliges, unverwechselbares Geschehen gekennzeichnet ist (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 21. August 2013 – 2 StR 311/13 Rn. 4; Urteil vom 17. August 2000 – 4 StR 245/00, BGHSt 46, 130, 133; Beschluss vom 13. März 1996 – 3 StR 43/96, BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 19). Bei gleichartigen, nicht durch andere individuelle Tatmerkmale als die Tatzeit unterscheidbaren Serientaten heben dagegen Veränderungen und Erweiterungen des Tatzeitraumes die Identität zwischen angeklagten und abgeurteilten Taten auf.
6
So verhält es sich im abgeurteilten Fall II. 1. der Urteilsgründe. Die angeklagten Taten sind durch eine jeweils gleichförmige Tatausführung an einem jeweils identischen Tatort gekennzeichnet und nicht auf andere Weise unabhängig von der Tatzeit nach individuellen Merkmalen unverwechselbar charakterisiert. Insofern kommt dem in der Anklageschrift genannten Tatzeitraum eine wesentliche, die Kognitionspflicht des Gerichts im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO bestimmende und vor allem begrenzende Funktion zu.
7
b) Da eine Nachtragsanklage nicht erhoben ist, muss das Verfahren im Fall II. 1. der Urteilsgründe wegen des von Amts wegen zu beachtenden Verfahrenshindernisses fehlender Anklage eingestellt werden. Die Einstellung des Verfahrens bedingt eine entsprechende Änderung des Schuldspruchs.
8
2. Die Verurteilung wegen tateinheitlicher fahrlässiger Körperverletzung im Fall II. 3. der Urteilsgründe ist zu Recht erfolgt. Eine Verfahrensrüge ist nicht erhoben. Jedenfalls ist die fahrlässige Körperverletzung zum Nachteil von G. wieder in das Verfahren einbezogen worden, wie sich aus dem Vermerk des Vorsitzenden vom 27. Mai 2014 ergibt.
9
3. Hinsichtlich einer fahrlässigen Körperverletzung zum Nachteil von H. ist das Landgericht entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts seiner Kognitionspflicht nachgekommen. Es hat ausdrücklich festgestellt , dass der Angeklagte bei H. keine Verletzungen verursacht hat (UA 9).

II.


10
1. Eine etwa erhobene Aufklärungsrüge entspricht nicht den Anforderungen von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO:
11
Nach Ansicht des Revisionsführers hätte „dringender Anlass“ bestanden, durch einen Sachverständigen feststellen zu lassen, inwieweit der Angeklagte für die vorgeworfenen Taten strafrechtlich verantwortlich im Sinne der §§ 20 und 21 StGB sei. Das Gericht habe die evidenten Persönlichkeitsdefizite des Angeklagten nicht zum Anlass genommen, genauer zu hinterfragen, inwieweit er noch in der Lage gewesen sei, das Unrecht seines Handelns zu verstehen und dagegen anzusteuern.
12
Selbst wenn dem das zu erwartende Beweisergebnis einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit noch entnommen werden kann (vgl. Sander/ Cirener, NStZ-RR 2008, 4 f.; Gericke in KK-StPO, 7. Aufl., § 344 Rn. 51 jeweils mwN), ist dieses jedenfalls nicht bestimmt behauptet (vgl. BGH, Urteil vom 16. Januar 2003 – 4 StR 264/02, NStZ 2004, 112).
13
2. Die Nachprüfung des Urteils auf die Sachrüge hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler aufgezeigt.
14
Das Landgericht hat eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit mit tragfähigen Erwägungen zum Ausmaß der alkoholischen Beeinflussung bei den Taten verneint. Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt musste es nicht erörtern, weil aufgrund der Feststellungen zur Persönlichkeit des Angeklagten sicher ausgeschlossen werden kann, dass beim Angeklagten die hinreichend konkrete Aussicht eines Behandlungserfolgs besteht (vgl. hierzu BVerfG, StV 1994, 594).
15
Die Beanstandungen, mit denen sich die Revision gegen die Strafzumessung wendet, sind offensichtlich unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Revisionsrechtlich unbedenklich ist auch, dass das Landgericht dem Angeklagten die Aussetzung der Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung versagt hat. Die gemäß § 56 Abs. 1 StGB getroffene negative Prognoseentscheidung des Landgerichts hält rechtlicher Nachprüfung stand. Dass es hierbei den Zeitablauf seit den Taten aus dem Blick verloren haben könnte, ist angesichts der ausdrücklichen Berücksichtigung dieses Umstands bei der Strafzumessung und der Erörterung der Alkoholtherapie im Jahre 2011 bei der Prognoseentscheidung auszuschließen.

III.


16
Die Gesamtfreiheitsstrafe bleibt trotz Einstellung des Tatvorwurfs zu II. 1. der Urteilsgründe bestehen. Angesichts der Einsatzstrafe von einem Jahr und drei Monaten sowie der verbleibenden Einzelstrafen kann der Senat ausschließen , dass der Tatrichter ohne die wegen der Verfahrenseinstellung im Fall II. 1. der Urteilsgründe entfallende Einzelstrafe von zehn Monaten eine geringere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte.
17
Im Hinblick auf den nur geringen Teilerfolg der Revision ist es nicht unbillig , den Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten und Auslagen seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender
18
(1) Die Wahrung der Identität der prozessualen Tat trotz Veränderung des Tatbildes ist nach dem Kriterium der „Nämlichkeit“ der Tat zu beurteilen. Eine solche ist gegeben, wenn ungeachtet gewisser Differenzen bestimmte Merkmale die Tat weiterhin als einmaliges unverwechselbares Geschehen kennzeichnen (BGH, Urteil vom 28. Mai 2002 – 5 StR 55/02, Beck RS 2002, 4976). Das Tatbild bestimmend sind in der Regel der Ort und die Zeit des Vor- gangs, das Täterverhalten, die ihm innewohnende Richtung und das Opfer beziehungsweise das Objekt, auf das sich der Vorgang bezieht (Senat, Urteil vom 21. Dezember 1983 – 2 StR 578/83, BGHSt 32, 215, 218).

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 200/18
vom
16. August 2018
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter Anstiftung zum Mord u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:160818B4STR200.18.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts – zu 3. auf dessen Antrag – und des Beschwerdeführers am 16. August 2018 gemäß § 206a Abs. 1, § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 StPO analog beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Detmold vom 6. Dezember 2017
a) aufgehoben und das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte wegen der Tat zu II. 1. der Urteilgründe verurteilt worden ist;
b) aufgehoben in den Aussprüchen über die Gesamtstrafe und über die vorbehaltene Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung; diese entfallen. 2. Die Urteilsformel wird klarstellend wie folgt neu gefasst: Der Angeklagte ist wegen versuchter Anstiftung zur Anstiftung zum Mord zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. 3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 4. Im Umfang der Einstellung und der Aufhebung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last. Die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin insoweit entstandenen notwendigen Auslagen hat der Beschwerdeführer zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Anstiftung zum Mord und wegen versuchter Anstiftung zur Anstiftung zum Mord zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vorbehalten. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Soweit das Landgericht den Angeklagten im Fall II. 1. der Urteilsgründe wegen versuchter Anstiftung zum Mord verurteilt hat, ist das Urteil aufzuheben und das Verfahren einzustellen, da es an der Verfahrensvoraussetzung einer wirksamen Anklageschrift und demzufolge an einem wirksamen Eröffnungsbeschluss fehlt.
3
a) Durch die mit Beschluss des Landgerichts Detmold vom 16. August 2017 unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklage der Staatsanwaltschaft Detmold vom 25. April 2017 ist dem Angeklagten zur Last gelegt worden, durch zwei selbstständige Handlungen „im November 2015 und Anfang 2016“ in Detmold versucht zu haben, einen anderen dazu zu bestimmen, zu einem Mord anzustiften. Hierzu ist im konkreten Anklagesatz Folgendes ausgeführt worden:
4
„Sowohl im November 2015 als auch zu Beginn des Jahres 2016 bemüh- te sich der Angeschuldigte, der sich wegen versuchten Mordes zum Nachteil seiner früheren Ehefrau in Strafhaft befindet, ernsthaft und wiederholt, einen Mitgefangenen dazu zu bringen, einen Auftragsmörder zu beschaffen, der dann die geschiedene Frau des Angeschuldigten töten sollte. Dem Angeschuldigten kam und kommt es noch immer darauf an, seine geschiedene Frau zu beseitigen. Der Zeuge P. kam dem Ansinnen des Angeschuldigten jedoch nicht nach.“
5
b) Diese Anklageschrift genügt nicht den Mindestanforderungen an die Konkretisierung der Tat.
6
aa) Die Anklageschrift hat nach § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO die zur Last gelegte Tat sowie Zeit und Ort ihrer Begehung so genau zu bezeichnen, dass die Identität des geschichtlichen Vorgangs dargestellt und erkennbar wird, welche bestimmte Tat gemeint ist. Diese muss sich von anderen gleichartigen strafbaren Handlungen desselben Angeschuldigten unterscheiden lassen; fehlt es hieran, so ist die Anklage unwirksam (vgl. BGH, Urteile vom 24. Januar 2012 – 1 StR 412/11, BGHSt 57, 88, 91; vom 28. Oktober 2009 – 1 StR 205/09, NStZ 2010, 159, 160; vom 11. Januar 1994 – 5 StR 682/93, BGHSt 40, 44, 45; Beschluss vom 29. November 1994 – 4 StR 648/94, NStZ 1995, 245; MeyerGoßner /Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 200 Rn. 7). Wann eine Tat als historisches Ereignis hinreichend umgrenzt ist, kann nicht abstrakt, sondern nur nach Maßgabe der Umstände des jeweiligen Einzelfalls bestimmt werden (BGH, Beschlüsse vom 26. April 2017 – 2 StR 242/16, wistra 2018, 49, 50; vom 27. Februar 2018 – 2 StR 390/17, juris Rn. 18; KK-StPO/Schneider, 7. Aufl., § 200 Rn. 3). Die Schilderung muss allerdings umso konkreter sein, je größer die Möglichkeit ist, dass der Angeschuldigte verwechselbare weitere Straftaten gleicher Art verübt hat (BGH, Beschlüsse vom 14. Juni 1993 – 4 StR 288/93, BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 4; vom 11. Mai 1994 – 2 StR 171/94, BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 7; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 200 Rn. 7; MüKo-StPO/Wenske, § 200 Rn. 19).
7
bb) Den sich hieraus ergebenden Anforderungen an die Umgrenzung des Prozessgegenstands wird die Anklageschrift vom 25. April 2017 nicht gerecht.
8
Im konkreten Anklagesatz werden weder bestimmte Gelegenheiten, bei denen der Angeklagte einen Anstiftungsversuch unternommen haben soll, noch bestimmte Anstiftungshandlungen beschrieben. Auch aus dem circa eine halbe Textseite umfassenden wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen – dieses darf zur Ergänzung und Auslegung des Anklagesatzes herangezogen werden (vgl. BGH, Urteile vom 17. August 2000 – 4 StR 245/00, BGHSt 46, 130, 133; vom 28. Oktober 2009 – 1 StR 205/09, NStZ 2010, 159, 160; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 200 Rn. 7) – ergibt sich nichts Näheres zu den beiden Anklagevorwürfen.
9
Eine Konkretisierung der Tathandlungen wäre aber schon deshalb erforderlich gewesen, weil die Anklageschrift selbst mitteilt, dass sich der Angeklag- te im Strafvollzug „wiederholt“ darum bemüht habe,einen Mitgefangenen zur Beschaffung eines Auftragsmörders zu bewegen. Dementsprechend liegt dem Verfahren auch eine weitere – den Fall II. 2. der Urteilsgründe betreffende – Anklageschrift vom 5. Dezember 2016 zugrunde, die einen vergleichbaren Tatvorwurf zum Gegenstand hat.
10
Zudem ergibt sich aus der Anklageschrift vom 25. April 2017 nicht, ob sich beide angeklagten Taten auf den im Anklagesatz allein genannten Zeugen P. beziehen oder ob eine der Taten eine versuchte Anstiftung des Zeugen S. zum Gegenstand hat. Im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen wird mitgeteilt, der Zeuge S. habe die Aussage des Zeugen P. bestätigt, wonach auch er von dem Angeklagten „in der fraglichen Weise angesprochen worden sei“. Es bleibt völlig unklar, ob dies lediglich zur Unterstützung der Aus- sage des Zeugen P. dienen oder zum Gegenstand der Anklagegemacht werden sollte.
11
b) Es kommt daher nicht mehr entscheidend darauf an, dass sich ein Verfahrenshindernis auch aus der fehlenden Identität zwischen der ausgeurteilten Tat und dem von der Anklageschrift erfassten Sachverhalt ergeben würde.
12
aa) Gegenstand der Urteilsfindung ist gemäß § 264 Abs. 1 StPO die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt. Die Wahrung der Identität der prozessualen Tat trotz Veränderung des Tatbildes ist nach dem Kriterium der „Nämlichkeit“ der Tat zu beurteilen. Eine solche ist gegeben, wenn ungeachtet gewisser Differenzen bestimmte Merkmale die Tat weiterhin als einmaliges unverwechselbares Geschehen kennzeichnen (BGH, Urteile vom 20. November 2014 – 4 StR 153/14, StraFo 2015, 68, 69; vom 22. Juni 2006 – 3 StR 79/06, NStZ-RR 2016, 316 f.; vom 21. Dezember 1983 – 2 StR 578/83, BGHSt 32, 215, 218; Beschluss vom 27. Februar 2018 – 2 StR 390/17, juris Rn. 18; KK-StPO/Kuckein, aaO, § 264 Rn. 16). Für das Tatbild bestimmend sind in der Regel der Ort und die Zeit des Geschehens, das Täterverhalten, die ihm innewohnende Richtung und das Opfer beziehungsweise das Objekt, auf das sich der Vorgang bezieht (BGH, Urteil vom 21. Dezember 1983 – 2 StR 578/83, BGHSt 32, 215, 218; Beschluss vom 27. Februar 2018 – 2 StR 390/17, juris Rn. 18). Maßgeblich sind auch hier stets die tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2012 – 1 StR 415/12, BGHR StPO § 264 Abs. 1 Ausschöpfung 5; Beschluss vom 19. Dezember 2017 – 1 StR 542/17, juris Rn. 8).
13
bb) Daran gemessen ist der von der Strafkammer zum Gegenstand der Verurteilung gemachte Lebenssachverhalt – losgelöst von der mangelnden Konkretisierung der Anklage – nicht der Kognition des Gerichts unterbreitet worden.
14
Das von der Strafkammer zum Fall II. 1. der Urteilsgründe festgestellte Geschehen ereignete sich „Ende September 2014/Anfang 2015“ – mithin deut- lich vor dem in der Anklage genannten Zeitraum. Zudem sollte nach den getroffenen Feststellungen der Zeuge P. , der Ende des Jahres 2014 von seiner anstehenden Haftentlassung ausging, die geschiedene Ehefrau des Angeklagten eigenhändig u.a. gegen Geldleistungen töten und nicht – wie angeklagt – eine dritte Person mit der Tötung beauftragen.
15
Dass es sich hierbei um einen anderen als den angeklagten Lebenssachverhalt handelt, ergibt sich nicht nur aus den tatsächlichen Abweichungen zwischen Anklage und Urteil, sondern auch aus dem Umstand, dass die Strafkammer – als Nachtatgeschehen zu Fall II. 2. – festgestellt hat, dass der Angeklagte den Zeugen P. zu Beginn des Jahres 2016 erneut ansprach und ihn nunmehr fragte, ob er eine dritte Person kenne, die er mit der Tötung der geschiedenen Ehefrau beauftragen könne. Auch wenn die Strafkammer diesen Sachverhalt strafrechtlich nicht gewürdigt hat, ist davon auszugehen, dass sich neben dem ausgeurteilten Geschehen ein weiteres ereignete, das sowohl von der zeitlichen Einordnung als auch inhaltlich – Suche nach einem dritten Auftragsmörder – gerade dem angeklagten Vorwurf entspricht. Diese beiden Geschehen stellen trotz der gleichartigen Angriffsrichtung keinen einheitlichen Le- benssachverhalt dar, da die Tat II. 1. fehlgeschlagen ist und der Angeklagte den Zeugen P. nach den Feststellungen erst deutlich später erneutansprach, und zwar nachdem er vergeblich versucht hatte, eine weitere Person in die Suche nach einem Auftragsmörder einzubinden (vgl. zum Vorliegen verschiedener prozessualer Taten bei zwei Anstiftungshandlungen BGH, Urteil vom 5. Mai 1998 – 1 StR 635/96, BGHSt 44, 91 ff.; vgl. dagegen zur Annahme nur eines Lebenssachverhalts bei engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang BGH, Urteil vom 30. April 2009 – 4 StR 60/09, NStZ 2009, 585).
16
Der von der Strafkammer in der Hauptverhandlung erteilte Hinweis auf einen möglicherweise von der Anklageschrift abweichenden Tatzeitpunkt vermochte das Verfahrenshindernis der fehlenden Anklage nicht zu beseitigen; denn auch durch einen gerichtlichen Hinweis gemäß § 265 StPO darf die Strafklage nicht in der Form umgestaltet werden, dass das angeklagte Geschehen – wie hier – durch ein anderes ersetzt wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Sep- tember 2000 – 3 StR 88/00; bei Becker, NStZ-RR 2001, 257, 262 f.; vom 3. August 1998 – 5 StR 311/98, NStZ-RR 1999, 303; vom 27. Mai 1992 – 2 StR 94/92, wistra 1992, 266; LR-StPO/Stuckenberg, 26. Aufl., § 265 Rn. 9; MeyerGoßner /Schmitt, aaO, § 265 Rn. 6).
17
2. Bezüglich der Tat II. 2. der Urteilsgründe hält das Urteil rechtlicher Nachprüfung stand.
18
Die dieser Tat zugrunde liegende Anklageschrift vom 5. Dezember 2016 ist ausreichend konkretisiert.
19
Die vom Beschwerdeführer erhobene Aufklärungsrüge dringt aus den vom Generalbundesanwalt ausgeführten Gründen nicht durch. Im Übrigen zeigt die Revision nicht auf, weshalb sich die Strafkammer zur Beiziehung der „Strafakten“ und „Gefangenenakten“ der Zeugen P. und T. hätte gedrängt sehen müssen, zumal mehrere Bedienstete der fraglichen Justizvollzugsanstalt und die Zeugen P. und T. in der Hauptverhandlung vernommen worden sind. Insofern teilt die Revision nicht mit, ob hierbei zu den vermeintlich nicht aufgeklärten Sachverhalten, dem Vollzugsverhalten der Zeugen und ihren Vorstrafen , Angaben gemacht worden sind (vgl. zur Notwendigkeit des Vortrags von Tatsachen, die dem Erfolg der Aufklärungsrüge möglicherweise abträglich sind: BGH, Urteile vom 21. März 2002 – 5 StR 138/01, NJW 2002, 2257, 2258; vom 5. Juni 1996 – 2 StR 70/96, NStZ-RR 1997, 71, 72; Beschluss vom 23. November 2004 – KRB 23/04, NJW 2005, 1381, 1382; hierzu auch LR-StPO/ Becker, aaO, § 244 Rn. 367).
20
Auch sachlich-rechtlich weist das Urteil bezüglich der Tat zu II. 2. keine durchgreifenden Rechtsfehler auf.
21
3. a) Durch die Einstellung des Verfahrens im Fall II. 1. der Urteilsgründe wird der Gesamtstrafe die Grundlage entzogen. Diese entfällt, da es nur noch bei der Einzelfreiheitsstrafe für die Tat zu II. 2. der Urteilsgründe verbleibt.
22
b) Auch der Ausspruch über die vorbehaltene Unterbringung in der Sicherungsverwahrung ist aufzuheben und gerät in Wegfall. Die formellen Voraussetzungen der ersichtlich nach § 66a Abs. 1 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB getroffenen Anordnung liegen infolge der Verfahrenseinstellung im Fall II. 1. der Urteilsgründe nicht mehr vor, da § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB die Verurteilung wegen zweier Straftaten mit jeweils mindestens zweijähriger Freiheitsstrafe voraussetzt. Die formellen Voraussetzungen der weiteren Tatbestandsvarianten des § 66a StGB liegen ebenfalls nicht vor.
23
4. a) Sollte die Tat unter II. 1. der Urteilsgründe erneut angeklagt und zum Gegenstand einer Hauptverhandlung werden, wird sich das neue Tatgericht eingehender als bislang geschehen mit der Abgrenzung zwischen einer vorbehaltlosen Veranlassung zur Tatbegehung im Sinne des § 30 Abs. 1 StGB und einer bloßen Versicherung der allgemeinen Tatbereitschaft auseinanderzusetzen haben (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 10. Juni 1998 – 3 StR 113/98, BGHSt 44, 99 ff.; vom 29. Oktober 1997 – 2 StR 239/97, NStZ 1998, 347 f.; Beschluss vom 7. Juli 1993 – 3 StR 275/93, BGHR StGB § 30 Beteiligung 1).
24
b) Sollte ein neues Tatgericht wiederum eine Entscheidung nach § 66a StGB in Betracht ziehen, wird zu beachten sein, dass es sich hierbei um eine Ermessensvorschrift handelt und sich die tatrichterliche Ermessensausübung aus den Urteilsgründen ergeben muss (BGH, Beschlüsse vom 19. Juli 2017 – 4 StR 245/17, juris Rn. 8 ff.; vom 11. März 2015 – 1 StR 3/15, juris Rn. 3; MüKo-StGB/Ullenbruch/Morgenstern, 3. Aufl., § 66a Rn. 67).
Sost-Scheible Cierniak Quentin
Feilcke Paul

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom
28. Oktober 2009
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
wegen zu 1., 2., 3. und 5.: Misshandlung u.a.
zu 4.: gefährlicher Körperverletzung u.a.
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Münster vom 12. März 2008 werden als unbegründet verworfen, da die
Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen
Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349
Abs. 2 StPO).
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Die sofortigen Beschwerden der Angeklagten J. und B. gegen
die Kosten- und Auslagenentscheidung im vorbezeichneten Urteil werden
kostenpflichtig als unbegründet verworfen, weil diese Entscheidung
der Sach- und Rechtslage entspricht, § 465 Abs. 1 Satz 1 StPO.
Nack Wahl Elf
Graf Sander