Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Jan. 2019 - 4 StR 513/18

bei uns veröffentlicht am15.01.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 513/18
vom
15. Januar 2019
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:150119B4STR513.18.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 15. Januar 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 4. Juli 2018 dahin geändert, dass
a) der Angeklagte des Betruges in Tateinheit mit Missbrauch von Ausweispapieren in vier Fällen, der Beihilfe zum Betrug in Tateinheit mit Beihilfe zur Urkundenfälschung in fünf Fällen sowie der Beihilfe zum versuchten Betrug in Tateinheit mit Beihilfe zur Urkundenfälschung schuldig ist;
b) die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 2.600 Euro angeordnet ist. 2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 3. Es wird davon abgesehen, dem Beschwerdeführer die Kosten und Auslagen des Revisionsverfahrens aufzuerlegen (§§ 74, 109 Abs. 2 Satz 1 JGG).

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „Betruges in Tateinheit mit Missbrauch von Ausweispapieren in vier Fällen, sowie der Beihilfe zum Betrug in Tateinheit mit Urkundenfälschung in fünf Fällen sowie der Beihilfe zum ver- suchten Betrug in Tateinheit mit Urkundenfälschung“ zu der „Einheitsjugend- strafe“ von zwei Jahren verurteilt und die Vollstreckung dieser Strafe zur Bewährung ausgesetzt; ferner hat es „die Einziehung von Wertersatz“ in Höhe von 2.600 Euro angeordnet. Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel erzielt lediglich einen geringen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Beschluss des Landgerichts vom 11. Dezember 2018, mit dem eine Abtrennung „der in der Anklage vom 28.3.2018 – 71 Js – angeklagten Fälle 13 und 14 betr. den PKW BMW 318D zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung“ sowie derenEinstellung nach § 154 Abs. 2 StPO angeordnet worden ist, begründet für das Revisionsverfahren kein Verfahrenshindernis und steht deshalb einer Aburteilung auch des Falles II.10. der Urteilsgründe nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 2014 – 4 StR 69/14, NJW 2015, 181; Beschluss vom 8. Oktober 2013 – 4 StR 339/13, StraFo 2013, 510).
3
Aufgrund einer missverständlichen Formulierung des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 20. November 2018 hat das Landgericht mit Beschluss vom 11. Dezember 2018 und damit während der Anhängigkeit des Revisionsverfahrens beim Senat die Fälle 13 und 14 der Anklageschrift vom 28. März 2018 gemäß § 154 Abs. 2 StPO „mit Zustimmung der Staatsanwalt- schaft“ eingestellt. Den in der Anklage unter Nr. 14 angeklagten Fall hat das Landgericht jedoch im angefochtenen Urteil unter Ziffer II.10. der Urteilsgründe abgeurteilt. Insoweit geht die Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO ins Leere; denn der Fall II.10. der Urteilsgründe war zur Zeit der Beschlussfassung durch das Landgericht nicht bei diesem, sondern seit der Vorlage der Akten gemäß § 347 Abs. 2 StPO am 22. November 2018 beim Senat anhängig (vgl. zur Zu- ständigkeit weiter BGH, Beschluss vom 11. November 1993 – 4 StR 629/93; s. auch zur Unwirksamkeit von Verbindungsbeschlüssen, die gegen § 4 Abs. 2 Satz 2 StPO verstoßen, zuletzt BGH, Beschluss vom 31. Oktober 2018 – 2 ARs 311/18, NStZ-RR 2019, 23 mwN).
4
2. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts in den Fällen II.5. bis 10. der Urteilsgründe sowie deren rechtliche Würdigung machen nicht deutlich, ob das Landgericht hinsichtlich der mitabgeurteilten Urkundenfälschung von einer Mittäterschaft des Angeklagten (§ 25 Abs. 2 StGB) oder von einer Beihilfe (§ 27 StGB) ausgegangen ist. Die Feststellungen tragen jedenfalls auch insoweit die Annahme einer Beihilfestrafbarkeit des Angeklagten. Der Senat hat den Schuldspruch in diesen Fällen entsprechend geändert. Er kann ein Beruhen des Strafausspruchs ausschließen, weil die Jugendkammer sich bei der Bemessung der Jugendstrafe maßgeblich an dem Erziehungsgedanken orientiert und eine etwaige täterschaftliche Verwirklichung des § 267 StGB bei der Strafzumessung nicht aufgegriffen hat.
5
3. Der Umstand, dass das Landgericht den Angeklagten bei der Begrün- dung schädlicher Neigungen „als wichtiges Rädchen einer kriminellen Vereinigung“ (UA 15) bezeichnet hat, andererseits aber eine Bandenabrede bei keiner der Taten festzustellen vermochte (UA 11), beschwert den Angeklagten nicht.
6
4. Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts hat das Landgericht den anzuwendenden Strafrahmen richtig bestimmt (vgl. § 18 Abs. 1 Satz 1, § 105 Abs. 3 Satz 1 JGG).
7
5. Der Senat hat den Maßnahmenausspruch an die gesetzliche Überschrift in § 73c StGB nF angepasst.
Sost-Scheible Cierniak Bender
Feilcke Paul

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Im Verfahren gegen einen Jugendlichen kann davon abgesehen werden, dem Angeklagten Kosten und Auslagen aufzuerlegen.

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(1) Von den Vorschriften über das Jugendstrafverfahren (§§ 43 bis 81a) sind im Verfahren gegen einen Heranwachsenden die §§ 43, 46a, 47a, 50 Absatz 3 und 4, die §§ 51a, 68 Nummer 1, 4 und 5, die §§ 68a, 68b, 70 Absatz 2 und 3, die §§ 70a, 70b Absatz

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Im Verfahren gegen einen Jugendlichen kann davon abgesehen werden, dem Angeklagten Kosten und Auslagen aufzuerlegen.

(1) Von den Vorschriften über das Jugendstrafverfahren (§§ 43 bis 81a) sind im Verfahren gegen einen Heranwachsenden die §§ 43, 46a, 47a, 50 Absatz 3 und 4, die §§ 51a, 68 Nummer 1, 4 und 5, die §§ 68a, 68b, 70 Absatz 2 und 3, die §§ 70a, 70b Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2, die §§ 70c, 72a bis 73 und 81a entsprechend anzuwenden. Die Bestimmungen des § 70a sind nur insoweit anzuwenden, als sich die Unterrichtung auf Vorschriften bezieht, die nach dem für die Heranwachsenden geltenden Recht nicht ausgeschlossen sind. Die Jugendgerichtshilfe und in geeigneten Fällen auch die Schule werden von der Einleitung und dem Ausgang des Verfahrens unterrichtet. Sie benachrichtigen den Staatsanwalt, wenn ihnen bekannt wird, daß gegen den Beschuldigten noch ein anderes Strafverfahren anhängig ist. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse des Heranwachsenden geboten ist.

(2) Wendet der Richter Jugendstrafrecht an (§ 105), so gelten auch die §§ 45, 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 3, Abs. 2, 3, §§ 52, 52a, 54 Abs. 1, §§ 55 bis 66, 74 und 79 Abs. 1 entsprechend. § 66 ist auch dann anzuwenden, wenn die einheitliche Festsetzung von Maßnahmen oder Jugendstrafe nach § 105 Abs. 2 unterblieben ist. § 55 Abs. 1 und 2 ist nicht anzuwenden, wenn die Entscheidung im beschleunigten Verfahren des allgemeinen Verfahrensrechts ergangen ist. § 74 ist im Rahmen einer Entscheidung über die Auslagen des Antragstellers nach § 472a der Strafprozessordnung nicht anzuwenden.

(3) In einem Verfahren gegen einen Heranwachsenden findet § 407 Abs. 2 Satz 2 der Strafprozeßordnung keine Anwendung.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 69/14
vom
25. September 2014
BGHSt: nein
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
––––––––––––––––––––––––––-
Zu den Anforderungen an die Bestimmtheit einer Verfahrenseinstellung nach § 154
Abs. 2 StPO.
BGH, Urteil vom 25. September 2014 – 4 StR 69/14 – LG Dortmund
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. September
2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt – in der
Verhandlung –
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 21. Oktober 2013 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in siebzehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt sowie Verfall und Verfall von Wertersatz angeordnet. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils beschloss der Angeklagte im Jahr 2010, mit Cannabisprodukten Handel zu treiben. Er wandte sich an den früheren Mitangeklagten B. , der einen Händler in A. in den Niederlanden kannte. B. warb über den früheren Mitangeklagten G. den Motorradrennfahrer Be. als Kurier an. Be. transportierte jeweils mindestens fünf Kilogramm Marihuana nach Deutschland. Zwei Fahrten fanden im Jahr 2010, zehn Fahrten im Jahr 2011 und vier Fahrten im Jahr 2012 statt. Bei der Übergabe des Rauschgifts nach einer weiteren Fahrt am 19. Dezember 2012 wurden der Angeklagte und Be. festgenommen.
3
2. Die unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Dortmund vom 13. Februar 2013 wirft dem Angeklagten vor, von Juli 2010 bis zum 19. Dezember 2012 durch 104 selbständige Handlungen in 86 Fällen (Fälle 1 bis 86) mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel getrieben zu haben und in 18 Fällen (Fälle 87 bis 104) als Mitglied einer Bande mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel getrieben und sie eingeführt zu haben. Die Fälle 1 bis 86 der Anklageschrift betreffen Verkäufe an den gesondert verfolgten M. im Zeitraum von Juli 2010 bis zum 12. März 2012. Die Fälle 87 bis 98 der Anklageschrift sind dahin konkretisiert, dass Be. nach Bestellungen des Angeklagten und auf Anweisung von B. im Jahr 2011 zwölfmal nach A. gefahren ist und jeweils mindestens fünf Kilogramm Marihuana nach Deutschland gebracht hat. Als Fälle 99 bis 103 sind fünf Einfuhrfahrten des Be. für den Angeklagten im Jahr 2012 dargestellt. Der Fall 104 schildert die Einfuhrfahrt vom 19. Dezember 2012 und die Festnahme des Angeklagten und Be. s.
4
3. Am zweiten Tag der Hauptverhandlung, dem 15. Oktober 2013, erteilte das Landgericht dem Angeklagten folgenden rechtlichen Hinweis: „1. Hinsichtlich der Anklagevorwürfe 87 bis 104 kommt statt einer Verur- teilung wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30a Abs. 1 BtMG auch eine Verurteilung wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG in Betracht, 2. hinsichtlich der Anklagevorwürfe 1 bis 86 dürften Bewertungseinheiten anzunehmen sein. Soweit Verkaufsgeschäfte an den gesondert verfolgten M. im Jahre 2011 stattfanden, dürfte es sich um Abverkäufe aus den zuvor von dem gesondert verfolgtenBe. mit dem Motorrad aus A. /Niederlande eingeführten Marihuanamengen handeln. Soweit Verkaufsgeschäfte an den gesondert ver- folgten M. ab Juli 2010 angeklagt sind, dürften auch insoweit Bewertungseinheiten vorliegen, da nach der Einlassung des Angeklagten und den Angaben des anderweitig verfolgten Be. in dem Verfahren gegen B. und G. bereits im Jahre 2010Einfuhrfahrten von jeweils mindestens 5 kg Marihuana durch Be. er- folgten.“
5
Am dritten Tag der Hauptverhandlung, dem 21. Oktober 2013, ergingen folgende Gerichtsbeschlüsse: „Auf Antrag der Staatsanwaltschaft wird die Strafverfolgung in rechtlicher Hinsicht gemäß § 154 a Abs. 1 Nr. 1 StPO auf den Vorwurf des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG beschränkt.
Das Verfahren wird, soweit die Zahl der angeklagten Taten 17 Fälle des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge übersteigt, abgetrennt und insoweit auf Antrag der Staatsanwaltschaft gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt.“
6
Das Gericht erteilte dem Angeklagten den weiteren Hinweis, „dass anstelle einer Verurteilung wegen unerlaubter Einfuhr von Betäu- bungsmitteln in nicht geringer Menge auch eine Verurteilung wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG in Betracht kommt.“

II.


7
Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
8
1. Der Beschluss des Landgerichts vom 21. Oktober 2013, mit dem eine Abtrennung von Verfahrensteilen und deren Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO angeordnet worden ist, begründet kein Verfahrenshindernis und steht deshalb einer Ausurteilung von 17 Fällen des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nicht entgegen.
9
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs begründet die Einstellung eines Tatvorwurfs gemäß § 154 Abs. 2 StPO in der Hauptverhandlung ein von Amts wegen zu beachtendes Verfahrenshindernis, zu dessen Beseitigung ein förmlicher Wiederaufnahmebeschluss nach § 154 Abs. 5 StPO erforderlich ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Juli 2014 – 4 StR 230/14 Rn. 6; vom 4. Februar 2014 – 2 StR 487/13 Rn. 2; vom 18. April 2007 – 2 StR 144/07, NStZ 2007, 476).
10
aa) Wegen der weitreichenden Wirkungen einer Verfahrenseinstellung nach § 154 Abs. 2 StPO ist die Beschlussformel so zu fassen, dass kein Zweifel besteht, auf welche Taten und welche Angeklagten sie sich bezieht (BGH, Beschluss vom 23. März 1996 – 1 StR 685/95, juris, Rn. 23). Die eingestellten Taten sind genau zu bezeichnen, nach Möglichkeit mit der Nummerierung der Anklageschrift. Ist dies nicht möglich, sind die Taten so genau zu beschreiben, dass klar erkennbar ist, welche angeklagten Taten aus dem Verfahren ausgeschieden werden. Hinsichtlich der Konkretisierung im Einstellungsbeschluss gelten insoweit dieselben Anforderungen wie bei der Tatbeschreibung in der Anklageschrift zur Erfüllung ihrer Umgrenzungsfunktion.
11
(1) Die Anklageschrift hat die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat sowie Zeit und Ort ihrer Begehung so genau zu bezeichnen, dass die Identität des geschichtlichen Vorgangs klargestellt und erkennbar wird, welche bestimmte Tat gemeint ist; sie muss sich von anderen gleichartigen strafbaren Handlungen desselben Täters unterscheiden lassen (Umgrenzungsfunktion – st. Rspr., vgl.
nur BGH, Urteil vom 28. Oktober 2009 – 1 StR 205/09, BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 25; Beschluss vom 19. Februar 2008 – 1 StR 596/07, BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 24; Urteil vom 11. Januar 1994 – 5 StR 682/93, BGHSt 40, 44, 45; jeweils mwN). Dabei muss die Schilderung umso konkreter sein, je größer die allgemeine Möglichkeit ist, dass der Angeklagte verwechselbare weitere Straftaten gleicher Art verübt hat (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 8. August 1996 – 4 StR 344/96, BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 20 mwN). Die Identität des geschichtlichen Vorgangs muss feststehen, es darf kein Zweifel über die verfahrensgegenständlichen Taten im prozessualen Sinn eintreten. Fehlt es an einer hinreichenden Konkretisierung, so ist die Anklage unwirksam (vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 1994 – 5 StR 682/93, BGHSt 40, 44, 45; Beschluss vom 29. November 1994 – 4 StR 648/94, BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 13 jeweils mwN). Darüber hinaus hat die Anklage auch die Aufgabe, den Angeklagten und die übrigen Verfahrensbeteiligten über weitere Einzelheiten des Vorwurfs zu unterrichten, um ihnen Gelegenheit zu geben, ihr Prozessverhalten auf den mit der Anklage erhobenen Vorwurf einzustellen. Mängel der Anklage in dieser Hinsicht führen nicht zu ihrer Unwirksamkeit (Informationsfunktion – vgl. BGH, Urteile vom 28. Oktober 2009 und vom 11. Januar 1994 aaO, Beschluss vom 19. Februar 2008 aaO jeweils mwN).
12
Welche Angaben zur ausreichenden Umgrenzung des Verfahrensgegenstandes erforderlich sind, lässt sich nicht für alle Fälle in gleicher Weise sagen. Die einzelnen Faktoren der Tatkonkretisierung können von Fall zu Fall unterschiedliches Gewicht besitzen und durch größere Genauigkeit jeweils anderer Umstände ersetzt oder verdrängt werden. Entscheidend ist, dass der historische Geschehensablauf, der Gegenstand der gerichtlichen Untersuchung sein soll, feststeht. Bei der Schilderung eines nach seinem Ablauf unverwechselbaren Ereignisses kann die Tatzeit als Eingrenzungskriterium an Bedeutung verlieren. Wenn bei einer Tatserie das Geschehen der jeweiligen Einzeltat nicht mehr durch Beschreibung der Umstände seines Ablaufs näher konkretisiert werden kann, gewinnt die Bezeichnung der Tatzeit der Einzelhandlung oder des Zeitraums der Tatserie entscheidende Bedeutung für die Umgrenzung des Verfahrensgegenstandes. Soweit bei Serientaten eine konkrete Bezeichnung oder nähere Beschreibung der Einzeltaten in der Anklage wegen deren Gleichförmigkeit nicht erfolgen kann, muss deshalb der Verfahrensstoff zumindest durch Festlegung des Tatzeitraums hinreichend umgrenzt werden. Regelmäßig ist in solchen Fällen erforderlich, in der Anklage den bestimmten Tatzeitraum, das Tatopfer, die Grundzüge der Art und Weise der Tatbegehung, die Tatfrequenz und die (Höchst-)Zahl der vorgeworfenen Straftaten, die Gegenstand des Verfahrens sein sollen, anzugeben. Dies gilt insbesondere in Fällen des sexuellen Missbrauchs von Kindern, in denen bei einer Serie von Taten einzelne Handlungen überhaupt nicht mehr oder jedenfalls nicht mehr genau voneinander unterschieden werden können (vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 1994 – 5 StR 682/93, BGHSt 40, 44, 45 ff.; Urteil vom 29. Juli 1998 – 1 StR 94/98, BGHSt 44, 153, 154 f.).
13
(2) Dementsprechend konkret ist auch der Einstellungsbeschluss zu fassen, durch den der Verfahrensstoff begrenzt wird. Dabei können auszu- scheidende Taten sowohl „positiv“ beschrieben werden, indem die einzustellen- den Taten konkret bezeichnet werden, als auch „negativ“, indem genau angegeben wird, welche der angeklagten Taten weiterhin Verfahrensgegenstand sind. Wie der Tatrichter den Beschluss formuliert, ist ohne Bedeutung, solange der ausgeschiedene Verfahrensstoff und der verbleibende Verfahrensstoff eindeutig erkennbar sind. Sollte dem Senatsbeschluss vom 3. Dezember 2013 – 4 StR 461/13 – eine andere Rechtsauffassung zu entnehmen sein, hält der Senat daran nicht fest. Soweit in Entscheidungen anderer Senate des Bundes- gerichtshofs gefordert wird, dass ausgeschiedene Tatteile oder Strafbestim- mungen konkret („positiv“) zu bezeichnen sind, betrifft dies Verfahrensbe- schränkungen der Staatsanwaltschaft vor Anklageerhebung (BGH, Beschlüsse vom 4. Juni 2013 – 2 StR 59/13 Rn. 21; vom 7. Oktober 2011 – 1 StR 321/11, NStZ-RR 2012, 50, 51 und vom 16. Juli 1980 – 3 StR 232/80, NStZ 1981, 23). Die Bestimmung von auszuscheidenden Taten bzw. Tatteilen erfolgt zu diesem Zeitpunkt in einem anderen prozessualen Kontext. Bei einer Einstellung durch das Gericht sind nämlich auch im Falle der negativ formulierten Beschränkung auf die verfahrensgegenständlich verbleibenden Taten die ausgeschiedenen Taten durch die Anklage festgelegt.
14
(3) Bei einer Serie vollständig gleichförmiger, nicht näher konkretisierbarer Taten kann der Einstellungsbeschluss beispielsweise den Tatzeitraum angeben und die Anzahl der Taten in zu bezeichnenden Zeitabschnitten (Tatfrequenz ), die aus dem Verfahren ausgeschieden werden. Auch kann die Anzahl der – gegebenenfalls nach tatrichterlicher Schätzung – festgestellten Taten anhand von Tatzeitraum und Tatfrequenz konkretisiert werden, der Gesamtzahl der angeklagten Taten gegenübergestellt und eine Differenz ermittelt werden, die dann in der Einstellungsentscheidung zum Ausdruck kommt (vgl. BGH, Beschluss vom 13. August 2014 – 2 StR 128/14).
15
bb) Der Einstellungsbeschluss soll aus sich selbst heraus verständlich sein. Ist der Beschluss mehrdeutig und bestehen deshalb nach dem Wortlaut Unklarheiten, welche Vorwürfe der Anklageschrift aus dem Verfahren ausgeschieden werden, kann er nach allgemeinen Grundsätzen ausgelegt werden. Dabei können bei der Prüfung, ob der Einstellungsbeschluss die gebotene Umgrenzung des verbleibenden Verfahrensstoffs leistet, auch die zugelassene Anklage , der Einstellungsantrag der Staatsanwaltschaft (vgl. BGH, Beschluss vom 29. November 2011 – 1 StR 539/11), auf die Einstellungsentscheidung bezogene Hinweise und Anregungen des Gerichts, Hinweise des Gerichts nach § 265 StPO sowie im Rahmen einer auf die Erledigung des gesamten Verfahrens bezogenen Betrachtung jedenfalls dann, wenn der Einstellungsbeschluss zeitnah zur Urteilsverkündung gefasst wurde, auch die Schlussanträge der Verfahrensbeteiligten und das Urteil (anders zur Heranziehung der Urteilsfeststellungen noch Senatsbeschluss vom 29. Juli 2008 – 4 StR 210/08) berücksichtigt werden.
16
Liegt einem Einstellungsbeschluss nach § 154 Abs. 2 StPO die unzutreffende Annahme mehrerer selbständiger prozessualer Taten zugrunde, kann etwa bei einem sich aus den Gesamtumständen ergebenden offensichtlichen Irrtum/Versehen des Gerichts eine Umdeutung einer Verfahrenseinstellung nach § 154 Abs. 2 StPO in eine Verfahrensbeschränkung nach § 154a Abs. 2 StPO in Betracht kommen (BGH, Beschluss vom 14. Februar 2006 – 4 StR 6/06; Beschluss vom 23. März 2005 – 2 StR 11/05, juris, Rn. 5; vgl. auch Urteil vom 1. Juni 2005 – 2 StR 405/04, NStZ 2006, 455; vgl. aber Senatsbeschluss vom 8. Oktober 2013 – 4 StR 339/13, NStZ 2014, 46 m. Anm. Allgayer).
17
cc) Nur wenn der Einstellungsbeschluss die vorstehend dargestellten Anforderungen erfüllt, entfaltet er eine den Verfahrensstoff beschränkende Wirkung.
18
Ergibt sich hingegen auch unter Würdigung der vorstehend unter 1. a) bb) genannten Umstände keine Klarheit über die ausgeschiedenen Verfahrensteile , ist die Verfahrensbeschränkung nach § 154 Abs. 2 StPO wirkungslos und steht einer Aburteilung nicht entgegen (BGH, Urteil vom 14. März 2012 – 2 StR 561/11 Rn. 17). Ist eine Verfahrensbeschränkung in der Hauptverhand- lung aufgrund ihrer Unbestimmtheit wirkungslos geblieben, hat das Revisionsgericht als Verfahrensvoraussetzung (nur) zu prüfen, ob die ausgeurteilten Taten von der Anklage erfasst sind. Der Einstellungsbeschluss selbst begründet in diesem Fall kein Verfahrenshindernis (aA OLG München wistra 2008, 319 f.). Soweit den Senatsentscheidungen vom 29. Juli 2008 – 4 StR 210/08 – und vom 3. Dezember 2013 – 4 StR 461/13 – eine andere Rechtsauffassung zu entnehmen ist, hält der Senat daran nicht fest.
19
Ist der Einstellungsbeschluss wirksam, hat das Revisionsgericht als Verfahrensvoraussetzung von Amts wegen zu überprüfen, ob den ausgeurteilten Taten eine Einstellung entgegensteht. Lässt sich dies den Urteilsgründen nicht hinreichend sicher entnehmen, kann dies zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung führen (BGH, Beschluss vom 9. November 2011 – 4 StR 300/11). Sind eingestellte Taten ausgeurteilt worden, stellt das Revisionsgericht das (weitere) Verfahren insoweit ein (st. Rspr.; u.a. BGH, Beschluss vom 4. Juni 2013 – 4 StR 192/13; Beschluss vom 25. Januar 2012 – 1 StR 45/11 Rn. 19 ff., insoweit in BGHSt 57, 95 nicht abgedruckt; Urteil vom 26. Oktober 2006 – 3 StR 290/06, NStZ-RR 2007, 83).
20
Soweit ein nach den oben genannten Kriterien wirksamer Einstellungsbeschluss die Informationsfunktion für den Angeklagten nicht erfüllt, muss dieser eventuelle Mängel mit einer Verfahrensrüge geltend machen.
21
b) Auf den vorliegenden Fall angewendet ergibt sich Folgendes:
22
Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob der Beschluss des Landgerichts vom 21. Oktober 2013 den dargelegten Konkretisierungsanforderungen genügt. Dies erscheint zweifelhaft, kann aber letztlich dahinstehen. Denn ein nicht hinreichend konkretisierter, unbestimmter Einstellungsbeschluss ginge ins Leere, so dass alle angeklagten Taten weiter Verfahrensgegenstand beim Landgericht waren. Alle ausgeurteilten Taten waren angeklagt; auch wäre keine der ausgeurteilten Taten von dem Einstellungsbeschluss erfasst, sollte dieser wirksam sein. Ein Verfahrenshindernis besteht somit in keinem Fall. Die vom Landgericht zusammen mit der Einstellung beschlossene „Abtrennung“ hat hier ersichtlich keine eigenständige rechtliche Bedeutung.
23
2. Der Schuld- und der Strafausspruch des angefochtenen Urteils weisen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 339/13
vom
8. Oktober 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Anstiftung zu einer schweren räuberischen Erpressung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 8. Oktober 2013 gemäß § 206a
Abs. 1 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 4. April 2013 aufgehoben; das Verfahren wird eingestellt. 2. Die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Anstiftung zur schweren räuberischen Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt; ferner hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug von einem Jahr der Freiheitsstrafe vor der Maßregel angeordnet. Gegen das Urteil richtet sich die auf eine Verfahrens- und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zur Einstellung des Verfahrens, weil das Landgericht die Tat nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, sie anschließend aber gleichwohl abgeurteilt hat.
2
1. In der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklageschrift wird dem Angeklagten Anstiftung zur schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Bedrohung zur Last gelegt. Er soll in der Nacht zum 11. Oktober 2012 gegen 2.00 Uhr den gesondert verfolgten D. , der ihm Geld aus Drogengeschäften schuldete, gedrängt haben, ein Internetcafé in Gelsenkirchen zu überfallen. "Andernfalls drohte der Angeschuldigte dem gesondert verfolgten D. , ihn oder seinen Bruder 'kalt zu machen'. … Aufgrund der von dem Angeschuldigten ausgesprochenen Drohungen gegen ihn und seinen Bruder führte der gesondert verfolgte D. den Überfall aus."
3
In der Hauptverhandlung vom 4. April 2013 beantragte der Staatsanwalt, "das Verfahren, soweit es den Vorwurf der Bedrohung betrifft, gemäß § 154 Abs. 2 StPO im Hinblick auf den anderen Tatvorwurf einzustellen." Dem kam die Strafkammer nach; sie beschloss, dass "das Verfahren …, soweit es den Vorwurf der Bedrohung betrifft, gemäß § 154 Abs. 2 StPO im Hinblick auf den Anklagevorwurf eingestellt" wird. Anschließend folgten die Schlussvorträge, das letzte Wort und die Urteilsverkündung.
4
In den im Urteil mitgeteilten Feststellungen wird die Drohung des Angeklagten nicht mehr erwähnt. Die Strafkammer sieht das Bestimmen im Sinn des § 26 StGB darin, dass der Angeklagte den gesondert verfolgten D. "drängte", das Internetcafé zu überfallen; das dabei erbeutete Geld sollte er dem Angeklagten aushändigen und im Gegenzug Schuldenfreiheit und weitere Drogen erlangen (UA S. 9). Bei dem Treffen am 11. Oktober 2012 gegen 2.00 Uhr habe der Angeklagte dem D. unter anderem ein Messer, Klebeband und ein CO-Spray zur Tatbegehung ausgehändigt und ihn aufgefordert, die Gegenstände zur Erzwingung der Herausgabe der Tatbeute und ggf. zur Fesselung des Ladenangestellten zu benutzen; ferner habe er weitere Einzelheiten zu der von ihm geplanten Tatausführung vorgegeben und zugesagt, dass D. unter anderem die Drogenschulden erlassen werden (UA S. 10). Hiermit wollte der Angeklagte - so die Strafkammer - den Tatentschluss im Zeugen D. hervorrufen, durch Anwendung oder Androhung von Gewalt mittels der mitgeführten Waffen gegenüber den im Ladenlokal Anwesenden diese zur Herausgabe der im Tresor und in der Kasse befindlichen Gelder zu nötigen (UA S. 10).
5
2. Der Verurteilung des Angeklagten wegen Anstiftung zur (besonders) schweren räuberischen Erpressung steht die Einstellung "der Bedrohung" nach § 154 Abs. 2 StPO entgegen. Hierin liegt ein von Amts wegen zu beachtendes Verfahrenshindernis.
6
a) Das Absehen von der Verfolgung einer Tat nach § 154 Abs. 1 oder 2 StPO bezieht sich auf die gesamte prozessuale Tat (vgl. etwa BGH, Urteil vom 24. Oktober 1974 - 4 StR 453/74, BGHSt 25, 388, 390; Beulke in Löwe/ Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 154 Rn. 11 jeweils mwN; Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 154 Rn. 1). Sollen abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen sind, von der Verfolgung ausgenommen werden, findet - nach dessen Absatz 1 Satz 1 - § 154a StPO Anwendung.
7
Die Tat im prozessualen Sinn ist der geschichtliche - und damit zeitlich und sachverhaltlich begrenzte - Vorgang, auf welchen Anklage und Eröffnungsbeschluss hinweisen, und innerhalb dessen der Angeklagte als Täter oder Teilnehmer einen Straftatbestand verwirklicht haben soll. Sie beschränkt sich nicht auf eine konkrete Handlung, sondern erfasst den gesamten Lebenssachverhalt einschließlich aller damit zusammenhängenden Vorgänge, die für die strafrechtliche Beurteilung von Bedeutung sein können, somit das gesamte Verhalten des Angeklagten, soweit es nach natürlicher Auffassung einen einheitlichen, inhaltlich zusammenhängenden Lebensvorgang darstellt (vgl. BVerfG, Be- schlüsse vom 16. März 2006 - 2 BvR 111/06 [Rn. 7]; vom 16. März 2001 - 2 BvR 65/01 [Rn. 3]; BGH, Urteil vom 18. Dezember 2012 - 1 StR 415/12 [Rn. 36], jeweils mwN).
8
b) Die Drohung des Angeklagten, den gesondert verfolgten D. oder dessen Bruder "kalt zu machen", war Teil des geschichtlichen Vorgangs, innerhalb dessen der Angeklagte den Straftatbestand der Anstiftung zur (besonders ) schweren räuberischen Erpressung verwirklicht haben soll und nach den Feststellungen der Strafkammer - sollte er die Drohung ausgesprochen haben - verwirklicht hat.
9
Dies zeigt sich schon darin, dass Anklageschrift und Urteilsfeststellungen das Bestimmen im Sinn des § 26 StGB allein oder zumindest maßgeblich aus dem Inhalt des Gesprächs zwischen dem Angeklagten und D. am 11. Oktober 2012 gegen 2.00 Uhr herleiten, innerhalb dessen der Angeklagte laut Anklage auch die Drohung ausgesprochen haben soll, um D. hierdurch zur Tatbegehung zu veranlassen. Sämtliche Vorgänge innerhalb dieses Treffens stehen in einem sachlichen und motivatorischen, aber auch in einem engen zeitlichen Zusammenhang; sie waren allesamt auf den - kurz darauf stattfindenden - Überfall auf das Internetcafé gerichtet. Sprechen aber die für die Bestimmung der Reichweite des Verfahrensgegenstandes maßgeblichen tatsächlichen Momente des Lebenssachverhalts, wie die hier vorliegenden, für die Annahme einer einheitlichen prozessualen Tat, kann die Heranziehung normativer Gesichtspunkte allein nicht dazu führen, entgegen dem sich durch die faktischen Verhältnisse ergebenden Bild eine einheitliche Tat im Sinn des § 264 StPO zu verneinen (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2012 - 1 StR 415/12 [Rn. 38]).
10
c) Die Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO durch die Strafkammer führt auch hier zu einem Verfahrenshindernis, das nur durch eine Wiederaufnahme durch das Tatgericht beseitigt werden kann.
11
aa) Mit der Einstellung durch einen Gerichtsbeschluss gemäß § 154 Abs. 2 StPO entsteht ein von Amts wegen zu beachtendes Verfahrenshindernis; denn das Verfahren ist - soweit es diese Tat betrifft - nach einer solchen Einstellung nicht mehr anhängig (BGH, Urteil vom 21. Dezember 1956 - 1 StR 337/56, BGHSt 10, 88, 89; Beschluss vom 9. September 1981 - 3 StR 290/81, BGHSt 30, 197, 198). Zur Beseitigung dieses Verfahrenshindernisses ist ein Wiederaufnahmebeschluss gemäß § 154 Abs. 5 StPO erforderlich (BGH, Beschlüsse vom 9. September 1981 - 3 StR 290/81, BGHSt 30, 197, 198; vom 9. November 2011 - 4 StR 300/11). Ist ein solcher Beschluss nicht ergangen, ist das weitere, also das nach der Einstellung fortgeführte Verfahren einzustellen (BGH, Beschlüsse vom 30. April 1980 - 2 StR 104/80, GA 1981, 36 m. Anm. Rieß; vom 27. April 2000 - 4 StR 85/00; vom 4. Juni 2013 - 4 StR 192/13).
12
bb) Dies gilt auch, wenn das Gericht - wie naheliegend hier - irrtümlich nach § 154 Abs. 2 StPO anstatt nach § 154a Abs. 2 StPO verfahren ist.
13
In Fällen einer fehlerhaften Verfahrensweise nach § 154 Abs. 1 StPO (anstatt nach § 154a Abs. 1 StPO) durch die Staatsanwaltschaft hat diese durch eine anschließende Anklageerhebung das Verfahren zumindest konkludent wieder aufgenommen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Januar 2006 - 1 StR 438/05, NStZ-RR 2007, 20; Meyer-Goßner, aaO, § 154 Rn. 21a). Hat sie nach Anklageerhebung in einem anderen, dieselbe Tat betreffenden Verfahren das bei ihr noch offene Verfahren nach § 154 Abs. 1 StPO eingestellt, ver- mag dies jedenfalls nach Eröffnung des anderen Hauptverfahrens dem Gericht die Befugnis und Verpflichtung zur Aburteilung der Tat nicht mehr zu entziehen (vgl. § 156 StPO; ferner BGH, Urteil vom 24. Oktober 1974 - 4 StR 453/74, BGHSt 25, 388, 390; Beulke, aaO, § 154 Rn. 13, sowie Meyer-Goßner, aaO, § 154a Rn. 29; Weßlau in SK-StPO, § 154 Rn. 42).
14
Hat indes das Gericht den Tatbegriff des § 154 StPO verkannt oder meint es rechtsfehlerhaft, nach dieser Vorschrift könnte innerhalb einer prozessualen Tat auch die Verfolgung einzelner Straftatbestände ausgeschieden werden, so ändert dies nichts daran, dass es eine Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO beschließen wollte und beschlossen hat. Auch eine nicht etwa nur die Form der Entscheidung, sondern bezüglich ihres Inhalts rechtsfehlerhafte gerichtliche Entscheidung hat aber grundsätzlich bis zu ihrer Korrektur oder Beseitigung in dem dafür vorgesehenen Verfahren die in ihr angeordneten oder mit ihr verbundenen Wirkungen (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 1999 - 4 StR 19/99, BGHSt 45, 58, 60 ff.; Meyer-Goßner, aaO, Einl. Rn. 105 ff.). Auch eine rechtsfehlerhafte Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO lässt daher die Anhängigkeit der Tat entfallen und kann nur durch Wiederaufnahme des Verfahrens beseitigt werden (vgl. für das noch nicht rechtskräftig abgeschlossene Verfahren auch Beulke, aaO, § 154 Rn. 13). Eine solche Wiederaufnahme hat jedoch nicht stattgefunden.
15
Dass der Strafkammer bei der Beschlussfassung lediglich eine Falschbezeichnung der angewendeten Vorschrift unterlaufen ist (§ 154 Abs. 2 StPO statt § 154a Abs. 2 StPO), schließt der Senat aus. Hiergegen spricht auch der ausdrücklich auf § 154 Abs. 2 StPO gerichtete - nicht nur die Zustimmung gemäß § 154a Abs. 2 StPO erklärende - Antrag des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft.
16
d) Der Senat kann das Verfahrenshindernis nicht selbst beseitigen. Denn für die Wiederaufnahme ist das Gericht zuständig, das die Entscheidung ausgesprochen hat (BGH, Beschluss vom 30. April 1980 - 2 StR 104/80, GA 1981, 36 m. Anm. Rieß). Für die Wiederaufnahme teilt der Senat - jedenfalls bei Fallgestaltungen wie hier - aus den sich aus obigen Ausführungen ergebenden Gründen nicht die Ansicht, dass insofern die tatsächlich anzuwendenden, nicht die irrig angewendeten Vorschriften maßgeblich seien (so Meyer-Goßner, aaO, § 154a Rn. 29; Weßlau, aaO, § 154 Rn. 42); daher hat die Wiederaufnahme - ohne dass hierbei die Wiederaufnahmegründe nach § 154 Abs. 3, 4 StPO Bedeutung erlangen - durch Gerichtsbeschluss nach § 154 Abs. 5 StPO zu erfolgen.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Ist die Revision rechtzeitig eingelegt und sind die Revisionsanträge rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form angebracht, so ist die Revisionsschrift dem Gegner des Beschwerdeführers zuzustellen. Diesem steht frei, binnen einer Woche eine schriftliche Gegenerklärung einzureichen. Wird das Urteil wegen eines Verfahrensmangels angefochten, so gibt der Staatsanwalt in dieser Frist eine Gegenerklärung ab, wenn anzunehmen ist, dass dadurch die Prüfung der Revisionsbeschwerde erleichtert wird. Der Angeklagte kann die Gegenerklärung auch zu Protokoll der Geschäftsstelle abgeben.

(2) Nach Eingang der Gegenerklärung oder nach Ablauf der Frist sendet die Staatsanwaltschaft die Akten an das Revisionsgericht.

(1) Eine Verbindung zusammenhängender oder eine Trennung verbundener Strafsachen kann auch nach Eröffnung des Hauptverfahrens auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Angeklagten oder von Amts wegen durch gerichtlichen Beschluß angeordnet werden.

(2) Zuständig für den Beschluß ist das Gericht höherer Ordnung, wenn die übrigen Gerichte zu seinem Bezirk gehören. Fehlt ein solches Gericht, so entscheidet das gemeinschaftliche obere Gericht.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 ARs 311/18
2 AR 176/18
vom
31. Oktober 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Betrugs u. a.
vertreten durch: Rechtsanwalt
Az.: 3 Rv 6 Ss 448/18 Oberlandesgericht Karlsruhe
5 Ds 610 Js 35887/16 Amtsgericht Chemnitz
3 Ls 310 Js 39008/15 Amtsgericht Mannheim
ECLI:DE:BGH:2018:311018B2ARS311.18.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts am 31. Oktober 2018 beschlossen:
Die nachträgliche Verbindung der Strafsachen 5 Ds 610 Js 35887/16 des Amtsgerichts – Strafrichter – Chemnitz und 3 Ls 310 Js 39008/15 des Amtsgerichts – Schöffengericht – Mannheim wird abgelehnt.

Gründe:

I.

1
Mit Anklageschrift vom 26. Oktober 2016 hat die Staatsanwaltschaft Chemnitz in der Sache 610 Js 35887/16 Anklage zum Amtsgericht – Strafrichter – Chemnitz erhoben. Am 25. November 2016 hat dieses die Anklage zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Nach Vorlage durch das Amtsgericht Chemnitz übernahm das Amtsgericht – Schöffengericht – Mannheim mit Beschluss vom 22. Februar 2017 das dortige Verfahren und verband es mit dem bei ihm anhängigen Verfahren 3 Ls 310 Js 39008/15 zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung. Durch Urteil des Amtsgerichts Mannheim vom 7. Juni 2017 wurde der Angeklagte u. a. wegen der ihm mit Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Chemnitz zur Last gelegten Taten schuldig gesprochen.
2
Das Landgericht Mannheim hat mit Urteil vom 24. April 2018 über die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung des Angeklagten gegen das amtsgerichtliche Urteil entschieden. Dagegen hat der Angeklagte Revision zum Oberlandesgericht Karlsruhe eingelegt.
3
Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat die Sache mit Beschluss vom 2. August 2018 unter Hinweis auf die durch den Beschluss des Amtsgerichts – Schöffengericht – Mannheim nicht wirksam gewordene Verbindung der Ver- fahren dem Bundesgerichtshof zum Zwecke der Herbeiführung eines (nachträglichen ) Verbindungsbeschlusses vorgelegt. Es bezieht sich dabei auf die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 29. November 1996 – 2 StR 585/96 – (NStZ-RR 1997, 170) und vom 8. August 2001 – 2 StR 285/01 – (NStZ-RR 2002, 257), in denen der Senat jeweils die unwirksame Verbindung von Verfahren in der Revisionsinstanz durch Nachholung geheilt hat.

II.

4
Der Generalbundesanwalt hat dazu u. a. ausgeführt: „EineVerbindung der Verfahren durch den Bundesgerichtshof als gemeinschaftliches oberes Gericht gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 StPO kommt nicht in Betracht. Das Oberlandesgericht Karlsruhe geht zwar zutreffend davon aus, dass der Verbindungsbeschluss des Amtsgerichts [– Schöffengericht –] Mannheim rechtsunwirksam war, da er nicht von dem hierfür zuständigen Gericht erlassen worden ist. Die Verbindung, die nicht nur die örtliche, sondern auch die sachliche Zuständigkeit betraf, konnte nicht durch Vereinbarung der beteiligten Gerichte (§ 13 Abs. 2 StPO) herbeigeführt werden. Erforderlich war gemäß § 4 Abs. 2 StPO die Entscheidung des gemeinschaftlichen oberen Gerichts, nämlich des Bundesgerichtshofs, da das Amtsgericht Chemnitz und das Amtsgericht Mannheim zum Bezirk verschiedener Oberlandesgerichte gehören. Dieser Mangel ist gemäß § 6 StPO vom Revisionsgericht von Amts wegen zu beachten (vgl. Senat, Beschluss vom 8. August 2001 – 2 StR 285/01 m.w.N.). Dem steht auch die Teilrechtskraft des erstinstanzlichen Urteils des Amtsgerichts Mannheim nicht entgegen (vgl. MeyerGoßner /Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 337 Rn. 6 m.w.N.). Die nicht wirksam gewordene Verbindung der Verfahren kann der Bundesgerichtshof jedoch nicht nachholen. Soweit der Bundesgerichtshof eine Verfahrensverbindung in der Revisionsinstanz nachgeholt hat, war er nicht nur – anders als hier – zugleich als Revisionsgericht auch Spruchkörper des gemeinschaftlichen oberen Gerichts nach § 4 Abs. 2 Satz 2 StPO. Er hat eine nachträgliche Verbindung von Verfahren zudem auch auf Fälle beschränkt, in denen diese zu dem Zweck erfolgt, die Sache insoweit einer endgültigen Entscheidung zuzuführen (Senat, aaO; dagegen keine Verfahrensverbindung: Senat, Beschluss vom 25. April 2007 – 2 StR 25/07 –, StraFo 2007, 327).“
5
Dem schließt sich der Senat an. Eine nachträgliche „Heilung“ fehlender Zuständigkeit durch den nicht gleichzeitig als Revisionsgericht zuständigen Bundesgerichtshof in einer Vielzahl von Fällen würde Verstöße gegen § 4 Abs. 2 StPO weitgehend sanktionslos lassen und dessen Anwendungsbereich damit unangemessen einschränken. Nur in eng begrenzten Ausnahmefällen hält der Senat die Nachholung einer Verfahrensverbindung in entsprechender Anwendung des § 4 Abs. 2 StPO für zulässig, nämlich wenn das Revisionsverfahren bei ihm anhängig ist und durch diese Verfahrensweise unter Ausschluss jeglicher Beschwer für den Angeklagten endgültig erledigt werden kann.
6
Dies setzt voraus, dass das Verfahren, soweit es infolge unwirksamer Verfahrensverbindung an einer Verfahrens- (oder: Sachurteils-) Voraussetzung fehlt, gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt und zugleich insgesamt nach § 349 Abs. 2 StPO verfahren werden kann (vgl. Senatsbeschlüsse vom 29. November 1996 – 2 StR 585/96, aaO und vom 8. August 2001 – 2 StR 285/01, aaO).
7
Infolge der Unwirksamkeit des Verbindungsbeschlusses ist das zum Amtsgericht – Strafrichter – Chemnitz angeklagte Verfahren dort rechtshängig geblieben. Das Oberlandesgericht Karlsruhe als zuständiges Revisionsgericht wird das angefochtene Urteil deshalb insoweit aufzuheben und die Sache in entsprechender Anwendung des § 355 StPO an das Amtsgericht – Strafrichter – Chemnitzzurückzuverweisen haben (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juli 2018 – 4 StR 145/18; Senatsbeschluss vom 25. April 2007 – 2 StR 25/07, StraFo 2007, 327). Schäfer Appl Bartel Grube Schmidt

(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.

(2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(1) Wer zur Täuschung im Rechtsverkehr eine unechte Urkunde herstellt, eine echte Urkunde verfälscht oder eine unechte oder verfälschte Urkunde gebraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Betrug oder Urkundenfälschung verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt,
3.
durch eine große Zahl von unechten oder verfälschten Urkunden die Sicherheit des Rechtsverkehrs erheblich gefährdet oder
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht.

(4) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer die Urkundenfälschung als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(1) Das Mindestmaß der Jugendstrafe beträgt sechs Monate, das Höchstmaß fünf Jahre. Handelt es sich bei der Tat um ein Verbrechen, für das nach dem allgemeinen Strafrecht eine Höchststrafe von mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe angedroht ist, so ist das Höchstmaß zehn Jahre. Die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts gelten nicht.

(2) Die Jugendstrafe ist so zu bemessen, daß die erforderliche erzieherische Einwirkung möglich ist.

(1) Begeht ein Heranwachsender eine Verfehlung, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist, so wendet der Richter die für einen Jugendlichen geltenden Vorschriften der §§ 4 bis 8, 9 Nr. 1, §§ 10, 11 und 13 bis 32 entsprechend an, wenn

1.
die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters bei Berücksichtigung auch der Umweltbedingungen ergibt, daß er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand, oder
2.
es sich nach der Art, den Umständen oder den Beweggründen der Tat um eine Jugendverfehlung handelt.

(2) § 31 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 ist auch dann anzuwenden, wenn der Heranwachsende wegen eines Teils der Straftaten bereits rechtskräftig nach allgemeinem Strafrecht verurteilt worden ist.

(3) Das Höchstmaß der Jugendstrafe für Heranwachsende beträgt zehn Jahre. Handelt es sich bei der Tat um Mord und reicht das Höchstmaß nach Satz 1 wegen der besonderen Schwere der Schuld nicht aus, so ist das Höchstmaß 15 Jahre.

Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.