Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Dez. 2009 - 4 StR 503/09
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
a) soweit der Angeklagte wegen Gefährdung des Straßenverkehrs verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung, wegen sexueller Nötigung und wegen Gefährdung des Straßenverkehrs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt. Zugleich hat es ihn im Adhäsionsverfahren zur Zahlung von Schmerzensgeld an die Nebenklägerin verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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- 1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen (vorsätzlicher) Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 2 f StGB (Befahren einer Kraftfahrstraße entgegen der Fahrtrichtung) im Fall II. 2. der Urteilsgründe begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
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- a) Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt: "Das Landgericht hat eine konkrete Gefahr bejaht, da es lediglich vom Zufall abhing, dass dem Angeklagten kein Gegenverkehr entgegenkam (UA S. 14). Dies genügt indes nicht, um eine konkrete Gefährdung im Sinne des § 315c StGB zu begründen. Zwar entzieht es sich exakter wissenschaftlicher Beschreibung , wann eine solche Gefahr gegeben ist. Die Tathandlung muss aber jedenfalls über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus im Hinblick auf einen bestimmten Vorgang in eine kritische Situation geführt haben; in dieser Situation muss - was nach der allgemeinen Lebenserfahrung aufgrund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist - die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache so stark beeinträchtigt gewesen sein, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht (Senat NStZ 1996, 83). Nach diesen Maßstäben lässt sich den Feststellungen des Landgerichts eine konkrete Gefahr im Sinne des § 315c StGB nicht entnehmen. Denn eine Begegnung mit anderen Fahrzeugen hat nicht stattgefunden. Die abstrakte Gefahr, die stets gegeben ist, wenn eine Kraftfahrstraße entgegen der Fahrtrichtung befahren wird, hatte sich daher noch nicht in einer kritischen Situation konkretisiert; erst recht war es in einer solchen Situation nicht zu einem "Beinahe-Unfall" (vgl. Senat NStZ 2009, 100, 101) gekommen. Dass es nur vom Zufall abhing, ob es zu einer kritischen Begegnung mit dem Gegenverkehr kommen würde, genügt für sich genommen nicht, um eine konkrete Gefahr im Sinne des § 315c StGB annehmen zu können".
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- b) Die Verurteilung wegen Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315c Abs. 1 Nr. 2 f StGB hat daher keinen Bestand. Dies führt zur Aufhebung der insoweit verhängten Einzelstrafe sowie der Gesamtstrafe.
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- Die neu erkennende Strafkammer wird angesichts der Trinkmengenangaben des Angeklagten zu prüfen haben, ob dieser sich im Fall II. 2. der Urteilsgründe der versuchten Gefährdung des Straßenverkehrs oder der Trunkenheit im Verkehr schuldig gemacht hat. Sollte der Angeklagte infolge seiner Alkoholisierung entgegen der Fahrtrichtung in die Kraftfahrstraße eingefahren und dabei eine (konkrete) Gefährdung des Gegenverkehrs zumindest billigend in Kauf genommen haben, kommt eine Strafbarkeit nach §§ 315c Abs. 1 Nr. 1 a, Abs. 2, 22 StGB in Betracht. Anderenfalls wird eine Strafbarkeit nach § 316 StGB zu erwägen sein. Eine Versuchsstrafbarkeit nach § 315c Abs. 1 Nr. 1 a, Abs. 3 Nr. 1 StGB ("Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination") scheidet hingegen aus, da § 315c Abs. 2 StGB eine solche nur für die Fälle des Abs. 1 Nr. 1 vorsieht (OLG Düsseldorf NZV 1994, 486; Cramer/Sternberg-Lieben in Schönke /Schröder StGB 27. Aufl. § 315c Rdn. 46).
Franke Mutzbauer
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wer im Straßenverkehr
- 1.
ein Fahrzeug führt, obwohl er - a)
infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel oder - b)
infolge geistiger oder körperlicher Mängel
nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, oder - 2.
grob verkehrswidrig und rücksichtslos - a)
die Vorfahrt nicht beachtet, - b)
falsch überholt oder sonst bei Überholvorgängen falsch fährt, - c)
an Fußgängerüberwegen falsch fährt, - d)
an unübersichtlichen Stellen, an Straßenkreuzungen, Straßeneinmündungen oder Bahnübergängen zu schnell fährt, - e)
an unübersichtlichen Stellen nicht die rechte Seite der Fahrbahn einhält, - f)
auf Autobahnen oder Kraftfahrstraßen wendet, rückwärts oder entgegen der Fahrtrichtung fährt oder dies versucht oder - g)
haltende oder liegengebliebene Fahrzeuge nicht auf ausreichende Entfernung kenntlich macht, obwohl das zur Sicherung des Verkehrs erforderlich ist,
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist der Versuch strafbar.
(3) Wer in den Fällen des Absatzes 1
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.(1) Wer im Verkehr (§§ 315 bis 315e) ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 315a oder § 315c mit Strafe bedroht ist.
(2) Nach Absatz 1 wird auch bestraft, wer die Tat fahrlässig begeht.
(1) Wer im Straßenverkehr
- 1.
ein Fahrzeug führt, obwohl er - a)
infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel oder - b)
infolge geistiger oder körperlicher Mängel
nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, oder - 2.
grob verkehrswidrig und rücksichtslos - a)
die Vorfahrt nicht beachtet, - b)
falsch überholt oder sonst bei Überholvorgängen falsch fährt, - c)
an Fußgängerüberwegen falsch fährt, - d)
an unübersichtlichen Stellen, an Straßenkreuzungen, Straßeneinmündungen oder Bahnübergängen zu schnell fährt, - e)
an unübersichtlichen Stellen nicht die rechte Seite der Fahrbahn einhält, - f)
auf Autobahnen oder Kraftfahrstraßen wendet, rückwärts oder entgegen der Fahrtrichtung fährt oder dies versucht oder - g)
haltende oder liegengebliebene Fahrzeuge nicht auf ausreichende Entfernung kenntlich macht, obwohl das zur Sicherung des Verkehrs erforderlich ist,
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist der Versuch strafbar.
(3) Wer in den Fällen des Absatzes 1
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.